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Der chinesische Kaiser Ming lud im Jahre 67 eine Gruppe buddhisti-

scher Gelehrter ein, die Lehre Buddhas nach China zu bringen. Dort
entstanden die 42 Sutren als Zusammenfassung der Lehren Buddhas.
Um sie geht es im vorliegenden Buch.
Osho beschreibt Buddha als Lichtgestalt, die die Gaben des Poeten und
spirituellen Meisters mit der des Analytikers vereinte. Buddha brachte
der Menschheit die Wissenschaft von der Funktionsweise des Geistes,
deren Befolgung sie »gesetzmäßig« zu Glück und Zufriedenheit führen
soll. Osho erläutert diese Lehre mit der üblichen Mischung aus Einsicht,
Belesenheit und Humor, um sie aus ihrem 2000-jährigen Gewand zu
lösen und für den modernen Menschen verfügbar zu machen. Er zeigt
uns, was wir unter traditionellen buddhistischen Begriffen wie Dham-
ma, Arhat, Karma oder Hauslosigkeit zu verstehen haben. Mit Witz
und Esprit zeigt der einzigartige Lehrer, worauf es im Buddhismus an-
kommt: uns einzulassen auf das Lied des Lebens.

Bei Goldmann sind von Osho bereits erschienen:


Mann und Frau (13280)
Meditation (21521)
Tantra (21520)
Emotionen (21560)
Weibliches Bewusstsein – Weibliche Erfahrung (21562)
Was kann ich tun? (21561)
Liebe, Freiheit, Alleinsein (21599)
Meditationsführer (21609)
Body-Mind-Balancing (mit CD; 21662)
Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen (21662)
Wörterbuch der Erleuchtung A–Z (21671)
Osho Buddha Box (Set aus Buch und Meditationskarten; 33708)
Eine Wahrheit viele Wege (21704)
Sex – das missverstandene Geschenk (21731)
OSHO

Buddha sprach
Die Herausforderungen
des Lebens annehmen

Aus dem Englischen


von Mohani Marin Cardenas
und Ratnakar Steffens
Diese Ausgabe enthält die neu bearbeitete, gekürzte Niederschrift einer
Reihe von Vorträgen, die Osho unter dem Titel »The Discipline of
Transcendence (Vol. 1–4)« in gesprochener Rede hielt. Alle Vorträge
Oshos liegen bereits ungekürzt in Buchveröffentlichungen vor und
sind auch als Audioaufnahmen erhältlich. Audio-Medien und das voll-
ständige Textarchiv finden Sie im Internet in der »Osho Library« nach-
gewiesen unter www.osho.com. OSHO ® ist ein eingetragenes Trademark
der Osho International Foundation.

SGS-COC-1940

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100


Das FSC-zertifizierte Papier München Super für Taschenbücher
aus dem Goldmann Verlag liefert Mochenwangen Papier.

1. Auflage
Deutsche Erstausgabe Oktober 2005
© 2005 der deutschsprachigen Ausgabe
Wilhelm Goldmann Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
© 2005 Osho International Foundation, www.osho.com
Umschlaggestaltung: Design Team München
Umschlagfoto: buchcover.com, doublepointpictures
Porträtfoto von Osho auf der Rückseite:
Osho International Foundation
WL · Herstellung: CZ
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
Redaktion: Anja Schmidt, München
Printed in Germany
ISBN-10: 3-442-21724-5
ISBN-13: 978-3-442-21724-3
Inhalt

1. Der vortrefflichste Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7


2. Nur Nichts ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
3. Darum sei achtsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
4. Lebe das Dhamma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
5. Jenseits der Scheinwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
6. Die zwanzig schweren Dinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
7. Im Einklang mit dem Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
8. Sei dir selbst ein Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
9. Der leere Spiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
10. Die Wahrheit jenseits von Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
11. Erleuchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
12. Der Weg ist das Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
13. Die Macht der Wollust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
14. Werde zum Treibholz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
15. Vergebliche Mühe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
16. Die Suche nach dem Glück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517
17. Der Achtfache Pfad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
18. Der Weg der Mitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589
19. Die Disziplin der Transzendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621
20. Die zehn Ebenen des Weges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657
21. Wegzehrung für die Reise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689
22. Der Urgrund der Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725
Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 759
Weitere Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763
Über den Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765
Meditationsurlaub im »Osho Meditation Resort«
in Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767
1. Der vortrefflichste Weg

Buddha sprach:
Frei zu sein von Leidenschaften und Ruhe zu finden, dies ist der
vortrefflichste Weg.
Diejenigen, welche ihre Eltern verlassen, von zu Hause fortgehen,
den Geist verstehen, zum Ursprung gelangen und das Immateri-
elle begreifen, heißen Shramanas.
Diejenigen, welche die Gebote der Moral beachten, welche rein
und makellos sind in ihrem Verhalten und sich bemühen, die
Früchte der Frömmigkeit zu erlangen, heißen Arhats.
Der Nächste ist der Anagamin. Am Ende seines Lebens steigt die
Seele des Anagamin zum Himmel auf und wird zum Arhat.
Der Nächste ist der Skridagamin. Der Skridagamin steigt (nach sei-
nem Tode) zum Himmel auf, kehrt noch einmal zur Erde zurück
und wird sodann zum Arhat.
Der Nächste ist der Srotapanna. Der Srotapanna stirbt siebenmal
und wird siebenmal geboren, bevor er schließlich zum Arhat
wird.
Abtrennung der Leidenschaften bedeutet, dass sie ebenso wie ab-
getrennte Glieder niemals mehr benutzt werden.

Gautama Buddha ist wie der Gaurishankar, einer der höchs-


ten Gipfel im Himalaja. Die Reinheit seines Wesens, die Ma-
kellosigkeit seiner Seele ist unübertroffen – eine seltene Er-
scheinung auf dieser Erde. Selten deshalb, weil Buddha ein
Wissenschaftler der inneren Welt ist, ein Wissenschaftler der
Religiosität. Das ist eine ausgefallene Kombination. Religiös
8 Buddha sprach

zu sein ist einfach, ein Wissenschaftler zu sein ist einfach –


aber beides zu kombinieren, eine Synthese dieser beiden Po-
laritäten herzustellen, ist unglaublich. Es ist kaum zu glau-
ben, doch es ist geschehen.
Buddha ist der reichste Mensch, der je gelebt hat, reich in
dem Sinn, dass in ihm alle Dimensionen des Lebens erfüllt
sind. Er ist nicht eindimensional.
Es gibt drei Ansätze, um zur Wahrheit zu gelangen: Der
erste ist der Weg der Kraft, der zweite ist der Weg der Schön-
heit, und der dritte ist der Weg der Erhabenheit.
Der wissenschaftliche Ansatz ist die Suche nach Macht;
deshalb sagte Lord Bacon: »Wissen ist Macht.« Die Wissen-
schaft hat dem Menschen große Macht verliehen, so groß,
dass der Mensch den gesamten Planeten Erde zerstören
kann. Zum ersten Mal in der Geschichte des Bewusstseins ist
der Mensch in der Lage, globalen Selbstmord zu begehen, ei-
nen kollektiven Selbstmord. Die Wissenschaft hat unheim-
lich viel Macht freigesetzt. Und sie strebt ständig nach im-
mer größerer Macht. Auch so kann die Wahrheit erfahren
werden – allerdings nur teilweise.
Dann gibt es die Dichter, die Mystiker, Menschen mit ei-
nem Sinn für das Ästhetische. Sie sehen die Wahrheit als
Schönheit – Jalaluddin Rumi, Rabindranath Tagore und an-
dere, die glauben, die Wahrheit liege in der Schönheit. Sie
schaffen Kunstwerke, sie geben neue Anstöße für Schönheit
auf der Welt. Der Maler, der Dichter, der Tänzer, der Musi-
ker – auch sie sind auf dem Weg zur Wahrheit, doch in einer
ganz anderen Dimension als der Macht.
Der Dichter ist nicht wie der Wissenschaftler. Der Wissen-
schaftler arbeitet mit analytischen Methoden, mit Vernunft
und Beobachtung. Der Dichter arbeitet mit dem Herzen, mit
Vertrauen und Liebe, durch das Irrationale. Er hat mit Ver-
stand und Vernunft nichts zu tun.
Die meisten religiösen Menschen gehören der zweiten Ka-
Der vortrefflichste Weg 9

tegorie an. Die Sufis, die Bauls – sie alle folgen dem ästheti-
schen Ansatz. Deshalb gibt es so viele schöne Moscheen, Kir-
chen, Kathedralen, Tempel wie in Ajantha und Ellora – sie
sind das Werk religiöser Menschen. Immer wenn religiöse
Aktivität vorherrscht, dann wird große Kunst geschaffen,
Musik wird geschaffen, großartige Malerei – die Welt wird
ein wenig schöner. Sie bekommt nicht mehr Macht, aber sie
wird schöner, lieblicher, lebenswerter.
Der dritte Ansatz ist der Weg der Erhabenheit. Die alten
Propheten der Bibel – Moses und Abraham, Mohammed,
der Prophet des Islam, Krishna und Rama im Hinduismus –,
sie nähern sich der Wahrheit durch die Dimension der Erha-
benheit, durch die Ehrfurcht, die man empfindet, wenn
man das Universum in seiner unendlichen Größe betrach-
tet. Die alten indischen Schriften wie die Upanishaden und
die Veden – sie alle wandeln auf dem Weg der Erhabenheit.
Sie sind voller staunender Ehrfurcht. Das Universum ist so
unglaublich da, von solcher Erhabenheit und Größe, dass
man sich nur davor verneigen kann – nichts anderes ist
möglich. Man empfindet nur noch Demut, man wird zum
Nichts.
Dies sind die drei Dimensionen, über die man gewöhnlich
zur Wahrheit gelangen kann. Die erste Dimension erzeugt
den Wissenschaftler, die zweite den Künstler und die dritte
die Propheten. Die Einzigartigkeit Buddhas besteht darin,
dass sein Ansatz eine Synthese aller drei ist, und nicht nur
eine Synthese – er geht über die drei hinaus.
Buddha ist Rationalist. Er ist nicht wie Jesus, er ist nicht
wie Krishna; er ist ganz und gar Rationalist. Einstein, New-
ton oder Edison könnten keinen Fehler in seiner Argumen-
tation finden. Jeder Wissenschaftler wäre von ihrer Schlüs-
sigkeit überzeugt. Sein Ansatz ist rein logisch; er überzeugt
den Verstand. Man kann bei ihm keine Schwachpunkte ent-
decken.
10 Buddha sprach

Jemand hat mir eine schöne Geschichte über W.C. Fields ge-
schickt, einen berühmten Schauspieler und Atheisten. Er
war auf Tournee in den Vereinigten Staaten, als eines Tages
sein Manager in sein Hotelzimmer kam und zu seinem
Schrecken feststellte, dass Fields gerade eine Ausgabe der
Gideon–Bibel las.
»Bill!«, sagte er. »Was zum Teufel machst du da? Ich
dachte, du wärst Atheist.«
Fields erwiderte: »Ich suche nur nach Schwachpunkten!«

Aber bei Buddha kann man nicht nach Schwachpunkten su-


chen. Ja, bei Jesus kann man nach Fehlern suchen. Da gibt
es viele, denn Jesus glaubt, er vertraut, er hat seinen Glau-
ben. Er ist einfach wie ein Kind. Bei ihm gelten keine Argu-
mente. Der Beweis ist da, aber es gibt kein Argument dafür.
Sein ganzes Dasein ist Beweis genug.
Bei Buddha ist es nicht so. Selbst wenn man mit seinem
Herzen nicht übereinstimmt, auch wenn man ihm über-
haupt nicht glaubt, auch wenn man nicht sieht, dass er
selbst der Beweis ist, muss man trotzdem auf seine Argu-
mente hören. Er liefert sowohl den Beweis als auch das Ar-
gument. Auch er ist selbst der Beweis für das, was er sagt, aber
das ist nicht alles. Wenn du nicht bereit bist, ihn anzu-
schauen, kann er dich zwingen. Er kann dich überzeugen. Er
ist Rationalist.
Selbst ein Mann wie Bertrand Russell, der Atheist war, ein
purer Logiker, hat gesagt: »Mit Jesus kann ich es aufnehmen,
aber bei Buddha habe ich meine Bedenken.« Er hat ein Buch
mit dem Titel Warum ich kein Christ bin geschrieben, ein
großartiges und argumentatives Buch. Die Christen haben
darauf noch keine Erwiderung gefunden; seine Argumente
sind stichhaltig. Aber wenn man ihn mit Buddha konfron-
tiert, dann zögert er plötzlich, dann ist er sich seiner Argu-
mente nicht mehr so sicher, denn Buddha überzeugt ihn mit
Der vortrefflichste Weg 11

seinen eigenen Argumenten. Buddha ist genauso analytisch


wie Bertrand Russell.
Du brauchst kein religiöser Mensch zu sein, um dich von
Buddha überzeugen zu lassen. Darin ist er so einmalig. Du
brauchst überhaupt nichts zu glauben. Du brauchst nicht an
Gott zu glauben, du brauchst nicht an die Seele zu glauben,
du brauchst gar nichts zu glauben, und trotzdem kannst du
Buddha folgen. Im Laufe der Zeit wirst du etwas über die See-
le und auch über Göttlichkeit erfahren, aber das sind dann
keine Hypothesen.
Man braucht keinen Glauben, um sich mit Buddha auf die
Reise zu machen. Du kannst mit deiner ganzen Skepsis zu
ihm kommen. Er wird dich akzeptieren und willkommen
heißen. Er wird sagen: »Komm mit mir.« Zuerst überzeugt er
deinen Verstand. Wenn dein Verstand überzeugt ist und du
mit ihm auf die Reise gehst, wirst du allmählich spüren, dass
er eine Botschaft hat, die über den Verstand hinausgeht. Er
hat eine Botschaft, die sich durch die Vernunft nicht ein-
schränken lässt. Aber zuerst überzeugt er die Vernunft.
Buddhas Ansatz ist »über–rational«, jedoch nicht gegen die
Vernunft. Dies sollte man von Anfang an verstehen. Es hat
etwas mit dem Jenseits zu tun, überrational, aber das Überra-
tionale ist nicht gegen das Rationale, es ist damit in Einklang.
Das Rationale und das Über–Rationale sind bei Buddha ein
Kontinuum; sie folgen aufeinander. Darin liegt seine Einma-
ligkeit.
Krishna sagt zu Arjuna: »Folge mir, gib dich hin!« Buddha
sagt so etwas nie; er überzeugt dich davon, dich hinzugeben.
Krishna sagt: »Gib dich mir hin, dann wirst du überzeugt
sein.« Buddha sagt: »Lass dich zuerst überzeugen, dann folgt
die Hingabe wie ein Schatten. Darüber brauchst du dir kei-
ne Gedanken zu machen, man braucht gar nicht darüber zu
reden.«
Dank seinem rationalen Ansatz bringt er nie ein Konzept
12 Buddha sprach

vor, das nicht bewiesen werden kann. Er spricht nie über


Gott. H.G. Wells hat einmal über Buddha gesagt: »Er ist der
göttlichste und der gottloseste Mensch in der ganzen Ge-
schichte der Menschheit.« Ja, so ist es: der göttlichste und
der gottloseste. Einen Menschen mit mehr Göttlichkeit als
Buddha kann man nicht finden. Neben ihm verblasst jede
andere Persönlichkeit. Seine Ausstrahlung übertrifft alles,
sein Wesen ist unvergleichlich, doch von Gott spricht er
nicht.
Da er nie über Gott gesprochen hat, meinen viele, Buddha
sei Atheist. Das ist er nicht. Er hat nicht über Gott gespro-
chen, weil es nicht möglich ist, über Gott zu sprechen. Alles
Reden über Gott ist unsinnig. Was immer man über Gott sa-
gen kann, ist falsch. Gott ist etwas, was nicht gesagt werden
kann.
Andere Weise sagen ebenfalls, dass über Gott nichts gesagt
werden kann. Buddha ist wirklich konsequent; er sagt nicht
einmal das, weil er meint: »Selbst wenn man sagt, dass über
Gott nichts gesagt werden kann, hat man schon etwas ge-
sagt. Wenn du sagst: ›Gott kann nicht definiert werden‹, hast
du ihn bereits negativ definiert, nämlich dass er nicht defi-
niert werden kann. Wenn du sagst: ›Man kann nichts sagen‹,
sagst du auch das.« Buddha ist streng logisch. Er verliert kein
einziges Wort über Gott.
Ludwig Wittgenstein, einer der größten Denker unserer
Zeit, ja, einer der größten aller Zeiten, hat einmal gesagt:
»Was nicht gesagt werden kann, darf auch nicht gesagt wer-
den. Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man
schweigen.« Denn über etwas Unaussprechliches zu spre-
chen ist ein Sakrileg.
Buddha ist kein Atheist, aber er spricht niemals über Gott.
Deshalb halte ich ihn für eine Seltenheit. Er bringt viele Men-
schen zum Göttlichen; er hat mehr Menschen angezogen als
sonst irgendjemand. Millionen von Menschen hat er durch
Der vortrefflichste Weg 13

seine Gegenwart dazu gebracht, das Göttliche zu erfahren,


aber das Wort hat er nie benutzt. Und nicht nur »Gott«, auch
»die Seele«, »das Selbst« – auch darüber hat er keine Theorie.
Er sagt nur: »Ich kann dir den Weg nach innen zeigen. Geh
und schau selbst.« Er sagt: »Buddhas können nur den Weg
weisen, sie können dir keine Philosophie liefern. Du bist da.
Geh nach innen und schau.«
Es kam einmal ein Mann zu Buddha. Er war ein großer Ge-
lehrter, eine Art Professor, der viele Bücher geschrieben hatte
und im ganzen Land bekannt war. Sein Name war Mau-
lingputta. Er sagte zu Buddha: »Ich bin mit einem Dutzend
Fragen gekommen, und du musst darauf antworten.«
Buddha sagte: »Ich werde antworten, aber du musst eine
Bedingung erfüllen. Ein Jahr lang musst du ganz still bei mir
bleiben. Dann werde ich dir antworten, vorher nicht. Ich
könnte auch jetzt antworten, aber du würdest die Antworten
nicht empfangen können, da du nicht bereit bist. Was im-
mer ich sage, würdest du missverstehen, denn dein Kopf ist
überfüllt mit Interpretationen. Alles, was ich sage, wird
durch deinen Verstand gefiltert. Sei ein Jahr lang einfach nur
still, damit du dein Wissen loslassen kannst. Wenn du leer
bist, werde ich alle deine Fragen beantworten. Das verspre-
che ich dir.«
Als Buddha dies sagte, begann Sariputta, einer seiner Jün-
ger, wie verrückt zu lachen. Maulingputta fühlte sich offen-
sichtlich beschämt. Er sagte: »Was ist los? Warum lachst du?«
Sariputta antwortete: »Ich lache nicht über dich; ich lache
über mich selbst. Dieser Mann hat auch mich hereingelegt.
Ich bin mit vielen Fragen hierher gekommen, und er sagte:
›Warte ein Jahr,‹ und ich wartete. Ein Jahr ist vergangen. Jetzt
lache ich, denn jetzt sind meine Fragen verschwunden. Und
er sagt mir immer wieder: ›Jetzt darfst du deine Fragen stel-
len.‹ Aber ich kann die Fragen nicht stellen, weil sie ver-
schwunden sind. Also, Maulingputta, wenn du wirklich Ant-
14 Buddha sprach

worten auf deine Fragen haben willst, dann frage jetzt! Warte
nicht ein ganzes Jahr. Dieser Mann täuscht dich.«
Buddha führte viele Menschen in die innere Welt, Millio-
nen von Menschen, allerdings auf eine sehr rationale Art
und Weise. Es ist ganz einfach: Zuerst muss man empfäng-
lich werden, zuerst muss man still werden; dann ist die Ver-
einigung möglich, nicht vorher.
Buddha hat niemals metaphysische Fragen beantwortet.
Er war bereit, jede Frage über die Methode zu beantworten,
aber er war nie bereit, eine Frage über Metaphysik zu beant-
worten. Darin besteht sein wissenschaftlicher Ansatz. Die
Wissenschaft beantwortet nie das Warum. Sie beantwortet
immer das Wie.
Fragst du einen Wissenschaftler: »Warum existiert die
Welt?«, wird er antworten: »Das weiß ich nicht, aber ich
kann dir sagen, wie die Welt existiert.« Wenn du ihn fragst:
»Warum gibt es Wasser?«, wird er die Achseln zucken. Aber
er kann dir sagen, wie das Wasser existiert, aus wie viel Sau-
erstoff und wie viel Wasserstoff Wasser entsteht. Er kann dir
die Methode geben, das Wie, den mechanischen Ablauf. Er
kann dir zeigen, wie man Wasser macht, aber er kann dir
nicht sagen, warum.
Buddha lässt keine Warum–Fragen zu, aber das bedeutet
nicht, dass er Atheist ist. Sein Ansatz unterscheidet sich sehr
von denen der Atheisten. Die Theisten verlangen von einem
zu glauben, zu vertrauen. Buddha sagt: »Wie kann man glau-
ben? Ihr verlangt etwas Unmögliches.«
Hört seine Begründung: Wenn jemand voller Zweifel ist,
wie kann er dann glauben? Wenn bereits Zweifel da sind, wie
soll er glauben? Er kann seine Zweifel unterdrücken, er kann
sich zum Glauben zwingen, aber tief darunter wird der Zwei-
fel wie ein Wurm lauern und sein Herz auffressen. Früher
oder später muss der Glaube zusammenbrechen, weil er
keine Grundlage hat. Er hat kein Fundament. Das Funda-
Der vortrefflichste Weg 15

ment besteht aus Zweifeln, und auf das Fundament des Zwei-
fels hat er das ganze Gebäude seines Glaubens gebaut.
Hast du es schon einmal bemerkt? Immer wenn du etwas
glaubst, sind darunter Zweifel verborgen. Was ist das für ein
Glaube?
Buddha sagt, wenn keine Zweifel da sind, stellt sich die
Frage des Glaubens nicht. Dann weiß man einfach. Dann
braucht man keinen Krishna, der sagt: »Gib dich hin, dann
wirst du glauben.« Dafür gibt es keinen Grund. Wenn Arjuna
Gottvertrauen hat, dann hat er es; wenn nicht, dann kann
man es auch nicht herstellen. Dann kann Arjuna höchstens
ein Spiel spielen; er kann so tun, als würde er glauben. Aber
Glauben kann man nicht erzwingen.
Für Leute, deren Glaube ganz natürlich und spontan da ist,
stellt sich die Glaubensfrage nicht. Sie glauben einfach. Aber
sobald Zweifel aufkommen, wird Glaube unmöglich. Zweifel
müssen aufkommen; sie gehören zum Wachstum.
Durch Zweifel wird man reifer. Du bleibst kindisch, so-
lange der Zweifel noch nicht in deine Seele gedrungen ist.
Solange dich das Feuer des Zweifels nicht verbrennt, bleibst
du unreif. Du weißt noch nicht, was Leben ist. Du beginnst
das Leben erst zu begreifen, indem du zweifelst, indem du
skeptisch bist, indem du Fragen stellst.
Buddha sagt: Vertrauen kommt, aber nicht gegen den Zwei-
fel, nicht als etwas, was man glaubt. Vertrauen kommt da-
durch, dass der Zweifel mit Argumenten zerstört wird, dass
der Zweifel mit noch mehr Zweifeln zerstört wird, dass Zwei-
fel durch den Zweifel selbst ausgeräumt wird. Ein Gift kann
nur mit einem Gift vernichtet werden – das ist die Methode
des Buddhas. Er sagt nicht, du sollst glauben. Er sagt: Gehe
tief in deinen Zweifel hinein, gehe ganz bis ans Ende, ohne
Angst und ohne etwas zu unterdrücken. Lass dich auf die
Zweifel ein und gehe diesen Weg ganz bis ans Ende, dann
wird dich die Reise selbst über den Zweifel hinausführen.
16 Buddha sprach

Denn irgendwann kommt der Moment, da der Zweifel sich


selbst bezweifelt. Das ist der letzte Zweifel – wenn der Zwei-
fel den Zweifel selbst anzweifelt. An diesen Punkt kommst du,
wenn du ganz bis ans Ende gehst. Erst zweifelst du an deinem
Glauben, du bezweifelst dies und jenes. Eines Tages, wenn al-
les angezweifelt worden ist, kommt plötzlich ein neuer und
letzter Zweifel: Du beginnst am Zweifel zu zweifeln.
Das ist etwas ganz Neues in der religiösen Welt: Dann tö-
tet der Zweifel den Zweifel. Der Zweifel vernichtet den Zwei-
fel und wird so zum Vertrauen, zum Glauben. Dieser Glaube
steht nicht gegen den Zweifel; dieser Glaube ist jenseits von
Zweifeln. Dieser Glaube ist nicht das Gegenteil von Zweifel,
sondern das Fehlen von Zweifel.
Auch Buddha sagt, dass man wieder zum Kind werden
muss, aber der Weg dorthin geht durch die Welt, durch viele
Dschungel von Zweifeln, von Argumenten und Schlussfolge-
rungen. Und wenn ein Mensch dann heimkehrt, sein ur-
sprüngliches Vertrauen wiederfindet, dann ist das etwas ganz
anderes. Er ist nicht mehr nur wie ein Kind; er ist ein erwach-
sener Mensch, reif, erfahren und doch wie ein Kind.

Dieses Sutra, Das Sutra in 42 Abschnitten, hat es in Indien nie


gegeben. Es hat nie in Sanskrit oder in Pali, der Sprache Bud-
dhas, existiert. Ein chinesischer Kaiser namens Ming von der
Han–Dynastie lud im Jahre 67 unserer Zeit einige buddhisti-
sche Meister nach China ein, die Botschaft des Buddhas dort-
hin zu bringen. Niemand kennt genau die Namen dieser
buddhistischen Meister, aber eine Gruppe von Mönchen
reiste nach China. Der Kaiser wollte eine Zusammenstellung
der Aussagen Buddhas haben, die dann dem chinesischen
Volk zum ersten Mal vorgestellt wurden.
Die buddhistischen Schriften sind sehr umfangreich. Die
buddhistische Literatur ist eine Welt für sich; es gibt Tau-
sende von Schriften. Und sie gehen bis ins letzte Detail, denn
Der vortrefflichste Weg 17

Buddha glaubt an die logische Analyse. Er geht bei allem bis


an die Wurzel. Seine Analyse ist so tief schürfend und per-
fekt, dass jedes Detail berücksichtigt ist. Es war schwierig.
Was sollte man in einem völlig fremden Land übersetzen, in
dem es einen Mann wie Buddha nie gegeben hat? Diese bud-
dhistischen Mönche stellten also eine kleine Sammlung aus
zweiundvierzig Kapiteln zusammen. Sie sammelten hier und
dort Aussagen Buddhas, aus verschiedenen Schriften, aus
verschiedenen Predigten.
Diese Schrift wurde im Stil der konfuzianischen Analekten
zusammengestellt, da sie ins Land des Konfuzius gebracht
wurde. Das chinesische Volk war vertraut mit der Art und
Weise, wie Konfuzius sprach, wie die Schriften des Konfuzius
aussahen und zusammengestellt waren. Sie kannten Konfu-
zius, und deshalb schrieben die buddhistischen Meister ge-
nau in derselben Art. In den Analekten des Konfuzius be-
ginnt jeder Satz bzw. jeder Absatz mit den Worten »Der Meis-
ter sprach …« Dieses Sutra beginnt auf ähnliche Weise. Jede
Aussage beginnt mit »Buddha sprach …«
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts glaubte man noch, es
müsse ein Original dieser Schrift in Sanskrit oder Pali gege-
ben haben, das dann verschwand oder verloren ging, und
dass dieses chinesische Sutra eine Übersetzung sei. Das
stimmt nicht. Das Sutra hat in Indien nie existiert. So wie es
ist, hat es nie im Original existiert. Natürlich stammt jede
Aussage von Buddha, aber das ganze Buch ist ein neues
Werk, eine neue Zusammenstellung. Dies sollte man also be-
denken.
Und genau deshalb ist es eine so gute Einführung in die
Welt des Buddhas. Es ist sehr einfach. Es fasst alles auf einfa-
che Art und Weise zusammen. Es ist sehr direkt. Es ist in sei-
ner Essenz die ganze Botschaft Buddhas, allerdings sehr
knapp, nicht sehr lang und nicht so wortreich, wie es andere
buddhistische Schriften sind.
18 Buddha sprach

Buddha sprach: Frei zu sein von Leidenschaften und still zu sein –


das ist der vortrefflichste Weg.

Er spricht immer von dem Weg, niemals vom Ziel. Denn er


sagt: »Was kann man über das Ziel sagen? Es ist sinnlos da-
rüber zu sprechen. Wenn du es kennst, dann weißt du. Wenn
du es nicht kennst, ist es unmöglich, es dir vorzustellen, be-
vor du es erreichst.« Er spricht nur über den Weg. Er hat nicht
ein einziges Wort für das Ziel – Gott, Brahma, die Wahrheit,
das Absolute, das Reich Gottes. Nein, er benutzt kein Wort
für das Ziel. Alles, worüber er spricht, ist der Weg.

Frei zu sein von Leidenschaften und still zu sein – das ist der vor-
trefflichste Weg.

In diesem einen einfachen Satz ist die ganze Lehre Buddhas


präsent. Frei zu sein von Leidenschaften und still zu sein – dies
sind zwei Aspekte derselben Sache, zwei Seiten einer Me-
daille. Du kannst nicht still sein, wenn du nicht frei von Lei-
denschaften bist; und du kannst nicht frei von Leidenschaf-
ten sein, wenn du nicht still bist. Sie gehören zusammen,
und man muss auf beides gleichzeitig hinarbeiten.
Warum ist der Mensch so angespannt? Warum hat er so
viele Sorgen und Ängste? Warum ist er nicht ruhig, gesam-
melt, in seiner Mitte? Man wird ständig von so vielen Lei-
denschaften hin und her gezerrt, hierhin und dorthin ge-
drängt. Man lässt sich in viele Richtungen ziehen und wird
dadurch zerrissen, fühlt sich gespalten, geteilt. Man verliert
seine Mitte. Man vergisst vollkommen, wer man ist.
Achte einmal darauf: Wenn du Geld haben willst, wer bist
du? Du bist nur die Gier nach Geld, sonst nichts. Wenn du
wütend bist, wenn dein Ego verletzt ist, wer bist du? Du bist
einfach nur Wut, ein verwundetes Ego – sonst nichts. Wenn
du voller sexueller Leidenschaft bist, wer bist du? Du bist
Der vortrefflichste Weg 19

reine Sexualität, Libido und nichts anderes. Wenn du ehrgei-


zig bist, wenn du Macht, Prestige, Ansehen haben willst, wer
bist du? Du bist einfach nur Ehrgeiz, sonst nichts.
Wenn du darauf achtest, wirst du viele Leidenschaften in
dir finden, aber nicht, wer du wirklich bist. All diese Leiden-
schaften zerreißen dich, und jede Leidenschaft geht ihren ei-
genen Weg. Wenn du Geld haben willst, musst du andere
Leidenschaften dafür opfern. Wer wie verrückt dem Geld
hinterherrennt, kann Sex völlig vergessen. Für einen Geiz-
hals ist es ganz leicht, enthaltsam zu sein. Sexuelle Enthalt-
samkeit ist vielleicht tatsächlich eine Art Geiz. Man will
seine Energie nicht teilen. Du willst deine sexuelle Energie
nicht mit jemandem teilen. Du bist ein Geizhals.
Auch wer politische Ambitionen hat, kann ganz leicht
zölibatär werden, weil ihn seine Leidenschaft in eine be-
stimmte Richtung drängt. Ein Wissenschaftler, der zu sehr in
seiner Forschung aufgeht, kann das andere Geschlecht völ-
lig vergessen. Es ist einfach, wenn du von einer Leidenschaft
völlig besessen bist. Dann kannst du alles andere vergessen.
Es ist eine bekannte Tatsache, dass Wissenschaftler oft sehr
zerstreute Menschen sind. Ihr ganzes Denken geht in eine
Richtung. Dann sind sie allerdings wirklich sehr arm dran.
Ihr Blickwinkel wird immer enger und enger. Das nennt sich
dann Spezialisierung. Ein gieriger Mensch wird immer eng-
stirniger. Er denkt nur noch an Geld; er zählt ständig sein
Geld. Sein ganzes Denken kennt nur eine Musik, nämlich
den Klang des Geldes, kennt nur eine Liebe, nämlich die
Liebe zum Geld.
Leute, die von nur einer Leidenschaft besessen sind, sind
in gewisser Weise integer. Sie sind nicht reich, ihr Dasein hat
nicht viele Dimensionen. Sie kennen nur einen Geschmack,
aber sie haben eine gewisse Integrität. Sie sind nicht gespal-
ten. Man hört kaum, dass solche Menschen wahnsinnig wer-
den, weil sie bereits in einer Richtung wahnsinnig sind. Da-
20 Buddha sprach

her sind sie nicht gespalten. Doch das kommt selten vor.
Normalerweise rennt man in alle Richtungen.
Ich habe gehört:

Ein Wissenschaftler und ein Gorilla wurden zusammen in


den Weltraum geschossen. Am Raumanzug des Gorillas war
vorn ein Umschlag befestigt, der spezielle Anweisungen für
ihn enthielt. Der Wissenschaftler konnte seine Neugierde
kaum beherrschen und wartete, bis der Gorilla mit Schlafen
dran war, damit er einen Blick in den Umschlag werfen
konnte.
Als es endlich so weit war, öffnete er vorsichtig den Um-
schlag und fand ein einzelnes Blatt Papier darin, worauf in
großen Buchstaben gedruckt stand: »NICHT VERGESSEN,
DEN WISSENSCHAFTLER ZU FÜTTERN!«

Ein Wissenschaftler wird einseitig. Sein Leben ist nur noch


Konzentration, und jemand, der konzentriert ist, erlangt
eine Art Einheit, die nicht echt ist. Normale Leute sind nicht
so konzentriert. Meditation liegt ihnen völlig fern – sie sind
nicht einmal in der Lage, sich zu konzentrieren. Ihr Leben ist
ein Mischmasch, ein Durcheinander. Eine Hand geht nach
Norden, ein Bein geht nach Süden, ein Auge schaut nach Os-
ten, das andere Auge schaut nach Westen. Sie gehen gleich-
zeitig in alle Richtungen. Dieses Hin und Her in viele Rich-
tungen reißt sie auseinander. Sie werden gespalten, sie ver-
lieren ihre Ganzheit. Wie kann man dann still sein, wie zur
Ruhe kommen?
Aber auch jemand, der sich konzentriert, kann nicht ruhig
sein, da sein Leben einseitig ist. Er bewegt sich nur in eine
Richtung, alle anderen Aspekte seines Lebens sind verküm-
mert. Ein Wissenschaftler kümmert sich nicht darum, was
Schönheit ist, was Liebe ist. Er weiß nicht, was Poesie ist; er
beschränkt sich zu sehr auf seine mathematische Welt. Er
Der vortrefflichste Weg 21

wird zu einseitig. Viele Teile von ihm sind verkümmert, aus-


gehungert. Er kann nicht ruhig sein. Wie kannst du Ruhe fin-
den, wenn du ausgehungert bist?
Ein Mensch, der in alle Richtungen geht, hat ein wenig
mehr Reichtum als der Spezialist, doch sein Reichtum hat et-
was Schizophrenes. Er fühlt sich gespalten. Wie kann man
still und ruhig sein, wenn man so vielen Herren dient, die ei-
nen in verschiedene Richtungen zerren?
Gewöhnlich gibt es diese beiden Arten von Menschen,
und beide fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut, sind zutiefst
beunruhigt.

Buddha sprach:
Frei zu sein von Leidenschaften und still zu sein – das ist der vor-
trefflichste Weg.

Was ist sein Weg?

Diejenigen, welche ihre Eltern verlassen, von zu Hause fortgehen,


den Geist verstehen, zum Ursprung gelangen und begreifen, was
immateriell ist, heißen Shramanas.

Das Wort Shramana muss verstanden werden; es ist sehr


wichtig. In Indien gab es zwei Wege. Der eine ist der des
Brahmanen und der andere der Weg des Shraman. Der Weg
des Brahmanen ist der Weg der göttlichen Gnade. Der Brah-
mane glaubt, dass man mit eigener Kraft nichts erreichen
kann. Die Anstrengung ist so schwach, man ist so winzig
klein, wie kann es da möglich sein, die Wahrheit aus eigener
Kraft zu erkennen? Man braucht Gottes Hilfe; man braucht
Gnade.
Der Weg des Brahmanen ist der Weg der Gnade. Deshalb
muss man beten. Nur mit Gottes Hilfe kann man diesen Weg
gehen. Wenn es nicht sein Wille ist, kannst du nicht ankom-
22 Buddha sprach

men; es gibt keine Möglichkeit für dich, allein zu gehen.


Gott ist notwendig, seine Hilfe ist notwendig, du brauchst
seine Hand. Solange er dich nicht über die Welt emporhebt,
mühst du dich umsonst ab. Deshalb ist für den Brahmanen
der Weg das Gebet. Der Brahmane glaubt an das Gebet.
Der Shramana ist genau das Gegenteil. Das Wort »Shra-
mana« kommt von der Wurzel shram. »Shram« bedeutet sich
mühen, sich anstrengen. »Shram« heißt Mühe. Gnade gibt
es nicht, denn Buddha spricht niemals von Gott. Buddha
sagt: Du kennst Gott ja nicht. Wie kannst du zu ihm beten?
Zu wem willst du beten? Dein Gebet kommt aus tiefer Un-
wissenheit. Wie kannst du zu einem Gott beten, den du
nicht kennst und den du nie gesehen hast? Was für eine
Kommunikation soll da möglich sein? Du wirst nur zum lee-
ren Himmel sprechen. Da kannst du auch mit dir selbst re-
den. Das ist verrückt.
Habt ihr gesehen, wie Verrückte mit sich selbst sprechen?
Sie sitzen allein da und reden mit jemandem. Sie reden mit
jemandem, und jeder kann sehen, dass niemand da ist. Sie
sprechen mit sich selbst.
In der rationalen Sichtweise Buddhas ist jemand, der zu
Gott betet, verrückt, durchgedreht. Was tust du da? Weißt
du, ob Gott da ist? Wenn du ihn kennst, brauchst du nicht
zu beten. Du sagst, dass du betest, um Gott zu erkennen, weil
der Brahmane gesagt hat: »Wir können Gott nur im Gebet
erkennen, mit seiner Hilfe, mit seiner Gnade.«
Das ist doch absurd, unlogisch. Du drehst dich im Kreis.
Du sagst: »Wir können Gott nur im Gebet erkennen.« Wie
kannst du dann beten? Du kennst Gott ja noch nicht. Und
du sagst: »Nur durch das Gebet können wir seine Gnade er-
langen.« Das ist ein Teufelskreis, das ist nicht logisch. Der
Fehler in der Beweisführung ist ganz klar; der Schwachpunkt
ist offensichtlich.
Das ist das Problem mit den gewöhnlichen Gläubigen: Sie
UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Osho
Buddha sprach
Die Herausforderungen des Lebens annehmen

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Taschenbuch, Broschur, 768 Seiten, 13,5 x 20,6 cm


ISBN: 978-3-442-21724-3

Arkana

Erscheinungstermin: Oktober 2005

Der große Philosoph und Meditationslehrer Osho zeigt, wie wir die buddhistische Lehre konkret
auf unser Leben anwenden können.

Buddha brachte der Menschheit die Wissenschaft vom Funktionieren des Geistes,
deren Befolgung sie zu Glück und Zufriedenheit führen soll. Die 42 Sutren gelten als
Zusammenfassung seiner Lehren. Um sie geht es im vorliegenden Buch. Osho erläutert die
Sutren, um sie aus ihrem 2000-jährigen Gewand zu lösen und für den modernen Menschen
verfügbar zu machen. Mit Witz und Esprit zeigt er, worauf es beim Buddhismus ankommt: uns
einzulassen auf das Lied des Lebens.

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