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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 31.7.2003 19. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de

NPD-„Pressefest“
Riesa. Zu einem „Pressefest“
lädt das NPD-Organ „Deut-
sche Stimme“ (Sitz: Riesa) am 9. Au-
gust nach Sachsen ein. Als Redner
werden u.a. John Tyndall von der
„British National Party“ (BNP) und
Baldur Springmann, einst Mitbegrün-
der der „Grünen“ und Aktivist der
„Aktionsgemeinschaft der Deutsch- Wunsiedel
landliebenden“ erwartet. 2002
Angeboten werden neben „Volks-
tanz“ und „Kabarett“ auch Auftritte
der sog. „nationalen Liedermacher“
Frank Rennicke, Jörg Hähnel und An-
nett sowie der Rechtsrock-Bands
„Hauptkampflinie“ und „Sturm und
Drang“. Aus ihren Büchern lesen u.a.
Karl-Heinz Mathias („Paul Hausser,
Generaloberst der Waffen-SS – „Ich
diene“) und der bereits wegen „Volks- Heß-Gedenken am
verhetzung“ verurteilte Udo Walendy
(„Wahrheit für Deutschland“).
hma ■
16. August in Wunsiedel
„Republikaner“ treffen
zunächst verboten
Das Landratsamt Wunsiedel für den 16. August, wo einfach Jugendli-
„Pro Köln“ hat eine für den 16. Augsut che dagegen sind.“
Köln. Zu einem Kooperationsge- geplante Gedenk-Kundge- Professor Dirk Heckmann, Jurist der
spräch haben sich hochrangige Vertre- bung zum 16. Todestag des Hitler- Universität Passau, will den Wunsied-
ter der sog. „Republikaner“ und der Stellvertreters Rudolf Heß verboten. lern helfen und hält ein Verbot für recht-
sogenannten „Bürgerbewegung Pro lich durchsetzbar: „Man sollte auch von
Köln“ unlängst getroffen. Zu dem Landrat Peter Seißer (SPD) begründete Seiten der Rechtsprechung überlegen,
Treffen, bei dem es um eine mögliche das Verbot damit, dass die Versammlung ob nicht ein neues Gefährdungspotential
gemeinsame Liste zu den Kommunal- eine Verherrlichung des Nationalsozia- entsteht, dem man irgendwie entgegnen
wahlen im September kommenden lismus und damit einen Angriff auf die muss, wo durch die Rechtsprechung
Jahres ging, nahmen von Seiten der verfassungsmäßige Ordnung darstelle. doch das ein oder andere Verbot auf-
„Republikaner“ die Bundesvorstands- Allerdings waren in den letzten beiden rechterhalten werden muss, und da soll-
mitglieder Baitz, Görtz, Heydrich, Jahren die Verbote durch den Verwal- ten insgesamt, vielleicht auch von Seiten
Schöppe und Kreisvorsitzender Bre- tungsgerichtshof immer in letzter Minu- der Wissenschaft, weitere Impulse gege-
ninek und von „Pro Köln“ Manfred te wieder aufgehoben worden. ben werden, dass die große Problematik
Rouhs, Judith Wolter und Markus Um hier eine breite öffentliche Mei- der wehrhaften Demokratie in Deutsch-
Beisicht teil. Angesichts des „desola- nung gegen den Nazispuk zu schaffen, land nicht auf dem jetzigen Stand
ten Zustandes“ des Bundesverbandes ist seit zwei Jahren die Initiative „Wun- bleibt.“
der „Republikaner“ „soll von Köln“ siedel ist bunt, nicht braun“ aktiv. In die- Gleichzeitig wurde eine Ausstellung
aus, wie es in dem Gespräch hieß, ein sem Jahr hat sie langfristig mit den Vor- „Gegen das Vergessen“ eröffnet, zu der
„Kurswechsel“ ausgehen“. So zumin- bereitungen gegen den drohenden Auf- Jugendliche aus dem Ort zum Teil unbe-
dest berichtet die neofaschistische marsch am 16. August begonnen: kannte Dokumente aus der NS-Zeit aus-
Zeitschrift „Nation und Europa“ (7- Am 20. Mai beriet im Rathaus der werteten und mit Zeitzeugenbefragun-
8/03). hma ■ überparteiliche Arbeitskreis seine Auf- gen durch örtliche Erfahrungen unter-
klärungsarbeit, die gegen Rechts mobili- mauerten. „Diese Ausstellung will Mut
sieren soll. machen, sich auch in Wunsiedel auf
Aus dem Inhalt: Am 25. Mai fand eine Podiumsdis- Spurensuche zu begeben, damit aus der
Massive Proteste gegen Nazi- kussion statt. In der überfüllten Fichtel- allseits bekannten ,braun-angehauchten
aufmarsch in Hamburg . . . . . 6 gebirgshalle diskutierten Experten aus Heß-Stadt‘ ein bunter Ort des Lernens
Zwangsarbeiter aus der ganz Deutschland über die Aufmärsche und der Versöhnung werden kann“, be-
Ukraine zu Besuch . . . . . . . . . 8 und Gegenmaßnahmen. Viele Wunsied- schreibt die Diakonin Andrea Heußner
Die Lex Berlusconi und ler beteiligen sich. Ein Bürger schlägt die Idee der Ausstellung. www.wunsie-
der Skandal in der EU . . . . . . 10 vor: „Ein Vorschlag von mir wäre, dass del.de dokumentiert einen Fernsehbe-
die Schulen eine Großinitiative starten richt zum 16. August 2003. ■
: meldungen, aktionen

Rechtes Juristennetz „kompetenter Ansprech-


Belgien/Brüssel. Unter dem Namen partner“ für diese Men-
„Jus et Patria“ hat sich eine internationale schen zu sein und „einen
Vereinigung von Juristen gebildet, die Beitrag zur Wiederein-
mit der politischen Rechten sympathi- gliederung der Deutschen
siert. Die aus Rechtsanwälten, Richtern in ihr Vaterland zu leis-
und Angehörigen sonstiger juristischer ten“.
Berufe bestehende Gruppe gibt einen Die in „der Partei be-
drei- bis viermal jährlich erscheinenden findlichen Auslandsdeut-
Informationsbrief heraus. Leiter der „Jus schen“ sollen sich „jetzt
et Patria“, die bislang über Mitglieder in in geeigneter Weise zu-
Belgien, Frankreich, Griechenland, Ita- sammentun, um Erfah-
lien und der Schweiz verfügt, ist der in rungen auszutauschen und darüber zu be-
Brüssel, einer Hochburg des nationalisti- raten, in welcher Weise auf andere Neonazis wollen gegen
schen „Vlaams Blok“, tätige Rechtsan- Landsleute zuzugehen ist“, heißt es in Antirassistisches Grenz-
walt Henri Laquay. „National orientierte dem NPD-Blatt. hma ■ camp Stimmung machen
Oppositionsbewegungen“, so Laquay in
einer Stellungnahme, „werden oft von Wunder geschehen (1) Köln. Das 6. Antirassistische Grenz-
Politik und Justiz verfolgt“. „Die Mecha- camp wird dieses Jahr voraussichtlich
nismen, die dabei zur Anwendung kom- Wien. Seit Jahrzehnten ist er ein Identifi- mit gleich zwei Gegendemonstrationen
men, gleichen sich überall in Europa“. kations- und Treffpunkt für rechtsextre- der militanten Rechten konfrontiert
Deshalb sei ein grenzübergreifender me Studenten, ebenso lang ein Angriffs- sein. Die rechtsextreme Bürgerbewe-
Kontakt und Austausch notwendig, so punkt für AntifaschistInnen, seit 1990 ist gung Pro Köln will am 2.8. eine Mahn-
Laquay. seine Verlegung beschlossen, nun soll es wache in unmittelbarer Nähe des
hma ■ endlich passieren: Der Siegfriedskopf, Camps abhalten. Für den darauffolgen-
ein deutschnationales Denkmal in der den Samstag, 9.8., mobilisieren freie
NPD-„Sommeruniversität“ Aula in der Universität Wien, muss wei- Kameradschaften und die militante
chen. Bereits in den letzten Monaten war Neonaziszene.
im Saarland er hinter einen Holzverschlag verbannt Es bleibt zu befürchten, dass zumin-
Saarland. Die neofaschistische NPD worden, nachdem ihm von Antifaschis- dest Pro Köln Unterstützung erfahren
führt vom 15. bis 17 August wieder eine tInnen im Mai 2002 die Nase abgemei- könnte von EinwohnerInnen des an das
„Sommeruniversität“ im Saarland durch. ßelt wurde. Der Grund für die Verlegung Camp grenzenden Stadtteils Köln-Poll.
Zum ersten Themenbereich, der „Freund- ist freilich kein antifaschistischer sondern Hier tut sich seit Juni eine „Bürgerini-
Feind-Bestimmung in der Politik unter - wie könnte es in Österreich auch anders tiative“ unter der Forderung „Kein
besonderer Berücksichtigung der Lehren sein, ein recht profaner: Die Aula soll Bleiberecht für kriminelle Flüchtlinge“
von Carl Schmitt“, referieren in dem umgestaltet werden, vor allem müsse der hervor. Auch am 29.6. mischten sich
nicht näher benannten Tagungshotel der Portier mehr Überblick über die Räum- organisierte Rechtsextreme unter die
erst kürzlich aus der NPD ausgetretene lichkeit besitzen, um eine höhere Sicher- antiziganistische Kundgebung zum
Horst Mahler, der im kroatischen Zagreb heit zu gewährleisten. Blockwart statt Flüchtlingsheim Salmstraße.
lebende Prof. Dr. Tomislav Sunic, Mitau- Faschdenkmal, quasi. Auf diese Entwicklungen wird das
tor einer „Festschrift für David Irving“ Newsletter Rosa Antifa Wien ■ Camp Antworten suchen und finden.
und der NPD-Parteivorsitzende Udo Geplant ist, Pro Köln zuvor zu kommen
Voigt. Zum zweiten Themenbereich des Wunder geschehen (2) und am Samstag, den 2.8. schon um 8
Seminars, den „Massenmedien als Uhr auf der Straße in Poll sein, um eine
„Schutzhunde des Systems“, werden der Wien. Mehrmals haben wir schon über antirassistische Sicht der Dinge publik
„Deutsche Stimme“-Chefredakteur Hol- ihn – vor allem aber auch den Unwillen zu machen. ■
ger Apfel, der Buchautor Volker Biek der Behörden ihn zu schnappen – berich-
(Hofheim), zuletzt wieder Mitglied der tet, nun wurde der notorische Holocaust-
SPD und der Schweizer Geschichtsrevi- leugner und Ex-FPÖ-Bezirksrat Wolf- Österreichische Neonazis im
sionist Bernhard Schaub als Referenten gang Fröhlich festgenommen. Nach mehr Aufwind
erwartet. Den „Europäischen Lieder- als drei Jahren „Flucht“ – in denen er völ-
abend“ mit „Weißbier vom Faß und saar- lig ungehindert seine Propaganda an Österreich. Während das Innenministe-
ländischen Grillspezialitäten“ am Sams- Schulen verschickte und sich sogar regel- rium glaubt alles im Griff zu haben, war-
tag bestreitet der „nationale Liederma- mäßig um sein Postfach kümmerte, ge- nen ExpertInnen vor einem alarmieren-
cher“ Michael Müller. Als Kontaktadres- lang es dem Innenministerium nun doch den Anstieg neonazistischer Aktivitäten.
se wird ein NPD-Postfach in Spiesen-El- den 52-jährigen mitten in Wien zu ver- Vor allem die Kontakte nach Deutschland
versberg angegeben. hma ■ haften. Was die Strafverfolgungsbehör- seien im letzten Jahr deutlich intensiviert
den endlich dazu gebracht hat dem Trei- worden, dies sieht auch der deutsche Ver-
Aussiedler im Visier ben – Fröhlich war während seiner fassungsschutzbericht für das Jahr 2002
„Flucht“ aktiver als je zuvor und gab sich ähnlich. Der österreichische Innenminis-
Berlin. Die NPD werde „zunehmend für keine besondere Mühe versteckt zu blei- ter will allerdings nichts von einem Pro-
deutsche Aussiedler“ interessant, weil sie ben – und dem offensichtlichen politi- blem wissen, wen wundert’s, hat er doch
in einer „nationalistischen Gesinnungs- schen Schutz durch seine ehemalige Tä- bereits in Rücksichtnahme auf den Koali-
gemeinschaft“ „nationale Geborgenheit“ tigkeit für die FPÖ ein Ende zu bereiten, tionspartner FPÖ den jährlichen Rechts-
erfahren würden, heißt es in der neuesten bleibt freilich unklar. extremismusbericht abgeschafft...
Ausgabe des NPD-Organs „Deutsche Quelle: http://derstandard.at Quelle: http://derstandard.at
Stimme“. Es sei nun Aufgabe der NPD, Newsletter Rosa Antifa Wien ■ Newsletter Rosa Antifa Wien ■

2 : antifaschistische nachrichten 16-2003


Verbot einer Veranstaltung zahlreiche mutmaßliche Täter steht be-
zur Wehrmachtsausstellung vor.
Von der Landesregierung, dem Dort-
im Dortmunder Rathaus munder Oberbürgermeister und dem Po-
Dortmund. Mit einem Leserbrief hat lizeipräsidenten haben wir in einem Brief
sich Ulrich Sander, Landessprecher der gefordert, die geplante Neonaziprovoka-
VVN-BdA NRW an die Zeitungen im tion gegen die Wehrmachtsausstellung
Ruhrgebiet gewandt. Darin heißt es: und die Zentralstelle zu unterbinden.
Das Verbot, im Dortmunder Rathaus Ulrich Sander, Landessprecher der Nico
Veranstaltungen zur Wehrmachtsausstel- VVN-BdA NRW ■ Wedding
lung durchzuführen – ganz im Gegensatz
zum offiziellen Ausstellungsprogramm- 250 Neonazis marschierten hielt. Weiterhin sammelte die JN-Duis-
heft, in dem das Rathaus als ein Veran- burg am 22.2.2003 in der Duisburger In-
staltungsort ausdrücklich genannt wird – in Hamburg und Leipzig nenstadt Unterschriften und verteilte ihre
erinnert an München im Jahre 1997. Die Nach Angaben der Polizei weitgehend Propaganda. Um die so gewonnenen
Ausstellung wurde von Neonazis und be- ohne Zwischenfälle demonstrierten am Kontakte auszubauen, und insbesondere
stimmten Kreisen aus der Union heftig 20. Juli rund 130 NPD-Anhänger in Jugendliche für sich zu gewinnen, ist als
angegriffen. Doch die Ausstellung fand Hamburg, 120 Neonazis folgten in Leip- nächstes ein „großer Kameradschafts-
statt – und zwar im Rathaus am Marien- zig einem Aufruf von Christian Worch zu abend“ am 2.8.2003 geplant.
platz. Will die Stadt Dortmund in voraus- einer Demonstration unter dem Motto Es liegt an uns allen, dafür zu sorgen,
eilendem Gehorsam den Forderungen der „Gegen Repression und linke Gewalt, für dass diejenigen, die Duisburg als Basis
Rechten Folge leisten? Wir vermissen Demonstrationsfreiheit. Wir sind das für Neonazi-Aktivitäten in ganz NRW
auch eine entschiedene Absage des Rates Volk“. Die Stadtverwaltung Leipzig hatte missbrauchen wollen, keine Chance ha-
der Stadt – möglichst einstimmig! – ge- vergeblich versucht, den Rechtsextremis- ben werden. In nächster Zeit werden Ver-
genüber den geplanten Naziprovokatio- ten die Verwendung der Parole „Wir sind anstaltungen stattfinden, die über die
nen gegen die Ausstellung. Denn ausge- das Volk“ zu untersagen. Ausführlicher Neonazi-Szene in Duisburg und NRW in-
rechnet am 20. September dieses Jahres, Bericht zu Hamburg siehe Seite 6. ■ formieren.
wenn sich in Italien und Griechenland weitere Informationen und Rückfragen
zum sechzigsten Mal eine Anzahl von Wiedererstarken der Neo- du_gegen_rechts@gmx.de ■
Massakern von Wehrmachtsangehörigen
an Zivilisten und Kriegsgefangenen jäh- nazi-Szene
Naziübergriffe
ren, wollen Neonazis unter der verloge- Duisburg. Die Duisburger Neonazi-Sze-
nen Losung, es habe keine Wehrmachts- ne war aufgrund interner Streitigkeiten Bernau, 14./15.6. Ein 12-jähriger Russ-
verbrechen gegeben, einen Aufmarsch und fehlender Führungspersonen ca. ein landdeutscher ist auf dem Bahnhof von
gegen die Ausstellung „Verbrechen der Jahr lang kaum handlungsfähig. Jetzt zwei Rechtsextremisten zusammenge-
Wehrmacht – Vernichtungskrieg 1941 - aber lassen sich Versuche erkennen, die schlagen worden. Die beiden Tatverdäch-
1944“ in Dortmund durchführen. Neonazi-Strukturen wiederaufzubauen tigen Andy M. (22) und Robert D. (16)
Verlogen, denn Forscher haben gerade und Nachwuchs zu rekrutieren. hatten zuvor rassistische Parolen gerufen
neue Fakten über mutmaßliche Täter bei Die Verurteilung und 18monatige Haft und dann Jagd auf eine Gruppe von Spät-
den Staatsanwaltschaften in Dortmund von Nico Wedding, einem der führenden aussiedlern gemacht. Die Täter rissen den
vorgelegt. In der Zeit vom 17. bis 22. Nazi-Kader in NRW aus Duisburg, war Jungen zu Boden, schlugen ihm mit
September 1943 ermordeten deutsche einer der wichtigen Gründe für die Fäusten ins Gesicht und traten ihn in den
Wehrmachtssoldaten über 5000 wehrlose Handlungsunfähigkeit der Szene. Nico Bauch. (Die Welt, 17.6.)
italienische Kriegsgefangene. Das Ver- Wedding war nach einem Überfall auf
brechen geschah auf der griechischen In- Teilnehmer einer Gedenkkundgebung am Rostock, 16.5. Zwei 13 und 15 Jahre
sel Kephalonia. Unschuldige griechische Mahnmal der Gedenkstätte des ehemali- alte Jugendliche sind bei Übergriffen von
Zivilisten – Frauen, Kinder, alte Leute – gen KZ in der Kemna wegen schweren Rechtsextremisten zum Teil schwer ver-
wurden zu Tausenden in der Zeit von Landfriedensbruchs und schwerer Kör- letzt worden. Aus „ermittlungstaktischen
September bis November 1943 in Lyn- perverletzung zu 18 Monaten Haft verur- Gründen“ habe man die Öffentlichkeit
giades und rund 30 weiteren griechischen teilt worden. Die Brutalität der Tat hatte zunächst nicht informiert, erklärte die Po-
Orten von Wehrmachtseinheiten ermor- damals zu Schlagzeilen in der bundes- lizei, nachdem die Opferberatungsstelle
det. Viele dieser Orte wurden niederge- weiten Presse geführt. „Lobbi“ Anfang Juni auf die Tat auf-
brannt, „ausgemerzt“. Trotz – oder gerade wegen ? – dieser- merksam machte. Die Täter seien inzwi-
Deutsche Gerichte hatten bisher nahe- Tat ging die „Karriere“ von Nico Wed- schen ermittelt. Gegen zwei 17- und 18-
zu alle Verfahren gegen Wehrmachtsan- ding in der Szene weiter; er wurde zum jährige ergingen Haftbefehle. Der 13-jäh-
gehörige eingestellt. Auch die Wehr- Landesvorsitzenden der „Jungen Natio- rige war von einer Gruppe von fünf bis
machtsausstellung zeigt mutmaßliche Tä- naldemokraten“, der Jugendorganisation sechs Nazis geschlagen und getreten wor-
ter in Wehrmachtsuniform nur dann, der rechtsextremen NPD gewählt. Seit den. Er erlitt Platz- und Schürfwunden
wenn diese nicht mehr unter den Leben- Anfang der Jahres versuchen die „Jungen sowie Blutergüsse im Gesicht. Zudem
den sind. Die VVN-BdA und die Arbeits- Nationaldemokraten Duisburg“ unter der wurden ihm zwei Zähne ausgeschlagen.
gruppe „Angreifbare Traditionspflege“ Führung von Nico Wedding, Aufmerk- Nach Angaben des Vereins „Lobbi“ wur-
hat hingegen rund 200 noch lebende Tä- samkeit zu erregen und Nachwuchs zu re- de der Junge bewusstlos und musste meh-
ter ausgemacht. Der Dortmunder „Zen- krutieren, indem sie versuchen gesell- rere Tage im Krankenhaus behandelt
tralstelle im Lande NRW für die Bearbei- schaftlich relevante Themen zu besetzen. werden. Wie „Lobbi“ weiter mitteilte,
tung von nationalsozialistischen Massen- So organisierte die JN-Duisburg in Zuge hatten Freunde des 13-jährigen an einer
verbrechen“ wurden über hundert Namen des Irak-Kriegs eine Veranstaltung am Haltestelle mehrere Busfahrer um Hilfe
allein zum Fall „Kephalonia“ zugeleitet. 16.2.2003 in Duisburg-Beeck unter dem gebeten, die aber eine Unterstützung ver-
Der Massenmord der Wehrmacht von Titel „Kein Blut für Öl“ mit dem bundes- weigert hätten. (Ostsee-Zeitung, 6.6.;
Kephalonia wird derzeit von dieser Zen- weit bekannten Neonazi Horst Mahler, SVZ, 7.6.)
tralstelle untersucht, eine Anklage gegen wo Nico Wedding ebenfalls einen Vortrag

: antifaschistische nachrichten 16-2003 3


Gera, 21.6. Ca. 150 „Freie Nationalis- Spitze der Erfassung, Verfolgung und auf Neonazis aus aller Welt nicht verlo-
ten“ und NPD-Kader konnten ein Nazi- Vernichtung der Roma und Sinti während ren. Nach 1945 wurde das Reichspartei-
konzert im Park der Jugend durchführen. des Nationalsozialismus. Bereits in den tagsgelände sowohl militärisch als auch
Eine Verhinderung des Konzerts war auf- 30er Jahren wurden in enger Kooperation gewerblich genutzt. Die Bauten der Luit-
grund der massiven Polizeipräsenz nicht zwischen dem „rassehygienischen Insti- poldarena wurden gänzlich entfernt und
umsetzbar. Es hagelte Platzverweise, tut“ des Reichssicherheitshauptamtes, dem Gelände wieder seine frühere Ge-
mehrere Transparente und Kundgebungs- verschiedenen Kriminalämtern sowie stalt als Parkanlage gegeben. Erst im Jahr
mittel wurden beschlagnahmt, ein junger städtischen und kirchlichen Einrichtun- 2000 wurden Teile der Kongresshalle für
Mann von ca. 20 Rechten bedroht und gen alle Roma und Sinti erfasst, vermes- das „Dokumentationszentrum Reichspar-
tätlich angegriffen. Während des ganzen sen, in Lagern inhaftiert und schließlich teitagsgelände“ freigegeben, dessen Pla-
Tages zogen vereinzelte Nazigruppen in Vernichtungslager deportiert. Etwa nung durch den Widerstand der CSU und
provozierend an den Ständen der Veran- eine halbe Million Roma und Sinti wur- andere rechtskonservative Kräften immer
staltung „Gera Bunt“ vorbei und pöbelten den ermordet. wieder verzögert wurde.
z.B. GewerkschafterInnen an. Bei dem Eva Justin und Robert Ritter, zwei ... in Nürnberg und dem Umland regt
Nazikonzert traten auf: „Kommando maßgebliche „NS-Rasseforscher“, zeich- sich seit Jahren Widerstand gegen fa-
Ost“, gefolgt von „Thor“, „Confident of neten allein verantwortlich für die Tötung schistische Umtriebe. Beispielsweise or-
Victory“ und „Eugenik“ aus Gera. Das von über 20.000 deutschen Roma und ganisierte im November 1999 das Antifa-
städtische Straßenfest „Gera Bunt“ warb Sinti. Trotz ihrer Verbrechen wurden sie schistische Aktionsbündnis Nbg. in Fürth
mit Plakaten einen Tag vor der Veranstal- nicht strafrechtlich belangt und nach eine Demonstration gegen den Nazi-La-
tung lediglich für eine Art Volksfest, 1945 von der Stadt Frankfurt im Sozial- den „Utgard“, der bis zu seiner Schlie-
nicht aber für eine Gegenveranstaltung. und Gesundheitsamt in leitenden Positio- ßung im Juli 2000 als Anlaufstelle für
Im Vorfeld bekamen einige antifaschis- nen beschäftigt. Eva Justin hatte im Rah- Mittelfrankens Naziriege und zum Ver-
tisch engagierte Menschen Droh-e-mails men ihrer Tätigkeit erneut mit Roma und trieb von faschistischer Propaganda dien-
mit Sprüchen wie z.B. „einige sind be- Sinti, d.h. mit Überlebenden oder deren te. Der Laden musste nicht zuletzt wegen
kannt, auch du“ und „der Krieg hat be- Kindern, zu tun. dem anhaltenden Engagement entschlos-
gonnen“. Allein der jahrelange Protest der sener AntifaschistInnen geschlossen wer-
Werdau, 25.6. Unbekannte haben einen Roma-Union Frankfurt, des Förderver- den. Und auch die „Bürgerinitiative Aus-
Brandanschlag auf das Asylbewerber- eins Roma und Unterstützern ermöglich- länderstopp“ konnte ihren Aufmarsch
heim verübt. Sie schleuderten Brandsätze te die Anbringung einer Gedenktafel am zum Stadtrats-Wahlkampf im Oktober
gegen das Gebäude, die glücklicherweise Stadtgesundheitsamt, dem ehemaligen 2001 gegen den Widerstand von 2500
kein Feuer auslösten. (FR, 26.6.) Tätigkeitsfeld von Ritter und Justin. Die AntifaschistInnen nicht durchsetzen.
Rottstock (Brdbg.), 30.6. Nach einem Tafel, die ausschließlich von Spendengel- Vorbereitungen zum 6.9.: Donnerstags
Übergriff auf einen Asylbewerber hat das dern finanziert wurde, erinnert an die be- ab 19.30 Uhr in der Schwarzen Katze
Amtsgericht Brandenburg gegen den 32- gangenen Verbrechen, bezeichnet die Tä- (Gostenhof, Nbg), Regelmäßige Infos:
jährigen als Neonazi bekannten mutmaß- ter und klagt die Verantwortung gegen- www.nadir.org/redside
lichen Haupttäter Haftbefehl wegen ge- über Roma und Sinti auch nach 1945 ein. Kontakt: Antifaschistisches Aktions-
fährlicher Körperverletzung erlassen. Die Förderverein Roma e.V. ■ bündnis Nürnberg, c/o Libresso,
drei mutmaßlichen Mittäter wurden hin- Bauerngasse 14 90443 Nürnberg oder
gegen wieder freigelassen, da sie vom Nürnberg: Naziaufmarsch oa-nuernerg@web.de ■
Opfer nicht zweifelsfrei identifiziert wer-
den konnten. Die vier sollen den 26-jähri- am 6. September
Lied- und Plakatwettbewerb
gen Asylbewerber aus Kamerun am 28.6. Nürnberg. Für den 6. September 2003
an einem Badesee von seinem Fahrrad hat der überregional bekannte Neo-Nazi zum „Tag-der-Mahnung“
gestoßen und mehrfach „Bimbo verpiss Gerd Ittner aus Zirndorf einen Aufmarsch Berlin. Am 14. September wird im
dich“ gerufen haben. Anschließend sollen mit dem Motto „Stolz und treu – macht Marx-Engels-Forum der „Tag der Erin-
sie ihn samt seinem Fahrrad in den See Deutschland frei“ in Nürnberg angemel- nerung, Mahnung und Begegnung“ be-
geworfen und ihn mehrfach unter Wasser det. Ittner ist bekennender Neo-Nazi und gangen, der 1945 als Gedenktag für die
gedrückt haben. Nachdem es dem Opfer Holocaust-Leugner. Seine menschenver- Opfer des Faschismus begründet wurde.
gelang, zu flüchten und die Polizei zu ru- achtenden Machwerke veröffentlicht er In diesem Jahr soll Geschichte und Anlie-
fen, wurden die vier Tatverdächtigen von regelmäßig im Internet. gen des Aktionstages gegen Neonazis-
einer Mobilen Polizeieinheit festgenom- Ittner hat die historische Route vom mus, Rassismus und Krieg auch im Kul-
men. Die Staatsanwaltschaft Potsdam Reichsparteitagsgelände zum ehemaligen turprogramm stärker hervorgehoben wer-
prüft Hinweise, wonach zahlreiche Bade- Adolf Hitler Platz, dem heutigen Haupt- den. Für die Präsentation werden noch
gäste den Übergriff beobachtet haben, markt gezielt gewählt, um sich in die Tra- Plakatentwürfe und Lieder gesucht. Das
ohne einzuschreiten. (FR 1.7.) dition der von 1927 bis 1938 im Septem- beste Plakat und das beste Lied werden
gammanews Juli 2003 ■ ber in Nürnberg stattfindenden Propagan- mit je 300 Euro prämiert. Alle Plakatent-
daveranstaltungen der NSDAP zu stellen. würfe werden am 14. September in einer
Gedenken an „Zigeuner- Regelmäßig fanden in Nürnberg auf Ausstellung und die besten 12 Plakate in
dem Reichsparteitagsgelände neben den einem Kalender 2004 präsentiert. Das
lager“ Auschwitz Reichsparteitagen der NSDAP auch To- Plakat muss das Logo des Aktionstages
Frankfurt. Der Förderverein Roma lädt tengedenken der SA (Sturmabteilung) und die Angaben zu Termin, Ort und Zeit
anlässlich des 59. Jahrestages der Liqui- und SS (Schutzstaffel) statt. Neben Funk- enthalten. Einsendeschluss für den Pla-
dation des „Zigeunerlager“ Auschwitz zu tionären der NSDAP, der SA, SS und an- katentwurf ist der 30. Juni 2003. Die bes-
einer Gedenkveranstaltung am 2.8.03, derer paramilitärischer Verbände versam- ten Songs werden am 14. September auf
um 13 Uhr in die Braubachstraße 18-22, melten sich auch Abordnungen des der Bühne präsentiert.
Stadtgesundheitsamt, ein. In einem un- Reichsarbeitsdienstes (RAD), der Hitler-
vergleichbaren Akt wurden am 2.8.1944 jugend (HJ) und der Wehrmacht. Das Vorbereitungskreis 14. September 2003, c/o
2.800 Roma und Sinti bei der Auflösung Nürnberger Reichsparteitagsgelände VVN-BdA, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Ber-
lin, Tel.: 030/29784174, Fax: 030/29784179,
des „Zigeunerlagers“ Auschwitz ermor- zählte zu den wichtigsten Nazibauwerken Email: info@tag-der-mahnung.de, Informationen
det. Diese Aktion bildete gleichsam die und hat bis heute seine Anziehungskraft auch unter: http://www.tag-der-mahnung.de. ■

: antifaschistische nachrichten 16-2003


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Die besseren „Vertriebenen“...
Ein „europäischer Dialog über Einführung in die Kreise der deutschen Vertreibungen“ veröffentlicht, der auch
die Errichtung eines europäi- „Vertriebenen“ hatte Zülch im Jahr 2001 von Prominenz aus „unseren ostmitteleu-
schen Zentrums gegen Vertrei- die Plakette des BdV „für den Einsatz um ropäischen Staaten“ (Meckel wörtlich)
bungen“ solle beginnen: Das hatte die Menschenrechte der deutschen Ver- unterzeichnet wurde. Seitdem wird auch
der Deutsche Bundestag vor etwa ei- triebenen“ erhalten. in Polen und Tschechien über das Zen-
nem Jahr, am 4. Juli 2002, beschlos- Gegen das BdV-Projekt konkurrieren trum debattiert.
sen. Der „Dialog“ hat begonnen – im inzwischen vor allem Außenpolitiker so- Kein Wunder. Denn die Liste derjeni-
Dezember – , er ist in diesem Jahr wei- wie Wissenschaftlerinnen und Wissen- gen, die den Aufruf unterzeichnet haben,
tergeführt worden und hat Mitte Juli schaftler, die in ständigem Kontakt zu den kann sich sehen lassen. Aus Deutschland
die öffentliche Debatte erreicht, zu- osteuropäischen Eliten stehen und wichti- finden sich neben dem Bundestagspräsi-
mindest in Polen, der Tschechischen ge Vorfeldarbeit für das Auswärtige Amt denten und einer ehemaligen Bundestags-
Republik und Deutschland. Dabei ha- (AA) leisten. Sie nennen „Vertreibungen“ präsidentin mehrere Bundestagsabgeord-
ben sich zwei Fraktionen herausgebil- ebenfalls pauschal „Unrecht“, deklarieren nete von SPD und Grünen sowie der ehe-
det, die beide ein „Zentrum gegen malige Außenminister Gen-
Vertreibungen“ errichten wollen, scher. Aus Polen haben
aber – Streit belebt die Debatte! – sich gleich zwei ehemalige Au-
inzwischen heftig bekämpfen. ßenminister unterzeichnet –
Bartoszewski und Geremek
Die Zielsetzung des „Zentrums gegen –, daneben prominente Pu-
Vertreibungen“ ist nach wie vor unum- blizisten (Adam Krzemin-
stritten: Es geht darum, „Vertreibungen“ ski) und Wissenschaftler
zum „Unrecht“ zu erklären. Einig sind (Wlodzimierz Borodziej).
sich alle Beteiligten auch darüber, dass Ein ungarischer Staatsse-
die Umsiedlung der Deutschen in Folge kretär und ein Mitglied des
des Zweiten Weltkriegs als „Vertreibung“ slowakischen Nationalrats
und damit als „Unrecht“ zu werten sei; stehen neben dem stellver-
dies ist letztlich ein Angriff auf das Pots- tretenden tschechischen
damer Abkommen. Und Einigkeit besteht Verleihung des Franz-Werfel-Preises Ministerpräsidenten Petr
auch darin, dass das Zentrum zur Ver- Mares, dem tschechischen
schleierung seines wahren Charakters als das BdV-Konzept aber als nationalistisch Senatsvorsitzenden Petr Pithart und des-
„europäisches“ ausgegeben werden soll. und haben es offenbar geschafft, promi- sen Stellvertreter Jan Ruml.
Das „Zentrum gegen Vertreibungen“ nente Persönlichkeiten aus mehreren Für eine internationale Kommission,
ist ursprünglich ein Projekt des BdV ge- Staaten Osteuropas zur Mitarbeit am die ein genaues Konzept entwickeln und
wesen, und der entwickelt es auch heute „Zentrum gegen Vertreibungen“ zu bewe- einen geeigneten Ort für das Zentrum fin-
noch weiter: Mit Hilfe der Stiftung „Zen- gen - gegen das Versprechen, die deut- den müsste (Meckel plädiert für Wro-
trum gegen Vertreibungen“, die von der schen „Vertriebenen“ dabei in den Hinter- claw), sollten sich auf der Unterschriften-
BdV-Vorsitzenden Erika Steinbach und grund zu drängen und damit größere Un- liste genügend Kandidatinnen und Kandi-
dem Sozialdemokraten Peter Glotz gelei- ruhen unter der polnischen und tsche- daten finden. Der deutsche Innenminister,
tet wird. Das Konzept der Stiftung sieht chischen Bevölkerung zu verhindern. der seinerseits das BdV-Konzept favori-
eine Gedenkstätte in Berlin vor, an der Führend ist dabei Markus Meckel, stell- siert, hat angekündigt, nach der Sommer-
vorrangig der deutschen „Vertriebenen“ vertretender außenpolitischer Sprecher pause die beiden streitenden Fraktionen
gedacht werden soll; ansonsten legen der SPD-Bundestagsfraktion und in ver- zusammenführen zu wollen, um endlich
auch Steinbach und Glotz großen Wert schiedenen einflussreichen Positionen mit mit dem Projekt voranzukommen. Ent-
auf das Etikett „Europa“. Den „Franz- der Gestaltung der deutschen Polen-Poli- scheidende Hindernisse stehen ihm in
Werfel-Menschenrechtspreis“, den die tik betraut. Dieter Bingen, Direktor des Deutschland jedenfalls nicht mehr im
Stiftung im Juni zum ersten Mal verlie- Deutschen Polen-Instituts, gehört zu der Wege.
hen hat, haben ein armenischer Wissen- Clique, ebenso Gesine Schwan, die Präsi- Eine letzte kleine Weiche wurde hier
schaftler und drei Bürgerinnen und Bür- dentin der Europa-Universität Viadrina in im vergangenen Jahr gestellt. Die Deut-
ger der Tschechischen Republik erhalten: Frankfurt an der Oder, und Stefan Tro- sche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Der Bochumer Genozidforscher Mihran ebst, Gründungsdirektor des Europäi- (DGAP), einer der wichtigsten deutschen
Dabag für seine Forschungen über den schen Zentrums für Minderheitenfragen think tanks auf dem Gebiet der Außenpo-
Völkermord an Armenierinnen und Ar- in Flensburg und einer der führenden litik, unterhält an ihrem Forschungsinsti-
meniern, das tschechische Trio für die Er- deutschen „Volksgruppen“-Politiker. tut eine „Arbeitsstelle Ostmitteleuropa“,
richtung des ersten Denkmals für „Sude- Die Debatte vorangetrieben hat die die vor nicht allzu langer Zeit von Markus
tendeutsche“ in der Tschechischen Repu- AA-Vorfeld-Fraktion vor allem mit Kon- Mildenberger geleitet wurde; Mildenber-
blik. ferenzen, auf denen die Konzeptionierung ger, ein Kritiker des „Zentrums gegen
Zur Stärkung ihrer europäischen Netz- des „Zentrums gegen Vertreibungen“ vor- Vertreibungen“, musste Anfang 2002 den
werke scheint die Stiftung ein Bündnis bereitet wurde. Im Dezember trafen sich Posten räumen. Seine Nachfolgerin An-
mit der Gesellschaft für bedrohte Völker Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler drea Gawrich kritisierte das Projekt eben-
(GfbV) anzustreben. Deren Generalse- aus elf verschiedenen Staaten unter der falls öffentlich; auch sie musste gehen.
kretär Tilman Zülch fördert die Stiftung; Leitung von Dieter Bingen und Stefan Katarzyna Stoklosa, die die Leitung der
im August 2002 hielt er gemeinsam mit Troebst im Deutschen Polen-Institut, im Arbeitsstelle inzwischen übernommen
Steinbach eine Pressekonferenz ab, auf Juni debattierte man mit Gesine Schwan hat, leistet sich solche Illoyalitäten nicht;
der einige selbst ernannte „Vertriebene an der Europa-Universität Viadrina. Den und im „Gesprächskreis Polen“, der der
unterschiedlicher Volksgruppen“ aus dem großen Coup hat jetzt Markus Meckel ge- Arbeitsstelle angegliedert ist, führt den
Umfeld der GfbV sich für das „Zentrum startet: Am 14. Juli hat er einen Aufruf Vorsitz seit einem Jahr Markus Meckel
gegen Vertreibungen“ aussprachen. Zur „Für ein Europäisches Zentrum gegen persönlich. Jörg Kronauer ■

: antifaschistische nachrichten 16-2003 5


Am 19. Juli marschierten die Den Marsch geblasen:
NPD und das Aktionsbüro
Norddeutschland durch Hamburg,
doch anstelle der erwarteten 400 Na-
Massive Proteste gegen
zis fanden sich gerade 140 in der
Hansestadt ein. Dem Aufzug der Na-
tionalsozialisten stellten sich mehrere
Nazidemo in Hamburg
hundert Antifaschisten und Antifa- mog-Lautsprecherwagen das Heulen von die öffentliche Sicherheit als „nicht
schistinnen entgegen. Die Stimmung Luftschutzsirenen, das Gedröhne von nachvollziehbar“ zurück. Gegen die Auf-
war, trotz mäßiger Teilnehmerzahl Bombermotoren und das Krachen von hebung des Verbotes legte die Innenbe-
und Sommerloch, entschlossen, und Einschlägen ab. hörde nicht einmal Widerspruch ein,
nur mit einiger Mühe gelang es 1200 Am Endpunkt der Nazis, dem Barm- weshalb von einem ernsthaften Versuch,
Bereitschaftspolizisten, den Auf- beker Bahnhof, störten nur noch verein- den Aufmarsch zu verbieten, nicht ge-
marsch gegen zum Teil massive Pro- zelte Grüppchen die Abschlusskundge- sprochen werden kann. Wäre dies beab-
teste abzusichern. Auf Seiten der Poli- bung der Nazis. Zu guter Letzt wurde der sichtigt gewesen, hätte das Verbot auf
zei bestimmten Schlagstock- und abrückende Unimog auch noch mit Stei- Propagandadelikte abstellen müssen
Wasserwerfereinsätze das Erschei- nen und Flaschen beworfen. Dabei kam (Volksverhetzung, Verunglimpfung des
nungsbild. es zu einem folgenreichen Zwischenfall. Ansehens Verstorbener, Werbung/Fort-

Im Vorfeld hatte die Gruppe Avanti -


Projekt undogmatische Linke öffentlich
zu einer Blockade am Sammelpunkt der
Nazis (Berliner Tor) aufgerufen. Zwar
gelang es den 250 zumeist jugendlichen
Nazigegnerinnen und Nazigegnern nicht,
den Bahnhofsausgang zu blockieren und
so die Anreise der Rechten zu verhin-
dern, andererseits reichte bereits deren
Präsenz in Sicht- und Rufweite zum
Sammelpunkt, um den Abmarsch der
Nazis um gut eine Stunde zu verzögern.
Die Strategie, mittels offensiver und vor-
angekündigter Blockaden den Auf-
marsch zu stören oder gar zu verhindern,

Nach Aussage der führung verbotener Organisationen). So


Polizei habe ein aber führte nicht einmal das uniformierte
Wurfgegenstand ei- Auftreten eines Teils der Kameraden
nen Demonstranten (siehe Bild) zu Auflagen und Verboten.
am Hinterkopf ge- Am 19. Juli, wie immer bei den „Ge-
troffen. Andere gendemos gegen Demos“, stand die
wollen gesehen ha- Route und Planung der Nazis erst wenige
ben, dass der 25- Stunden vor Beginn fest. Und wie immer
jährige Demons- bestand beim engen „Timing“ der Behör-
trant vom Lautspre- den die Gefahr, dass Antifaschistinnen
cherwagen der Na- und Antifaschisten sich dazu verleiten
zis angefahren und lassen, ihre Aktivitäten zu sehr auf mobi-
verletzt worden sei. le und gut informierte Insiderkreise aus-
war in der Vorbereitung auch innerhalb Die undurchsichtige Lage veranlasst den zurichten.
autonomer und unabhängiger Antifa- Ermittlungsausschuss zur Bitte an alle Mit der Anmeldung einer Auftakt-
gruppen umstritten, stellte sich aber als Augenzeugen, sich zu melden. kundgebung am Hachmannplatz/ Haupt-
verhältnismäßig erfolgreich heraus. Noch am Abend zuvor, also in der bahnhof mobilisierte die VVN – aller-
Bei der besonders geschmacklosen Nacht von Freitag auf Samstag, atta- dings erst recht spät – über den engen
Zwischenkundgebung am „Mahnmal ge- ckierten Antifaschisten den Sitz der ex- Kreis der Antifaszene hinaus. Für die
gen Krieg und Faschismus“ (Munds- trem rechten „Hamburger Burschen- zweite, am ursprünglichen Endpunkt des
burg) schallte es aus Richtung des nahe schaft Germania“ an der Sierichstraße Naziaufmarsches (Moorweide) angemel-
gelegenen Einkaufzentrums „Nazis (Winterhude). Mit Absperrgittern wurde dete Kundgebung bestand das Problem,
raus“. Zweihundert Meter weiter wurde die Fahrbahn blockiert, und es folgten dass diese schließlich weit ab von der
die Ansprache des NPD-Vorsitzenden Farbbeutel gegen die Fassade. Route der Nazis lag. Die VVN entschied
Udo Voigt mit Obst und Wurfgeschossen Vier Tage vor dem Aufmarsch hatte kurzfristig, auf die geplante Kundgebung
quittiert. Bauzäune landeten auf der Stra- die Innenbehörde ein Verbot der Nazi- zu verzichten und diese an den Endpunkt
ße und Müllbeutel wurden auf der Fahr- kundgebung erlassen. Allen Beteiligten einer Demonstration in die Sierichstraße
bahn entleert. Während Wasserwerfer war klar, dass dieses Verbot keinen Be- zu verlegen. An der im Eilverfahren vom
den Protest auf Abstand hielten, spielten stand haben werde, und tatsächlich wie- AStA der HWP angemeldeten Demons-
die NPD und das Norddeutsche Aktions- sen die Richter die Behauptung unkon- tration, die unweit der Route der Nazis
bündnis über einen mitgeführten Uni- trollierbarer Gefahr für Leib, Leben und verlief, beteiligten sich anfänglich 250,

6 : antifaschistische nachrichten 16-2003


später 500 Antifaschistinnen und Antifa- Kein „kostenloser Transport“ von Neonazis
schisten.
Sehr positiv war, dass alle Beteiligten Hamburg. Zwei Tage vor dem angekündigten Naziaufmarsch besuchten Antifaschisten
ein hohes Maß an Kooperationsbereit- die Zentrale des Hamburger Verkehrsverbundes, um gegen die von der Innenbehörde in
schaft zeigten, und es war nur folgerich- den letzten Jahren praktizierte Bereitstellung von HVV-Sonderbusse und -bahnen zur
tig, die VVN-Kundgebung von der „sicheren An- und Abfahrt“ der Nazis an ihren Aufmarschorten zu protestieren. Wäh-
Moorweide an den Ort des Geschehens rend einige „Besucher“ mit den Mitarbeitern redeten, hängten andere ein Transparent
zu verlegen. Wer sagt, Faschismus ist aus dem Fenster: „Antifaschismus muss Konsequenzen haben“. Die nach einer halben
keine Meinung, sondern ein Verbrechen, Stunde herbeigeeilte Bereitschaftspolizei erstürmte den falschen Treppenaufgang und
muss seinen Protest in angemessener traf anschließend keinen der Besetzer und Besetzerinnen mehr an.
Form ausdrücken, In ihrer Erklärung zur Aktion schreibt bad-
die den Widergän- weather-antifa: Wir haben heute die HVV-
gern des National- Hamburger Verkehrs Verbund Zentrale,
sozialismus das Steinstraße 7, besetzt. Wir protestieren mit
Recht abspricht, dieser Aktion gegen den zu erwartenden
öffentlich aufzutre- Transport norddeutscher Neonazis durch
ten. HVV-Sonderbusse und -bahnen. Seit Ende
Deshalb ruft die der Neunziger ermöglicht der HVV so den
VVN - BdA zu ei- reibungslosen Ablauf von Naziaufmärschen.
ner Kundgebung Nur der sichere An- und Abtransport garan-
gegen den ange- tierte bisher den Nazis, dass sie überhaupt in
kündigten Auf- Hamburg marschieren konnten. In Hamburg
marsch von Worch mit seinem hohen migrantischen Bevölke-
und Konsorten am rungsanteil wäre es den „Herrenmenschen“
28.7. auf. Die anders unmöglich, ohne Konfrontation die
Kundgebung fin- Hamburger Innenstadt zu erreichen. Während
det um 17 Uhr auf die Nazis kostenlos durch Hamburg kut-
dem Vorplatz des Ernst-Deutsch-Thea- schiert werden, dürfen die Ärmsten der Armen bald einen saftigen Zuschlag zahlen. Die
ters, Kreuzung Winterhuder Weg/Ham- Behörde für Soziales und Familie plant, das Sozialticket abzuschaffen. Diese Fahrkarte
burger Straße, direkt gegenüber der U- ermöglichte es Sozialhilfeempfängern und Empfängerinnen bisher, für 15,50 Euro mo-
Mundsburg, statt. Sollte der Kundge- natlich im Großraum Hamburg beliebig viele Fahrten in U- und S-Bahnen zu unterneh-
bungsort mit Auflagen versehen werden, men. So ergänzen sich die Politik des Senats und der Neonazis. Die einen behindern
wird die Kundgebung an der Finkenau, durch ihre Kürzungen die Mobilität der Schwächsten, die anderen dürfen auf Demons-
Höhe HfBK, Lerchenfeld/ Ecke Immen- trationen (zu welchen sie mit HVV Sonderbussen und Bahnen gefahren werden) gna-
hof stattfinden. denlos gegen, wie es im Jargon der Nazis heißt, „Asoziale“ und „Sozialschmarotzer“
kun ■ hetzen. Wir fordern: Kein weiterer Transport von Neonazis durch öffentliche Verkehrs-
mittel! Gratis-Tickets für Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge! ■

Folgen einer antifaschisti- Obwohl fest steht, dass der Eschweiler Wir rufen zur Solidarität mit den Anti-
schen Kaffeefahrt Antifaschist an der Fahrt gar nicht teil- faschistinnen und Antifaschisten im
nahm, wurde seine Wohnung durchsucht. Kampf gegen Naziterror und staatlicher
Aachen. Am 17.5. führten Antifaschis- Von ihm wurden Fotos gemacht, die die Repression auf. Wir fordern die Öffent-
tInnen aus der Region Aachen/Düren Polizei ausgerechnet den Neonazis vor- lichkeit auf, sich aktiv an den Ausein-
eine „Kaffeefahrt“ durch, wobei bekann- legen will. Ähnliches geschah dem Ge- adersetzungen mit dem Neofaschismus
te und führende Neonazis der Öffentlich- schäftsführer des PDS Büros im Kreistag in der Region zu beteiligen. Wir erwarten
keit vorgestellt wurden. (Siehe AN 12- Aachen. Auch er, der angeblich den Bus von denen, die in Parlamenten und er-
2003) Nun ermittelt die Staatsanwalt- bestellt haben soll, wird zum Fototermin waltungen Verantwortung tragen, dass
schaft gegen Teilnehmer der Tour. Wir vorgeladen mit dem „Versprechen“, dass sie endlich die Hände aus den Hosenta-
dokumentieren Auszüge aus einer Erklä- diese Fotos den Nazis vorgelegt werden. schen nehmen. Die Bekämpfung des
rung der beteiligten AntifaschistInnen: Hier wird deutlich eine Grenze zur Kum- Neofaschismus ist eine gesellschaftliche
„Es ist an der Zeit, die Öffentlichkeit panei überschritten, hier ist die Grenze Aufgabe, keine der Polizei und keine von
auf das erneute Zusammenspiel von zur Beihilfe zu Straftaten durch Behör- Linken allein. Lassen sie keine weitere
Neofaschisten aus der Region Aachen ei- den erreicht. Die Nazis betreiben auf ih- Verharmlosung zu. Kämpfen Sie für je-
nerseits und Polizei und Staatsanwalt- ren Internetseiten permanente Hetze und den Zentimeter demokratischer Freihei-
schaft andererseits hinzuweisen, weil Drohungen gegenüber Andersdenkende. ten. Sind oder bleiben Sie unduldsam ge-
diese Kumpanei gefährlich und skanda- Sie führen Todeslisten und geben Schrif- genüber dem Neofaschismus. Faschis-
lös ist. AntifaschistInnen der Region ha- ten heraus, auf denen ihre Gegner be- mus ist keine Meinung, sondern ein Ver-
ben am 17. Mai bekannte und führende schrieben und bedroht werden. Sie nen- brechen.“
Neonazis der Region der Öffentlichkeit nen diese Arbeit „Anti-Antifa“. ... Die VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifa-
vorgestellt. ... Die Nazis fühlen sich Staatanwaltschaft Aachen ist bei der Be- schisten, Antifaprojekt an Aachener Hochschu-
selbstverständlich durch das Eingreifen kämpfung des Rechtsextremismus ein len, Antifa Aachen, S.P.U.N.K, Antifa Düren,
SDAJ-Düren, Büro der PDS im Kreistag Aachen,
der AntifaschistInnen gestört. ... (Sie) ha- Teil des Problems und nicht ein Teil der Jugendantifa Sxe Stolberg und Einzelperso-
ben deshalb Anzeige gegen einen Vertre- Lösung. Die Teile der Staatsanwaltschaft nen.
ter der Eschweiler Bürgerinitiative Ge- Aachen, die für politische Straftaten in Anwalts- und Gerichtskosten und möglicherwei-
meinsam gegen Neonazis und weiterhin den letzten Jahren zuständig waren, soll- se Geldstrafen kommen auf die Betroffenen zu,
gegen „unbekannt“ gestellt. Sie fühlen ten dringend umbesetzt werden in solche deshalb wurde ein Spendenkonto eingerichtet. Fi-
sich beleidigt, weil sie Nazis genannt Abteilungen, in denen der Korpsgeist des nanzielle Unterstützung wird erbeten auf das
Konto der VVN-BdA KV Aachen, SEB Aachen,
wurden. Ein Witz. Und doch ermittelt die Kalten Kriegs der 50er Jahre weniger BLZ 390 101m 11, Kto.Nr. 1026900100, Stich-
Staatsanwaltschaft Aachen verbissen. Schaden für die Demokratie anrichtet. wort: Kaffeefahrt.

: antifaschistische nachrichten 16-2003 7


In der Woche vom 25. Mai - 1.
Juni 2003 haben fünf ehemalige
Zwangsarbeiter aus der Ukraine
Zwangsarbeiter aus
(75 bis 79 Jahre alt) auf Einladung der
„Initiative gegen das Vergessen –
Zwangsarbeit in Schweinfurt“ Schwein-
der Ukraine zu Besuch
furt besucht. Neben Besichtigungen der oder Waschgelegenheiten im Zug. Wir nichts angetan, aber sie behandelten uns
ehemaligen Arbeitsstätten standen öffent- schliefen auf dem Boden auf etwas Stroh. und nutzten uns aus wie Gefangene.
liche Veranstaltungen und Diskussionen Es war sehr kalt. Das Essen war sehr Wir waren in einem Lager unterge-
mit Schulklassen auf dem Programm.Auf schlecht und viel zu wenig. Wir hatten bracht, das einen Stacheldrahtzaun und
einer Veranstaltung im Schrotturmkeller verschieden gelaunte Wächter. Waren sie verstärkte Wachen hatte. Wir lebten in Ba-
hielt Klaus Hofmann von der Initiative auf dem Weg in den Heimaturlaub hat uns racken, die man nachts zusperrte. Drinnen
gegen das Vergessen ein Referat über die die Wache nicht geschlagen oder belei- stand in der Mitte eine große Tonne, die
deutsche Besatzungsherrschaft in der digt. In einem Waggon waren 40-50 Men- als Toilette diente. Wir schliefen auf Holz-
Ukraine, das hier zu einem kurzen inhalt- schen. pritschen, von denen jeweils drei überei-
lichen und historischen Abriss kompri- In Hammelburg war ein sehr großes nander standen, auf Strohsäcken, 30-40
miert wurde. Peter Hub verlas u.a. einen Auffanglager, in dem Menschen aus der Menschen schliefen im Mantel in jeder
Brief des Zwangsarbeiters Vitali Meli- UDSSR zur Weiterverteilung in deutsche Reihe.
chov, den wir hier unter dem Titel „Erin- Städte zusammengefasst wurden. Dane- Die Ernährung war ganz schlecht und
nerungen eines ehemaligen ukrainischen ben war ein Kriegsgefangenenlager für wir hatten immer Hunger. Ich litt unter
Zwangsarbeiters“ dokumentieren. Meli- sowjetische Soldaten. Die Lagerleiter gin- Dystrophie. Meine Beine waren ge-
chov antwortete im Brief auf Fragen der gen mit den Kriegsgefangenen sehr brutal schwollen. Deshalb wurde ich ins Werk 2
Initiative. Die Fragen wurden ausgelas- um. Für Kleinigkeiten wurden sie ge- versetzt. Ich bekam 300 Gramm Brot, ein-
sen. cls ■ schlagen. mal pro Woche Suppe mit 20 Gramm
Margarine und 100
Erinnerungen eines ehemaligen ukrai- Gramm „Wurst“. Ich arbei-
nischen Zwangsarbeiters tete in zwei Schichten von
15 Uhr bis 3 Uhr nachts
Mein Name ist Vitali Melichov, geboren oder von 3 Uhr bis 15 Uhr.
bin ich am 28.8.1924 in der Stadt Sla- Das war schrecklich. In der
vansk, Ukraine. Seit 1925 lebt meine Fa- Anfangszeit schauten die
milie in der Stadt Kramatorsk. Von 1932- deutschen Arbeiter nur
41 bin ich zur Schule gegangen. Im Krieg sehr vorsichtig zu uns rü-
war ich bei meinen Eltern zu Hause. Im ber. Die Propaganda von
März 42 hat uns die deutsche Stadtver- Goebbels tat ihre Wirkung.
waltung nach Dnepropetrowsk „evaku- Wir waren Menschen
iert“. Dort wurden wir in ein großes Ge- zweiter Klasse. Aber lang-
fängnis eingeliefert. Zur Körperreinigung sam besserte sich alles. Die
haben sie uns durch Desinfektionsräume deutschen Kollegen sahen,
geschleust. Danach mussten wir uns einer dass wir fleißig waren, hat-
ärztlichen Untersuchung unterziehen. Ein Beispiel: Ein Ostarbeiter wurde be- ten Mitleid mit uns. Unter Gefahr halfen
Nach dieser Prozedur sagte man uns, dass straft, als er mit dem Suppenfassen an der sie uns mit Lebensmitteln.
wir nach Deutschland zur Arbeit ge- Reihe war, indem ihm ein Bewacher einen Ich habe nur mit Russen gearbeitet,
schickt würden. Dort arbeitete ich bei Suppenschöpfer voll mit heißer Suppe auf aber im Werk waren auch Franzosen.
SKF in Schweinfurt, zuerst als Schleifer, den Kopf setzte und ihn mit Gewalt zu Kontakt mit ihnen war aber nicht möglich.
dann als Dreher in Werk 1. Ende 1944 Boden drückte. Der Mann litt danach Unsere Mädchen hatten aber Kontakt zu
wurde ich von SKF in Produktionsstätten noch sehr lange Zeit an den Verbrennun- ihnen, aber hauptsächlich sexuellen. Sie
unter der Erde geschickt, und zwar in das gen der Kopfhaut. Die Bewachung war haben von ihnen dafür Essen bekommen.
Dorf Neckarzimmer am Neckar. Dort be- sehr stark und Fälle von Flucht waren mir In unserem Lager gab es nur sehr wenige
freiten uns am 1. April 1945 amerikani- nicht bekannt. Meinen Aufenthalt in Ham- Fluchtfälle und wer es schaffte, wurde
sche Soldaten. Danach kam ich nach melburg habe ich in sehr schlechter Erin- nach einiger Zeit zurückgebracht. Danach
Schweinfurt zurück in ein Zwischenlager, nerung. verschwanden sie für immer.
das früher eine Kaserne war. Von dort Ins Zwischenlager Hammelburg kamen An Geburten im Lager kann ich mich
transportierte man uns auf LKWs nach regelmäßig Vertreter von verschiedenen nicht erinnern. Aber Schwangerschaften
Magdeburg, wo wir der Sowjetarmee Firmen, um sich die kräftigsten unter den gab es genug. Hierfür gab es im Lager
übergeben wurden. Wir fuhren über Ber- Gefangenen auszusuchen. In einem gro- eine besondere Abteilung zur Vornahme
lin, Frankfurt/Oder, Warschau, Kiew ßen Zimmer standen einige Tische, an de- von Abtreibungen.
nach Kramatorsk zurück und kamen dort nen diese Herren saßen. Sie hatten Unter- Man starb entweder vor Hunger oder
im August 45 an. lagen dabei und trugen Abzeichen ihrer Erschöpfung. Aber viele entkräftete Men-
Nur kurze Zeit nach dem deutschen Firmen. Wir sind zu den Tischen gegan- schen hat man weggebracht und sie wur-
Angriff auf Kramatorsk im Oktober 1941 gen (zehn Menschen auf einmal), haben den danach nie wieder gesehen. Massen-
bekam jeder Bewohner einen Ausweis. unsere Namen genannt und unseren Be- sterben gab es erst während der Bombar-
Wer keinen deutschen Ausweis hatte, ruf. Facharbeiter (Spezialisten) kosteten dierungen: Deutsche, Russen, Ukrainer,
wurde als Partisan bezeichnet, gejagt und 10 Reichsmark, Ungelernte kosteten 8 Franzosen und andere. Zweimal pro Wo-
getötet. Im Februar 42 nahm uns die Reichsmark. Verkauften Arbeitern wurde che erhielten wir ein Kuvert mit 9,80
deutsche Polizei alle deutschen Pässe ab das jeweilige Firmenschild angeheftet. Reichsmark. Kaufen konnten wir dafür
und evakuierte uns nach Dnepropetrows Man hat uns in Waggons eingepfercht, ge- nichts. Wir haben darum abends Karten
und von da transportierten sie uns, ca. trennt von den einheimischen Deutschen gespielt oder gegenseitig Stücke Brot ver-
100 Personen, im Zug unter Bewachung und hat uns nach Schweinfurt gebracht. kauft. In Werk 1 und 2 waren Bunker, wo
nach Schweinfurt. Es gab keine Toiletten Wir dachten, wir hätten Deutschland wir uns vor den Bomben versteckten.

8 : antifaschistische nachrichten 16-2003


Aber es war dort nicht Platz für alle, sie wa-
ren zu klein. Darum hat man uns erlaubt auf Besatzungsherrschaft und Ausbeutung in der Ukraine:
LKWs die Stadt zu verlassen. Wer danach Was ging der Zwangsarbeit voraus?
noch am Leben war, musste zurück zur Ar- 22.6.1941: Deutscher Überfall auf die SU: Bereits vor dem Angriff waren in den „Richtlinien
beit. für die Führung der Wirtschaft in den neubesetzten Ostgebieten“ vom Juni 1941 die wirt-
Bei Luftangriffen ist jeder um sein Leben schafts- und bevölkerungspolitischen Kriegsziele festgelegt worden, vor allem die Deckung
gelaufen, so weit wie möglich von der Stadt des deutschen Fehlbedarfs an jährlich 3 Millionen Tonnen Getreide aus den besetzten Ge-
weg. Danach musste man immer sofort zu- bieten. Zur Realisierung des Plans errechneten die Experten in den Berliner Ministerien und
bei der Wehrmacht die Notwendigkeit, die dortige Bevölkerung um 30 Millionen Menschen
rückkommen. Dann wurde man nie bestraft. zu reduzieren. Als Lösung wurde von ihnen vorgeschlagen, einen Großteil der städtischen
Ich bin in dieser schrecklichen Nacht im Bevölkerung als unnütze Esser einfach verhungern zu lassen.
Februar 43 aus Schweinfurt 18 km wegge-
laufen und bin im Dorf Vasbühl geblieben, 1.7.1941: Ernennung eines „Reichsministers für die besetzten Ostgebiete“ und Bildung der
„Reichskommissariate Ostland“ und „Ukraine“. In der Folgezeit rücksichtslose Ausbeutung
wo ich für einen Steinbruchbesitzer Schleif- der natürlichen und menschlichen Resourcen dieser Gebiete im Interesse der deutschen
steine für die Landwirtschaft herstellen Kriegsführung und Industrie (sog. Ostgesellschaften).
musste. Dort arbeitete ich bis zum Sommer.
Plötzlich kamen Polizisten, packten uns in 30.6.1941: Besetzung Lembergs
25.8.1941: Besetzung Dnepropetrowsks
ihren Wagen und brachten uns wieder nach 19. 9.1941: Besetzung Kiews
Schweinfurt zurück. Wie haben angegeben, 25.10.1941 Besetzung Charkows
wer aus welchem Lager stammte. Mich ha- 06.12.1941: Angriff auf Moskau scheitert – Russische Gegenoffensive
ben sie wieder in das Lager von SKF ge- im Mittelabschnitt
bracht. Dort habe ich 10 Stockschläge auf Frühjahr 42: Beginn des massenhaften Einsatzes von „Ostarbeitern“ im Reich
den Hintern erhalten und man hat mich wie- 16.2.1943: Rückeroberung Charkows/Gegenangriffe/22.8.1943 Befreiung
der in meine alte Baracke geschickt. Bald 24.10.1943: Rückeroberung Dnepropetrowsks
6.11.1943: Rückeroberung Kiews
habe ich wieder gearbeitet, aber nicht mehr 22.2.1944: Rückeroberung Kriwoj Rog
in Schweinfurt. 9.5.1944: Rückeroberung Sewastopols und der Krim
Ich fing Ende 1944 an im Dorf Neckar- 27.7.1944: Rückeroberung Lembergs
zimmer am Neckar zu arbeiten. Dorthin hat-
● Ermordung von jüdischen Einwohnern durch Wehrmachtseinheiten und Spezialkomman-
te man die komplette Ausrüstung der Werk- dos von SS und SD (Einsatzgruppen C und D).
hallen von SKF gebracht. 150 - 200 Men- ● Kommissarbefehl vom 6.6.41: sofortige Erschießung gefangener Politischer Kommissare
schen arbeiteten dort. Das Lager war oben der Roten Armee.
am Berg. Und drinnen im Berg war die Fa- ● Außerkraftsetzung der Haager Landordnung (keine Anwendung für sowjetische Soldaten)
brik. Dort arbeiteten Deutsche, Russen, ● Brutales Vorgehen gegen die Bevölkerung, wenn den Befehlen nicht Folge geleistet wur-
Ukrainer, Italiener, Sowjetische Kriegsge- de. Bei Widerstand sofortige Geiselnahme und Ermordung (Erschießen oder Erhängen).
fangene. Es waren mehrere Tausend Men- ● Erzeugung von Nahrungsmittel-Mangel
● Systematisches Niederbrennen von Dörfern, Vertreibung der Bevölkerung, Schaffung von
schen. Wir spürten bereits das nahende
sog. „Toten Zonen“, Ausplünderung
Kriegsende. Wir hatten freundschaftliche Bilanz 1941 - 1944: Nach der Befreiung des Gebiets der heutigen Ukraine, hatte das Land
Beziehungen zu deutschen Arbeitern. Im zwischen fünf - acht Millionen Menschen verloren. Sie wurden während der deutschen Besat-
März 45 stand die Fabrik still. Die Men- zung ermordet. Das ukrainische Judentum wurde nahezu völlig vernichtet, weite Teile des
schen fuhren in alle Richtungen. Alle Ein- Landes wurden durch die Kampfhandlungen verwüstet und zerstört. ■
gänge wurden von Deutschen Soldaten mit
Minen zerstört. Am 1. April 1945 kamen die
ersten amerikanischen Soldaten. Danach bin VVN-BdA verlangt Gerechtigkeit für alle Opfer
ich mit dem Fahrrad alleine nach Schwein- von Nazi-Unrecht und faschistischer Gewalt
furt gefahren in die Kaserne. Deutsche Gerichte haben sich jüngst abermals gegen berechtigte An-
Im August 1945 bin ich heim gekommen. sprüche ausländischer Opfer von hitlerfaschistischen Kriegsverbrechen
Mein Bruder war am 31. März 45 auf deut- oder ihrer Nachfahren ausgesprochen. Nicht genug, dass über drei Millionen sow-
schem Gebiet gefallen und die Mutter war jetische Kriegsgefangener umgebracht wurden – den Überlebenden, die in Nazi-
durch übermäßiges Leid gestorben. Ich habe deutschland Zwangsarbeit für ihre Feinde leisten mussten, wird keine Entschädi-
Arbeit gesucht. Man hat mir aber nur die gung gezahlt. So entschied das Berliner Oberverwaltungsgericht, als jetzt zwei Ar-
schwerste und schmutzigste Arbeit gegeben, menier Leistungen nach dem Gesetz zur Errichtung der Stiftung „Erinnerung, Ver-
weil ich für Deutschland gearbeitet hatte. antwortung und Zukunft“ einforderten. Nicht genug, dass Zehntausende Angehö-
Mit größter Mühe fand ich dann aber doch rige europäischer Nationen Geiselmorden der Hitler-Wehrmacht und der Waffen-
eine Arbeit in einer Fabrik als Dreher. Dort SS zum Opfer fielen – ihre Hinterbliebenen werden mit leeren Ausflüchten abge-
arbeiteten deutsche Kriegsgefangene, be- speist. So wies vor wenigen Tagen der Bundesgerichtshof die Klage griechischer
wacht von sowjetischen Soldaten. Einmal Bürger aus der Gemeinde Distomo auf Schadensersatz für den Mord an ihren An-
habe ich beim Vorbeigehen gefragt: „Wie gehörigen bei einem Massaker ab, bei dem mindestens 218 schuldlose Zivilisten
geht`s?“ Dafür hat mich die Wache geschla- hingeschlachtet worden sind.
gen. Ich habe zurückgeschlagen. Man nahm Besonders verwerflich ist, dass beiden Entscheidungen das damals geltende
mich dafür fest. Recht, so wie die Nazis es auslegten und anwandten, zugrunde gelegt wurde. Im
Ich bekam 5 Jahre Gefängnis im Norden Nachhinein werden damit die Verbrechen von SS und Wehrmacht als gewisserma-
in der Stadt Kalimar. Dort arbeitete ich flei- ßen normale Kriegshandlungen dargestellt. Auch der Hinweis auf § 11 Abs. 3 des
ßig und musste deshalb nur 2 1/2 Jahre ab- Stiftungsgesetzes kann im Fall der armenischen Bürger nicht als rechtserheblich
sitzen. Im Jahr 1950 kam ich wieder nach gelten, da sein Wortlaut unseres Erachtens nicht dem Anspruch auf Entschädigung
Hause zurück. Das, was ich vorfand, könnte für geleistete Zwangsarbeit entgegengehalten werden kann.
ich nicht meinem schlimmsten Feind wün- Beide Entscheidungen belegen das in der Bundesrepublik fortdauernde Bestre-
schen. Mit der Zeit vergaß ich meine „deut- ben, sich der politisch-moralischen wie der materiellen Verantwortung für Nazi-
sche Vergangenheit“. Ich arbeitete in einer Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu entziehen. Wir protestieren dagegen auf
Fabrik und bildete mich abends im Techni- das entschiedenste. Wir verlangen Gerechtigkeit für alle Opfer von Nazi-Unrecht
kum fort. Bald heiratete ich, bekam einen und faschistischer Gewalt.
Sohn, der jetzt 48 Jahre alt ist. Prof. Dr. Gerhard Fischer, Bundessprecher VVN-BdA ■

: antifaschistische nachrichten 16-2003 9


Vor dem Antritt der halbjähri-
gen italienischen Ratspräsi-
dentschaft hat Premier Silvio
Die Lex Berlusconi und
Berlusconi wieder einmal die Justiz
manipuliert und durch seine Parla-
mentsmehrheit ein Immunitätsgesetz
der Skandal in der EU
verabschieden lassen, das ihn wäh-
rend seiner Amtszeit als Regierungs-
chef vor Ermittlungen und Strafverfol-
gung bewahrt. Um die Angelegenheit
nicht nur auf sich zu beziehen, ließ er
in das Strafverhinderungsgesetz
auch den Staatschef, die Präsidenten
von Senat und Abgeordnetenkam-
mer und den Vorsitzenden des Ver-
fassungsgerichts einbeziehen. Nach
Meinung von Verfassungsrechtlern ist
das Gesetz verfassungswidrig. Ob es
zu einer entsprechenden Klage
kommt, bleibt abzuwarten.

Der Europaabgeordnete der SPD und


stellvertretende sozialdemokratische
Fraktionsvorsitzende Martin Schulz seine Anwälte die Aufhebung der Urteile mes“ schrieb, die nach dem Regierungs-
nahm die Lex Berlusconi zum Anlass, durch. Trotzdem ermittelten mutige und antritt erlassenen oder auf den Weg ge-
diese Maßregelung der italienischen der Wahrheit verpflichtete Juristen nach brachten Dekrete nützten überwiegend
Justiz scharf zu kritisieren. Die Reakti- seinem Amtsantritt als Premier 2001 in den persönlichen oder geschäftlichen In-
on des frisch gekürten Ratspräsidenten fünf Verfahren weiter. Berlusconi hetzte teressen Berluconis.
ist bekannt. Seine Einladung an Schulz, gegen sie, diffamierte sie als „rote Rich- Die Strafverhinderungsgesetze nutzten
in den derzeit laufenden Dreharbeiten ter“, die ein kommunistisches Regime auch Berlusconis Klientel. Sie bewirk-
zu einem KZ-Film in Italien die Rolle installieren wollten, bezeichnete sie im ten, dass rund 5.000 Strafverfahren,
des „Kapo“ zu spielen, löste einen Pro- typisch faschistischen Jargon als „Krebs- größtenteils einst im Ergebnis der Er-
teststurm aus, wie man ihn in Straßburg geschwür“, das man „ausrotten“ müsse. mittlungen der Mani-pulite-Anwälte ein-
noch nicht erlebt hat. Das lasse „ungute 5.000 Strafverfahren eingestellt geleitet, eingestellt wurden. In Hunder-
Erinnerungen an Italiens faschistische ten von Fällen handelt es sich dabei auch
und imperialistische Vergangenheit auf- Um die Ermittlungen gegen sich zu ver- um Mafiaverbrechen, illegalen Waffen-
kommen“, schrieb der Londoner „Inde- hindern, ließ er beispielsweise ein handel, Drogengeschäfte und Bandenkri-
pendent“. Die regierungskritische Turi- Rechtshilfeabkommen mit der Schweiz minalität. Zu einem Eklat mit Brüssel
ner „Stampa“ bezeichnete die Lex Ber- ändern, wonach Beweise aus der Eidge- kam es bereits 2001, als der italienische
lusconi als Beweis dafür, dass Berlusco- nosssenschaft, die dort gegen ihn vorlie- Regierungschef allen Ernstes verlangte,
ni „nicht berechtigt ist, Europa zu reprä- gen, nicht mehr zulässig sind oder ihre aus den Vorschriften für den Erlass von
sentieren“. Einbringung erschwert wird. Bilanzfäl- EU-Haftbefehlen Verbrechen wie Kor-
Schulz agierte noch vergleichsweise schungen, deren er in großem Stil ange- ruption, Betrug und Geldwäsche zu strei-
zurückhaltend und beschränkte sich all- klagt wurde, werden nicht mehr straf- chen, um damit Ermittlungen von EU-
gemein auf Andeutungen über die Defi- rechtlich verfolgt oder fallen unter Ver- Behörden gegen sich zu verhindern.
zite der italienischen Strafverfolgung. jährung. Allenfalls wird ein Bußgeld ver- Der Mann der Putschistenloge P2
Auch in den diversen Presse-Berichten hängt. Berlusconi profitiert ebenso von
lotete man kaum tiefer aus. Der vorlie- einem Dekret, das satte Steuerersparnis- Berlusconis wirtschaftlicher und politi-
gende Beitrag will dem etwas abhelfen. se auf reinvestierte Unternehmensgewin- scher Werdegang ist untrennbar mit dem
Seit die Mailänder Staatsanwalt- ne gewährt. Wer seine Profite steuerfrei Wirken der mit CIA, Mafia und Vatikan
schaftsgruppe Mani Pulite (Saubere ins Ausland transferiert hat (Berlusconi liierten Putschistenloge P2 verbunden,
Hände)1992/93 in umfangreichem soll Milliarden Euro außer Landes ge- die das Ziel verfolgte, die verfassungs-
Maße Korruptionspraktiken höchster bracht haben, wird von Strafverfolgung mäßige Ordnung Schritt für Schrift mit-
Politiker und Wirtschaftsmanager auf- freigestellt, wenn er die Gelder nach Ita- tels eines kalten Staatsstreichs zu beseiti-
deckte (die Ermittlungen erfassten rund lien zurückbringt. Es wird lediglich eine gen und ein diktatorisches Regime fa-
6.000 Personen) wurde Silvio Berlusco- lächerliche Steuer von 2,5 Prozent aufer- schistischer Prägung zu errichten. In der
ni in insgesamt 13 Verfahren der glei- legt, wenn die Gelder in staatlichen P2 hatte Berlusconi zusammen mit dem
chen Praktiken, der Führung von Tarn- Schutzbriefen angelegt werden. Da keine Altfaschisten und Logenchef Gelli und
firmen, des illegalen Kapitaltransfers Kontrolle der Herkunft der Gelder statt- dem damaligen Sozialisten-Chef Craxi
und zahlreicher weiterer Delikte be- findet, können auf diese Weise Schwarz- (der Mitte der 90er Jahre zu 26 Jahren
schuldigt. Er ist als Chef der Fininvest- gelder gewaschen werden, wovon auch Gefängnis verurteilt wurde und nach Tu-
Holding von rund 300 Unternehmen mit die Mafia profitieren dürfte. Die Frei- nis floh, wo er 2001 starb) im sogenann-
einem Betriebswert von 30 Milliarden sprüche für Berlusconi wurden vor allem ten Dreigestirn die Spitzenpositionen
Euro der reichste Kapitalist des Landes mit seinen gegenwärtigen „gesellschaft- inne. Die Publizisten Giovanni Ruggeri
und steht mit rund 13 Milliarden Euro lichen Lebensbedingungen“ und seiner und Mario Guarino haben in ihrem Buch
an 14. Stelle der Weltrangliste der Rei- „objektiv herausragenden Position“ be- „Berlusconi – Showmaster der Macht“
chen. In mehreren Verfahren wurde er gründet, was im Klartext so kommentiert (Deutsch bei Gatza) beweiskräftig nach-
zu insgesamt über zehn Jahren Frei- wurde: „Einen Premier zerrt man nicht gewiesen, dass er nicht als „Tellerwä-
heitsstrafe und zehn Millionen DM ver- vor Gericht.“ Selbst die in solchen Fra- scher“, als der er sich gern vorstellt, em-
urteilt. In Revisionsprozessen setzten gen nicht gerade prüde „Financial Ti- porstieg, sondern die Logenbrüder die

10 : antifaschistische nachrichten 16-2003


entscheidende Rolle für seine Unterneh- rigkeit der AN, die sich unverändert zu des italienischen Kapitals und der politi-
merkarriere spielten, „allen voran die Mussolini und dessen faschistischem schen Exekutive kam. Die parlamentari-
Bankiers der P2“, die ihm „Unterstüt- Erbe bekennt, und in bestimmtem Maße sche Hülle wird in Italien weitgehend zur
zung und Finanzierungshilfen, die weit von der rassistischen Lega Nord charakte- Makulatur.
über jede Kreditwürdigkeit hinausge- risiert wird, zeigen sich bei der FI und ih- Quo vadis EU?
hen“, verschafften. Als Berlusconi ver- rem Führer selbst Erscheinungen der Fa-
suchte, seine P2-Mitgliedschaft zu leug- schisierung, faschistoide Methoden in Po- Dieser Mann steht für das nächste halbe
nen, dann zu verharmlosen, wurde er we- litik und Ideologie sowie eine diktatori- Jahr an der Spitze des EU-Rates. In
gen falscher Zeugenaussage verurteilt. sche und autoritäre Praxis. Das wird unter Straßburg und Brüssel hat man die letz-
P2-Gelder für Berlusconis Medien- anderem durch die Rolle belegt, die sein ten zwei Jahre tatenlos zugesehen, dass
imperium Medienimperium in seinen autoritären in Rom eine profaschistische Koalition
Plänen spielt. Losano hebt die faschistoi- unter einem demokratischen Mäntelchen,
Die P2 lenkte auch Berlusconis Karriere den Züge der Mediendiktatur hervor und das kaum ihren wahren Charakter ver-
vor allem in den Bereich der Massenme- nennt sie eine „Medien-Agora“, die „Er- hüllt, regieren konnte. Nicht zufällig hat
dien. Dementsprechend stieg er groß ins bin der ‚ozeanischen Versammlungen‘ Berlusconi im Rahmen seiner Amtsan-
Fernsehgeschäft ein. Mit den Geldern der Mussolinizeit“. Er verweist darauf, trittsrede sich an die Seite von Blair und
der P2 machte er über Nacht aus dem dass der Medientycoon nicht nur in den Aznar gestellt, einen proamerikanischen
kleine „Telemilano“ das landesweite Teilnehmerzahlen, sondern auch in der Kurs der EU verkündet und sich an-
TV-Netz „Canale 5“, kaufte danach die Beeinflussung der Massen Mussolini bei schließend zu Bush begeben. Als nächs-
größten Konkurrenten „Rete 4“ und Ita- weitem übertrifft. tes gab er in Italien eine Verfassungsre-
lia 1“ auf und besitzt damit bis heute in Da die Einschätzungen zum faschistoi- form zur Errichtung eines Präsidialre-
den entscheidenden Bereichen in Italien den Charakter Berlusconis von bestimm- gimes bekannt. Über 80 der 84 Artikel
das private Fernsehmonopol. Als Regie- ten Ideologen gern als linke Übertreibun- der Verfassung sollen gestrichen oder ab-
rungschef kontrolliert er auch die staatli- gen, wenn nicht gar Erfindungen hinge- geändert werden, darunter alle mit Bezug
che Rundfunk- und Fernsehanstalt RAI. stellt werden, sei noch jemand zitiert, der auf antifaschistische Grundlagen. Das
Zum italienischen Medienimperium über einen solchen Verdacht völlig erha- bedürfte nach Verfassungsgrundsätzen
Berlusconis gehören noch fast die Hälfte ben ist. Die Rede ist von dem 2001 ver- der Einberufung einer Verfassungsgeben-
aller italienischen Presseerzeugnisse, da- storbenen Doyen des italienischen Jour- den Versammlung. Die rechtsextreme Al-
runter die Montadori-Gruppe, nach Ber- nalismus, Indro Montanelli. Der konser- lianz plant jedoch, eine neue Verfassung
telsmann der größte europäische Me- vative Kolumnist des Mailänder „Corrie- Artikel für Artikel für ein Präsidialre-
dienverbund, und der einflussreiche Ri- re della Sera“ sah Berlusconi, zu dessen gime zurecht zu schustern. Nach Mei-
zoli-Verlag. Ferner Cinema 5, die größte politischem Weltbild die Bewunderung nung des ehemaligen Präsidenten des
Kino-Kette des Landes, Musik- und Vi- für Hitler wegen seines „heldenhaften Verfassungsgerichts, Ettore Pace, käme
deo-Produktionsgesellschaften und der Versuchs, Europa vor dem sowjetischen das einem „Staatsstreich „gleich.
Werbekonzern Pubitalia. Der Medienbe- Imperialismus zu retten“ gehört, durchaus Gerhard Feldbauer ■
herrscher ist Besitzer des Fußballclubs in einem Faschisie-
AC Milan, Organisator der Radtour Giro rungsrahmen. Er bejahte
d’Italia, Herr über Rugby-, Hockey- und die Frage, ob Berlusconi
Volleyball-Mannschaften und mit 80 „der neue Mussolini“
Prozent Anteilen Mäzen des Mailänder sein könnte. Er charak-
Teatro Manzoni. Damit übt er, wie die terisierte den Medien-
Zeitung der Linksdemokraten „Unita“ diktator, dem er in des-
kürzlich schrieb, eine komplette Me- sen Hausblatt „Giornale
diendiktatur aus. nuovo“ die Mitarbeit
Nach Meinung nicht nur von Rugge- aufgekündigt hatte, als
ri/Guarino, sondern auch weiterer Ken- „nationalistischen Ein-
ner der Lage in Italien ist auch Berlusco- peitscher“, als „eine Art
nis Forzapartei ein Produkt, das von der lächelnder Diktator.“
P2 programmiert wurde. Bei ihrem Auf- Montanellis Einschät-
bau diente ihm die 1945 von Mussolini- zung erhielt nahezu
faschisten geschaffene und sich als par- sprichwörtliche Bedeu-
teiunabhängig darstellende Uòmo Qua- tung, als sich Berlusconi Mahnmal für die homosexuellen Opfer des NS-Regimes in Köln
lunque (Jedermann), der Vorläufer der nach den Terroranschlä-
MSI, der heutigen AN, als Modell. Nor- gen vom 11. September Homosexuelle NS-Opfer geehrt
berto Bobbio, einer der angesehensten 2001 in New York und
liberalen Philosophen Italiens, verwies Washington mit seinen Berlin. Die Regierungskoalition will in Berlin ein
darauf, dass der Forza jegliche „demo- unflätigen Angriffen auf Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Ho-
kratischen Merkmale“ und eine „Trans- den Islam als nationalis- mosexuellen errichten. Sie brachte einen entsprechen-
parenz der Macht“ fehlen. Der Mailän- tischer Einpeitscher an den Antrag in den Bundestag ein, teilten die Abgeordne-
der Rechtswissenschaftler Mario G. Lo- die Seite der von Bush ten Volker Beck (Grüne) und Johannes Kahrs (SPD)
sano charakterisierte die Forza als eine verkündeten weltweiten gestern mit.
autoritäre Führerpartei. Berlusconi sei Aggressionspolitik stell- Das Projekt war bereits im rot-grünen Koalitionsver-
der Alleinherrscher und die FI „die Be- te. trag vereinbart worden. Das Denkmal soll am südöstli-
wegung, die den Autokraten flankiert“. Die Charakterisierung chen Rand des Tiergartens aufgestellt werden. Für die
Indro Montanelli sah in Berlusconi der Regierung unter Gestaltung wird ein Wettbewerb ausgeschrieben. Mit
einen neuen Mussolini Berlusconi wäre unvoll- dem Mahnmal soll sowohl der Opfer des Nationalsozia-
ständig, ohne zu erwäh- lismus gedacht werden als auch ein Zeichen gegen die
Abgesehen davon, dass der politische nen, dass es mit ihm zur Ausgrenzung von Schwulen und Lesben gesetzt wer-
Charakter der von Berlusconi angeführ- Personalunion zwischen den. nach taz, 3.7.03 - kun ■
ten Allianz maßgeblich von der Zugehö- der stärksten Holding

: antifaschistische nachrichten 16-2003 11


: ausländer- und asylpolitik

NRW schiebt Flüchtling ab die exzessive Verletzung von Persönlich- werden von seiten der Verwaltung be-
keitsrechten sowie außergewöhnliche wertet. Ziel der Bewertung soll es sein,
Köln. Am 18.7. wurde durch das Land Bemühungen, die (rechtliche) Lage von den Handlungsrahmen für die Stadt
NRW ein traumatisierter und suizidge- Flüchtlingen in Thüringen weiter zu ver- München auszuloten und – soweit vor-
fährdeter Flüchtling in die DR Kongo schlechtern. handen – zugunsten der Lebenssituation
abgeschoben. Der Kölner Flüchtlingsrat In der Vergangenheit ging der Preis der illegalen MigrantInnen auszunutzen.
hatte im Vorfeld protestiert und fordert im Jahr 2000 an die Ausländerbehörde Hierbei sind alle (!) Empfehlungen und
jetzt das Innenministerium auf, die Um- des Eichsfeldkreises wegen einer uner- Vorschläge von seiten der Verwaltung zu
stände der Abschiebung dringend zu klä- laubten Datenübertragung zur negativen bewerten und Handlungsvorschläge zu
ren. Beeinflussung des Asylverfahrens beim unterbreiten. Besonders zu bearbeiten
Nach Auffassung des Flüchtlingsrats Bundesamt für die Anerkennung auslän- sind folgende Fragestellungen:
hätte der Flüchtling aus rechtlichen discher Flüchtlinge in Jena. .Im Jahr – wie kann das Recht auf Bildung von
Gründen nicht abgeschoben werden dür- 2001 an das Sozialamt Greiz für die Ver- Kindern ohne Aufenthaltstitel umgesetzt
fen. Herr M. leidet nach einer psychi- weigerung von Unterarmprothesen für werden? (Schlussfolgerung 13.7, S. 126,
atrisch-fachärztlichen Stellungnahme der Arsen Gasparjan, einen tschetscheni- Empfehlung 14.2, S. 133)
Rheinischen Landesklinik Köln-Mer- schen jungen Flüchtling. Trotz verschie- – wie kann das Recht auf angemessene
heim unter einer Posttraumatischen Be- dener Rechtsmittel wollte die Ausländer- Gesundheitsversorgung für Kinder Ille-
lastungsstörung aufgrund traumatischer behörde in Zusammenarbeit mit dem galer umgesetzt werden? (Schlussfolge-
Ereignisse im Heimatland Kongo mit de- Amtsarzt des Landkreises Greiz die Un- rung 13.7, S. 125, Empfehlung 14.1. C,
pressiver Symptomatik sowie einer emo- terarmprothesen nicht genehmigen, ob- S. 132)
tional-instabilen Persönlichkeitsstörung wohl Fachärzte zuvor vor den Folgen ei- – wie kann Frauen ohne Aufenthaltsti-
bis hin zur Ankündigung von Suizid. ner fehlenden Prothesenversorgung ge- tel eine Möglichkeit zu Hilfestellungen
Nach diesen Krankheitsbildern hat aus warnt hatten. bei Schwangerschaft und Entbindung zu-
der Sicht des Flüchtlingsrates ein soge- Im Jahr 2002 wurde der Preis gedrit- kommen? (Schlussfolgerung 13. 6, S.
nanntes Vollstreckungshindernis vorge- telt. Zu je einem Drittel erhielt ihn die 124; Empfehlung 14.1, C, S. 132)
legen. Die Abschiebung hätte ausgesetzt Ausländerbehörde des Wartburgkreises – wie kann Rechtssicherheit für Mitar-
werden müssen. Nach Kenntnis des Bad Salzungen, die Staatsanwaltschaft beiterInnen von Schulen, Kindergärten,
Flüchtlingsrates war die ärztliche Stel- Mühlhausen und das Amtsgericht Eisen- Krankenhäusern, Beratungsdiensten etc.
lungnahme zumindest der Bezirksregie- ach wegen der Verhängung einer Geld- hergestellt werden, damit sie sich nicht
rung Düsseldorf und dem BGS bekannt. strafe in Höhe von 2400 Euro gegen ei- strafbar machen, wenn sie von der Illega-
Offenbar hat sie niemanden interessiert. nen sierra-leonischen Flüchtling wegen lität einer Person erfahren und diese
Herr M. floh 1993 noch unter dem des mehrfachen unerlaubten Verlassens nicht melden. (z. B.: Schlussfolgerung
Mobutu-Regime in die BRD und stellte – des Landkreises. Bereits im vergangenen 13.7, S. 126, oder 13.10 S. 129)
erfolglos – einen Asylantrag und Asyl- Jahr haben verschiedene Personen, Ini- 2. Mit der Münchner Polizei sollen
folgeanträge. Er war Mitglied einer Band tiativen etc. Vorschläge für den Preis ein- Gespräche geführt werden, in welchem
gewesen, die in ihren Songs offen Kritik gereicht. Wir würden uns freuen, aus al- Rahmen sie bereit ist zu tolerieren, dass
an Mobutu und seinem Regierungssys- len Ecken des Freistaates von Aktiven Anlaufstellen für MigrantInnen mit un-
tem übte. Viele andere Bandmitglieder und Interessierten Vorschläge für einen gesichertem Aufenthaltsstatus entstehen
sind nach Aussage von Herrn M. umge- „Preis für die größtmögliche Gemeinheit – potentielle BesucherInnen einer sol-
bracht worden oder verschwunden. Auch 2003“ bis zum 20. September 2003 zu chen Anlaufstelle also nicht mit einer
seine Eltern und Verwandten seien tot, er erhalten. Eine Jury wird unter den einge- Festnahme beim Betreten/Verlassen des
habe in der DR Kongo keinen Menschen reichten Vorschlägen den diesjährigen Gebäudes rechnen müssen. Hierbei ist
mehr. Herr M. befand sich seit rund 12 Preisträger auswählen. Als Einreichen- auch darzustellen, wie andere Großstäd-
Monaten in der JVA Ossendorf in Ab- de/r erteilt man mit der Einreichung die te, bzw. die Polizeibehörden mit Bera-
schiebungshaft und erkrankte während Zustimmung zur Veröffentlichung – tungsstellen für Menschen mit Illegalen
der Haft schwer. Mehrere Wochen muss- auch wenn der Vorschlag nicht zum verfahren.
te er in der Rheinischen Landesklinik Preisträger gekürt wird. 3. Die Landeshauptstadt München tritt
Köln-Merheim stationär behandelt wer- Wir freuen uns auf Eure/Ihre Einsen- an die Bundesregierung heran mit der
den. Er benötigt psychiatrisch-fachärztli- dung: info@fluechtlingsrat-thr.de ■ Forderung nach großzügigen Altfall- und
che Betreuung, die in der DR Kongo Härtefallregelungen um zu erreichen,
nicht gewährleistet ist und für Herrn M. Konsequenzen aus der dass die Zahl der Menschen die in die Il-
unerschwinglich sein wird. legalität gehen geringer wird.
PM Flüchtlingsrat Köln ■ Studie „Menschen in der 4. Die Landeshauptstadt München tritt
Illegalität in München“ an die Bundesregierung heran, mit der
Preis für Gemeinheit Der Migrationsforscher Philip Anderson Forderung nach einer Legalisierungs-
recherchierte zwei Jahre lang die Situati- kampagne, die Menschen ohne Aufent-
Thüringen. Auch in diesem Jahr will on von Illegalen in München. Auf der haltsstatus, die nachweisen können seit
der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. den Grundlage seiner Forschungsergebnisse fünf Jahren in Deutschland zu leben, sich
Preis für die größtmögliche Gemeinheit brachte die Fraktion Bündnis 90/Die selbständig versorgen zu können und
verleihen. Der Preis wird im Jahr 2003 Grünen nun folgenden Antrag ein: keine Straftaten begangen zu haben, zu
zum vierten Mal vergeben. Der Preis für Der Stadtrat möge beschließen: einem legalen Aufenthaltstitel zu verhel-
die größtmögliche Gemeinheit wird all- 1. Die in der Studie „Menschen in der Il- fen. Als Vorbild sollten die Legalisie-
jährlich an Behörden oder Institutionen legalität in München“ enthaltenen Emp- rungsbeschlüsse fast aller anderen euro-
verliehen, die herausragende Anstren- fehlungen und Überlegungen, (S. 131 ff), päischen Länder sowie der USA heran-
gungen bei der Diskriminierung und wie die Situation von Menschen mit un- gezogen werden.
Ausgrenzung von Flüchtlingen unter- gesichertem oder illegalem Aufenthalts- Begründung: Niemand bestreitet, dass
nommen haben. Besonders gewürdigt status im Rahmen der gesetzlichen Mög- Menschen, die sich illegal in Deutsch-
werden dabei vorauseilender Gehorsam, lichkeiten verbessert werden könnte, land aufhalten eine Straftat begehen.

12 : antifaschistische nachrichten 16-2003


Deswegen gibt es entsprechende ord-
nungsrechtliche, ausländerrechtliche und Solidarität mit den gefangenen
polizeiliche Maßnahmen um illegale Mi-
grantInnen festzustellen. Gleichzeitig ist Flüchtlingen in Rottenburg
aber spätestens durch die Studie „Illegal
in München“ deutlich geworden, dass Am Sonntag den 29. Juni 2003 dieser Spezialzelle mit diesem Mann –
die Problematik der Menschen ohne le- demonstrierten in Rottenburg am ohne jede Möglichkeit meine Unterstüt-
galen Aufenthalt ordnungsrechtlich nicht Neckar ca. 200 Menschen gegen zer zu kontaktieren ... Die Botschaft war
in den Griff zu bekommen ist. Trotz der das dortige Abschiebegefängnis und klar: Sie werden meinen Hungerstreik
Zahl von ca. 4.000 Festnahmen pro Jahr gleichzeitig auch für die sofortige Frei- auf die eine oder andere Weise beenden.
in München aufgrund illegalen Aufent- lassung von Donny Ohio aus Nigeria. Ich habe 24 Stunden darüber nachge-
halts nimmt die Zahl der Illegalen in Donny Ohio wurde am 5. Juni 2003 in dacht. Ich war mental darauf eingestellt
München nicht ab. Gleichzeitig hat die Tuttlingen verhaftet und in die Justiz- meinen Hungerstreik bis zum Schluss
Studie gezeigt, dass der größte Teil der vollzugsanstalt Rottenburg eingeliefert. fortzusetzen – das war meine Entschei-
illegal in München lebenden Menschen Seit diesem Tag befindet sich Donny im dung. Ich wusste, dass ich schwächer
sich – außer der Tatsache ihres illegalen Hungerstreik. Er wurde am Tag der De- wurde – aber das hatte ich unter Kontrol-
Status´– gesetzeskonform verhalten, um monstration in das
nicht aufzufallen. Ihr Hauptziel ist es, in Knastkrankenhaus
München zu leben und zu arbeiten und nach Hohenasperg
oft auch, die Familie im Heimatland zu verlegt. Das zustän-
unterstützen. Deutlich wurde auch, dass dige Regierungsprä-
die Dienstleistungsstadt München in fast sidium Freiburg
allen Bereichen auf die Arbeit von Ille- verweigert Donnys
galen angewiesen ist, um möglichst billi- Freilassung, obwohl
ge Preise für Dienstleistungen anbieten er tags zuvor einen
zu können. Asylfolgeantrag ge-
In dieser Situation der Doppelmoral stellt hatte.
leben 30.000 – 50.000 Menschen illegal Die JVA Rotten-
in dieser Stadt. Problematisch wird es für burg verfügt über
die illegalen MigrantInnen dann, wenn mehr als 620 Haft-
sie erkranken, einen Unfall haben, öf- plätze und ist somit
fentliche Behörden kontaktieren, ihre der drittgrößte
Kinder in die Schule, den Kindergarten, Knast im Land Ba-
den Hort, die Kinderkrippe schicken, den-Württemberg.
wenn Frauen schwanger werden oder in „Zusammen mit der
der Illegalität entbinden müssen. Abschiebehaft, den
Die Studie hat deutlich herausgearbei- Freigängern, der
tet, dass sich dann zwei Herangehens- Außenstelle Tübingen sowie der in Maß- le – damit konnte ich umgehen. Aber
weisen gegenüberstehen: die rein ord- halterbuch für den offenen Vollzug hat jetzt hatte sich die Situation geändert. Sie
nungsrechtliche, die eine Hilfestellung die JVA Rottenburg laut Direktor Malik ängstigten mich eindeutig damit, mich
von öffentlicher Seite immer mit der Ab- sogar über 800 Plätze“ so das Rottenbur- unter Drogeneinfluss zu stellen – aus mir
schiebungsdrohung verbindet, also einen ger Tagblatt vom 22. November 2002. einen Rauschgiftsüchtigen zu machen –
Zusammenbruch der aufgebauten Exis- Auszug aus einem Gespräch mit wobei ich jede Kontrolle darüber verlo-
tenz bedeute und auf der anderen Seite Donny am 1. Juli, als er zurück ins ren hätte, für mich selber zu entscheiden.
die Tatsache, dass Menschenrechte auf Abschiebegefängnis Rottenburg ge- Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich hat-
ärztliche Hilfe, auf Bildung für Kinder, bracht wurde: te keine Möglichkeit, meine Genossen zu
auf Hilfe bei Schwangerschaft und Ge- „Am Donnerstag (26.6.) erschrak ich, als kontaktieren – ich war isoliert. ... So
burt etc. auch für Menschen mit illegalen sie mich in das schreckliche Gefängnis- habe ich am Freitag, als die Autoritäten
Status gelten. ... In dieser Situation kann hospital in Hohenasperg brachten ... An- nach Hohenasperg kamen und mich in-
die Stadt München ihre Augen nicht ver- statt freigelassen zu werden, wurde ich formierten, dass sie mir Blut abnehmen
schließen. Die Empfehlungen der Studie gewaltsam nach Hohenasperg gebracht würden, gedacht, dass sie, wenn sie jetzt
von Philipp Anderson eröffnen Hand- und in eine spezielle Zelle mit Überwa- ohne mein Einverständnis mein Blut
lungsräume, die genutzt werden sollten, chungskamera eingesperrt ... Ich wusste, nehmen können, auch ohne mein Einver-
wenn Illegalen in München in einem dass die Autoritäten entschlossen waren, ständnis etwas in meine Blutbahn sprit-
Mindestmaß geholfen werden soll. Dies meinen Hungerstreik zu beenden. Seit zen können. Daraufhin habe ich be-
kann nur in einem pragmatischen Ansatz dem ersten Tag meines Hungerstreiks ha- schlossen, den Autoritäten zu sagen, dass
geschehen, der davon ausgeht, dass trotz ben sie im Abschiebegefängnis Rotten- ich meinen Hungerstreik beenden werde.
der Illegalität des Status Hilfe notwendig burg auf verschiedene Weise Druck aus- Nach 23 Tagen habe ich deshalb wieder
ist, die nicht verweigert werden darf. Es geübt. So hat ein Arzt, als ich mich auch zu essen begonnen. Ich hoffe alle meine
ist klar, dass dies nur in begrenztem Rah- nach mehreren Tagen geweigert hatte, GenossInnen können meine Entschei-
men möglich ist. Eine wirkliche Verän- meinen Hungerstreik zu beenden, Män- dung verstehen.
derung für Illegale kann es selbstver- ner angewiesen mich auf eine Waage zu Nun bin ich vom Regen in die Traufe
ständlich nur geben, wenn die Zuwande- zwingen und mich dann darüber infor- geraten. Ich muss nun mit bedenken,
rung endlich gesetzlich geregelt und er- miert, dass mein Gewicht sogar gestie- dass sie mich u.U. erneut nach Hohenas-
möglicht wird, wenn es weitreichende gen sei. Die Feindseligkeiten von Seiten perg schicken, wenn ich den Hunger-
Altfall- und Härtefallregelungen für der Autoritäten gingen täglich weiter und streik wieder aufnehme. Ich danke euch
AsylbewerberInnen und Bürgerkriegs- ihre Wut auf mich steigerte sich, als klar allen für eure Unterstützung und hoffe,
flüchtlinge gibt und eine Legalisierungs- wurde, dass ich meinen Hungerstreik dass ihr in dem Kampf weiterkämpft,
kampagne wie in den meisten anderen nicht beenden werde. Nun war ich in ei- wie ich ihn von hier drinnen mit Sicher-
westlichen Ländern durchgeführt wird. nem schrecklichen Gefängnishospital in heit weiterkämpfen werde.“ was ■

: antifaschistische nachrichten 16-2003 13


: neuerscheinungen, ankündigungen

Eifersuchtstat – fer keine Handschuhe und die lich der Vizekorporal die
ein konstruier- Leichen werden nicht in Plas- Schüsse abgegeben hat.“
tikhüllen eingewickelt. Sonderbar wirkt gleicher-
ter Mord Noch vor der Obduktion, maßen die Darstellung der va-
Ein Buch über den vor der Spurenauswertung am tikanischen Gerichtsbarkeit,
blutigen Macht- Tatort, den ballistischen Un- wonach Elstermann im Mo-
tersuchungen und den Zeu- ment der Schießerei ein Tele-
kampf der Rechts- genbefragungen verbreitet der fonat geführt hatte. Dieser
Logen im Vatikan Heilige Stuhl eine „Wahr- Ohrenzeuge sagte nichts über
Von Thomas Klaus heit“. Sie stützt sich auf eine Hilferufe von Frau Elster-
so genannte „moralische Ge- mann aus, die somit der Tö-
Am Abend des 4. Mai 1998 wissheit“, wonach Cédric Tor- tung ihres Mannes – und ihrer
wurden im Kasernengebäude nay das Ehepaar Estermann in eigenen – beigewohnt hätte,
der Schweizergarde im Vati- einem Anfall von Wahnsinn ohne einen Laut von sich zu
kan drei Leichen entdeckt. In erschossen und anschließend geben. rika ein Trainingscamp unter-
der Dienstwohnung des so- Selbstmord begangen habe. Ein Aspekt rüttelt laut „Ihr halten haben, um das Ester-
eben neu ernannten Komman- Somit wurde der Fall abge- habt getötet“ am heftigsten an mann sich persönlich küm-
danten der päpstlichen Garde schlossen, ehe er eröffnet der Theorie vom Eifersuchts- merte.“
lag eben dieser hohe Offizier, werden konnte. drama: „Der Einwand, der die Auch Gladys Estermann
Alois Estermann, in seinem Die Behauptung von der offizielle Wahrheit am gründ- war keine „brave Hausfrau“.
Blut. Außerdem wurden seine Wahnsinnstat versuchte der lichsten unterminiert, ist der Sie verwaltete die Gelder der
Ehefrau Gladys Meza Rome- Sprecher des Heiligen Stuhls Umstand, dass niemand die World Organization for the
ro und der Schweizergardist durch einen Abschiedsbrief zu fünf lauten Schüsse gehört Family (WOF), einer Opus-
Cédric Tornay erschossen auf- belegen, den Tornay andert- hat, die nach Vatikanberichten Dei-nahen Einrichtung unter
gefunden. So klar, wie sich halb Stunden vor der Tat ei- aus der großkalibrigen Pistole dem Vorsitz von Cristina Voll-
der Fall nach der offiziellen nem Kameraden übergeben abgegeben wurden, der Waffe, mer Herrera. Der Ehemann
Lesart des Vatikan-Staates habe. Dabei schien dem Vati- die man schließlich unter Tor- von Frau Herrera ist der Bot-
darstellt, ist er aus Sicht der kan-Sprachrohr allerdings nays Leiche gefunden habe. schafter Venezuelas am Heili-
anonym bleibenden Autoren nicht aufgefallen zu sein, dass Aus dieser Armeepistole soll gen Stuhl. Darüber hinaus en-
des Buches „Ihr habt getötet – ein solcher Abschiedsbrief im in einer kleinen Wohnung (de- gagierte sich Gladys Ester-
Der Machtkampf der Logen Widerspruch zu einem Amok- ren Tür offen stand) in einem mann für den Verein zur För-
im Vatikan – “ jedoch nicht. lauf stehen und einen Vorsatz engen dreistöckigen Gebäude derung der Psychologischen
Sie gehen nicht von einem unterstreichen würde. fünfmal geschossen worden Menschenkenntnis (VPM), ei-
Eifersuchtsdrama aus, son- Im Übrigen wird die Au- sein, ohne dass irgendwer in- ner Psychosekte mit Verbin-
dern von politischen Hinter- thentizität des Abschiedsbrie- nerhalb oder außerhalb des dungen in das ultrarechte La-
gründen, die zum einen zu der fes von Cédrics Mutter vehe- Gebäudes die Detonationen ger. Ihre Aktivitäten zu Guns-
rechtsgerichteten Loge Opus ment bestritten. Die Hand- vernommen hat? Und zwar zu ten des VPM führten so weit,
Dei und zum anderen zu der schrift erinnere nur entfernt einer stillen Abendstunde?“ dass Mitte der neunziger Jah-
berüchtigten Freimaurerloge an die von Cédric, behauptet Hinter der Bluttat vermuten re sogar eine Protestnote beim
P2 führen. sie und erhielt durch ein gra- die Autoren des Buches – Heiligen Stuhl eingereicht
In dem Werk werden zahl- phologisches Gutachten nach Verlagsangaben Be- wurde.
reiche Unregelmäßigkeiten im Recht. Zur Begründung für schäftigte des Kirchenstaates Der Papst soll das Projekt
Zusammenhang mit den ihre Position verweist die – einen ganz anderen Hinter- der Umrüstung der Schwei-
Mordermittlungen behandelt. Mutter unter anderem darauf, grund als den offiziell lancier- zergarde zwar abgesegnet ha-
Beispiel: Die italienischen Po- dass Tornay seine beiden ten: Estermann hatte den Auf- ben. Aber innerhalb des
lizeibehörden werden über Schwestern erwähnt habe, trag, die päpstliche Garde in Zwergstaates kam es dennoch
das Blutbad noch nicht einmal nicht jedoch die beiden von ein Spezialkorps zu verwan- zu erbitterten Auseinanderset-
informiert, obwohl eine enge ihm besonders geliebten Brü- deln, das dem Opus Dei nahe zungen zwischen Menschen
Zusammenarbeit zwischen der aus der zweiten Ehe – von gestanden hätte. Seine starken und Fraktionen, die dem Opus
dem „Sicherheitsapparat“ des deren Existenz im Vatikan an- Sympathien für das Opus Dei Dei verbunden sind, und sol-
Vatikans und den Ordnungs- geblich niemand etwas ge- werden von Pater Roland chen, die die konkurrierende
behörden in Rom üblich ist – wusst hat. Trauffer, Sekretär der Schwei- Logenseilschaft – ein Ableger
und ein Mord in dem kleins- An der Rekonstruktion des zer Bischofskonferenz, bestä- der Loge P2 – unterstützen.
ten Staat der Erde mit ledig- Tathergangs durch den Heili- tigt. Dem Buch zufolge pfleg- Durch den Tod von Ester-
lich 500 Einwohnern so gut gen Stuhl zweifeln auch Ex- te Alois Estermann darüber mann wurde dem Projekt der
wie nie vorkommt. Der Tatort perten vom Schlage eines hinaus enge Kontakte zur Umrüstung der Schweizergar-
wird in keinster Weise gesi- Professors Vincenzo Mastro- rechtspopulistischen Freiheit- de der Kopf abgeschlagen;
chert. Dort herrscht ein reges nardi. Der Dozent für forensi- lichen Partei Österreichs Tornay war in diesem Zusam-
Kommen und Gehen, so dass sche Psychopathologie an der (FPÖ) und zu einer paramili- menhang angeblich lediglich
viele Spuren verwischt wer- medizinischen Fakultät der tärischen Gruppe von Rechts- ein Bauernopfer.
den; auch die Tatortfotos ver- Universität La Sapienza in extremisten aus Deutschland,
schwinden. Bei der Bergung Rom wird in dem Buch fol- Österreich und der Schweiz. Discepoli di Veritá (Heraus-
der Toten und ihrer Überfüh- gendermaßen zitiert: „Ich „Die Kampfzelle“, heißt es in geber), Ihr habt getötet –
rung werden dem 244-seitigen glaube, dass man sich beim „Ihr habt getötet“, „verfügte Der Machtkampf der Logen
Buch zufolge ebenfalls funda- aktuellen Stand der Dinge zu über einen Sitz in Liechten- im Vatikan. Aufbau-Verlag
mentale Fehler begangen. Recht fragen darf, ob tatsäch- stein und soll, wie man im Va- (Berlin), 244 Seiten, ISBN
Zum Beispiel tragen die Hel- tikan munkelte, in Lateiname- 3-351-02551-3, 16,90 Euro

14 : antifaschistische nachrichten 16-2003


Senat streicht Zuschüsse – Geschichts- Osterweiterung
werkstätten vor der Schließung Viele Kontinuitäten weist die deutsche
Politik auf, alte Traditionen, die weder
Hamburg. Entstanden aus der Oral-His- und Events nach Möbelpoliturart („wir 1918 noch 1945 wirklich gebrochen wur-
tory-Bewegung der Geschichtswissen- brauchen den Glanz“) favorisiert, will die den. Einen wichtigen Unterschied zu frü-
schaften wurde 1978 in Altona die erste Streichung, „um nicht andere Einrichtun- heren Phasen der Expansion gibt es aller-
Geschichtswerkstatt mit dem Ziel gegrün- gen durch pauschale Kürzungen zu ge- dings – noch – : Militärische Aggressio-
det, Alltagsgeschichte und -erfahrungen fährden“. Die Werkstätten fordert sie auf, nen gegen die
lebendig zu halten und damit eine Ergän- für ihr Überleben selbst zu sorgen: „Even- östlichen
zung bzw. ein Gegengewicht zum offi- tuell ist auch eine noch stärkere ehrenamt- Nachbarstaaten
ziellen historischen Forschungsbetrieb zu liche Tätigkeit denkbar, die die Ge- sind derzeit
bilden. schichtswerkstätten jetzt in eigener Ver- nicht möglich,
Heute gibt es in Hamburg (noch) 14 antwortung prüfen sollten.“ der deutsche
Geschichtswerkstätten, und zwar in Diese rotzfreche Aufforderung hat die Vormarsch -
Barmbek, Bergedorf, Bramfeld, Duls- Betroffenen besonders empört. Die Werk- der sich in der
berg, Eimsbüttel, Eppendorf, Fuhlsbüttel stätten haben insgesamt nur 12 hauptamt- Debatte über
(Willi-Bredel-Gesellschaft), Hamm, Jar- liche, aber über 200 ehrenamtliche Mitar- die Umsied-
restadt-Archiv, Jenfeld-Museum, Otten- beiterinnen und Mitarbeiter. Mit der lung der Deut-
sen, St.Georg, St-Pauli-Archiv und Wil- Schließung ist deren engagierte Arbeit schen und spe-
helmsburg. Mit Ausstellungen, Rundgän- zerstört. Und selbst wenn – was nicht zu ziell über die
gen, Zeitzeugen-Interviews, Veranstaltun- leisten ist – die Werkstätten nur von Eh- „Benes-Dekre-
gen, „Erzählcafés“, Stadtteilbüchern u.ä. renamtlichen betrieben werden würden, te“ widerspie-
sowie umfangreichen Archiven mit Fotos, ohne die Zuschüsse können die Mieten, gelt - muss sich hier weitgehend auf die
Plakaten, Flugblättern und vieles mehr die Publikationen und die sonstigen Auf- geballte Macht der deutschen Wirtschaft
dokumentieren sie das Leben und die Ge- wendungen nicht mehr bezahlt werden. stützen. Deren Einfluss in Osteuropa lässt
schichte ihrer Stadtteile im 19. und 20. Die Kulturbehörde begründet die Strei- sich in „Osterweiterung“, dem neuen
Jahrhundert. chung der Zuschüsse für die Geschichts- Buch von Hannes Hofbauer, erkennen.
Alle Geschichtswerkstätten kooperie- werkstätten mit „den knappen Kassen“. Hofbauer beschreibt die wirtschaftliche
ren eng mit den Schulen, den Hochschu- Aber um Geld geht es dabei nicht. und soziale Lage in den osteuropäischen
len, den Museen, Vereinen und Stadtteili- Mit der Streichung und der daraus fol- EU-Beitrittsstaaten deutlich und unge-
nitiativen. Sie stellen Materialien bereit genden Schließung will der Senat, wie schönt. Weite Teile der osteuropäischen
und werden jährlich von Zehntausenden schon zuvor bei anderen Einrichtungen, Industrie sind schon jetzt in westlichem
Bewohnerinnen und Bewohnern sowohl eine politisch unliebsame Institution weg- Besitz, oft bestreiten einzelne in ausländi-
als schulische als auch außerschulische sparen. Denn während wegen eines ver- schem (häufig deutschem) Besitz befind-
Bildungsstätten genutzt. Viele Studieren- gleichsweise lächerlichen Betrages das liche Konzerne einen maßgeblichen Teil
de, insbesondere aus den Fachbereichen „soziale Gedächtnis“ von 14 Stadtteilen der Außenwirtschaft. Die von VW über-
Stadtplanung und Architektur, besuchen vernichtet wird, stellt die Kulturbehörde nommenen Skoda-Werke etwa sorgen für
die Archive. dem ehemaligen Springer-Vorstandvorsit- 10 Prozent des gesamten tschechischen
Geht es nach dem Willen des CDU- zenden Peter Tamm als Anschubfinanzie- Exports, das VW-Werk in Bratislava be-
Schill-FDP-Senats, ist damit und auch mit rung für ein neues Haus seines privaten stimmt den slowakischen Außenhandel
den oben beschriebenen Projekten Ende Marine- und Militariamuseums im nächs- zu fast 25 Prozent. Die soziale Lage ist
des Jahres Schluss. Die Kulturbehörde hat ten und im übernächsten Jahr insgesamt katastrophal, Besserung ist nicht in Sicht.
den Geschichtswerkstätten ab 2004 sämt- 30 Millionen Euro zur Verfügung. Über „Osterweiterung“, das neben einem all-
liche Zuschüsse – insgesamt 540.000 den Charakter der kriegsverherrlichenden gemeinen Überblick über den desaströsen
Euro -–gestrichen, was ihre Schließung Tamm-Sammlung schreibt „Die Zeit“: Umbau der osteuropäischen Nationalöko-
bedeutet. Die ehemalige Journalistin des „hakenkreuzübersäte Großadmiralsstäbe, nomien detaillierte Einzeldarstellungen
Springer-Blattes „Bild“ und jetzige Kul- mittelmäßige Schlachtengemälde und über die betroffenen Länder bietet, skiz-
tursenatorin Dana Horáková, die bekannt- eine unübersehbare Flotte von (Kriegs-) ziert in einem knappen Rückblick mehre-
lich eine Kulturpolitik mit viel Kommerz Schiffsmodellen“. bab ■ re europäische „Einigungs“-Versuche
vom napoleonischen Frankreich bis zur
EU – einschließlich der deutschen Ex-
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. pansionsbestrebungen seit 1871. „Ein
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de Bruch nach 1945“, so Hofbauer, „fand
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach weder personell noch inhaltlich statt. ...
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, Das können auch aktuelle Interpretatio-
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, nen nationalsozialistischer Erweiterungs-
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart,
Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. pläne nicht kaschieren, die im Angesicht
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. des seit 1989/1991 stattfindenden Vor-
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sind marsches deutsch-europäischer Unterneh-
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. mer und Militärs Richtung Osten eine
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- klare Distanz zur NS-Aggression schaf-
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung fen wollen“.
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. Jörg Kronauer ■
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie
Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemein-
schaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum e.V., Hannes Hofbauer: Osterweiterung.
Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke; Jochen Koeniger (Arbeitsgrup- Vom Drang nach Osten zur periphe-
pe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vorstandes der
Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nachrichten); Kreisvereini-
ren EU-Integration. Wien 2003,
gung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di Promedia Verlag, ISBN 3-85371-198-7,
Thüringen); Kai Metzner (minuskel screen partner); Bernhard Strasdeit; Volkmar Wölk. 17,90 Euro

: antifaschistische nachrichten 16-2003 15


: aus der faschistischen presse
FPÖ-Strache und die Aula
Der bereits als künftiger Wiener FPÖ-
Obmann gehandelte Landtagsabgeordne-
Greencard wegen Faulheit Krtik an geplantem te Heinz-Christian Strache gilt im bur-
der Einheimischen? Antidiskriminierungsgesetz schenschaftlichen Milieu als Hoffnungs-
träger und Garant völkischer Prinzipien-
Junge Freiheit Nr. 30/03 Junge Freiheit Nr. 31-32/03 treue. Für Otto Scrinzi ist er ein „echte[r]
vom 18. Juli 2003 vom 25. Juli 2003 Nationalfreiheitliche[r]“ (Aula 7-8/2003,
Die Verlängerung der Greencard-Rege- Die Bundesregierung plant ein neues An- S. 4), und seine Leser wissen, was damit
lung durch die Bundesregierung nimmt tidiskriminierungsgesetz, das bis spätes- gemeint ist. Das rechtsextreme Monats-
das Blatt zum Anlass, um noch einmal tens Ende 2003 beschlossen sein muss, magazin Aula fragt Strache in seiner ak-
über die Situation der angeworbenen und weil die EU-Kommission die BRD dazu tuellen Ausgabe dennoch, ob das „dritte
der eingeborenen Arbeitskräfte zu pole- verpflichtet hat. Bundesjustizministerin Lager“ in seiner „Person einen Verbünde-
misieren. Dabei entdeckt das Blatt sein Zypries will nach der Sommerpause ei- ten“ habe. Wenig überraschend bejaht der
soziales Herz: „Die Greencard wird zum nen ersten Entwurf vorlegen, nachdem pennale Burschenschafter diese Frage.
Lohndumping missbraucht“, viele der der letzte Vorschlag von Hertha Däubler- Darüber hinaus versichert Strache der
Greencard-Arbeitskräfte seien auf Grund Gmelin gescheitert war. Dennoch gibt es Aula, von welcher sich Mitte der neunzi-
der Krise in der IT-Branche inzwischen jetzt schon Kritik. ger Jahre die FPÖ-Spitze noch öffentlich
arbeitslos. Außerdem seien sie nur nötig, Das Blatt berichtet: „Die Arbeitgeber distanzierte, dass diese in ihm „immer ei-
weil in der Bundesrepublik zu wenig Na- und die Wohnungswirtschaft haben zwar nen verlässlichen Ansprechpartner finden
turwissenschaftler ausgebildet würden weiterhin Bedenken, ihr Widerstandswil- [wird].“ (Ebenda, S. 6)
bzw. die ausgebildeten Naturwissen- le scheint jedoch halb ge- Bezeichnenderweise ist in derselben
schaftler und Ärzte ins Ausland abwan- brochen. Angesichts Aula-Ausgabe einmal mehr Thorsten
derten. Aber noch ein zweites weiß das der rot-grünen Thomsen vertreten. Dieser Aktivist der
Blatt: „Doch es gibt auch Experten, die Bundestagsmehr- deutschen Neonaziszene verfasste einen
ein anderes Problem ansprechen. Deut- heit könnte das „Nachruf auf den Querdenker Jürgen W.
sche Absolventen seien unflexibel und im Bundesrat Möllemann“, natürlich nicht ohne die
unbequem, heißt es beispielsweise aus nicht zustim- Verschwörungstheorie breitzutreten, wo-
der IT-Branche. ,So einen wie den fin- mungspflichtige nach der „tapfere[n] und aufrechte[n]
den Sie in Deutschland nicht‘, meint der Gesetz lediglich Streiter für eine ausgewogene Nahost-Po-
Chef einer Kölner Internet-Agentur vol- durch eine Klage litik“ (ebenda, S. 16) einem politischen
ler Anerkennung über seinen bulgari- vor dem Bundes-ver- Mord zum Opfer gefallen sei. Wer die
schen Greencard-Besitzer. Der Arbeitge- fassungsgericht in Karls- Mörder seien, ist zwischen den Zeilen zu
ber beklagt bei Bewerbern aus Deutsch- ruhe gestoppt werden. Unter Juristen ist lesen. Thomsen beschränkt sich darauf,
land vor allem die mangelnde Flexibili- umstritten, ob das zivilrechtliche Diskri- mit Michel Friedmann einen der „Scharf-
tät. ,Unseren Bulgaren müssen wir minierungsverbot die grundgesetzlich richter[n]“ (ebenda, S. 17) zu benennen.
abends fast schon raustragen,‘ weiß der geschützte Meinungsfreiheit beschneide. Neues von ganz Rechts,
Firmenchef zu berichten. Ganz anders Die Aussage eines Unternehmers, es www.doew.at ■
als viele Fachleute aus Deutschland, vor gäbe ,zu viele Ausländer‘, könne zum
denen es Unternehmern geradezu graust. Beispiel eine Klagewelle wegen ,Diskri- Spekulationen
Für die zähle mehr ihr eigenes Wohl als minierung‘ nach sich ziehen. Dadurch,
das der Firma. Zur Bildungsmisere in so die Argumentation, werde eine legiti- Nationalzeitung Nr. 30, 18.7.2003
Deutschland scheint sich also auch noch me Meinungsäußerung über den zivil- „Möllemann: Doch kein Selbstmord?“ ti-
Bequemlichkeit hinzuzugesellen.“ Die rechtlichen Umweg unter Strafe ge- telt das Blatt und führt aus: „Möllemann
Frage, wann der zitierte Bulgare wirklich stellt.“ war als langjähriger Präsident der
aus dem Betrieb getragen werden muss, Schon jetzt ist absehbar, dass die Deutsch-Arabischen Gesellschaft man-
weil er die extensiven Arbeitszeiten nicht Rechten eine derartige Kampagne lostre- chen Kreisen schon lange ein Dorn im
mehr aushält, stellt sich das Blatt selbst- ten werden. Auge. Zuletzt hatte er enthüllt, dass der
verständlich nicht. uld ■ israelische Geheimdienst FDP-Chef Wes-
terwelle habe erpressen wollen ... Mölle-
mann kurz vor seinem Tod: ,Ein Mann
ohne Namen hatte ihm (Westerwelle)
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
beim langen Warten auf die Audienz bei
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro
Erscheinungsweise: Ariel Scharon in unmissverständlichen
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro 14-täglich Worten knallhart gesagt, dass die israeli-
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro
sche Regierung meinen politischen Kopf
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
verlange. Wer war das? fragte Dr. Wester-
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro
welle ... ,Der Mossad!‘ erhielt er zur Ant-
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 30,- Euro). wort.“ Schon im vergangen Jahr habe es
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten
bei Möllemann bei einem Fallschirm-
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) sprung Probleme gegeben. 1999 sei eine
Fallschirm-Kameradin bei einem Ab-
Name: Adresse: sprung ums Leben gekommen – ihr
Schirm habe dem Möllemanns sehr ähn-
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts lich gesehen.... Die NaZe reiht eine Spe-
kulation nach der anderen auf. Bezeich-
Unterschrift nend auch die Angabe zu weiter führen-
der Literatur: Empfohlen wird „Sven Eg-
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 – 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507
gers, Antisemitismus? – Die Wahrheit
über Michael Friedman.“ u.b. ■

16 : antifaschistische nachrichten 16-2003

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