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STANLEY MORISON
MORISON
SCHRIFT
SCHRIFT
INSCHRIFT
INSCHRIFT
DRUCK
DRUCK
STANLEY MORISON • SCHRIFT • INSCHRIFT • DRUCK
STANLEY MORISON
SCHRIFT
INSCHRIFT
DRUCK
Mit 28 Abbildungen
Die vorstehenden Ausführungen geben mit geringen Veränderungen einen Vortrag wieder,
den der Verfasser unter dem Titel »The Art of Printing« am 17. November 1937 in der Briti-
schen Akademie gehalten hat. Dieser Vortrag ist in Band 23 der »Proceedings of the British Acade-
my« erschienen. Für die Möglichkeit, ihn in deutscher Sprache herauszubringen, ist der Ver-
fasser den Herren Dr. Ernst Hauswedell, Hamburg, und Dr. Konrad Bauer, Schön-
berg i. Ts., zu großem Dank verpflichtet. Die folgenden Anmerkungen wollen dem Leser eini-
ge weitere Hinweise geben, mit deren Hilfe er die Angaben des Verfassers nachprüfen kann.
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ANMERKUNGEN
1. Diese Ansicht wird vertreten von R. Cob- wiederbelebte« (S. XVII f.); ebenso Wm. M.
den Sanderson, dem Gründer der Doves Tvins Jr.: »Die ersten Drucker folgten den
Press: »Der Drucker setzte im Druck die Fährten der Schreiber« (Artistic Aspects of 15th
Tradition des Schreibers fort, und zwar des Century Printing [Bibliographical Society of Ame-
Schreibers auf der Höhe seiner Kunst. Als rica Papers XXV, 1932], S. III).
diese Tradition mit der Zeit ausstarb, ver-
fiel auch die Kunst des Druckers. Es ist die 2. Die wissenschaftliche Untersuchung der
Aufgabe des Schreibkünstlers, die Kunst des Beziehungen zwischen gotischer Buchschrift
Druckers wieder zu beleben und zu ihrer und Drucktypen in der Zeit des Übergangs
ursprünglichen Reinheit und Vollkommen- von der Schrift zum Drude wurde eingelei-
heit zurückzuführen. Der Drucker muß tet durch Wilhelm Meyers Abhandlung
gleichzeitig Schreiber sein oder wenigstens Die Buchstabenverbindungen in der sog. gotischen
mit einem Schreiber zusammenwirken, und Schrift (S. B. Göttingen1897). Seitdem sind
die Offizin muß mit einer Schreibschule ver- die S. 6 aufgeführten Arbeiten von Hessel,
bunden sein, wo Schriftkunst ausgeübt und Crous, Kirchner, Wehmer und Kruit-
das Zeichnen von Buchstaben lebendig erhal- wagen hinzugekommen. Weiter wären zu
ten werden kann. Ein weiterer Beweis für die nennen: Stanley Morison, German Incun-
Abhängigkeit des Drucks von der Schrift ist abula in the British Museum (1928); A. F. John-
die große Erneuerung des Druckwesens, die son, Classification of Gothic Types (Trans. Biblio-
unter unsern Augen stattfindet: sie ist das graph. Soc., März 1929) und die Besprechung
Werk eines Druckers, der, bevor er Drucker von Victor Scholderer (The Fleuron 1930,
wurde, Schreibkünstler und Illustrator war, S. 198 ff.). Neuerdings ist die Proba centum
william morris.« (Ecce Mundus [1902], Blatt scripturarum una manu exaratarum als die frü-
5r — das Buch ist nicht nach Seiten durchge- heste kalligraphische Fassung der jetzt »Frak-
zählt, sondern nach Halbbogen von acht Sei- tur« genannten Drucktype nachgewiesen
ten signiert). worden; die Handschrift (Cod. 85a der Augs-
Vgl. auch Robert Steele, The Revival of burger Ordinariatsbibliothek) ist von Leon-
Printing (1912): »Das Buch des 15. Jahrhun- hard Wagner geschrieben, der von 1472 bis
derts war ausgesprochen eine Nachahmung 1522 der Benediktinerabtei St. Ulrich und
der schönen Handschrift; seine Type war eine Afra in Augsburg angehörte. Sie ist beschrie-
Nachbildung der üblichen Schreiberhand, ben von Alfred schroeder im Archiv f. d.
die Gliederung seiner Seite war die einer Geschichte d. Hochstifts Augsburg 50, 1909–11,
Handschrift, Spationierung und Ausschluß 372 ff.; Ben. Kraft Schwäb. Museum 1930,
waren erleichtert durch freien Gebrauch von 110; ders., Die Handschriften d. Bischöfl. Ordi-
Abkürzungen. Der Erfolg des Druckers ver- nariatsbibl. in Augsburg (1934), S 45, 94. Die
nichtete den Beruf des Schreibers, und damit hundert reichlich fantastischen Namen der
ging das Geheimnis des schönen Buches Schriftmuster sind bei Pez, Thesaurus anec-
verloren, bis William Morris die Kunst dotarum nov. I (1721), S. XXXIV f., und
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danach bei Du Cange angegeben; die Ver- 1517 und datierte sie, wenigstens teilweise, auf
fasser des Nouveau Traité (II, 129) halten sie 1507. Wehmer erwiderte Beiträge zur Inku-
größtenteils für Erfindungen Wagners. Die nabelkunde, März 1938: S. 153 ff.), daß Bau-
Proba wird von Wattenbach, Schriftwesen (3. er zu bestimmt Wagner den »Schöpfer« der
Aufl. 1896, S. 451) erwähnt; das Buch scheint Fraktur genannt habe, und wiederholt seine
aber damals unauffindbar gewesen zu sein. Behauptung, daß die »Clipalicana« der Type
Seine Behandlung begann erst wieder 1932, des Liber horarum nachgebildet sei, die schon
als Carl Wehmer Die Namen der gotischen 1512 vor Vollendung der Proba geschnitten ist.
Buchschriften (Phil. Diss. Berlin 1932, S. 27, 29; Bauer hat seinen Standpunkt noch einmal
Zentralbl. f. Buchwesen 49, Heft 1–5) veröffent- im Jahrbuch Imprimatur, Bd. 8, 1938, S. 160 ff,
lichte; doch scheint Wehmer die Proba nicht dargelegt. Die Tatsache bleibt bestehen, daß
selbst gesehen zu haben, immerhin gibt er Schönspergers Type eine Schriftnachahmung
in einer Entgegnung auf Consentius (Zur ist und daß Fraktur überhaupt niemals etwas
Beurteilung des Methodenstreits in der Inkunabel- anderes war. Folgende Probae oder Schrift-
kunde [Gutenberg-Jb. 1933]) eine Zinkätzung muster sind nach meiner Kenntnis wäh-
von Wagners Rotunda und damit die erste rend der Übergangszeit von Schreibmeistern
Abbildung aus der Proba. Wehmers erschöp- angefertigt und benutzt worden :
fende Abhandlung über Augsburger Schreiber 1. Anonym. Fragmente (Würzburg, Uni-
aus der Frühzeit des Buchdrucks (Beiträge zur versitätsbibliothek). Nicht benannte Bei-
Inkunabelkunde, NF. 7., 1935, 8.78 ff.) bringt spiele von Zierschriften: textura sine pedi-
sechs Faksimiles in Autotypie; ferner eine bus; nottula, Schmuckstücke, Zierleisten,
Autotypie aus einem Graduale, das Wagner usw. Beschrieben und abgebildet bei Bet-
geschrieben hat und das sein Bildnis enthält. ty Kurth, Fragmente aus einem gotischen
Die Proba sollte wahrscheinlich Kaiser Maxi- Schriftmusterbuch ( Jb. d. Kunsthist. Inst. d. k. k.
milian überreicht werden, dessen Bücherlieb- Zentralkomm, f. Denkmalspflege, 1915). Erste
haberei bekannt war. Die hier Abb. 11 wie- Hälfte 15. Jh.
dergegebene Probe trägt den Fantasienamen 2. Anonym. Fragmente (Preuß. Staatsbibl.).
»Clipalicana maior«, aber die kleinere Form Benannte Beispiele von Zierschriften: tex-
desselben Alphabets auf Fol. 3 (d. h. 5) wird tura sine pedibus, nottula, acuta, conclava-
»Imperatoricalis« genannt. Beide ähneln sehr ta, separata und fractura. Weder beschrie-
der Type des Liber horarum ad usum Maximi- ben noch veröffentlicht; ich verdanke ihre
liani Imperatoris (Augsburg 1513; vgl. Abb. 12). Kenntnis der Freundlichkeit von Herrn Dr.
Beinahe gleichzeitig mit Wehmers Arbeit, Carl Wehmer. Erste Hälfte 15. Jh.
aber unabhängig davon, erschien Konrad 3. Anonym. Musterbuch eines Geistlichen
F. Bauer: Leonhard Wagner, der Schöpfer der der Diözese Nantes (Paris, Bibl. Nat. MS.
Fraktur (1936), mit drei Autotypien aus der Lat. 8685). Einleitend heißt es: »Sunt vero
Proba und Wiedergaben der Typen des Liber modo scripture tales: litera simplex et
Horarum und des Teuerdank. Nach Kenntnis- currens, litera serata seu conclavata, lite-
nahme von Wehwers Aufsatz bestritt K. F. ra rotunda, litera seu textus fractus, lite-
Bauer (Noch einmal: Leonhard Wagner [Zs. f ra seu textus semi-fractus, et litera bastar-
Bücherfreunde, 3. Folge, B. 5, 1936]) dessen da.« Beschrieben von Delisle, Rev. bist, et
Ansetzung des frühesten Teils der Proba auf archéol. Du Maine 45, 1898, p. 1. Um 1460.
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4. Johann van Hagen aus Bodenwerder: Voll- in deutschsprachigen Handschrifien (Die zeitgemä-
ständiges Heft (Preuß. Staatsbibl.), mit vier ße Schrift XL, 1937, Heft 1).
benannten Abarten von Zierschrift (qua- Die beste englische Darstellung der Frak-
dratus, presciscus vel sine pedibus, semi- tur im Druck ist A. F. Johnson, Type Designs
quadratus, rotundus), fünf Abarten von (1934), mit Beispielen auf S. 37–47, und des-
nottula (simplex, acuta, fracturarum, concla- selben Verfassers The Classification of Gotbic
vata, separata), zwei Abarten von argentum, Types (Trans. Bibliograph. Soc. 1929.
einer bastarda. Abgebildet und beschrieben
von A. Hessel, Neue Forschungsprobleme der 3. De Rossi, L’inscription d’Hadrien I compo-
Paläograpbie (Arch. f. Urkundenforschung IX, sée et gravée en France par ordre de Charlema-
1926, 161 ff.). Erste Hälfte 15. Jh. gne (Mélanges d’archéologie et d’histoire VIII,
5. Hermann Strepel aus Münster. Zwei Frag- 1888,478 ff.). Vgl. auch Cabrol et Leclercq,
mente eines Heftes (Sammlung Nijhoff, Dictionnaire d’archéologie chrétienne (1925), unter
Haag). Beispiele von Zierschrift (genannt »Hadrien Ier (épitaphe de)«, Bd. VI, 1964 f.,
fracta, rotunda), nottula (genannt modus mit Abbildung, Umschrift, Beschreibung und
copistarum), bastarda (genannt brevitura). Bibliographie. Der Stein ist beschrieben von
Abgebildet und beschrieben von B. Kruit- E. K. Rand (Studies in the Script of Tours: 1. A
wagen, De Munstersche Schrijfmeester Her- Survey of the MSS. of Tours [Cambridge, Mass.,
man Strepel en de Schriftsoorten van de Broeders 19 2 9], Textband I, S. 41 ff.): »Was auch Geo-
van het Gemeene Leven (Het Boek XXII, 1935, logen über die Natur des Steines sagen mögen,
Heft 3 und 4). Datiert 1447 (»Per me Her- es ist klar, daß der Mann, der die Inschrift
mannum Strepel sub anno domini MCCC- herstellen ließ, mit Bewußtsein den Stil der
CXLVIJ0 scriptum«). besten antiken Inschriften wiederzubeleben
6. Modus scribendi artificialis notularum, suchte, und daß dieser Mann aller Wahr-
offenbar geschrieben von oder für Martin scheinlichkeit nach der Verfasser der Verse
Senging, Prior der Benediktinerabtei Melk war, nämlich Alchvin selbst.« Für den Ein-
(1433–81). Beschrieben wird das Schreiben fluß karolingischer Epigraphik auf Mailand
verschiedener kursiver Buchschriften, die vergleiche den Abschnitt Schriftwesen bei P.
folgendermaßen benannt sind: notula curi- Toesca, Storia dell’arte italiana: I. Il Medioevo
ensis, notula liberalis, notula antiqua, notu- (1927), wo ein Stein zur Erinnerung an
la ytalica. Um 1470. Als Privatdruck der Ludwig II. († 875) in S. Ambrogio abgebildet
Monotype-Gesellschaft, Berlin 1939, her- ist.
ausgegeben von Dr. Bernhard Bischoff. Über noch vorhandene karolingische
Eine praktische Einführung in die deut- Inschriften in Tours siehe Casimir Cheva-
schen gotischen Schriftarten vom 15. Jahr- lier, Les Fouilles de St. Martin de Tours (1888).
hundert bis zur Gegenwart bietet Kurt Sei-
bert, Meisterbuch deutscher Schrift (1935), mit 4. Über Humanistenhände der Übergangs-
65 Lichtdrucktafeln und einem Lehrgang für zeit vgl. A. Hessel, Die Entstehung der Renais-
das Schreiben von Text und Fraktur. Vgl. fer- sanceschriften (Arch. f. Urkundenforschung XIII,
ner [St. Morison,] Black-Letter, its Origins 1935, 1 ff.) und St. Morison, Die lateinische
and Use (The Monotype Recorder XXXVI, 1937, Schrift seit der Renaissance, mit Abbildungen
Heft 1) und H. Degering, Die gotische Schrift
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und Bibliographie, in H. Blanckertz, Die Lawrence Weaver, Monuments and Memo-
Scbrift und ihre Werkzeuge (1938). rials (1921); hier das Grabmal Papst Pauls II.
Über Lautizio Perugino vgl. G. Sparkes, († 1472) in der Peterskrypta (Abb. 185).
Numismatic Chronicle 1854, S. 189, der ihm eine Von humanistischen Inschriften in Flo-
in Stein geschnittene Medaille zuweist; Dru- renz bildet Weaver die folgenden ab: Benoz-
ry Fortnum, Bronzes of European Origin in the zo Federighis († 1455) Grabmal in S. Trinità
South Kensington Museum (1875), Nr. 7799– von Luca della Robbia (Abb. 190), die 1466
7800; derselbe, The Seal of Cardinal Andrea datierte Medici-Tafel in der Abtei Fiesole von
de Valle (Archaeologia 1886, S. 118 ff.). Brunelleschi (Abb. 189), und Carlo Marsup-
Über Ludovico degli Arrighi di Vicenza pinos Grabmal in S. Croce von Desiderio da
(Ludovicus Henricus Vicentinus) vgl. mori- Settignano, mit dem Datum 1456 (Abb. 168).
son, Lateinische Schrift. Unsere Abb. 11 (siehe Für die theoretische Entwicklung der neu-
oben S. 11) stammt aus dem Missale Roma- klassischen Inschriftbuchstaben im 15. Jahr-
num, in Saffian gebunden, mit dem Wappen hundert vgl. den Text von Felice Felicianos
des Kardinals Giulio de’ Medici, des späte- Werk bei R. Schoene, Ephemeris Epigraphi-
ren Papstes Klemens VII. Es ist mit 13 gro- ca (1873), S. 255 ff.; V. Scholderer, A Note
ßen und 19 kleinen Miniaturen geschmückt, on Felix Antiquarius (Gutenberg-Jb. 1933); British
die Marco Attavanti mit Hilfe von Mar- Museum Catalogue of Incunabula V, S. VII und
co Antonio und Tadeo Miniator gemalt 1073, und unter »Pojano« (Felicianos Lauf-
hat. Dazu kommen 28 ganzseitige Leisten, bahn als Drucker), Taf. 98 (seine lateinische
38 mit zierlichen Bildern ausgemalte Initialen, Type mit inschriftmäßigen Kapitalien aus
550 Schmuckinitialen und 2250 goldene und seinem Petrarca von 1476); St. Morison, Fra
farbige Initialen (Kupferstichkabinett Berlin, Luca de Pacioli of Borgo S. Sepolcro (Grolier Club,
78 D 17). F. Lippmann, The Art of Wood Engra- New York 1933); Ernst Crous, Dürer und die
ving in Italy (durchgesehene englische Ausga- Schrift (1933), besonders nützlich wegen der
be, 1888, S. 65) erwähnt das Missale nur eben Bibliographie.
und behauptet, es sei ganz in rundgotischer
Schrift geschrieben, während tatsächlich nur 5. Über die erfolgreiche Durchsetzung der
die Einsetzungsworte im Canon in Rotunda lateinischen Typen des Aldus von 1495 und
geschrieben sind. 1499 vgl. St. Morison, The Type of the Hypne-
Für Buchstabenformen auf Inschriften rotomachia (Gutenberg-Jb. 1925); P. Beaujou,
und sonstwo, die gegen Ende des Mittelal- The Garamond Types (The Fleuron 1926, 131 ff.);
ters von Künstlern und Handwerkern in Ita- St. Morisons Einleitung zu W. T. Berry
lien verwandt wurden, vgl. zitiertes Buch von and A. F. Johnson, Specimens of Printing Types.
Toesca. English and Scottish (1935).
Für römische Inschriften im frühhumani-
stischen Stil vgl. Diehl, Jnscriptiones Latinae 6. Der Bericht des Ausschusses ( Jaugeon,
(1921), wo das Grabmal des Kardinals Ant. Bignon, Desbillettes, Truchet) ist von Jau-
Chiavez in St. Johann im Lateran (von Fila- geon verfaßt. Vgl. seine Description et Perfection
rete, † 1447) und das des Papstes Nikolaus V. des arts et métiers (Bibl. Nat., Fonds Français,
(† 1455) in St. Peter abgebildet sind (S. 50). Für No. 9157–8) und Caractères d’écriture de tou-
den echt klassischen Späthumanistenstil vgl. tes les nations depuis le commencement du mon-
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de, avec la police des lettres et leur valeur (ebenda, jedoch »in den Tagen meiner Unwissenheit,
No. 1961–3). Die Briefe Anissons an Mabil- und ich erbitte Verzeihung dafür.« Unleug-
lon befinden sich unter MSS. Français bar hätte der bemerkenswerte Aufschwung,
No. 19650. Der Stempelschneider Grand- der sich in den letzten fünfundzwanzig Jah-
jean war imstande, die verwickelten geome- ren im englischen, deutschen und amerika-
trischen Vorlagen beizubehalten, obwohl er nischen Druckgewerbe gezeigt hat, nicht
in dem notwendigerweise kleinen Maßstab erfolgen können ohne das aufsehenerregende
arbeitete, den die Typographie verlangt; vgl. Erscheinen von Büchern wie dem Kelmscott-
D. B. Updike, Printing Types (2. Aufl. 1937), Chaucer oder dem Ashendene-Dante, die bei-
I, 241 ff. de ohne Rücksicht auf kaufmännische Erwä-
gungen entworfen waren. Die gleichlaufende
7. Über die viktorianische »Neubelebung Reaktion in Frankreich gegen die Mechani-
des Drucks«, d. h. die romantische Entdek- sierung des Druckwesens und den Ersatz von
kung seiner kunstgewerblichen Vorzüge Holzschnitten durch Photographien kann in
durch Künstler, vgl. updike, Printing Types den Büchern von Edouard Pelletan ver-
(1937), II, 197 ff. folgt werden (Le Livre, 1896; Première lettre aux
Der gewaltige Einfluß von William Mor- bibliophiles, 1896; Deuxième lettre aux bibliophiles,
ris begann mit seiner Ausgabe von The House 1896). Eine wertvolle Darstellung und Biblio-
of the Wolfings (1889). Das Meisterstück der graphie der französischen Illustration vom
Kelmscott Press, die Chaucer-Ausgabe, war Mittelalter bis zur Gegenwart geben Calot,
fünf Monate vor Morris’ Tod im Oktober Michon et Angoulvent, L’art au livre en
1896 fertig. Seine Lehren üben immer noch France (1931).
wohltätigen Einfluß auf das Druckgewerbe Für die Nachkriegsbewegung der »Neuen
aus. Obgleich Morris’ Gedanken ihren voll- Typographie«, d. h. die romantische Entdek-
sten Ausdruck in den Büchern der Kelms- kung ihrer technischen Vorzüge durch Intel-
cott Press gefunden haben, war sein Einfluß lektuelle, vgl. Jan Tschichold, Elementare
nicht auf unkaufmännische Luxusdrucke Typographie (1925), Eine Stunde Druckgestaltung
beschränkt. Man kann auch nicht sagen, daß (1931), Typographische Gestaltung (1935).
er maschinenmäßig hergestellten Büchern E. Lissitzky, Unser Buch? (V. S. S. R.) im
ganz und gar ablehnend gegenüberstand. Sein Gutenberg-Jb. 1927, führt den Ursprung der
Vortrag The Ideal Book (Bibliographical Soci- »neuen« Typographie auf Blast (London
ety, 19. Juni 1893) sagt deutlich, daß maschi- 1916) zurück: »… groß und elementar, fast nur
nenmäßig hergestelltes Papier grundsätz- in durchgehender Blockschrift gesetzt, die
lich befriedigend ist, wenn es nicht vorgibt, heute das Merkmal aller modernen internatio-
handgeschöpft zu sein, und daß ein maschi- nalen Drucksachen geworden ist. In Deutsch-
nenmäßig hergestelltes Buch ein Kunstwerk land ist der Prospekt zu der kleinen Gross-
sein kann, wenn die Type richtig gezeichnet Mappe »Neue Jugend« (1917) ein wichtiges
ist und dem Satzbild gebührende Aufmerk- Dokument der neuen Typographie« (S. 174).
samkeit gewidmet wird. Morris wandte Lissitzky behauptet, daß Rußland den
sich »entschieden gegen großes Papierfor- haarstrichlosen Stil seit 1908 gebraucht habe,
mat«, obgleich er bekannte: »Ich habe in die- zeigt aber kein Beispiel vor 1922. Vgl. ferner
ser Beziehung selbst viel gesündigt«; das war K. F. Bauer, Das Neue (Klimschs Jahrbuch, 1931)
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über Futurismus, Dadaismus, Konstruktivis- Flachdruck und Rotationsdruck) s. ebenda S.
mus, Elementarismus usw. im Druckwesen. 149 ff., 171 ff. und D. Cameron Swan, Pio-
8. Für die Anfertigung von Typen und neers of Photogravure (The Imprint, Juni 1913).
die Geschichte der Setzmaschine vgl. L. A. Für die gegenwärtige Lage im Illustrati-
Legros and J. C. Grant, Typographical Prin- onswesen siehe Printing in the Twentieth Cen-
ting Surfaces (1916). Für die Herstellung von tury (Sonderabdruck aus The Times, 1930),
Druckpressen und -maschinen seit König Abschnitt IV–VIII; William Gamble, Die
vgl. The Times, Printing Number (1912), S. 126 Reproduktionstechnik in Vergangenheit, Gegen-
ff. Für Lithogravüre und Druck von pho- wart und Zukunft (Klimschs Jahrbuch, 1932).
tographischen Platten (einfarbig und bunt,
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ABBILDUNGEN
Abbildung 1: Gedächtnistafel für Papst Hadrian I. († 795) veranlaßt von Karl dem Großen
angeblich von Alchvin verfaßt (nach De Rossi Mélanges)
Abbildung 2. Sandstein-Inschrift von 1456; Erfurt, Predigerkirche
Unten: Abbildung 3. Bronze-Inschrift von 1481; Marburg, Elisabethkirche
Abbildung 4 und 5. Messing-Inschriften vom Grabmal Richards II. (1398), Westminster
Abbey (aus der Abklatsch-Sammlung im Victoria- und Albert-Museum)
Richard II. gab sein Grabmal 1395 in Auftrag. Die Marmorbildhauer Henry Yelverley und
Stephen Lote hatten die Kupferschmiede Nicholas Broker und Godfrey Prest als Mitarbeiter,
die wahrscheinlich die Inschriften verfertigt haben; vgl. Rymer, Foedera vu, 797 f
Abbildung 6. Messing-Inschrift vom Grabmal Eduards III. (t 1377), Westminster Abbey
(aus der Abklatsch-Sammlung im Victoria- und Albert-Museum)
Abbildung 7. Urkunde aus der Kanzlei Kaiser Ludwigs des Baiern, datiert 1341. (Nach Sybel-
Sickel, Kaiserurkunden in Abbildungen, ix, 21). Eine ähnlich ausgestattete Kopfleiste aus der-
selben Kanzlei von November/Dezember 1337 bei Arndt-Tangl, Schrifttafeln 3, in 53, Tafel
94
Abbildung 14. Medaille des Papstes Pauls II. von Emiliano Orfini, datiert 1464.
Originalgröße
Abbildung 15. Medaille des Apostolischen Schreibers Raphael Maffei (tätig 1466-1476)
von Lysippus. Originalgröße
Abbildung 16. Aus Felicis Feliciani Veronensis Opusculum, Cod. Vat. Lat. 6852, fol. Ir (um
1463). Die Außenseite des A ist im Original hellgrün, die Innenseite dunkelgrün. Original-
größe
Abbildung 17. Aus Q. Curtius Rufus‘ Historiae Alexandri, datiert 1419. Originalgröße
Abbildungen 18 und 19. Aus Joh. Antonii Campani Orationes, datiert 1458. Originalgröße
Abbildung 20. Supplik an Papst Innozenz VIII. (1484–92)
Abbildung 21. Ausschnitt aus dem Titel eines von Fr. Antonio del Cherico für Matthias Cor-
vinus geschriebenen Psalters; nach 1476 und vor 1490. Originalgröße
Abbildung 22. Inschriftmäßige Kapitalien, geschnitten von Fr. Griffe für Aldus Manutius.
Aus P. Bembo, De Âeina (Venedig 1495). Originalgröße
Abbildung 23. Ein anderer, von Aldus Manutius verwendeter Satz von inschriftmäßigen
Kapitalien. Aus der Hypnerotomachia Poliphili (Venedig 1499). Originalgröße
Abbildung 24. Colophon des Missale Romanum, 1520 von Ludovico Arrighi von Vicenza für
Kardinal Giulio de’ Medici geschrieben. (Berlin, Kupferstichkabinett)
Abbildung 25. Inschriftmäßige Kapitalien aus G. G. Trissino, Sopbonisha, gedruckt bei Ludo-
vico Arrighi von Vicenza und Lautizio (dei Rotelli) von Perugia. Um ein Viertel vergrößert
Abbildung 26. Inschriftmäßige Kapitalien auf Bronzeguß des von Lautizio von Perugia für
Kardinal Giulio de‘ Medici geschnittenen Siegels, um 1524. (Victoria- und Albert-Museum).
Originalgröße
Abbildung 27. Grundsätze für die Zeichnung von Kapitalien, empfohlen von dem Jaugeon-
Ausschuß 1695, gestochen von L. Simonneau 1716
Abbildung 28. Erster Stich Simonneaus von 1695 auf Grund der Beschlüsse des Jaugeon-Aus-
schusses. Simonneau stach 1716 neue Platten (vgl. Abb. 27), mit mehr Einzelheiten und einem
geänderten »g«. Die Kommission erfand den Ausdruck »Lettres courantes Droites« als Ersatz
ür »Lettre romain«