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nachrichten g 3336 12.7.2007 23. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de
Rechte Vereinsgründungen
In Thüringen entstehen zunehmend Verei-
ne, in denen Rechtsextremisten und Neo-
nazis das Sagen haben. Sie tarnen sich mit
harmlos klingenden Namen und nutzen
verstärkt die deutsche Vereinsmeierei, um
sich eine bürgerlich biedere Fassade zuzu-
legen. So gründete sich im August 2006 in Frankfurt am Main. Die Anti- aber auch zur Folge, dass die Route von
Arnstadt die „Deutsch-Russische Frie- Nazi-Koordination und die Antifa der Polizei durchgesetzt werden konnte.
densbewegung europäischen Geistes“ und Koordination kommen in einer Sowohl im Vorfeld als auch während
ließ sich in das Vereinsregister eintragen. ersten Bilanz zu dem Ergebnis: Die NPD des Nazi-Aufmarsches kam es zu massi-
Hinter diesem Namen mit dem friedvoll und die Freien Kameradschaften konnten ver antisemitischer, und faschistischer
klingenden Vereinsziel (,‚Vorurteile zwi- in Frankfurt am 7. Juli den Aufmarsch Hetze sowie zu Gewaltandrohungen.
schen Russen und Deutschen abbauen“, „Volksgemeinschaft statt Globalisie- Die Polizei hätte hier eingreifen können
„Jugendaustausch fördern“) verbergen rung“ mit mehreren hundert Teilnehmern und müssen. Sie hat es nicht getan.
sich bundesweit bekannte und vorbestrafte durchführen, weil die Demonstration mit Die von manchen klammheimlich
Neonazis wie der Geschäftsführer des einem immensen oder auch of-
Thüringer NPD-Landesverbandes und ein
NPD-Bundesvorstandmitglied, Leute, die
Polizeiaufgebot ge-
gen den Widerstand
3000 Menschen fen geradezu
herbeigesehn-
zur verbotenen Skinhead-Terroristengrup-
pe Sächsische Schweiz beste Kontakte
von mehreren Tau-
send Gegendemons-
beteiligen sich an ten gewaltsa-
men Aus-
pflegten. Ausgerechnet der als Rechtster-
rorist eingestufte und wegen Volksverhet-
tranten durchgesetzt
wurde und einzelne
aktivem Protest schreitungen
von Antifa-
zung verurteilte Manfred Röder durfte im
März auf einer Veranstaltung des Vereins
Stadtteile quasi in
einen Ausnahmezu-
gegen Gruppen gab
es nicht. Alle
über „seine Erfahrungen“ mit Russland re-
ferieren. Dieser war 1996 in Erfurt mit an-
stand versetzt wur-
den. Die antifaschis- NPD-Aufmarsch diesbezügli-
chen Vorher-
deren Neonazis an einem Farbbeutelan- tischen Kräfte konn- sagen von un-
schlag auf die Wehrmachtsausstellung be- ten den Aufmarsch zwar erheblich behin- terschiedlicher Seite erwiesen sich als in-
teiligt, die sich mit den Kriegsverbrechen dern und verzögern. Die Beteiligung der teressegeleitete Hysterie und Panikma-
der Deutschen in Osteuropa und der dama- Neofaschisten (etwa 700) lag deutlich che.
ligen Sowjetunion auseinander setzte. unter den eigenen Erwartungen. Sie Neben den Aktionen von Antifaschis-
In Erfurt entstand ein Verein „Schöner mussten unter Polizeischutz (16 Polizis- ten, die versuchten, den Nazi-Aufmarsch
leben in Erfurt“, in dem ausdrücklich nur ten pro Demonstrant) durch ein am auf der Straße zu verhindern, gab es in
‚jeder Deutsche der Stadt Erfurt“ Mitglied Samstag weitgehend menschenleeres der Innenstadt eine Kundgebung des Rö-
werden darf und in dessen Vorstand der Gewerbegebiet laufen. Aber der Auf- merbergbündnisses (DGB, Kirchen u.
NPD-Kreischef sitzt. Der Erfurter NPD- marsch fand statt, da für eine erfolgrei- a.), an der sich rund 1500 Menschen be-
Chef taucht auch gleich an der Spitze eines che Verhinderung trotz einer breiten ge- teiligten und auf der auch die Frankfurter
weiteren Vereins auf – beim „Bismarck- sellschaftlichen Unterstützung zu wenige OB Roth (CDU) sprach.
Turm-Verein Erfurt 1900“. Auch der Ver- auf der Straße waren. Die Anti-Nazi-Koordination bewertete
ein „Pflege Deutscher Denkmäler in Thü- Die Anti-Nazi-Koordination hatte die Politik der Exekutive im Ergebnis
ringen“ mit Sitz in Lauscha ist für seine frühzeitig mit der Gegenmobilisierung wie folgt: „ … das politische Konzept
engen Verbindungen zur Kameradschafts- begonnen und konnte mit einem Aufruf, des hessischen Innenministers Volker
szene bekannt. Seine Mitglieder pflegen der auch Blockaden befürwortete, und Bouffier und des schwarz-grünen Ma-gi-
nicht nur Wanderhütten, sondern reisen einer Unterstützerliste einen breit ange- strats ist aufgegangen, sich das Heft des
auch zu Neonaziaufmärschen. All diese legten gesellschaftlichen Widerstand or- Handelns in der Frage, ob eine Nazi-De-
Beispiele zeigen, dass auch in Thüringen ganisieren. monstration in Frankfurt stattfinden kann
die Neonazis ihren Einfluss systematisch Ein von vielen gefordertes und auch in oder nicht, jedenfalls nicht ganz aus der
ausbauen, um dann beim Landtagswahl- der Stadtverordnetenversammlung auf Hand nehmen zu lassen. Damit hat die
kampf 2009 zu punkten. Initiative von Linkspartei und SPD be- Exekutive ein weiteres Mal bewiesen,
aus Newsletter Die Linke/BAG Rechts- handeltes Verbot des NPD-Aufmarsches dass ihr wirksamer gesellschaftlich orga-
estremismus – Antifaschismus ■ wurde vom schwarz-grünen Magistrat nisierter und nicht bloß symbolischer
ausdrücklich abgelehnt, da es vor den Antifaschismus ein Dorn im Auge ist.
Inhalt: Gerichten keinen Bestand und deshalb Die materiellen und vor allem die politi-
nur „symbolisch“ sei. Die von der NPD schen Kosten dieser Politik sind hoch
Rechtsextremismus im ursprünglich beantragte Demonstrations- bzw. noch nicht einzuschätzen.“
Rems-Murr-Kreis . . . . . . . . . . . . . . 7 route durch die Innenstadt war zwar – im ola ■
FN versucht sich zu positionieren 9 Ergebnis gerichtlich bestätigt - in ein Ge- http://antinazi.wordpress.com/anti-
werbegebiet verlegt worden. Das hatte nazi-koordination-frankfurt-am-main/
: meldungen, aktionen
Frankreich:
Der Front National versucht sich unter der
Präsidentschaft Sarkozy zu positionieren
Es ist nicht leicht, sich als Opposi- (Prominente Figuren aus ihren Rei-
tionskraft (die soeben eine herbe hen werden entweder mit Ministe-
Niederlage bei Wahlen erlitten rien, wie Bernard Kouchner, und
hat) gegenüber einer neuen Regierung zu Staatssekretariaten oder aber mit
profilieren, die den eigenen Wählern ver- thematischen „Missionen“ wie Ex-
spricht, viele ihrer Hoffnungen und Erwar- Außenminister Hubert Védrine zu
tungen zu erfüllen – während man selbst betraut; nunmehr will Sarkozy auch
nur ohnmächtig Reden schwingen kann. den neoliberalen früheren Wirt-
Dies gilt auch für eine rechtsextreme Par- schaftsminister der „Sozialisten“
tei, die soeben von ihren bisherigen Wäh- von 1997 bis 99, Dominique
lern eine unverkennbare Abfuhr erteilt be- Strauss-Kahn, an die Spitze des
kam, während die neuen politischen IWF befördern helfen.). Die damit
Machthaber ihnen unverhohlene Avancen verbundene Absicht Sarkozys lau-
machen. Ihre langjährigee Wahl- bzw. tet, auf längere Sicht hinaus jeden
„Protestmotive“ werde man endlich ernst Regierungswechsel zu blockieren
nehmen, ohne freilich die „verbalen Aus- Zwei unterschiedliche strategische Lini- und zu verhindern, indem die stärkste Par-
rutscher“ und „Exzesse“ Jean-Marie Le en zeichnen sich bei der Lektüre der jüngs- tei der Parlamentsopposition in eine lang-
Pens zu wiederholen und ohne sich seine ten Ausgaben der rechtsextremen Presse jährige schwere Krise gestürzt wird. ‚Mi-
„unfruchtbare Haltung der Daueroppositi- ab. In ihrer Nummer vom Mittwoch, 4. nute‘ freilich interpretiert diese Strategie
on“ zu eigen zu machen: Dies stellt die Juli legt die Wochenzeitung ‚Minute‘, die als angeblichen „Linksruck“ der neuen
neue konservative Regierung den früheren auf einer Scharnierposition zwischen dem Regierung. Was natürlich eine krasse, aber
Wählern des Front National (FN) in Aus- FN und bestimmten Segmenten der bür- wohl bewusste Fehlinterpretation darstellt.
sicht. Im Moment hat dies der französi- gerlich-konservativen Rechten angesiedelt Die Interviewpartnerin der Woche ist
schen extremen Rechten erhebliche Rück- ist, eine Art von Strategie der „konstrukti- die Vorsitzende der traditionsreichen reak-
schläge beschert, zunächst bei den Präsi- ven Opposition“ an den Tag. Kritisiert tionären Mittelstandspartei CNI (Nationa-
dentschaftswahlen am 22. April (erste wird von ihr die „Strategie der Öffnung“ les Zentrum der Selbstständigen), Annick
Runde), dann auch im ersten Durchgang von Präsident Sarkozy und Premierminis- de Roscoat. Das CNI war historisch ein-
der Parlamentswahlen im Juni. Nun ist die ter François Fillon, die darin besteht, der mal eine sehr bedeutende Partei (mit dem
Frage aufgeworfen, wie es sie strategisch Sozialdemokratie als größter Oppositions- Namenszusatz „und der Bauern“, was das
in naher Zukunft für sie weitergeht. partei systematisch Personal abzuwerben. Kürzel CNIP ergab), vor allem in den
Friedensbewegung:
Urteil zum Tornado-Einsatz war zu erwarten
Kassel. Am 3. Juli verkün- prüfen, ob der Bundeswehr-Einsatz in Af- Offenbar ließ sich auch das oberste
dete das Bundesverfas- ghanistan unter Führung der NATO nicht deutsche Gericht nicht von Vernunftgrün-
sungsgericht sein Urteil zur eine Überschreitung der Verpflichtungen den leiten, als es heute feststellte, der von
Organklage Der Fraktion aus dem NATO-Vertrag darstelle. Im der NATO geführte Einsatz der ISAF-
DIE LINKE. Dazu erklärte NATO-Vertrag, der seiner Zeit von der Truppen diene der Sicherheit des euro-at-
der Sprecher des Bundes- Bundesrepublik als völkerrechtlich bin- lantischen Raums und überschreite des-
ausschusses Friedensrat- dender Vertrag ratifiziert wurde, ist der halb nicht den NATO-Vertrag. Geografie
schlag Peter Strutynski: Das Bundesver- Radius des Militärbündnisses und seiner scheint nicht die Stärke der Juristen zu
fassungsgericht ist sich einmal mehr treu Staaten genau festgelegt, nämlich auf sein. Leider haben die Verfassungshüter
geblieben. Bereits 1994 hatte es in einem „das Gebiet eines dieser Staaten in Europa bei ihrem Urteil aber auch das Recht au-
denkwürdigen Urteil Auslandseinsätze oder Nordamerika, auf die algerischen ßer Acht gelassen. Es ist noch einmal da-
jeglicher Art (Frieden erhaltende und Departements Frankreichs, auf das Gebiet ran zu erinnern, dass nach dem Grundge-
Frieden erzwingende, also Kampfeinsät- der Türkei oder auf die der Gebietshoheit setz die Bundeswehr allein zum Zwecke
ze) als mit dem Grundgesetz vereinbar ge- einer der Parteien unterliegenden Inseln der Verteidigung gegründet wurde. In Art.
halten. Vorausgegangen waren Klagen der im nordatlantischen Gebiet nördlich des 87a heißt es: „Der Bund stellt Streitkräfte
SPD und der FDP wegen der AWACS- Wendekreises des Krebses“ (Art. 6). zur Verteidigung auf.“ Und Art. 26 verbie-
Einsätze in der Adria und wegen des Bun- Afghanistan liegt erkennbar außerhalb tet Angriffskriege: „Handlungen, die ge-
deswehreinsatzes in Somalia. Das dieser Grenzen, also „out of area“. Zum eignet sind und in der Absicht vorgenom-
BVerfG stellte damals fest, dass Bundes- anderen definiert sich die NATO nach der men werden, das friedliche Zusammenle-
wehrauslandseinsätze dann verfassungs- Präambel und nach Art. 5 des Nordatlan- ben der Völker zu stören, insbesondere
konform seien und nicht dem Art. 26 GG tikvertrags eindeutig als Verteidigungs- die Führung eines Angriffskrieges vorzu-
widersprächen, wenn erstens Deutschland bündnis. Bis auf die abstruse Konstrukti- bereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind
im Rahmen eines Systems „kollektiver Si- on des ehemaligen deutschen Verteidi- unter Strafe zu stellen.“
cherheit“ (worunter das BVerfG fälschli- gungsministers, wonach Deutschland Selbst wenn man der Argumentation
cherweise auch die NATO zählt) handelt auch am Hindukusch verteidigt würde, des BVerfG folgen wollte, macht das Ur-
und wenn der Bundestag mit einfacher kommt kein vernünftig denkender teil keinen Sinn. Der Tornado-Einsatz ist
Mehrheit darüber entschieden hat. Mensch auf die Idee, der Krieg im Afgha- Bestandteil von ISAF. ISAF ist aber ein
Die Klage der LINKEN zielte diesmal nistan habe mit der Verteidigung Deutsch- Einsatz zur Stärkung der Regierung in
vor allem darauf ab, gerichtlich zu über- lands oder der NATO zu tun. Kabul und zur Unterstützung des Wieder-