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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 19.5.2005 21. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de

Austritt Stoibers aus


dem Kameradenkreis
gefordert
Über 50 Organisationen und Einzelper-
sonen aus dem In- und Ausland, Überle-
bende des Holocaust und der Konzentra-
tionslager, haben sich der Forderung an
Ministerpräsident Stoiber angeschlossen,
endlich aus dem „Kameradenkreis der
Gebirgstruppe“ auszutreten. Die Protest-
resolution wurde am Freitag, 13. Mai
Ministerpräsident Stoiber übergeben.
Zu Pfingsten fand dann zum 48. Mal
das Treffen der Gebirgstruppe und ihrer
Unterstützer in Mittenwald statt.
Wie schon in den letzten Jahren waren
die GegnerInnen mit zahlreichen Aktio-
nen, Zeitzeugenveranstaltungen, eigenen
Gottesdiensten und Demonstrationen Peter Gingold, der in den Reihen der französischen Résistance gegen die deutsche Besatzung
kämpfte, hielt die Rede auf der Auftaktkundgebung der antifaschistischen Demonstration. Er
präsent. Hier eine erste Stellungnahme machte deutlich, dass der „Untergang“ nicht 1945 stattfand, wie der Eichinger-Film Glauben ma-
des Komitees für Grundrechte und De- chen will. Der Untergang war bereits 1933, als die Deutschen nicht verhindern konnten, dass die
mokratie zum Ablauf der Veranstaltun- Nazis an die Macht gebracht wurden. Bilder: Krasse Zeiten
gen.
Präventiv-willkürlich eingehegtes
Demonstrationsrecht auf bayrische Art „Achter Mai – nazifrei!“
Überall in der Bundesrepublik wird in Rund 15 000 Gegendemonstranten verhinderten NPD-Aufmarsch in Berlin
den letzten Monaten der Befreiung von
Krieg und Faschismus gedacht. In Mit- Stände von Schülerinitiativen, Eindruck, dass sich in Deutschland
tenwald dagegen feiern die Gebirgsjäger antifaschistischen Bündnissen, weiterhin viel bewegt gegen Rechtsex-
ungebrochen ihre Tradition, zu der Parteien sowie Gewerkschaftsver- tremismus. Viele tragen Luftballons mit
Kriegsverbrechen in Griechenland, Ita- bänden säumten den Weg bis zur Bühne der Aufschrift „Nein zu Neonazis“.
lien und anderswo gehören. vor dem Brandenburger Tor, an dem das Das Fest wurde jedoch für viele über-
Den Zeitzeugen der Todesmärsche, offizielle Programm zum zweitägigen schattet von der Tatsache, dass mehrere
den Überlebenden der Konzentrationla- Straßenfest „Tag für die Demokratie“ hundert Meter entfernt, am Berliner Ale-
ger steht dagegen in Mittenwald noch stattfand. An einem Stand von Schülern xanderplatz, etwa 2.600 Rechtsradikale
nicht einmal angemessener Raum zur sah man ein Plakat: Schule ohne Ras- von der NPD und ihrer Jugendorganisa-
Verfügung. Denjenigen, die die Erinne- sismus – Schule mit Courage! Informiert tion nur darauf warteten, unter dem Mot-
rung an die Kriegsverbrechen wachhal- man sich näher, erfährt man, dass diese to „60 Jahre Befreiungslüge-Schluss mit
ten und der Opfer gedenken, werden die Aktion kürzlich ihr 10-jähriges Bestehen dem Schuldkult“ loszumarschieren.
Möglichkeiten, sich zu versammeln und feierte. An anderen Ständen liest man Diese Provokation wollten nicht nur
ihre Meinung öffentlich kundzutun, in Sätze wie: „Kein Sex mit Nazis!“ oder: viele antifaschistische Verbände und lin-
unerträglichem Maße beschnitten. „Europa ohne Rassismus“. Man hat den ke Organisationen nicht dulden; auch un-
■ Zeitzeugen mussten Pfingstsamstag ter den übrigen Be-
in einem Zelt, weitab von jeder Mitten- suchern des Festes
walder Öffentlichkeit, von ihren schreck- beteiligten sich
lichen Erfahrungen berichten. viele, als direkt am
weiter Seite 3 Ort der Feierlich-
keiten zur Gegen-
demonstration auf-
gerufen wurde.
Inhalt: Insgesamt war
8. Mai: Tausende Münchner es eine erfreuliche
gegen Nazis . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Vielzahl von Initi-
Frankreich: Kinder der ativen, die zu den
Kolonisierten wehren sich. . . . . 6 Gegendemos an
Widerstand als Thema für den verschiedenen
die Jugend unserer Tage . . . . . 8 Treffpunkten auf-
riefen. weiter S. 3
: meldungen, aktionen
ten und dem Wiener „Neuen Klub“, aus
der FPÖ ausgetreten. Sein Mandat als
Bundesrat will er aber behalten. Die
Korporierter als Papst Granate als Übungshandgranate. In der Wiener „Grünen“ haben nun Anzeige ge-
München. Der „Cartellverband der ka- gleichen Nacht wurden auch Neonazi- gen ihn wegen des Verdachts des Versto-
tholischen deutschen Studentenverbin- Plakate an die Bahnhofsgebäude von ßes gegen das österreichische NS-Ver-
dungen“ (CV) wünschte am 23. April in Wehrheim und Neu-Anspach geklebt. botsgesetz erstattet. Gudenus war bislang
einer ganzseitigen Anzeige in der „FAZ“ Die Polizei hat Ermittlungsverfahren u.a. Interviewpartner der „Deutschen
seinem „Ehrenmitglied“ Joseph Kardinal eingeleitet. hma ■ Nationalzeitung“, des NPD-Organs
Ratzinger, nun Papst Benedikt XVI., „Deutsche Stimme“ und des „Eckartbo-
„allzeit die rechte göttliche Eingebung“. Nazidemos in der Schweiz ten“ (heute: „Der Eckart“) der extrem
Die wird er sicherlich haben, denn der rechten „Österreichischen Landsmann-
neue Papst kann auf eine lange Mitglied- Schweiz/Aarau. Als Reaktion auf Neo- schaft“. hma ■
schaft in studentischen Verbindungen zu- nazi-Aufmärsche in der Schweiz am 1.
rückblicken. Während seines Studiums Mai haben am 7. Mai mehr als vierhun- Neonazis wollten nach
schloss er sich dem KStV Lichtenstein dert Menschen in Aarau, der Hauptstadt
Hohenheim an; später wurde er Ehren- des Kantons Aargau, demonstriert. An Berlin-Pleite Jugendzentrum
mitglied der KStV Isaria zu Freising und der antifaschistischen Demonstration be- in Dessau stürmen
des KStV Alemannia zu München. teiligten sich auch zahlreiche Mitglieder Dessau/Weimar. Auf der Heimreise von
Außerdem ist er Ehrenmitglied der des „Aargauischen Gewerkschaftsbun- der gescheiterten NPD-Demonstration in
KDStV Rupertia Carolina Regensburg, des“ (AGB). Anhänger der neofaschisti- Berlin haben rund 100 Neonazis aus
der Alcimonia Eichstätt sowie der „Capi- schen „Partei national orientierter Thüringen und Bayern versucht, ein lin-
tolina Citta del Vaticano“ im farbentra- Schweizer“ (PNOS) waren am 1. Mai in kes Jugendzentrum in Dessau zu stür-
genden „Cartellverband der katholischen Aarau aufmarschiert. Nach einer Rede men. Die Polizei verhinderte Randale
deutschen Studentenverbindungen“ des Geschichtsrevisionisten Bernhard und zwang die Neonazis am Sonntag
(CV). Dem CV gehört auch der CDU- Schaub waren die etwa 100 Neonazis an nach einer spontanen Demonstration, in
Spitzenpolitiker zur Landtagswahl in der Maifeier der Gewerkschaften vorbei- ihre Busse einzusteigen und weiterzufah-
NRW, Jürgen Rüttgers, an. Rüttgers war marschiert. Der AGB kritisierte die Poli- ren. Die Busse stammten aus Weimar,
erst kürzlich wegen seiner Äußerungen zei daraufhin, die den Neonazi-Auf- dem Wartburgkreis und aus Bayreuth
zum Stellenwert des Katholizismus marsch zugelassen hatte und erstattete sagte ein Polizeisprecher am Montag und
gegenüber anderen Religionen öffentlich Anzeige gegen Schaub wegen Verstoßes bestätigte einen entsprechenden Bericht
kritisiert worden. hma ■ gegen die Antirassismus-Strafnorm. der Berliner Zeitung „Der Tagesspiegel“.
In Solothurn hatte die Polizei 46 Neo- nach Presseberichten ■
Rechts zitiert nazis von der „Helvetischen Jugend“
(HJ) festgenommen, die teilweise mit Ei- Heisenhof dichtmachen!
Düsseldorf. Die konservative Tageszei- senstangen bewaffnet waren. Teilnehmer
tung „Rheinische Post. Zeitung für Poli- an deren Kundgebung in Solothurn war Dörverden. „Kein Vergeben, Kein Ver-
tik und christliche Kultur“ zitiert in ihrer auch der PNOS-Stadtrat in Langenthal, gessen, keine Nazis – nicht im Heisenhof
Ausgabe vom 7. Mai aus der Zeitung Tobias Hirschi (19). Seit April sitzt auch oder sonst wo!“ So lautete das Motto der
„Deutsche Sprachwelt“. Diese beklage in der Gemeinde Günsberg/Kanton Solo- antifaschistischen Demonstration gegen
eine „Verfälschung und Verhunzung“ der thurn ein PNOS-Vertreter im Rat. Der den Heisenhof in Dörverden am Sonntag
Sprache des Dichters Friedrich Schiller, Straßenbauer Dominic Bannholzer (19) den 8. Mai 2005. Rund 1000 Menschen
schreibt das CDU-nahe Blatt. Zitiert erzielte auf Anhieb 21 % der Wähler- versammelten sich am Vormittag in Has-
wird auch der Schriftleiter der „Deut- stimmen in dem 1200 Einwohner zählen-
schen Sprachwelt“, die vom „Verein für den Ort. hma ■
Sprachpflege“ herausgegeben wird, Tho-
mas Paulwitz. Der sieht die Werke Schil- Austritt nach Interview
lers in Schulausgaben und in Theatern
als „teilweise bis zur Unkenntlichkeit Österreich/Wien. Für heftigen Wirbel
entstellt“. Paulwitz ist Autor der rechten sorgte ein Interview des österreichischen
Berliner Wochenzeitung „Junge Frei- Fernsehens mit dem Wiener FPÖ-
heit“. 2003 referierte er auch bei der neo- Bundesrat John Graf Gudenus. Auf die
faschistischen „Gesellschaft für freie Pu- Frage der Journalisten, ob es während
blizistik“ (GfP). Zur Krönung wird am des Naziregimes Gaskammern gegeben
Ende des Beitrags der konservativen Ta- habe, antwortete Gudenus: „Ich glaube,
geszeitung auch noch die Webseite der man sollte dieses Thema ernsthaft debat- sel im Landkreis Nienburg, um der Kapi-
„Deutschen Sprachwelt“ abgedruckt. tieren und nicht auf die Frage, du mußt tulation und Niederschlagung Nazi-
hma ■ es ja oder nein beantworten“. Daraufhin deutschlands vor 60 Jahren zu gedenken.
forderten Abgeordnete von SPÖ, ÖVP Begleitet von einem unverhältnismäßi-
Reichskriegsflagge gehisst und „Grüne“ den Rücktritt von Gudenus gen Polizeieinsatz zog der Demonstra-
als Bundesrat. Wer den Holocaust leugne tionszug zur ehemaligen Bundeswehr-
Bad Homburg. In der Nacht zum 9. Mai oder relativiere, so Bundeskanzler standortverwaltung Heisenhof bei Dör-
haben „Unbekannte“ eine Reichskriegs- Schüssel (ÖVP), „der passt ganz einfach verden. Um 13.30 wurde die Demonstra-
flagge auf dem Gelände der Burgruine nicht in ein demokratisches Gremium“. tion wegen Vermummung und der Ver-
Falkenstein bei Königstein/Hintertaunus Bundespräsident Fischer riet Gudenus knotung von Seitentransparenten von der
gehisst. Der Zugang zu der Ruine wurde nach Mauthausen oder Auschwitz zu Polizei gestoppt. Nach kurzer Zeit konn-
mit einem Fahrradschloss verriegelt, an fahren, um sich von der Existenz von te die Demonstration weiterziehen. Die
dem eine Handgranate festgebunden Gaskammern zu überzeugen. Polizei filmte die gesamte Demonstra-
worden war. Hinzu gerufene Spreng- Mittlerweile ist Gudenus, in der Ver- tion und provozierte durch das perma-
stoffsachverständige identifizierten die gangenheit Referent bei Burschenschaf- nente Fotografieren der Demonstrations-

2 : antifaschistische nachrichten 10-2005


Fortsetzung Seite 1, 8. Mai Berlin
Während in Berlin und Hamburg initi- plin. Gegen 18 Uhr war definitiv nicht einandersetzung mit rechten Ansichten
ierte Aufrufe schon lange im Vorfeld mehr an einen Demonstrationsmarsch und durch die Analyse rechter Strukturen
dazu aufriefen, am 8. Mai „den öffent- der Rechten zu denken und die Nazis in unserer Gesellschaft.
lichen Raum zu besetzen“, um deutlich mussten den Rückweg antreten. Denn: auch wenn die Nazis nicht mar-
zu zeigen, „dass in Berlin kein Platz für Die Zahl der Gegendemonstranten war schiert sind, rechte Gesinnung findet sich
Nazis ist“, setzten etwa 15 000 Men- sechsmal so hoch wie die der seit Stun- im Denken vieler – und zwar oft in „klü-
schen dies in die Tat um. Angesichts der den wartenden Rechten, was einmal geren“ und einflussreicheren Köpfen als
Situation, dass die Nazis rundum von mehr deutlich macht, dass die Nazis von einem lieb sein mag. Die bloße Ächtung
deutlich mehr Gegendemonstranten um- der Mehrheit unerwünscht sind. von rechtsextremem Denken und Han-
ringt waren, war es der Polizei praktisch So enttäuscht die Nazis von dannen deln lässt die Nazis in unserer Welt leider
unmöglich, die Rechten marschieren zu gezogen sind, so „zufrieden“ konnten die nicht verschwinden oder weniger wer-
lassen. So konnten sie ihre Kundgebun- von auswärts angereisten Gegendemon- den. Dies zeigen unter anderem neue
gen nur weitgehend unter Ausschluss der stranten Berlin verlassen. Statistiken, nach denen die Zahl rassisti-
Öffentlichkeit abhalten. Gegen 17 Uhr Verhindert haben den Naziaufmarsch scher Gewalttaten, propagandistischer
forderte die Polizei die Veranstalter des am 8. Mai die Demonstranten, die aktiv Straftaten sowie von Verstößen gegen
NPD-Aufmarsches auf, die Veranstal- ein Zeichen gegen Rechts setzten, nicht das Versammlungsrecht im Jahre 2004
tung aufzulösen. Einige Rechtsextreme diejenigen, die am Tag für Demokratie deutlich zugenommen haben.
wollten dieser Aufforderung nicht nach- ihre Reden hielten. Wobei natürlich jede Auch wenn die Verhinderung des
kommen und unternahmen den Versuch, (gewaltfreie) Form des Protestes gegen Nazi-Aufmarsches ein wichtiger Erfolg
dennoch loszumarschieren, was die Poli- Rechtsextremismus von ungemeiner Be- war, muss noch viel getan werden, um
zei jedoch sofort konsequent zu unter- deutung ist. das Denken von Rechtsgesinnten zu ver-
binden verstand. Dennoch ist es wichtig, sich klar zu ändern und die Zahl der Rechtsextremen
Die Veranstalter, an vorderster Stelle machen: Dauerhaft nazifrei werden kann zu verringern.
NPD-Chef Udo Voigt, mahnte zur Diszi- Deutschland nur durch die tiefere Aus- Meike Ziemer ■

Fortsetzung von Seite 1 Gebirgsjägertreffen 2005 ■ Mit Festnahmen einzelner aus Ver-
■ Für das Treffen der Gebirgsjäger sammlungen heraus oder auch am Rande
am Ehrenmal auf dem Hohen Brendten von Versammlungen wurden die Demon-
wurde Pfingstsonntag dagegen ein gan- strierenden immer wieder provoziert.
zer Berg polizeilich abgeriegelt und zu ■ An die ständige Überwachung von
Privatgelände erklärt. Die „Privatstraße Versammlungen mit Video, mit Kameras,
des Bundes“ – ein Widerspruch in sich – durch in ziviler Kleidung auftretende Po-
wurde kurzerhand auf dem gesamten Zu- lizeibeamtInnen hat man sich fast schon
fahrtsweg privatisiert und stand einzig gewöhnt. Es ist aber ein rechtswidriger
den Gebirgsjägern und ihrem Freundes- Eingriff in das Grundrecht auf Versamm-
kreis zur Verfügung. Den KritikerInnen lungsfreiheit.
dieses Treffens wurde jede Möglichkeit Insgesamt wurde ein vordemokratisch-
versagt, ihren Protest auch nur in „ange- autoritäres Grundrechtsverständnis deut-
messener“ Entfernung vorzubringen. lich. Versammlungen wurden grundsätz-
Nach polizeilichem Augenschein wurde lich als potentielle Gefährdungen aufge-
aussortiert und zeitweise in Gewahrsam fasst, die es präventiv polizeilich zu kon-
genommen. ■ Selbst die Personalien der zu benen- trollieren, zu überwachen und einzu-
Schon an den Vortagen wurden die nenden Ordner wurden akribisch aufge- schüchtern gelte. Wer sein Grundrecht auf
Versammlungen der Anhänger der „an- nommen. Sputeten sich Teilnehmende Versammlungs- und Meinungsfreiheit in
greifbaren Traditionspflege“ autoritär- nicht, sofort den Anweisungen der Polizei Anspruch nimmt, gilt als Störer und Stö-
staatssichernd eingehegt. Folge zu leisten, so wurde gedroht, mit rerin, als potentielle StaftäterIn und hat
■ Freitag, 13. Mai 2005, wurde die Ge- diesem Verhalten bringe man den Ver- diesem polizeilich-politischen Verständ-
gend um ein Privathaus in Wolfratshausen sammlungsleiter in Schwierigkeiten. nis gemäß seine Freiheitsrechte schon
zur „Bannmeile“ und für jedes öffentli- ■ Bis ins Kleinlichste kontrollierte die verwirkt. In all diesem machtvollen Auf-
che Anliegen unzugänglich erklärt. Polizei die Einhaltung der Auflagen: Nur treten bleibt nur ein positives Moment zu
■ Busse und anreisende PKW wurden ein wenig zu kurz geratene Transparent- benennen: Fast durchgängig waren Poli-
ständig – „verdachtsunabhängig“ – kon- stöcke wurden ebenso bemängelt wie die zeibeamtInnen bereit, auf Nachfrage
trolliert. Die wenigen Busse der Kritike- Nutzung dünnen Bambus statt Holz. Ver- Name und Einheit zu nennen.
rInnen der Gebirgsjäger gerieten in im- langt wurde immer wieder, die seitenwei- Fast mit Erstaunen musste man ange-
mer neue Kontrollen. Personalien wur- sen Auflagen bei der Kundgebung vorzu- sichts solch autoritären Auftretens der Po-
den überprüft. Plakate wurden beschlag- lesen. lizei die Reaktionen der Protestierenden
nahmt, weil das Impressum fehlte. ■ Vermummung wurde je nach Situa- beobachten. Gegenüber all diesen Zumu-
■ VersammlungsteilnehmerInnen soll- tion und Gutdünken definiert. Der Staats- tungen und Übergriffen verhielten sie sich
ten sich in eng mit Flatterband abge- anwalt hatte Freitag zunächst beschlos- durchweg äußerst gelassen und humor-
sperrte Umzäunungen begeben, die als sen, dass das Tragen von drei der Utensi- voll-verwundert. Konzentriert darauf, ihr
der ihnen zugewiesene Versammlungs- lien – Sonnenbrille, Mütze und Kapuze – Anliegen zum Ausdruck zu bringen, die
raum bezeichnet wurden. als Vermummung gelte und geahndet begangenen Verbrechen an- und einen
■ Beim Zugang zu Demonstrationen würde. Zwischenzeitlich wurde es auf verantwortlichen Umgang mit der Ge-
führte die Polizei bei den Teilnehmenden zwei Utensilien herabgestuft. Recht ist, schichte einzuklagen, ließen sie sich nicht
Taschen- und Personenkontrollen durch. was die Polizei, manchmal in Abstim- provozieren.
Noch die letzte Streichholzschachtel oder mung mit dem Staatsanwalt/der Staatsan- Für die Demonstrationsbeobach-
das Paket Kekse wurden geöffnet. Bücher wältin beschließt. Nicht Rechtssicherheit terInnen gez. Elke Steven
und Broschüren wurden eingehend auf für die Bürger und Bürgerinnen, sondern Komitee für Grundrechte und
Verdächtiges überprüft. Willkür sind das Ergebnis. Demokratie ■

: antifaschistische nachrichten 10-2005 3


teilnehmerinnen. Um ca. 13.45 Uhr er-
reichte die Demonstration den Vorbe-
reich des Heisenhofes wo eine
8. Mai in Düsseldorf
Zwischenkundgebung abgehalten wurde. Trotz Hagelschauern und Rhein- Auszug aus der Rede von Jupp
Der Heisenhof wurde durch eine Hun- marathon demonstrierten über Angenfort am Industrieclub:
dertschaft der Polizei abgeriegelt, und 500 Menschen in Düsseldorf an- Ein ganz wichtiges Ereignis fand am 26.
Mitglieder der NPD/JN Verden/ Roten- lässlich des 60. Jahrestages der Befrei- Januar 1932 hier statt, hier wo wir jetzt
burg Wümme fotografierten vom Gelände ung. stehen, hier im Industrieclub. Der Präsi-
des Heißenhofes die Zwischenkundge- Zur Demonstration unter dem Motto dent des Industrieklubs, eine Vereinigung
bung. Auf dem gegenüber des Heisenho- „Gegen Faschismus und Krieg“ hatte ein vornehmlich von Großindustriellen, war
fes errichteten Mahnmal wurde eine Ge- breites Bündnis von Antifa, VVN/BdA damals Jost Henkel, der Persil-Boss. Er
denktafel mit dem Schriftzug „Zum Ge- über linke Organisationen bis zu Gewerk- hat Hitler zum 26. Januar 1932 zu einem
denken aller Zwangsarbeiterinnen, die schaftlern aufgerufen. Neben der
während der Zeit des Nationalsozialismus Erinnerung an die Opfer der Natio-
hier in der Pulverfabrik EIBIA ausgebeu- nalsozialismus und die Ehrung der
tet und ermordet wurden. Kein Vergeben Gegner war ein Schwerpunkt die
– kein Vergessen!“ hinterlassen. Auf der Kritik an aktuellen Geschichtsver-
Zwischenkundgebung wurden mehrere fälschungen, die in dem Untermot-
Redebeiträge hinsichtlich des Heisenho- to der Demo „Geschichtsverfäl-
fes und der Schicksale der Zwangsarbei- schung bekämpfen! Deutsche Tä-
terinnen in der Pulverfabrik EIBIA verle- ter sind keine Opfer!“ passsend be-
sen. Anschließend zog der Demonstra- schrieben wurde. Gut gemacht wa-
tionszug wieder in die Ortschaft Hassel, ren die Zwischenstationen der De-
um den Tag mit einer Abschlusskundge- monstration, die quasi mehrere Orte des Vortrag eingeladen. Die Industriellen
bung mit anschließendem Hip Hop Kon- NS-Terrors in Düsseldorf ablief: wollten Hitlers Programm kennenlernen.
zert ausklingen zu lassen. Dies wird nicht Auftakt war der Hauptbahnhof. Hier Hitler kam gerne und brachte Göring und
die letzte Demonstration gegen die Struk- hatten nicht nur SS- und SA-Schergen ge- den damaligen Führer der Terrortruppe
turen von Rechtsextremisten in der Re- wütet, sondern dies war nach dem Krieg SA Röhm mit. Das Treffen Hitlers mit
gion Verden und dem Bremer Umland ge- der Sitz der ersten, provisorischen, antifa- den Industriellen war bekannt geworden.
wesen sein. Wegschauen hilft nicht, Hei- schistischen Gremien gewesen. Der Anti- Arbeiter, Gewerkschafter, Kommunisten
senhof dichtmachen. PM ■ fa-KOK hielt hier einen Redebeitrag zu und Sozialdemokraten zogen zum Protest
aktuellem Geschichtsrevisionismus und hierher. Unter ihnen der bereits verstorbe-
Nazidemos mit massivem den Großmachtbestrebungen der BRD. ne Fritz Hollstein. Ich zitiere aus seiner
Erste Zwischenkundgebung zwischen Schilderung der Ereignisse: „... viele De-
Polizeieinsatz durchgesetzt Justizministerium (dem ehem. NS- monstranten hatten sich vor Parkhotel
Frankenthal/Worms. Am 1. Mai de- Sondergericht) und einer Kirche: Hier und Industrie-Club eingefunden. Vom be-
monstrierten ca. 300 Nazis zuerst in sprach ein Pfarrer u.a. auch zur Mitschuld nachbarten Arbeitsamt kamen eine An-
Frankenthal und dann in Worms. Die Na- der Kirchen. zahl Arbeitslose hinzu. Die Polizei, teils
zidemos wurden zum Teil mit brutaler Nächste Zwischenkundgebung war am zu Pferd wurde gegen uns eingesetzt,
Polizeigewalt durchgesetzt. An antifa- Stadthaus, in dem heute die Mahn- und weil wir warnend riefen: „Hitler – das ist
schistischen Gegenaktivitäten beteiligten Gedenkstätte untergebracht ist und 1933 der Krieg!“ Wir wurden verprügelt, man-
sich insgesamt in beiden Städten bis zu das Polizeipräsidium war. Hier gab es che in den Keller des benachbarten
3000 Menschen. In Frankenthal wurde eine Rede zu Zwangsarbeitern in Düssel- Opernhauses eingesperrt.“
durch weiträumige Absperrungen fast je- dorf, in der betont wurde, dass die 50.000 Der Oberbürgermeister von Düssel-
der antifaschistische Protest verhindert. Zwangsarbeiter in Düsseldorf nicht über- dorf, Dr. Robert Lehr, begrüßte Hitler.
Dennoch gelang es AntifaschistInnen, sehen werden konnten, insofern ALLE Der gleiche Robert Lehr wurde nach dem
die Demonstrationsroute der Nazis zu davon gewusst hatten. Krieg in der Regierung Adenauer Innen-
blockieren, so dass diese umgeleitet wer- An dem Platz der ehemaligen Synago- minister.
den musste. An einer Spontandemonstra- ge gab es eine pointierte Rede von Prof. ... Als sollte der Gesprächsfaden vom
tion beteiligten sich ca. 400 Menschen. Dreßen zur Arisierung in Düsseldorf. Industrieclub 1932 wieder aufgenommen
Es kam im Verlauf der Aktivitäten immer Auch hier wurde betont, dass von der Ari- werden, erklärt Industriellen-Präsident
wieder zu Rangeleien mit der Polizei. sierung jüdischen Eigentums weite Teile Michael Rogowski (BDI) heute, der Rüs-
Nur mit starker Verspätung konnten die der Düsseldorfer Bevölkerung profitiert tungsetat müsse vergrößert werden. Die
Nazis nach Worms gelangen. An einem hätten. Erst die Alliierten, denen dafür zu NPD, so Rogowski, sei nicht so beunru-
durch den Frankenthaler Bürgermeister danken sei, hätten diese „rassistische Zu- higend wie die PDS. Das „Phänomen
Wieder (CDU) initiierten Bürgerfest gewinngemeinschaft“ zerschlagen. Rechtsextremismus“ solle nicht überbe-
nahmen bis zu 1200 Menschen teil. Am ehem. SS-Folterkeller in der wertet werden. (Freie Presse Chemnitz,
In Worms fand ebenfalls eine kurze Mitteldeutschen Bank auf der Königsallee 20.9.04)
antifaschistische Demonstration statt, an sprach die Tochter der dort inhaftierten Ist das nicht eine Schande? Müssen da
der sich bis zu 1200 AntifaschistInnen, und gefolterten Clara Schabrod und schil- nicht die Alarmglocken schlagen? Die
MigrantInnen und BürgerInnen beteilig- derte sehr anschaulich und bewegend den Lehren der Geschichte lauten anders. Sie
ten. Danach wurden die Nazis am Bahn- Nazi-Terror. Sie verwies darauf, dass ihre fordern: Den Krieg bannen! Abrüsten!
hof erwartet. Der Naziaufmarsch wurde Mutter, wie viele der inhaftierten Nazi- Die frei werdenden Mittel für soziale
von der Polizei mit brutaler Gewalt Gegner, keine Entschädigung bekommen und kulturelle Zwecke verwenden! In ei-
durchgesetzt, was zu einer Eskalation der hätte. Zum Abschluss sprach Jupp An- nem alten Lied der Arbeiterbewegung
Situation führte. Auch Teilnehmer der genfort von der VVN in gewohnt brillan- heißt es: „Arbeit, Brot und Völkerfrieden
Nazidemonstrationen beteiligten sich an ter Art und thematisierte am Industrie- – das ist unsere Welt!“ Ja, darum geht es!
Gewalttaten, was von der Polizei größ- club die Unterstützung der NSDAP Und es bleibt dabei, heute, 60 Jahre nach
tenteils ignoriert wurde. aus PM des AK durch die Großindustrie. der Befreiung: Nie wieder Faschismus,
Antifa JUZ Mannheim 2.5.2005 ■ RedZac, Indymedia 9.5.2005 ■ nie wieder Krieg. ■
: antifaschistische nachrichten 10-2005
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Brutaler Polizeieinsatz am 8. Mai 2005 gegen Antifaschisten

Tausende Münchner gegen Nazis

Tausende Münchner haben am ratsfraktion der SPD, die zusammen mit Antifaschisten vor Beginn des Naziauf-
Abend des 8. Mai gegen einen den Grünen die Münchner dazu aufgeru- marsches versuchten, die Sperrgitter zu
Neonazi-Aufmarsch am Marien- fen hatte, den Neonazis „die rote Karte öffnen um den Aufmarschplatz zu beset-
platz protestiert. Als die 64 Anhänger der zu zeigen“. Antifaschisten skandierten zen, wurden sie von der Polizei zu Boden
NPD und der Kameradschaft München Parolen wie „8. Mai – Tag der Befrei- geschmissen und abgeführt. Immer wie-
sich um 18 Uhr unter der Losung „8. Mai ung“. Vereinzelt waren Fahnen der SPD, der griffen gepanzerte Greiftrupps der
– Tag der Ehre, nicht Tag der Befreiung“ der DKP, eine Sowjetfahne, aber auch is- berüchtigten USK-Einheiten einzelne
innerhalb der Polizeisperrgitter aufreih- raelische Fahnen zu sehen. Direkt vom Antifaschisten aus der Menge, unter an-
ten, waren sie bereits von über 2000 Na- Fußballstadion kam auch eine Gruppe derem, weil eine Rolle Toilettenpapier
zigegnern umzingelt, die zum Teil seit der „Löwenfans gegen Rechts“ mit ih- geworfen wurde. Anderen wurden Verge-
Stunden den Platz besetzt hielten. Unter rem Transparent. 460 Polizisten waren hen nach dem Versammlungsgesetz, Be-
den Demonstranten war auch die Stadt- zum Schutz der Neonazis im Einsatz. Als leidigung, Körperverletzung und Wider-
stand gegen Vollstreckungsbeamte vor-
geworfen. Neben 18 Antifaschisten wur-
de auch ein Neonazi wegen des Tragens
verbotener NS-Symbole festgenommen.
Nicht eingeschritten wurde von Seiten
der Polizei gegen Neonazis, die systema-
tisch Antifaschisten abfilmten.
Die Stadt München hatte versucht, den
Naziaufmarsch mit der Begründung zu
verbieten, der Münchner Marienplatz sei
eine für das NS-Regime besonders sym-
bolträchtige Stätte. Immerhin hatte
Reichspropagandaminister Josef Goeb-
bels vom Alten Rathaus 1938 die Reichs-
pogromnacht verkündet. Das bayerische
Verwaltungsgericht mochte dieser Argu-
mentation nicht folgen und erlaubte den
Neonaziaufmarsch schließlich.
Nick Brauns ■
Städtisches Verbot von Verwaltungsgerichtshof aufgehoben
8. Mai: München hat Nazis satt!
Nachdem das Verbot des Münchner KVR die Mahnwache der Nazis unter dem Mot-
to „Tag der Ehre, nicht der Befreiung“ durch ein bayerisches Gericht aufgehoben
wurde, führte ein kleiner, ca. 50ig-köpfiger Nazitrupp in einem polizeilichen
Schutzkäfig und unter lautstarken Protesten von mehreren hunderten Münchnerin-
nen und Münchner ihre Mahnwache durch. Erneut wurde deutlich, dass die Nazi-
propaganda nicht unwidersprochen bleibt und öffentliche Auftritte der Neofaschis-
ten bekämpft werden. Allerdings zeigt die Aufhebung des Verbots dieser Mahnwa-
che durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, dass der starke Bezug auf den
Marienplatz als „historische Stätte“ voll daneben gegangen ist. Ein Verbot muss des-
halb damit begründet werden, dass die Anmelder dieser Kundgebung nach wie vor
den Nationalsozialismus verherrlichen und ihr ganzes Tun darauf ausgerichtet ist,
wieder ein solches Regime in Deutschland zu installieren. Dann gibt es eigentlich
auch kein Angebot für einen anderen Termin und einen anderen Ort, um solche Ver-
brechen vorzubereiten. dil ■

: antifaschistische nachrichten 10-2005 5


Nicht nur in Ostasien wird zur
Zeit heftig um Schulbücher ge- Frankreich: Kinder der
stritten: Auch in Frankreich sor-
gen vom Staat vorgeschriebene Ge-
Kolonisierten wehren sich
schichtsdiskurse für Konflikte. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“, keineswegs Laizismus und Feminismus
und dies „für die gesamte Menschheit“. als solche, sondern explizit nur jene Vari-
Am 23. Februar 2005 wurde vom franzö- Dennoch ist die Petition, die von natio- anten, die – wie die vor zwei Jahren ent-
sischen Parlament eine äußerst fragwürdi- nalistischer Seite heftig angefeindet wird standene und mittlerweile zur klaren Sa-
ge gesetzliche Bestimmung verabschie- (die „links“-patriotische Wochenzeit- tellitenorganisation der sozialdemokrati-
det. Das Brisante daran blieb zunächst un- schrift „Marianne“ machte etwa eine Ti- schen Partei gewordene Frauenorganisa-
bemerkt, da es in einem Text zur Verbes- telstory dazu mit beispielloser Hetze auf, tion Ni Putes ni Soumises (Weder Huren
serung der Situation ehemaliger Soldaten unter der Schlagzeile: „Jene, die den eth- noch Unterwürfige) – sich vor allem posi-
der Kolonialkriege „versteckt“ ist. Ein nischen Krieg wollen“), auch in der linken tiv auf die republikanischen Ideale des
Absatz des Gesetzes verpflichtet zukünf- französischen Öffentlichkeit umstritten. Staates beziehen, die Mehrheitsgesell-
tig Lehrer, Hochschuldozenten und For- So verweigerte die undomgatisch-trotz- schaft weitgehend beschönigen und ihre
scher ausdrücklich dazu, in ihrem Unter- kistische LCR bisher mehrheitlich ihre Kritik fast allein auf Frauenfeindlichkeit
richt und ihren Schriften den „positiven Unterstützung, da in dem Aufruf auch „fe- bei Moslems und in Unterschichtsvierteln
Beitrag der französischen Präsenz in ministische und laizistische Diskurse“ als fokussieren. Sie wurden etwa als „gutes
Übersee, und insbesondere in Nordafrika“ postkoloniale Herrschaftsinstrumente be- Gewissen der weißen Mehrheit“ bezeich-
hervorzuheben. zeichnet werden. net, und dies nicht wirklich zu Unrecht.
In Wirklichkeit hat die französische Auf einem Treffen Mitte April in der Dennoch werden Klärungsprozesse und
Kolonisierung vor allem dazu geführt, Pariser Trabantenstadt Nanterre, auf dem Abgrenzungen nötig bleiben, denn auch
die Algerier, die auch nach Aussagen von der Kongress im Juni vorbereitet werden kommunitaristisch-religiöse Gruppen wie
Generälen, die an der Invasion teilnah- sollte, wurde über diese Einschätzung ge- das Collectif des musulmans de France sa-
men, vor der Kolonialisierung mehrheit- stritten. Auf dem Podium waren vorwie- ßen zwar nicht auf dem Podium, aber im
lich lesen und schreiben konnten, in eine gend migrantische Frauengruppen wie Publikum. Deren Kritik am Feminismus,
Bevölkerung von Tagelöhnern und Anal- Les Blédardes sowie die „Feministinnen den sie ebenfalls als postkoloniale Er-
phabeten zu verwandeln. Auch ein Teil für Gleichheit“ vertreten. Sie kritisierten scheinung betrachten, fällt dagegen weit-
der französischen Öffentlichkeit
bestreitet das nicht. Deswegen lau-
fen derzeit Menschenrechts- und
Antirassismusgruppen Sturm, und
viele Historiker und Lehrer protes-
tieren heftigst gegen die Gesetzes-
bestimmung. (Näheres dazu sowie
eine Petition gegen das Gesetz fin-
den sich hier: http://www.ldh-tou-
lon.net/article.php3?id_arti-
cle=500)
Das Gesetz bestärkt die Initiato-
ren einer neuen Bewegung, die im
Februar dieses Jahres mit einem
Gründungsaufruf unter dem iro-
nisch-provokativen Titel „Wir sind
die Eingeborenen der Republik“
auf sich aufmerksam machten. In
dem Aufruf ziehen Nachkommen
von Migranten, Mitglieder der Grü-
nen oder von antirassistischen Initi-
ativen eine Verbindungslinie zwi-
schen dem Kolonialrassismus und
der heutigen Behandlung der Ein-
wanderer, von denen viele aus frü-
heren Kolonien stammen.
Am 8. Mai wollen die „Eingebo-
renen der Republik“ eine Demon-
stration veranstalten und im Juni
einen Kongress. Zerknirscht muss der Autor noch eine kleine Korrektur zum Artikel über den 1. Mai nachtragen: Den
Die Urheber der Petition bezie- Namen „Fuerza Nazionale“ kann es schon allein deswegen nicht geben, weil es eine „Fuerza“ zwar
hen sich zugleich explizit positiv im Spanischen gibt, aber nicht im Italienischen... während umgekehrt das Wort „nazionale“ nur im Ita-
auf die französische Résistance und lienischen so geschrieben wird, im Spanischen aber „nacional“. Die italienische rechtsextreme Partei,
ihr Erbe. Zu den sonstigen, absolu- die mit einigen Repräsentanten beim 1. Mai-Aufmarsch der Le Pen-Anhängern in Paris anwesend war,
ten Stärken ihres Textes gehört die heißt denn auch gar nicht so – sondern „Forza Nuova“ (Neue Kraft). Sie organisiert den extremisti-
sehr ausdrucksvolle Passage über schen Flügel der italienischen (Alt-)Neofaschisten, der nicht mit in das Regierungsbündnis unter Silvio
Dien Bien Phu – in dieser vietna- Berlusconi eintreten mochte, sondern in der Rechtsopposition verblieben ist. Es handelt sich um ein
mesischen Stadt wurde 1954 das Bündnis mehrerer kleiner Organisationen, darunter die „Alternativa Sociale“ der Duce-Enkelin Ales-
letzte Kontingent der französischen sandra Mussolini und die vom ehemaligen MSI (jetzt Allianza Nazionale) abgespaltene Kleinpartei
Kolonialarmee im Indochinakrieg MSI-Fiamma Tricolore. Das Foto zeigt die bombastische Tribüne beim FN-Aufmarsch am 1. Mai.
besiegt: „Dien Bien Phu ist keine BhS, Paris ■
Niederlage, sondern ein Sieg für

6 : antifaschistische nachrichten 10-2005


aus genereller aus als jene der migranti- Sans papiers-Bewegung (Selbstorganisa- charakter des Datums – „Tag der Freude,
schen Frauengruppen. tion der „illegalen“ Immigranten) wie Tag der Trauer/des Massakers“ – hinge-
In anderem Zusammenhang wurden er- auch die demokratische Opposition To- wiesen, um keine Relativierung des Sie-
forderliche Trennungsstriche bereits gezo- gos zu dem Marsch mobilisiert hatten. In ges über den NS aufkommen zu lassen.
gen. So wiesen die Initiatoren die Unter- dem westafrikanischen Land Togos In weiteren Demoblöcken forderten
schrift des schwarzen französischen Thea- herrschte 38 Jahre lang der, von Frank- Schwarze „Reparationen für die Sklave-
termachers Dieudonné explizit wegen des- reich unterstützte, „Präsident auf Le- rei“. Umstritten blieb die Präsenz des
sen antisemitischer Ausfälle zurück. Eine benszeit“ Eyadema Gnassingbé. Als die- französisch-kamerunischen Schauspie-
solch inhaltlich begründete und notwendi- ser im Februar 05 endlich unter die Erde lers Dieudonné M’bala, der aufgrund sei-
ge Trennlinie ist begrüßenswert. kam, setzte die Armee aber seinen Sohn ner wiederholten antisemitischen Ausfäl-
Die Demonstration am 8. Mai Faure Gnassingbé als Präsidenten ein. le von den OrganisatorInnen für uner-
Bei einer von Manipulation geprägten wünscht erklärt worden. Mehrere Per-
Die Demonstration der „Eingeborenen Wahl wurde „Bébé Gnass“ am 24. April sönlichkeiten etwa von der französischen
der Republik“ zum 8. Mai – Jahrestag angeblich im Amt bestätigt. Während die KP verließen den Sammelplatz wegen
nicht nur des Kriegsendes in Europa, USA und die übrige EU auf Abstand gin- der Anwesenheit von „Dieudo“. Dieu-
sondern auch des kolonialen Massakers gen, unterstützt das offizielle Frankreich donné und seine Bodyguards verließen
in den algerischen Städten Sétif und weiterhin den Diktator. Wie bereits am 1. ihrerseits den Demozug vor der Hälfte
Guelma – fand tatsächlich statt. An ihr Mai, nahmen auch am 8. Mai mehrere der Strecke.
nahmen rund 3.000 Menschen teil, was hundert Immigranten aus Togo (das klei- Die Abschlusskundgebung fand, nach
nicht so schlecht ist, zumal angesichts ne Land zählt vier Millionen Einwohner, einem Zug durch die „Araberviertel“ bei
des massiven Gegenwinds in den großen und nur wenige tausend Einwanderer in der Metrostation Barbès, vor der Kirche
Medien. Sie zogen von der zentral gele- ganz Frankreich) an einem sehr kraftvol- Saint-Bernard im Pariser Norden statt.
genen Place de la République in die vor- len Demoblock teil. An der, sehr lebendi- Sie symbolisiert nach wie vor die erste
wiegend von Immigranten bewohnten gen, Spitze der Demonstration wurden starke Welle von „Sans papiers“-Kämp-
Viertel im Pariser Norden. Transparante zur Erinnerung an die Mas- fen, die im Frühjahr und Sommer 1996
Dass die Teilnehmerzahl damit (rela- saker der französischen Kolonialmacht zu einer Welle von (u.a.) Kirchenbeset-
tiv) stattlich ausfiel, hängt auch damit zu- vom 8. Mai 1945 in Algerien getragen. zungen führten.
sammen, dass die Koordinierung der Dabei wurde aber stets auf den Doppel- Bernhard Schmid, Paris ■

Für die Krise der FPÖ gibt es


zwei Gründe: einen tiefliegen-
den und einen aktuellen.
Krise der FPÖ führt zur
Seit der Regierungsbeteiligung hat die
FPÖ- mit der Ausnahme Kärntens – bei
Parteispaltung
sämtlichen Wahlen – großteils drama- Haider ist nunmehr offiziell wieder Der „neue“ Führer der FPÖ Strache ist
tisch – verloren. Sie betrieb eine stramm ,leader of the gang‘. Der Lack ist aber ein Hard-Core-Rechtsextremist. Er ver-
neoliberale Politik – in scharfem mächtig ab. Von seinem einstigen „Cha- sucht Haider in „dessen besten Zeiten“
Kontrast zu ihrer rechtspopulistischen risma“ als – vorgeblicher – „Rächer der zu imitieren – etwa mit dem Slogan
Propaganda. In nur fünf Jahren Enterbten“ ist nur mehr wenig übrig ge- „Wien darf nicht Istanbul werden“. Nicht
schrumpfte ihr Stimmenanteil von 27 auf blieben. einmal in der eigenen Partei ist Strache
unter 10 Prozent. jedoch ein „starker Mann“: Meh-
Als Konsequenz dieses Niedergangs rere Landesorganisationen ha-
verschärfte der offen rechtsradikale Flü- ben sich für „selbständig“ er-
gel der FPÖ seine Attacken von Tag zu klärt.
Tag. Haider, seine Schwester Haubner – Andreas Mölzer, der einzige
die nominelle Parteichefin – und die Abgeordnete der FPÖ im Euro-
FPÖ-Regierungsmannschaft sahen keine paparlament, der als „Vorden-
Möglichkeit mehr, mit den „Talibans“ ker“ gehandelt wird, hat vor eini-
(eine Formulierung Haiders) zusammen- gen Jahren versucht, ein europäi-
zuarbeiten. Sie organisierten eine Spal- sches Netzwerk rechtsextremer
tung „von oben“ und gründeten die und rechtspopulistischer Par-
„orange“ BZÖ („Bewegung für die Zu- teien zu schaffen und organisier-
kunft Österreichs“). te auch einige diesbezügliche
Trotz Neugründung besteht das glei- Treffen in Österreich. In letzter
che Dilemma wie zuvor. In der Regie- Zeit ist es um diese Bemühungen
rung muss die BZÖ die neoliberale Poli- ziemlich still geworden. Erst
tik mitexekutieren. Die Funktionäre der recht wirkt die Spaltung der FPÖ
„neuen“ Partei, ihre Mitglieder, ihr nicht gerade hilfreich.
Klientel hat sich im Wesentlichen nicht Die Chancen beider Parteien
geändert. Um ein typisches Beispiel zu sind derzeit alles andere als ro-
erwähnen: In den letzten Wochen wur- sig: in Meinungsumfragen lie-
den von zwei Politikern die Existenz der gen BZÖ bei 4 - 5, FPÖ bei 2 - 3
Nazi-Gaskammern relativiert bzw. De- Prozent. Damit ist nicht einmal
serteure der Hitler-Armee als „Kamera- sicher, dass sie im nächsten Par-
denmörder“ beschimpft. Im ersten Fall lament vertreten sind.
handelt es sich um einen Mandatar der Hermann Dworczak
FPÖ, im zweiten Fall des BZÖ... Vergangene Zeiten: Jörg Haider 1990 als Wahlsieger in Kärnten 13.5.2005 ■

: antifaschistische nachrichten 10-2005 7


Die VVN-BdA und der Studien-
kreis Deutscher Widerstand ha-
ben sich in einem gemeinsamen
Widerstand als Thema für
Kolloquium für die verstärkte Vermitt-
lung der Erfahrungen des Widerstandes
die Jugend unserer Tage
gegen den deutschen Faschismus an die Kolloquium am 8. Mai zur deutschen Widerstandsforschung und Vermittlung
Jugend ausgesprochen. Zum 8. Mai sei
zwar die Erinnerung an die Opfer und die schwister als „Helden“ verehrt werden, te zur Vermittlung des Wissens über den
Täter wachgehalten worden, aber dabei denn „das wäre eine Entschuldigung für Widerstand an die schulische wie außer-
blieb das Andenken an den Widerstand die anderen“, die sich nicht zum Helden schulische Jugend. Die Aktion Stolper-
weitgehend ausgespart. geboren sähen. steine, bei der vor dem früheren Wohn-
Allein die bereits vor 1945 internatio- Jahnke wies darauf hin, dass in der sitz von Ermordeten kleine Erinnerungs-
nal bekannt gewordenen Widerstands- Zeit von der ersten Flugblattverteilung steine gesetzt werden, könne sich als ein
kreise wie 20. Juli und Weiße Rose wür- der Weißen Rose im Juni 1942 bis zur wirkungsvolle Form des Erinnerns er-
den gewürdigt. Das stellte Prof. Karl letzten Gerichtsverhandlung gegen Wei- weisen, die weit über den 60. Jahrestag
Heinz Jahnke in seiner Bilanz zu seinen ßen-Rose-Mitglieder im Oktober 1943 hinaus wirke. Alternative Stadtrundgän-
40jährigen Forschungsarbeiten be- 49 ebenfalls sehr junge Widerstands- ge, nun zumeist ohne Vertreter der Zeit-
sonders zum Jugendwiderstand fest. Die kämpfer verurteilt und hingerichtet wur- zeugengeneration durchgeführt, sind
einseitige Betonung vor allem dieser bei- den. Sie seien weithin unbekannt geblie- ebenso weiterhin Lernformen wie die
den Widerstandsgruppen habe offenbar ben. Ulrich Sander stellte seine biogra- weitere Arbeit mit Ausstellungen aktuell
seine Begründung in der Missachtung phische Studie „Jugendwiderstand im bleibe.
des Arbeiterwiderstandes durch die bür- Kriege – Die Helmuth-Hübener-Gruppe“ Besorgt äußerten sich viele der Disku-
gerliche Geschichtsschreibung und in vor. Er schilderte seine Bemühungen um tanten und Referenten – unter ihnen auch
dem Versuch, den Widerstand als eine eine vom Fernsehen geleistete Würdi- NS-Opfer aus dem In- und Ausland –
exklusive Handlungsweise großer Hel- gung des mit 17 Jahren jüngsten hinge- über die Gefahr des Einschlafens der Er-
den darzustellen, um von der eigenen richteten deutschen Widerstandskämp- innerungsarbeit im Anschluss an die
Untätigkeit abzulenken. Zitiert wurde fers, eines christlichen Gläubigen und gegenwärtige Schwemme von Hervor-
auf dem Kolloquium die Schwester von Lehrlings aus Hamburg. Diese Würdi- bringungen zur NS-Zeit aus Anlass des
Hans und Sophie Scholl, Elisabeth Hart- gung unterblieb; die Intendanten wiesen 60. Jahrestages. Die Erinnerungsarbeit
nagel, die nicht möchte, dass ihre Ge- auf ihre vielen Produktionen zum 8. Mai mit den Beispielen jugendlicher antifa-
2005 hin – doch darunter keine zum schistischer Widerstandskämpfer soll da-
Widerstand. her verstärkt werden.
Dr. Ursula Krause-Schmitt vom Stu- Ulrich Sander, Landessprecher
dienkreis Deutscher Widerstand referier- der VVN-BdA NRW ■

Auszüge aus dem Vortrag von Ulrich Sander über Helmuth


Hübener auf dem Kolloquium
I. konnten es wissen.
„Wenn es dem inter- „Für Wahrheit und Gerechtigkeit. Die Nazis führten
nationalen Finanzju- Der gläubige Widerstandskämpfer Krieg, um den gesell-
dentum in und außer- Helmuth Hübener. Ein Lehrstück im schaftlichen Fort-
halb Europas gelingen Umgang mit einer außerordentlichen schritt und seine Trä-
sollte, die Welt noch jugendlichen Widerstandsbiographie ger, die „Bolschewis-
einmal in einen Krieg – Möglichkeiten ihrer Nutzung im ten“, und die Juden
zu stürzen, so steht am Unterricht zum Thema Widerstand auszurotten und sich
Ende nicht der Sieg gegen den Faschismus.“ gewaltige Territorien
des Bolschewismus, und Weltmacht anzu-
sondern die Vernichtung der jüdischen eignen. Über dies Wissen-Können haben
Rasse in Europa...“ Diese Ankündigung die verschiedensten Zeitzeugen später of-
von Weltkrieg und Holocaust durch Hitler fen gesprochen.
Unter verschiedenen Blickwinkeln behandeln die in seiner Rede am 30. Januar 1939 konn- So Martin Niemöller. Er hat am
Beiträge dieser Ausgabe der „informationen“ das
ten alle Deutschen im Gemeinschaftsemp- 3.7.1946 in Stuttgart eine Rede gehalten,
Ende von zwölf Jahren Herrschaft des deutschen
Faschismus. Thematisiert werden Erinnerungen fang hörten. Sie konnten alle wissen, was aus der ich eine Szene zitieren möchte:
eines KZ-Überlebenden, Kriegskindheit, Rückkehr war und was sein wird, wenn es keinen „Dort (auf einer Tafel im ehem. KZ Da-
aus dem Exil, frühe Nachkriegsfilme und Grund- Widerstand gibt. chau) stand zu lesen: ‚Hier wurden in den
elemente heutiger Geschichtspolitik mit jener Zä- Am 8. Januar 2005 wäre Helmuth Hü- Jahren 1935-1945 238.756 Menschen ver-
sur, die in Deutschland in vielfältiger Hinsicht gar bener 80 Jahre alt geworden. 1933 acht brannt.’ Als ich es gelesen hatte, merkte
keine war. Zwei Elemente durchlaufen das Heft Jahre alt, war er der jüngste deutsche ich, dass meine Frau ohnmächtig wurde
wie ein roter Faden: Thomas Manns Worte an Widerstandskämpfer, der vom Volksge- und an meinem Arm zitternd hinsank. ...
„Deutsche Hörer!“, gesprochen in den Jahren
1940 - 45 im BBC und die Verbrechen der letzten
richtshof zum Tode verurteilt wurde. Mit ich merkte zugleich, wie mir ein kalter
Kriegstage, dokumentiert in den Heimatgeschicht- 17 Jahren wurde er am 27. Oktober 1942 Schauer über den Rücken lief. ... (Die
lichen Wegweisern. hingerichtet. Hingerichtet durch das Fall- Zahl) sagte mir nichts Neues. Was mich in
Einzelheft 5,50 Euro, Abonnement 11 Euro jähr- beil, ermordet von der Nazi-Blutjustiz. diesem Augenblick in einen kalten Fieber-
lich, zu beziehen über: Hübener war erst 17, der jüngste aller schauer jagte, ... das waren die anderen
Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 1.574 in Plötzensee Ermordeten. Keiner zwei Zahlen: ‚1933-1945‘. ... Mensch, wo
e.V., Rossertstr. 9, 60323 Frankfurt/M. seiner Richter wurde bestraft. bist du gewesen? Ja, ich weiß, Mitte 1937
kontakt@studienkreis-widerstand-1933-45.de
Das obige Zitat aus Hitlers Rede war bis zum Ende hast du dein Alibi. Aber, du
www.studienkreis-widerstand-1933-45.de
auch Helmuth Hübener bekannt. Alle wirst gefragt: ‚Wo warst du 1933 bis zum

8 : antifaschistische nachrichten 10-2005


1. Juli 1937?‘ ... 1933, richtig: Hermann in einem Flugblatt von
Göring rühmte sich öffentlich, dass die 1941: „Wenn die R.A.F.
kommunistische Gefahr beseitigt ist. Denn jemals dazu kommt,
alle Kommunisten... sitzen nun hinter dem Berlin zu bombardieren,
Stacheldraht der neu gegründeten Konzen- will ich M e i e r heißen,
trationslager. ... Martin Niemöller, wo bist sagte er (Göring) zu Be-
du damals gewesen?“ (aus Niemöller Re- ginn des Krieges. Heute
den, Stimme Verlag Darmstadt, 1958) zeigen die Straßen Ber-
Ein zweites Beispiel für das Wissen- lins schon deutliche Spu-
Können: In der ersten Szene des Films ren der britischen Luft-
„Der Untergang“ sagt die echte Traudl offensive. Doch Göring
Junge, bis zu Hitlers Tod dessen Sekretä- ist immer noch Göring –
rin, als alte Frau rückblickend: „Ich hab und er freut sich, daß er
das Gefühl, dass ich diesem Kind, diesem es ist. ... Wohl kann der
kindischen jungen Ding bös sein muss Luftmarschall der Nazis
oder dass ich ihm nicht verzeihen kann, noch immer eine horren-
dass ich die Schrecken ... dieses Monster de Dividende – er ist aus „Informationen“ Nr. 61
nicht rechtzeitig erkannt hab. ... Aber da eben ein gerissener Kriegsgewinnler und II.
war die Neugier zu groß. ... Und trotzdem, Geschäftsmann – aus seinen Rüstungs- Warum haben diejenigen, die etwa der sel-
es fällt mir schwer, mir das zu verzeihen.“ werken ziehen, doch der Traum von der be Jahrgang wie Helmuth Hübener sind,
Und ganz am Schluss spricht die alte Frau uneingeschränkten, immer zunehmenden nur so große Schwierigkeiten, sich zu dem
in die Kamera: „Natürlich habe ich ... die- Luftüberlegenheit seiner Fliegerarmada Gleichaltrigen zu bekennen? Warum gibt
se Schrecknisse durch den Nürnberger geht dem Ende immer mehr entgegen. Es es keine Fernsehfilme über ihn? Seit über
Prozess, diese 6 Millionen Juden und, und wird ein böses Erwachen geben.“ 55 Jahren liegt die Urteilsschrift gegen
andersgläubige oder andersrassische Men- Es wird gesagt, die Jugend heute habe „Hübener und drei andere“ vor. Der ehe-
schen, die da umgekommen sind, als eine von ihren Opas erfahren, dass diese im malige Widerstandskämpfer Franz Ahrens
ganz erschütternde und fürchterliche Tat- Krieg nichts Unrechtes getan und vom von der VVN hat sie 1948 veröffentlicht.
sache empfunden. Aber ich habe noch Unrecht nichts erfahren hätten. Eine sol- Warum wird sie nicht seit dieser Zeit in
nicht den Zusammenhang hergestellt mit che „Vergangenheitsbewältigung“ ist in den Schulbüchern zitiert? Hätte der
meiner eigenen Vergangenheit. Aber eines neusten Jugend-Studien nachzulesen. Hü- Gleichaltrige vielleicht die Reden der Leh-
Tages bin ich an der Gedenktafel vorbei- bener wäre heute sicherlich auch ein Opa; rer und die Schriften der Journalisten, die
gegangen, die für die Sophie Scholl an der was er seinen ungeborenen Enkeln zu sa- bis Mitte der achtziger Jahre Dienst taten,
Franz-Joseph-Straße befestigt war, und da gen hat, liegt jetzt vor: Dreißig Flugblatt- Lügen gestraft? Die Reden der Opas, dass
habe ich gesehen, dass sie mein Jahrgang Texte, Einschätzungen, Berichte, alle ent- man nichts wissen und nichts tun konnte,
war und dass sie in dem Jahre, als ich zu standen zwischen Sommer 1941 und Fe- und dass die Täter immer die anderen wa-
Hitler kam, hingerichtet worden ist. Und bruar 1942, als er verhaftet wurde. Er hatte ren?
in dem Moment hab ich eigentlich gespürt, das getan, was heute viele Jugendliche In dem bisher unveröffentlichten Flug-
dass das keine Entschuldigung ist, dass tun: Er hat sich in internationalen Medien blatt Hübeners „Es gibt im ostasiatischen
man jung ist, sondern dass man auch hätte informiert, damals war das lebensgefähr- Kampfraum...“ vom Jahreswechsel
vielleicht Dinge erfahren können.“ lich, aber möglich. Er hat Auslandssender 1941/42 heißt es: „Das Jahr 1942 wird die
Und nun zum Wissen-Können des Hel- verbotenerweise abgehört und aus den ge- Entscheidung bringen. Vielleicht im Os-
muth Hübener. Nein, zum Wissen und wonnenen Informationen seine Texte in ten, in Afrika oder gar in Asien? Das
Handeln! Schon im Sommer 1941 brachte die Maschine getippt, – mit vielen Durch- glaubt doch Hitler wohl selber nicht. Die
Helmuth Hübener als 16-Jähriger und of- schlägen, die dann von ihm und drei Entscheidung wird an einem anderen Plat-
fenbar unter dem Einfluss einer linken Ju- Freunden, die später zu langen Haftstrafen ze fallen. Sie wird fallen, wenn dem schon
gendclique in Altona diesen kurzen Text verurteilt wurden, an die Anschlagtafeln lange in Finsternis gehaltenen deutschen
auf Streuzetteln unter die Leute: der NSDAP, die Kästen des STÜRMER Volk ein Licht aufgeht, wenn es der unsäg-
„Hitler hat die alleinige Schuld. Durch und an Telefonzellen geheftet und ander- lichen Kriegslasten müde ist und gerne die
den uneingeschränkten Luftkrieg wurden weitig verbreitet wurden. Bürde abwerfen möchte. Das Jahr 1942
bisher mehrere Hunderttausende wehrlose Hübener gab jedoch nicht nur das Ge- wird entscheiden. Und dem deutschen
Zivilpersonen getötet. Die R.A.F. ist nicht hörte weiter. Hübeners „Schriften zeugen Volk, jedem Deutschen, auch wenn er jetzt
schuld an diesem Morden! Denn ihre Flü- von analytischem Verstand und brillanten widerwillig feldgrau in Schnee und Eis
ge sind nur die Vergeltung für den mit journalistischen Fähigkeiten. Und sie oder in der Gluthitze Afrikas am – von
Warschau und Rotterdam durch die deut- widerlegen die Mär der kollektiven Un- Hitler und Genossen provozierten – Blut-
sche Luftwaffe eingeleiteten Mord wehr- wissenheit der Deutschen,“ schrieb Birgit bad teilnehmen muss, bleibt diese Ent-
loser Frauen und Kinder, Krüppel und Gärtner in NEUES DEUTSCHLAND. scheidung vorbehalten. Allen, auch den
Greise.“ Nachts im Wohnzimmer der Großmutter Witwen und Waisen, den Opfern hitleristi-
Wer heute durch die Hamburger Stadt- am Luisenweg in Hamburg-Hammer- scher Blutgier, ist es vorbehalten, sich zu
teile Hamm, Hammerbrook und Rothen- brook, das Radio des Bruders Gerhard nut- rächen an dem Mann, der schuld an all
burgsort geht, findet an fast jedem Haus zend, schrieb er glänzende Kommentare, dem ungezählten Leid ist, der schuld dran
die Tafel „Zerstört 1943, wiederaufgebaut Gedichte, Pamphlete. Hätte Hübener seine ist, daß unzählige deutsche Soldaten der
195..“ Diese Tafeln wie auch das rote Pla- Chance zur journalistischen Nachkriegs- unbeschreiblichen Kälte wegen in mangel-
kat zur Hinrichtung Hübeners, wie auch karriere gehabt, er hätte sie vermutlich hafter Winterausrüstung auf verlorenem
das Schild für Sophie Scholl oder diejeni- nicht in den etablierten Medien fortsetzen Posten ihre Gesundheit verlieren, daß
gen Tafeln von Dachau – sie bestätigen die können. Die jetzt zugänglichen illegalen Hunderttausende vergeblich warten. Ent-
Warnungen Hübeners. Man konnte wis- Texte von damals und die Schilderung sei- scheidet Euch, noch kann eine entschiede-
sen. Und ein junger Mann wie Hübener nes Lebens sind zu sehr abweichend von ne Tat Euer Volk und Land vor dem Ab-
wagte sogar zu handeln. Auch die Interes- den bekannten Biografien und Äußerun- grund retten, an den Hitler es mit süßen
siertheit des großen Geldes an Krieg und gen derer aus der Springer- und Augstein- Worten geführt hat. Entscheidet Euch – eh
Bombardierungen thematisierte Hübener Presse der Nachkriegszeit. es zu spät ist!!“

: antifaschistische nachrichten 10-2005 9


III. chen werden kann, dass der Marxismus in die Geschwister Scholl Jugend, der ich an-
Gegenwärtig werden wir mit einer Fülle Hamburg völlig ausgerottet ist.“ gehörte und die über mehrere junge
von Betrachtungen über den Bombenkrieg Zwei Hauptbegründungen für das grau- Widerstandskämpfer forschte, nicht „aner-
gegen Deutschland und seine „Kriegskin- same Urteil wurden also hervorgehoben: kannt“ und der „verbotenen VVN“ zuge-
der“ bedacht. Nicht nur die NPD, die Ver- ● die Zielgruppe Arbeiterfamilien und hörig sei. ... Die Vereinigung der Verfolg-
triebenenverbände und die FAZ versu- ● die Zielgruppe Betroffene des Bom- ten des Naziregimes, der wir uns als Ge-
chen, die Deutschen zu den eigentlichen benkriegs. schwister Scholl Jugend verbunden fühl-
Kriegsopfern zu stilisieren. Antifaschisti- Der junge vom Volksgerichtshof in Ber- ten, war in den Hochzeiten des Kalten
sche Zeitzeugen des Bombenkrieges und lin zum Tode Verurteilte, hatte der arbei- Krieges auf Landesebene in Hamburg ver-
Kenner ihrer Ursachen kommen wenig zu tenden Bevölkerung - in einem „marxisti- boten worden. Das war die Zeit, da ein Mi-
Wort. Es sollte auch Helmuth Hübener zu schen“ Stadtteil - die Wahrheit über ihre nisterialdirektor Roemer im Bundesjustiz-
Wort kommen. Er hatte der arbeitenden Lage gesagt und zugleich die Ursachen für ministerium arbeitete, der 1943 die Voll-
Bevölkerung in einem „marxistischen“ die schweren Bombenangriffe auf Ham- streckung des Todesurteils gegen die Ge-
(Gestapo-Feststellung) Stadtteil die Wahr- burg verdeutlicht, die bei Deutschland la- schwister Scholl geleitet hatte. Das war die
heit über ihre Lage gesagt und zugleich die gen: „Churchill sagte: Wenn es sein muss, Zeit, da der Hamburger Gestapo-Mörder
Ursachen für die schweren Bombenangrif- bringen unsere tapferen Bombenflieger und Reichssicherheitshauptamtchef Stre-
fe verdeutlicht: Dass der Bombenkrieg Tod und Verderben über Nazi-Deutsch- ckenbach in Hamburg auf freien Fuß ge-
von Deutschland ausgegangen war, dass land! Wir wünschen es nicht, haben es nie setzt wurde und Willi Dusenschön, der
Hamburg und Dresden und die anderen gewollt, doch der Tod vieler tausender hin- KZ-Kommandant vom KZ Fuhlsbüttel,
Städte in Deutschland unversehrt geblie- gemordeter Menschen in Rotterdam, Bel- dort wo Hübener und seine Freunde einge-
ben wären, wenn der Krieg der Nazis ver- grad und nicht zuletzt in Frankreich, Nor- sperrt waren, wegen „Mangels an Bewei-
hindert worden wäre. wegen und Polen, das Blut vieler freiheits- sen“ freigesprochen wurde.
Seine Texte erschienen den Nazis so ge- liebender Brüder in dem durch Gestapo- 1963 – nach drei Jahren – erhielt ich
fährlich, dass sie den Prozess gegen Hübe- Terror niedergehaltenen Europa darf nicht Einblick in die Akten, die beim Berlin Do-
ner und die drei anderen nicht in Hamburg, ungesühnt bleiben.“ kument Center der USA lagerten. Ich hatte
sondern vor dem „Volksgerichtshof“ in ... Jetzt, da wie schon in den fünfziger mich inzwischen direkt dorthin gewandt
Berlin machten und den 17-Jährigen zum /sechziger Jahren – die Deutschen zu An- und man machte mir die Auflage, Zustim-
Tode verurteilten. gehörigen einer Opfernation gemacht wer- mungsbescheinigungen der in den Akten
Der 17-Jährige hat ohne politische An- den sollen, die von allem nichts wussten aufgeführten noch lebenden Zeitzeugen zu
leitung in Hamburg – mitten im Krieg und und auch nichts dagegen tun konnten, sei erbringen. Im Mai 1963 legte ich die Be-
zu einer Zeit, als es mit Hitlers Krieg noch an die Warnungen eines Helmuth Hübe- scheinigungen von den Brüdern Helmuth
gut voranging – ein Flugblatt herausgege- ners erinnert, der schon früh die Ursachen Hübeners, Gerhard und Hans Kunkel, von
ben, um seine Altersgenossen anzuspre- der alliierten Bombardierungen benannte. den Mitangeklagten Karl Heinz Schnibbe
chen, die Kriegskinder, wie sie später ge- IV. (...) und Rudolf Wobbe vor. Auch der Vertreter
nannt wurden: „Das ist also die weit und V. des Bundesinnenministers in Berlin/West
breit gepriesene HJ: Eine Zwangsorgani- Es sei mir gestattet, über meine Hübener- gab endlich die Erlaubnis zur Aktenein-
sation ersten Ranges zur Heranziehung na- Recherchen seit 1960 etwas auszuführen, sicht, und auch die Kirche Jesu Christi der
zihöriger Volksgenossen. Hitler und seine ferner über meine Motive. Die Frage, wie- Heiligen der letzten Tage, die Mormonen,
Komplizen wissen, dass sie euch von An- so ich mich seit Jahrzehnten um das An- half.
fang an den freien Willen nehmen müssen, denken Helmuth Hübeners bemühe, be- Im April 1967 meldete sich das Mün-
um gefügige, willenlose Elemente aus antworte ich mit einer Geschichte: Als chener Institut für Film und Bild und bot
euch machen zu können. Denn Hitler Schüler las ich die bekannte „Reportage mir einen Vertrag an, um eine Tonbildreihe
weiß, daß seine Zeitgenossen ihn langsam unterm Strang geschrieben“ von Julius Fu- für die Schulen über Helmuth Hübener zu
zu durchschauen beginnen, ihn den Unter- cik, geschrieben in Gestapohaft. Darin die erstellen. Offenbar griffen wieder – wie
drücker freier Nationen, den Mörder von Worte: „Die ihr diese Zeit überlebt, ver- bei den Hamburger und Westberliner Be-
Millionen. Darum rufen wir euch zu: Laßt gesst nicht. Sammelt geduldig Zeugnisse hörden im Jahre 1961 – unliebsame Geis-
euch euren freien Willen, das kostbarste, von den Gefallenen. Sucht Euch einen von ter ein, denn der Briefwechsel mit dem In-
was ihr besitzt, nicht nehmen.“ Für solche ihnen aus und seid stolz auf ihn als einen stitut endete abrupt, und die Tonbildreihe
Worte mußte der Verfasser sterben. großen Menschen, der für die Zukunft ge- wurde nie erstellt. In jener Zeit wurde mei-
In der Begründung des Todesurteils lebt hat.“ Ich suchte mir Helmuth Hübener ne Post überwacht, daraus erwuchs ein
wurde dem Verfasser, dem Lehrling in der aus. Seite 1960 publiziere ich über ihn. Verfahren wegen Einfuhr verfassungs-
Sozialbehörde Helmuth Hübener beschei- Die Schilderung, die Günter Grass in „Ört- feindlicher Schriften. Bei einer Verneh-
nigt: „Die Überprüfung seines allgemei- lich betäubt“ über Hübener vornimmt, zi- mung im Amtsgericht Wiesbaden wurde
nen Wissens, seiner politischen Kennt- tiert er aus einem Zeitungsartikel von mir. mir bereits im Oktober 1964 vorgehalten,
nisse und seiner Urteilsfähigkeit sowie In dem Roman nimmt ein Schüler Hel- Schriften aus der DDR bezogen zu haben,
sein Auftreten vor Gericht und sein Geha- muth Hübener als Vorbild an und hält ihn für die Deutsche Friedens-Union gearbei-
be ergaben durchweg das Bild eines gei- seinem Lehrer vor, der sich mit seiner tet zu haben, eine Rede auf einer Ge-
stig längst der Jugendlichkeit entwachse- Anti-HJ-Jugendbande brüstet. Außerdem schwister-Scholl-Gedenkfeier gehalten
nen frühreifen jungen Mannes. Damit war verurteilt der fiktive Schüler der 68er Ge- und gegen die Ermordung von Julian Gri-
der Angeklagte wie ein Erwachsener zu neration den damaligen Kanzler Kiesinger mau durch die Franco-Faschisten protes-
bestrafen“. Die Todesstrafe sei auch des- (CDU, vormals NSDAP). tiert zu haben. All dies ging aus einer Akte
halb notwendig, weil Hübener und drei Viele lange Jahre dauerte es, bis ich aus Hamburg hervor, aus der der Amts-
Freunde obiges und über 50 weitere Flug- Helmuths Akten kennenlernen durfte. Die richter mir vorlas.
blätter „in einem Arbeiterviertel einer Behörden in Hamburg und in Berlin/West, Das Unterrichtsmaterial über Helmuth
Stadt verbreitet hat, in der zufolge der wo die Akten lagerten, weigerten sich zu Hübener kam also nicht zustande. Was zu-
schweren Luftangriffe, denen diese ausge- helfen. Einen Teil der Akten besorgte dann stande kam, waren zahlreiche Artikel und
setzt ist, die Gefahr einer zersetzenden in den sechziger Jahren das Komitee der der grundlegende Hübener-Beitrag in dem
Wirkung besonders groß ist, zumal nach antifaschistischen Widerstandskämpfer Buch „Streiflichter aus dem Hamburger
den Bekundungen des Kriminalbeamten aus Beständen der DDR. In Hamburg aber Widerstand“ von Ursel Hochmuth und
M. auch heute noch nicht davon gespro- redeten die Behörden sich darauf raus, daß Gertrud Mayer. Einer meiner Artikel wur-

10 : antifaschistische nachrichten 10-2005


: ausländer- und asylpolitik
de relativ weit verbreitet, und dadurch
wurden Literaturfachleute im In- und Aus-
land auf Hübener aufmerksam. In den
USA machten Wissenschaftler, die meine „Menschen unter Landkreis- Förderverein The VOICE e.V., Sparkasse
Beiträge lasen, den Wohnsitz der Brüder arrest in Deutschland“ Göttingen, Kto.Nr. 127 829, BLZ 260
Kunkel sowie von Rudi Wobbe und Karl- 500 01, Stichwort „mayevent“.
Heinz Schnibbe aus, die nun in Salt Lake Thüringen. Eine neue Initiative im re- http://www.thevoiceforum.org
City lebten. Zutreffend nahmen die Wis- gionalen Thüringer Kampagnennetzwerk
senschaftler an, dass Mormonen wie Hü- für die Abschaffung der Residenzpflicht Doppelpass: Bußgelder für
bener in Utah Freunde und Hinterbliebene wird im Mai 2005 ihre Aktivitäten mit
haben könnten; somit suchten sie erfolg- der FORST FILM TOUR in Zusammen- die Betroffenen
reich dort nach Überlebenden der Hübe- arbeit mit The VOICE Refugee Forum Köln. Durch die so genannte Reform
ner-Gruppe. Es entstanden in USA Ju- einleiten. Die Initiative wurde von selbst- des Staatsangehörigkeitsrechts vom 1.
gendtheaterstücke, Fernsehbeiträge und organisierten StudentInnen und jugend- Januar 2000 wurde Personen, die eine
Lehrmittel über Hübener. lichen AktivistInnen ins Leben gerufen. weitere Staatsbürgerschaft erworben ha-
... Die Mormonen halfen mir uneinge- „Die FORST FILM TOUR“ findet vom ben, automatisch ihre deutsche Staatsan-
schränkt bei der Spurensuche nach Hel- 10. bis zum 28. Mai in Jena, Arnstadt, gehörigkeit aberkannt. Durch diese Re-
muth Hübener in Horn, Hamm und in Eisenberg, Erfurt und Weimar statt. Ge- gelung stehen nun im gesamten Bundes-
ganz Hamburg. Allerdings war Hübener zeigt wird der Film „Forst“, der
nicht der Widerstandskämpfer, der vor al- auf dem Filmfestival in Graz/
lem vom Glauben geprägt ans Werk ging. Österreich „diagonal05“ den
Es gibt in den Flugblättern nur wenig reli- Preis für den besten Dokumen-
giöse, aber sehr viele humanistische Bezü- tarfilm erhielt. (http://
ge. Man kann sagen, er hat sich von den www.forstfilm.com)
großen humanistischen Dichtern und Den- Der Film „Forst”
kern leiten lassen. Eine Art mormonischen
Widerstand hat es in Deutschland nicht ge- Der Film „Forst“ ist kritische
geben und Hübener kann nicht als Beleg Medienkunst in seiner Heraus-
dafür herangezogen werden. In dem Span- forderung der Solidarität mit
nungsverhältnis, in das ihn seine Kirche dem Kampf der Flüchtlinge und
stellte, nämlich der Obrigkeit zu gehor- gegen die Ausgrenzung von
chen und gleichzeitig für Wahrheit und Flüchtlingen aus der Gesell-
Gerechtigkeit – hohe mormonische Ziele – schaft. „Forst“ ist ein Kunst-
zu handeln, entschieden sich Helmuth Hü- werk, das sowohl avantgardis-
bener und auch seine Freunde Karl Heinz tisch als auch stark reflexiv ist.
Schnibbe und Rudolf Wobbe für den Die Überlegungen, Aussagen,
Kampf gegen die Lüge, gegen Krieg, ge- Monologe und Dialoge der
gen Unrecht, gegen die Obrigkeit. Flüchtlinge, ohne dass man sie
Helmuth Hübener ist für uns sehr ak- im Film sieht, enthüllen die Zei-
tuell. Er hatte gewarnt: „Zu Tausenden chen ihrer unsichtbaren Realität.
wird Hitler Eure Frauen und Kinder zu Der Kampf der Flüchtlinge
Witwen und Waisen machen, und der von und ihr Protest gegen Isolation
Hitler begonnene Bombenkrieg wird un- und Ausgrenzung in den Wäl-
zähligen Deutschen das Leben kosten. dern werden dargestellt, um ih-
Eine weitere Mahnung von Helmuth Hü- ren täglichen mutigen Widerstand zu ver- gebiet – eine große Zahl auch in NRW –
bener ist heute aktuell: Wenn alles sich stehen. mehrere Tausend „Neu-Deutsche“ (vor
rührt, haben die Nazis und alle Rechtskräf- Der Film wurde innerhalb und in der allem Menschen aus der Türkei) vor dem
te auskalkuliert. Umgebung der ehemaligen „Aufnahme- Dilemma, ihre Staatsbürgerschaft zu ver-
Dies ist die Stunde, sich gegen neuen zentren“ Jena-Forst und Tambach-Die- lieren.
Ungeist, neue Nazis, neuen Rassismus, tharz im Thüringer Wald gedreht. Dis- Nicht zuletzt hatten türkische Behör-
gegen den Krieg zu rühren. Damit nie wie- kussionen sowie Informationen zum den und Konsulate mitgeteilt, dass
der ein so großer Mut zum sich Wehren Kampagnennetzwerk ergänzen die Tour. 50.000 Personen „unter der Hand“ – in
notwendig wird, wie zu Helmuth Hübe- Alle sind herz-lich willkommen! den meisten Fällen sogar durch Empfeh-
ners Zeiten, muss jetzt gehandelt werden. lung der Botschaften selber – ihren sog.
Tour Stationen: Nach Jena und Arnstadt Herkunftspass beibehalten haben.
Es bestehen Möglichkeiten, sich ein Bild zu am 18.5.05 in Eisenberg / Wasserturm, Nach Bekanntmachung dieser Situa-
machen über Helmuth Hübener: Erfurt 21.5.05/ Offene Arbeit, Weimar tion wurde schlagartig eine Diffamie-
Ulrich Sander: Jugendwiderstand im Krieg – 27.5.05/ Mon Ami und Weimar rungskampagne gegen Menschen mit
Die Helmuth Hübener Gruppe 1941/42200
Seiten, 20 Abb., 19 Flugblatt-Texte, gebunden,
28.5.05/Bauhaus-Uni. Die Tour wird von Migrationshintergrund begonnen, die die
14,90 EUR, Pahl Rugenstein 3-89144-336-6, Diskussionen, Ausstellungen, Percussion Betroffenen zu „Tätern“ machte und eine
Bonn 2002, „Bibliothek des Widerstandes“ und Konzerten sowie einer internationa- neue Diskriminierungslogik verbreitete.
der VVN-BdA len Kulturnacht am 27.05.05 in Weimar Rechtspopulistische Bewegungen, vor
(Mon Ami) begleitet. allem auch die CDU/CSU, haben dies
Ein weiterer wichtiger Hinweis: Ein DVD-Film Mehr Informationen unter: zum Anlass genommen, dies zu einer
aus den USA „Truth and Conviction - The Hel- http://www.forstfilm.com Wahlkampagne auf Kosten der Migran-
muth Hübener Story“ kann bei HLT Buch Mat-
http://www.thevoiceforum.org ten umzuwandeln.
thias und Christina Hund, Genholter Str. 108,
41379 Brüggen, 02163/575798 (Fax) oder
http://www.thevoiceforum.org/ Die rot-grüne Landesregierung in
unter matthias@mdhund.de ausgeliehen wer- may2005inivitation ■ NRW ist schließlich noch einen Schritt
den. Er wurde von der Kirche Jesu Christi der Spenden sind willkommen und werden weiter gegangen und hat alle nach 2000
Heiligen der letzten Tage gesponsert. dringend gebraucht: eingebürgerten Migranten ehemals tür-

: antifaschistische nachrichten 10-2005 11


kischsprachiger Herkunft in einem be-
sonderen Eilverfahren selektiert und
durch eine schriftliche Erklärung dazu
Erste Woche Paketboykott!
verpflichtet, anzugeben, ob sie nach Er- Flüchtlinge wenden sich mit einer Resolution an die
werb der deutschen Staatsangehörigkeit Regierung von Oberbayern
auch die „türkische“ beantragt sowie er-
halten haben. München. 9.5.2005. Seit dem 3. Sammellager. Zweimal pro Woche gibt
Nun droht all denjenigen Personen im Mai boykottieren Flüchtlinge aus es ein Essenspaket, doch für die beson-
Raum Nordrhein-Westfalen, die keine einem Barackenlager in Mün- deren Bedürfnisse von z.B.: Vegetariern,
Selbstanzeige bzw. schriftliche Erklä- chen den Bezug von Essenspaketen. In Kranken und Kleinkindern sind sie kaum
rung abgegeben haben, ein Bußgeld in einer Resolution, die heute an die Regie- zu gebrauchen. Allen anderen werden
Höhe von 250 Euro. Von den im Kölner rung von Oberbayern gesendet wurde, fremde Essgewohnheiten und mindere
Raum angeschriebenen ca. 7.000 Perso- fordern namentlich 39 der 64 Boykott- Qualität aufgezwungen.
nen wurden jetzt ca. 1.200 mit einer er- TeilnehmerInnen Bargeld statt Sachleis- Ein Hygienepaket für drei Monate für
sten Mahnung daran erinnert, dass sie tungen. Frauen ab 14 Jahren enthält z.B.: 2 Stück
verpflichtet sind, dieses Bußgeld zu zah-
len. Trotz der Tatsache, dass der nord- Familie
rhein-westfälische Innenminister Dr. Nassir
Rachid
Fritz Behrens öffentlich erklärt hat, dass
mit einem
die NRW-Regierung „nicht diskriminie- von drei
ren, sondern helfen will“. Auch Dieter identi-
Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher schen
der SPD im Bundestag, erklärte während Paketen,
einer Wahlveranstaltung, dass die er- die sie
leichterte Wiedereinbürgerung für Be- bei der
troffene in Frage käme und keiner der Essens-
ausgabe
Betroffenen mit einem Verfahren zu erhalten
rechnen habe. hat.
Doch Fakt ist, dass die Regelung des Zweimal
Bußgeldverfahrens in diesem Zu- pro
sammenhang eine kontraproduktive Lö- Woche
sung ist und den Prozess der Integration werden
sowie des Zusammenlebens hemmt. Ein Pakete
ausge-
Antrag der PDS Offenen Liste im Kölner
geben..
Stadtrat, der auch von den Grünen unter-
stützt wurde, hat die Regelung von Buß-
geldbescheinigungen als einen falschen
Weg bezeichnet. Doch ihnen geht es um mehr, als um Seife à 100 g, 2 Tuben Zahncreme à 75
In der Ratsrede von Ratsfrau Özlem die Mangelversorgung durch Essenspa- ml, 1 Zahnbürste, 1 Flasche Shampoo à
Demirel (PDS/OL) heißt es dazu: kete. Es ist kalt im Lager in der Emma- 250 ml, 4 Päckchen Papiertaschentücher,
„Meine Damen und Herren, ... wir als Ihrer-Str. 8, die Heizungen sind abge- 1 Hautcreme à 150 ml, 1 Deoroller à 50
Kommune (sind) für die Ausführung ver- stellt, trotz des aktuellen Wetterum- ml, 3 Päckchen Damenbinden 20er. Ge-
antwortlich. Und können hier entschei- schwunges der letzten Tage, denn „...im samtwert: ca. 8 Euro
den, wie wir damit umgehen. Nach In- Sommer wird nicht geheizt“, so die Re- Zweimal im Jahr ist Kleiderausgabe.
formationen der Integrationsbeauftragten gierung von Oberbayern. Vielleicht aber Die Flüchtlinge erhalten gegen Abhol-
der Bundesregierung haben auch weitere auch Ausdruck eines Unmuts über die scheine aus Kleiderkammern das, was
Deutsche im In- und Ausland seit dem 1. Flüchtlinge – von denen ein Teil der Be- gerade vorhanden ist. Eine Mutter von
Januar 2000 während eines Auslandsauf- wohnerInnen seit einer Woche den Be- zwei Kleinkindern berichtet:
enthalts einen zweiten Pass ohne eine zug der Essenspakete boykottiert. In ih- „Ich habe immer noch keine richtige
Beibehaltungsgenehmigung angenom- rer Resolution an die Regierung von Bettwäsche. Bei der letzten Kleideraus-
men... Wir können also davon ausgehen, Oberbayern heißt es: gabe war fast nichts für kleine Kinder da-
dass das Problem weitaus größer ist, als „Wir wollen Bargeld ausbezahlt be- bei, Bettwäsche gab es auch nicht.“
wir denken. kommen, damit wir selber entscheiden Die Flüchtlinge wollen nur das errei-
... vor allem müssen wir den Betroffe- können, was wir essen, und was wir für chen, was in anderen Bundesländern
nen Beratungsmöglichkeiten bieten und uns und für unsere Kinder kaufen. Da- durchaus üblich ist, Bargeld anstelle von
alles dafür tun, dass sie schnell und pro- rum boykottieren wir die Annahme der Sachleistungen.
blemlos wieder eingebürgert werden! ... Essenspakete. Wir möchten Sie daran er- Weg mit den teuren Schikanen, fordert
Lassen Sie uns unsere Möglichkeiten innern, dass es für Sie nach geltender auch Karawane Sprecher Benjamin O. O.
für eine wohlwollende integrative Politik Gesetzeslage jederzeit möglich wäre, Akinlolu.
ganz ausschöpfen, indem wir beispiels- uns Bargeld statt Sachleistungen auszu- Die Karawane und der Bayrische
weise keine Zwangsbescheide verschi- zahlen. Übrigens wäre dies sogar deut- Flüchtlingsrat unterstützen den Boykott
cken. Lassen sie uns nicht repressiv sein. lich billiger und weniger aufwändig....“ und sammeln Lebensmittel für die Not-
Die Stadt Köln kann durch diese Reso- Die Resolution ging an Werner-Hans versorgung der Flüchtlinge.
lution dem Land zeigen, wie integrativ Böhm, Regierungspräsident von Ober-
sie ist!“ bayern und die zuständige Sachgebiets- Bayerischer Flüchtlingsrat und
Die Ratsmehrheit von CDU, SPD und leiterin Angelika Michalik. Karawane, Tobias Klaus (Karawane),
FDP sah das nicht so. Unterstützt von Sachleistungen das heißt: Essenspake- kara-m@gmx.de.
„Pro Köln“ und dem REP-Vertreter im te, Toilettenartikel, gebrauchte Kleidung,
Rat wurde der Antrag abgelehnt. Bett, Stuhl und Spind im Mehrpersonen- Matthias Weinzierl (Bayerischer
Kemal Bozay ■ zimmer (ca. 15m² für 3-4 Personen) im Flüchtlingsrat), bfr@ibu.de ■

12 : antifaschistische nachrichten 10-2005


: neuerscheinungen, rezensionen
hier rede ich nicht nur von
den Deutschen. Ich meine
Ein liebevoller Kuss Charles Papiernik kam im auch all jene, die nichts getan
für einen heimtücki- Juni 1919 in der polnischen haben, um das Verbrechen
Kleinstadt Przysucha zur Welt aufzuhalten. Wo ist das Ge-
schen Mord und erlernte – wie seine Brü- wissen der Welt?“
Erstes Dokument eines in der – das Schneiderhandwerk. Thomas Klaus ■
Argentinien lebenden Holo- Zunächst besuchte der Jude
caust-Überlebenden in eine Talmud-Schule, doch Charles Papiernik, Leben
Buchform: „Leben und später erwachte in ihm die Be- und Widerstehen, 143 Sei-
Widerstehen“ von Charles geisterung für marxistisches ten, 42 Abbildungen, ISBN
Papiernik Gedankengut. Folgerichtig 3-934836-97-6, Donat-Ver-
schloss sich Papiernik dem lag, Hardcover, 12,80 Euro
Der kleine Donat-Ver- Sozialistischen Bund an, wur-
lag in Bremen hat ei- de dort aktives Mitglied.
nen großen Beitrag ge- Nach dem Tode seiner El- Geschichtswissen-
gen das Vergessen geleistet. tern verschlug es ihn 1935
Denn mit dem Buch „Leben nach Paris, wo zwei seiner schaft als
und Widerstehen – Erinnerun- Brüder lebten. Im Juni 1942 Fingerbewegung eines SS- Legitimationsinstanz
gen an Auschwitz und Sach- schnappte die Falle der deut- Mannes ab.“ Neuerscheinungen zur
senhausen 1942 bis 1945 – “ schen Besatzungsmacht in Doch die Menschlichkeit Entwicklung der EU
von Charles Papiernik wurde Frankreich zu: Charles Papier- durfte man auch in Auschwitz
zum ersten Mal das Doku- nik wurde verhaftet und nach nicht verlieren – eine wahre Die Europäische
ment eines in Argentinien an- Auschwitz transportiert. Vier Herausforderung, zu der Pa- Union ist wirtschaft-
sässigen Holocaust-Überle- seiner Brüder sowie eine piernik formuliert: „Unter lich und politisch ei-
benden einem deutschen Le- Schwägerin wurden hier um- diesen Umständen zeigt der ner der weltweit entscheiden-
sepublikum zugänglich ge- gebracht. Ein weiterer Bruder Mensch seinen wahren Cha- den Akteure. Durch die ge-
macht. starb als Soldat der französi- rakter, erweist sich als gut plante Verfassung soll auch
Es stammt ursprünglich aus schen Armee im Kampf gegen oder schlecht, groß oder das militärische Aufschließen
dem Jahre 1946 und wurde die deutsche Wehrmacht. klein, tapfer oder feige.“ gewährleistet werden. Für
1997 unter dem Titel „Una In Auschwitz wurde Papier- Besonders betroffen macht AntifaschistInnen und Kriegs-
vida“ in Buenos Aires publi- nik in einer „Bauschule“ zum das Buch „Leben und Wider- gegnerInnen macht das eine
ziert. 1947 war bereits eine Facharbeiter ausgebildet. stehen“ bei den Schilderun- Auseinandersetzung mit der
kürzere Version gedruckt wor- Schließlich mussten im Ver- gen der Banalität des Bösen, EU notwendig. Zu ihrer Ent-
den. Wie das spanische Buch, nichtungslager viele Bauten so etwa beim Todesmarsch stehung und Entwicklung gibt
enthält auch die deutsche Aus- errichtet werden. Später arbei- gegen Kriegsende, bei dem es allerdings wenig wissen-
gabe einen Bilderzyklus von tete Papiernik im Konzentra- Papiernik letztlich befreit schaftliche Abhandlungen.
Shlomo Selinger. Er füllt mit tionslager Sachsenhausen- wird. Doch vorher wird er Dies beginnt sich allmählich
seinen Zeichnungen das Vaku- Oranienburg in der Rüstungs- Zeuge eines brutalen, gefühls- zu ändern; anlässlich der Ver-
um, das durch das weit gehen- produktion. kalten Verbrechens: „Etwa am größerung der EU erschienen
de Fehlen von Fotos aus den Während der Zeit in Au- achten Marschtag kommen Monographien, die als Propa-
Konzentrationslagern entstan- schwitz bemerkte Charles Pa- wir durch ein mecklenburgi- gandisten der „europäischen
den war. Selinger überlebte piernik zum ersten Mal an sches Dorf. Ein Kamerad Einigung“ argumentieren.
neun Konzentrationslager und sich, dass ihn die ständige stürzt der Länge nach hin. Insbesondere da, wo die
erhielt für sein bildhaueri- Konfrontation mit dem Ver- Nicht weit von uns geht ein Bundeszentrale für politische
sches und graphisches Werk brechen, der Willkür, der Ge- deutscher Panzerfahrer mit ei- Bildung als Herausgeber fun-
mehrere renommierte Preise. walt, dem Mord und dem Tod nem Mädchen spazieren. Er giert, wie bei Gerhard Brunns
Die deutsche Ausgabe des charakterlich veränderte. Er sieht den Häftling fallen, ver- „Die Europäische Einigung“
Buches wurde von Dr. Reiner schreibt zu dieser Entwick- beugt sich galant vor seiner (zuerst 2002 bei Reclam),
Kornberger herausgegeben, lung: „Unser Gefühl stumpft Gefährtin, geht einige Schritte liegt der Verdacht der Steue-
eingeleitet und aus dem Spa- ab, alles wird uns gleichgül- auf uns zu, zieht seinen Re- rung öffentlicher Meinung
nischen übertragen. Er ist als tig. Das Schauspiel des Todes volver und schießt auf den so- nahe.
Spanisch-Lehrer an einem bewegt uns nicht mehr. Wir eben Gestürzten... Und seine Brunn startet mit einem
Gymnasium in Bremen tätig. sind keine Menschen mehr.“ junge Begleiterin belohnt ihn Überblick über die Entwick-
Die Lektüre von „Leben Nirgendwo sonst, in keinem mit einem liebevollen Kuss. lung der Europaidee(n).Wenn
und Widerstehen“ lohnt sich anderen Lager, sei die Grenze Dann setzen beide ihren Spa- er schreibt, diese Idee habe
besonders und sie hat einen zwischen Leben und Tod so ziergang fort, als ob nichts erst nach dem Ersten Welt-
hohen aufklärerischen Wert. hauchdünn gewesen. Man geschehen wäre.“ krieg „einen größeren öffent-
Denn dem Verfasser gelingt habe „ein Gefühl von Irrea- 1947 wanderte Charles Pa- lichen Widerhall“ gefunden
es, die Leserinnen und Leser lität“ gehabt. Auf der einen piernik nach Uruguay aus und (S. 22), übersieht er die
mit akribischen Beschreibun- Seite waren die Gaskammern ließ sich danach in Argenti- Mitteleuropakonzeptionen
gen der speziellen Gefühle und Verbrennungsöfen im nien nieder. Dort lebt er noch von Walther Rathenau (1913)
von KZ-Gefangenen im wahr- Dauerbetrieb, auf der anderen heute. In dem Schlusswort und Friedrich Naumann
sten Sinne des Wortes zu be- Seite wurde um einen norma- seines Buches formuliert er: (1915), wie auch die Kriegs-
eindrucken. Das hat zweifel- lerweise nur für Kühe be- „Sicher, wir müssen auch zieldenkschrift des Reichs-
los eine andere Qualität als stimmten Grashalm oder eine unsere Wunden schließen. kanzlers Bethmann von Holl-
einfache chronologische Brotkrume gekämpft. „Und Immer kann man nicht wei- weg (1914). Die nationalsozi-
Schilderungen des Grauens. ob man sich auf der einen nen, aber es wäre grausam, all alistische Europaidee führt
Dieses nahm für Papiernik oder der anderen Seite befand, das Böse, das man uns ange- Brunn ausschließlich auf Hit-
1942 seinen Anfang. hing nur von der minimalen tan hat, zu vergessen. Und ler zurück, wodurch die Ziele

: antifaschistische nachrichten 10-2005 13


und Dynamik, aber auch die „wenn überhaupt, nicht so lichen Lohnniveaus und Sozi- an Brüssel abzutreten“ (S.
materiellen Interessen hinter schnell und nicht in der weit- alstandards finden. Stattdessen 380). Dass es dafür nachvoll-
diesen ausgereiften Planungen reichenden Form verwirklicht sind ihm jene aus den „ökono- ziehbare Gründe gibt – z.B.
genauso zurücktreten wie die worden“ (S. 38). Für die west- misch und sozial benachteilig- der von Fischer unverblümt
breite Trägerschaft in Wissen- europäischen Staaten ging es ten Schichten“, die sich von vorgetragene Führungsan-
schaft und Kapitalverbänden. um eine Zusammenfassung der EU Vorteile versprechen, spruch - kommt in der „Ge-
Brunns Rede von „der Perver- der eigenen Kräfte und da- eine „kleine( ) aufrechte( ) schichte Europas im 20. Jahr-
tierung des Europagedankens rum, „Deutschland als wirt- Minderheit“ (S. 280). hundert“ nicht vor. Die Sor-
durch die natioalsozialistische schaftliche Macht ein(zu)he- gen so manches EU-Bürgers
Propaganda“ (S. 29) blendet gen und sein ökonomisches Bei Helmut Altrichters und vor der Osterweiterung wer-
aus, dass nahezu jede deut- Potential (...) nutzbar (zu) ma- Walther L. Berneckers „Ge- den hingegen durchaus nach-
sche Europaidee auf die Be- chen“ (S. 17). schichte Europas im 20. Jahr- vollzogen: „Mittelfristig
herrschung des Kontinents ab- Insbesondere Frankreich sei hundert“ interessiert an dieser dürfte die Ost-Erweiterung
zielte – je nach Kräftelage es um „eine Instrumentalisie- Stelle v.a. die zweite Hälfte, den Druck auf die bestehen-
und Autor fielen die Konzepte rung der Europapolitik für na- die sich mit der europäischen den Sozialstandards erhöhen.“
lediglich unterschiedlich ge- tionale Zwecke“ gegangen (S. Nachkriegsgeschichte und (S. 385)
walttätig aus. 77). Für die Bundesrepublik insbesondere der Entstehung Wie unter diesen Umstän-
Zur Genese der heutigen stellte diese Konstellation die der heutigen EU befasst. Ei- den allerdings die „europäi-
EU stellt Brunn wohl zurecht „Einlasskarte in die westeuro- ner differenzierten Darstel- sche Verfassung (...) die vor-
fest, es habe zwar „Europa- päische Staatengemeinschaft“ lung der Entwicklung im handene Identität stärken“ soll
ideen“, aber keine „klare Vor- dar (S. 17), die Chance, die Westen des Kontinents steht (S. 388), bleibt genauso offen
stellung vom konkreten Ziel Ruhrbehörde loszuwerden ein schwarz-weiß gemalter wie die Frage, wie die in der
des Einigungsprozesses“ und und das Saarland wieder ein- sozialistischer Osten gegenü- Verfassung festgeschriebene
keine „zielbestimmte Aufein- zugliedern. ber. Der europäische Süden Verpflichtung zur Aufrüstung
anderfolge der Etappen“ ge- Interessanterweise erwähnt kommt nur randständig, Skan- in Einklang mit der „EU als
geben (S. 16/17). Für die er- Brunn das 1994 erschienene dinavien gar nicht vor. ,Friedensgemeinschaft‘“ (S.
sten Schritte waren der begin- Lamers/Schäuble-Papier, das An einer westeuropäischen 391) gebracht werden soll. In-
nende Kalte und der Korea- ein Kerneuropa unter deutsch- Zusammenarbeit hatte insbe- haltlich bewegt sich auch die-
krieg richtungsweisend, die französischer Führung propa- sondere die Bundesrepublik se Darstellung im common
die USA in Westdeutschland gierte, nicht jedoch die für das ein Interesse, „da sie die volle sense westdeutscher Ge-
einen möglichen Bündnispart- gleiche Konzept werbende Souveränität nur über die wei- schichtspolitik.
ner sehen ließen. Ohne die Rede Joschka Fischers an der ter voranschreitende Integra-
neue „aggressive( ) amerika- Humboldt-Uni aus dem Jahr tion erreichen konnte“ (S. Jost Dülffers Buch über
nische( ) Außenpolitik“ (S. 2000. Und wie selbstverständ- 227). Die deutsch-französi- „Europa im Ost-West-Kon-
40) wäre die Integration, lich strickt auch Brunn am sche Zusammenarbeit diente flikt“ ist nicht zentral mit der
Mythos der Charles de Gaulle dazu, die Geschichte der EU befasst,
„nachhaltige(n) „politische Vormachtstellung untersucht aber einen für ihre
Friedensfähigkeit“ Frankreichs in Westeuropa si- Gründung und ihren Ausbau
der EU und ihrer cher(zu)stellen“ (S. 233), mit prägenden Aspekt der politi-
„Kultur des Kon- „Kerneuropa“ „zusammen schen Großwetterlage. In sei-
fliktmanage- (hoffte) man auch künftig eine ner Darstellung geht Dülffer
ments“. Rolle in der Welt zu spielen“ überwiegend chronologisch
Die von führen- (S. 247). vor, beginnend mit dem Ende
den Politikern for- Die als „Abwehrreaktion des Zweiten Weltkrieges und
mulierten Ziele gegenüber der EWG“ (S. 252) der entstehenden Systemkon-
werden ignoriert, entstandene „European Free frontation. Ein gewichtiger
wenn es heißt, die Trade Association“ (EFTA) Beitrag zum westlichen Block
„historischen Er- geriet in eine zunehmende wurde durch die westeuropäi-
fahrungen spre- „Markt- und Politikabhängig- sche Integration geleistet, die
chen aber gegen keit von der EG“ (S. 257) und frühzeitig gedacht und bald
das Entstehen ei- zerfiel. So selbstverständlich angegegangen wurde. Dass
ner Supermacht und freiwillig, wie die übliche sich dieses Staatenbündnis
Europa“ (S. 307/ EU-Geschichtsschreibung schon kurz nach dem Krieg
8). Brunn folgt vom Zusammenwachsen von bilden konnte, war nicht nur
auch auf sozialpo- Zusammengehörigem will, ist den gemeinsamen Interessen
litischen Themen- die „europäische Einigung“ im Ost-West-Konflikt ge-
feldern den herr- doch nicht vor sich gegangen. schuldet, sondern auch dem
schenden Auffas- Brunn würde das bestreiten, Wunsch nach „Behauptung
„Gegen Sozialabbau und Neonazis“ ist das
Schwerpunktthema der neuen Ausgabe des RAG-
sungen kritiklos. denn, folgt man ihm, ist der gegenüber anderen Weltregio-
Rundbriefes. Er geht der Frage nach, wie es den Er will nicht Beitritt etlicher EFTA-Mit- nen“ (S. 38) sowohl was die
Nazis gelingt, trotz ihrer menschenverachtenden verstehen, dass glieder einzig wegen der „An- Wirtschaftskraft als auch den
Ideologie in der sozialen Protestbewegung aufzu- Menschen, die reize“, die die EU bot, ge- politischen Einfluss anbe-
treten und für ihre Positionen Anhänger zu finden. vom Verkauf ihrer schehen (Brunn, S. 287). langt. Ganz ähnlich lautete
Ein längerer Beitrag widmet sich in diesem Zu- Arbeitskraft leben Den weiteren europäischen das Credo Konrad Adenauers,
sammenhang auch dem „Sozialismus“ der NSDAP. müssen, keinen Integrationsprozess sehen Alt- der „durch die Westbindung
Gefallen an einer richter/Bernecker mit staats- und supranationale Strukturen
Gegen 0,77 Euro in Briefmarken über:
DGB-Gewerkschaftsjugend Berlin-Brandenburg,
EU-weiten Öff- männischer Besorgnis, weil zugleich einen Ausbau von
Keithstr. 1-3, 10787 Berlin, RAGberlin20@aol.com nung des Arbeits- „die Mitgliedstaaten viel we- Souveränität der Bundesrepu-
an Gewerkschaftsbüros kostenlos markts mit seinen niger als früher bereit sind, blik zu erlangen“ hoffte (S.
sehr unterschied- weitere Souveränitätsrechte 174).

14 : antifaschistische nachrichten 10-2005


: ostritt
Je näher wir an die Gegenwart rücken, Thema sind im Internet abrufbar unter
desto mehr blinde Flecken der For- www.internationale geschichte.histori-
schung gibt es. Begonnen bei den Abrüs- cum.net/ daten_texte_quellen.html/
tungsverhandlungen bis zu den Gründen
der erneuten Aufrüstung in den Endsieb-
ziger und achtziger Jahren. Und: „Die
Einbettung des deutschen Vereinigungs-
http://www.internationale-geschichte.
historicum.net/daten_texte_quellen.html/
F■ B ernd Posselt hat viele Eigen-
schaften. Er ist – unter anderem
– Bundesvorsitzender der Sude-
tendeutschen Landsmannschaft, Präsi-
prozesses in die westeuropäische Inte- Gerhard Brunn: Die Europäische Eini- dent der Paneuropa-Union Deutsch-
gration (...), der Weg zum Vertrag von gung von 1945 bis heute, Bundeszen- land, Europaparlamentarier und nicht
Maastricht 1992, aber auch die Auflö- trale für politische Bildung, Schriften- zuletzt Landesvorsitzender der bayeri-
sung der Einheit des Ostblocks, der zu- reihe Bd. 472, Bonn 2004, 429 S., 2 schen Union der Vertriebenen. In dieser
nehmenden Selbständigkeit der Staaten Euro Eigenschaft hat er eine Konferenz in
der Sowjetunion und schließlich ihre Budapest initiiert, die der internationa-
stillschweigende Auflösung (...) bedür- Helmut Altrichter und Walther L. len Vernetzung deutscher Revisionsbe-
fen über die Aussagen der Zeitzeugen Bernecker: Geschichte Europas im 20. strebungen dient. Es sollen sich,
und Lehrbücher hinaus der späteren Jahrhundert, Verlag W. Kohlhammer, schreibt Posselt in der „Sudetendeut-
gründlichen historischen Einordnung.“ Stuttgart 2004, 448 S., 32 Euro schen Zeitung“, Vertreter der deutschen
(S. 197) „Vertriebenen“-Verbände in der ungari-
Jost Dülffer hat ein ausgesprochen Jost Dülffer: Europa im Ost-West-Kon- schen Hauptstadt „mit Vertretern der
nützliches Handbuch zum „Ost-West- flikt 1945-1991, Reihe Oldenbourg ungarischen Volksgruppen außerhalb
Konflikt“ verfasst. Manuskript und Bi- Grundriss der Geschichte, Bd. 18, R. Ungarns und der nichtungarischen
bliografie wurden mit Ende 2003 abge- Oldenbourg Verlag, München 2004, Volksgruppen innerhalb Ungarns tref-
schlossen, weitere Publikationen zum 304 S., 24,80 Euro fen, um hier Modelle zu entwickeln,
wie man mit dem Thema Vertreibung
Neue Broschüre zu Buchenwald erschienen und mit dem Thema Volksgruppen und
Minderheiten umzugehen hat“. Die
Anlässlich des 100. Geburtstags von Otto Roth im März 2005 führte die Lager- Konferenz verspricht interessant zu
gemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis e.V. eine Gedenkmatinee durch. werden, zumal ein Mitarbeiter des ehe-
Die Referate der Veranstaltung und weitere Materialien zum Wirken von Otto Roth für die maligen ungarischen Ministerpräsiden-
militärische Vorbereitung der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald sind nun in der Broschüre ten Viktor Orban bereits vor eineinhalb
„Organisierter Widerstand im KZ Buchenwald, Engagement und Vermächtnis des Antifa- Jahren über kosovarische Perspektiven
schisten Otto Roth“ von Horst Gobrecht und Ulrich Schneider vorgelegt worden. für die „Auslandsungarn“ nachdachte:
Inhalte der Broschüre: „Wir sehen (...), dass diejenigen, die
Warum kämpfen – weshalb gedenken? sich nicht scheuten, zu Waffen und Ge-
Erinnerungen an Otto Roth walt zu greifen, binnen viel, viel kürze-
Widerstand im KZ Buchenwald rer Zeit viel mehr erreichen konnten als
Die Pläne zur Selbstbefreiung wir.“
Die Bedeutung der technischen Gruppen „Gerade die ungarische Seite“,
Chronik der letzten Tage schreibt Bernd Posselt, ist für ihn auch
Otto Roth als Leiter der Betreuungsstelle für politisch, rassisch und religiös Verfolgte. in seiner Eigenschaft als Europaparla-
Ergänzt werden die Beiträge durch Bilder und Dokumente. mentarier „ein wichtiger Verbündeter“.
„In der alten EU durften wir nur ver-
Die Broschüre hat 40 Seiten und ist über die Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freun- schämt von Minderheiten sprechen“,
deskreis zum Preis von 3 Euro pro Stück zu beziehen. 10 Exemplare liefern wir für 25 Euro klagt der deutsche Europaabgeordnete:
portofrei. „Seitdem nun die Ungarn und die Bal-
Bestellungen an Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis, Eckenheimer ten dabei sind, haben wir eine Arbeits-
Landstr. 93, 60318 Frankfurt/M. oder per E-mail an lag-buch@muenster.org gruppe für historische Regionen, tradi-
Dr. Ulrich Schneider tionelle Volksgruppen und Minderhei-
Geschäftsführer Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis ■ ten“. Man arbeite an einem „europäi-
schen Volksgruppenrecht“, verkündet
Posselt: „Da wird es Widerstände ge-
ben, aber erstmalig haben wir im Euro-
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. päischen Parlament eine Mehrheit, die
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de Arbeiten voranzutreiben.“ Das „euro-
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach päische Volksgruppenrecht“ gehört zu
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, den Zielen, die die von Posselt geleite-
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, te Paneuropa-Union Deutschland seit
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart,
Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. ihrer Neugründung Anfang der 1970er
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. Jahre erreichen will; es nützt insbe-
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sind sondere den „Sudetendeutschen“, de-
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. nen Posselt vorsteht. Denn es würde
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- ihnen helfen, Ansprüche auf Rechte in
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung ihren Herkunftsgebieten durchzuset-
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. zen. Exemplarisch, versteht sich:
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie
Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemein-
Exemplarisch für alle deutschen Um-
schaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum e.V., gesiedelten.
Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke; Jochen Koeniger (Arbeitsgrup- jk (nach: Sudetendeutsche Zeitung
pe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vorstandes der
Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nachrichten); Kreisvereini-
15.4.2005) ■
gung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di
Thüringen); Kai Metzner (minuskel screen partner); Bernhard Strasdeit; Volkmar Wölk.

: antifaschistische nachrichten 10-2005 15


: aus der faschistischen presse
Ablehnung der
Europäischen Verfassung
Der Versuch, die Kriegs- Erbittert wirft Weissmann den Alliierten Junge Freiheit Nr. 18/05 vom 29.4.2005
verbrecher woanders zu vor, deutsche Kriegsgefangene als Bernd-Thomas Ramb erläutert, warum
suchen Zwangsarbeiter und zum Minenräumen auch die Rechte in der Bundesrepublik
eingesetzt zu haben – und behauptet, die den Vertrag über die Europäische Verfas-
Junge Freiheit Nr. 17/05 vom 22.4.2005 Misshandlungen hätten deshalb stattfin- sung ablehnt:
Karlheinz Weissmann erörtert im Vorfeld den können, weil die Alliierten „keine „Der Verfassungsentwurf greift tief in
des 8. Mai die Situation der deutschen Rache mehr befürchten“ mussten. die nationalen Verfassungen ein und be-
Kriegsgefangenen bei den alliierten Sie- Dass die Wehrmachtssoldaten nach raubt sie ihrer Autonomie. Obwohl damit
germächten. Der Göttinger Studienrat der Kapitulation nicht einfache Kriegs- ein Grundpfeiler der Demokratie ange-
versucht, den Eindruck zu untermauern, gefangene, sondern entwaffnete Feind- tastet wird, erhalten nicht alle Bürger das
die Siegermächte des zweiten Weltkrie- streitkräfte waren, interessiert Weiss- Recht, über ihre staatliche Zukunft direkt
ges hätten die Kriegsgefangenen gegen mann nicht. abzustimmen.“
jedes Völkerrecht misshandelt – und Ramb kritisiert vor allem die Aufnah-
zwar noch schlimmer als die faschisti- „Scheindeutschen“ das me weiterer Mitgliedsstaaten: „Zweifel
sche Wehrmacht gegenüber den Soldaten an dem Sinn der EU erzeugt zum einen
und Zivilisten der überfallenen Länder Wahlrecht entziehen? die wuchernde EU-Erweiterung ... Pro-
wütete. Zur Situation in der Sowjetunion Junge Freiheit Nr. 18/05 vom 29.4.2005 blematisch ist vor allem die Ungleichheit
behauptet Weissmann: „Schon unmittel- Der Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Philipp der wirtschaftlichen Situation in den al-
bar nach Beginn des deutschen Angriffs schreibt im Blatt über die Migranten tür- ten und den neuen EU-Ländern. Die Ver-
auf die Sowjetunion im Juni 1941 mehr- kischer Herkunft, die nach der deutschen bindung mit dem grundsätzlichen Be-
ten sich Berichte über die Folterung oder Staatsbürgerschaft erneut die türkische streben der EU, wirtschaftliche Unter-
Tötung von kriegsgefangenen Deutschen Staatsbürgerschaft erlangt haben: Er be- schiede zwischen ihren Mitgliedsländern
... Der von ihm (Hitler) erteilte ,Kommis- zeichnet sie als „Scheindeutsche“ und so schnell wie möglich und vornehmlich
sarsbefehl‘, der die Tötung aller gefange- fordert schließlich: „Es bleibt nichts an- durch die Umverteilung von Steuergel-
nen Politoffiziere der Roten Armee ver- deres übrig, als durch Bundesgesetz dern ausgleichen zu wollen, wirkt ex-
fügte, wurde zwar nach einiger Zeit wie- schnellstens allen eingebürgerten Türken plosiv.“
der außer Kraft gesetzt, aber die schlech- im Hinblick auf den von dieser Volks-
te Behandlung der sowjetischen Soldaten gruppe mit Unterstützung ihres Heimat- Erinnerung – eine Kultur
in den deutschen Lagern, die miserable staates getriebenen massenhaften Miss-
Versorgungslage kurz nach Beginn des brauch jedenfalls das Wahlrecht zu ent- des Todes?
Russlandfeldzuges und Erschießungen ziehen und sie aus den Wählerlisten zu Junge Freiheit Nr. 19/05 vom 6.5.2005
durch Sicherheitspolizei und SD führten streichen. Die Streichung wäre rückgän- Dem Blatt liegt eine Sonderbeilage zum
zu einem Massensterben ... Das Schick- gig zu machen, wenn die Betroffenen 8. Mai bei, in der wieder verschiedene
sal der deutschen Soldaten, die in sowje- durch eine von einem deutschen Konsu- Leser ihre Erlebnisse am und um den 8.
tische Hand kamen, stand dem nicht lat überbeglaubigte Erklärung des türki- Mai 1945 schildern dürfen – wie
nach oder war sogar noch schwerer. So schen Staates nachweisen, dass sie nicht schmerzlich und demütigend die Nieder-
kehrten von den 110.000 Überlebenden türkische Staatsbürger sind (Negativ-At- lage für sie war, wie schrecklich die Be-
des Kessels von Stalingrad nur etwa teste).“ satzung durch die Alliierten Streitkräfte
5000 in die Heimat zurück.“ Philipp begründet seine ungeheuerli- der Anti-Hitler-Koalition. Über die Ver-
Weissmann behauptet, außerdem hät- che Forderung damit, dass mit der dop- brechen des Nazideutschland und den
ten vor allem Frankreich, Jugoslawien pelten Staatsbürgerschaft die Demokra- verbrecherischen Krieg, den es begonnen
und die USA Gräueltaten an den Kriegs- tie in ihren Grundfesten bedroht sei, weil hat, schweigen sich die Betroffenen aus.
gefangenen begangen, er zitiert den ka- Nicht-Wahlberechtigte mitwählen könn- Im Blatt selbst würdigt Doris Neujahr
nadischen Journalisten Bacque, der be- ten. Dass durch sein Ansinnen mehrere das Holocaust-Mahnmal in Berlin: „Im
hauptet, in amerikanischer und französi- hunderttausend Menschen von der Ausü- Ergebnis feiert in Berlins Mitte eine Kul-
scher Kriegsgefangenschaft seien eine bung des Wahlrechts ausgeschlossen tur des Todes ihren düsteren Triumph.
Million Kriegsgefangene getötet worden. würden, hält er für demokratisch. Und während sich die Generation Denk-
mal & Toscana sich bald in den üppig
dotierten Ruhestand verabschiedet, se-
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
hen die nachfolgenden Generationen
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro
Erscheinungsweise: sich chancenlos und mit untilgbaren Hy-
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro 14-täglich potheken belastet ... Wie aber soll man so
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro
leben? Oder wird sich, in einer der über-
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
raschenden Volten, welche die Geschich-
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro
te immer wieder mal durcheinander
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 30,- Euro). schütteln, das Denkmal lediglich als
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten
Grabplatte einer zum Schluss verrückt
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) gewordenen Bonner Republik erwei-
sen?“
Name: Adresse: Was will Frau Neujahr? Den Holo-
caust totschweigen – Schwamm drüber
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts und kein Wort darüber verlieren? Trauer,
Scham und Gedenken kommen im Welt-
Unterschrift bild der Rechten nicht vor, höchstens
Wut und Erbitterung über die Niederlage
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 – 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507
Nazideutschlands. uld ■

16 : antifaschistische nachrichten 10-2005

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