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nachrichten g 3336 28.3.2002 18. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
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ie Aussage von Bush ist klar: halb gefordert, Hussein müsse unter allen Soldaten benötigt werden. Nach Angaben
Krieg gegen Saddam ist unver- Umständen gestürzt werden. Ansonsten des gut informierten Seymour Hersh hat
meidbar,“ titelte der Londoner In- werde „die Sicherheit der amerikani- Bush seine Berater angewiesen, bis zum
dependent, sich auf die Rede George W. schen Truppen in der Region, unserer 15. April einen Plan zum Sturz des Regi-
Bushs vom 11. März beziehend. Freunde und Alliierten wie Israel, der mes zu erarbeiten.
Die Gunst der Stunde nutzend ver- moderaten arabischen Staaten und ein Da außer in Washington selbst nie-
suchten die Hardliner in Washington bedeutender Anteil der Weltölversorgung mand sonderlich begeistert von diesen
zunächst einen solchen Angriff durch Be- aufs Spiel gesetzt.“ Plänen ist, sollen die augenblicklichen
weise einer Verbindung zwischen dem Dies zu verhindern ist das eigentliche Diskussionen um eine Wiederaufnahme
Irak und Al-Qaida zu legitimieren. Ob- Ziel eines US-Angriffes auf Bagdad, wie der UN-Inspektionen die notwendige,
wohl dies ebenso scheiterte wie Versu- US-Senator John McCain verdeutlichte: oder zumindest erwünschte, internationa-
che, Bagdad mit den Anthrax-Briefen in „Diktatoren, die [...] Massenvernich- le Unterstützung für einen Angriff si-
Verbindung zu bringen, wird der Angriff tungs-Waffen bauen, sind unterrichtet, chern helfen. Die USA fordern für diese
auf den Irak weiter von höchsten Stellen dass ein solches Verhalten, schon für sich Teams Kompetenzen, von denen sie si-
gefordert. Dem Problem, wie dies ohne selbst ein Kriegsgrund ist.“ cher sein können, dass Hussein – aber
Hinweise für eine direkte Mittäterschaft Anstatt sich für eine Stärkung der Rü- wohl auch sonst jedes Staatsoberhaupt
gerechtfertigt werden könnte, widmete stungskontrolle und Deeskalation einzu- der Welt – diese ablehnen wird. Bereits
sich ein offener Brief an die Regierung, setzen, veranlassen die ständigen Dro- jetzt gehen laut Herald Tribune „amerika-
unterzeichnet vom „Who is Who“ der hungen Washingtons Hussein zu der logi- nische Offizielle davon aus, dass im Mai
amerikanischen Außenpolitik. Dort wur- schen Schlussfolgerung, nur Massenver- oder Juni klar wird, dass der Irak die Sor-
de gefordert, dass „selbst wenn die Be- nichtungsmittel seien in der Lage, sein te von Inspektionen ablehnen wird, die
weise den Irak nicht direkt mit den Regime vor Angriffen der USA zu schüt- Bush verlangt.“ Diese Ablehnung wird
Attacken verbinden, muss jede Strategie, zen. Dies wird von den USA wiederum dann wohl als Legitimation genommen
die zum Ziel hat den Terrorismus und als ausreichender Kriegsgrund bezeich- werden mit einem Angriff zu beginnen.
seine Unterstützter auszurotten einen ent- net, stellt aber gleichzeitig auch einen Augenblicklich deutet alles darauf hin,
schiedenen Versuch einschließen Saddam willkommenen Vorwand dar, die eigenen dass die Kriegsvorbereitungen spätestens
Hussein von der Macht im Irak zu entfer- Interessen in der Region wahrzunehmen. im Herbst abgeschlossen sein werden.
nen.“ Aus US-Sicht erfordern die jüngsten Trotz der verschiedentlich geäußerten
Tatsächlich aber hat das Kriegsge- Spannungen mit Saudi Arabien, verbun- Kritik seitens der Europäer, ist aber auch
schrei nichts mit den Anschlägen des 11. den mit der zunehmenden Kritik an der von dieser Seite bedauerlicherweise kein
September oder dem Terrorismus zu tun, US-Truppenpräsenz am Golf, einen An- ernster Widerstand zu erwarten.
wie ein Bericht der Herald Tribune fest- griff auf den Irak, um sich damit neue Ein Artikel des ,Zeit‘-Herausgebers
stellt: „Die CIA hat keine Beweise, dass Basen zu verschaffen, den eigenen An- und ehemaligen Kulturstaatsministers
der Irak innerhalb fast eines Jahrzehntes spruch als Ordnungsmacht zu untermau- Michael Naumann unterstreicht ein-
in terroristische Operationen gegen die ern und damit die Kontrolle der Ölquel- drucksvoll die Nibelungentreue der Bun-
USA verwickelt war und die Spionage- len auch weiterhin zu gewährleisten. Pu- desregierung. „Ein Krieg im Irak würde
agentur ist ebenfalls davon überzeugt, blizistisch wird im Wall Street Journal die deutschen Pazifisten der PDS auf Ko-
dass Hussein keine chemischen oder bio- bereits die Besetzung der Ölquellen Sau- sten der Grünen stärken. [...] Ein Kon-
logischen Waffen an Al-Qaida oder ähnli- di-Arabiens gefordert. William Safire, flikt im Irak würde ihn [Schröder] dazu
che terroristische Gruppen geliefert hat.“ Topjournalist der New York Times zwingen die schwierigste politische Ver-
Henry Kissinger bemerkt folgerichtig: schlägt ähnliches auch für den Irak vor: pflichtung seines Lebens zu machen –
„Die Frage ist nicht, ob der Irak in die „Ich würde einen Deal mit Ankara ma- den Amerikanern zu folgen, komme was
Terrorattacken verwickelt war. [...] Die chen, jetzt sofort die Grenzen der Türkei da wolle. Dies könnte dazu führen, dass
Herausforderung ist im wesentlichen zu überqueren und das nördliche Drittel er [bei den Bundestagswahlen] im Sep-
eine geopolitische.“ Auch William Kri- des Irak zu annektieren. [...] Das Land, tember verliert.“ Hoffentlich kann man
stol, Herausgeber des Weekly Standard, dass es gilt zu einem Teil der Türkei zu da nur noch sagen.
betont: „Ob wir uns dem Irak widmen machen, ist das Ölfeld um Kirkuk, das * Jürgen Wagner ist im Vorstand der
hat immense Auswirkungen auf die ame- fast die Hälfte von Saddam Husseins Öl Informationsstelle Militarisierung (IMI).
rikanische Rolle in der Welt, insbesonde- produziert.“ Er schrieb vor kurzem eine Studie zur US-
re ob wir uns dazu berufen fühlen, die Der Anspruch auf Kontrolle des Öls Außenpolitik und den Anschlägen des
neue Weltordnung zu gestalten.“ scheint aus Sicht der USA einen Angriff 11. September mit dem Titel „Zum Terror
Der neuen Weltordnung steht der Irak auf den Irak allemal zu rechtfertigen. Al- verdammt?“, die in Kürze erscheint und
nach Meinung der US-Administration lerdings bestehen innerhalb der Regie- schon jetzt vorbestellt werden kann
schon lange im Weg, da ein über Mas- rung noch erhebliche Differenzen darü- (mailto: IMI@imi-online.de).
senvernichtungsmittel verfügender Irak ber, ob zur Unterstützung der USA auf IMI e.V., Hechingerstr. 203, 72072 Tübin-
„amerikanische und alliierte Städte als oppositionelle sunnitische Gruppen, so- gen, Telefon: 07071-49154 Fax: 49159 ■
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kundet, „dem Nationalsozialismus in Arztes Helmut Hanauske-Abel. Er hatte us Insiderkreisen ist zu erfahren,
Deutschland keine Zukunft zu gestatten im August 1986 in einem Artikel für eine dass die Bundestagsfraktion von
– und niemandem, der dazu weiterhin britische Fachzeitschrift die ärztliche CDU/CSU einen Antrag an den
sich zu bekennen die Absicht hatte“. Pflicht zur Erinnerung an die NS-Medi- Deutschen Bundestag stellen wird, der
Auf den ersten Blick wirkt das letzte zingeschichte betont. Dafür wurde er von die Errichtung eines Zentrums gegen
Kapitel des Buches „Karrieren im Zwie- Ärzte-Funktionären in der Bundesrepu- Vertreibung vorsieht. Daraus kann man
licht“ in gewisser Weise als Bruch zu den blik heftig attackiert und am Ende sogar die Schlussfolgerung ziehen, dass Stoi-
restlichen knapp 300 Seiten. Denn auf ih- von der zuständigen Bezirksärztekammer ber dies zum Wahlkampfthema machen
nen wird eine Traditionslinie von der Rheinhessen aus der Mitgliederliste ge- will bzw. die Vertriebenenorganisationen
Nazi-Zeit bis in die Bundesrepublik ge- strichen. einspannen wird. Die politische Linke
zeichnet, die verschiedene Berufsgrup- Der spezielle Reiz des Buches „Kar- sollte sich Gedanken machen, wie sie auf
pen gemein hatten. Freis Autoren Tobias rieren im Zwielicht“, das eine für 2002 diese Strategie antwortet. Die Forderung
Freimüller, Tim Schanetzky, Jens Schol- vorgesehene sechsteilige Fernsehdoku- „Das Münchener Abkommen für null
ten, Marc von Miquel und Matthias Weiß mentation in der ARD begleitet, liegt je- und nichtig zu erklären“ wäre eine in-
nehmen sich der Mediziner und Unter- doch in der differenzierten Betrachtung haltliche Gegenantwort auf den gesam-
nehmer, der Offiziere, Juristen und Jour- der so genannten Entnazifizierungsmaß- ten inhaltlichen Vorstoß der Vertrieben-
nalisten an. Was über deren tragende nahmen und in der abgewogenen Beur- organisation. Der Deutsche Ostdienst
Rolle unter dem Hakenkreuz und die re- teilung bestimmter Sachzwänge, auf die macht nicht nur Stimmung sondern orga-
lativ problemlose Integration in die de- bei Säuberungsaktionen der Alliierten nisiert einen regelrechten Kulturkampf.
mokratische Bundesrepublik berichtet wohl zwangsläufig Rücksicht genommen In der vorletzten Ausgabe unter der
wird, ist nicht unbedingt neu. Dennoch werden musste. Der Versuch eines politi- Überschrift „Der böse Geist von Be-
sind die zusammengetragenen Einzelfäl- schen Systemwechsels von außen, heißt nesch wirkt fort“. Im DOD Nr. 12 vom
le wertvolle Beispiele für verpasste Gele- es in dem von Norbert Frei publizierten 22. März: „Vertreibung der Sudetendeut-
genheiten. Auch die Juristen als Wächter Buch, sei auf eine Gesellschaft gestoßen, schen ist europäisches Thema ... So kom-
über Wahrheit und Recht kommen dabei die sich mehrheitlich selbst noch nach mentierte Bayerns Sozialministerin Chri-
nicht gut weg. Marc von Miquel gibt in dem Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 un- sta Stewens die Entgleisung des tsche-
dem Kapitel „Richter in eigener Sache“ willig gezeigt habe, mit der Bindung an chischen Außenpolitikers Miloslav Bed-
wenig schmeichelhafte Einblicke in das die Nazi-Herrschaft zu brechen. Das ei- nár auf dem deutschtschechischen Ge-
Bundesjustizministerium der frühen Jah- gentliche „Wunder“ der Nachkriegszeit sprächsforum letztes Wochenende in
Berlin. Der der Deutschen Bürgerpartei
(ODS) angehörende Bednár hatte dort
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. erklärt, dass es zwischen den Städten
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Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Postfach 260 226, 50515 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach „Achse des Bösen“ gebe, weil die dorti-
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, gen Regierungen stets auf den Unrechts-
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Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. sen. Bednár spielte damit auf eine For-
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. mulierung des US-Präsidenten Bush an,
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Postfach 260 226, 50515 Köln. Sonderbestellungen sind demzufolge eine „Achse des Bösen“ von
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. den Staaten Irak, Iran und Nordkorea ge-
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- bildet würden. „Dieser Vergleich ist eine
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung Unverschämtheit“, erklärte Stewens.
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. „Die Äußerung Bednárs ist innerhalb
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie weniger Wochen nach den Verunglimp-
Buntenbach (MdB Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsge-
meinschaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (Bund der Antifaschisten, Dachverband); Dr. Christel Hartinger (Friedens-
fungen der Sudentendeutschen durch
zentrum e.V., Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke, (MdB PDS); Ministerpräsident Zeman und nach der
Jochen Koeniger (Arbeitsgruppe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen Forderung des ODS-Vorsitzenden Klaus,
(Mitglieder des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschisti-
sche Nachrichten); Kreisvereinigung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo
die Benesch-Dekrete im EU-Recht zu
Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di Thüringen); Kai Metzner (Info Pool Network); Bernhard Strasdeit (MdB-Büro Winfried verankern, die dritte Zumutung“.“
Wolf); Volkmar Wölk. DOD 12/2002 – jöd ■