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nachrichten g 3336 19.5.2005 21. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de
Fortsetzung von Seite 1 Gebirgsjägertreffen 2005 ■ Mit Festnahmen einzelner aus Ver-
■ Für das Treffen der Gebirgsjäger sammlungen heraus oder auch am Rande
am Ehrenmal auf dem Hohen Brendten von Versammlungen wurden die Demon-
wurde Pfingstsonntag dagegen ein gan- strierenden immer wieder provoziert.
zer Berg polizeilich abgeriegelt und zu ■ An die ständige Überwachung von
Privatgelände erklärt. Die „Privatstraße Versammlungen mit Video, mit Kameras,
des Bundes“ – ein Widerspruch in sich – durch in ziviler Kleidung auftretende Po-
wurde kurzerhand auf dem gesamten Zu- lizeibeamtInnen hat man sich fast schon
fahrtsweg privatisiert und stand einzig gewöhnt. Es ist aber ein rechtswidriger
den Gebirgsjägern und ihrem Freundes- Eingriff in das Grundrecht auf Versamm-
kreis zur Verfügung. Den KritikerInnen lungsfreiheit.
dieses Treffens wurde jede Möglichkeit Insgesamt wurde ein vordemokratisch-
versagt, ihren Protest auch nur in „ange- autoritäres Grundrechtsverständnis deut-
messener“ Entfernung vorzubringen. lich. Versammlungen wurden grundsätz-
Nach polizeilichem Augenschein wurde lich als potentielle Gefährdungen aufge-
aussortiert und zeitweise in Gewahrsam fasst, die es präventiv polizeilich zu kon-
genommen. ■ Selbst die Personalien der zu benen- trollieren, zu überwachen und einzu-
Schon an den Vortagen wurden die nenden Ordner wurden akribisch aufge- schüchtern gelte. Wer sein Grundrecht auf
Versammlungen der Anhänger der „an- nommen. Sputeten sich Teilnehmende Versammlungs- und Meinungsfreiheit in
greifbaren Traditionspflege“ autoritär- nicht, sofort den Anweisungen der Polizei Anspruch nimmt, gilt als Störer und Stö-
staatssichernd eingehegt. Folge zu leisten, so wurde gedroht, mit rerin, als potentielle StaftäterIn und hat
■ Freitag, 13. Mai 2005, wurde die Ge- diesem Verhalten bringe man den Ver- diesem polizeilich-politischen Verständ-
gend um ein Privathaus in Wolfratshausen sammlungsleiter in Schwierigkeiten. nis gemäß seine Freiheitsrechte schon
zur „Bannmeile“ und für jedes öffentli- ■ Bis ins Kleinlichste kontrollierte die verwirkt. In all diesem machtvollen Auf-
che Anliegen unzugänglich erklärt. Polizei die Einhaltung der Auflagen: Nur treten bleibt nur ein positives Moment zu
■ Busse und anreisende PKW wurden ein wenig zu kurz geratene Transparent- benennen: Fast durchgängig waren Poli-
ständig – „verdachtsunabhängig“ – kon- stöcke wurden ebenso bemängelt wie die zeibeamtInnen bereit, auf Nachfrage
trolliert. Die wenigen Busse der Kritike- Nutzung dünnen Bambus statt Holz. Ver- Name und Einheit zu nennen.
rInnen der Gebirgsjäger gerieten in im- langt wurde immer wieder, die seitenwei- Fast mit Erstaunen musste man ange-
mer neue Kontrollen. Personalien wur- sen Auflagen bei der Kundgebung vorzu- sichts solch autoritären Auftretens der Po-
den überprüft. Plakate wurden beschlag- lesen. lizei die Reaktionen der Protestierenden
nahmt, weil das Impressum fehlte. ■ Vermummung wurde je nach Situa- beobachten. Gegenüber all diesen Zumu-
■ VersammlungsteilnehmerInnen soll- tion und Gutdünken definiert. Der Staats- tungen und Übergriffen verhielten sie sich
ten sich in eng mit Flatterband abge- anwalt hatte Freitag zunächst beschlos- durchweg äußerst gelassen und humor-
sperrte Umzäunungen begeben, die als sen, dass das Tragen von drei der Utensi- voll-verwundert. Konzentriert darauf, ihr
der ihnen zugewiesene Versammlungs- lien – Sonnenbrille, Mütze und Kapuze – Anliegen zum Ausdruck zu bringen, die
raum bezeichnet wurden. als Vermummung gelte und geahndet begangenen Verbrechen an- und einen
■ Beim Zugang zu Demonstrationen würde. Zwischenzeitlich wurde es auf verantwortlichen Umgang mit der Ge-
führte die Polizei bei den Teilnehmenden zwei Utensilien herabgestuft. Recht ist, schichte einzuklagen, ließen sie sich nicht
Taschen- und Personenkontrollen durch. was die Polizei, manchmal in Abstim- provozieren.
Noch die letzte Streichholzschachtel oder mung mit dem Staatsanwalt/der Staatsan- Für die Demonstrationsbeobach-
das Paket Kekse wurden geöffnet. Bücher wältin beschließt. Nicht Rechtssicherheit terInnen gez. Elke Steven
und Broschüren wurden eingehend auf für die Bürger und Bürgerinnen, sondern Komitee für Grundrechte und
Verdächtiges überprüft. Willkür sind das Ergebnis. Demokratie ■
Tausende Münchner haben am ratsfraktion der SPD, die zusammen mit Antifaschisten vor Beginn des Naziauf-
Abend des 8. Mai gegen einen den Grünen die Münchner dazu aufgeru- marsches versuchten, die Sperrgitter zu
Neonazi-Aufmarsch am Marien- fen hatte, den Neonazis „die rote Karte öffnen um den Aufmarschplatz zu beset-
platz protestiert. Als die 64 Anhänger der zu zeigen“. Antifaschisten skandierten zen, wurden sie von der Polizei zu Boden
NPD und der Kameradschaft München Parolen wie „8. Mai – Tag der Befrei- geschmissen und abgeführt. Immer wie-
sich um 18 Uhr unter der Losung „8. Mai ung“. Vereinzelt waren Fahnen der SPD, der griffen gepanzerte Greiftrupps der
– Tag der Ehre, nicht Tag der Befreiung“ der DKP, eine Sowjetfahne, aber auch is- berüchtigten USK-Einheiten einzelne
innerhalb der Polizeisperrgitter aufreih- raelische Fahnen zu sehen. Direkt vom Antifaschisten aus der Menge, unter an-
ten, waren sie bereits von über 2000 Na- Fußballstadion kam auch eine Gruppe derem, weil eine Rolle Toilettenpapier
zigegnern umzingelt, die zum Teil seit der „Löwenfans gegen Rechts“ mit ih- geworfen wurde. Anderen wurden Verge-
Stunden den Platz besetzt hielten. Unter rem Transparent. 460 Polizisten waren hen nach dem Versammlungsgesetz, Be-
den Demonstranten war auch die Stadt- zum Schutz der Neonazis im Einsatz. Als leidigung, Körperverletzung und Wider-
stand gegen Vollstreckungsbeamte vor-
geworfen. Neben 18 Antifaschisten wur-
de auch ein Neonazi wegen des Tragens
verbotener NS-Symbole festgenommen.
Nicht eingeschritten wurde von Seiten
der Polizei gegen Neonazis, die systema-
tisch Antifaschisten abfilmten.
Die Stadt München hatte versucht, den
Naziaufmarsch mit der Begründung zu
verbieten, der Münchner Marienplatz sei
eine für das NS-Regime besonders sym-
bolträchtige Stätte. Immerhin hatte
Reichspropagandaminister Josef Goeb-
bels vom Alten Rathaus 1938 die Reichs-
pogromnacht verkündet. Das bayerische
Verwaltungsgericht mochte dieser Argu-
mentation nicht folgen und erlaubte den
Neonaziaufmarsch schließlich.
Nick Brauns ■
Städtisches Verbot von Verwaltungsgerichtshof aufgehoben
8. Mai: München hat Nazis satt!
Nachdem das Verbot des Münchner KVR die Mahnwache der Nazis unter dem Mot-
to „Tag der Ehre, nicht der Befreiung“ durch ein bayerisches Gericht aufgehoben
wurde, führte ein kleiner, ca. 50ig-köpfiger Nazitrupp in einem polizeilichen
Schutzkäfig und unter lautstarken Protesten von mehreren hunderten Münchnerin-
nen und Münchner ihre Mahnwache durch. Erneut wurde deutlich, dass die Nazi-
propaganda nicht unwidersprochen bleibt und öffentliche Auftritte der Neofaschis-
ten bekämpft werden. Allerdings zeigt die Aufhebung des Verbots dieser Mahnwa-
che durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, dass der starke Bezug auf den
Marienplatz als „historische Stätte“ voll daneben gegangen ist. Ein Verbot muss des-
halb damit begründet werden, dass die Anmelder dieser Kundgebung nach wie vor
den Nationalsozialismus verherrlichen und ihr ganzes Tun darauf ausgerichtet ist,
wieder ein solches Regime in Deutschland zu installieren. Dann gibt es eigentlich
auch kein Angebot für einen anderen Termin und einen anderen Ort, um solche Ver-
brechen vorzubereiten. dil ■