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Titelthema Kommunikation im Web 2.

Klaus Tochtermann, Gisela Dösinger, Alexander Stocker

Corporate Web 2.0 - eine Herausforderung für Unternehmen


War der Begriff Web 2.0 bis vor kurzem Unternehmen noch weitgehend fremd und
in erster Linie mit den Erfolgsgeschichten großer Firmen wie Amazon, Google
oder Wikipedia verbunden, so werden zunehmend auch traditionelle Unternehmen
darauf aufmerksam und stellen sich die Frage, wie sie das Web 2.0 für sich nutzen
können. Und auch Analysten sehen und analysieren diesen Trend. So ist im 2006
Emerging Technologies Hype Cycle von Gartner [1] das Web 2.0 eines von drei
zentralen Themen, die innerhalb der nächsten Jahre für Unternehmen Bedeutung
gewinnen werden. In einer Marktanalyse von Booz Allen Hamilton [2] wird betont,
dass sich das Web 2.0 im Leben der Konsumenten immer weiter durchsetzt und
sich demnach auch Unternehmen mit Chancen und Implikationen im Hinblick auf
ihre Kundenbeziehungen auseinander setzen werden müssen.

Einordnung des Begriffs


Sucht man nach dem Begriff Web 2.0, so stößt man rasch auf die Umschreibung von
Tim O'Reilly [3], die sich auf acht so genannte Design Patterns stützt. Darunter findet
sich beispielsweise das Postulat, dass der Wert von Anwendungen zunehmend in den
Daten bzw. der Mehrwert in den Beiträgen von Nutzern liegt. Außerdem wird ausführlich
dargestellt, was das uns bekannte, alte Internet – als Web 1.0 bezeichnet – vom Web
2.0 unterscheidet. Bringt man die Ausführungen von Tim O'Reilly und andere
Definitionen auf einen Nenner, so bleiben zwei Aspekte übrig, an denen sich
Unternehmen orientieren können. Auf der einen Seite sind es die Technologien bzw.
Anwendungen, wie Ajax oder Weblogs, auf der anderen Seite ist es der soziale Aspekt,
d.h. das Prinzip der Interaktion zwischen Nutzern, die das Web 2.0 definieren und somit
auch die Grundlagen für die Umsetzung des Web 2.0 im Unternehmenskontext
darstellen. Kurz, die Architecture of Participation macht das Web 2.0 aus.

Was die Umsetzung dieser Architecture of Participation anbelangt, so stehen einem


Unternehmen zwei Möglichkeiten offen. Entweder das Unternehmen gründet sein
Geschäftsmodell im Kern auf diese beiden Aspekte oder es setzt sie innerhalb einzelner
Geschäftsprozesse um. Für Unternehmen, die bisher ihre Geschäfte auf traditionellem
Wege abwickelten, liegt der zweite Fall näher. Es ist aber nicht auszuschließen, dass
auch solche Unternehmen einen umfassenderen Wandel im Sinne der Realisierung
eines Web 2.0 zentrierten Geschäftsmodells unterziehen. Dies kann z.B. für Content
Provider, wie Verlage, der Fall sein, die sich zunehmend der Konkurrenz von Anbietern
stellen müssen, die ihre Inhalte kostenfrei zur Verfügung stellen. Der Interessenskampf
geht aber weit darüber hinaus: So finden sich in der Wikipedia Informationen zu Top-
Ereignissen noch bevor sie bei Nachrichtendiensten vorliegen!

Der Einsatz kann intern oder extern erfolgen. Das heißt, die Personengruppen, die mit
der Bereitstellung oder dem Austausch von Information direkt oder indirekt einen Wert
für das Unternehmen erzeugen sollen, bestehen in Mitarbeitern, Partnern oder Kunden.
Zusammengefasst lässt sich Web 2.0 im Unternehmenseinsatz also definieren als die
Übertragung der sozialen und technologischen Erscheinungen des Web 2.0 auf den
Unternehmenskontext mit dem Ziel, Wertschöpfung zu generieren. Die Umsetzung kann
sich dabei auf einzelne Geschäftsprozesse beziehen oder das gesamte
Geschäftsmodell einbeziehen und diverse Interessensgruppen einbeziehen.

Web 2.0 in der Praxis


Ein Unternehmen, das sein Geschäftsmodell auf dem Web 2.0 gründet, ist
salesforce.com. Das Kernprinzip des Unternehmens und damit des Geschäftsmodells
besteht darin, seine Anwendung den Kunden für die individuelle Weiterentwicklung und
Anpassung zugänglich zu machen. Die Kunden können sich sowohl mit den Entwicklern
austauschen also auch mit anderen Kunden. Ihre Weiterentwicklungen und
Anpassungen stellen sie im Gegenzug wieder zur Verfügung. salesforce.com hat sich
also den Community-Gedanken zum Grundsatz gemacht. Ein Mehrwert wird auf beiden
Seiten generiert. Das Unternehmen hat zufriedene Kunden, die zur Weiterentwicklung
seines Produkts beitragen. Die Kunden wiederum haben angepasste Lösungen im
Einsatz und können jederzeit Unterstützung bei anderen Kunden beziehen.

Ein Unternehmen, das Blogs in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit und in
Zusammenarbeit mit externen Entwicklern und Programmieren von Drittanwendungen
nutzt, ist Sun Microsystems [4]. Laut Simon Phipps können beispielsweise
Kundenbedürfnisse rascher beantwortet werden und durch den Wissensaustausch kann
bessere Software entwickelt werden. Sun ist auch das größte Unternehmen, dessen
CEO erfolgreich einen Blog führt. Aktuell verlinken 1.099 Blogs auf den Blog von
Jonathan Schwartz.

Zentrale Fragestellungen
Nun scheint es – nicht zuletzt aufgrund der großen Erfolge – auf den ersten Blick
simpel, Web-2.0-Technologien einzusetzen. Unternehmen meinen häufig, die Web-2.0-
Prinzipien in großem Stil übernehmen zu können, und hoffen, dass sich die Prinzipien
auf das Tagesgeschäft übertragen lassen. Dabei sind sie sich nicht im Klaren, in
welchen Bereichen, zu welchem Zweck und unter welchen Voraussetzungen sich das
Web 2.0 nutzen lässt. Wer also das Web 2.0 Wert schöpfend umsetzen will, muss sich
intensiv mit Fragen auseinander setzen, von denen einige im Folgenden besprochen
werden sollen.

• Nutzen für das Unternehmen und den Einzelnen: Das Kernprinzip des Web 2.0
besteht darin, Informationen weiterzugeben oder auszutauschen. Die Motive
dazu sind vielfältig. Sie reichen vom Bedürfnis, Leistungen darzustellen, über das
Bedürfnis nach sozialer Akzeptanz bis hin zum Bedürfnis nach Einflussnahme.
Aber was auch immer der Grund sein mag, die Weitergabe bzw. der Austausch
passieren freiwillig. Diese Freiwilligkeit wird in einem Unternehmen
wahrscheinlich nur begrenzt zu realisieren sein. Zu sehr sind
unternehmensbezogene Ziele damit verbunden. Damit Mitarbeiter, Partner oder
Kunden mitwirken, müssen individuelle Ziele befriedigt werden können, d.h. ein
persönlicher Nutzen damit verbunden sein. Das Weitergeben und Austauschen
von Information sind kein Selbstzweck.
• Offenheit versus Beschränkung: Offenheit stellt ein weiteres Kernstück des Web
2.0 dar. Für ein Unternehmen ergeben sich in diesem Zusammenhang
verschiedene Fragen: Besitzen die involvierten Gruppen eine positive Einstellung
zur Offenheit und können sie diese auch umsetzen? Wie steht das Management
dem Prinzip der Offenheit gegenüber? Während die Manager von morgen mit
den Web-2.0-Technologien nicht nur vertraut sein werden, sondern auch das
Prinzip der Offenheit bereits leben, haben Mitarbeiter von heute diese Offenheit
meistens noch nicht praktiziert. Aber auch wenn die Mitarbeiter das Prinzip der
Offenheit leben, bleibt die Frage, inwieweit die Offenheit vom Management
erwünscht ist. Ein Unternehmen muss Vorkehrungen treffen, damit
Unternehmensinterna nicht an die Öffentlichkeit gelangen oder strategische
Informationen jeden Mitarbeiter erreichen.
• Zweck des Einsatzes: Unternehmen müssen auch überlegen, zu welchem Zweck
sie die entsprechenden Technologien einsetzen. Bernoff von Forrester
unterscheidet zwischen zuhören, sprechen, aktivieren, unterstützen und
einbinden [5], wobei er diese Funktionen auf den Kreis der Kunden bezieht.
Allerdings lassen sie sich in Zusammenhang mit jeder Interessensgruppe
bringen. Auch Mitarbeiter oder Partner, ja zum Teil sogar Konkurrenten, können
in Bezug auf die genannten Funktionen involviert werden.
• Nutzung der Information: Im Internet werden Unmengen an Informationen
produziert. Freilich werden Technologien entwickelt, die eine bessere
Auffindbarkeit und die Verknüpfung der Informationen ermöglichen, aber großteils
ist die Verwertung bzw. Verwendung der Information im inhaltlichen Sinne keine
zentrale Frage. Ein Unternehmen muss sich aber sorgfältig überlegen, was es mit
den zahlreichen Informationen anfängt. Welche Informationen braucht das
Unternehmen? Wozu will es die Informationen genau nutzen? Wie kann es
relevantes Wissen herausfiltern? Und wie werden die Informationen
ausgewertet?

Dies sind natürlich nur einige Fragen, die sich Unternehmen stellen müssen, wenn sie
sich das Web 2.0 zu Nutze machen wollen. Zusammenfassend lässt sich aber
Folgendes sagen: Die Technologien alleine bewirken keinen Fortschritt. Erfolg stellt sich
nur dann ein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Literatur:
[1] http://www.gartner.com/it/page.jsp?id=495475
[2] Web 2.0 – Mythos oder Realität? Pressegespräch Booz Allen Hamilton Marktanalyse. Frankfurt,
Dezember 2006.
[3] Tim O'Reilly (2005). What Is Web 2.0. Design Patterns and Business Models for the Next Generation
of Software. http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/what-is-web-20.html
[4] http://bcom522.blogspot.com/2007/03/sun-microsystems-corporate-blogs-case.html
[5] http://www.centrestage.de/2007/04/08/corporate-web-20/#comments

Die Autoren:

Prof. Dr. Klaus Tochtermann arbeitet seit mehr als neun Jahren an verschiedenen
anwendungsorientierten Forschungseinrichtungen in Deutschland, Österreich und den
USA zum Thema Wissensmanagement. Er ist Geschäftsführer und wissenschaftlicher
Leiter des Know-Center Graz, Österreichs Kompetenzzentrum für Wissensmanagement.
Zudem hat Prof. Tochtermann einen Lehrstuhl für Wissensmanagement an der TU Graz
und leitet das Institut für Vernetzte Medien bei JOANNEUM RESEARCH in Graz.

tochtermann@wissensmanagement.net

Gisela Dösinger ist promovierte Psychologin und seit 2002 am Know-Center Graz
beschäftigt. In der Rolle der Projektleitern betreut sie interne strategische sowie
Auftragsprojekte. Die Themen, mit denen sie sich bisher beschäftigt hat, decken eine
breite Palette ab. Den derzeitigen Arbeitsschwerpunkt bildet das Thema Web 2.0.

doesinger@wissensmanagement.net

Mag. Alexander Stocker ist seit Dezember 2004 am Know-Center Graz als
Projektmitarbeiter beschäftigt. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität
Graz und befasst sich im Rahmen seiner Dissertation mit den Themen Corporate Web
2.0 und Corporate Communities.

stocker@wissensmanagement.net

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