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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 23.2.2006 22. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de

Im Juni 2005 wurden 10 deutsche


Kriegsverbrecher in Italien zu le-
benslanger Haft verurteilt, weil ih-
SS-Kriegsverbrecher immer
nen nachgewiesen wurde, dass sie an ei-
nem der größten Massaker an der Zivilbe-
noch nicht angeklagt
völkerung in Norditalien beteiligt waren. Antifaschisten mobilisieren!
Am 12. August 1944 wurden in dem Dorf
Sant’Anna di Stazzema 560 Menschen, fern des Massakers niedergelegt und ein schließend informierten und diskutierten
darunter 120 Kinder von Angehörigen der Grußwort verlesen. In der Nacht zuvor, vor über 100 Interessierten Rechtsanwäl-
16. Panzergrenadier Division „Reichsfüh- wurden ebenfalls von Antifaschisten Ge- tin Gabriele Heinecke sowie Oberstaats-
rer SS“ ermordet. Verurteilt wurden Wer- denktafeln in dem Stadtteil angebracht. anwalt a.D. Dietrich Kuhlbrodt. Die Anti-
ner Bruß (Hamburg), Alfred Mathias Die Demonstration führte auch dazu, dass faschistische Initiative gegen das Verges-
Concina (Freiberg), Ludwig Göring sich in Volksdorf die „Waldörfer Initiative sen und die VVN-BdA KV Stuttgart (sie-
(Karlsbad, BaWü), Karl Gropler (Wollin, Hamburg“ gründete, die sich zum Ziel ge- he AN 3/06 Seite 9) haben nunmehr einen
Brandenburg), Georg Rauch (Rümmin- setzt hat, durch Öffentlichkeitsarbeit im Offenen Brief an die Staatsanwaltschaft
gen, BaWü), Horst Richter (Krefeld, Hes- Stadtteil auf das Anliegen der Überleben- Stuttgart gerichtet und schließen sich da-
sen), Heinrich Schendel (Ortenberg, Hes- den des Massakers von Sant’Anna auf- mit der Kampagne zur Unterstützung der
sen), Alfred Schöneberg (Düsseldorf, merksam zu machen und eine Anklageer- Überlebenden des Massakers in Sant’An-
NRW), Gerhard Sommer (Hamburg) und hebung herbeizuführen. na di Stazzema an.
Ludwig Heinrich Sonntag (Dortmund, Um die bundesweite Kampagne vo-
NRW). ranzutreiben, wird das Hamburger
W. Bruß, L. Göring und H. Schendel Bündnis zum Ende des Monats eine ers-
sind mittlerweile in Italien rechtskräftig te Materialiensammlung zu dem Massa-
verurteilt. Die 7 anderen Täter haben Re- ker in Sant’Anna und zur aktuellen Si-
vision eingelegt. Es ist jedoch davon aus- tuation herausbringen, die dann auch im
zugehen, dass der italienische Appellati- Internet abrufbar ist (s.u.). Zum Gedenk-
onshof des Militärgerichts in Rom das Ur- tag der Weißen Rose am 25.2.06 in
teil bestätigt. Die Staatsanwaltschaft Hamburg-Volksdorf werden die Ham-
Stuttgart, die den Überlebenden und An- burger Gruppen ebenfalls mobilisieren.
gehörigen der Opfer von dem Massaker in Dem Hinweis des Labour-Abgeord-
Sant’Anna versprochen hat, nach dem Ur- neten Andrew Dismore „dass Kriegsver-
teil in Italien auch in Deutschland Ankla- brecher niemals ruhig in ihrem Bett
ge zu erheben, wurde nun von „oben“ zu- schlafen dürfen“, folgten Hamburger
rückgepfiffen. Die Anklageerhebung wird Antifaschisten am 26.1.06 und schütte-
hinausgezögert, außerdem wurde der ten dem früheren SS-Chef von Genua,
Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, die Friedrich Engel, mehrere Kanister roter
von dem Opferverein Sant’Anna beauf- Farbe vor die Tür. Wenige Tage darauf
tragt wurde, Nebenklage zu erheben, die Die FreibÄrger Jugendinitiative „Buntes Leben“ bilde- verstarb der 97-Jährige.
beantragte Akteneinsicht abgelehnt. te sich im Sommer 2004 um die alternative Stadtzei- Bereits im November 1999 wurde der
In Hamburg hat sich daher im August tung „FreibÄrger“, die seit 1998 zweimonatlich er- Ex-SS-Offizier in Italien in Tateinheit
2005 ein Bündnis gebildet, welches sich scheint und überwiegend aus der Perspektive von Ju- des 246-Mordes zu lebenslanger Haft
für die Anklageerhebung und Verurteilung gendlichen und StudentInnen über Freiberg berichtet. verurteilt. 2002 wurde Friedrich Engel
der Täter auch hier in Deutschland ein- Im Dezember machte die Jugendinitiative mit einer wegen der Erschießung von 59 Partisa-
Mahnwache (Bild) bekannt, dass in Freiberg im Senio-
setzt. Am Jahrestag des Massakers, am nem am Turchino Pass vor dem Landge-
renheim „Johanna Rau“ einer der verurteilten NS-
12.8.1944 wurde in Hamburg-Volksdorf Täter von St. Anna di Stazzema lebt. Ihre Recherche
richt Hamburg zu sieben Jahren Haft
erstmals durch ein Flugblatt darauf auf- hatte ergeben, dass innerhalb des Seniorenheims verurteilt worden. Zwei Jahre später hob
merksam gemacht, dass der Kriegsverbre- kaum jemand über die Vergangenheit des Alfred der Bundesgerichtshof das Urteil wieder
cher Gerhard Sommer dort lebt. Im No- Concina Bescheid wusste. (Bild: fbÄ/mildner) auf. In Karlsruhe mochte man die für
vember 2005 fand dann vor Ort eine er- den Vorwurf des Mordes erforderliche
folgreiche Kundgebung und Demonstrati- Aus Hamburg inspiriert, haben am „besonderer Grausamkeit“ bei der Mas-
on mit 180 Teilnehmern statt. U.a. wurden 22.12.05 im sächsischen Freiberg Antifa- senerschießung von 59 Partisanen nach so
vor dem Wohnort des Mörders 4 Tafeln schisten dem Kriegsverbrecher Alfred langer Zeit nicht mehr erkennen. Die bun-
mit den 394 namentlich ermittelten Op- Mathias Concina einen Besuch abgestat- desweite Ausgabe der taz kommentierte
tet. Auch diese Aktion war sehr erfolg- den endgültigen Abtritt des Kriegsverbre-
reich und wurde mehrfach in der Presse chers mit der Überschrift: „SS-Engel geht
Aus dem Inhalt: erwähnt. Große Resonanz gab es auch bei zum Teufel“. bw/hamburg ■
„Ethnisierung gesellschaftlicher der vom AK-Distomo gezeigten Film- Infos sowie die Broschüre (demnächst)
Konflikte“ – Propagandabausteine und Infoveranstaltung in Hamburg am unter: www.partigiani/kriegsverbrechen/
für rechtsextreme Ressentiments . . 8 16.1.06. In dem ausverkauften Kino 3001 sant’anna. Kontakt: waldinihh@gmx.de
wurde der Film „Todesengel“ gezeigt, an- und distomo-hamburg@gmx.de
: meldungen, aktionen
erste Einschätzung. Der ganze Text ist zu
lesen unter: http:// media.de.indyme-
dia.org/media/2006 /02// 137929.pdf
Grenzübergreifender Edmund Stoiber. Unter den Rednern des Fazit des apabiz:
Kongresses finden sich auch die Publi- Das apabiz betont, dass diese Stellung-
Vorstand zistin Christa Meves, unlängst noch als nahme nach einer ersten Durchsicht des
Viersen. Der Jugendverband der Referentin bei der Münchner „Burschen- umfangreichen Datenmaterials erfolgt ist
„Landsmannschaft Ostpreußen“, der schaft Danubia“ angekündigt, Aktivisten und lediglich einige augenscheinlich be-
„Bund Junges Ostpreußen“ (BLO), hat der „Paneuropa-Union“ wie z.B. Otto deutende Punkte thematisiert. Eine ge-
auf seiner jüngsten Bundesversammlung von Habsburg (CSU) und Dirk Hermann naue Aufarbeitung der Informationen im
einen neuen Vorstand gewählt. Klaus Voß (Sankt-Ulrich-Verlag) sowie der regionalen Kontext wird von antifaschis-
Gundlach und Rene Nehring, ehemals „Internationalen Gesellschaft für Men- tischen Gruppen, Initiativen sowie von
Bundesfunktionäre der „Jungen Lands- schenrechte“ (IGFM), dessen Kuratori- den Medien in der Rhein-Neckar-Region
mannschaft Ostpreußen“ (JLO), von der um „Speckpater“ van Straaten viele Jah- geleistet werden müssen.
sich die Landsmannschaft wegen ihres re angehörte. Angefragt wurde auch der Erst am Mittwoch war unser Mitarbei-
Abdriftens in das neofaschistische Spek- umstrittene italienische Kulturminister ter Michael Weiss in Ludwigshafen, um
trum vor einigen Jahren trennen musste, Rocco Buttiglione. Eine „Marien-An- an der Evangelischen Fachhochschule ei-
gehören dem neuen Vorstand der BJO dacht“ wird u.a. vom Kölner Erzbischof nen Vortrag zum Thema „White Noise“
nicht mehr an. Dem neuen Vorstand un- Joachim Meisner geleitet. abzuhalten. Seine dort geäußerte und von
ter dem Vorsitz von Jochen Zauner (Vier- Als Moderator des Kongresses betätigt vielen Besuchern der Veranstaltung mit-
sen) gehören nun auch drei Mitglieder sich Opus Dei-Mann Jürgen Liminski, getragene Einschätzung, dass die Rhein-
an, die im Gebiet des ehemaligen Ost- Redaktionsleiter des Hausblattes „Echo Neckar-Region eines der bundesweiten
preußens, heute Rußland, leben. Damit der Liebe“ der „Kirche in Not“. Unter Zentren neonazistischer Aktivitäten und
sendet die „Bekenntnisgeneration“ der den zahlreich vertretenden Bischöfen Organisierung ist, wird durch die nun
Ostpreußen ein wichtiges Signal, freut auch der Salzburger Andreas Laun, der vorliegenden Informationen nachdrück-
sich das „Ostpreußenblatt/PAZ“ (4/06): sich kürzlich noch für ein Verbot der Ab- lich bestätigt.
„Die heimatverbliebenen und heimatver- treibung aussprach. Ehrengast ist die Die in der Rhein-Neckar-Region exis-
triebenen Ostpreußen stellen eine ge- 1912 geborene Gertrud Fussenegger, Eh- tierenden Strukturen und Freiräume wir-
wachsene und auch über die Generatio- renmitglied des österreichischen Schrift- ken wie ein Magnet auf Neonazis aus
nen hinweg nicht auseinanderdriftende stellerverbandes. Vor der Kongresshalle dem Umland und von weiter her. Mit ca.
Einheit dar“. In diesem Sinne plane der wird auch ein „Beichtmobil“ aufgestellt. 20 im Jahre 2005 durchgeführten Kon-
BJO nun für dieses Jahr die Durchfüh- hma ■ zerten, von denen nur wenige polizeilich
rung einer „größeren Jugendfreizeit un- aufgelöst wurden, war im letzten Jahr in
ter Einbeziehung der deutschen Jugend Gesicht gezeigt der Rhein-Neckar-Region eine der bun-
aus dem Königsberger Gebiet und dem desweit höchsten Konzentrationen neo-
Memelland“, die mit einem „internatio- Berlin/Dortmund. Der deutschtü- nazistischer Konzertaktivitäten festzu-
nalen Sportfest unter Einbeziehung pol- melnde „Verein Deutsche Sprache“ stellen. Zudem ist eine deutliche Orien-
nischer Jugendlicher in Lötzen“ ab- (VDS) hat für eine Plakataktion in Berlin tierung von neonazistischen Gruppen aus
schließen soll. Für „seine Verdienste um prominente UnterstützerInnen gefunden. anderen Regionen, zum Beispiel aus Ra-
die ostpreußische Jugend“ erhielt der So zeigt sich u.a. die „Grünen“-Politike- statt oder aus Südhessen, hin zum Bal-
ehemalige Bundesvorsitzende der JLO, rin Antje Vollmer auf einem VDS-Plakat lungsraum Mannheim-Ludwigshafen er-
Rüdiger Stolle, das goldene Ehrenzei- mit dem Titel „Die eigene Sprache ist der kennbar. Die Attraktivität des Neonazi-
chen des BJO. hma ■ Kern aller Welterkenntnis“. Weitere Un- Standortes Rhein-Neckar verdeutlicht
terstützer der VDS-Aktion sind der ehe- auch die Tatsache, dass zwei der zentra-
Asien im Blick malige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel len Personen des Aktionsbüros Rhein-
(Konvent für Deutschland“, Leibniz-Ge- Neckar, Malte Redeker und Matthias H.,
Augsburg. Die „Kirche in Not/Ostpries- meinschaft) unlängst noch Unterzeichner in den vergangenen Jahren aus anderen
terhilfe“ führt vom 10. bis 12. März in eines Appells „für die Pressefreiheit“ der Regionen (bzw. aus der Schweiz) nach
der Augsburger Kongresshalle ihren „Jungen Freiheit“, der Schauspieler Die- Ludwigshafen zogen. Weitere Aktivisten
zweiten internationalen Kongress unter ter Hallervorden (VDS-Ehrenmitglied) der Hammerskins und der „Freien Ka-
dem Titel „Treffpunkt Weltkirche“ und der Journalist Bastian Sick („Spiegel meradschaften“, das belegen u. a. die Fo-
durch. Das von dem unter dem Namen online“). hma ■ rumseinträge, haben in den letzten Mo-
„Speckpater“ bekannt gewordenen We- naten ihre Wohnsitze aus dem südlichen
renfried van Straaten (1913-2003) im Das Internetforum der Baden-Württemberg oder aus Osthessen
Jahr 1947 gegründete katholische Hilfs- in die Rhein-Neckar-Region verlegt. Ein
werk hofft, „mit Papst Benedikt XVI. der „Freien Kameradschaften zugezogener „Hammerskin“ soll bei-
Neuevangelisierung Europas Schwung Rhein Neckar“ spielsweise die Eröffnung eines Täto-
zu geben“. Besonders aber Asien stehe Erste Einschätzung des apabiz / wier-Ladens in Frankenthal planen, was
auf diesem Kongress im Vordergrund, Berlin, 3. Februar 2006 die neonazistische Infrastruktur weiter
heißt es im Programmheft, „der Konti- Im Internet ist seit dem 2. Februar 2006, ausbauen würde.
nent, der unsere Zukunft, die Zukunft das kürzlich „gehackte“, interne Forum Besondere Sorge bereiten die derzeiti-
unserer Kinder und Enkel maßgeblich der „Freien Kameradschaften Rhein-Ne- gen Bemühungen des Aktionsbüros
mitbestimmen wird“. In Zusammenar- ckar“ und des „Aktionsbüros Rhein-Ne- Rhein-Neckar, das über 3000 Quadrat-
beit mit dem katholischen „Radio Ho- ckar“, veröffentlicht. Das Antifaschisti- meter große und mit mehreren Wohn-
reb“ und der „Katholischen Sonntagszei- sche Pressearchiv und Bildungszentrum und Nutzgebäuden versehene Grund-
tung“ werden zahlreiche bekannte Per- Berlin hat in Absprache mit antifaschisti- stück eines ehemaligen Weingutes in
sönlichkeiten aus dem Kirchenapparat schen Initiativen aus der Rhein-Neckar- Grünstadt-Kirchheim (Rheinland-Pfalz)
und aus der Politik erwartet. Grußworte Region diese Informationsquelle gesich- käuflich zu erwerben. Die Kaufverhand-
kommen vom Bischof von Augsburg, Dr. tet und veröffentlicht nach erster Aus- lungen mit dem Eigentümer laufen der-
Walter Mixa und CSU-Ministerpräsident wertung der Unter-Foren (threads) eine zeit. Die ehemalige Scheune des Anwe-

2 : antifaschistische nachrichten 4/2006


sens wurde von Neonazis bereits gepach- Im Anschluss an die Demonstration ist
tet und in den letzten Wochen zum eine kurze Kundgebung in Pömmelte ge-
„Clubhaus“ umgebaut. Erste Veranstal- plant, um Solidarität mit den Opfern
tungen, u.a. eine Rednerveranstaltung rechter Gewalt vor Ort zu zeigen.
mit dem NPD-Landesvorsitzenden DEMO: 11:30 Uhr Hauptbahnhof Schö-
Rheinland-Pfalz, Peter Marx, haben dort nebeck; Vortreffpunkt in Magdeburg:
bereits stattgefunden. Sollte der Pacht- 10:45 Uhr HBF.
vertrag bestehen bleiben oder sollten die Weitere Infos sowie Materiel auf
Neonazis das Gelände gar käuflich er- www.nicht-wegschauen.tk ■
werben können, so würde sich einem der
strukturstärksten neonazistischen Zu- Wieder mehr rechtsextreme
sammenhänge in Deutschland ein erneu-
ter Freiraum öffnen, dessen „Qualität“ Gewalttaten
und Strahlungskraft die Probleme der Berlin. Die Zahl rechtsextremer Ge-
Region potenzieren würde. walttaten ist in Ostdeutschland auch im
Das apabiz verbindet mit der Veröf- Jahr 2005 weiter gestiegen. Das ergaben
fentlichung des Forums die Hoffnung, Recherchen von Beratungsstellen für
dass mit den nun zugänglichen Informa- Opfer rechter Angriffe, die in den fünf
tionen es antifaschistischen Kräften der neuen Ländern und Berlin tätig sind. Die
Region wie auch den Ermittlungsbehör- insgesamt acht Initiativen registrierten „Kein Durchkommen für die
den möglich sein wird, diesem fort- 614 einschlägige Gewalttaten, im Jahr Neonazis!“
schreitenden Strukturaufbau und der um- 2004 waren es 551. An der Spitze der
fassenden Erlebniswelt und Parallelwelt Statistik 2005 steht Sachsen mit 154 De- Münster. Die am 18. Februar vom neo-
der Neonazis in der Rhein-Neckar-Regi- likten, gefolgt von Sachsen-Anhalt nazistischen Netzwerk „Aktionsbüro
on endlich wirksam entgegen zu treten. (129), Brandenburg (128), Berlin (103), Westdeutschland“ in Münster angemelde-
Für Nachfragen steht das apabiz gerne Mecklenburg-Vorpommern (62) und te Demonstration schaffte es keine 300
zur Verfügung. Thüringen mit 38 Fällen. Diese Zahl gibt Meter. Bürgerinnen und Bürger des Bahn-
Antifaschistisches Pressearchiv und allerdings nur die Situation in Teilen des hofs- und Hansaviertels sowie aus dem
Bildungszentrum (apabiz) Lausitzer Landes wieder, da der „Thüringer Hilfs- Kreuzviertel und viele Mitglieder antifa-
Straße 10, 10999 Berlin Telefon / Fax: dienst für Opfer rechtsextremer Gewalt“ schistischer Gruppen verhinderten erfolg-
030 – 611 62 49 e-mail: mangels Personal nur eingeschränkt re- reich den Neonaziaufmarsch. Eine friedli-
mail@apabiz.de www.apabiz.de ■ cherchieren kann. Der Hilfsdienst und che Straßenblockade an der Bremer Stra-
die weiteren sieben Beratungsstellen ße/Ecke Hansaring ließ die Nazis nicht
25.2.2006: Antifa-Demo in werden von der Bundesregierung über durchkommen.
das Programm „Civitas“ finanziell geför- Die Vereinigung der Verfolgten des Na-
Schönebeck dert. Die Initiativen betreuten im vergan- ziregimes – Bund der Antifaschisten
Schönebeck. Anfang des Jahres wurde genen Jahr 1020 Männer und Frauen. Münster bedankt sich bei den vielen Men-
der 12-jährige Kevin auf seinem Weg Offizielle Vergleichszahlen zur rech- schen, die den ganzen Tag im Hansaviertel
nach Hause von Schönebeck nach Pöm- ten Gewalt 2005 gibt es noch nicht. In unterwegs waren für ihr deutliches und
melte (Sachsen-Anhalt) von fünf rechten der Regel sind die Angaben der Opferbe- entschiedenes Handeln. Durch unzählige
Jugendlichen überfallen und anschlie- ratungsstellen höher als die der Landes- Transparente, Plakate und Bilder machten
ßend misshandelt. In Folge rückte die re- kriminalämter. Einen besonders starken die Anwohner ihre Missbilligung des Auf-
gionale Naziszene ein weiteres Mal in Anstieg rechter Gewalt registrierte im marsches und ihre Ablehnung von neofa-
das mediale Interesse. vergangenen Jahr die Initiative „Reach schistischer, antisemitischer oder rassisti-
Auch wenn in der Region von offiziel- Out“ in Berlin. Hier hat sich die Zahl der scher Propaganda deutlich. Die VVN/BdA
ler Seite nur ungern oder gar nicht von Delikte gegenüber 2004 (54) nahezu ver- sieht sich auch in ihrer Forderung bestä-
einem Naziproblem geredet wird, so ist doppelt. Einen leichten Rückgang um tigt, dass sich eine demokratische Öffent-
dieser Übergriff kein „Ausrutscher“ oder acht Gewalttaten stellte hingegen die lichkeit nie wieder mit neofaschistischer
ähnliches, sondern vielmehr Ausdruck „Opferperspektive“ in Brandenburg fest. Hetze abfinden darf. „Die Verherrlichung
des Selbstbewusstseins, mit dem die Na- Deutschlandweit zeichnete sich be- des Nationalsozialismus, die Leugnung
zis vor Ort agieren bzw. auftreten. Schö- reits im Januar für das vergangene Jahr von Verbrechen, die Androhung von Ge-
nebeck ist dabei exemplarisch für eine eine drastische Zunahme der gesamten walt gegen Andersdenkende ist eben keine
allgemeine Entwicklung in vielen ost- rechtsextremen Kriminalität ab. Diese Meinung, sondern ein Verbrechen!“
deutschen Kleinstädten und Dörfern zu Tendenz wird durch die jetzt auch vorlie- Die VVN/Bund der Antifaschisten lädt
sehen. Relativ ungestört konnten hier in genden Angaben der Bundesregierung alle Interessierten ein, auch weiterhin „ge-
den letzten Jahren Nazistrukturen aufge- für Dezember 2005 bestätigt. Demnach gen Rechts“ aktiv zu sein. Die Auseinan-
baut werden und sich unter den Jugend- registrierte die Polizei 2005 insgesamt dersetzung mit Neofaschismus, mit alltäg-
kulturen etablieren. Verbunden mit zu- 10 271 rechte Delikte. Im Jahr zuvor wa- lichem Rassismus, mit der Umdeutung der
nehmenden Übergriffen gegen Men- ren es 7934. Bei Gewalttaten gab es eine Geschichte benötigt Beharrlichkeit und
schen, die nicht ins rechte Weltbild pas- Zunahme auf 588 (2004: 498). Die Zah- Ausdauer, die über die Aktion am Samstag
sen, wird ein „Anders-Sein“ oder gar ein len entstammen den Antworten der Re- hinaus geht.
„Dagegen-Sein“ immer gefährlicher und gierung auf monatliche Anfragen der Kontakt zur VVN über das Internet:
teilweise sogar unmöglich. Bundestagsabgeordneten Petra Pau www.muenster.org/vvn-bda/ ■
AntifaschistInnen aus Schönebeck (Linkspartei) und ihrer Fraktion. Die An-
und Magdeburg wollen daher mit einer gaben sind nur vorläufiger Natur, da
Demonstration in Schönebeck am noch zahlreiche Nachmeldungen der Po-
25.2.06 zum einen rechte Strukturen in lizei zu erwarten sind. Somit wird die
der Region thematisieren und zum ande- Summe der rechten Straftaten wahr-
ren zeigen, dass es Menschen gibt, die scheinlich weiter steigen.
bereit sind gegen diese vorzugehen. Quelle: Tagesspiegel 13.2.2006 ■

: antifaschistische nachrichten 4/2006 3


Polizeieinsatz in Hamburg fahren gegen Unbekannt“ läuft noch. schäftsführer Frank Schwerdt anwesend
war rechtswidrig Ganze Polizeieinheiten hat die Staatsan- war. Gemeinsam gründete man im „Nas-
waltschaft inzwischen vernommen, um sen Eck“ einen NPD-Kreisverband für
Ein brutaler Polizeieinsatz gegen Antifa- Verantwortliche für den Einsatz zu er- den Ilmkreis, dessen Vorstand Sven Gey-
schisten am 31. Januar 2004 in Hamburg mitteln. er wurde. Bei den Bundestagswahlen er-
war rechtswidrig. Das ist das Ergebnis Die VVN-BdA prüft unterdessen, ob reichte die NPD in Arnstadt 4,1%, im
eines Verwaltungsgerichtsverfahrens, das sie noch ein weiteres Strafverfahren ge- Süden des Ilmkreises sogar ein zweistel-
die Vereinigung der Verfolgten des Nazi- gen Polizeidirektor Peter Born einleitet. liges Ergebnis. Neonazis wollen an die
regimes (VVN-BdA) unmittelbar nach Dieser hatte den Einsatzbefehl für die Verfünffachung der Stimmen anknüpfen
dem Einsatz angestrengt hatte. Wie Cor- Wasserwerfer gegeben. und ihre Aktionen noch weiter intensi-
nelia Kerth, Landesvorsitzende der Andreas Grünwald, jW 17.2.06 ■ vieren. Mit Sven Geyer verfügen sie im
VVN-BdA, am Donnerstag gegenüber Ilmkreis über eine Führungsfigur der
junge Welt mitteilte, musste die Polizei Neonazis etablieren massiv Neonazi-Szene, er ist verantwortlich für
in dem Verfahren eingestehen, dass der die Organisation von Veranstaltungen,
Einsatz von Wasserwerfern und die an- rechte Strukturen Herstellung von Propaganda sowie Ver-
schließende Auflösung einer Kundge- Ilmkreis. Die extrem rechte Szene fo- netzung und den Kontakt zu anderen
bung der VVN-BdA am 31. Januar 2004 kussiert sich immer mehr auf den Ilm- Neonazis. Im Herbst 2005 führten Kripo-
unrechtmäßig war. kreis, explizit auch Arnstadt und Umge- Beamte eine Hausdurchsuchung bei ihm
Über 6 000 Antifaschisten hatten an bung. Neben zahlreichen Propaganda- durch und stellten dabei mehrere Rech-
jenem Tag gegen einen zeitgleich statt- Aktionen, rechten Skinheadkonzerten, ner sicher, nachdem er in der rechten Lo-
findenden Aufmarsch von etwa 1 000 neun Aufmärschen bzw. Kundgebungen kalpostille Hakenkreuze abdruckte.
Neonazis vor der damaligen Wehr- innerhalb eines Jahres, sowie erneut bru- Pressemitteilung der Antifa Arnstadt ■
machtsausstellung demonstriert. Wäh- talen Attacken Ende 2005 verfügen Neo-
rend die Rechten weitgehend unbehelligt nazis inzwischen über gefestigte Struktu- Rechter fürs Rathaus
gegen die Ausstellung aufmarschieren ren. Der Pressesprecher der Antifa Arn-
durften, wurde die Kundgebung der stadt, Armin Degner erklärt hierzu: „Die Weimar/Blankenhain. Von der Schän-
VVN-BdA unmittelbar nach ihrem Be- militante „Kameradschaft Ilmkreis“, dung eines Gräberfeldes für NS-Opfer bis
ginn gewaltsam und ohne jede Vorwar- eine eigene Zeitung mit dem Namen hin zum Verkauf rechtsextremer CDs auf
nung mit Wasserwerfern und unter dem „Ilmkreis National“, ein eingetragener dem Schulhof einer Regelschule: Neona-
Einsatz von Schlagstöcken aufgelöst. 3 Verein „Nationalisten für Kinderrechte“ zis gehen in Blankenhain immer unver-
200 Beamte waren im Einsatz. und der Arnstädter Kampfsportclub hohlener ans Werk. Dass die NPD bei der
Der Auschwitz-Überlebenden Esther KSC, der von zahlreichen rechten Schlä- Bundestagswahl in Blankenhain auf er-
Bejarano, die gerade zu ihrer Rede anset- gern genutzt und teilweise von Neonazi- schreckende 7,3 Prozent kam und bei den
zen wollte, wurde der Strom abgestellt. Aktivisten geleitet wird, sind nur einige Zweitstimmen gar vereinzelt die zehn
Ein Lautsprecherwagen, in dem sie da- Beispiele.“ Würde man weiter südlich Prozent-Marke knackte, scheint nur die
raufhin die Rede halten wollte, wurde nach Ilmenau blicken, so habe sich auch Spitze eines Eisberges zu sein. Im Internet
von einem Wasserwerfer unter Beschuss einiges verändert. Eine neue Neonazi- kündigt die NPD an, bei der Bürgermeis-
genommen. 236 Demonstranten wurden gruppe gründete sich und plant laut Ei- ter-Wahl einen eigenen Kandidaten stel-
festgenommen, während die übrigen De- gendarstellung ihre Stadt „säubern“ zu len zu wollen. „Unsere Erfolge zur Bun-
moteilnehmer in eine enge Straße zu- wollen, brüstet sich außerdem offen mit destagswahl heißt es nun auszubauen.
rückgedrängt wurden. Räumfahrzeuge antisemitischen Texten. Gestärkt wird Wie der NPD-Kandidat für Blankenhain,
preschten mit hohem Tempo auf die das extrem rechte Weltbild durch ein ei- J. Morgenroth, sagt, freue er sich über den
Menge zu. Das Wasser der bis zu acht genes Geschäft mit dem Namen „Topf kämpferischen Geist unserer JN-Aktivis-
Wasserwerfer war mit Reizgas versetzt. Fuel Store“, welches das Klientel mit ten. In Blankenhain, als auch im ganzen
Das Verfahren habe gezeigt, dass der Szene-Bekleidung, entsprechender Lite- Land, heißt unsere Parole Widerstand“,
Einsatz von vornherein so geplant war, ratur und Waffen beliefert. heißt es pathetisch-national auf den Seiten
betonte Rechtsanwältin Britta Eder ge- Die Neonazi-Szene verfügt auch über der NPD Weimar-Weimarer Land.
genüber junge Welt. Aus Unterlagen sei eigene Objekte. Ein Beispiel dafür ist Einmal mehr will die rechtsextreme
hervorgegangen, dass beteiligten Ein- Haarhausen in der Wachsenburggemein- Partei den Schulterschluss mit der so ge-
satzleitern der Polizeihundertschaften de, hier trifft sich die rechte Elite samt nannten Kameradschaft Blankenhain.
schon am Tag zuvor der Wasserwerfer- Schlägerhorde jeden Freitag im „Nassen Dass die handelnden Personen teilweise
einsatz angekündigt worden sei. Dass Eck“ zum Kameradschaftsabend oder identisch sind, zeugt von einer großen To-
Polizeibeamte völlig unbegründet zu- lädt auch überregionale Nazi-Prominenz leranz der NPD gegenüber gewaltbereiten
schlugen, zeigten auch Videoaufnahmen. zu Veranstaltungen ein. Die Ergebnisse Neonazis. So ist der wegen schwerer Kör-
Offenbar sollte hier exemplarisch gezeigt der letzten Treffen waren beispielsweise perverletzung vorbestrafte Weimarer
werden, wie die Polizei gegen Antifa- eine rechte Bustour durch Thüringen in NPD-Vorsitzende gleichzeitig einer der
schisten vorgehen kann, bewertete Cor- Zusammenarbeit mit anderen regionalen führenden Köpfe der so genannten „Brau-
nelia Kerth die Polizeiübergriffe im Neonazis. Dabei wurden bereits Busse nen Aktionsfront“.
Nachhinein. Dass das Verwaltungsge- aus Ost- und Westthüringen angemietet, In einer im vergangenen Jahr erschie-
richtsverfahren festgestellt hat, dass der mit denen sie am 4. März 2006 in Bad nen Dokumentation über den Rechtsex-
Einsatz rechtswidrig war, sei sehr wich- Salzungen, Ilmenau und Arnstadt Halt tremismus in Stadt und Land kam die
tig, weil man sich auch bei anderen De- machen wollen, Kundgebungen sind ge- Netzwerkstelle Weimar gegen rechts zu
monstrationen politisch darauf berufen plant. Einen Monat später, am 1. April ist dem Schluss, dass es für viele Heran-
könne. Kerth forderte die Innenbehörde Arnstadt Auftaktort einer bundesweiten wachsende kaum Möglichkeiten gebe,
auf, „künftig nicht den Schutz der Fa- Neonazi-Kampagne, bisher wurden 400 sich jenseits der rechten Alltagskultur un-
schisten in den Mittelpunkt eigener Akti- TeilnehmerInnen für den Marsch durch ter Jugendlichen auf dem Land zu be-
vitäten zu stellen, sondern das antifa- die Stadt angemeldet. haupten. Viele verließen rasch nach der
schistische Demonstrationsrecht“. Am letzten Freitag fand ein Treffen Schulzeit die Dörfer und Kleinstädte.
Auch juristisch hat das Verfahren statt, bei dem auch Prominenz wie der Die Wahlen finden am 7. Mai statt.
noch ein Nachspiel, denn das „Strafver- NPD-Landesvorsitzende und Bundesge- Quelle: Thür. Landeszeitung 9.2.06 ■
: antifaschistische nachrichten 4/2006
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Aufmarsch von 4000 Neo- Neuer Irving-Verteidiger?
Wien. Laut der rechtsextremen Homepa-
ge Wiener Nachrichten Online (WNO)
nazis in Dresden blockiert wird der Anwalt Herbert Schaller den bri-
tischen „Revisionisten“ David Irving
Dresden. Begleitet von Protesten Aufgerufen zu dem rechten Aufmarsch beim Prozess, der am 20. Februar beginnt,
sind am 11.2. zum 61. Jahrestag hatte die Junge Landsmannschaft Ostpreu- vertreten. Der Grund für den Wechsel
der Zerstörung Dresdens im Zwei- ßen, unterstützt von der NPD. An dem dürfte in der ursprünglichen Verteidi-
ten Weltkrieg rund 4000 Neofaschisten „Trauermarsch“ für die Opfer der Luftan- gungsstrategie zu finden sein. So empören
durch die Stadt gezogen. Gegen die Ver- griffe am 13. und 14. Februar 1945 betei- sich die WNO darüber, dass „in der Sys-
einnahmung des Jahrestages durch Nazis ligten sich Rechtsextremisten aus dem ge- tempresse [...] angebliche Aussagen sei-
veranstalteten Initiativen, Kirchen, ge- samten Bundesgebiet und dem Ausland, nes damaligen Verteidigers auftauchten,
werkschaften und Parteien eine „Meile darunter auch Funktionäre und sächsische wonach Irving seine Meinung geändert
der Demokratie“ Rund 1000 Gegende- Landtagsabgeordnete der NPD. Allerdings habe, da er in sowjetischen Archiven die
monstrantInnen, vor allem aus dem aut- wurde die Teilnahmezahl des letzten Jah- Existenz von Gaskammern bestätigt ge-
nomen Spektrum, blockierten den res von 6500 nicht wieder erreicht, zum funden habe“. Tatsächlich wäre ein öf-
Marsch der Neonazis, die daraufhin nicht 60. Jahrestag waren auch DVU-Chef Frey fentliches Abrücken Irvings von der Gas-
in die Altstadt ziehen konnten. und der inzwischen verstorbene Franz kammerleugnung ein nur schwer zu ver-
Die Veranstalter der Meile mit Info- Schönhuber erschienen. windender Schlag für die internationale
Ständen und Kulturaktionen, an der sich Ein Großaufgebot der Polizei sollte Neonazi-Szene. Schaller hat Irving schon
21 Organisationen beteiligten, sprachen den Aufmarsch sichern. Dies konnte aber in der Vergangenheit mit wenig Erfolg
nicht verhindern, dass spon- vertreten und in früheren Prozessen auch
tan die Augustusbrücke blo- Zweifel am Holocaust geäußert. In einem
ckiert wurde, so dass der Interview mit der deutschen Nationalzei-
rechte Demozug nicht wie ge- tung (8/2006) meint Schaller, man solle
plant durch die Dresdener In- auf die vermeintliche „Vagheit des Tatbe-
nenstadt ziehen konnte. An standes“ nach § 3g Verbotsgesetz setzen.
der Blockade beteiligten sich Irving habe nicht wissen können, dass
auch mehrere Landtagsabge- „das Bestreiten der Massentötungen in
ordnete von Linksfraktion Gaskammern in Österreich als verbotene
und SPD, teilte die Linkspar- Betätigung im nationalsozialistischen
tei mit. Sinn“ qualifiziert wird. www.doew.at ■
nach Neues Deutschland,
13.2.06, Bilder vom Naziauf- Honsik im Netz
marsch: indymedia ■
Der flüchtige Neonazi Gerd Honsik be-
treibt seit kurzem eine eigene Homepage.
von etwa 5000 Anfang Februar feierte er dort den Sieg
Besuchern. Wie der Hamas bei den Wahlen zum palästi-
schon im vergan- nensischen Parlament. Der Erfolg der anti-
genen Jahr leuch- semitischen Terrororganisation lässt Hon-
tete am Abend ein sik gar von der Demokratie schwärmen.
aus Kerzen gebil- Eine Woche darauf widmet er sich in sei-
deter Schriftzug nem „Kommentar“ dem „CIA-Angriff auf
„Diese Stadt hat Mohammed“. Die Veröffentlichungen von
Nazis satt“ vor der Karikaturen des islamischen Religionsstif-
Frauenkirche. Zu ters seien eine „Beleidigung der moslemi-
einer Demonstrati- schen Welt durch die Weltpresse“. Honsik
on linker Gruppen weiß, „aus welchem Loch die Verspottung
fanden sich ca. der Überlieferung, der Gefühle, der Reli-
700 bis 1000 Men- gionen, der Empfindungen der Mehrheiten
schen ein. seit einem halben Jahrhundert gekrochen
kommt“. Es sei der CIA, der seinem „zer-
Köln stellt sich quer! störerische[n] Kampfauftrag“ nachkomme
und nicht nur auf die Religionen ziele,
Am Samstag, den 4. März 2006, wollen militante Neonazis aus dem sondern auch einen „Vernichtungskrieg
Spektrum der so genannten „Freien Kameradschaften“ durch Köln mar- gegen die Musik, die Malerei, die Dich-
schieren. In den Stadtteilen Ehrenfeld und Porz haben sie unter dem Motto tung, die Muttersprachen und das Theater“
„Multikultur abschaffen – Moscheebau stoppen!“ zwei Aufmärsche ange- führe. Gleich dem iranischen Präsidenten
meldet. Anmelder ist Christian Worch, Organisator die Kameradschaft
Köln um den bundesweit aktiven Kölner Neonazi Axel Reitz, der kürzlich vom Landgericht Bo- behauptet Honsik weiter, dass das „Impe-
chum wegen Volksverhetzung zu 21 Monaten Haft verurteilt wurde. rium“ „von freier Meinungsäußerung
Die „Kameradschaft Köln“ und andere Organisationen, die zu diesen Demonstrationen auf- plötzlich nichts wissen“ wolle, „wenn da
rufen, stellen sich offen in die Nachfolge des Nationalsozialismus. So ist es kein Zufall, dass einer kommt und etwa Beweise für den
sie ausgerechnet am Bahnhof Ehrenfeld marschieren wollen – dort, wo im November 1944 Holocaust“ verlangt. Abschließend drückt
Zwangsarbeiter und Edelweißpiraten von den Nazis brutal ermordet wurden. Kommt zu den er seine Gewissheit aus, dass im „Kreuz-
Gegenaktionen: zug [...] gegen den Islam“ das deutsche
9.00 Uhr: Mahnwache an der Gedenktafel für die ermordeten Edelweißpiraten „Volk“ dem „nordamerikanischen Imperi-
Bartholomäus-Schink-Straße am Bhf. Ehrenfeld
9.30 Uhr: Kundgebung auf dem Neptunplatz in Ehrenfeld um [...] die Gefolgschaft verweigern“
14.00 Uhr: Kundgebung in Porz-Mitte, An der Sparkasse wird. Neues von ganz rechts
Februar 2006, www.doew.at ■

: antifaschistische nachrichten 4/2006 5


Unter schweren Bedingungen
protestierten am Wochenende „Demonstrationen“ gegen
4./5. Februar einige tausend
KriegsgegnerInnen gegen das Treffen
von Außen- und „Sicherheits“-Politike-
die 42. „Sicherheitskonferenz“
rInnen und WaffenlobbyistInnen. cherheitskonferenz“, NATO, EU, Bundes- schaftsbeamtInnen hatten alle Mühe, sich
wehr und CIA. Darüber die eindeutige gegen den Druck der aufgebrachten Men-
Der Samstagmittag war von einem Poli- Aussage „Krieg heißt Folter“. Begleitet ge zu wehren. Schließlich wurden die
zeiaufgebot geprägt, das eine Demonstra- wurde die Aktion von einem Redebeitrag, PolizistInnen, die mit Schlagstöcken und
tion im eigentlichen Sinne unmöglich der die drastischen Auswirkungen von Pfefferspray einige Leute leicht verletz-
machte. Bereits um 11 Uhr hatten sich
etwa 50 Leute vom Westend aus gemein-
sam zum Lehnbachplatz aufgemacht, wo
die Auftaktkundgebung in einem großen
Polizeikessel stattfand. Nahezu jedEr
TeilnehmerIn wurde durchsucht. Viele der
jedes Jahr mehr werdenden bunt kostü-
mierten Pink/Silver-, „KarneKravall“–
und „Skelett“-DarstellerInnen mussten
ihre Personalien abgeben. Von Anfang an
wurden Leute wegen des „Rumsfeld“-
Plakates festgenommen.
Überall waren Unmengen von teilweise
vermummten ZivilbeamtInnen zu sehen.
Entgegen dem Gerichtsentscheid versuch-
te die Polizei mehrfach – wenn auch ver-
geblich – Lautsprecherwagen während
der Demonstration zu durchsuchen. Es ist
zumindest eine Diskussion wert, ob eine
„Demonstration“ unter solchen Bedin-
gungen nicht besser abgebrochen werden
und eine spontane Alternative erwägt wer- ten, aus der Demo gedrängt. Angeb-
den sollte. lich konnte die Frau, die festgenom-
Trotz aller Polizeischikanen kamen gut men werden sollte, dabei befreit
3000 KonferenzgegnerInnen am Lehn- werden. Bis zum Ende der Veran-
bachplatz zusammen. staltungen kam es dennoch noch zu
Die Auftaktkundgebung begann mit mehreren Festnahmen. Laut Poli-
dem üblichen Grundgesetzlob und einer zeimitteilung wurde ein Demons-
Zurückweisung der Kriegsdrohungen ge- trant in der Ettstraße von einem Ge-
gen den Iran, aber auch dessen antisemiti- fangenentransporter angefahren,
schen Ausfälle. Es folgten einige weitere dabei aber angeblich nur leicht ver-
Redebeiträge, darunter ein sehr guter der Folter deutlich machte und entschieden letzt.
Kampagne „Wiederentwaffnung jetzt!“. das Folterverbot einforderte. Insgesamt nahm die Polizei nach eige-
Gegen 14 Uhr setzte sich der Zug in Be- Neben mehreren kleineren Übergrif- ner Aussage an beiden Tagen 95 Kriegs-
wegung. Von Beginn an griff die Polizei fen der Polizei und anschließenden Ran- gegnerInnen in Haft, Gewahrsam und zur
insbesondere den „internationalistischen geleien kam es am Sendlinger Tor zu ei- „Identitätsfeststellung“ ins Präsidium in
Block“ an, der sich mithilfe eines Seils ner heftigen Auseinandersetzung, als Zi- die Ettstraße, wo Einige nach ihrer Entlas-
und mit Seitentransparenten zu schützen vilbeamte einen Demonstranten festneh- sung mit Essen und Getränken empfangen
versuchte. Während das Seil in einem Ge- men wollten und dabei in arge Bedrängnis wurden. Die Rote Hilfe hält diese Zahl für
rangel einkassiert wurde, konnten zumin- gerieten. Selbst den herbeigerufenen absichtlich zu Zwecken der Abschre-
dest einige Seitentranspis durchgesetzt USK-Kräften gelang es trotz Knüppel und ckung „frisiert“, spricht von 60 Festnah-
werden. Auch die Versuche, an den Laut- Pfefferspray nicht, die Situation unter men und resümiert:
sprecherwagen zu gelangen, konnten ab- Kontrolle zu bekommen, da sich ihnen zu „Die polizeiliche Praxis bei jeder Ver-
gewehrt werden. Leider half auch die mo- viele Leute geschlossen entgegenstellten. sammlung mit Schlagstock und Pfeffer-
tivierende und unterhaltsame Moderation AugenzeugInnen zufolge wurde einer der spray gegen die TeilnehmerInnen vorzu-
nicht, die unzähligen ZivilbeamtInnen Zivilen verletzt, ob der betroffene De- gehen, und einige dutzend TeilnehmerIn-
konsequent aus der Demo raus zu halten. monstrant entkommen ist, ist unklar. nen unter fadenscheinigsten Begründun-
In einem Fall erledigte dies offenbar die Bis zur Abschlusskundgebung wurde gen festzunehmen, dient lediglich der
Polizei selbst, da der Zivilbeamte einen die Situation dann entspannter. Dort ange- Aufrechterhaltung eines von der Polizei
„die Polizei verunglimpfenden Aufkle- kommen, wurde die Demonstration je- selbst geschaffenen Gefahrenbildes. Die
ber“ trug, so ein Polizeisprecher laut doch erneut angegriffen. Wieder war es Gewalt geht zu aller erst von der Polizei
„SZ“. ein Trupp des „Unterstützungskomman- aus.“
Beeindruckend wirkte die weit vorne dos“, der sich beim Versuch einer Fest- Die Differenz zwischen den Festnah-
laufende „Performance“ gegen Folter. Ge- nahme überschätzte. Das solidarische Ver- mebilanzen könnte allerdings auch daraus
kleidet wie die Gefangenen in Guantana- halten der DemoteilnehmerInnen führte resultieren, dass viele von der Polizei ge-
mo liefen ein Dutzend AktivistInnen vor dabei dazu, dass die selbsternannte „Elite- meldeten „46 Identitätsfeststellungen“
zwei SoldatInnen her. Ein Transparent einheit“ zwischen Lautsprecherwagen eventuell nicht dem EA gemeldet wurden.
zeigte unter dem Zitat „Freiheit und De- und DemonstrantInnen eingekesselt wur- Generell sollte dies immer geschehen, da
mocracy“ aus Berthold Brechts „Ana- de und nun selbst um Unterstützung rufen auch solche „Lapalien“ für die Betroffen
chronistischem Zug“ die Logos von „Si- musste. Auch die herbeieilenden Bereit- Ärger nach sich ziehen können und es die

6 : antifaschistische nachrichten 4/2006


Antifaschistische Gruppen aus
Rheinland-Pfalz und dem Saar- Kampagne gegen NPD-Wahl-
land haben eine Kampagne gegen
den Wahlkampf der NPD zur Land-
tagswahl im März 2006 gestartet. Eine
kampf in Rheinland-Pfalz
Infobroschüre ist soeben erschienen. „Deutsche Volksunion“ (DVU) und ehe- GEGENAKTIVITÄTEN
In den nächsten Wochen wird es lan- malige „Republikaner“ in den NPD- Gegen den Wahlkampf der NPD wird es
desweit Infoveranstaltungen geben. Wahlkampf eingebunden werden, bietet Aktionen geben. Eine Infobroschüre zur
Am 18. März findet eine Demonstrati- sich zudem die Möglichkeit, neue rechts- NPD RLP ist soeben erschienen und
on in Pirmasens (Pfalz) gegen die dor- extreme Strukturen aufzubauen und vor- kann bestellt bzw. heruntergeladen wer-
tige NPD-Landeszentrale statt. handene Neonazi-Strukturen zu stärken. den. Es wird Infoveranstaltungen geben.
DIE NPD IN RHEINLAND-PFALZ Dies stellt insbesondere im Flächenland Gegen die NPD-Landeszentrale wird es
RLP eine ernst zu nehmende Gefahr
Über 25.000 Plakate und 2 Millionen dar.
Flugblätter plant die NPD während ihres Der rheinland-pfälzische Landes-
Wahlkampfes in Rheinland-Pfalz aufzu- verband der NPD präsentierte sich in
hängen und zu verteilen. Wenn am 26. den letzten Jahren sehr zerstritten. Oft
März 2006 der rheinland-pfälzische kam es zu Wechseln innerhalb der
Landtag gewählt wird, will die rhein- Führungsriege. Häufig war die Partei
land-pfälzische NPD-Gliederung vom nur regional handlungsfähig.
bundesweiten Aufwärtstrend der neona- Im September 2004 jedoch wurde
zistischen Partei profitieren. Auch wenn im Hinblick auf die anstehenden
ein Einzug in den Landtag wohl unrealis- Landtagswahlen die so genannte „Re-
tisch ist, bieten Wahlkämpfe der Partei solution von Remagen“ beschlossen,
eine sehr gute Möglichkeit, ihre men- die eine „Bündelung aller Kräfte“ für
schenverachtende Propaganda zu ver- die Wahl vorsieht. Unterzeichnet ha-
breiten. ben diesen so genannten „Volksfront-
Eine mögliche Rückerstattung der beschluss“ neben den Landesverbän-
Wahlkampfkosten wäre ein finanzieller den von NPD und „Jungen National-
Schub für den NPD-Landesverband. Mit demokraten“ (JN) unter anderem die
dem so genannten „Volksfrontkonzept“, Kameradschaft Westerwald sowie
bei dem sowohl die militanten „nationa- einzelne Funktionsträger der „Repu-
len Sozialisten“ aus den „freien Kame- blikaner“ (REP). Für die Umsetzung
radschaften“ als auch zum Beispiel die der Resolution war allerdings anderes
Führungspersonal vorgesehen. Ende
2004 verabschiedete sich der bisheri-
Fortsetzung von Seite 6 ge Landesvorsitzende Martin Laus
(Öffentlichkeits-) Arbeit des Ermittlungs- und wurde durch den stellvertreten-
ausschusses erleichtert. den Bundesvorsitzenden der NPD Peter am Samstag, den 18. März eine Demons-
Um gegen die massive Repression der Marx ersetzt. Für den angekündigten fä- tartion in Pirmasens (Pfalz) geben. Sa-
Antikriegsproteste durch Polizei und chendeckenden Wahlkampf wurde Sa- scha Wagner, Wahlkampfleiter der NPD,
Kreisverwaltungsreferat zu protestieren, scha Wagner, ehemaliger JN-Kader in hat in Pirmasens ein Haus bezogen, das
fand am Sonntag eine Demonstration „ge- RLP, zurück nach RLP geholt. als Wahlkampfzentrale fungiert. Seitdem
gen Polizeiwillkür“ statt, bei der etwa 50 Im Oktober 2005 veröffentlichten so gibt es regelmäßig NPD-Infotische, Ver-
TeilnehmerInnen vom Marienplatz zum genannte „freie Kräfte“ aus Rheinland- teilaktionen und Veranstaltungen der
Innenministerium zogen. Von Übergriffen Pfalz eine Erklärung zur Landtagswahl, Partei. Die Region ist zu einem Knoten-
und/oder Festnahmen ist dabei nichts be- in der sie ihre Unterstützung des NPD- punkt neonazistischer AKtivitäten ge-
kannt. Wahlkampfes bekannt gaben. Im Gegen- worden, der landesweit Bedeutung hat.
Das Wochenende hat gezeigt: trotz aller zug wurden René Teufer (Viernheim), JedeR kann auch selber aktiv werden:
Repression lassen sich viele Menschen Sven Lobeck (Koblenz) und Mario Mat- Nehmt es nicht hin, wenn die NPD Info-
nicht davon abhalten, ihren Protest gegen thes (Mainz) auf die Plätze 3, 6 und 8 der stände betreibt und Flugblätter verteilt.
die Selbstinszenierung der Kriegs- und Landesliste gewählt. Stolz wird verkün- Übt Druck auf Gaststätten, Kommunen
AußenministerInnen, der Waffenkonzerne det, dass mit der Wahl drei Repräsentan- und Vereine aus, die den Nazis Räume
und der LobbyistInnen auf die Straße zu ten „des radikalen Teils des nationalen überlassen. Stellt Euch ihren Aufmär-
tragen. Widerstandes“ ernannt worden seien, die schen entgegen. Wenn Ihr Aktivitäten der
Trotz einer polizeilichen Übermacht seit vielen Jahren „im Kampf für ein na- NPD oder anderer Nazis bemerkt, meldet
kann ein geschlossenes Auftreten Angriffe tionales und sozialistisches Deutschland Euch bei antifaschistischen Initiativen in
abwehren. stehen“. Eurer Nähe. Jede Info ist wichtig! Wen-
Und auch das: trotz nicht weniger anti- Diese Erklärung kam nicht überra- det Euch gegen Rassismus, Antisemitis-
amerikanischer und undifferenzierter schend, denn sie spiegelt eine Realität mus und Nationalismus im Alltag.
Töne gibt es eine deutliche Kritik am wider, die nahezu in ganz Rheinland- Antifa-Südwest-Koordination
„Hauptfeind im eigenen Land“, am „kapi- Pfalz zu beobachten ist. Die Zusammen- MATERIALIEN UND LINKS
talistischen Frieden“ und ist es notwendig arbeit von NPD und „freien Kamerad-
und richtig, gegen jene Konferenz zu pro- schaften“ ist in fast allen Regionen des Infos zur Kampagne und zur Demo am
testieren und den Widerstand gegen die Landes gegeben und auch personelle 18. März sowie weitere Termine findet
zunehmende Militarisierung von Politik Überschneidungen sind keine Seltenheit. Ihr unter http://www.antifa-sw-de.vu
und Gesellschaft auszuweiten. Im Januar 2006 wurden zusätzlich einige Die Broschüre zur NPD Rheinland-
„nationale Sozialisten“ aus den „freien Pfalz findet Ihr unter
indynews.net, Lokalberichte Kameradschaften“ in den Landesvor- http://www.antifainfo-npd.de.vu ■
München 4-06, gekürzt ■ stand der NPD gewählt.

: antifaschistische nachrichten 4/2006 7


Der Ethnisierungs-Begriff ge- Am 4. Februar fand in Köln die jährliche Tagung der Antifaschistischen Nach-
winnt gegenwärtig vor dem Hin- richten statt. Prof. Dr. Klaus Dörre sprach zum Thema „Prekarisierung der Ar-
tergrund gesellschaftlicher Pro- beit - Nährboden für extrem rechte Orientierungen?“. Aus Zeitgründen kann
blembereiche immer mehr an Bedeu- dieser Beitrag erst in einer der nächsten Ausgaben veröffentlicht werden. Wir
tung. Insbesondere haben wir in den ver- beginnen deshalb die Dokumentation des Treffens mit dem Beitrag von Kemal
gangenen Jahren verstärkter gesehen, Bozay zur „Ethnisierung sozialer Konflikte“. Bernhard Schmid, ständiger Au-
dass der hiesige Globalisierungsprozess tor der AN, brachte in die Diskussion die französische Situation mit ein. Da
Konflikte und Problembereiche in dazu bereits ausführliche Beiträge in den AN Nr. 24, 25-26/05 erschienen sind,
Ethnisierungszusammenhängen – welt- verweisen wir hier auf die weitere aktuelle Berichterstattung.
weit – weiter ausgebreitet und forciert
hat. Nicht zuletzt haben die vielseitigen
Diskussionen um den sog. Karikaturen-
streit gezeigt, in welchem Maße eth-
„Ethnisierung gesellschaftlicher
nisch-kulturelle Probleme auch zu Kon-
flikten führen, die in vielfältiger Weise
Konflikte“ als Propaganda-
auch auf die Straße getragen werden.
Obwohl immer wieder behauptet wird,
bausteine für rechtsextreme
dass durch die Globalisierung „nationale
Grenzen“ überwunden und ethnisch-na- Ressentiments
tionale Konflikte abgebaut werden, se- Thesen für eine konstruktive Diskussion
hen wir eine klare Kehrtwende. Zwei- von Kemal Bozay
felsohne kommen hier vor allem die
„Schattenseiten der Globalisierung“ er-
neut zum Vorschein. geschürt. Mit dem 11. September-Syn- rechtsextremen Bewegungen und Partei-
drom haben diese Diskussionen schließ- en aufgenommen und politisch instru-
Wenn wir heute vom Terminus „Ethni- lich eine neue Dimension erreicht, deren mentalisiert wird. Dies manifestiert sich
zität“ ausgehen, so können wir sagen, Auswirkungen sich auch in Deutschland in der rechtsextremen Propaganda: z.B.
dass er ursprünglich ein Begriff der Eth- zeigen. durch die Parole „Zuerst Deutsche“, „Ar-
nologie ist, der zunächst kulturelle Kommen wir in diesem Zusammen- beit für Deutsche“ u.ä.
Unterschiede zwischen Gruppen in tradi- hang auf die Rolle der Ethnisierungs- Wir können davon ausgehen, dass der
tionellen Gesellschaften beschreibt. In diskussionen und die sog. Debatte um Ethnozentrismus eine besondere Form
der kritischen Wissenschaft wird er sogar die „Ethnisierung gesellschaftlicher von Nationalismus und Rechtspopulis-
als ein soziales Konstrukt gedeutet, des- Konflikte“ in der Bundesrepublik mus ist, in dessen Mittelpunkt die eigene
sen Realitätsgehalt auf historische Pro- Deutschland zurück. In Deutschland ist Kultur steht und im Gegensatz zu ande-
zesse zurückzuführen ist (also auf ge- die Ethnisierungsdebatte von unter- ren Kulturen als überlegen dargestellt
meinsame Sprache, gemeinsame kultu- schiedlichen Faktoren und Problemen wird. Demnach wird die ethnische Diffe-
relle Praktiken). Weiterhin gibt es Sicht- geprägt, die insbesondere in der Mitte renzierung als Voraussetzung für Rassis-
weisen, die behaupten, dass ethnische der Gesellschaft verwurzelt sind und mus und Diskriminierung genutzt. So
Gruppen nicht von alleine, sondern Nährboden für rechtspopulistische und werden sowohl in der öffentlich-politi-
durch bestimmte Zuschreibungs- und rechtsextreme Ressentiments schaffen. schen Diskussion als auch in der Propa-
Definitionsprozesse (Berufung auf Ab- ganda von Rechtsextremisten „Flüchtlin-
stammung als Instrument der Unterfütte- 1) In einer zentralen Komponente tritt ge“ als „Betrüger“, „Sozialschmarotzer“
rung von Ansprüchen auf die gemeinsa- die Ethnisierungdiskussion in Deutsch- diffamiert, die den Wohlstand in
me Ressourcen einer Gesellschaft) ent- land als ein Schema der Ausgrenzung Deutsch-land gefährden.
stehen. hervor. So ist gegenwärtig Ethnisierung Auch Migranten werden als „radikale
Doch mit dem Phänomen der Arbeits- ein sozialer Exklusions- und Ausgren- Islamisten“ und „Gewalttäter“ bloßge-
migration und inzwischen auch der welt- zungsprozess, der in dieser Gesellschaft stellt, die den sog. „inneren Frieden“ in
weiten Migration hat die Ethnizitäts-Dis- Minderheiten schafft, sie negativ etiket- Deutschland stören.
kussion eine neue Qualität gewonnen. tiert und dadurch Privilegien der domi-
Das Aufeinandertreffen unterschiedli- nanten Mehrheit zementiert bzw. festigt. 3) Ein weiterer Faktor der Ethnisierungs-
cher ethnischer, religiöser, sprachlicher Dahinter verbergen sich häufig auch diskussion in Deutschland ist der Aspekt
und kultureller Gruppen umfasst inzwi- Konflikte um gesellschaftliche Ressour- der Reproduktion und Schaffung von
schen alle gesellschaftlichen Bereiche; cen. Vor allem bedeutet Deutsch-Sein Feindbildern, die in der öffentlich-politi-
Probleme, die daraus entstehen, werden unter den Bedingungen des Wohlfahrts- schen-medialen Diskussion, aber auch in
in der öffentlich-politischen Diskussio- staates, den eigenen Wohlstand zu vertei- der Propaganda der Rechtsextremisten
nen häufig instrumentalisiert. Hierbei digen und Ansprüche anderer Gruppen zum politischen Instrument gemacht
geht es vor allem um eine klare Politisie- zu delegitimieren und abzuschwächen. werden.
rung des Ethnizitäts-Begriffs. Gerade Medien leisten hier einen
2) Ein weiterer Faktor ist die Herausprä- wichtigen Beitrag zur Konstruktion von
An Hochkonjunktur haben die Diskus- gung eines Ethnozentrismus, der eine Ei- Feindbildern. In diesem Sinne werden
sionen um die „Ethnisierung gesell- gengruppen-Glorifizierung und eine Roma-Sinti Jugendliche zu „Klaukids“,
schaftlicher Probleme“ durch das Werk Fremdgruppen-Diffamierung vorsieht. Kopftuchträger zu „radikalen Islamis-
„The Clash of Civilisations“ von Samuel So haben Ethnisierungsprozesse zwei ten“, türkische Jugendliche zu „poten-
Huntington gewonnen. Huntington hat Seiten: Neben der Stigmatisierung der tiellen Tätern“ oder „Gewalttätern“ stig-
hier hauptsächlich ein Bedrohungsszena- „Anderen“ erfolgt eine Konstituierung matisiert. All diese negativen Eigen-
rio entworfen und betont, dass ethnisch- der „Eigenen Volksgemeinschaft“ (also schaften werden faktisch den Zuwande-
kulturelle Differenzen im Extremfall in Aufwertung der Eigengruppe). Gerade rern zugeschrieben, sie werden durch
bewaffnete Konflikte münden würden. im Hinblick auf die Ethnisierungsdiskus- diese Verbildlichungen und Stereotypen
Hier wird der Islam zur Zielscheibe ge- sion verwurzelt diese Auffassung in der auch etikettiert. Im engeren Sinne heißt
nommen und Hass gegenüber Fremden Mitte der Gesellschaft, die aber von es, dass Probleme einfach ethnisiert wer-

8 : antifaschistische nachrichten 4/2006


den und bestimmten Zuwanderergruppen lem ein Rückzug in die eigenen „ethni-
zugeschoben werden. schen Nischen“ zu verzeichnen (Selbst-
Wir haben das anhand der polarisie- ethnisierung).
renden Diskussionen um die Doppel- Schlussfolgernd können wir sagen,
staatsangehörigkeit, Restriktionen im dass die Ethnisierung gesellschaftlicher
Asylgesetz, in der Debatte um das neue Konflikte auch in Deutschland sich als
Zuwanderungsgesetz, in der Leitkultur- eine Form der sozialen Ausgrenzung
Debatte, in der Auseinandersetzung um darstellt, die in dieser Gesellschaft
die Kopftuchfrage, inzwischen in der Minderheiten konstruiert und schafft,
Gesinnungsprüfung oder in dem „Gesin- sie diffamiert und stigmatisiert und so-
nungstest für einbürgerungswillige Mus- mit Privilegien der dominanten Mehr-
lime“ in Baden-Württemberg, auch in heit verfestigt.
der jüngsten Debatte um das Türkisch- Gerade im Hinblick auf die Zuspit-
Verbot auf Berliner Schulhöfen gesehen. zung sozialer und ökonomischer Pro-
Auch die jüngsten Darstellungen Mo- bleme verstärkt sich ebenso die Ethni-
hammeds in der dänischen und französi- sierung sozialer Probleme.
schen Presse haben neue Polarisierungen Ethnisch-kulturelle Gruppenzugehö-
erzeugt. rigkeiten werden aktiviert oder erst
Kurzum: all diese Diskussionen skiz- konstruiert, um sich Vorteile im sozia-
zieren sich einerseits als Folge der ge- len und ökonomischen Verteilungs-
genwärtigen ethnisch-kulturellen Ausei- kampf zu verschaffen. Das hiesige ge-
nandersetzungen, andererseits schaffen sellschaftliche Klima von
sie zweifelsfrei einen Nährboden für Verteilungsproblemen und
rechtspopulistische Meinungen in der Konkurrenz, Deprivation Kemal Bozay: „...ich bin stolz, Türke zu sein!“
Mitte der Gesellschaft und somit auch und verknappten Ressour- Ethnisierung gesellschaftlicher Konflikte im Zei-
Handlungsfelder für Rechtsextremisten cen (z.B. Arbeitsplätze) chen der Globalisierung. Wochenschau Verlag,
aller Couleurs. gibt dieser Auseinander- 390 Seiten, brosch., ISBN 3-89974208-7
setzung eine neue Dimen-
4) Zuletzt ist als weiterer Faktor hinzuzu- sion. Politik, Gesellschaft In seiner Studie richtet der Autor auf Grundlage theore-
fügen, dass diese Ethnisierungsprozesse und Medien greifen diese tischer Überlegungen wie auch ausführlicher Inter-
auch als Negativspirale zu sehen sind: Je Themen vermehrt – häufig viewsequenzen den Fokus auf eine Entwicklung, die
mehr sich Angehörige der Mehrheitsge- auch in dramatisierter von der Mehrheitsgesellschaft häufig nicht wahrgenom-
sellschaft gegenüber Zuwanderern ab- Form – auf, die dann von men wird: Junge, türkischsprachige Migranten fühlen
schotten, somit fremdethnisieren, desto Rechtsextremisten in Pro- sich nicht als Teil dieser Gesellschaft und ziehen ent-
mehr verstärkt sich der Rückzug der Zu- pagandabausteine umge- schiedene politische Schlussfolgerungen. Als praktische
wanderer aus den Strukturen und Werten wandelt werden. Konsequenz entsteht ein rechts-nationalistisches Poten-
der hiesigen Gesellschaft. Hier ist vor al- Kemal Bozay ■ zial, das bereits nach Ausdruck sucht.

Zündel-Prozess bis März Gruppen die Ausübung seines Berufs mehr als 25.000 Hamburger Todesopfer
vertagt verwehrt. Damit wird die seit zwanzig des Nationalsozialismus öffentlich hör-
Mannheim. Nach einem erneuten Eklat Jahren überwunden geglaubte Berufsver- bar zu machen. Anknüpfend an die ein-
hat das Mannheimer Landgericht den botspraxis der BRD wiederbelebt. Die drucksvolle Aktion im Jahr 1997 soll
Prozess gegen den Holocaust-Leugner BRD war in dieser Angelegenheit bereits wieder zwischen 8 und 20 Uhr auf dem
Ernst Zündel vertagt. Der Vorsitzende 1995 vom Europäischen Gerichtshof für Joseph-Carlebach-Platz am Grindelhof
Richter Ulrich Meinerzhagen warf der Menschenrechte (EGMR) wegen Verstö- gelesen werden, dem Ort der ehemaligen
Wahlverteidigerin des Angeklagten „em- ßen gegen die Europäische Menschen- Bornplatz-Synagoge. Die Manifestation
pörendes und unerträgliches Verhalten“ rechtskonvention verurteilt worden. Ge- soll einen Beitrag dazu leisten, dass die
vor. „Man kann den Eindruck gewinnen, gen die Wiederbelebung der Berufsver- Shoa – die unvergleichbare, systemati-
dass Sie darauf abzielen, die Fortführung bote findet am Samstag, den 25. März sche Verfolgung und Ermordung des eu-
der Verhandlung unmöglich zu machen.“ 2006 eine Demonstration statt, zu der die ropäischen Judentums durch die Natio-
Der 66-jährige Zündel ist wegen Volks- GEW-Landesverbände Hessen und Ba- nalsozialisten – nie vergessen wird. Ge-
verhetzung angeklagt. Der Prozess soll den-Württemberg und das Solidaritäts- dacht werden soll auch der Opfer, die
am 9. März fortgesetzt werden. ■ komitee gegen Berufsverbote aufrufen. aufgrund ihrer Herkunft, Sexualität, poli-
Ausführliche Informationen finden sich tischen oder gesellschaftlichen Auffas-
Verwaltungsgericht verhan- im Internet unter sung und ihres Widerstands gegen das
www.gegen-berufsverbote.de. Todesregime ermordet wurden. Damit
delt das Berufsverbot Für das Solidaritätskomitee gegen nie wieder geschehe, was damals ge-
gegen Heidelberger Lehrer Berufsverbote: Stefan Riedel ■ schah. Den Namen des Toten auszuspre-
Karlsruhe. Am Freitag, den 10. März chen bedeutet, ihm ein Stück Anonymität
2006 findet vor dem Verwaltungsgericht „Jeder Mensch hat einen zu nehmen, ihm ein wenig Individualität
Karlsruhe eine Verhandlung statt, in der und Einzigartigkeit zurückzugeben. Hel-
die Klage des Heidelberger Realschul- Namen“ fen Sie mit, damit Hamburg die Namen
lehrers Michael Csaszkóczy gegen das Hamburg. Anlässlich des Jom HaShoa, hören kann: Lesen Sie einen Namen!
vom Land Baden-Württemberg gegen des Shoa-Gedenktages am Dienstag, 25. Wer die Aktion unterstützen will, kann
ihn verhängte Berufsverbot behandelt April 2006, ruft die Jüdische Organisati- sich an die Landesvereinigung der VVN-
wird. Csaszkóczy wird seit dem Ende on Norddeutscher Studenten (JONS) e.V. BdA (jeden Mittw., Tel. 040-31 42 54)
2003 wegen seines Engagements in anti- und Arbeitsgruppe Namenlesung dazu und/oder an Steffi Wittenberg, email:
faschistischen und antimilitaristischen auf, auch in Hamburg die Namen der steffi.wittenberg@t-online.de wenden. ■

: antifaschistische nachrichten 4/2006 9


Am Wochenende 11./12.2. trafen
sich bei Pößneck acht Initiativen
gegen Rechtsextremismus. Ein-
In Pößneck ist es 5 vor 12
dringlich warnten sie davor, 2007 die zivilgesellschaftlich lebendige Stadt zu ländern viel geleistete Aufbauarbeit auf
Bundesprogramme zur Finanzierung ih- verbessern. Dies war ein erster, für beidedem Spiel. Hier dürfen sich Bund und
rer Arbeit auslaufen zu lassen. In Thürin- Seiten sehr lehrreicher Erfahrungs- und Länder nicht aus der Pflicht stehlen. Wir
gen sei die Situation besonders ernst, Ideenaustausch, der von nun an intensi- fordern einen zügigen Ausbau und eine
denn im Gegensatz zu fast allen Bundes- Ausdehnung solcher Förderprogramme.
viert werden soll. Unser Ziel ist eine wirk-
ländern fehle hier ein Programm gegen same Vernetzung, der sich weitere Initiati- Wir drängen darauf, dass dies bald ge-
Rechtsextremismus. schieht, um
Pößneck war bewusst als Treff ge- der Arbeit ge-
wählt. Die Stadt hatte im April vergange- gen Extre-
nen Jahres mit einem Skinhead-Konzert, mismus und
das nicht verhindert werden konnte, bun- seine Folgen
desweit auf sich aufmerksam gemacht. im Osten und
Pößneck war auch aufgefallen, weil nach Westen ei-
dem Kauf eines großen Veranstaltungs- ne zukunfts-
gebäudes durch Neonazis mitten im Zen- sichere Per-
trum lange nichts unternommen wurde, spektive zu
um das Festsetzen der Rechtsextremen geben.
zu erschweren. Die Initiativen verab- Nur mit
schiedeten die nachfolgend dokumen- langem Atem
tierte Erklärung. Im November wird der können wir
Ratschlag gegen Rassismus, Antisemitis- stärker sein
mus und nationalismus in Pößneck statt- Bild aus Münster vom 18. Februar 2006 als die erklär-
finden. http://lag-antifa.org/ ■ ten Feinde
der Demo-
Pößnecker Erklärung: ven sehr gerne anschließen können. Eine kratie. Noch ist es fünf vor zwölf, doch
solche konstruktive Vernetzung empfeh- wenn wir nicht aufpassen, schlägt es 13.
In Pößneck ist es 5 vor 12. len wir auch anderen - Verwaltungen ge- ABC - Aktionsbündnis Courage
Doch nicht nur hier. nauso, wie Schulen, Vereinen und Me- (www.abc-poessneck.de)
dien. Aktion Zivilcourage e.V., Pirna
Wir, acht bundesdeutsche Initiativen für Initiativen, wie das ABC Pößneck, das (www.aktion-zivilcourage.net)
Demokratiekultur und gegen Extremis- Netzwerk für Demokratische Kultur in Netzwerk für Demokratische Kultur
mus, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Wurzen, die Aktion Zivilcourage Pirna, e.V. Wurzen (www.ndk-wurzen.de)
Antisemitismus, sind hier, um das Pößne- JeP in Potsdam oder das Schülerbündnis JeP-Jugend engagiert in Potsdam e.V.
cker Aktionsbündnis Courage (ABC) Verden und die Jugendinitiative Wunsie- (www.jep-ev.de)
nachhaltig zu unterstützen. Uns eint das del, brauchen aber nicht nur starken Verdener SchülerbündnisKONTrassT
Anliegen, zivilgesellschaftliche Werte zu Rückhalt in ihren Kommunen und durch (www.kontrasst.info)
vermitteln und Demokratie auf kreative Vernetzung mit anderen Projekten, son- Jugendinitiative Wunsiedel
und friedliche Weise zu verteidigen. dern auch eine Absicherung ihrer Arbeit (www.jugendini-wunsiedel.de)
Im Rechtsextremismus sehen wir eine durch Förderprogramme, wie es sie leider Amadeu Antonio Stiftung Berlin
besonders ausgeprägte Gefahr. Er ist kein nur noch bis zum Ende dieses Jahres (www.amadeu-antonio-stiftung.de)
Randproblem, sondern tarnt und verfes- durch die Bundesregierung gibt. Ab dann Bildungswerk Blitz e.V.
tigt sich zunehmend in der Mitte der Ge- steht insbesondere in den neuen Bundes- (www.bildungswerk-blitz.de) ■
sellschaft - in Ost, wie West. Er zielt auf
die Abschaffung der Demokratie und ne-
giert die Gleichwertigkeit der Menschen.
Nicht nur das Pößnecker Schützenhaus Hakenkreuzstreit
droht zu einem Symbol für die deutsch-
landweite Vernetzung der extremen Rech-
ten zu werden. Das Schützenhaus darf
erreicht den Bundestag
keine weitere Zentrale von Neonazis wer- Berlin. Das Vorgehen der Stutt- richteten Gedankenguts nicht strafbar.“
den. garter Staatsanwaltschaft gegen Der Bundestagsabgeordnete, der auch
Deshalb fordern wir die Stadt Pößneck, Antifaschisten (siehe auch AN3- Vorsitzender des Innenausschusses ist,
den Saale-Orla-Kreis und das Bundesland 06) stößt nicht nur bei Beteiligten auf Un- will nun prüfen, ob es sich bei den Vor-
Thüringen auf, alles Erdenkliche zu tun, verständnis. Sebastian Edathy (SPD), der gängen im Ländle um Einzelfälle handelt.
dies zu verhindern. Zugleich bitten wir, Sprecher der Arbeitsgruppe Rechtsextre- Falls nicht, müsse man die Sache „poli-
die Arbeit des überparteilichen Pößnecker mismus im Bundestag, nennt die Strafan- tisch beantworten“.
Aktionsbündnisses ABC nicht nur ideell, zeigen wegegn durchgestrichener Haken- Edathy hält den Gesetzestext zwar für
sondern auch praktisch und räumlich zu kreuze einen „rechtspflegerischen Skan- eindeutig, aber er müsste dann wohl so
unterstützen und unsere Jugendarbeit zu dal“. Bürger, die sich gegen Rechtsextre- präzisiert werden, dass ein Missverstehen
einer zentralen, zukunftssichernden Auf- mismus engagierten, würden kriminali- – auch ein gewolltes, ausgeschlossen sei.
gabe zu erklären. siert. Laut Rechtsprechung seien Hand- Wem auf Grund der Verwendung von An-
Dazu bedarf es auch der Rückende- lungen straffrei, die nicht das Ziel hätten, tinazisymbolen eine strafrechtliche Ver-
ckung durch alle hier aktiven demokrati- eine Identifikation mit den Zielen der ver- folgung droht, den ruft Sebastian Edathy
schen Parteien, Verbände, gesellschaftli- botenen Organisation zum Ausdruck zu auf, sich zu melden:
che Gruppen sowie der lokalen Wirt- bringen. Edathy: „Daher ist die Verwen- Telefon 030/22 77 57 57,
schaft, der es ebenso ein Anliegen sein dung des durchgestrichenen Hakenkreu- E-Mail: innenausschuss@bundestag.de
muss, Pößnecks Ansehen als weltoffene, zes als Symbol der Ablehnung rechts ge- Quelle: Stuttgarter Zeitung, 8.2.06 ■

10 : antifaschistische nachrichten 4/2006


: ausländer- und asylpolitik
der Verantwortung in Länder, die der
Flüchtlingsproblematik wegen eigener
Strukturschwächen nicht gerecht werden
Abschiebestopp durch- stand gegen das Regime in Togo und die könnten, stelle internationale Standards
gesetzt Kollaboration der Bundesregierung fort. und grundlegende Rechte von Flüchtlin-
Dass die Situation in Togo sich nach gen in Frage. Die Regierung soll darle-
Das Innenministerium in Mecklenburg- den Wahlen im April 2005 drastisch ver- gen, welche RPP-Vorhaben noch in die-
Vorpommern erließ am 7. Februar 2006 schärfte, ist den deutschen Behörden sem Jahr als „europäischer Beitrag zur
einen vorläufigen Abschiebestopp nach durchaus bekannt. Trotzdem wird in das Entwicklung betroffener Staaten“ reali-
Togo, als bisher einziges Bundesland. westafrikanische Land abgeschoben. Die siert werden. Gefragt wird dazu, in wel-
Das ist ein großer Erfolg der antirassisti- grundsätzliche Entscheidung über Asyl- chen Staaten außer Libyen solche Ein-
schen Bewegung – aber noch lange kein anträge obliegt dem Bundesamt für richtungen existieren, die als Vorbild für
Sieg. Jetzt gilt es, die grundsätzliche An- Flüchtlingsfragen (BAFL) in Nürnberg. die genannten Schutzzentren dienen kön-
erkennung togolesischer Flüchtlinge als Das Bundesamt entscheidet aufgrund der nen. Außerdem will die Linksfraktion
asylberechtigt durchzusetzen. Berichte über die asyl- und abschie- wissen, wie gewährleistet werden soll,
Mehr als 300 togolesische Flüchtlinge bungsrelevante Situation der jeweiligen weitab von Europa untergebrachte
allein aus Mecklenburg-Vorpommern Länder, die vom Auswärtigen Amt ver- Flüchtlinge vor physischer Gewalt, aku-
sollten in den kommenden Wochen abge- fasst werden. Diese so genannten Lage- tem Versorgungsmangel und anderen
schoben werden. Dagegen regte sich Wi- berichte werden auch bei Asylverfahren Unsicherheiten zu schützen und ob sich
derstand bis in die Regierung Mecklen- vor Gericht herangezogen. Im Falle von eine große Flüchtlingszahl in ohnehin
burg-Vorpommerns: Neben der Kampa- Togo konstatierte das Auswärtige Amt strukturell unterversorgten Regionen
gne gegen die Diktatur in Togo, Flücht- bereits in der Vergangenheit die „fakti- oder Krisengebieten destabilisierend
lingsgruppen, antirassistischen Initiati- sche Alleinherrschaft“ Gnassingbé Eya- auswirkt. Schließlich soll die Regierung
ven und der Bundestagsfraktion der demas, eine „nicht als unabhängig“ zu erläutern, welche Rolle Nichtregierungs-
Linkspartei forderten auch die mecklen- bezeichnende Justiz, massive Menschen- organisationen bei der Planung und
burgische PDS-Frakion, ihres Zeichens rechtsverletzungen, mangelnde Presse- Durchführung haben, welche staatlichen
Koalitionspartner der SPD, und alle Mit- freiheit, Repressionen vor allem gegen Behörden Asylanträge von Flüchtlingen
glieder des Petitionsausschusses des regimekritische Medien sowie Journalis- in den Schutzzonen bearbeiten sollen
Schweriner Landtags parteiübergreifend ten und Verleger, „überaus harte Haftbe- und von welchen Stellen welcher Nation
den Erlass eines vorläufigen Abschiebe- dingungen“, „das wiederholte Eingreifen darüber entschieden wird. rül ■
stopps. Doch Innenminister Gottfried der Sicherheitskräfte in die innenpoliti-
Timm (SPD) zeigte sich davon unbeein- sche Auseinandersetzung“, eine „große Rettet den Bayerischen
druckt, noch am 31. Januar ließ er den Diskrepanz zwischen Verfassung sowie
Oppositionellen Alassane Moussbaou in geltenden Rechtsnormen einerseits und Flüchtlingsrat!
einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach ihrer tatsächlichen Beachtung und Um- München. 2006 sollte unser großes Ju-
Togo ausfliegen (s. AN 3-06). setzung andererseits“, kurzum, „ein Kli- beljahr werden. Seit 1986 gibt es den
Am 7. Februar 2006 kursierte das Ge- ma subtiler politischer Einschüchterung“ Bayerischen Flüchtlingsrat nun schon,
rücht, Timm habe Abschiebestopp erlas- in dem durchaus handfeste Methoden stolze 20 Jahre! Völlig überraschend
sen. Die Pressestelle des Schweriner In- wie extralegale Hinrichtungen ange- wurden uns jetzt die EU-Fördermittel ge-
nenministeriums bestätigte diese Mel- wandt werden (Lagebericht vom 7. Juni strichen. Unser Jubiläumsjahr könnte
dung gegenüber der Tageszeitung Neues 2004). Doch in all dem sieht das BAFL nun auch unser letztes werden!
Deutschland (ND). Ein Pressesprecher keinen Grund, politische Verfolgung an- Die Geschäftsstelle des Bayerischen
sagte, der Erlass gelte, bis das Auswärti- zuerkennen und Asyl zu gewähren – an- Flüchtlingsrates zählt zu den wichtigsten
ge Amt einen neuen Lagebericht zu Togo ders als die Behörden in der Schweiz, verbleibenden Strukturen für die unab-
veröffentlichen werde. Wie lange das dort werden 70% aller Flüchtlinge aus hängige aktive Flüchtlingssolidarität in
dauert, kann niemand sagen, nicht ein- Togo anerkannt. Birgit Gärtner ■ Bayern. Hier erhalten Flüchtlinge, Mi-
mal die Pressestelle des Auswärtigen grantInnen, Illegalisierte und ihre Unter-
Amtes in Berlin: Der Bericht sei so ge- Auffanglager für Flüchtlinge stützerInnen bayernweit kompetente Be-
heim, dass nicht einmal das Datum sei- ratung, Rechtsanwälte und Rechtshilfe
ner Veröffentlichung bekannt werden außerhalb der EU werden vermittelt, Proteste und Kampa-
dürfe, erläuterte ein Pressesprecher dem Berlin. Der Plan der EU, noch im Jahr gnen werden entwickelt, umgesetzt und
ND. 2006 gemeinsam mit den Vereinten Na- koordiniert.
Bereits einen Tag vorher, am 6. Febru- tionen außerhalb der EU-Grenzen erste Ob es um den Protest gegen Lager, die
ar 2006, wurde überraschend die Ab- Auffanglager im Rahmen „regionaler Essenspakete, Abschiebepraktiken, Blei-
schiebehaft für Adzrakou Komi Anani Schutzprogramme“ (Regional Protection berecht oder Abschiebehaft geht – der
aufgehoben. Der togolesische Oppositio- Programmes, RPP) für Flüchtlinge zu er- Bayerische Flüchtlingsrat sorgt seit Jah-
nelle war am 16. Januar 2006 in die Ab- richten, ist Gegenstand einer Kleinen ren mit seinen Partnern dafür, dass diese
schiebeabteilung der Justizvollzugsan- Anfrage der Fraktion Die Linke Themen in der Öffentlichkeit Resonanz
stalt (JVA) Bützow verbracht worden (16/492). Nach Angaben der Regierung finden. Viel wurde gestrichen und ge-
und umgehend in den Hungerstreik ge- sollen in einem Pilotprojekt des RPP kürzt in den letzten Jahren, so dass der
treten. Wenige Tage später wurde er ge- Flüchtlinge zunächst in Auffanglager in Bayerische Flüchtlingsrat und seine Ge-
meinsam mit Mousbaou, der sich dem Tansania, der Ukraine und in Moldawien schäftsstelle eine viel gefragte überregio-
Protestfasten angeschlossen hatte, in die gebracht werden, „um sie dort über ihre naleAnlaufstelle in Sachen Flucht und
Krankenstation der JVA verlegt. Von dort Situation aufzuklären und sie davon ab- Asyl in Bayern ist. Flüchtlingsorganisa-
aus wurde er nach der Abschiebung zubringen, sich auf den gefährlichen tionen wie z. B. die Karawane sind drin-
Mousbaous in die Warnow-Klinik nach Weg nach Europa zu machen“. Dies wer- gend auf unsere Unterstützung angewie-
Rostock verlegt, dort total abgeschirmt, de von Menschenrechts- und Flücht- sen (Know how, Fax-, Computer-, Büro-
mit Fußfesseln ans Bett gekettet und lingsorganisationen, so die Linksfrakti- nutzung etc.) um ihre Proteste durchfüh-
strengstens bewacht. Inzwischen ist er on, als „weitere Abschottung des EU- ren zu können.)
ein freier Mann und setzt seinen Wider- Raumes“ abgelehnt. Ein Wegschieben weiter Seite 12

: antifaschistische nachrichten 4/2006 11


Wir wollen nicht aufgeben! Wir wol- einen anderen Umgang mit „illegalen“ anspruchnahme zentraler sozialer Rechte
len versuchen unsere Geschäftsstelle zu Migranten ein. Ein erstes Ziel des Katho- (wie medizinische Notfallversorgung,
erhalten. Trotz sparsamster Haushalts- lischen Forums „Leben in der Illegalität“ Schulbesuch von Kindern und Schutz
führung fehlen uns für 2006 aber immer ist nun erreicht. Das sagte der Vorsitzen- vor wirtschaftlicher Ausbeutung) zu er-
noch rund 14.000 Euro. Gelingt es uns, de, Weihbischof Dr. Josef Voß (Münster), möglichen.
bis Ende Mai – 200 neue Fördermitglie- nach der Mitgliederversammlung des Des Weiteren, so die Mitgliederver-
der zu werben – sind wir vorerst über Forums am 31. Januar in Bonn. „Nach- sammlung, sollte rechtlich klargestellt
dem Berg! Deshalb: Werden Sie oder dem das Thema jahrelang tabuisiert wur- werden, dass sich Personen und Organi-
werben Sie ein Fördermitglied! Mit ei- de, ist es nun gelungen, die humanitären sationen nicht strafbar machen, die sich
nem Jahresbeitrag von 60,– Euro, also Aspekte der illegalen Migration auf die aus humanitären Gründen um diese
nur 5,– Euro im Monat helfen Sie uns politische Tagesordnung zu heben.“ So Menschen kümmern. Humanitäre Hilfe
nachhaltig! mache der im Koalitionsvertrag zwi- etwa durch Ärzte, Seelsorger und Sozial-
www.fluechtlingsrat-bayern.de ■ schen CDU, CSU und SPD ausdrücklich arbeiter wird nach Überzeugung des Ka-
erteilte „Prüfauftrag“ für den Bereich Il- tholischen Forums nicht von den Straf-
Katholisches Forum Leben legalität deutlich, dass der dringende tatbeständen der Beihilfe zur illegalen
Handlungsbedarf nun auch seitens der Einreise und zum illegalen Aufenthalt er-
zum Umgang mit „Illegali- Politik erkannt wird. Die Bundestags- fasst. Menschen, die im Rahmen ihrer
tät“ fraktion Bündnis 90/ Die Grünen habe beruflichen Aufgaben humanitäre Hilfe
Bonn. Menschen, die ohne Aufenthalts- inzwischen einen Gesetzentwurf zur Ver- leisten, dürfen nicht der Gefahr der Straf-
recht – in der Illegalität – in Deutschland besserung der sozialen Situation von verfolgung ausgesetzt sein.
leben, befinden sich häufig in einer Menschen in der Illegalität in den Bun- Weitere Informationen: Katholisches Fo-
schwierigen und verzweifelten Lage. destag eingebracht. rum Leben in der Illegalität Reinhardt-
Das Katholische Forum Leben setzt sich Die Kirche fordere seit Jahren, auch straße 13, 10117 Berlin,
deshalb in Gesellschaft und Politik für Menschen ohne Aufenthaltsrecht die In- www.forum-illegalitaet.de ■

Islamische Verbände zum baden-württembergischen „Gesprächsleitfaden“

Grundgesetzwidriges und integrations-


feindliches Sonderrecht gegen Muslime
Der Zentralrat der Muslime in dem für den angestrebten Zweck, das Be- Sonderrecht für Muslime
Deutschland (ZMD), der Islamrat kenntnis zum GG zu überprüfen, weitge- Das baden-württembergische Innenminis-
für die Bundesrepublik Deutsch- hend untauglich sind. Auch eine nichtdis- terium begründet den Gesprächsleitfaden,
land und die Islamische Glaubensgemein- kriminierende Anwendung des Gesprächs- der seit 1.1.06 Anwendung findet, damit,
schaft Baden-Württemberg (IGBW) ha- leitfadens auf alle Einbürgerungswilligen dass das Bekenntnis zur „freiheitlich-de-
ben den Rechtsanwalt und Publizisten wäre deshalb in hohem Maße problema- mokratischen Grundordnung“ bei der Ein-
Rolf Gössner um eine „rechtspolitisch- tisch. Denn die über den Vorwurf der Un- bürgerung keineswegs als Formalie ge-
gutachterliche Stellungnahme“ zu dem gleichbehandlung hinausgehenden verfas- handelt werden dürfe, sondern überprüft
umstrittenen baden-württembergischen sungsrechtlichen und rechtspolitischen werden müsse.
„Gesprächsleitfaden für Einbürgerungsbe- Einwände gegen die Fragestellungen und Dass schon das bestehende Einbürge-
hörden“ gebeten. Am 12.1. hat Gössner, das Prozedere wären damit nicht aus dem rungsrecht eine Fülle von Hürden enthält –
der auch Vorsitzender der Internationalen Weg geräumt.“ in der Regel acht Jahre Aufenthalt vor Ein-
Liga für Menschenrechte ist, die Stellung- Betroffene, die in ihrem Einbürgerungs- bürgerung, Bestreitung des Lebensunter-
nahme vorgelegt, am 23.1. haben die mus- verfahren mit diesem Fragebogen kon- halts aus eigener Arbeit, Deutschkenntnis-
limischen Verbände sie in der Landespres- frontiert werden, sollten deshalb, so der se, Überprüfung durch den Verfassungs-
sekonferenz Stuttgart der Öffentlichkeit Rat Gössners, auf die Fragen aus dem Ge- schutz, Gebühren von 500 Euro pro Ein-
vorgestellt. sprächsleitfaden möglichst nicht antwor- bürgerung usw. – mit der Folge, dass die
Ihr Ergebnis ist eindeutig: ten und mit Verweis auf die öffentliche BR Deutschland noch immer eines der eu-
„Der Gesprächsleitfaden muss aus ver- Debatte und auf die verfassungsrechtli- ropäischen Länder mit der geringsten Ein-
fassungs- und datenschutzrechtlichen so- chen Bedenken erklären, dass sie zunächst bürgerungsquote ist, ignorieren die Lan-
wie aus rechtspolitischen Gründen so Rechtsrat einholen wollten. Daraus dürfe desregierung in Baden-Württemberg und
schnell wie möglich zurückgezogen wer- ihnen kein Nachteil entstehen. die anderen Unionsländer dabei vollstän-
den. Er schadet auch integrationspolitisch Sollte ihre Einbürgerung aufgrund die- dig.
weit mehr, als er nützt. Mit der Beendi- ses durchgeführten Gesinnungstests abge- Hinzu kommt, dass der Gesprächsleitfa-
gung dieser Praxis wäre auf diesem Gebiet lehnt werden, so Gössner weiter, dürfte es den keineswegs an irgendwelchen „Ver-
auch die eklatante Ungleichbehandlung sich in vielen Fällen lohnen, den Verwal- dachtsgründen“ anknüpft, sondern
von Muslimen behoben.“ tungsrechtsweg zu beschreiten, also gegen schlicht an der vermuteten Religion „mus-
Theoretisch könnte, so Gössner, diese die Ablehnung zu klagen. limisch“. Betroffen, so Gössner, seien Ein-
Ungleichbehandlung auch dadurch been- Falls von den Behörden keine weiteren bürgerungsbewerber aus 57 islamischen
det werden, dass in Zukunft alle Einbürge- Gründe – z.B. Mitteilungen des Verfas- Ländern mit hohem muslimischen Bevöl-
rungswilligen mit diesem Gesprächsleitfa- sungsschutz – vorgelegt würden, hätten kerungsanteil, darunter Staaten wie die
den konfrontiert würden. „Gegen eine solche Klagen durchaus Aufsicht auf Er- Türkei, Iran, Afghanistan, Indonesien usw.
weitere Verwendung des Gesprächsleitfa- folg, meint der Anwalt. Falls die erforder- Das betrifft rund 60% aller im Jahr 2004 in
dens spricht allerdings, dass die darin ent- lichen Voraussetzungen gegeben seien, Baden-Württemberg Eingebürgerten.
haltenen Fragen für sich genommen dis- sollte auch eine Verfassungsbeschwerde Gössner verweist auf eine Pressemittei-
kriminierenden, inquisitorischen und vor- gegen die Gesinnungstests geprüft wer- lung des baden-württembergischen Innen-
urteilsbeladenen Charakter haben und zu- den. ministeriums vom 14.12.05. Darin habe

12 : antifaschistische nachrichten 4/2006


das Ministerium explizit von „Zweifeln, Braut“) unwissenschaftlich und unseriös rungsform, die wir haben“, ein. Sei das
ob bei Muslimen generell davon auszuge- argumentierten. „Dass Politik mit Hilfe möglicherweise ein Ablehnungsgrund?
hen sei, dass ihr Bekenntnis bei der Ein- der Medien zur Verbreitung solch unseriö- Gössner verweist darauf, dass die Frage
bürgerung auch ihrer tatsächlichen inneren ser Literatur beiträgt, um eigene integrati- fast identisch sei mit einer berühmten Aus-
Einstellung entspricht“, gesprochen. Mit onspolitische Fehler im Umgang mit dem sage des britischen Premierministers
sonstigen Einbürgerungsbewerbern werde Thema Zuwanderung zu verschleiern – Winston Churchill. Churchill hatte am 11.
ein solches Intensivgespräch nur dann ge- diese Entwicklung beobachten wir mit Be- November 1947 im britischen Unterhaus
führt, „wenn bekannt sei, dass sie islami- sorgnis“, heißt es da (in: „Gerechtigkeit erklärt: „Demokratie ist die schlechteste
schen Glaubens seien oder bei denen im für die Muslime!“, Die Zeit, 04/2006). Ar- Regierungsform – außer all den anderen
Einzelfall Zweifel an der Ernsthaftigkeit rangierte Ehen beispielsweise seien eine Formen, wie sie von Zeit zu Zeit auspro-
ihres Bekenntnisses“ (ebenda) bestünden. Folge von Heiratsmärkten zwischen Her- biert worden sind.“ Wenn eine Zustim-
Das Innenministerium begründet seine kunfts- und Einwanderungsländern und mung zu Frage 2 als Ablehnungsgrund
pauschalen Verdächtigungen von Perso- damit „das Ergebnis der Abschottungspo- gelte, so Gössner, wäre der britische Pre-
nen muslimischen Glaubens mit vier „Er- litik Europas gegenüber geregelter Ein- mier niemals deutscher Staatsbürger ge-
kenntnissen“: wanderung“. Sie seien damit „ein politi- worden.
1. habe sches und kein moralisches Problem“. Ungeeignet, unverhältnismäßig
eine Un- Trotzdem scheinen die Innenminister
tersuchung fest entschlossen, nun die Ernte solch un- Hinzu komme, so Gössner weiter, dass die
des Zen- seriöser Veröffentlichungen einzuholen. Fragen auch einfach ungeeignet seien. Ihm
tralinsti- Alle einbürgerungswilligen Muslime müs- sei jedenfalls kein Fall bekannt, in dem ein
tuts Islam sen nun jedenfalls in Baden-Württemberg, (potentieller) Terrorist anhand solcher
Archiv er- ohne dass sie hierfür einen konkreten An- Selbstauskünfte entdeckt worden sei.
geben, haltspunkt bieten, erklären, ob sie mögli- „Hängen bleiben wohl eher die arglosen
dass 21% cherweise frauenfeindlich, kriminell, ter- Kandidaten“. Zudem stünden die meisten
der in roristisch oder verfassungsfeindlich sind, Fragen in keinem angemessenen Verhält-
Deutsch- ob sie ihre Frauen schlagen, mit zwei nis zu ihrem Zweck, verstießen also gegen
land le- Frauen gleichzeitig verheiratet sein wol- den verfassungsmäßigen Verhältnismäßig-
benden len, ob sie ihre Töchter einsperren, ihre keitsgrundsatz.
Muslime Kinder am Sportunterricht hindern wollen, Etliche Fragen verstießen zudem gegen
der Auf- eine Frau oder einen Homosexuellen in den Schutz der Intimsphäre und des Kern-
fassung leitender beruflicher Stellung oder in der bereichs privater Lebensgestaltung – so
seien, das Politik nicht anerkennen, einen schwulen zum Beispiel Fragen nach familiären Ver-
Grundge- Sohn verstoßen würden usw. usf. „Mit den haltensweisen oder sexueller Orientierung.
setz sei teils moralisch aufgeladenen Fragen wird „Viele Antworten auf die Fragen des Ge-
Infostand auf einer Kundgebung gegen
den Gesinnungstest am 11.2. in Stuttgart, nicht mit letztlich klischeehaft unterstellt, dass Mus- sprächsleitfadens gehen den Staat prinzi-
an der sich 1000 Menschen beteiligten. dem Ko- lime grundsätzlich, zumindest tendenziell piell nichts an – etwa die Einstellung zum
ran verein- demokratiefern und verfassungsfeindlich Schwulsein. Wie überhaupt den Staat die
bar. eingestellt seien, gewaltgeneigt bis terro- Gesinnung und Lebensführung seiner
2. Nach diversen Veröffentlichungen ristisch, Frauen unterdrückend, antisemi- Bürger prinzipiell nichts angehen – es sei
würden „mitten in Deutschland die Men- tisch, homophob und bigamistisch“, so denn, dabei geht es um Gesetzesbruch
schenrechte Tausender islamischer Frauen Gössner. bzw. strafbare Handlungen.“
mit Füßen getreten, weil sie in ihren Fami- Keine Verfassungsrelevanz Die Fragen erinnerten ihn stark an die
lien praktisch wie Sklavinnen … gehalten Gesinnungstests der berüchtigten Berufs-
würden“, Viele dieser Fragen hätten zudem, so verbote der 70er und 80er Jahre, so Göss-
3. komme hinzu, „dass gerade bei Mus- Gössner weiter, gar keine Verfassungsrele- ner weiter. Europäische Gerichte haben
limen Tendenzen zur Abgrenzung von der vanz. Fragen nach dem Verhalten bei Ver- solche Fragen und darauf basierende Ent-
deutschen Bevölkerung zu beobachten sei- letzung religiöser Gefühle oder im Fall scheidungen inzwischen mehrfach als ver-
en“. Das komme auch in Begründungen von Beleidigungen, nach dem Verhalten fassungs- und menschenrechtswidrig ab-
von Tätern so genannter „Ehrenmorde“ gegenüber weiblichen Autoritätspersonen, gelehnt.
wie im letzten Jahr bei dem Mord an der nach der Wahl eines Arztes oder einer Ärz- „Alles in allem ist festzustellen, dass es
türkisch-stämmigen Berlinerin Hatun Sü- tin, der Einmischung in die Berufswahl sich bei dem Gesprächsleitfaden entweder
rücü zum Ausdruck. der Kinder oder in deren Teilnahme am um irrelevante oder wirklichkeitsfremde
4. stünden Menschenrechte im Islam Sportunterricht oder nach homosexuellen Fragen handelt oder um unzulässige Fang-
generell unter dem Vorbehalt der Verein- Söhnen oder Politikern hätten allesamt und Suggestivfragen.“ „Sie sind für ein
barkeit mit der Scharia. „nichts mit der Verfassungskonformität Einbürgerungsverfahren ungeeignet, weil
Dass analoge Vorwürfe auch gegen oder Verfassungsfeindlichkeit“ zu tun. Sie es hier um die Abfrage von Weltanschau-
christliche Fundamentalisten oder die ka- schössen weit über die zulässigen Fragen ungen geht, die in einer pluralen Gesell-
tholische Amtskirche vorgebracht werden nach der Verfassungstreue hinaus und sei- schaft nicht nur erlaubt, sondern qua Ver-
könnten (Stichworte Abtreibung, Gleich- en schon deshalb unzulässig. fassung toleriert werden. Von den Neubür-
berechtigung der Frau …), stört die baden- Unpräzise, unverständlich gern soll offenbar mehr erwartet werden
württembergischen Behörden dabei nicht als von Durchschnittsdeutschen.“
im Geringsten. Andere Fragen, in denen direkt nach der Verstoß gegen das Diskriminierungs-
In einer kürzlich in der „Zeit“ veröffent- Einstellung zur Verfassung gefragt werde, verbot
lichten Erklärung haben zahlreiche Migra- seien unverständlich und unpräzise. So
tionsexperten zudem darauf hingewiesen, werde in Frage 2 gefragt: „Was halten Sie Schließlich, so Gössner, verstoße schon al-
dass nicht wenige der von den Innenminis- von folgender Aussage: Demokratie ist die lein die Tatsache, dass der Gesprächsleit-
tern für ihre Behauptungen herangezoge- schlechteste Regierungsform, die wir ha- faden pauschal bei Muslimen zum Einsatz
nen Veröffentlichungen (etwa das von Ex- ben, aber die beste, die es gibt.“ Wer der kommen solle, gegen den Gleichbehand-
Innenminister Schily öffentlich empfohle- Frage zustimme, so Gössner, stufe damit lungsgrundsatz nach Art. 3 GG. „Nach
ne Buch von Necla Keleks „Die fremde die Demokratie als „schlechteste Regie- Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor

: antifaschistische nachrichten 4/2006 13


dem Gesetz gleich.“ In Absatz 3 heiße es württembergische Gesprächsleitfaden hin die jährlichen Einbürgerungszahlen
dann sogar ausdrücklich: „Niemand darf müsse zurückgezogen werden. Das ist nur vorübergehend angestiegen und seit
wegen … seiner Herkunft, seines Glau- auch die Position der anderen muslimi- 2000 kontinuierlich rückläufig.
bens, seiner religiösen oder politischen schen Verbände. Am 20. Juli 2005 veröffentlichte das
Anschauungen benachteiligt oder bevor- Irgendwie scheint inzwischen auch den Statistische Bundesamt die bisher letzten
zugt werden.“ Im vorliegenden Fall aber Unionsparteien zu schwanen, dass sie zu Einbürgerungszahlen für 2004. Hier die
würden alle Menschen (mutmaßlich) mus- weit gegangen sind. An der Absicht, die damit verbundene Tabelle der Einbürge-
limischen Glaubens gegenüber anderen Bundesrepublik weiter gegen Einwande- rungen in den letzten fünf Jahren:
(Nichtmuslimen) ungleich behandelt und rung abzuschotten und Einbürgerungen
damit benachteiligt. noch mehr zu erschweren, wollen sie aber Jahr Einbürgerungen
Das sei sachlich nicht gerechtfertigt, festhalten. Auf einer Tagung der Unions- 2000 186.688
sondern willkürlich und ein Verstoß gegen Innenminister am 2. Februar einigten diese 2001 178.098
das Diskriminierungsverbot. Dieses Dis- sich nach Presseberichten auf einen 10- 2002 154.547
kriminierungsverbot aber habe die Bun- Punkte-Plan, der unter anderem erneute 2003 140.731
desrepublik auch in internationalen Ab- Änderungen im Zuwanderungsgesetz er- 2004 127.150
kommen als allgemeines Menschenrecht reichen will. So sollen nun alle Einbürge- Quelle: Statistisches Bundesamt,
anerkannt, so in der Allgemeinen Erklä- rungswilligen zusätzlich zu den bisher Pressemitteilung vom 20.7.2005,
rung der Menschenrechte der UNO, im In- schon bestehenden Hürden künftig auch www.destatis.de
ternationalen Pakt über bürgerliche und einen „Informationskurs“ z.B. an Volks-
politische Rechte und in der Europäischen hochschulen besuchen, der mit einem Test Das Statistische Bundesamt nennt eben-
Menschenrechtskonvention. Zudem unter- endet, den sie bestehen müssen. Auch bei falls für 2004 für die „ausländische Wohn-
sage auch die Anti-Diskriminierungsricht- den Sprachtests sollen die Hürden höher bevölkerung“ in der Bundesrepublik eine
linie der EU (2000/43/EG, Amtsblatt Nr. L als bisher gelegt werden. Die Innenminis- Zahl von 7,288 Millionen Personen. Das
180 v. 19.7.2000, Seite 22 -26) ein solches ter von Bayern, Hessen und Niedersach- bedeutet: Blieben die Einbürgerungszah-
Verfahren. sen wollen diese Ziele nun gemeinsam mit len so niedrig wie 2004, würde es noch 57
Einbürgerung rückläufig, dem Vize-Fraktionschef der Union im Jahre dauern, bis alle in der Bundesrepu-
Abschottung steigt Bundestag, Wolfgang Bosbach, in die Be- blik lebenden Personen ausländischer
ratungen von Bundesrat und Bundestag Staatsangehörigkeit eingebürgert wären.
Der Sprecher des Zentralrats der Muslime einbringen. Der Union ist offenbar selbst diese skan-
in Deutschland, Mounir Azzaoui, hat auf Das Ergebnis wird weitere Abschottung dalös niedrige Einbürgerungsquote noch
einer gleichzeitigen Pressekonferenz am sein. Dabei sind nach der rot-grünen Re- viel zu hoch.
23. Januar in Berlin verlangt, der baden- form des Einbürgerungsrechts 1999 ohne- rül ■

Die Vereinigung der Verfolgten


des Naziregimes – Bund der An- Keine Aufgabenerweiterung
tifaschisten (VVN-BdA) protes-
tiert gegen die schleichende Aufgabener-
weiterung der Bundeswehr wie sie ge-
der Bundeswehr
genwärtig von den CDU/CSU-Ministern Luftraumüberwachung soll der Bundes- ren nicht zum Aufgabenkatalog der Bun-
in Bund und Ländern erörtert werden. wehr und der NATO übertragen werden, deswehr.
Die Bundeswehr soll „polizeiähnlich“ obgleich ein entsprechendes Gesetz nicht Die VVN-BdA appelliert an die Ge-
im Innern der Bundesrepublik eingesetzt rechtskräftig ist. werkschaften, an die demokratischen
werden, und die Polizei soll mit soldati- Die VVN-BdA verurteilt diese Pläne. Medien, an alle Demokraten, den Grund-
schen Fähigkeiten künftig auch Aus- Erneut soll offenbar eine Grundgesetzän- gesetzbruch zu Lasten der Demokratie
landseinsätze absolvieren. Darauf laufen derung durch Manipulationen und Umin- und Freiheit der Bürger nicht zuzulassen.
die sicherheitspolitischen Vorstellungen terpretierungen erreicht werden, ohne Die VVN-BdA erinnert an den Wider-
der CDU/CSU-Minister hinaus. Schon den Text des Grundgesetzes zu ändern. stand gegen die Notstandsgesetze zu Zei-
lange fordern die Unionssicherheitsex- Das aber ist verfassungswidrig. Das ten der vorletzten Großen Koalition. Was
perten, dass alles, was Uniform trägt, un- Grundgesetz bestimmt eindeutig, dass heute geplant werde, gehe weit über das
ter ein Kommando soll. außer zu den im Grundgesetz genannten damals von den Regierenden und Militär
Vor dem Hintergrund der Vorbereitun- Aufgaben die Bundeswehr nicht einge- angestrebte hinaus.
gen der Fußballweltmeisterschaft und setzt werden darf. Polizeiaufgaben gehö- bundesbuero@vvn-bda.de, Internet:
der Besorgnis um kulturelle Konfronta- www.vvn-bda.de ■
tionen im Karikaturenstreit und mögli-
che terroristische Bedrohungen versucht Köln: Soldatengottesdienst 2006
der Bundesinnenminister Wolfgang Verteidigungsminister Jung zeigte
Schäuble, sich zum obersten Sicherheits- sich zufrieden beim anschließenden
Empfang: Die Soldaten hätten mehr
minister aufzuschwingen und auch die
über den „Sinn des Lebens“ erfahren
Bundeswehr unter sein Kommando zu – natürlich wichtig für Bundeswehr-
bekommen, um sie im Innern einzuset- soldaten, die bald in risikoreichere
zen. Das soll im Zuge der Amtshilfe ge- Gebiete Afghanistans verlegt werden
schehen, wonach die Polizei und damit sollen. Gegen diese Absegnung der
der Innenminister die Bundeswehr anfor- deutschen Kriegspolitik demonstrier-
dern kann. Schon jetzt sind 2000 Solda- ten erfreulicherweise 25 Personen
ten abkommandiert worden, Kasernen und forderten „Wiederentwaffnung“
der Bundeswehr ein. Auf einem
wurden für die WM bereitgestellt und die Transparent wurde der Einsatz der
Versorgung von Polizei und Truppe aus Bundeswehr im Innern als Idee
Bundeswehrbeständen geregelt, wie Mi- von gefährlichen Spinnern
nister Franz Josef Jung mitteilte. Die bezeichnet. gba ■

14 : antifaschistische nachrichten 4/2006


: ostritt
Friedensbewegung mobilisiert
gegen drohenden Iran-Krieg esonders viele Exemplare der Sil-

Kassel. Auf einer Aktionskonferenz


der Friedensbewegung in Kassel am 5.
2006; Az. 3 ARP 8/06-3). Die Bundes-
regierung sollte gegenüber der US-Re-
B berplakette gibt es nicht. Eine limi-
tierte Auflage von 100 Stück hat
die rumänische Regierung im Jahr 2003
Februar 2006 berieten über 40 Vertrete- gierung klarstellen, dass auch die US- prägen lassen, als sie das zehnjährige Be-
rInnen von Friedensinitiativen und -or- amerikanischen Militärbasen in stehen des rumänischen Minderheitenrates
ganisationen aus ganz Deutschland über Deutschland nicht für die Führung eines feierte. Vergeben wird die Plakette im All-
Möglichkeiten, den drohenden Krieg Angriffskrieges genutzt werden dürfen. gemeinen an Rumäninnen und Rumänen.
gegen Iran zu verhindern. Eingeladen zu Die Versammlung in Kassel schlägt Eine Ausnahme macht Bukarest nur in be-
diesem Treffen hatte der Bundesaus- der Friedens- und globalisierungskriti- sonders wichtigen Fällen. Ein solch wichti-
schuss Friedensratschlag. Die Friedens- schen Bewegung, den Gewerkschaften ger Fall liegt offenbar bei den Regionalor-
bewegung war sich über folgende sechs und Kirchen, den Universitäten und ganisationen der deutschen Umgesiedelten
Essentials einig: Schulen einen „Fahrplan“ vor, der aus vor.
1) Es gibt kein politisches Ziel, das ei- Informations- und Aktionselementen Wie der DOD berichtet, haben der Berli-
nen Angriffskrieg rechtfertigen könne. besteht und in gemeinsame bundesweite ner Landesvorsitzende der Banater Schwa-
Das Gewaltverbot der UN-Charta muss und internationale Antikriegs-Proteste ben, Ernst Meinhardt, und der Berliner
auch von den Großmächten eingehalten münden soll. Landesvorsitzende der Siebenbürger Sach-
werden. www.uni-kassel.de/fb5/frieden ■ sen, Johann Schöpf, bereits am 21. Novem-
2) Kein Krieg gegen Iran! Kooperation ber die Silberplakette der rumänischen Re-
statt Eskalation. Stopp aller Kriegsvor- gierung erhalten. Besonders Meinhardt hat
bereitungen gegen Iran – Beendigung sich dem DOD zufolge große Verdienste
aller direkten oder indirekten Drohun- Frank Baier und die erworben. Einen zweifachen Anlass habe
gen gegen Israel. Grenzgänger: 1920 der Bukarester Staatssekretär und Leiter
3) Der Atomwaffensperrvertrag muss des Departements für Interethnische Be-
Die Bremer Folk-Avantgardisten „Grenzgän-
eingehalten werden. Der Iran wird auf- ziehungen bei der Ehrung genannt: Zum
ger“ haben sich für ihr aktuelles Programm
gefordert, seine Zusammenarbeit mit einen die „Brückenfunktion“, die Mein-
mit dem als „Mister Ruhrgebiet“ bekannten
der Internationalen Atomenergiebehör- hardts Banater Schwaben im Verhältnis zu
Duisburger Frank Baier zusammengetan.
de fortzusetzen (Art. 3 NPT) und wei- Rumänien einnähmen; zum anderen „die
Sie spielen Lieder und Texte aus der „größ-
terhin Inspektionen zuzulassen. beispielhafte Zusammenarbeit zwischen
ten Aufstandsbewegung, die es in Deutsch-
4) Der Atomwaffensperrvertrag (NPT) Banater Schwaben und Siebenbürger
land seit den Bauernkriegen des 16. Jahr-
muss auch von den Atomwaffen besit- Sachsen in Berlin“.
hunderts gegeben hat“, dem nahezu völlig
zenden Staaten eingehalten werden. Das Meinhardt spielt tatsächlich eine promi-
vergessenen Volksaufstand im Frühjahr
heißt: Atomwaffen müssen abgerüstet nente Rolle bei den Banater Schwaben. Als
1920 im Anschluss an den Kapp-Putsch. Es
werden (Art. 6 NPT). er 1983 den Vorsitz des Berliner Landes-
werden unbekannte Volkslieder, anarchisti-
5) Entschärfung des Konflikts zwischen verbandes übernahm, war dieser faktisch
sche Sprachgewitter, Rap, Balladen, aber
dem Iran und anderen Regionalmächten nicht mehr existent. Meinhardt, damals als
auch Stücke von Rio Reiser, Erich Mühsam,
durch die Schaffung einer atomwaffen- Rundfunkjournalist beim RIAS tätig, baute
Kurt Tucholsky, Oskar Kanehl und anderen
freien Zone im Nahen Osten, so wie es die Organisation wieder auf – mit Hilfe des
zu hören sein.
die Resolution der IAEA vom 5. Febru- damaligen Vereins für das Deutschtum im
ar 2006 vorsieht (Gov 2006/14, Ziffer 19. März 2006, 20.00 Uhr Ausland (VDA), der den Banater Schwa-
m). Zentrum Altenberg, Oberhausen ben in Berlin bei der Durchführung eines
6) Keine deutsche Beteiligung an einer umfangreichen Kulturprogramms zur Re-
Vorbereitung eines Krieges gegen den Veranstalter: Geschichtswerkstatt Oberhau- vitalisierung ihres Verbandes behilflich
Iran. Jede völkerrechts- und grundge- sen e.V., weitere infos: war. Meinhardt schreibt bis heute für die
setzwidrige Kriegsvorbereitung wäre www.geschichtswerkstatt-oberhausen.de VDA-Zeitschrift „Globus“, beruflich ist er
ein Fall für den Generalbundesanwalt info@geschichtswerkstatt-oberhausen.de immer noch als Rundfunkjournalist aktiv –
(siehe dessen Schreiben vom 26. Januar inzwischen bei der Deutschen Welle.
Die Verleihung der Silberplakette an die
Funktionäre der Umgesiedelten fand im
Büro einer weiteren deutschen Rumänien-
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. Aktivistin statt: Im Büro von Bundestags-
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de Vizepräsidentin Susanne Kastner (SPD).
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach Kastner ist Vorsitzende der Deutsch-Ru-
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, mänischen Parlamentariergruppe, des
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, Deutsch-Rumänischen Forums und der
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart,
Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. Rumänien-Soforthilfe. Seit je wehrt Kast-
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. ner Vorwürfe ab, die SPD entziehe der
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sind Deutschtums-Politik die finanzielle Grund-
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. lage. „Unsere Bundesregierung hat sich
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- schon immer für eine Weiterführung der
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung Unterstützung der deutschen Minderheiten
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. im Ausland ausgesprochen“, bekräftigte
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie
Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemein-
sie Ende 2002: Eine „Umstrukturierung“
schaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum e.V., gebe es nur bei der Wirtschaftsförderung.
Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke (MdB); Jochen Koeniger (Ar- Denn die werde nicht mehr vom Bundesin-
beitsgruppe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vor-
standes der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nachrichten);
nenministerium, sondern vom Entwick-
Kreisvereinigung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Landesleiter lungsministerium betrieben (vgl. AN
hbv in ver.di Thüringen); Kai Metzner (minuskel screen partner); Bernhard Strasdeit; Volkmar Wölk. 23/2005). jk - nach DOD 1/2005 ■

: antifaschistische nachrichten 4/2006 15


: aus der faschistischen presse
Dass es Richter dabei durchaus nicht
nur um Wirtschaft geht, macht er wenige
Zeilen weiter deutlich: „Die Sorglosig-
Braunes Mimikry oder „Anti- rüstung und deren Totschweigen durch keit ist mit Händen zu greifen, und sie
imperialismus“ von rechts die gleichen Staaten, die gegen den Iran zieht sich durch alle Parteien und alle
mobil machen und dann die revisionisti- Bereiche unseres Lebens: Die Bundes-
Nation & Europa Februar 2006 sche Wendung (für die der iranische Prä- wehr wird abgerüstet bis zur Verteidi-
Rechte, die sich als Linke, als Antikapi- sident Ahmadinedschad die Vorlage lie- gungsunfähigkeit, die Katastrophenme-
talisten oder Antiimperialisten tarnen, ferte): „Kein Wunder also, daß nun die dizin eingemottet bis auf Rudimente...“.
um unter diesen Deckmänteln ihr völki- iranische Regierung eine internationale Da werden Träume imperialistischer
sches und antidemokratisches Weltbild Experten-Konferenz einberufen will, um Konkurrenz deutlich, wobei der Träumer
ungestört verbreiten zu können, sind kei- überprüfen zu lassen, ob jede ,Holo- selbst einen Krieg in seine Überlegungen
ne Neuheit. Neu könnte vielleicht sein, caust‘-Erzählung der geschichtlichen einbezieht.
dass sich junge, flexible Neonazis mitt- Wahrheit entspricht. Oder ob einiges nur RÜDIGER SCHREMBS sieht Frank-
lerweile auch der kulturellen Ausdrucks- heutige Machtansprüche rechtfertigen reich als natürlichen Verbündeten
formen der antifaschistischen Jugendbe- soll. Westliche Historiker werden sich Deutschlands gegen die USA: „Merkel,
wegung bedienen. Politische Mimikry ihre Teilnahme allerdings gut überlegen hier noch immer ,Kohls Mädchen‘, be-
aber ist ein Bestandteil reaktionärer und müssen. Die Hinreise mag ihnen noch treibt die Gleichschaltung Berlins mit
faschistischer Politik und Ideologie seit gelingen; die Rückreise würde im Kerker der amerikanischen Imperialpolitik und
dem royalistischen Widerstand gegen die derer enden, die immer wieder Mei- biedert sich zugleich in London und
Französische Revolution. nungsfreiheit anmahnen – gegenüber der Warschau an. Dadurch entsteht die Ge-
Das Februarheft von „Nation & Türkei“. fahr, daß sich das in Jahrzehnten gefes-
Europa“ enthält diese Strategie geradezu KARL RICHTER zieht „Lehren aus tigte Verhältnis zum französischen Nach-
lehrbuchmäßig. Das beginnt beim Titel- dem russisch-ukrainischen Gasstreit“ barn zu lockern beginnt. Das ist nicht nur
bild: Eine Luftaufnahme diverser Gebäu- und sagt deshalb „Ja zur Autarkie!“. für Deutschland, sondern für ganz
de, darunter eines, dass ein Reaktor sein Interessant sind seine Überlegungen Europa nachteilig. Denn dieses benötigt
könnte, ist mit „israelische Atomwaffen- zum Verhältnis zwischen Europa und den einen kontinentalen Kern, wenn es inter-
Fabrik Dimona“ überschrieben. Am un- USA, die weit über das Gebiet der Wirt- national handlungsfähig werden will. Je-
teren Rand der Seite ist die Frage „Wie schaftspolitik oder der Sicherheit der ner Kern – das ist die deutsch-französi-
lange noch?“ in Signalgelb zu lesen, da- Versorgung mit Rohstoffen hinausgeht: sche Allianz. Nur Traumtänzer hegen die
rüber wurde, damit auch der Dümmste „Niemals zuvor in der Geschichte war Hoffnung, daß eine europäische Groß-
merkt, um was es Herausgebern und Re- die Heraufführung der ,One World‘ einer macht in Übereinstimmung mit Wa-
dakteuren geht, ein gelber, sechszackiger zentral gesteuerten Welt unter der Vor- shington formiert werden kann. Die USA
„Davidstern“ gesetzt. Der Unterschied herrschaft einer einzigen Macht, so dräu- wollen an ihrer atlantischen Gegenküste
zum Stern, den Jüdinnen und Juden im end wie heute. Angesichts dessen gebie- keine eigenständige Kraft entstehen las-
deutschen Faschismus tragen mussten, tet es schon der Überlebenswille der sen. Sie wünschen, aus geopolitischen,
besteht nur darin, dass dem Stern des Völker, letzte Refugien der Souveränität strategisch-wirtschaftlichen Gründen be-
Umschlagbildes ein Zeichen für Radio- gegen die amerikanische Zumutung zu rechenbare europäische Vasallenstaa-
aktivität eingeschrieben wurde. Auf die- verteidigen, wo immer dies möglich ist, ten.“ Auch bei Schrembs scheint es auf
se Weise wird Antiimperialismus (in der und dabei auch Allianzen einzugehen, den ersten Blick um Kritik an der US-
berechtigten Kritik an der Atomrüstungs- die ehedem undenkbar waren. Die ,Ach- Politik zu gehen, sein Ziel ist jedoch statt
politik Israels) vorgespielt, wo es in se‘ einiger Schlüsselmächte der eurasi- einer Politik des Völkerrechts auf der
Wahrheit, der Stern macht es mehr als schen Landmasse, gedacht als geostrate- Basis der Gleichberechtigung der Staa-
deutlich, um Antisemitismus geht. gisches Gegengewicht gegen den Welt- ten die europäische Großmacht unter
N&E-Herausgeber HARALD NEU- Hegemon Amerika, gehört in jenen Zu- deutsch-französischer Führung.
BAUER geht in seinem Editorial ähnlich sammenhang – unabhängig davon, wie Deutsche und französische Antifa-
vor: Zuerst berechtigte Kritik an der Po- schemenhaft sich die Konturen dieses schist (inn)en sollten gemeinsam gegen
litik des Westens gegenüber dem Irak, Projekts im Augenblick noch ausneh- diese Großmachtphantasien und ihre
dann an der israelischen nuklearen Auf- men“. Propagandisten kämpfen – das wäre ei-
ne vernünftige deutsch-französische
Allianz. tri ■
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro Rechtes Aufgebot zu den
Erscheinungsweise:
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro 14-täglich Landtagswahlen
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro
Zu den Landtagswahlen am 26. März in
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro
und Sachsen-Anhalt kandidieren diverse
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 30,- Euro). rechte Parteien. In Ba-Wü sind es mit
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten
REP, NPD und Deutscher Zentrumspartei
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) gleich drei Parteien aus dem rechten
Spektrum. Spitzenkandidat der REP ist
Name: Adresse: Landesvorsitzender Ulrich Deuschle. In
Rh.-Pfalz kandidieren REP und NPD, in
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts Sachsen-Anhalt die DVU, die „Republi-
kaner“, die Freiheitliche Partei Deutsch-
Unterschrift lands, die Initiative Pro D-Mark und das
Bündnis Offensive für Sachsen-Anhalt
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 – 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507
(Offensive D/Stattpartei/DSU). Die DVU
liegt laut Meinungsumfragen bei 4%. ■

16 : antifaschistische nachrichten 4/2006

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