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nachrichten g 3336 15.1.2004 20. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de
Nun ist die Katze aus dem vorgelegt. Um ausnahmsweise nicht in’s lungnahme, die eines der aufgeworfenen
Sack: Es wird in Frankreich in Fettnäpfchen zu tappen (Ferry steht bei Probleme vernachlässigt, droht sie un-
Bälde ein neues Gesetz zum Chirac ohnehin wegen seiner „unge- weigerlich an rechte Positionen (in der
Umgang mit religiösen Symbolen in schickten“ Krisenverwaltung während einen oder anderen Variante) heranzu-
Schulen und anderen öffentlichen Ein- der studentischen Streiks im November führen.
richtungen geben. Das Thema genoss 03 in Ungnade, und sein Stuhl wackelte So kann es im Prinzip für unsereinen
aus Sicht der Staatsspitze offenkun- bereits), hat der Minister brav Wort für nicht in Frage kommen, einfach den
dig höchste Priorität, denn Staatsprä- Wort die wichtigsten Aussagen der Prä- Standpunkt der Mehrheitsgesellschaft
sident Jacques Chirac hielt dazu am sidenten-Rede vom Dezember übernom- gegenüber einer (aus der Einwanderung
17. Dezember 03 eigens eine feierli- men. In erster Lesung soll es bereits im herstammenden) Bevölkerungsminder-
che Ansprache vor einem ausgewähl- Februar verabschiedet sein. Unverhoh- heit einzunehmen, wenn die Erstgenann-
ten Publikum. Rund 400 Personen len wird von Vielen im konservativen te (oder Teile von ihr) die Letztere bei-
aus Regierungskreisen, aus dem Bil- Lager ein Zusammenhang zu den Regio- spielsweise wegen ihrer „Rückständig-
dungswesen, aber auch Mitglieder nalparlamentswahlen im März 04, und keit“ oder „Unintegrierbarkeit“ anklagt.
antirassistischer Organisationen und zum Abschneiden Le Pens (allgemein
Gewerkschafter aus dem öffent- wird ihm ein ziemlich dickes Ergebnis
lichen Dienst waren dazu in den Ely- vorausgesagt) hergestellt.
sée-Palast geladen worden. Warum jetzt ?
Jetzt steht fest, dass Schülern und Schü- Im Hintergrund der Betriebsamkeit an
lerinnen an öffentlichen Schulen künftig der Staatsspitze steht die so genannte
das Tragen (Originalton Chirac) „des is- Kopftuch-Debatte, die in den letzten
lamischen Schleiers oder Kopftuchs, Monaten in Frankreich wieder aufge-
egal welchen Namen man ihm gibt“, so- flammt ist. Denn um sie geht es im We-
wie „der Kippa oder eines überdimen- sentlichen: Von den bisher, auf der Basis
sionierten Kreuzes“ untersagt werden einer unklaren Rechtsprechung aus dem
soll. Das Verbot soll der Gesetzgeber Jahr 1989, ausgesprochenen Schulver-
festschreiben. weisen waren ausschließlich Mädchen
Auch die Regierung scheint es ausge- aus muslimischen Familien betroffen.
sprochen eilig zu haben, denn nur weni- Ohnehin besuchen Kippa tragende Ju-
ge Minuten nach der Präsidentenrede gendliche aus orthodoxen jüdischen Fa-
kündigte Premierminister Jean-Pierre milien meist konfessionelle Schulen.
Raffarin an, die (konservativ-liberalen) Zugleich besuchen rund 20 Prozent ei-
Regierungsfraktionen würden in Bälde nes Jahrgangs katholische Privatschulen,
ein Gesetz verabschieden, das zu Beginn die sich zu einer Art Elitezweig des all-
des nächsten Schuljahres bereits in Kraft gemeinen Schulsystems entwickelt ha- Das kann geradewegs in die offenen
sein soll. Damit es Anfang September 04 ben und in denen die bisherigen ebenso Arme eines platten, als Islam-Kritik ge-
Anwendung finden kann, müsste es spä- wie die künftigen Spielregeln des Lai- tarnten Rassismus führen. Denn letzterer
testens bis zur Sommerpause in dritter zismus keine Anwendung finden. Sie kann sich mitunter, der Niederländer
und letzter Lesung verabschiedet sein. werden allerdings durch die öffentliche Pim Fortuyn hat es vorgemacht, mit den
Bisher war Raffarin nicht unbedingt Hand subventioniert. Federn einer aufgeklärt-liberalen Welt-
als flammender Vorkämpfer des Lai- Was auf dem Spiel steht und warum offenheit schmücken, die vor allem
zismus aufgefallen. So begab er sich vor eine einfach gestrickte Position in wegen der mangelnden individuellen
wenigen Wochen als amtierender fran- die Irre führen muss Freiheitsrechte gegen „den Islam“ (aber
zösischer Regierungschef (zusammen auch gleichzeitig gegen die Einwande-
mit der Präsidentengattin Bernadette Die Debatte um die Kopfbedeckung von rung von Menschen aus muslimischen
Chirac, die weithin als bigotte Frömmle- Schülerinnen aus Einwandererfamilien Ländern) eintritt.
rin bekannt ist) nach Rom. Nämlich, um ist besonders heikel. Denn hierbei kreu- Selbst einer wie DVU-Chef Gerhard
Mitte Oktober 03 an der Zeremonie zur zen sich zwei unterschiedliche Themen- Frey hat diesen Dreh noch hinbekom-
„Seligsprechung“ der ultrareaktionären stränge in einem Knotenpunkt: Auf der men. Danach befragt, was er gegen die
Ordensfrau Agnes Gonxha Bojaxhiu einen Seite steht die Frage der Rechte Anwesenheit von Menschen aus der tür-
(alias „Mutter Theresa“) teilzunehmen. der Person oder des Individuums gegen- kischen Immigration habe, antwortete
Das muss man nicht unbedingt als Pio- über seiner Herkunftsgruppe und seiner dieser im Dezember 1991 der Regenbo-
nierleistung in Sachen Verteidigung des Familie. Diese Fragestellung wird un- genzeitschrift BUNTE wörtlich: „Bei
Laizismus betrachten. Der Scheiß, Ver- mittelbar durch die Stellung von Frauen den Türken ist die Frau nicht gleichbe-
zeihung, der Spaß soll den Steuerzahler in muslimischen Gesellschaften berührt. rechtigt.“
die Kleinigkeit von 100.000 Euro gekos- Andererseits aber stößt das Thema auch Umgekehrt wäre es aber ein fataler
tet haben. an die Frage, wie Frankreich mit seinen Fehlschluss, deswegen einfach die platte
Wunschgemäß hat Bildungsminister Minderheiten umgeht. Gegenposition einzunehmen. Diese wür-
Luc Ferry, der damit beauftragt worden Für Linke und antifaschistische Men- de darin bestehen, deswegen einfach un-
war, bereits zu Anfang der Woche des 5. schen steht dabei viel auf dem Spiel. kritisch das Tragen „islamischer“ (oder
Januar den verlangten Gesetzentwurf Denn eine zu einfach gestrickte Stel- durch traditionelle Kulturen als solche
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