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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 16.11.2006 22. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de

Berlin. Am 18. November 2006 wol-


len wieder weit über 1000 Nazis im
Brandenburgischen Dörfchen Halbe
aufmarschieren, um die dort begrabe-
nen Soldaten aus Wehrmacht und Waf-
fen-SS mit einem sogenannten „Hel-
dengedenken“ zu ehren. Vielfältige
Proteste sind bereits angekündigt. Das
Berlin-Brandenburger Bündnis „NS-
Ein voller Erfolg
Verherrlichung-stoppen!“ wird einen
antifaschistischen Aktionstag in Halbe Bremen. Am 4. November hatte die der Uniformierten. In der Tagesschau, wie
organisieren und will mit Informations- NPD zu einer „Großkundgebung“ im in b&b, war allerdings die brutale Vorge-
Bremer Westen aufgerufen. Das Spektrum
ständen, Essen und Getränken sowie ei- der Gegendemonstranten ging vom
hensweise der martialisch ausgerüsteten
ner eigenen Bühne ab zehn Uhr vor Ort „Schwarzen Block“ über Bewohner des Polizei zu sehen. Der dort gezeigte „De-
sein. Das Bühnenprogramm bietet ne- Bremer Westens bis hin zur CDU – und das linquent“ hatte die Hände deutlich vor
ben dem Auftritt zweier Bands Gesprä- war auch gut so. Es waren viele mit Migra- sich und wehrte sich nicht, trotz allem
che mit ZeitzeugInnen, Informationen tionshintergrund, jüngere und ältere Men- wurde ihm der Kopf verdreht. Es handelte
über rechte Strukturen und antifaschis- schen, zum Teil ganze Familien mit dabei. sich um einen so genannten „Genick-
tischen Widerstand. Sie schrei- Die Zahlen schwanken zwischen 3.500 bruchgriff“. Schon die kleinste falsche
ben: „Auch wenn es mit der (Polizei) und 10.000 Bewegung hätte es dem Demonstrations-
(Veranstalter) Teilneh-
jüngst verabschiedeten „Lex mern. Es war eine teilnehmer das Leben kosten können. Die
Halbe“ den Neonazis nicht ge- sehr gute Beteiligung von der Polizei mitgeführten Hunde (ohne
stattet sein wird, bis zum – zumal der Wetter- Maulkorb!) haben mehrere Teilnehmer
Friedhof aufzumarschieren, ist bericht nicht viel Gu- gebissen; wie andere Demonstranten be-
es notwendig, ihnen antifa- tes verhieß. Petrus richteten, waren es gezielte Aktionen. Ei-
schistischen Protest entgegen- hatte ein Einsehen mit ner der beiden Lautsprecherwagen wurde
zusetzen. Verschiedentlich uns Aufrechten. außer Gefecht gesetzt.
sind in der Vergangenheit Ver- Nach der Demonstration wurden gut
bote gegen neonazistische Parteien Der Schutz der circa 70 NPD-Anhänger 100 abziehende meist junge Leute über
oder Aufmärsche angestrengt worden. durch die 2.500 Polizisten hat fast eine Stunden eingekesselt, aber von Anwoh-
Sehr oft sind sie fehlgeschlagen, Million Euro gekostet. Da fragt man sich, nern mit Tee und Gebäck versorgt.
manchmal waren sie nützlich. Diese ob es nicht besser gewesen wäre, einfach Doch eines ist klar, ohne den „Schwar-
Gesetze konnten jedoch nie die alten auf den Einsatz zu verzichten. Dann hätte zen Block“, der die Polizistenreihen an
und neuen Nazis wirklich stoppen. We- sich auch der armselige Nazihaufen die der Grasberger Straße friedlich „über-
der ihre menschenverachtende Propa- teure Fahrt sparen können. Dass sie rest- rannte“, wäre die Gegenaktion nie so weit
ganda, noch die Morde und Anschläge. los frustriert waren, konnte man in „buten vorgedrungen.
Gegen Faschismus hilft unserer Mei- und binnen“ (b&b) klar sehen. Die abzie- In den Reihen der Nazis gab es mehrere
nung nach nur antifaschistischer Wider- henden Faschos fühlten sich bei der Frage Verhaftete wegen Tragens verfassungs-
stand. Nur mit einem solidarischen nach dem Erfolg dermaßen ans „Bein ge- feindlicher Symbole bzw. deren Zeigen.
Miteinander verschiedener Formen des pinkelt“, dass sie vor laufender Kamera Es gab sieben Festnahmen und ca. 200 so
Protestes wird es gelingen, die Nazis auf die Mikrofone der Reporter losgingen. genannte Ingewahrsamnahmen. Wie viele
endgültig aus Halbe fernzuhalten. Es ist In ihrer restlosen Enttäuschung wussten davon auf den Seiten der NPD zu ver-
für uns nicht erträglich, dass es möglich sie sich nicht anders zu helfen, als dass sie zeichnen sind, ist nicht bekannt.
ist, dem Nationalsozialismus so direkt nachts die Scheibe des VVN-Büros wie- Auf den Internetseiten hadert die Bre-
zu huldigen, wie Alt- und Neonazis es der mit einem Gullydeckel attackiert ha- mer NPD wegen „rechtswidrigen Behin-
alljährlich in Halbe tun. Wir wollen die- ben. In der Nacht vom 10. auf den 11. Ok- derungen von nationalen Demon-
sem Spuk ein Ende setzen.“ tober warfen unbekannte Neonazis die strationsteilnehmern“ und „Schikanen der
Antifaschistisches Bündnis Scheibe schon einmal mit einem Gullyde- Polizei gegenüber Demonstrationsteil-
„NS-Verherrlichung stoppen!“ ■ ckel ein. Gut, dass dies vorausgeahnt wur- nehmern“. In Reden langweilten sich die
de und die Reparatur auf nach dem 4.11. Teilnehmer selbst, kündigen „ein juristi-
Aus dem Inhalt: geschoben wurde. Bereits im Jahr 2000 sches Nachspiel“ an und „drohen“, bald
Der Aufbau rechtsradikaler fand sich solch ein gusseisernes Teil im wieder mit einer Handvoll aufmarschie-
Strukturen in Mecklenburg- Büro der Bremer VVN-BdA. ren zu wollen. Sie werden wieder nicht
Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . 7 Die Gegendemo lief fast störungsfrei. weit kommen und sich aufs Heftigste bla-
Sehen konnte man nur die Greifattacken mieren. Gerold Fleßner ■
: meldungen, aktionen
rausgabe von mindestens zwei Buchti-
teln im Jahr. hma ■

SPD-Ausschluss bestätigt plare der neuen Zeitschrift mit dem Titel Anti-Nazi-Aktion keine
„Vers 1“ wurden während des katholi-
München. Sascha Jung, in den 90er schen Events verteilt. Die Werbung Straftat
Jahren für den nationalistischen „Hof- scheint erfolgreich gewesen zu sein. Stade. Die Staatsanwaltschaft Stade hat
geismarer Kreis“ rechter Jusos aktiv, ist 80 000 Exemplare der Zeitschrift, de- das so genannte „Hakenkreuz-Verfah-
nicht mehr Mitglied der SPD. Das Amts- ren Name sich auf Johannes I, Vers 1 ren“ eingestellt. Die Grüne Jugend und
gericht Berlin-Tempelhof wies die Klage „Am Anfang war das Wort“ bezieht, die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-
des Burschenschafters gegen den Aus- wandern derzeit monatlich in den Zeit- regimes (VVN) hatten am 9. September
schluss ab. Die SPD hatte im Frühjahr schriftenhandel. Erstellt wird die Zeit- – einen Tag vor der Kommunalwahl –
beschlossen, dass die Mitgliedschaft in schrift, so die Webseite der Redaktion mit Plakaten gegen einen NPD-Stand am
der Partei mit der in Verbindungen der mit Sitz in Bergheim bei Köln, von ei- Fischmarkt in Stade demonstriert.
„Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ nem Team „aus jungen Katholiken, Pro- Dass die Polizei die Plakate mit Anti-
unvereinbar ist. Jung, Mitglied der testanten und Freikirchlern“ um Chefre- Nazi-Symbolen beschlagnahmte, stieß
Münchner „Burschenschaft Danubia“, dakteurin Birgit Kelle. bundesweit auf Kritik – auch die Bun-
kündigte an, Berufung gegen das Urteil Beiträge erschienen dort bislang von desvorsitzende der Grünen, Claudia
einlegen zu wollen. hma ■ konservativen „Lebensschützern“ wie Roth, schaltete sich ein. Teilnehmern der
Christa Meves, Hubert Hüppe (CDU- Protestaktion drohte eine Anzeige nach
Gesiebte Luft für Mahler MdB) und Rainer Beckmann sowie dem § 86a wegen der Verwendung von verfas-
IGFM-Aktivisten Martin Lessenthin. In- sungsfeindlichen Symbolen. Auf den
Berlin. Horst Mahler, zeitweise auch terviewpartner waren u.a. der italienische Plakaten wurden unter anderem Haken-
mal Mitglied der NPD, muss für neun Kulturminister Rocco Buttiglione, Peter kreuze in einen Mülleimer geworfen.
Monate ins Gefängnis. Mahler war be- Gauweiler (CSU-MdB) und Mechthild Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Stade das
reits Anfang vergangenen Jahres vom Löhr. Letztere ist Bundesvorsitzende der Ermittlungsverfahren wegen der „Ver-
Berliner Landgericht wegen Volksver- „Christdemokraten für das Leben“ wendung von Hakenkreuzen auf Wahl-
hetzung und antisemitischer Hetze verur- (CDL) und Chefin einer „Personal- und kampfplakaten“ eingestellt: „Wir sehen
teilt worden. Er hatte es gebilligt, dass im Unternehmensberatung“ in Königstein, in den Abbildungen den erkennbaren
September 2002 in Räumen der NPD in die jüngst noch den „Opus Dei“-Mann Ausdruck einer Gegnerschaft zu den Zie-
Berlin eine antisemitische Hetzschrift Stephan Georg Schmidt für den Posten len der verfassungswidrigen Organisatio-
verteilt wurde. Gegen das Urteil hatte als Chefredakteur der „Kirchenzeitung nen und sehen die geschützten Rechtsgü-
Mahler Revision eingelegt. Diese wurde für das Erzbistum Köln“ vorschlug. ter des demokratischen Rechtsstaats und
jetzt vom Bundesgerichtshof verworfen. Verlinkt ist die Webseite der Zeit- des öffentlichen politischen Friedens
hma ■ schrift, die mit einer Kampagne gegen nicht gestört“, betonte Oberstaatsanwalt
die Ausstrahlung der satirischen Comic- Dr. Burkhard Vonnahme. Die vom
Zurück zum Latein Film-Reihe „Popetown“ bekannt wurde, Staatsschutz beschlagnahmten Plakate
u.a. mit zahlreichen „Lebensschützer“- werden wieder zurückgegeben.
Stuttgart. Die Anhänger des 1991 ver- Gruppen aus dem In- und Ausland, „Ra- Gleichwohl sieht sich die Staatsan-
storbenen fundamentalistischen Erzbi- dio Horeb“ und „Radio Vatikan“, der waltschaft vom Gesetzgeber „im Stich
schofs Marcel Lefebvre haben eine Zeitschrift „Idea“, der „IGFM“, dem gelassen“; Vonnahme setzt auf Bundes-
Kampagne für den alten, lateinischen rechtskonservativen „Arbeitskreis christ- justizministerin Brigitte Zypries (SPD)
Mess-Ritus gestartet. Die „Priesterbru- licher Publizisten“ (ACP) und dem Web- und hofft auf ein Grundsatzurteil des
derschaft St. Pius X.“ will allen 16100 log „Politically Incorrect“. Als „die drei Bundesgerichtshofes; in Süddeutschland
Priestern des Landes einen DVD-Film wichtigsten Bücher des Jahres“ werden sind weitere Verfahren in dieser Frage
mit dem Titel „Die Zelebration der latei- auf der Webseite Texte von Prof. Dr. anhängig. Bei der „kommerziellen Ver-
nischen Messe“ anbieten. In einem offe- Günter Rohrmoser, Eva Herman und marktung“ von Anti-Nazi-Symbolen auf
nen Brief wurden darüber auch die ka- Henryk M. Broder angeboten. Buttons oder T-Shirts hätte die Staatsan-
tholischen Bischöfe informiert. Dort hält Als Kunden im Visier hat die Zeit- waltschaft „vermutlich aktiv werden
man sich zu diesem Ansinnen bedeckt. schrift ein junges Publikum zwischen 19 müssen“, sagt Vonnahme.
Unterdessen kündigen die Priesterbrüder und 39 Jahre, „das eine positive Bezie- Die Polizeiinspektion Stade bleibt bei
erste Erfolge an. Als Reaktion auf die hung zum christlichen Glauben hat“. ihrer Linie. Die Einstellung des Verfah-
Aussendung des Briefes an die ersten Auch Angestellte und Aktive der beiden rens sei keine Grundsatzentscheidung in
6800 Adressaten seien bereits 1100 Amtskirchen und die Freikirchen will dieser Frage. Das sei Sache der Gerichte.
DVD-Filme von – begeisterten – Pries- man erreichen. „Wir begrüßen die Entscheidung der
tern und Seminaristen bestellt worden. Herausgeber der Zeitschrift ist die Staatsanwaltschaft“, betont Heike Voll-
„Der Damm ist gebrochen“, heißt es „Camerlengo Medien GmbH“ in Bad mers vom Kreisverband der Grünen. Der
im aktuellen „Mitteilungsblatt“ der Salzuflen (Geschäftsführung: Birgit Kel- gesunde Menschenverstand hätte ausge-
christlich-fundamentalistischen Vereini- le), die mit „ihren Aktivitäten und Pro- reicht, um die Botschaft der Plakate rich-
gung. „Die Rückkehr des überlieferten dukten christliche Themen und Sichtwei- tig zu deuten. Die Polizei dürfe nunmehr
Ritus auf breiter Ebene ist nur noch eine sen in die breite bundesrepublikanische couragierte Antifaschisten bei ihrem Pro-
Frage der Zeit“. hma ■ Öffentlichkeit“ bringen will. test gegen Rechtsextremisten nicht mehr
So wird angestrebt, die Zeitschrift kriminalisieren.
„Weltjugendtag“ als „Vers 1“ mittel-fristig zu einer „wö- Bei einem Aktionstag des Bündnisses
chentlich erscheinenden Zeitung“ mit für Demokratie und Toleranz in der Sta-
Sprungbrett mehr als 100 000 LeserInnen pro Ausga- der Innenstadt schritt die Polizei dann
Bergheim/Bad Salzuflen. Der katho- be zu entwickeln.Geplant ist ebenso eine auch nicht mehr ein, obwohl am Stand
lische „Weltjugendtag“ im vergangenen Beteiligung an christlichen Medien im der Grünen das gleiche Anti-Nazi-Plakat
Jahr war auch der Start eines neuen Zeit- elektronischen Bereich, der Start eines hing.
schriftenprojektes. Über 100 000 Exem- eigenen Vers 1-Webradios und die He- Quelle: Stader Tageblatt 14.10.2006 ■

2 : antifaschistische nachrichten 23/2006


Ist der Ruf erst ruiniert... Marianne Gundelfinger
wurde am 13. Januar 1929 in Stuttgart gebo-

Köln. Nachdem die Sprecherin der an- ren. Sie wurde im Lager Lalande interniert und
später nach Drancy überstellt. Im Transport Nr.
11000
21 wurde sie 1942 nach Auschwitz in den Tod
geblich überparteilichen „Ehrenfelder deportiert. Sie wurde nur 13 Jahre alt.
jüdische Kinder
Anwohnerinitiative gegen die Großmo- Renate Falk
wurde zehn Jahre alt. Ihr Geburtsort war
Karlsruhe. 1941 wurde sie auf der Flucht
schee“ Marylin Anderegg der Öffentlich- in Frankreich festgenommen und mit dem
Transport Nr. 7 nach Auschwitz deportiert.
keit monatelang als keiner Partei angehö- Marion Abraham
am 15. Januar 1925 in Freiburg
rige, nur die Interessen der Bewohner(in- geboren. 1933 flüchtete ihre Fami-
lie nach Frankreich. Mit 17 Jahren
nen) des Stadtteils vertretende Bürgerin wurde sie im Transport Nr. 8 im Juli
1942 nach Auschwitz deportiert.

verkauft werden sollte, ließen die ge- Adolf Schonek


war 14 Jahre alt als er mit dem Transport Nr. 8 am
nannte Dame und „pro Köln“ jetzt die 20. Juli 1942 deportiert wurde. Er war in Berlin gebo-
ren und wurde mit seiner Familie in Angers verhaftet.

Katze aus dem Sack. In einer Mitglieder- Max Leiner


geboren 1936, wird von seiner Tante in Mann-
versammlung am 26.10., bei der Markus heim aufgezogen. Als 4-Jähriger Deportation
nach Gurs (Südfrankreich) 1941 Verlegung nach
Sehr geehrte Fahrgäste
der Deutschen Bahn
Beisicht als Vorsitzender bestätigt wurde, Rivesaltes, 1942 Rettung ins Kinderheim Izieu,
Dort wird er aufgespürt. Als 7-Jähriger wird er
in Auschwitz-Birkenau umgebracht. Hier erfahren Sie, was die DB
ließ sich Anderegg in den Vorstand der Fritz Löbmann
Ihnen nicht zeigt.

rechten „Bürgerbewegung“ wählen. Of- geboren am 12. März 1929 in Mannheim, 1940
Deportation nach Gurs, 1941 Flucht über Mar-
Bitte geben Sie dieses
seille ins Kinderheim von Izieu (nahe Lyon).
fenbar sind die Verantwortlichen der 6. April 1944 Verhaftung, am 13. April 1944
startet der Todestransport Nr. 71 von Drancy nach
Flugblatt weiter
und schreiben Sie an:
Meinung, nachdem selbst die Flugblätter Auschwitz-Birkenau. Er wurde 15 Jahre alt.

Sami Adelsheimer Bundesminister für Verkehr


der Initiative nicht mehr von „pro-Köln“- Geboren 1938 in Mannheim, als 2-Jähriger mit
seiner Mutter nach Gurs deportiert. März 1942
Herrn Wolfgang Tiefensee
Invalidenstr. 44
Werbung zu unterscheiden waren, sei die Rettung aus dem Lager ins Kinderheim von Izieu.
Als 5-Jähriger durch die Gestapo verschleppt,
Weitere Informationen zur Initiative „11.000 Kinder"
finden Sie auf den Seiten des Internetportals
10 115 Berlin
e-mail: poststelle@bmvbs.de
Tarnung überflüssig geworden. Antifa- über Drancy erreicht er mit dem Transport Nr. 71
am 15. April 1944 Auschwitz-Birkenau.
www.german-foreign-policy.com
V.i.S.d.P.: T. Engel, Mohrenbach 1, 51598 Friesenhagen

schist(inn)en hatten bereits seit langem


auf Frau Andereggs Vergangenheit als Die Initiative „Elftausend Kinder“ ruft zur Verbreitung ihres Flyers am 9. No-
Kandidatin für die „Republikaner“ hin- vember, aber auch darüber hinaus auf. So sollen die Flugblätter unter ande-
gewiesen. Jetzt ist zusammen gekom- rem vor zahlreichen Kinos verteilt werden, in denen der Spielfilm „Der letzte
men, was offenbar schon lange zusam- Zug“ angelaufen ist. Hier ein Bild des doppelseitigen Flyers, der auch die
men gehört hatte. tri ■ Kinobesucher interessieren könnte.
Bestellungen bitte an: elftausendkinder@web.de. Je 1.000 Flyer kosten
Störaktionen von Nazis bei 28,00 Euro plus Mehrwertsteuer und Versand. Die Auslieferung des Falt-
blattes erfolgt binnen 36 Stunden.
Gedenkfeier
Augsburg. Auch in diesem Jahr haben schrauber (!!) einsetzte. Gegen die sie- Hardcore-Szene, einem politischen Ab-
sich fast 90 Personen am Schweige- ben schließlich festgenommenen Nazis leger der Punk-Musikbewegung. In die-
marsch und an der anschließenden Ge- wurde Anzeige wegen Körperverletzung, ser Hardcore-Szene etablierte sich in den
denkfeier für die Opfer des Faschismus Landfriedensbruch und Verstoß gegen 90er Jahren die sogenannte „Good Night,
beteiligt. Die Hauptrede hielt Ernst Gru- das Waffengesetz erhoben. White Pride“-Bewegung, die sich gegen
be als Mitglied des Landesvorstands der Dies ist durchaus nicht die erste Anti- die Versuche von Neonazis richtete, die
VVN-BdA in Bayern und im Namen der Antifa-Aktion in Augsburg. Bereits am Hardcore-Szene zu unterwandern und in
Lagergemeinschaft Dachau. Erstmals 7. Oktober versuchten vier vermummte ihr Fuß zu fassen. „White Pride“ oder
kam es bei dieser jährlich wiederkehren- Nazis, eine von der Antirassistischen Ak- „White Power“ ist dabei besonders bei
den Kundgebung zu Provokationen tion Augsburg und dem Bayerischem weißen Rassistinnen und Rassisten in
durch Nazis. Dagegen gibt es inzwischen Flüchtlingsrat organisierte Demonstrati- den USA ein beliebter Ausdruck ihres
Protesterklärungen seitens der VVN, der on zu fotografieren, wobei sie allerdings Überlegenheitsgefühls gegenüber Men-
PDS und der Grünen aus Augsburg. Hier von anwesenden Antifas in die Flucht ge- schen, die sie für minderwertig halten.
ein Bericht über die Vorgänge, wie sie schlagen werden konnten. Als Symbol wählte die Good Night
beteiligte Antifas erlebten: Die Augsburger Neonazi-Szene ist seit White Pride-Bewe-
Anti-Antifa aktiv der Inhaftierung des Kameradschaft- gung eine Szene
Führers Marcel Jess in einem desolaten aus dem beim
Augsburg. Unter dieser Überschrift be- Zustand, die wenigen aktiven Nazis, die Hardcore übli-
richteten am 2.11. einige Augsburger An- wie auch in diesem Fall überwiegend aus chen Tanzstil.
tifas in der unabhängigen Website dem Augsburger Umland kommen, be- Während die
www.indymedia.de, wie ihnen während gnügen sich mit unregelmäßigen Info- meisten Be-
der Gedenkveranstaltung auffiel, „dass ständen zusammen mit Roland Wuttkes trachterInnen da-
sich in einigem Abstand einige schwarz und Wolfgang Teufels „Nationaler Oppo- rin nur eine Tanz-
gekleidete und vermummte Personen sition“ in der Augsburger Innenstadt, die szene sehen, welche
aufhielten und Fotos machten. allerdings zumeist von AntifaschistInnen die Ablehung der HC-Bewegung gegen-
Einige der anwesenden Antifas gingen militant oder kreativ gestört wurden.“ über Nazis und RassistInnen zum Aus-
auf die Nazis zu und forderten sie auf, Berichte aus Augsburg u. druck bringt, sah die Staatsanwaltschaft
die Fotos zu löschen und zu verschwin- Schwaben 23/06 ■ Berlin darin eine „verkörperte Darstel-
den. Daraufhin wurden sie mit Pfeffer- lung grausamer oder unmenschlicher
spray angegriffen, es kam zu einer Prü- Junger Antifaschist vom Gewalt gegen Menschen“.
gelei, in deren Verlauf fünf Antifas leicht Diese Verfolgung des antirassistischen
verletzt wurden. Durch das beherzte Ein- Vorwurf der Gewaltdarstel- „Good Night, White Pride“-Symbols
greifen gelang es, zwei der Nazis an Ort lung freigesprochen reiht sich damit in die aktuelle staatliche
und Stelle festzuhalten, wobei einer der Potsdam. Im Mai diesen Jahres wurde Verfolgungswelle von Anti-Nazi-Sym-
beiden sein eigenes Pfefferspray abbe- ein junger Antifaschist aus Potsdam in bolen ein. So wurde vor kurzem der Be-
kam und sich unglücklich eine blutige Berlin festgenommen, weil er ein T-Shirt sitzer eines linken Musikversandes we-
Nase holte. mit der Aufschrift „Good Night White gen des Verkaufs von durchgestrichenen
Die Polizei begann daraufhin mit der Pride“ und einem aufgedruckten Bild oder zerschlagenen Hakenkreuzen in
Suche nach den flüchtigen Nazis, wobei trug. Der Ausspruch „Good Night White Stuttgart verurteilt (nachzulesen bei
sie 17 (!) Streifenwagen und einen Hub- Pride“ stammt aus der so genannten www.rote-hilfe.de). Auf vielen antifa-

: antifaschistische nachrichten 23/2006 3


schistischen Demonstrationen, z.B. in NPD Kreisverbandes Ostvor- Bündnis gegen Rechts für die Aachener Region
Berlin, Leipzig oder Hamburg wurden pommern. Er bezeichnet sich Einladung
zu einem Besuch
insgesamt hunderte NazigegnerInnen als Landeskoordinator der
Burg Vogelsang
wegen des Tragens von zerschlagenen NPD in Mecklenburg-Vor- Die ehemalige „Ordensburg“ ist seit dem 01. Januar 2006 für den allgemeinen Be-
Hakenkreuzen, dem „Good Night White pommern und war bis vor kur- such frei gegeben. Wir bieten die Möglichkeit, im Rahmen eines Besuches mit fach-
kundigen Referenten das Areal zu besichtigen.
Pride“-Symbol oder anderen antifaschis- zem Betreiber eines Internet- Termin: Samstag, 09.12.2006
tischen Darstellungen verhaftet und an- Cafes in Wolgast. Deichen Zeit: von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr
Treffpunkt:
gezeigt. Der betroffene Jugendliche aus wird von der Staatsanwalt- Parkplatz Malakoff, Burggelände Vogelsang (hinter der Eingangsschranke noch ca. 1,5 km).
Potsdam zeigte sich über die Einleitung schaft Volksverhetzung vorge-
eines Ermittlungsverfahrens entsetzt: worfen. Er veröffentlichte im
„Ich wollte den öffentlichen Aufrufen Internet unter anderem folgen-
folgen, gegen Rechtsextremismus und de Leugnung des Holocaust:
Rassismus offen Flagge zu zeigen. Jetzt „Wir müssen kämpfen, für die
habe ich es getan und werde dafür ange- richtige Erinnerung an den Ho-
zeigt, dass ich zu Gewalttaten aufrufen locaust – die tatsächliche Ver-
würde – obwohl ich nie jemandem etwas brennung der Juden in der Zu-
getan habe. Ich habe den Eindruck, dass kunft statt der Science-Fiction- Vogelsang liegt an der B 266 zwischen Einruhr und Schleiden-Gemünd.
hier gezielt das Engagement gegen Vergasung in der Vergangen- Stationen des Rundganges u. a.: Malakoff, Fernsicht Wollseifen, Kino (innen), Van
Dooren, "Burgschänke" (innen), "Adlerhof", "Fackelträger", "Kameradschaftshäuser",
Rechts verfolgt werden soll.“ heit“. Möglichkeit für ein kleines Mittagessen.

Der junge Mann erhob Beschwerde Christian Deichen werden Kostenbeteiligung: mind. 3,00 €/Person; wird beim Besuch in bar eingenommen.
Parkgebühr: 3,00 €/Fahrzeug; bei Einfahrt in das Gelände zu entrichten.
gegen die dem Ermittlungsverfahren vo- von einigen Neofaschisten Achtung: Begrenzte Teilnehmerzahl.
Bitte u n b e d i n g t bis zum 01. Dezember 2006 anmelden bei
rausgehende Beschlagnahme, das Ver- Kontakte zum Verfassungs- Wilfried Mercks, Oidtmannhof 74, 41812 Erkelenz
Fax 0 24 31 97 22 41 oder per E-Mail wilfried@mercks.de
fahren durchlief mehrere Instanzen. schutz vorgeworfen. So heißt Von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr findet im INFO-Zentrum eine Diskus-
Doch am 26. August entschied das Land- es in einem Neonazi-Forum sion über die „Zukunft von Vogelsang“ mit Manfred Poth, Auf-
sichtsratsvorsitzender der Standortentwicklungsgesellschaft Vogel-
gericht Berlin: „Die Gewaltdarstellung von einem Mitglied aus Büt- sang SEV, Thomas Fischer-Rheinbach (SEV-Geschäftsführer) und
muss entweder eine Verherrlichung oder zow, Deichen habe mehrfach Klaus Ring (SEV-Projektmanagement) statt.
Teilnahme kostenfrei! Bitte ebenfalls anmelden (s. o.)
Verharmlosung der grausamen oder un- für den Geheimdienst gearbei- Sprecherinnen- und Sprecherkreis: Kurt Heiler, Aggy Majewsky, Walter Schumacher, Horst Schnitzler, Wilfried Mercks,
Karl Panitz, Otmar Steinbicker Koordination: Karl Panitz; E-Mail Karl.Panitz@DGB.de

menschlichen Gewalttätigkeit zum Aus- tet und dafür Gelder bezogen. www.buendnis-gegen-rechts-ac.de
Spendenkonto: 128 428 011 Aachener Bank EG (BLZ 390 601 80)

druck bringen oder durch die Art und „So soll er über Kameraden Kennwort Bündnis ... (gegen Rechts für die Aachener Region) Kontoführer: Aachener Friedenspreis

Weise der Darstellung selbst die Men- berichtet und interne Infos
schenwürde verletzen, etwa indem sie über die nationalen Szene weitergegeben dem ihre Organisation seit Gründung der
Personen oder Gruppen als menschenun- haben.“ Sogar ein angeblicher interner Stiftung angehört. Als Nachfolgerin wa-
wert erscheinen lässt. Diesen Anforde- Vermerk des Verfassungsschutzes über ren die Tochter eines Ravensbrück-Häft-
rungen genügt der hier fragliche Auf- Deichen, der auf seine Rolle in der Neo- lings und alternativ eine Überlebende des
druck, der in stilisierter Form eine nazi-Szene und die Bedeutung der von KZ vorgeschlagen worden. Beide wur-
Kampfszene zwischen zwei Personen ihm gewonnenen Informationen eingeht, den abgelehnt. Die eine, weil sie selbst
zeigt, NICHT.“ Und weiter: „Eine Billi- wird in dem Beitrag angeführt. nicht im Lager inhaftiert war, die andere
gung grausamer oder unmenschlicher, Interessant an diesem Fall ist, dass das wegen ihres hohen Alters. In einem
mithin exzessiver Gewalttäigkeit als Ermittlungsverfahren im August 2005 Schreiben an den brandenburgischen Mi-
Kampfmittel ist der hier fraglichen Ab- von der Stralsunder Staatsanwaltschaft nisterpräsidenten betont die Lagerge-
bildung auch unter Berücksichtigung eingestellt wurde. Das der Prozess jetzt meinschaft: „Es drängt sich der Eindruck
zwischen dem Text und der bildlichen doch noch stattfindet, könnte auch mit auf, dass nach Gründen gesucht wird, um
Darstellung nicht zu entnehmen.“ – der den V-Mann Vorwürfen einiger NPD- ein weiteres Mitwirken der Lagerge-
Angeklagte wurde von allen Vorwürfen Mitglieder gegen ihn zu tun haben. Dei- meinschaft im Beirat auszuschließen.“
freigesprochen. chen gelang es weder 2005 noch in die- Quelle: jW, 3.11.06 ■
Dennoch geht die Verfolgung antifa- sem Jahr seine Fascho-Kameraden vom
schistischer Symbole auch in Berlin wei- Gegenteil zu überzeugen. Für die Glaub- „Heldengedenken“
ter. Vor wenigen Tagen gab es – trotz des würdigkeit des V-Manns könnte ein Pro-
Urteils – wieder Festnahmen bei Aktio- zess und eine Verurteilung zum Beispiel Wien. Wie jedes Jahr marschierten auch
nen gegen den Naziaufmarsch in Tegel. auf Bewährung schon von Nutzen sein. heuer Neonazis und Rechtsextreme rund
Auch hier war die Begründung das Tra- Zu seinem Prozessauftakt wird mit einer um Allerheiligen vor den Gräbern ihrer
gen des „Good Night White Pride“-Sym- Mobilisierung der vorpommerschen Na- „Helden“ auf. Am 1. November versam-
bols. Damit muss ab sofort Schluss sein! ziszene gerechnet. melten sich rund 30 Neonazis beim Grab
Wir fordern umgehende Freisprüche für Michael Strähnz, VVN/BdA ■ des 1975 verstorbenen SS-Obersturm-
alle Menschen, die wegen des Tragens bannführers Otto Skorzeny am Döblinger
von antifaschistischen oder antirassisti- Ravensbrückerinnen aus Friedhof. Der 1908 in Wien geborene
schen Symbolen einem Ermittlungsver- Skorzeny trat 1930 der NSDAP bei und
fahren ausgesetzt sind. Wir wenden uns Beirat gedrängt brachte es bis zum Leiter der Gruppe VI S
gegen jeden Versuch der Kriminalisie- Berlin. Die Lagergemeinschaft Ravens- (Sabotage) im Reichssicherheitshaupt-
rung antifaschistischen Engagements! brück/Freundeskreis ist künftig nicht amt. Zunächst als Kriegsverbrecher inhaf-
potsdam@rote-hilfe.de mehr im Beirat der Stiftung Brandenbur- tiert, konnte er 1948 fliehen. In der Folge
gische Gedenkstätten vertreten. Die La- war Skorzeny maßgeblich am Aufbau der
Der NPD Kreisvorsitzende gergemeinschaft, in der Überlebende des Nazi-Fluchthilfe beteiligt und im Geflecht
Frauenkonzentrationslagers Ravens- aus (westlichen) Geheimdiensten weiter
Deichen vor Gericht! brück, Angehörige und jüngere Antifa- aktiv, auch als Autor einschlägiger Schrif-
Wolgast. Am 28. November 2006 um schisten organisiert sind, informierte am ten machte er sich einen Namen in der
10.00 Uhr findet vor dem Amtsgericht Mittwoch in einer Pressemitteilung über Neonazi-Szene. In einem stoertebeker-
Wolgast ein Strafprozess gegen den diesen Skandal. Bis zum Jahresende ver- Bericht über die Kundgebung am Skorze-
NPD-Funktionär Christian Deichen statt. tritt die KZ-Überlebende Edith Spar- ny-Grab heißt es: „Am Friedhof ange-
Christian Deichen ist Vorsitzender des mann die Lagergemeinschaft im Beirat, kommen, formierte man hinter den Far-

4 : antifaschistische nachrichten 23/2006


Berlin. Der Befund überrascht.
Eine neue, repräsentative Studie
der Friedrich-Ebert-Stiftung stellt
Vom Rand zur Mitte
landläufige Stereotype über Rechtsextre- tremismus ließe sich auf junge Skin- gesamt verkörpert“. Das ist typische
mismus auf den Kopf: Die knallharten heads und Neonazis reduzieren. Außer- NPD-Sprache. Im Osten waren 29 Pro-
Rechtsextremisten sind nicht ostdeutsche dem wählen die meisten rechtsextrem zent dieser Ansicht, im Westen jeder
Jungmänner, sondern westdeutsche eingestellten Deutschen nicht rechtsex- Vierte. Oder: Fast 40 Prozent sehen die
Opas. Der Anteil von „Menschen mit ge- trem – insgesamt zwei Drittel entschei- Bundesrepublik durch die vielen Auslän-
schlossenem rechtsextremen Weltbild“ den sich für SPD und Union. der „in einem gefährlichen Maße über-
liege in den alten Bundesländern bei 9,1 Den Wissenschaftlern ging es nicht fremdet“ (Ost: über 40 Prozent, West:
Prozent, im Osten seien es aber nur 6,6 um rechtsextreme Verhaltensweisen, sei knapp 39).
Prozent, lautet eines der Resultate der es bei Straftaten oder Wahlen, sondern Insgesamt bekannten deutlich mehr
bundesweiten Studie. Westdeutschland um „Einstellungen und ihre Einflussfak- Ostdeutsche, ausländerfeindlich zu sein.
hebt damit den braunen Durchschnitt auf toren“. Empirische Grundlage der Studie Etwa 44 Prozent glauben, „die Ausländer
bundesweit 8,6 Prozent. Bei allen The- mit dem Titel „Vom Rand zur Mitte“ war kommen nur hierher, um unseren Sozial-
men, von der Befürwortung einer Dikta- eine Umfrage unter 3876 West- und 996 staat auszunutzen“. Im Westen waren es
tur bis zur Verharmlosung des National- Ostdeutschen, die mit 18 meist klassisch 35 Prozent. Allerdings fielen die Antwor-
sozialismus, lagen die über 60-Jährigen rechtsextremen Aussagen konfrontiert ten in Bayern (über 42 Prozent auslän-
vorn. Die beiden Wissenschaftler der wurden. Die Befragten konnten dann derfeindlich) fast so schlimm aus wie in
Universität Leipzig widersprechen damit zwischen fünf Antworten wählen, die Brandenburg (knapp 50 Prozent).
der landläufigen Auffassung, Rechtsex- von klarer Ablehnung bis deutlicher Zu- Antisemitische Einstellungen fanden
stimmung reichen. Das sich hingegen in Westdeutschland weit
Diagramm 2.1.3: Skala „Ausländerfeindlichkeit“ Gesamtergebnis sei, mehr als im Osten. Nur sechs Prozent der
warnte Dietmar Moltha- befragten Ostdeutschen meinten, „die
50 gen von der Friedrich- Juden arbeiten mehr als andere Men-
Ebert-Stiftung, „ein schen mit üblen Tricks, um das zu errei-
Gesamt Ost West
Alarmzeichen für die Po- chen, was sie wollen“. Unter den West-
45 43,8 litik“. Die Umfragewerte deutschen stimmten fast 16 Prozent die-
Zustimmungswerte in %

zeigten, dass Rechtsex- ser Parole zu.


40,5 tremismus in der Bun- Sympathien für den Nationalsozialis-
40 39,1
38,4 38,8 desrepublik kein mus äußerten deutlich weniger Befragte
37,0 Randphänomen sei und in Ost und West. Nur fünf Prozent der
35,2 34,9 sich in Teilen der Gesell- Ostdeutschen meinten, die Verbrechen
35 34,0
schaft verfestige. des NS-Regimes würden in der Ge-
So stimmten 26 Pro- schichtsschreibung weit übertrieben. Im
zent der Aussage zu: Westen waren es etwas mehr als neun
30
Die Ausländer kommen nur Wenn Arbeitsplätze knapp Die Bundesrepublik ist „Was Deutschland jetzt Prozent. kun ■
hierher, um unseren
Sozialstaat auszunutzen
werden, sollte man die
Ausländer wieder in ihre
durch die vielen Ausländer
in einem gefährlichen Maß
braucht, ist eine einzige Die Studie im Internet:
Heimat zurückschicken überfremdet starke Partei, die die www.fes.de/rechtsextremismus/pdf
Volksgemeinschaft ins- /Vom_Rand_zur_Mitte.pdf

ben des Reiches einen Marschblock und den“ verehrten Nationalsozialisten am Staatsanwaltschaft Dortmund Anzeige er-
zog ruhigen aber festen Schrittes zum Fa- Wiener Zentralfriedhof auf. stattet. Einen Prozess hat es bis heute nicht
miliengrab der Skorzenys. Begleitet von www.doew.at ■ gegeben.“
den neugierigen Blicken der übrigen Ulrich Sander, Sprecher der VVN-
Friedhofbesucher nahmen die Teilnehmer 3 Jahre blieb Anzeige liegen BdA, fragte daraufhin bei der Staatsan-
in der Gräberzeile Aufstellung. Ein junger waltschaft nach und erhielt umgehend
Redner aus Wien ergriff das Wort und Dortmund. Am 28.10. gab Jupp Angen- Antwort: „Sehr geehrter Herr Sander, wie
hämmerte den Anwesenden neuerlich das fort, Landessprecher der VVN-BdA NRW, ich Ihnen bereits mit Schreiben vom 17.
Opfer, den Einsatz und die Verluste unse- aus Anlass des 60. Jahrestages der Grün- 2.2005 mitgeteilt habe, ist in dem Verfah-
res Volkes in die Herzen. Besonders be- dung der VVN der „Jungen Welt“ ein Inter- ren 157 Js 1784/02 Staatsanwaltschaft
tonte er, dass ein Wehklagen nach bürger- view, in dem er ausführte: „60 Jahre nach Dortmund bereits Anfang Januar 2005
lichen Maßstäben nicht die Sache junger der Gründung der VVN ist die Neonazisze- Anklage vor dem Amtsgericht – Schöf-
Kämpfer sein kann, sondern nur ein tota- ne in NRW äußerst aktiv und gewaltbereit fengericht – in Dortmund erhoben wor-
ler Einsatz im Geiste der Helden unseres ... Ich will ein Beispiel herausgreifen: Es den. Nachdem zunächst eine im Oktober
Volkes. Jawohl, kein Wort reicht aus als gibt in NRW eine Neonaziband namens anberaumte Hauptverhandlung vertagt
Dank für die Taten unserer toten Helden, Oidoxie, die im Jahre 2002 einen Tonträger werden musste, hat das Amtsgericht Dort-
deren Gedenktag wir begingen. […] Nach samt Videoband erstellt hat, der unter dem mund nunmehr einen neuen Hauptver-
dem Einhalten einer Trauerminute, der Ladentisch verkauft worden ist. In dem handlungstermin am 6.12.2006 festge-
sich einige ältere Friedhofsbesucher an- Lied „Unsere Antwort“ singen die Neona- setzt. Ihre Frage, aus welchen Gründen
schlossen, sangen die Teilnehmer das zis: „Wartet, ihr Brüder, wir kommen wie- bisher die Durchführung eines Hauptver-
Lied vom guten Kameraden. Anschlie- der, schlagen das rote Gesindel nieder. handlungstermin nicht möglich war, kann
ßend formierte sich wieder der Marsch- Wartet, ihr Brüder, jetzt kommt die Rache, ich Ihnen naturgemäß nicht beantworten.
block, um den Friedhof zu verlassen.“ Juda verrecke und Deutschland erwache“. Gegebenenfalls sollten Sie sich insoweit
Für den 12. November ruft der FPÖ- Im Refrain heißt es: „Für unser Fest ist uns mit dem Amtsgericht in Dortmund in
nahe Verein zur Pflege des Grabes Walter nichts zu teuer, zehntausend Juden für ein Verbindung setzen.“ „Naturgemäß“
Nowotny zu einer Kranzniederlegung an Freudenfeuer“. Ich habe gegen diese Band scheint man es eben nicht besonders eilig
der letzten Ruhestätte des als „Fliegerhel- um deren Sänger, den Dortmunder Marco zu haben mit der Verfolgung solcher De-
Gottschalk, bereits im März 2003 bei der likte. u.b. ■

: antifaschistische nachrichten 23/2006 5


Antifaschistische Haus- Nur schwache Proteste
begleiteten den NPD-
besuche bei „pro Köln“ Bundesparteitag am
Wochenende 11./12.
Köln. Am Abend des 10.11.06 fand in November in Berlin, ob-
Köln-Ehrenfeld ein spontaner antifa- wohl alle im Abgeord-
schistischer Abendspaziergang statt, etwa netenhaus vertretenen
40 Personen beteiligten sich. Besucht Parteien dazu aufgeru-
wurden die Neu-„pro Kölnerin“ Marylin fen hatten. Die Tagung
Anderegg und der Ehrenfelder Bezirks- im Fontanehaus hatte
die NPD gerichtlich
vertreter der extrem rechten „Bürgerver-
durchsetzen können.
einigung“ Heinz Kurt Täubner. Mehrere „Man sei in der Reichs-
hundert Flugblätter wurden in die Brief- hauptstadt angekom-
kästen der Nachbarschaft gesteckt. men“, tönte Voigt, der
Zunächst ging es zum Wohnort des als Vorsitzender bestä-
Neofaschisten Heinz Kurt Täubner. tigt wurde. Dem Bun-
Täubner wurde 2004 für die extrem rech- desvorstand gehören
te „Bürgerbewegung pro Köln“ in die lo- drei neue Mitglieder an: die Pressesprecherin des NPD-LV Berlin und Mitbegründerin des ,Rings
Nationaler Frauen in der NPD‘, Stella Palau, der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger und der
kale Bezirksvertretung gewählt. Täubner
stellv. Chefredakteur der Deutschen Stimme, Andreas Molau. Foto: Ulli Winkler, ND, 13.11.06
ist nicht neu in der Szene. So war er be-
reits Ende 1983 der Vorsitzende des
„Deutschen Bürgerschutz“, der sich
selbst als Bürgerwehr gebend mit rassis- Nazis möchten Geschichte
tischer Hetze vor allem im Kölner Stadt-
teil Chorweiler von sich reden machte. revidieren
Mehrere Tausend DemonstrantInnen blockierten die Demo-Route – Linke
1984 beteiligt sich Täubner bei der Grün-
dung des „Vereins zur Förderung unab- Kundgebung dauerte fast 8 Stunden! – Nur 200 Leute bei der NPD
hängiger Jugendbewegung“, der als Ziel Nürnberg. Der Naziaufmarsch Währendessen setzte sich der Demozug
hatte, eine Kooperation zwischen den der rechtsextremen NPD am 14.10. am Plärrer mit mittlerweile ca. 2000 Men-
verschiedenen neofaschistischen Grup- war von Anfang an als Provokation schen die Fürther Straße entlang in Gang
pen zu organisieren. Im selben Jahr trat geplant. Angemeldet hatte die Aktion ein (d.h. den Nazis entgegen). Eigentlich soll-
er auch der militanten Organisation gewisser Christian Malcoci, Mitglied der te der Zug dann weg von der späteren
„Schwarze Front“ bei. Diese verstand NSDAP/AO, mit guten Kontakten zur Nazi-Route nach Gostenhof führen. Doch
sich als Nachfolgeorganisation der fa- Anti-Antifa. Die NPD hatte mit Udo Voigt die Leute entschlossen sich kollektiv spon-
schistischen Konkurrenzpartei zur und Jürgen Rieger „Parteiprominenz“ auf- tan (!!!), nicht mehr weiter zu gehen. Vor
NSPAD „Schwarze Front , die 1931 von gefahren. Am 60. Jahrestag der Kriegsver- einer Absperrung der Polizei kam die
Otto Strasser gegründet worden war. Die brecher-Urteile von Nürnberg wollten die Demo zum Stehen. Dort verharrten die
„Schwarze Front“ tat sich durch sozial- Neonazis unter der Parole „Recht statt Ra- TeilnehmerInnen ca. 6 Stunden lang.
demagogische sowie radikale antisemiti- che – Revision der Nürnberger Prozesse“ Gegen 14.00 Uhr, dem offiziellen Be-
sche Propaganda hervor. Anfang der 90er durch Nürnberg demonstrieren, dazu aus- ginn der Nazi-Demo am Gerichtsgebäude,
wurde Täuber zum stellvertretenden Vor- gerechnet noch durch den stark von Mi- fand am Kornmarkt, d.h., an einem Ort ca.
sitzenden der Kölner Kreisverbands der grantInnen bewohnten Stadtteil Gosten- 4 km entfernt von der eigentlichen Nazi-
neofaschistischen Partei „Die Bürger“, hof. Route eine Kundgebung von Gewerk-
welche damals auch in den Rat der Stadt Vom Gerichtsgebäude, in dem ab 1946 schaften, Parteien und dem Oberbürger-
einziehen konnte. Zu dieser Zeit beteilig- die Nürnberger Prozesse stattfanden, sollte meister statt. Der SPD-OB Maly hatte
te er sich auch des Öfteren an einem ein Demozug über den Ort der ehem. zum Protest aufgerufen, weil er für ein
„Runden Tisch-Gespräch zwischen den Deutschen Arbeitsfront (DAF), dem Grün- Verbot der Veranstaltung keine Chance auf
Neonaziorganisationen „Deutsche Liga dungslokals der Nürnberger NSDAP so- einen Erfolg sah. „Nürnberg darf nie wie-
für Volk und Heimat“, NPD und der wie dem Hotel Deutscher Hof und dem der ein Platz für Rassisten, Antisemiten
„Freiheitlichen Arbeiterpartei“ (FAP). Ort, an dem die NS-Rassegesetze verab- und Holcaust-Leugner werden“, so der
Anschließend ging es zur „Initiativ- schiedet wurden, bis hin zum Opernhaus OB. Nach einer Kurzkundgebung rief er
sprecherin“ des Bürgerbegehrens gegen veranstaltet werden, der zu allem Über- dann auch zum Protest vor dem Gericht
die Ehrenfelder Moschee, welche nach fluss durch das bunte Viertel Gostenhof auf, um den Neonazis „Auge in Auge“ ge-
eigenen Angaben mittlerweile mehr als führen sollte. genüber zu stehen, wie er betonte. Rund
17.000 Unterschriften gegen das Baupro- Nur wurde daraus nichts, weil sich Tau- 3000 Menschen folgten dem Aufruf und
jekt gesammelt hat. Marylin Anderegg sende von NürnbergerInnen ihnen ent- fuhren mit kostenlosen U-Bahnen zur Pro-
wohnhaft in der Weinsbergstraße 136, schlossen entgegen stellten, obwohl die testdemonstration. Von der erst zwei Stun-
kandidierte bei der letzten Kommunal- Polizei ihr möglichstes tat, den Nazis eine den verspätet beginnenden Kundgebung
wahl noch für „Die Republikaner“, ist Demo zu ermöglichen! Sie sperrte der Nazis war dann nicht viel zu hören, da
mittlerweile aber wie andere ihrer ehe- schlichtweg die Fürther Str., d.h. eine der die Protestierenden sich äußerst lautstark
maligen Mitstreiter zur rechtsextremen wichtigsten Straßen Nürnbergs, komplett bemerkbar machten.
„Bürgerbewegung pro Köln“ gewechselt. nach links und rechts mit Absperrgittern Nach dem Ende der rechten Kundge-
Ende Oktober wurde sie dort dann auch und einem Großaufgebot ab. bung bildete sich noch eine Spontandemo
gleich als Beisitzerin in den Vorstand ge- Schon um 9.30 Uhr trafen sich ca. 500- der Linken in Richtung Opernhaus, um zu
wählt. Auch hier wurden einige hundert 1000 Menschen des eher autonomen und kontrollieren, ob die Nazis auch wirklich
Flugblätter in den umliegenden Straßen linken Spektrums am Plärrer. Gleichzeitig verschwunden seien. Als dort niemand
verteilt und die AnwohnerInnen über die fand direkt vor dem Gerichtsgebäude ca. 3 mehr zu sehen war, ging es spontan weiter
rechten Umtriebe ihrer Nachbarin auf- km weiter, d.h. dem Startpunkt der Nazi- zum Hauptbahnhof, der aber von einem
geklärt. Demo, die um ca. 14.00 Uhr beginnen massiven Polizeiaufgebot total abgerie-
keinbockaufprokoeln@gmx.net sollte, eine Kundgebung mit Opfern des gelt war.
www.keinbockaufprokoeln.tk ■ Naziregimes mit ca. 100 Menschen statt. nachrichten & standpunkte 11-06 ■

6 : antifaschistische nachrichten 23/2006


Der Aufbau rechtsradikaler Strukturen
in Mecklenburg-Vorpommern von Axel Holz, VVN Schwerin

Rechtsradikale Kameradschaften ten Hausmarke „Thor Steinar“ für rechts- ◗ Indizien weisen darauf hin, dass rechts-
sind in Mecklenburg-Vorpommern radikales jugendliches Outfit. extremistische Gruppierungen gerade in
Ausgangspunkt und Basis der Ver- Insbesondere in Ückermünde ist es der ländlichen Räumen auf eine gesteigerte so-
breitung rechtsradikalen Gedankengutes, rechtsradikalen Szene gelungen, feste ziale Akzeptanz zu stoßen scheinen.
der Rekrutierung von rechtsradikalem Per- Strukturen aufzubauen. Der „Heimatbund Regionale Verankerung rechtsradika-
sonal und Verankerung rechtsradikaler Ak- Vorpommern“ ist dort mit seinen Freizeit-, ler Aktivisten
tivitäten im ländlichen Raum. Darunter Sport- und Kulturangeboten besonders bei
befinden sich neben dem jetzigen Frakti- der Akquisition von ideologisch leicht be- Die NPD konnte sich in Mecklenburg-
onschef der NPD im Landtag Udo Pastörs einflussbaren Jugendlichen erfolgreich. Vorpommern seit Mitte der neunziger Jah-
auch der persönliche Referent des NPD- Aber auch ältere Erwachsene sympathisie- re auf zwei Säulen stützen. Da sind zu-
Vorsitzenden Thomas Wulf, der vorbe- ren mit den kommunalpolitischen Kampa- nächst geschulte Kader aus den alten Bun-
strafte NPD-Bundesgeschäftsführer und gnen der extremen Rechten, heißt es in der desländern, die sich v.a. in Westmecklen-
Landesvorsitzende Stefan Köster und der Studie der Greifswalder Wissenschaftler burg niederließen und dort Grundstücke
NPD-Kreischef von Ludwigslust Andreas um Hubertus Buchstein. und Häuser erwarben. Mit dieser Strategie
Theißen. Ebenso wie sie zog auch der jet- Getarnt als eine gewöhnliche Bürgerini- konnten die regionale Verankerung der
zige Fraktionschef der NPD im Landtag tiative ist es gelungen, sich einen Zugang rechtsradikalen Kader im ländlichen
Udo Pastors in den 90er Jahren nach West- zur Bevölkerung von unten zu verschaf- Raum eingeleitet sowie Schulungen und
mecklenburg. fen, der nichts mehr gemein hat mit der al- Konzerte ungestört betrieben werden. Der
Hier wurden Mitte der neunziger Jahre ten Strategie, rechtsextreme Strukturen erst 1998 in Mecklenburg-Vorpommern
rechtsradikale freie Kameradschaftsstruk- von oben gewaltsam aufzuoktruieren. Ihr erwirkte Konzerterlass gegen rechtsradi-
turen aufgebaut und von Thomas Wulf ko- neues bürgernahes Konzept sichert den kale Konzerte konnte geschickt umgangen
ordiniert. Ideengeber für dieses neue Or- Rechtsradikalen hingegen ständigen Ein- werden, indem rechtsradikale Konzerte
ganisationskonzept sind Thomas Wulff fluss auf die Bevölkerung. Ziel ist die Bil- auf Privatgelände verlagert wurden. So
und der Hamburger Neonazi Christian dung einer „Volkfront von Rechts“. Über reiste aus ganz Deutschland und der örtli-
Worch. Damit werden Organisationsver- das „Soziale und nationale Bündnis Pom- chen Szene Publikum an, um im vorpom-
bote umgangen, die Jugendarbeit akti- mern“ versuchen Kameradschaften, die- merschen Klein Bünzow bei Salchow un-
viert und so genannte national befreite Zo- sem Ziel näher zu kommen. Da war es gestört rechtsradikale Konzerte zu besu-
nen angestrebt, in denen Rechtsradikale auch kein Zufall, dass zwei Kamerad- chen. Zu den Gründungsmitgliedern eines
die öffentliche Ordnung außer Kraft setzen schaftsführer der Region Ende 2005 der Bürgerbündnisses gegen Braunkohleab-
und das Sagen haben sollen. NPD beitraten. Gemeinsam mit der NPD bau im Kreis Ludwigslust gehören auch
Die Neonazi-Szene im Osten Mecklen- wird die Kameradschaftsszene ihre Aktivi- zahlreiche Rechtsradikale. Vor Ort suchen
burg-Vorpommerns, besonders im Uecker- täten verstärken. sie engen Kontakt zu Selbständigen und
Randow-Kreis und in Ostvorpommern, Die Veränderungen in der rechtsextre- Unternehmern.
wird von in der Region aufgewachsenen men Szene des Landes Mecklenburg-Vor- Ein Zweites Standbein der NPD-Arbeit
Kadern angeführt. Im Verfassungsschutz- pommern fasst der Verfassungsschutzbe- bilden die seit Mitte der 90er Jahre aktiven
bericht 2004 werden ein Dutzend solcher richt 2004 sachgerecht in kurzen Bot- Kameradschaften. Ende 2005 traten zahl-
aktiver Kameradschaften genannt. Der Be- schaften zusammen: reiche Kameradschaftsführer und -mitglie-
richt der Mobilen Beratungsteams in ◗ Die Bedeutung der gewaltbereiten der in die NPD ein, die 2004 in Mecklen-
Mecklenburg-Vorpommern zählt allein in Subkulturen (rechtsextremistische Skin- burg-Vorpommern laut Verfassungs-
Vorpommern die gleiche Zahl. Eine Studie heads) für die Außendarstellung der Szene schutzbericht gerade über 110 Mitglieder
der Greifswalder Universität über Ücker- ist offensichtlich rückläufig. verfügte. Darunter war auch der Kamerad-
münde als Refugium des Rechtsextremis- ◗ Die Neonaziszene organisiert sich in schaftsführer Tino Müller aus Ückermün-
mus verweist neben den Kameradschaften „Kameradschaften“ oder „Bürgerinitiati- de, der jetzt für die NPD im Landtag sitzt.
„Aryan Warriors“ und der „National-Ger- ven“ vorwiegend im kommunalen Raum Ende 2005 hatte die NPD nach Angaben
manischen Bruderschaft“ auf zwei so ge- und bringt sich dabei in aktuelle politische ihres Landesvorsitzenden Stefan Köster
nannte Kulturkreise, die vorrangig im vor- und kulturelle Prozesse ein. Verbunden da- 220 Mitglieder. Seit Jahresbeginn 2006
politischen Raum agieren: den „Heimat- mit ist eine Ausweitung der Propagan- sollen weitere 350 Mitglieder der NPD
bund Pommern“ und den „Kulturkreis daaktivitäten und der Vernetzungsbemü- beigetreten sein.
Pommern“. Außerdem gründete sich die hungen. Regionale NPD-Kader wie Stefan Kös-
Initiative „Schöner und sicherer wohnen in ◗ Neonazis und Teile der rechtsextre- ter und der Jurist Michael Andrejewski
Ückermünde“, in der es Rechtsradikalen mistischen Parteienszene – hier insbeson- dienten auch als Personal für den Einzug
gelang, 2.000 der 11.000 Einwohner dere die NPD – üben den Schulterschluss der NPD in vier Kreisparlamente nach den
Ückermündes gegen die Einrichtung eines und verstärken ihre Zusammenarbeit. letzten Kommunalwahlen. Dort traten sie
Asylbewerberheimes in ihrer Stadt zur ◗ Maßgebliche Protagonisten der Neo- allerdings inhaltlich kaum in Erscheinung.
Unterschrift zu bewegen. naziszene treten in die NPD ein. Mit dem Einzug in den Landtag Meck-
Der Aufbau der Kameradschaftsszene ◗ NPD und DVU führen wieder Wahl- lenburg-Vorpommerns verfügt die NPD
stützt sich auf eine Welle rechter Konzerte absprachen durch. nun über die Möglichkeit, Wahlkreisbüros
des rechtsradikalen Musik-Netzwerkes ◗ Rechtsextremistischen Parteien gelin- zu schaffen und dort im Lande eine Veran-
Blood & Honour in den neunziger Jah- gen – insbesondere in Ostdeutschland – kerung anzustreben, wo ihnen das bisher
ren, die viel zu lange von den Behörden beachtliche Wahlerfolge. In diesem Zu- nicht gelungen ist. Neben 150.000 Euro
geduldet wurden. Mittlerweile gruppiert sammenhang belegen Einzelbeobachtun- Wahlkampfkostenerstattung an die Lan-
sich um die Kameradschaften ein Netz- gen ein gestiegenes Interesse der Bürger despartei erhält die neue NPD-Fraktion
werk rechtsradikaler Szene-Läden und an den Aktivitäten rechtsextremistischer nun jährlich gut 500.000 Euro Fraktions-
Firmen, u. a. zum Vertrieb der neu kreier- Gruppierungen. gelder. Hinzu kommen die Diäten von

: antifaschistische nachrichten 23/2006 7


knapp 5.200 Euro monatlich zuzüglich ei- sistischen Positionen mit Sprüchen wie Bevölkerung wählen müssen, ohne weite-
ner Erhöhung um 500 Euro ab nächstem „Touristen willkommen – Asylbetrüger re Stimmen für die NPD abzugeben als die
Jahr. Insgesamt profitiert die NPD inner- raus“ regionalspezifisch zu tarnen. Insbe- letztlich 60.000 abgegebenen Stimmen –
halb der nächsten fünf Jahre mit knapp 5 sondere in den Dörfern und weit verstreu- eine schier illusionäre Vorstellung. Auch
Millionen Euro an Steuergeldern von der ten kleinen Gemeinden war fast jeder die Wählerzusammensetzung stellt be-
Landtagswahl. Ein gutes Geschäft im Ver- Lampenmast in drei Meter Höhe mit ei- kannte Klischees in Frage. Zwar hatten
hältnis zum eingesetzten Kapital von nem NPD-Plakat versehen. Die NPD-Ak- 17 % der Arbeitslosen und 11 % der Arbei-
knapp einer halben Million Euro für den tivisten gaben sich im Wahlkampf dabei ter landesweit NPD gewählt. Aber mit 11
Wahlkampf. Neben der Funktion als Geld- freundlich und bürgernah. Widerstand ge- % lag auch die NPD-Wahlquote bei den
maschine, dient die neue Landtagsfraktion gen die Plakatierung wurde rabiat beant- Selbständigen deutlich über dem Lande-
der NPD als Propagandabühne, Personal- wortet. In Picher wurde ein Rentner nie- schnitt von 7,4 % der Zweitstimmen. Re-
schmiede und Ausgangspunkt für einen dergeschlagen, der kein NPD-Plakat vor gional dominierten Kreise in Vorpom-
flächendeckenden Ausbau des NPD-Ein- seinem Haus zulassen wollte. Der zustän- mern mit 15 %, Wahlbüros in Anklam mit
flusses im Lande. Obwohl sich die NPD dige Landkreis hatte das Plakat darauf ent- bis zu 30 % und einige Gemeinden mit bis
demokratisch geriert, steigt die Zahl der fernen lassen. Auch andere Kreise hatten zu 38 % Stimmen für die NPD, wie in der
rechtsradikalen Straftaten bundesweit NPD-Plakate dort entfernen lassen, wo die Gemeinde Postlow. Kurzentschlossene
kontinuierlich an. Von Januar bis August NPD wild oder gegen bestehende Vor- konnte die NPD mit 4 % kaum mobilisie-
2006 waren es mit 8.000 um 20 Prozent schriften plakatiert hatte. Anwohner be- ren, aber dafür ein erhebliches Nichtwäh-
mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum richteten, dass zum Teil bewaffnete NPD- lerpotential von 11.000 Stimmen. Der
und etwa die Hälfte mehr als im Jahr 2004. Trupps nachts in den Dörfern die Unver- CDU gingen 12.000 Stimmen an die NPD
Der Rechtsextremismusexperte Toralf sehrtheit der Plakate überprüften oder vor verloren, der SPD 7.000 und der Linkspar-
Staud befürchtet nun die Faschisierung Ort über Verbindungsleute sicherstellten. tei 2.000 Wähler. Ein Wählerwechsel soge-
ganzer Regionen in Mecklenburg-Vor- Die NPD hatte ihre Aktivisten in Schu- nannter Protestwähler ist kaum feststellbar.
pommern. Hier hätten sich mittlerweile lungen zur inhaltlichen Zurückhaltung und Die Gründe für den Wahlerfolg sind si-
ganze rechtsradikale Zentren herausgebil- Gewaltlosigkeit angehalten. Dennoch ging cher vielfältig. In Journalistenumfragen
det, analysiert der Opferhilfeverein „Lob- die NPD in den letzten Wochen zuneh- taucht immer wieder das Stichwort Armut
bi“. So gebe es in Grimmen eine gewaltbe- mend aggressiv gegen ihre politischen auf. Auf Seiten der NPD-Wähler beken-
reite Szene. In Teterow säßen die Kame- Gegner vor. Wahlstände der SPD und nen sich zahlreiche Interviewte zu ihrer
radschaften am Stammtisch und in Wis- Linkspartei wurden belagert, Standbetreu- Wahlentscheidung, nennen aber in den sel-
mar sei ebenfalls eine Nazi-Szene etab- er und Bürger fotografiert und bedroht, tensten Fällen Gründe dafür. Ist es die
liert. In Saßnitz und auf Rügen registriert manche Wahlkampfmitarbeiter bis in ihre Scham, mit faschistischer Ideologie in Zu-
„Lobbi“ Zuzüge aus der rechten Szene Wohnungen verfolgt. Die SPD meldete al- sammenhang gebracht zu werden oder die
und eine Zunahme rechter Gewalt. lein zwanzig solcher Vorfälle. In Hagenow Angst, die längst vorhandene rechtsradika-
Professioneller Wahlkampf der NPD zogen aggressive NPD-Trupps erst dann le Einstellung öffentlich werden zu lassen?
2006 vom SPD-Stand ab, als die Landtagsabge- Resümee Antifaschistischer Arbeit
ordnete Seemann die Polizei herbeirief.
Der NPD ist es 2006 gelungen, mit einem Nach dem Muster der Wortergreifungs- Die Arbeit von gut zwei Dutzend Mitar-
professionellen Wahlkampf ihren Wähler- strategie wurden bereits im Vorfeld der beitern der Bundesprogramme zur Stär-
anteil seit der Bundestagswahl im Vorjahr Wahl Veranstaltungen gegen Rechtsradi- kung demokratischer Strukturen in Mobi-
zu verdoppeln. Sie kann dabei mittlerweile kalismus gestört, so eine Veranstaltung der len Beratungsteams, Opferberatungsstel-
auf ein Stammwählerpotential zurückgrei- SPD mit Innenminister Gottfried Timm len und vier Civitas-Netzwerkstellen hat
fen. In einigen Regionen Vorpommerns und SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. seit 2001 erfolgreich zur Auseinanderset-
sind die NPD und die regionalen Kame- Im Wahlkampf zog die NPD nun mit zung von Schulen, Gemeinden, Präventi-
radschaften die Einzigen vor Ort, die mit geschulten Trupps zu den Ständen ihrer onsräten, Gewerkschaften, Organisationen
Aktivitäten aufwarten. Diese reichen von politischen Gegner, um diese zu verun- und Parteien beigetragen. Die Experten
Volks- und Kinderfesten über Trachten- glimpfen, zu beleidigen, zu bedrohen und dieser Programme haben dort vor Ort fle-
gruppen und Sonnwendfeiern bis zur den Bürgern den Zugang zu den Wahlstän- xibel gewirkt, wo rechtsradikale Zwi-
Gründung oder Beteiligung an Volksinitia- den zu erschweren. Vor dem Schweriner schenfälle oder Aktivitäten bekannt wur-
tiven und der aktiven Arbeit in Elternver- Schloss wurden Antifa-Demonstranten ge- den. Das spricht für den Erhalt dieser
tretungen. gen einen Wahlstand der NPD von NPD- Strukturen.
Der Wahlkampf der NPD wurde mit ca. Wahlhelfern mit Baseballkeulen verfolgt. Die Landesregierung der SPD-PDS-
400.000 Euro auf dem finanziellen Niveau Am Wahlabend selbst wurden Journalisten Koalition hat in der letzten Legislaturperi-
der großen Volksparteien durchgeführt. von der NPD-Wahlparty in der Schweriner ode ein Landesprogramm gegen Rechts-
Der Verfassungsschutz geht sogar von ei- Gaststätte „Radeberger Bierstuben“ in der extremismus verabschiedet und die Arbeit
nem höheren Betrag aus. Finanzielle und Nähe des Landtages fern gehalten, bedroht der Bundesprogramme mit jährlich
personelle Ressourcen wurden aus der und ein Journalist wurde geschlagen. In 150.000 Euro unterstützt. Das reicht aber
ganzen Bundesrepublik in Mecklenburg- ersten Interviews outeten sich die NPD- bei weitem nicht aus, um diese Stellen
Vorpommern konzentriert, umfangreiches Lantagskandidaten Tino Müller und Udo vollständig aus Landesmitteln zu finanzie-
Propagandamaterial bereitgestellt, darun- Pastörs mit einem relativierenden State- ren, wie dies im Land Brandenburg ge-
ter allein 40.000 Schulhof-CDs. Es wur- ment zum Kriegsverbrecher Adolf Hitler schehen ist. Auch ist es nicht gelungen, die
den Häuser zur Unterbringung der Wahl- und stellten die völkerrechtsmäßige Gren- engagierte Arbeit der Experten der Bun-
helfer angemietet und mit der Strategie der ze zu Polen in Frage. Für die Parlaments- desprogramme und die einiger engagierter
Eigentumserwerbung von privaten Häu- arbeit stellten sie populistisch einen An- Lehrer an den Schulen in der Fläche zu
sern, Grundstücken und Firmen aus agiert. trag zur Kürzung der Abgeordnetendiä- verstetigen. Dazu müsste die Auseinander-
Im Wahlkampf gab sich die NPD anti- ten in Aussicht. setzung mit der rechtsextremistischen
kapitalistisch und staatskritisch, konzen- Die Prognose der Experten, mit einer Ideologie, Geschichte des Faschismus, mit
trierte sich auf Sozialabbau durch Hartz hohen Wahlbeteiligung könne der Einzug den Grundwerten der Verfassung, mit
IV, regionale Inhalte wie die Schließung der NPD in den Landtag verhindert wer- Menscherechten, Integration von Einwan-
ländlicher Schulen und versuchte ihre ras- den, ging nicht auf. Dafür hätten 85 % der derern und den völkerrechtlichen Grundla-

8 : antifaschistische nachrichten 23/2006


gen der Staatengemeinschaft durch die nem Konzert gegen Rechts begeistern. In Quellen:
Toralf Staud, Glatzenbrot und Lebensrunen, in:
Bildungspolitik in den Schulen verankert anderen Städten fanden weitere Konzerte Die Zeit, 07.09.2006
werden. Die Tastsache, dass die NPD bei gegen Rechts statt. Jusos und SPD führten Philipp Wittrock, NPD in Mecklenburg-Vorpom-
der Landtagswahl 2006 in der Altersgrup- im ganzen Land Veranstaltungen gegen mern, Biedermänner werden rüde, spiegel-online,
07.09.2006
pe der 18-24-Jährigen 22 % der Wähler Rechts durch. Der Journalist und Rechts- Viele NPD-Wähler sind für andere Parteien verlo-
gewinnen konnte, verdeutlicht dieses Pro- extremismusexperte Toralf Staud war auf ren, Interview mit ARD-Experte Schönenborn, Ta-
blem. Die Schüler von heute sind schließ- einer Lesetour mit seinem Buch „Moderne geschau, 08.09.2006
lich die Wähler von morgen. Nazis“ im Land unterwegs. Die Antifa de- Journalist beschreibt NPD-Szene, in: Nordkurier,
8.9.2006
Das rechtsradikale Potential wird in monstrierte vor der Wahl mit ca. 100 An- Lageeinschätzung Rechtextremismus, Verfassungs-
Mecklenburg-Vorpommern auf ein Drittel hängern durch Schwerin und die Jusos schutz MV, 2004
der Wähler geschätzt und 9% der Bürger mobilisierten hunderte Jugendliche zu ei- Ückermünde – eine Refugium des Rechtsextremis-
konnten sich in Umfragen vor der Wahl nem antifaschistischen Konzertabend zum mus in Mecklenburg-Vorpommern, Studie der Uni-
versität Greifswald unter Prof. Hubertus Buchstein,
vorstellen, NPD zu wählen. Letztlich er- Schweriner Jugendhaus „Komplex“. 2005
reichte die NPD aber nur 7,0 % der Erst- Bündnisse gegen Rechts, die sich in den NPD-Aussteiger warnt vor Verharmlosung der Par-
stimmen und 7,4 % der Zweitstimmen. letzen Jahren in Schwerin und anderen tei, in: Ostseezeitung, 08.09.2006
Das ist auch ein Erfolg der zahlreichen an- Städten gebildet hatten, boten eine gute Völlig inhaltsleer, Die großen Parteien werben mit
bunten Bildern, die NPD punktet mit knallharten
tifaschistischen Aktivitäten und einer um- Grundlage für gemeinsames Handeln der Themen, In: TAZ, 12.09.2006
fassenden Aufklärungsarbeit der Medien demokratischen Kräfte gegen den Einzug Die NPD spielt Rächer des kleinen Mannes, Ge-
in den letzten Monaten vor der Wahl. Al- der NPD in den Landtag. Am Wahltag spräch mit Karl-Georg Ohse, in: Junge Welt,
lerdings war die Arbeit der Medien diesbe- hatten sich zahlreiche Antifaschisten am 12.09.2006
Die NPD handelt hochgradig professionell, in:
züglich mit wenigen Ausnahmen in den Schweriner Schloss versammelt und mit TAZ, 12.09.2006
Jahren vorher eher rar ausgefallen. Eine Plakaten und einem riesigen Spruchband Toralf Staud, Versteckte Hetze, in: Die Zeit,
besondere Wirkung haben sicherlich die gegen den Einzug der NPD in den Landtag 14.09.2006
Gewalt ist auch eine Strategie, in: Die Zeit, Nr. 38,
Initiative der SPD „Rechtsweg ausge- protestiert. 14.09.2006
schlossen“, Aktivitäten der Linkspartei, Ohne die zahlreichen Aktivitäten wäre Zahl brutaler Übergriffe nimmt stark zu, in: Die
Grünen, der Gewerkschaften ver.di und das Wahlergebnis wahrscheinlich deutlich Welt, 16.10.2006
des DGB sowie der Antifa gehabt. höher für die NPD ausgefallen. Schließ- Antifaschisten wurden als Nestbeschmutzer abge-
tan, in: Junge Welt, 19.09.2006
Die Linkspartei hatte im Vorfeld der lich ist es gelungen, knapp 60 % der Biedermänner und Neonazis, Tagesspiegel,
Wahl v.a. an Gedenkstätten mit Veranstal- Wähler für die Landtagswahl zu mobili- 19.09.2006
tungen öffentlichkeitswirksam Präsenz ge- sieren. Wochen vorher hatten Umfragen Vom Maurer zum gut bezahlten Politiker, in: Nord-
zeigt. Die VVN organisierte zusammen noch eine Wahlbeteiligung von 37,5 % vo- kurier, 19.09.2006
Wie die NPD zu Geld kommt, in: Ostseezeitung,
mit dem Schweriner Jugendring e.V. un- rausgesagt. Aber auch die NPD hatte v.a. 20.09.2006
mittelbar vor der Wahl in einem Schweri- im Nichtwählerbereich einen erheblichen Ortstermin: Wo 38 Prozent NPD gewählt wurden,
ner Jugendhaus die Klarsfeld-Ausstellung Teil ihrer 60.000 Wähler mobilisieren in: Die Welt, 20.09.2006
„11.000 Jüdische Kinder – Mit der Reichs- können. Kein Grund zum Jubel für die De- Höhere Wahlbeteiligung hätte gegen NPD nichts
genutzt, in: Ostseezeitung, 20.09.2006
bahn in den Tod“. Der Stadtjugendring mokraten, aber ein guter Ausgangspunkt, Ex-Regierungssprecher Heye: Länder bagatellisie-
Schwerin hatte zusammen mit der Civitas- um antifaschistische Aktivitäten weiter zu ren Rechtsextremismus, epd, 20.09.06
Netzwerkstelle im Sommer die ersten vernetzen, um innerhalb und außerhalb Die Idylle als idealer Ort für NPD-Strategen, Tage-
schau, 20.09.2006
Stolpersteine in Schwerin verlegt und im des Parlamentes wirksam gegen Rechtsra- Nicht Zuständig!, Rechte Gewalt nimmt zu und in
Vorfeld über das Programm „Schule+“ dikalismus vorzugehen und die im Lande MV haben sich rechte Zentren gebildet, in: Ostsee-
zahlreiche Schüler in die Vorbereitung in- teils schwach entwickelten demokrati- zeitung, 18.10.2006
tegriert. Der DGB konnte zwei Tage vor schen Strukturen zu stärken. Michael Strähnz, Rechtsextremismus in Mecklen-
burg-Vorpommern, VVN-BdA Schwerin, 2005
der Wahl 10.000 junge Menschen auf ei- Axel Holz ■

Proteste beim Prozess handlungssaal. Unmittelbar nach Verle-


gegen Gelöbnix-Gegner sung der Anklageschrift wurde die Sit-
zung für eine Mittagspause unterbro-
Köln, 26.10.2006: Vier AntimilitaristIn- chen. Als die Justizvollzugsbeamten
nen waren vor dem Kölner Amtsgericht nach der Pause nur noch so viele Leute
wegen Volksverhetzung, Beleidigung, wie vorhandene Plätze in den Saal lassen
Verunglimpfung des Staates und Haus- wollten (etwa 50), nahmen diese das
friedensbruch angeklagt. Zwei von ihnen nicht einfach hin, sondern drängten in
wird vorgeworfen, ein Transparent mit den Saal. Die Öffentlichkeit schien zu-
der Aufschrift „Wir geloben zu morden, nächst wieder hergestellt. Es hatte gewis-
zu rauben, zu vergewaltigen“ von der sen Unterhaltungswert, als einer der
Balustrade des Kölner Doms gezeigt zu Saalordner der Richterin drohte, seinen
haben, während vor dem Dom Rekruten Job als Justizvollzugsbeamter hinzu-
im Rahmen der 50 Jahr-Feier der Bun- schmeißen, wenn sie nicht sofort die
deswehr öffentlich vereidigt wurden. Saalordnung wiederherstellen lasse, wo-
Zwei Gästen des Dom-Hotels wird vor- rauf die Richterin entschied, beide für
geworfen, beim abendlichen Zapfen- den 26. Oktober angesetzten Prozesse
streich an ihrem Zimmerfenster ein wei- auf Donnerstag, den 23. November im
teres Transparent mit der Aufschrift größten Saal des Amtsgerichts zu verta-
„Soldaten sind Mörder! K.T.“ ange- gen. Nächster Prozessversuch: 23. No-
bracht zu haben. Zum Prozessauftakt am vember, 9.00 Uhr, Amtsgericht Köln,
26. Oktober fanden – nach mehr als ein- Saal 210.
stündiger Verspätung – etwa 80 Unter- Mehr Infos unter:
stützerInnen dicht gedrängt Platz im Ver- www.bundeswehr-wegtreten.tk ■
Foto: www.arbeiterfotografie.com
: antifaschistische nachrichten 23/2006 9
Es ist wie eine Reise zwischen zwei „Ich bin ein altes Krokodil, von dem man im Wasser nur das Auge sieht.“ Diesen Vergleich, über
Welten. Bei der Ankunft am Bahnhof dessen Schmeichelhaftigkeit sich streiten lässt, zog der französische rechtsextreme Politiker Jean-
der Pariser Vorstadt Le Bourget fällt Marie Le Pen am Wochenende über sich selbst. Er wollte damit sagen, dass er vor den anstehen-
auf, dass man sich in einer jener Trabanten- den Wahlen wie so oft unterschätzt werde. Derzeit werden ihm allerdings bereits Ergebnisse von
15 Prozent der Stimmen an aufwärts vorhergesagt. Von Freitag bis Sonntag hielt der französi-
städte befindet, in denen – aufgrund der
sche Front National (FN) seinen „Präsidentschaftskonvent“ in Le Bourget in der Nähe von Paris
räumlichen Konzentration der Immigran- ab. Vor 4.000 bis 5.000 Anhängern hielt Le Pen zum Abschluss eine anderthalbstündige Kampf-
tenbevölkerung ebenso wie der Armut auf rede. Bernhard Schmid war dort
engem Raum – der Einwandereranteil hoch
ist. Hier ist er sichtbar, da es sich im Stadt-
zentrum von Le Bourget überwiegend um Präsidentschaftskonvent des FN
Schwarze handelt. Neben dem Ausgang des
Bahnhofs sammelt sich eine kleine Traube lag wiederum bietet antisemitische Schrif- 78jährige, dessen Rede dieses Mal auch live
von Leuten, die sich offenkundig von dieser ten aus den ersten Jahren des 20. Jahrhun- durch die Infosender des Kabelfernsehens
Umgebung abheben. Sie warten auf den derts. Beispielsweise ein halbes Dutzend (LCI, LCP) übertragen wird. Le Pen, dessen
kostenlosen Bus, der sie auf das Messege- Bücher des damaligen prominenten Agita- Gesundheit schon wiederholt zu Spekula-
lände auf dem stillgelegten Flughafen von tors Henri Rochefort, oder „20 Jahre Antise- tionen Anlass gab, wirkt körperlich in Form.
Le Bourget befördern soll. Dort steigt an mitenbund“ von Raphael Viou. Es gab da- Allerdings wissen Journalisten auch zu be-
diesem Wochenende die Grobveranstaltung mals wirklich eine Partei, die offiziell so richten, dass er sich davor extra zwei Stun-
des Front National (FN). Prompt fallen auch hieß. Heute könnte man wohl kaum noch so den in einem Campingbus auf dem Gelände
rasch die ersten abfälligen Bemerkungen schreiben wie jene Autoren damals, ohne im ausgeruht habe. Jean-Marie Le Pen malt die
über die Einwanderer, und dass man in Gefängnis zu landen. Aber bei Schriften, die Grundzüge seines Präsidentschaftspro-
Frankreich nicht mehr zu Hause sei, und so vor einhundert Jahren erschienen, kann man gramms für die Wahl im April 2007 aus.
weiter. sich ja darauf herausreden, dass man nur Aber zuvor muss er noch seine wahrschein-
historische Dokumente verlege. Im Übrigen lichen Gegenkandidaten Nicolas Sarkozy
Ideologische Lufthoheit für Ultra- können in diesem Fall die Autoren nicht be- und Ségolène Royal demolieren, was ihm
katholiken langt werden, da sie ausnahmslos unter der so schwer nicht fällt. Bei Sarkozy genügt es
Die katholisch-nationalistische und katho- Erde liegen. ihm, auf tatsächliche Widersprüche in sei-
lisch-fundamentalistische Parteiströmung nen Reden an unterschiedlichem Ort hinzu-
scheint die ideologische Lufthoheit im Saal Dieudonné und Le Pen
weisen: „Wirtschaftsliberal, Atlantiker und
errungen zu haben, jedenfalls nach den Bü- Nicht unbrisant ist ein Ereignis am Samstag
Anhänger des Kommunitarismus hier, Na-
cherständen zu schließen. In jüngerer Ver- Nachmittag. Zwischen den Ständen taucht
tional-Republikaner dort. Pudel in Washing-
gangenheit hatte es bei der rechtsextremen ein hoch gewachsener Schwarzer auf, den
ton (bei seinem Besuch im September 06),
Partei noch ein zähes Ringen um die welt- man nicht übersehen kann. Es handelt sich
gallischer Hahn in Périgueux (bei seiner
anschauliche Ausrichtung gegeben. Aber um den Komiker Dieudonné M’bala M’ba-
jüngsten Rede)“. Die etablierten Parteien
tatsächlich ist die (zum Teil anti-christlich la, den fast alle Franzosen nur unter seinem
bezeichnet Le Pen systematisch als „casse-
argumentierende) neurechte und neuheidni- Künstlernamen kennen, der mit seinem Vor-
urs“, was so viel wie „Kaputtmacher“, aber
sche Strömung dadurch geschwächt, dass namen identisch ist. „ Dieudonné“ war frü-
auch „Chaoten“ bedeutet. Die Veränderun-
ein bedeutender Teil ihrer Kader bei der her einmal eine Ikone des Antirassismus.
gen der letzten 30 Jahre – Produktionsverla-
Spaltung von 1998/99 mit dem ehemaligen 1997 hatte er, als Kandidat bei den Parla-
gerungen ins Ausland, Anstieg der Arbeits-
Chefideologen Bruno Mégret aus der Partei mentswahlen, den FN in dessen damaliger
losigkeit, soziale Probleme, Krise der Schu-
gegangen sind. Ein paar von ihnen sind in- Hochburg herausgefordert: Dreux, einer In-
le – interpretiert Le Pen allesamt als Anzei-
zwischen wiedergekommen, nachdem die dustriestadt 80 Kilometer westlich von Pa-
chen eines bewusst verfolgten Komplotts
Mégret-Gründung nach ein bis zwei Jahren ris, wo die rechtsextreme Partei damals bis
gegen die Nation.
ihren Misserfolg nicht mehr verbergen zu 40 Prozent der Stimmen erzielen konnte.
Seine eigenen Vorschläge vermengen
konnte. Aber ihre Strömung ist geschwächt, Inzwischen ist ihr Anteil dort zurückgegan-
wirtschaftsliberale Rezepte (radikale Ab-
und inzwischen ihren ideologischen Wider- gen. Aber seit nunmehr drei Jahren ist Dieu-
senkung der Steuern, mit vier Flax Tax-
sachern zahlenmäßig anscheinend deutlich donné immer mehr in einen virulenten Anti-
Steuersätzen bei 0, 10, 15 und 10 Prozent,
unterlegen. semitismus abgedriftet. An diesem Samstag
„Bürokratieabbau für Unternehmen“) mit
Eine nicht unwesentliche Fraktion inner- nun also tauchte er in Le Bourget auf und
sozialen Versprechungen und einer Stär-
halb der katholischen Ultrarechten sind die schüttelte Le Pen die Hand. Alsbald tauch-
kung des Staates in seiner repressiven Rolle.
Franco-Anhänger, und nicht wenige von ih- ten Journalisten der Nachrichtenagentur
Le Pen will die Richtergewerkschaften ver-
nen - aus Frankreich und aus Spanien - sind AFP auf, woraufhin Dieudonné den vorher
bieten und 100.000 zusätzliche Gefängnis-
an den Bücherständen dieses Wochenendes an seinem Kragen angehefteten Anstecker
plätze eröffnen, derzeit gibt es in Frankreich
vertreten. Es gibt sogar „Die 70 Tage der zur Präsidentschaftswahl „Le Pen 2007“ ei-
insgesamt knapp 60.000. Und natürlich be-
Belagerung von Alcazar“, eine aus der Sicht lig abnahm. Er sei nur „zum Schauen da“
schwört Le Pen die Nation, verstanden als
der Franco-Soldaten geschilderte Schlacht meinte Dieudonné mit unschuldiger Miene,
eine Blutsgemeinschaft, in die einige bereits
im Spanischen Bürgerkrieg (1936-39), als und das bedeute noch nicht, dass er zur
im Lande lebende Personen sich noch inte-
Comicalbum für Jugendliche zu kaufen. Wahl des FN aufrufe. Es protestierten aber
grieren können, „wenn sie unsere Gesetze
Über dem Stand des „französisch-hispani- auch anwesende Anhänger der extremen
und unsere Traditionen respektieren“, die
schen Freundschaftszirkels“ weht die Fahne Rechten gegen ihn: Man habe nicht verges-
aber auf jeden Fall keine Einwanderer mehr
des franquistischen Spaniens mit dem typi- sen, wie Dieudonné in Dreux den FN he-
aufnehmen darf. Und deren gesellschaftli-
schen Wappen. Wieder anderswo gibt es er- rausgefordert „und wie früher auf uns ge-
che Probleme, folgt man Le Pen, zum Groß-
bauliche historische Literatur zu kaufen. An spuckt hat“, erregte sich eine Frau. „Wir
teil aus der bereits erfolgten Einwanderung
einem Stand findet man etwa Werke von brauchen diesen Neger nicht“, kommentier-
resultierten.
Robert Brasillach und Jacques Bainville. te ein anderer. Le Pen zeigte sich daraufhin
„Der Franzose, selbst der Obdachlose,
Der Erstgenannte, Dichter, Nazikollabora- in seinen Kommentaren kurz angebunden.
muss mehr Rechte haben als der Einwande-
teur und verbal virulente Antisemit, wurde „Ich benötige ihn nicht, aber falls mir eine
rer, so brillant und sympathisch er auch sein
nach der Befreiung Frankreichs 1945 er- Stimme fehlen sollte, dann würde es mich
mag.“ Denn die Franzosen seien „mehr als
schossen. Der Zweite war einer der Chef- freuen, wenn sie von Dieudonné kommt“
Bürger, wir sind Erben eines intellektuellen,
ideologen der nationalistisch-monarchisti- erklärte er gegenüber AFP.
kulturellen (...) Nationalerbes“, das also
schen Action française und hatte in der An- Le Pens Auftritt demnach biologisch vererbbar zu sein
fangsphase hohe Funktionen beim Vichy- Nun also endlich der große Auftritt des scheint.
Regime inne. Ein rechtsextremer Kleinver- Chefs. Anderthalb Stunden lang redet der BhS, Le Bourget I

10 : antifaschistische nachrichten 23/2006


: ausländer- und asylpolitik

„Weiter so“ trotz tausender Auflösung


Toter? von Sammel-
Berlin. „Schäuble ignoriert die Verant- lagern für
wortung der EU für tausende ertrunkene Flüchtlinge
Flüchtlinge“, erklärte Ulla Jelpke, innen- demonstriert.
politische Sprecherin der Fraktion DIE Die ZAAB
LINKE. im Bundestag, nachdem am selbst steht
Mittwoch, 8.11. Bundesinnenminister seit mehr als
Schäuble im Innenausschuss die geplan- einer Woche
ten Schwerpunkte der deutschen EU- unter „Poli-
Ratspräsidentschaft im Bereich der In- zeischutz“.
nenpolitik erläuterte. Anfang Ok-
Schätzungsweise 3.000 Flüchtlinge er- tober hatten
tranken in diesem Jahr bereits vor der dort Asylbe-
Küste Afrikas. Davor dürfe Europa die werber gegen
Augen nicht verschließen, so Innenmi- das schlechte Demonstration in Hannover am 25.10.2006
nister Schäuble zu Beginn seiner Vorstel- Lageressen
lung. Aber die von ihm vorgeschlagenen und die misreable Unterkunft protestiert. am Mittwoch, 1.11. wurde aus Anlass
Maßnahmen bestehen in einem schlich- Außerdem verlangten sie, Ärzte frei der konstituierenden Sitzung des Olden-
ten „Weiter so“. Dass die restriktive Mi- wählen und sich individuell verpflegen burger Stadtrates um 15 Uhr eine Kund-
grations-, Visums- und Grenzkontrollpo- zu dürfen. bee ■ gebung in der Oldenburger Innenstadt
litik der EU für die Toten im Mittelmeer durchgeführt. Anschließend wurden die
verantwortlich ist, will Schäuble nicht Flüchtlinge setzen Streik Ratsmitglieder der Stadt Oldenburg vor
sehen. Schließlich werden durch diese der Weser-Ems-Halle begrüßen.
Politik MigrantInnen und Schutzsuchen- aus Die Flüchtlinge rufen alle Institutio-
de auf immer gefährlichere Fluchtrouten Blankenburg. Die Vollversammlung nen, Parteien, Verbände, Vereinigungen
gezwungen und in die Hände von der BewohnerInnen des Lagers Blanken- und Einzelpersonen auf, jetzt gesell-
„Schleppern“ getrieben. Ohne deren Hil- burg und ihrer Unterstützer hat am schaftlich und politisch Stellung zu be-
fe ist die Überwindung der EU-Außen- 31.10.2006 die Aussetzung des Streiks ziehen. In den nächsten Wochen wird
grenzen kaum noch möglich. beschlossen, gleichzeitig aber weitere sich zeigen, ob die signalisierte Ge-
Schlicht zynisch ist das Verständnis Proteste angekündigt. Das heißt sowohl sprächsbereitschaft ernst gemeint war
von der „Bekämpfung der Fluchtursa- der Kantinenboykott als auch der Streik oder nur als Mittel benutzt wurde, um die
chen“: Eine „konsequente Rückfüh- der Ein-Euro Jobs wird vorerst niederge- Beendigung des Streiks zu erreichen.
rungspolitik“ sei der beste Weg, Men- legt. arbeitskreis asyl goettingen
schenhändler zu bekämpfen, so Schäu- Dieser Streik, der über 4 Wochen ge- Quelle: flucht mailing list -
ble. Denn humanitäre Bleiberechtsrege- führt wurde, ist in der Geschichte des flucht@nds-fluerat.org ■
lungen oder Legalisierungsmaßnahmen Widerstands gegen die repressive Asyl-
seien die eigentlichen Fluchtursachen. politik in Deutschland und die damit zu- Shadow Reports 2005:
Schäuble denkt sich die realen Ver- sammenhängende Lagerunterbringung
hältnisse in perfider Weise zurecht. Welt- einmalig. Er war umso bemerkenswerter Länderberichte über
weite soziale und ökonomische Un- als er trotz massiver Einschüchterung Rassismus in Europa
gleichheiten, existenzielle Not, undemo- durch den Leiter der ZAAB Oldenburg Das European Network against Racism
kratische Regime, Krieg und Vertreibun- Herr Lüttgau, mit nächtlichen Woh- (Europäisches Netzwerk gegen Rassis-
gen sind die Ursachen für Flucht und Mi- nungsdurchsuchungen, verstärkten Bot- mus, ENAR) ist ein Netzwerk von Nicht-
gration. Abschottung und Abschiebun- schaftsvorführungen und der Umvertei- Regierungsorganisationen (NGOs) aus
gen werden daran nichts ändern. lung aktiver Streikenden in z.T. kleine den EU-Mitgliedsstaaten. Neben vielen
PM Ulla Jelpke, www.ulla-jelpke.de ■ Orte am Rande Niedersachsens, so lange anderen Organisationen beteiligt sich
und erfolgreich geführt wurde. Es wurde u.a. auch der DGB Bundesvorstand, Be-
Flüchtlinge demonstrierten erreicht dass eine breite Öffentlichkeit reich Migrations- und Antirassismuspoli-
über diese Politik informiert wurde. Der tik. Vor Kurzem hat ENAR 20 so ge-
in Hannover Skandal, sich über Jahre hinweg kein ei- nannte Shadow-Reports 2005 (etwa
Hannover. Gegen die Zustände im Zen- genes Essen zubereiten zu dürfen, und „kommentierte Begleitberichte“) aus den
tralen Aufnahmelager der Ausländerbe- die unzureichende medizinische Versor- jeweiligen europäischen Ländern veröf-
hörde Blankenburg (ZAAB) und die gung standen im Mittelpunkt der De- fentlicht. Darin wird ein Überblick über
Flüchtlingspolitik des niedersächsischen batte. politische und rechtliche Entwicklungen
Innenministers Uwe Schünemann Nachdem die Flüchtlinge ihren Protest und Beispiele für Diskriminierung im
(CDU) haben am Mittwoch, 25.10. rund in Hannover in den Landtag gebracht ha- Bereich der Beschäftigung, Wohnungs-
200 Flüchtlinge und Unterstützer laut- ben und sich auch in Oldenburg viele politik, Bildung und Gesundheit aber
stark mit einem Zug durch die Hannove- Verbände; Parteien und Gruppen gemel- auch über rassistische Gewalt gegeben.
raner Innenstadt protestiert. Ein Sprecher det haben, soll mit der Aussetzung des Ebenso wird über Ansätze der Mitglieds-
des veranstaltenden Aktionsbündnisses Streiks die Möglichkeit geschaffen wer- staaten zur Lösung dieser Probleme in-
„Hier geblieben“ forderte, die Flüchtlin- den, die Zustände in der ZAAB Olden- formiert.
ge sollten statt in Sammellagern unterge- burg konkret zu verändern, sowie die Die Länderberichte findet man auf:
bracht zu werden, auf die Kommunen Unterbringung von Menschen in Lagern www.enar-eu.org/en/publication/sha-
verteilt werden. Bereits in der vergange- politisch zur Diskussion zu stellen. dow_reports/index.shtml (englisch)
nen Woche hatten Asylbewerber und Un- Der Protest der Flüchtlinge wird auch www.gelbehand.de/shadow-report-
terstützergruppen in Oldenburg für die in nächster Zeit nicht aufhören. Bereits 2005 ■

: antifaschistische nachrichten 23/2006 11


Seit Jahren kämpft die bundes-
weite Kampagne „Hiergeblie-
ben!“ gemeinsam mit vielen Or-
Bleiberecht jetzt!
ganisationen, antirassistischen Gruppen 16. November: Bundesweite Demo in Nürnberg während der Innenminister-
und unzähligen lokalen Bündnissen für konferenz. / Kundgebung: 16.30 Uhr an der Lorenzkirche, Demonstration:
ein Bleiberecht der geduldeten Flüchtlin- 17.30 Uhr zum Tagungsort der Innenministerkonferenz
ge und Migrant/innen in Deutschland.
Nun ist es soweit: am 16. und 17. No- die eigenständige Siche- rend auf soziale Probleme
vember werden in Nürnberg die Innen- rung des Lebensunter- immer mehr mit der Auf-
minister der Bundesländer und der Bun- haltes geknüpft werden rüstung der Polizei oder
desinnenminister auf ihrer halbjährlichen soll, obwohl die meisten dem Vorwurf mangelnder
Innenministerkonferenz über ein Bleibe- Geduldeten einem fakti- Integration reagiert wird,
recht für geduldete Ausländer und Aus- schen Arbeitsverbot un- sagen wir: soziale Proble-
länderinnen entscheiden. Jetzt geht es terliegen, welches auch me lassen sich nicht
darum, eine Bleiberegelung durchzuset- nach dem jetzigen durch Sündenböcke und
zen, die diesen Namen auch verdient. Stand der Diskus- Polizeiknüppel lösen. In
Und es geht darum, zu zeigen, dass der sion nicht ausrei- einer Zeit, in der immer mehr Men-
Kampf weitergeht, wenn die Regelung chend gelockert schen in ungesicherte Lebens-
so schäbig ist, wie sich dies manche In- werden wird. Vor- und Arbeitsbedingungen gedrängt
nenminister vorstellen. strafen, wie etwa werden, ist es wichtig, gemeinsam
Zwei Fragen die mich stets prägten: seit wann Verstöße gegen die Residenzpflicht, und solidarisch für ein besseres Leben
ich hier lebe, was dann immer folgte war, sind ein weiterer Ausschlussgrund, eben- einzustehen, gerade und vor allem für
wann ich wieder gehe. Microphone Mafia so mangelnde Deutschkenntnisse oder die, die rechtlich am untersten Rand der
Die Duldung ist nach der Definition eine negative „Integrationsprognose“. Gesellschaft leben.
des deutschen Aufenthaltsrechts eine Letztlich sind aber solche Forderungen Wir rufen dazu auf, mit uns gemein-
„vorübergehende Aussetzung der Ab- nach bereits erfolgter Integration ein sam für eine Bleiberechtsregelung zu de-
schiebung“. Diese erhalten Menschen, Hohn: Denn die schlechten gesetzlichen monstrieren, die den hier lebenden Men-
die zwar keine Aufenthaltsgenehmigung Bedingungen für die Geduldeten zielen schen einen gesicherten Status garantiert.
haben, jedoch aus rechtlichen oder tat- ja gerade darauf ab, auszugrenzen statt Wir fordern schon jetzt einen sofortigen
sächlichen Gründen nicht abgeschoben zu integrieren. Flüchtlinge aus dem Irak Abschiebestopp für alle Geduldeten bis
werden können. Obwohl die Duldung sollen pauschal von einer Bleiberechtsre- zum Erlass der Bleiberegelung, damit si-
nach ihrem Zweck und dem Gesetzes- gelung ausgeschlossen werden. Optimis- chergestellt ist, dass niemand abgescho-
wortlaut nur einen vorübergehenden Zu- tische Schätzungen gehen von lediglich ben wird, der unter die Bleiberegelung
stand regeln soll, leben von den mehr als 30.000 Menschen aus, die von einer sol- fallen könnte.
190.000 geduldeten Menschen mehr als chen Regelung betroffen sein werden. Und wir fordern ein Rückkehrrecht für
150.000 seit mehr als fünf Jahren hier. Dies kann nicht Sinn eines Bleiberechts diejenigen, die seit Beginn der Proteste
Nicht selten sind es Aufenthaltszeiten sein. abgeschoben wurden und die unter die
von 10 bis 15 Jahren. Trotzdem müssen Ist dir das Antwort genug, oder brauchst du mehr Kriterien der Regelung fallen, weil die
die Betroffenen jederzeit mit einer Ab- Rechenschaft? Also frag dich lieber, warum die Verzögerungstaktik mancher Minister
schiebung rechnen. Die Entwicklung Polizei immer mehr Rechte hat. nicht aufgehen darf.
Microphone Mafia
längerfristiger Perspektiven ist nicht Gleiche Rechte für alle, die hier leben!
möglich und von der Politik auch nicht Während mit immer neuen Gesetzes- Für ein Leben, das eine Perspektive bie-
gewünscht. verschärfungen unsere Menschen- und tet!
Im Visier von Populisten, die sagen wir seien nicht Bürgerrechte beschnitten werden, wäh- Bundesweites Bündnis für Bleiberecht ■
integriert, das Ausländergesetz haben wir nicht
selbst fabriziert. Microphone Mafia
Bündnis Bleiberecht Schleswig-Holstein fordert seriöse
Geduldete erhalten nur selten eine Ar-
beitserlaubnis und wenn, dann nur für Regelung des Bleiberechts
die schlechtesten Jobs, mit denen eine Anlässlich der am 16./17. November 2006 tagenden Innenministerkonferenz der Länder hat
Sicherung des Lebensunterhalts in der sich das Bündnis Bleiberecht Schl.-Holstein an den eigenen Innenminister gewandt:
Regel nicht möglich ist. Sie erhalten aber „Wir rufen die schleswig-holsteinischen Bundes- und Landesparlamentarier auf, sich für eine
auch keine Sozialhilfe und kein Kinder- seriös ausgestattete Bleiberechtsregelung einzusetzen, die niemand unter den Behörden-
geld, sondern nur Leistungen nach dem schreibtisch fallen lässt!“ erklärt Martin Link vom Flüchtlingsrat als Sprecher des Bündnis Blei-
Asylbewerberleistungsgesetz – in Bay- berecht Schleswig-Holstein. „In Zeiten wo es kaum einem Arbeitssuchenden gelingt, einen un-
ern heißt das Essenspakete, Lagerunter- befristeten Arbeitsplatz zu ergattern, sollen nach einem mit den Bundesländern ausgehandel-
bringung und eingeschränkte medizini- ten Eckpunktepapier des BMI ausgerechnet die bis dato nur geduldeten Flüchtlinge einen
sche Versorgung. Viele Menschen gehen Dauerarbeitsplatz nachweisen, bevor ihnen ein Bleiberecht eingeräumt wird. Wohl gemerkt:
daran kaputt. Die Entwicklung psy- Es geht um Menschen, die sie seit vielen Jahren per Gesetz und Verordnung systematisch aus
chischer und körperlicher Krankheiten dem Arbeitsmarkt herausgedrängt und in amtlich verfügter Zwangsabhängigkeit von der Öf-
ist keine Seltenheit. fentlichen Hand gehalten worden sind. (...) Das Bündnis fordert die ParlamentarierInnen zur
Bereits im Vorfeld der Konferenz ha- Einflussnahme auf die Innenministerien des Bundes und der Länder auf. Die im Kriterienkata-
ben sich die Minister in Position ge- log des Bündnisses Bleiberecht enthaltene Dokumentation zahlreicher schleswig-holsteinischer
bracht. Grundbedingung soll der sechs- Einzelfälle belegt eindrucksvoll den dringenden Bedarf an einer ernst gemeinten und für alle
jährige Aufenthalt in Deutschland für Fa- Betroffenen zukunftsweisenden Regelung.
milien mit schulpflichtigen Kindern sein, Das Bündnis Bleiberecht Schleswig-Holstein wird vom Flüchtlingsrat koordiniert und setzt sich
für Alleinstehende, unbegleitete minder- seit 2002 für eine großzügige Bleiberechtsregelung für aufenthaltsrechtlich nur „geduldete“
jährige Flüchtlinge und Familien mit Flüchtlinge ein. Zum Bündnis Bleiberecht Schleswig-Holstein gehören über 40 Organisatio-
Kleinkindern sind sogar acht Jahre Auf- nen, u.a. aus Kirche, Gewerkschaften, Verbänden, Bildungsinstitutionen und Migrationsfach-
enthalt in Deutschland im Gespräch. stellen. www.hiergeblieben.info ■
Hinzu kommt, dass ein Bleiberecht an

12 : antifaschistische nachrichten 23/2006


Dringende Bitte um Spen- eine gerechte und soziale Lösung gesell- den getötet, misshandelt und entwürdigt.
den für Kirchenasyl schaftlicher Probleme wirbt. In diesem Religion wird immer wieder für die An-
Rahmen ist nun die Zeitung „Rassismus wendung von Terror instrumentalisiert
Thüringen. Seit rund 14 Monaten lebt in Deutschland. In was für einem Land und missbraucht. Die Gewalt und der
eine vierköpfige kurdische Familie im leben wir eigentlich?“ erschienen. Hass, der Terror und die Kriege in der
Kirchenasyl in der Erfurter Lutherkirche. „Wir nehmen das Thema Rechtsextre- Welt erschüttern uns und fordern uns zur
Das bedeutet – neben der enormen per- mismus und Rassismus sehr ernst“, be- Besinnung und zum Handeln heraus.
sönlichen und familiären Belastung und tont Samuel Futuwi vom IG Metall Vor- Als jüdische, christliche und muslimi-
der ständigen Angst vor Abschiebung- stand Ressort Jugendarbeit und -politik. sche Frauen und Männer erklären wir,
das Angewiesensein auf private Spenden, „Uns war es wichtig, dass wir nicht al- dass Gewalt und Terror um Gottes Willen
da die Familie während des Kirchenasyls lein beim Abfassen einer Petition stehen nicht sein dürfen und dem authentischen
keine staatlichen Leistungen erhält. Kos- bleiben, sondern das wir Jugendliche in- Geist unserer Religionen widersprechen.
ten entstehen vor allem für Lebensmittel, formieren und dazu motivieren, in ihrem Unsere Religionen zielen auf ein friedli-
Rechtsanwaltskosten, Telefon, Medika- ches und konstruktives Zusam-
mente und EVAG- Schülertickets. Vor al- menleben aller Menschen
lem die Kinder brauchen gerade jetzt gleich welcher Religionszuge-
auch neue Kleidung für den Winter. Ge- hörigkeit. Für uns gilt unver-
spendet werden kann auf das Konto des rückbar: Die Würde eines jeden
Gemeindekirchenrats, BLZ 820 510 00, Menschen ist unantastbar: die
Kto. 60 00 999 11, Kreditinstitut: Spar- Würde eines jeden Kindes, je-
kasse Mittelthüringen, Verwendungs- der Frau und jedes Mannes.
zweck:Kirchenasy. alltäglichen Leben und Arbeiten aktiv zu Als Religionsgemeinschaften ver-
Es besteht auch die Möglichkeit, eine werden.“ In der Zeitung finden sich kur- pflichten wir uns:
Patenschaft über Kosten zu übernehmen, ze Beiträge und unterschiedliche Artikel • jeder Verhetzung und Erniedrigung von
die regelmäßig jeden Monat entstehen. zu rassistischer Gewalt, zu Migration Menschen entgegenzutreten
Es können auch Teilbeträge zu den ein- und Integration. Ferdinand Zaimoglu • für ein friedliches Zusammenleben von
zelnen Positionen gespendet werden. Es beispielsweise erzählt seine kleine Ge- Menschen unterschiedlicher Religionen,
werden Personen gesucht, die folgende schichte der Auswanderung, Cornelius Kulturen und ethnischer Gruppen einzu-
Kosten (anteilig) übernehmen: - Rechts- Yufanyi aus Kamerun berichtet über die treten und Menschen zusammenzufüh-
anwaltskosten: 50 Euro, - Telefon: 35 Ungleichbehandlung von Flüchtlingen ren, die bislang den Kontakt zu anderen
Euro, - Strom/Gas/Wasser/Abwasser: am Beispiel der Residenzpflicht. „Es gescheut haben,
50,- Euro, - Schüler-Monatskarte EVAG geht aber nicht nur um Rassismus, son- • den anderen zuzuhören und die Ängste
für 1. Kind: 30,- Euro. dern auch um alltägliche Diskriminie- der anderen ebenso wahrzunehmen wie
Zum Hintergrund: Seit Anfang August rung“, so Futuwi. Deutlich wird dies die eigenen,
2005 befindet sich die in Erfurt lebende beim Meister-BAFÖG, für das Auslän- • unseren Beitrag für eine Gesellschaft
und von Abschiebung bedrohte kurdi- der – im Gegensatz zu Deutschen und zu leisten, die nicht nur durch Toleranz,
sche Familie Sönmez in einer Kirchge- EU-Bürgern – erst drei Jahre sozialversi- sondern von Respekt und Achtung ge-
meinde Erfurts im Kirchenasyl. Familie cherungspflichtig arbeiten müssen. prägt ist,
Sönmez lebt seit vielen Jahren in Erfurt, Neben vielen anderen Beiträgen, die • eine Gesellschaft mitzugestalten, in der
Herr Sönmez seit 1994, Frau Sönmez speziell Jugendliche ansprechen sollen, alle Religionsgemeinschaften, die sich
und ein mittlerweile 16-jähriger Sohn werden Möglichkeiten aufgezeigt, sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen,
seit 1996. 1997 wurde der zweite Sohn zum Thema rechte Musik zu informieren ihren unumstrittenen Platz haben,
der Familie in Erfurt geboren. Die Fami- und dem etwas entgegenzusetzen. Die IG • in der Erziehung zum Abbau von Vorur-
lie ist akut von Abschiebung in die Tür- Metall Jugend geht mit gutem Beispiel teilen und zu gegenseitigem Verständnis
kei bedroht, nachdem ihr Aufenthaltser- voran und unterstützt die DVD „Kein zu wirken,
suchen abgelehnt wurde. Den Behörden Bock auf Nazis“. Sie ist voll gepackt mit • zur Verständigung, zur Begegnung und
galt es nicht als ausreichende Härte, dass Statements von Bands wie Die Ärzte, zu einem Dialog der Religionen, der Ge-
die vierköpfige Familie seit 12 bzw. 10 Die Toten Hosen, ZSK oder Muff Potter meinsamkeiten entdecken hilft und Ver-
Jahren in Deutschland lebt und alle Fa- was man gegen Nazis tun kann und stellt schiedenheiten achtet.
milienmitglieder längst ihren Lebensmit- verschiedene Projekte vor, die sich gegen Mit unserer ganzen Kraft wollen wir
telpunkt in Erfurt gefunden haben. Der Rechts engagieren. dazu beitragen, dass Hass und Gewalt
Familie droht politische Verfolgung in Sie kann heruntergeladen werden un- überwunden werden und Menschen in
der Türkei. Gemeinsam mit zahlreichen ter: www.keinbockaufnazis.de unserer Stadt Köln und überall auf der
UnterstützerInnen kämpft Familie Sön- Quelle: „Aktiv+Gleichberechtigt“ Welt in Frieden, Sicherheit, Gerechtig-
mez seit nun mehr über einem Jahr um Oktober 2006 ■ keit und Freiheit leben können.
die Gewährung eines Bleiberechts (Auf- Gemeinschaften und Initiativen eben-
enthaltserlaubnis). Während des Kir- Kölner Friedensverpflichtung so wie einzelne Personen jeden Glaubens
chenasyls gehen die Verhandlungen mit und jeder Weltanschauung laden wir ein,
den Behörden weiter. Ziel ist die Gewäh- Köln. Am 29.10. kamen 250 Gäste ins sich dieser Verpflichtung anzuschließen
rung eines Bleiberechtes für Familie Rathaus in Köln, um der „Erklärung der und in ihrem Sinne zu wirken.“
Sönmez Kölner Religionen“ beizuwohnen. 2004 Erstunterzeichner im Historischen
Nähere Informationen über die Auslän- hatten sich Vertreter der islamischen, jü- Rathaus Köln am 29.10.2006 waren die
derbeauftragte des Ev. Kirchenkreises, dischen und christlichen Gemeinden zu Synagogen-Gemeinde Köln, das Katho-
info@auslaenderberatung-erfurt.de ■ einem Projekt zusammengefunden unter lische Stadtdekanat Köln, der Katholi-
dem Titel „Weißt Du wer ich bin?“, um kenausschuss der Stadt Köln, der Evan-
Antirassismus-Zeitung der für ein friedliches Miteinander zu wer- gelische Kirchenverband Köln und Regi-
ben. Wir dokumentieren die Erklärung. on, die Türkisch-islamische Union Köln
IG Metall Jugend „Täglich werden zahllose Menschen /DITIB, die Arbeitsgemeinschaft christ-
Wir können auch anders – so heißt die Opfer von Fanatismus, Krieg und terro- licher Kirchen Köln sowie Oberbürger-
Kampagne der IG Metall, mit der sie für ristischen Anschlägen. Menschen wer- meister Schramma. ■

: antifaschistische nachrichten 23/2006 13


Am 25./26. Oktober fand in Berlin die Erklärung der Integrationsbeauftragten der Bundesländer - u.a. zur Bleiberechts-
Herbstkonferenz der Ausländer-, In- regelung sowie zur Arbeitserlaubniserteilung für Geduldete 31.10.2006
tegrations- und Migrationsbeauftrag-
ten der Länder (im Weiteren: Integra-
tionsbeauftragte) statt. Schwerpunk-
Herbstkonferenz der
te der Diskussion waren die Bewer-
tung der integrationspolitischen Akti- Integrationsbeauftragten
vitäten der Bundesregierung nach
dem Integrationsgipfel und die ge- stimmung der Integrationsbeauftragten gung von Migranten/innen in solchen
plante Bleiberechtsregelung. des Bundes schriftlich mitteilen. (…) Maßnahmen ist auch deshalb erforderlich,
Nationaler Integrationsplan und Auf- Ausbildung und Arbeitsmarkt weil in Folge des Strukturwandels der
enthaltsgesetz Wirtschaft Migrantinnen und Migranten
... Gleiche Chancen in Bildung, Ausbil- vom Wegfall gering qualifizierter Arbeits-
Die Integrationsbeauftragten begrüßen dung und auf dem Arbeitsmarkt bilden den plätze besonders betroffen sind.
den durch die Bundesregierung mit dem zentralen Anker für die Integration von Zudem setzen sich die Beauftragten für
Integrationsgipfel angestoßenen Prozess, Migrantinnen und Migranten. Die Chan- eine verstärkte Verzahnung zwischen Inte-
der in einem Nationalen Integrationsplan cen, die in der Zuwanderung liegen, dür- grationskursen und Maßnahmen zur be-
münden soll. Die Beauftragten fordern, fen nicht durch Benachteiligungen und ruflichen Qualifizierung ein. Sie fordern
dass die bisher unterschiedlichen integrati- Ausgrenzung verspielt werden. In diesem eine bessere Abstimmung und Nutzung
onspolitischen Aktivitäten der Bundesre- Zusammenhang ist es entscheidend, dass der Möglichkeiten des Zuwanderungsge-
gierung miteinander verzahnt werden. der Übergang von der Schule in eine Aus- setzes (Integrationskurse) mit dem Instru-
Hier sind besonders zu erwähnen: bildung und in den Beruf gelingt. Also mentarium des SGB II und III, das die be-
• Der parallel laufende Gesetzgebungs- sind Investitionen in ein verbessertes rufsbezogene Sprachförderung ein-
prozess zur Novellierung des Aufenthalts- Übergangsmanagement vordringlich. schließt. Im Herkunftsland erworbene
gesetzes schafft wichtige Rahmenbedin- Dazu zählt zunächst die Zusammenarbeit Qualifikationen sind unbürokratisch anzu-
gungen für die Integrationspolitik. Zu nen- von Schulen, Berufsschulen, Bundesagen- erkennen.
nen sind hier insbesondere Fragen aufent- tur für Arbeit und Kammern. Hier sind in Die Ausländer-, Integrations- und Mi-
haltsrechtlicher Verfestigungen sowie des den letzten Jahren zum Teil ermutigende grationsbeauftragten der Länder halten zu-
Zugangs zum Arbeitsmarkt. Eine Abstim- Erfahrungen mit innovativen Netzwerken sätzliche Anstrengungen für erforderlich,
mung der Arbeit der AGs des Integrations- gemacht worden, die es auszubauen und um Vorbehalten und Berührungsängsten
gipfels mit dem Gesetzgebungsverfahren abzusichern gilt: zum Beispiel das in bei Unternehmern/innen und Personalver-
muss sichergestellt sein. Hamburg entwickelte und mittlerweile antwortlichen zu begegnen. Die Beauf-
• Die parallele Erarbeitung von nationa- von anderen Ländern übernommene Mo- tragten fordern in diesem Zusammenhang
lem Integrationsplan und bundesweitem dell der Zusammenarbeit von Hauptschu- insbesondere die Bundesagentur für Arbeit
Integrationsprogramm durch das Bundes- len, Bundesagentur für Arbeit und Wirt- und die Kommunen zu verstärkten An-
amt für Migration und Flüchtlinge nach § schaft; die „Beruflichen Qualifizierungs- strengungen zur interkulturellen Öffnung
45 Aufenthaltsgesetz. netzwerke für Migrantinnen und Migran- auf. Hierbei geht es vorrangig um Bera-
• Die Beauftragten unterstreichen, dass ten“ (BQN) und das Netzwerk „Integrati- tungs- und Qualifizierungsangebote für
es vor allem die Länder sind, die Integrati- on durch Qualifizierung“ (IQ). Auch die in Mitarbeiter/innen von Jobcentern und Ar-
onspolitik umzusetzen und zu finanzieren einigen Bundesländern geförderte Ver- beitsagenturen, damit sie die Zielgruppe
haben. Auch aus diesem Grund dringen sie bundausbildung schätzen die Ausländer-, der Migranten/innen besser beraten und
im Interesse effizienter Ressourcennut- Integrations- und Migrationsbeauftragten fördern können. In diesem Zusammen-
zung auf eine Verzahnung der einzelnen als ein weiter auszubauendes Modell ein. hang sind die Potenziale von Migranten/
Prozesse. Die Beauftragtenrunde wird ent- Angesichts der nicht ausreichend ange- innen zu verdeutlichen.
sprechende Vorschläge zur besseren Ab- botenen betrieblichen Ausbildungsplätze Eine Voraussetzung für die Integration
sind zudem überbetriebliche Ausbildungs- in den Arbeitsmarkt ist ein sicherer Auf-
Grenzcampteilnehmer gänge in das Übergangsmanagement ein- enthaltsstatus, verbunden mit einer Be-
klagen gegen Räumung zubeziehen. Die Absolventen/innen sol- schäftigungserlaubnis. In diesem Zusam-
Köln. Das 6. antirassistische Grenzcamp cher Ausbildungsgänge hatten in den letz- menhang begrüßen die Ausländer-, Inte-
2003 in Köln, das ja von der Polizei ge- ten Jahren stets schlechtere Chancen auf grations- und Migrationsbeauftragten die
räumt worden war, wird nun juristisch dem Arbeitsmarkt als junge Menschen, die Forderung des Vorstandsmitglieds der
aufgearbeitet. Vier CampteilnehmerInnen ihre Ausbildung in einem Betrieb machen Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt,
haben mit Hilfe der CampSoliGruppe, zu konnten. Daher ist die Qualität der überbe- dass man bei der Zulassung von jahrelang
der auch der Ermittlungsausschuss (EA) trieblichen Ausbildungsgänge, die weiter- geduldeten Migranten zum Ausbildungs-
Köln gehört, gegen die Einkesselung, hin erforderlich sein werden, zu überprü- und Arbeitsmarkt „bis an die Grenze der
Räumung und ED-Behandlung des fen/evaluieren und zu verbessern. Die Rechtsinterpretation“ gehen sollte.
Camps und die Gewahrsamnahme und Ausländer-, Integrations- und Migrations- Bleiberechtsregelung
Verbringung der TeilnehmerInnen in die beauftragten unterstreichen, dass in sol-
Gefangenensammelstelle nach Brühl ge- chen Ausbildungsgängen der Anteil von ... Die Beauftragten erwarten, dass eine
klagt. Nun findet die mündliche Verhand- Jugendlichen und jungen Erwachsenen Regelung gefunden werden muss, die ei-
lung vor dem Verwaltungsgericht Köln mit Migrationshintergrund zwar über- nem großen Teil der Personengruppe ei-
statt. Die Verhandlung ist öffentlich und durchschnittlich hoch ist, eine Verbesse- nen gesicherten Aufenthaltstitel vermittelt.
es sind alle aufgerufen, als ZuschauerIn- rung dieser Ausbildungsgänge aber allen Der Aufenthaltstitel muss den vollwerti-
nen dabei zu sein.Sie beginnt am 16. No- Absolventen/innen zugute kommen wird. gen Zugang zu Ausbildung, Studium, Ar-
vember um 9.30 Uhr beim Verwaltungs- Hinsichtlich der Beschäftigungsförde- beitsmarkt und Integrationsfördermaßnah-
gericht Köln am Appellhofplatz.Kommt rung älterer Migranten kommt vorrangige men sicherstellen. Angehörige bestimmter
alle und seid dabei. Wir und die KlägerIn- Bedeutung den Maßnahmen der betriebli- Herkunftsländer dürfen nicht von der An-
nen freuen uns auf möglichst viele Leute. chen Fort- und Weiterbildung zu, in denen wendung der Regelung ausgeschlossen
EA-Köln ■ Migranten/innen bislang durchgängig un- werden. Quelle: flucht mailing list -
terrepräsentiert sind. Die stärkere Beteili- flucht@nds-fluerat.org ■

14 antifaschistische nachrichten 23-2005


: neuerscheinungen, ankündigungen

29. November, Berlin: • Wie kann die Arbeit gegen Rechts


Wider die Tolerierung faschistischer mit der Förderung der Gleichberechti-
Umtriebe. gung von Menschen mit Migrationshin-
Die Konferenz beschäftigt sich mit dem tergrund in der Arbeitswelt verknüpft
Verhältnis von deutschem Staat und werden?
Neofaschismus. Kompetente Referentin- • Wie kann die Integration und Partizi-
nen und Referenten setzen sich kritisch pation von Auszubildenden und Be-
mit ausgewählten Aspekten staat-lichen schäftigten nicht-deutscher Herkunft ge-
Handelns und der zugrunde liegenden lingen?
politischen Haltung auseinander. Mit • Welche Projekte können im Unter-
• Dr. Ralf Feldmann (Richter am Bochu- richt und in der betrieblichen und ge-
mer Amtsgericht, angefragt): „Aktuelle werkschaftlichen Alltagspraxis durchge-
juristische Probleme der Auseinander- führt werden?
setzung mit Neofaschismus“ • Welche Erfahrungen gibt es in ande-
• Dr. Rolf Gössner (Präsident der Inter- ren Schulen, Unternehmen und Verwal-
nationalen Liga für Menschenrechte): tungen?
„Das Dilemma der ,wehrhaften Demo- Diese und andere Fragen sollen in dem den griechischen Widerstand. Die Akti-
kratie‘ am Beispiel Verfassungsschutz Workshop geklärt werden. Praxis- und vitäten der „Centrale Sanitaire Suisse“
und NPDVerbotsverfahren“ handlungsorientiert werden Möglich- (CSS) in Jugoslawien werden von Ger-
• Brigitte Pothmer (MdB Bündnis keiten, selbst aktiv zu werden anhand hard Baader dokumentiert. Fluchtwege
90/Die Grünen): „Parlamentarische Ini- von Beispielen diskutiert. Dazu stehen und Fluchthelfer am Bodensee und
tiativen gegen Rechts“ zwei Praktiker aus der gewerkschaftli- Hochrhein sowie die Schweizer Flücht-
• Dr. Ulrich Schneider (Bundesspre- chen Bildungsarbeit zur Verfügung. lingspolitik sind das Thema des Bei-
cher VVN-BdA): „Die staatliche Der Workshop findet statt am Samstag, trags von Arnulf Moser. Zwei weitere
18./19. November, Tübingen
Variante des Geschichtsrevisionismus“ 18.11.2006, 11-15 Uhr im Gewerk- Beiträge analysieren den Widerstand
IMI-Kongress: „Staat im Krieg –
• Frank Brendle (wissenschaftlicher schaftshaus Köln, Hans-Böckler-Platz 1, in Italien: Während sich Ingrid Schäfer
Krieg im Staat: Wie der neue Kolo-
Mitarbeiter von Ulla Jelpke): „Traditi- 50672 Köln. Noch sind Plätze frei – mit der Rolle der Frauen während der
nialismus den Krieg nach Hause
ons- und politisches Selbstverständnis anmelden können Sie sich schriftlich, Zeit der deutschen Besatzung beschäf-
bringt“.
der Bundeswehr“ per Fax oder per E-Mail unter info@gel- tigt, berichtet die Partisanin und Jüdin
Alten- und Begegnungsstätte Hirsch,
• Bernhard Müller (Redakteur der Zeit- behand.de Liana Millu über ihre Erfahrungen im
Hirschgasse 9,Tübingen.
schrift „Sozialismus“): „Der Staatsum- Für Rückfragen und weitere Infor- italienischen Widerstand. Wie vielseitig
Mit dem diesjährigen Kongress hat sich
bau und seine ideologischen Folgen“ mationen wenden Sie sich an: Jetti das europäische Engagement gegen
die Informationsstelle Militarisierung
13 bis 18 Uhr, ND-Gebäude, Franz- Gallego, „Mach meinen Kumpel den Faschismus und die deutsche Be-
e.V. zum Ziel gesetzt, Ursachen, Zu-
Mehring-Platz 1, 10243 Berlin.Ein- nicht an!“ e.V., Tel.: 0211 - 4301 satzung war und welche Motive die-
sammenhänge und Wechselwirkungen
tritt: 5/3 Euro. Veranstalter: VVN-BdA, 193, Fax: 0211 - 4301 134, sem Widerstand zugrunde lagen, ver-
zwischen der Expansion des Militäri-
DRAFD, KFSR und Lagergemeinschaf- E-Mail: info@gelbehand.de deutlichen aber auch die Gedichte und
schen in der Außen- und Innenpolitik zu
ten, Rosa-Luxemburg-Stiftung letzten Briefe aus dem europäischen
analysieren. Dabei soll aufgezeigt wer-
den, welche Auswirkungen der zuneh- Neue Ausgabe von Widerstand, die als Gestaltungsele-
mend militärisch abgesicherte Aus- 18.11.2006 in Köln: Workshop „Ak- „informationen“ (Nr. 64) ment das Heft durchziehen.
tivitäten gegen Rechts“ – Teilnahme Die aktuelle Ausgabe der seit 30 Jah- Das Heft Nr. 64 wird mit den Beiträgen
schluss großer Teile der (Welt)Bevölke-
noch möglich ren vom „Studienkreis Deutscher Wi- über das neue Museum des deportier-
rung von politischen Entscheidungen,
Es gibt viele Beispiele für Rechtsextre- derstand 1933-1945“ herausgegebe- ten Widerstandskämpfers in Natzwei-
Rechten und gesellschaftlich produzier-
mismus, Fremdenfeindlichkeit und Dis- nen Fachzeitschrift widmet sich mit sei- ler/Elsaß, über die Selektion jüdischer
tem Wohlstand hat. Diese Entwicklun-
kriminierung in der Arbeitswelt. Aber: nem Schwerpunktthema dem „Wider- GIs im Kriegsgefangenenlager Bad
gen führen zu einem uferlosen äußeren
Es gibt auch viele gute Ideen, wie man stand in Europa (II)“ und setzt damit Orb und über das 1933 herausgege-
Militarismus, ja sogar einer Wiederkehr
an Berufsschulen und Betrieben dage- den im vergangenen Heft angefange- bene Braunbuch zum Reichtagsbrand
kolonialer Ausbeutungs- und Hierar-
gen aktiv werden kann. Nur oftmals nen Themenschwerpunkt fort. Deutlich abgerundet.
chiestrukturen. Hiermit wird die Welt in
sind sie noch wenig bekannt. Der wird die Vielfältigkeit des europäischen Preis: 5,50 Euro zuzüglich Porto,
einen permanenten Ausnahme- und
Workshop soll dazu beitragen, dies zu Widerstandes unter besonderer Be- zu beziehen beim: Studienkreis
Kriegszustand versetzt, der wiederum
ändern. rücksichtigung von Griechenland, Ita- Deutscher Widerstand 1933-1945,
die innere Verfasstheit der kriegführen-
• Was macht eine erfolgreiche Inter- lien, Jugoslawien und der Schweiz. So Rosserstr. 9, 60323 Frankfurt a.M.,
den Staaten ändert.
ventions- und Präventionsarbeit in Schu- berichtet der griechische Widerstands- Tel.: 069/72 15 75, Mail:
Anmeldung ist nicht erforderlich.
le und Betrieb aus? kämpfer Manolis Glesos über die deut- kontakt@studienkreis-widerstand-
Infos unter. www.imi-online.de
sche Okkupation in Griechenland und 1933-45.de

Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über: Spendenaufruf:


GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. 2000 Euro bis Jahresende
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Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach für die Antifaschistischen
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25,
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Nachrichten
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart, Tel.
0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. Die ersten Spenden sind bereits
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. eingetroffen. Bis zum 10. Novem-
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sind ber 2006 waren es
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt.
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- 496,10 Euro
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. Vielen Dank allen Spenderinnen
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie Bun-
tenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemeinschaf-
und Spendern!
ten); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum e.V., Leip- Spendenkonto: GNN-Verlag
zig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke (MdB); Jochen Koeniger (Arbeits- Postbank Köln, BLZ 370 100 50
gruppe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vorstandes
der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nachrichten); Kreisverei-
Kto. 10419507
nigung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di Stichwort: Spende Antifa-Nachrichten
Thüringen); Kai Metzner (minuskel screen partner); Bernhard Strasdeit; Volkmar Wölk.

: antifaschistische nachrichten 23/2006 15


: aus der faschistischen Presse
Prozess gegen Holocaust-
Leugner
Stehen die Türken vor Im Aufmacher-Artikel stellt Karlheinz Junge Freiheit Nr. 46/06 vom 10.11.2006
Berlin? Weissmann fest, dass sich rechtskonser- Am 14. November beginnt vor dem Land-
vative Argumente wieder einfacher ver- gericht Mannheim der Prozess gegen den
Junge Freiheit Nr. 41/06 vom 6.10.2006 öffentlichen lassen: „Tatsächlich ist der Chemiker Germar Rudolf. Rudolf hatte
Der sogenannte „Kampf der Kulturen“ ist Unmut über Denk- und Sprechverbote 1992 ein sogenanntes Gutachten erstellt,
ein Schwerpunkt dieser Ausgabe. Und gewachsen. In Zeitungen und Zeitschrif- mit dem er nachweisen wollte, dass die
Alexander Griesbach warnt unter der ten, aber auch in Fernsehen, Radio und Vergasungen in Auschwitz-Birkenau
Überschrift „Die dritte muslimische Ex- Internet werden mittlerweile Positionen nicht stattgefunden haben – die Menge
pansion“ vor dem EU-Beitritt der Türkei: zur Leistungsfähigkeit der Politischen des von ihm gefundenen Zyklon B sei viel
„Die Türkei wird 2020 im übrigen vo- Klasse, zur nationalen Identität, zur Ver- zu gering. Er hatte sich nach dem ersten
rausgesetzt, sie ist bis dahin Mitglied der gangenheitsbewältigung, zur Demogra- Prozess der verhängten 14-monatigen
EU – das bevölkerungsstärkste EU-Mit- phie oder zur Zuwanderung vertreten, Haftstrafe durch Flucht nach Spanien und
glied sein, und zwar mit einer nahezu ge- die vor kurzem noch undenkbar waren.“ in die USA entzogen, die ihn im Novem-
schlossenen islamischen Bevölkerung. ber 2005 auslieferten. Das Blatt nimmt
Was das für den vielbeschworenen inne- Wird die CDU sozialdemo- den Prozess zum Anlass, um über Sinn
ren Frieden in Deutschland heißt, darüber und Zweck des § 130 StGB (Volksverhet-
kann heute nur gemutmaßt werden. Wir kratisch? zung) zu sinnieren. Rudolf war damals
sehen heute die ersten Anzeichen dafür, Junge Freiheit Nr. 43/06 vom 20.10.2006 beim Max-Planck-Institut beschäftigt.
dass sich die deutsche Ausländerpolitik, Der Journalist und ehemalige Mitheraus- Die staatliche Verfolgung habe im Falle
die immer unter ideologischen Prämissen geber der FAZ Hugo Müller-Vogg, gibt Rudolf zur „Asozialisierung des Delin-
betrieben wurde, zu rächen beginnt ... dem Blatt ein Interview zur Situation der quenten“ geführt, titelt das Blatt. „Polizei-
Möglicherweise ist nämlich das, was CDU – und vertritt die Auffassung, die licher und juristischer Verfolgungsdruck
heute als Ausdruck des „Kampfes der CDU verlasse ihre Grundsätze und unter- sind eine psychische Belastung und ein
Kulturen“ oder auch als „Renaissance des werfe sich immer mehr den Anforderun- gesellschaftliches Stigma für den Betrof-
religiösen Gefühls“ apostrophiert wird, gen der SPD. Damit aber vergraule sie ihre fenen, erst recht, wenn er durch mehrere
nur eine Art müdes Präludium für das, konservativen Stammwähler: „Der ekla- Hausdurchsuchungen öffentlich wird. In
was Europa und auch Deutschland noch tanteste Paradigmenwechsel auf diesem diesem Fall steigerten die zivilgesell-
bevorsteht.“ Das sind viele düstere Mut- Feld (Gesellschaftspolitik, d. Red.) ist ne- schaftlichen Aktivitäten diesen Zustand
maßungen – wird die türkische Bevölke- ben dem Antidiskriminierungsgesetz das bis zum gesellschaftlichen und sozialen
rung ganz Europa überrollen und Berlin Erziehungsgeld. Bürgerliche Position war Tod, der einem Menschen eigentlich nur
übernehmen und die Türkei bevölke- es immer, der Staat habe sich aus der Fa- noch übrig lässt, ihn durch eigene Hand
rungslos werden? Warum? Waren die An- milie herauszuhalten. Jetzt aber gibt es so- physisch zu besiegeln.“ Das hat Rudolf
werbemaßnahmen der bundesdeutschen gar eine Prämie, wenn Papa die Windeln aber nicht getan – er war in der Bundesre-
Kapitalisten in der Türkei in den sechzi- wechselt. Es geht mir nicht darum, dass publik verheiratet und hat zwei Kinder,
ger Jahren „ideologisch“ bestimmt oder Männer nicht zu Hause bleiben und sich nach seiner Flucht in die USA lebte er mit
nicht doch rein wirtschaftlich begründet um ihre Kinder kümmern sollen. Aber das einer Amerikanerin zusammen, mit der er
und auch darauf gerichtet, die Gewerk- müssen sie selbst zusammen mit ihren ebenfalls ein gemeinsames Kind hat. Das
schaften in der Bundesrepublik zu schwä- Frauen entscheiden. Unter einer CDU- spricht nicht für „gesellschaftlichen und
chen? Das von Wirtschaft und Politik an- Kanzlerin wird jedoch erstmals politisch sozialen Tod“. Der Autor Thorsten Hinz
gestrebte Rotationsprinzip hat sich nicht korrektes Verhalten vom Staat finanziell kommt zu dem Schluss, der § 130 öffne
durchsetzen lassen, die türkischen Kolle- belohnt, macht sich also der Fiskus im der Willkür Tür und Tor: „Wer gegen ihn
ginnen und Kollegen sind Mitglied der Kinderzimmer breit.“ Das konservative verstößt, hat, wie wir sehen, mit dramati-
Gewerkschaften geworden, statt als Lager hat noch keine einheitliche Antwort schen Folgen zu rechnen. Daraus lässt
Streikbrecher aufzutreten. Und der auf die Veränderungen in der Gesellschaft. sich schließen, dass die Bedeutung und
„Kampf der Kulturen“ wird vor allem Die Leitkultur ist noch immer bestimmt Symbolik der im Paragraf 130 umrissenen
von denen geführt, die eine „deutsche vom verdienenden Familienvater und der ,Handlungen‘ als entsprechend wichtig
Leitkultur“ wollen. Hausfrau, die die Familie hütet. für die geistig-politische Verfassung und
Stabilität des Gemeinwesens angesehen
werden. Den Inhabern der Deutungsho-
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
heit über sie wächst als Tabuwächtern
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro
Erscheinungsweise: eine priesterliche und zugleich politische
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro 14-täglich Macht zu, die kaum kontrollier- und be-
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro
grenzbar ist ... Furcht, Zensur und Selbst-
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
zensur durchziehen die Sprache, das Den-
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro
ken und Handeln.“ Hinz vergisst offenbar,
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 30,- Euro). dass der § 130 in einem ordentlichen Ge-
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten
setzgebungsverfahren geschaffen wurde
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) und Polizei und Staatsanwaltschaft ver-
pflichtet sind, zu ermitteln – und zwar in
Name: Adresse: einem demokratisch kontrollierten Staat,
der Verstöße gegen das Strafgesetzbuch
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts ahndet. Das Leugnen von Verbrechen ge-
gen die Menschlichkeit, das Leugnen von
Unterschrift Völkermord ist ein solcher Verstoß, der
geahndet werden muss – alles andere
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 – 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507
schafft nur Freiraum für die erneute Vor-
bereitung solcher Verbrechen. uld ■

16 : antifaschistische nachrichten 23/2006

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