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GESAMMELTE ROMANZEN

TORSTEN SCHWANKE

„Weiberwille – Gottes Wille!


Doppelt ist der Gotteswille,
Ist das Weib die Mutter Gottes!“

Heinrich Heine

DIE BRAUT GOTTES

Ja, ich sah die Himmelsdame


In dem Kleid der Sonnenstrahlen
Mit dem Mond zu ihren Füßen
Und dem Zodiak als Krone!

Sie gebar uns ihren Knaben,


Dann entfloh sie in die Wüste,
Schutz zu suchen vor der Schlange,
Die da ist der alte Satan.

Wenn das Böse überwunden


Ist durch den Triumph der Liebe,
Kommt die Braut aus Gottes Himmel,
Schön geschmückt dem Bräutigame,

Da sie vor ihm steht als Jungfrau,


Unbefleckte, Makellose,
Ohne Falten oder Runzeln,
Als die Heilige und Schöne!

Also in dem Hohen Liede


Sulamiths und Salomonis
Hören wir vom Bräutigame
Christus und der Braut, der Seele.

Aber in dem Hohen Liede


Hören wir die Doppelhochzeit
Jesu Christi mit Maria,
Jesu Christi mit der Seele.

Lausche nicht dem Lied der Wollust,


Nicht der leiblichen Erotik,
Lausche lieber dem geheimen
Geist der religiösen Hochzeit.

Erst wer seine sexuelle


Wollust geistig sublimierte,
Wird das mystische Geheimnis
Hören in dem Hohen Liede.

Denn im Hohen Lied singt Eros,


Jener hohe Eros Gottes,
Welcher liebevoll die Seele
In der Gottheit Schoß hineinzieht.

Ja, das Leben dieser Seele,


Dieser Braut des Christus Jesus,
Es beginnt bei Gott im Himmel
Vor der leiblichen Empfängnis.

Aber Anima, die Seele,


Sie ist Braut des Christus Jesus,
Ist als intellektueller
Geist geschaffen in dem Himmel,

Intellektuelles Wesen
Ganz aus Geist und reinem Lichtstoff,
Bild des Göttlichen, des Logos,
Geist im Lichtstoff, Braut des Logos.

Diese intellektuellen
Geister haben Gott verlassen,
In verschiednen Formenwelten
Leben sie nun fern der Gottheit.

Engel haben Feuerkörper,


Menschen haben Erdenkörper,
Teufel haben Schattenkörper,
Alles geistige Geschöpfe.

Nun die Wanderschaft der Seele


Ist moralische Erhebung,
Intellektuelle Bildung
Und der religiöse Glaube.
So erkennt die Seele wieder
Ihre intellektuelle
Geistform und verlässt den Körper
Der Materia des Chaos.

Meine Schule, liebe Seele,


Ist solch eine Freiheitsschule,
Lerne hier Moral und Weisheit
Und die mystische Erkenntnis.

Deinen Appetit des Fleisches


Und die Sinnlichkeit der Triebe
Überwinde und erhebe
Übers Niedrige die Seele.

Wenn du religiöse Reinheit


Durch die Heiligung empfangen,
Kommt der Bräutigam, der Christus,
Wird der Logos dich erleuchten.

Aber ist die Seele weiblich


Oder ist die Gottheit männlich?
Nein, das ist nur Menschensprache
Stammelnd von der Gottes-Ehe.

Nämlich Gott ist ungeschlechtlich


Wie die Seele ungeschlechtlich.
Alles sind nur Menschenworte
Aus dem armen Erdenleben.

Weisheit ist die Braut, die Gottheit,


Und ihr Bräutigam der Weise,
Bräutigam ist Logos, Gottheit,
Gottes Braut die fromme Seele.

Denn die Seele ist ein Abbild


Gottes, ist ein Gleichnis Gottes,
Gottheit aber ist geschlechtslos
Und die Seele ist geschlechtslos.

Das Geschlecht ist nur der Körper,


Als die Seele war gefallen
In den Körper, in den Kerker,
Trug ein Kleid von Ziegenfellen.

Aber wie die schöne Seele


Reift im religiösen Leben,
Wieder sie erlangt die Einheit,
Ihre Einheit mit der Gottheit.

In der Totenauferstehung
Werden Selige geschlechtslos
Wie die Engel in dem Lichtleib
Schweben in der Schönheit Gottes.

Seelen werden Herrlichkeiten


Dann durchwallen, Herrlichkeiten,
Imitierend Ewigkeiten
Der Natur der Einen Gottheit.

Gott ist männlich nicht noch weiblich,


Aber meinem Mädchen sag ich,
Christus wähl zum Bräutigame,
Nicht dem Mann im Körperschatten.

An das Schlüsselloch der Türe


Legt er den gesalbten Finger
Und berührt den Mädchenkörper
Seiner Freundin in dem Bette.

Bebend wirst du dann erwachen,


Stöhnend: Ah, ich beb vor Liebe,
Und er seufzt mit süßer Liebe:
Meine Schwester, meine Freundin,

Du, mein Garten, bist verschlossen,


Du, mein Brunnen, bist versiegelt,
Doch ich komm in meinen Garten
Und ich spalte deine Wabe!

Und die Jungfrau-Mutter Kirche


Mir erscheint als reife Herrin
In dem purpurnen Gewande
Mit dem Buch in ihren Händen.

Und die Jungfrau-Mutter Kirche


Als die reife weise Herrin
Sitzt in ihres Thrones Sessel,
Der aus weißem Licht gebildet.

Lesend in dem Weisheitsbuche,


Offenbart die weise Herrin,
Daß der Herr die Welt geschaffen
In der Zeit um ihretwillen.

Diese reife weise Herrin,


Sie vermittelt die Visionen,
Ist die Lehrerin der Weisheit
Und die Fürstin der Versöhnung.

Dieses Weib, die weise Herrin,


Diese Frau, die reife Dame,
Sie diktiert die Offenbarung
Ihren Sehern und Propheten.

Herrin, bist du die Sibylle?


Also sprach der Herrin Seher.
Sprach die Herrin: Warum, Seher,
Bin ich eine reife Dame?

Herrin, weil du bist geschaffen


Vor der Schöpfung dieses Kosmos,
Du bist eine reife Dame,
Weil du bist von Anbeginne.

Frau, präexistent und himmlisch,


Turm von Elfenbein, o Herrin,
Du, gebildet von den Engeln,
Du bist ganz aus Edelsteinen.

Herrin Kirche nun dem Seher


Offenbarte sieben Mädchen:
Glaube ist das erste Mädchen,
Schön sind auch die andern Mädchen.

Aus den sieben schönen Mädchen


Ist gebaut der Turm der Herrin.
Liebe Frau, so spricht der Seher,
Sprich, wann ist dein Turm vollendet?

Spricht die reife Herrin Kirche:


Christen, meine lieben Kinder,
Die ihr seid erlöst vom Bösen,
Warum seid ihr solche Sünder?

Als du mich zuerst gesehen,


War ich eine greise Mutter,
Doch ich wurde immer jünger,
Wurde Jungfrau siebzehnjährig.

Sieh, ich wurde immer jünger


Und ich wurde immer schöner.
So erneuert eure Jugend
Ewig Christi zweite Ankunft.

Siebzehnjährige Geliebte
Offenbar ich meinen Kindern,
Daß der Kosmos wird erneuert
In der makellosen Schönheit.

Unsre Mutter hat im Schoße


Uns geboren Gotteskinder
Und an ihren bloßen Brüsten
Trinken wir den Trank der Weisheit.
2

Als Sankt Anna und Joachim


Beteten um Frucht des Leibes,
Zu Sankt Anna trat ein Engel
Und verhieß ihr eine Tochter.

In Jerusalem, vorm Tempel,


In der Goldnen Pforte Anna
In der Gegenwart Joachims
In dem Schoß empfing die Tochter.

Makellose Meisterschöpfung
Ist Maria von dem Geiste,
Ihre Konzeption, die reine,
Ist ein Akt des Geistes Gottes.

Als Maria war geboren,


War sie schon von großem Glauben,
Früh schon eine Tempeljungfrau
Und Verlobte ihres Gottes.

Da beschloß der Hohepriester,


Daß sie brauche einen Wächter,
Einen alten frommen Witwer,
Die Jungfräuliche behütend.

Witwer von dem Stamme Davids


Freiten um die Maid Maria,
Josef vom Geschlechte Davids
Ward erwählt vom Geiste Gottes.

Josef war ein alter, frommer,


Weiser und gerechter Witwer,
Vater einer Schar von Söhnen,
Vater einer Schar von Töchtern.

Über Josefs Stab erschienen


War der Gottesgeist als Taube,
Darum war er der Erwählte
Unsrer Lieben Frau Maria.

Unsre Liebe Frau Maria,


Eben in dem Psalter lesend,
Sah im Geist den Engel Gottes,
Der die Gnadenvolle grüßte.

Bei dem Gruß des Engels Gottes


Und dem Ja-Wort reiner Jungfrau
Hat Maria von dem Geiste
In dem Ohr den Sohn empfangen.
Die jungfräuliche Empfängnis
Jesu in dem Schoß der Jungfrau
Bei dem unverletzten Hymen
Heiligte den Schoß der Jungfrau.

Auch bei der Geburt des Sohnes


Ging hervor der Sohn der Jungfrau
Wie der Duft aus einer Blüte
Und verletzte nicht das Hymen.

Auch nach der Geburt des Sohnes


Blieb der Jungfrau Jungfernhäutchen
Hymen der intakten Jungfrau,
Schleier vor dem Tabernakel.

Aber wie der Zweifler Thomas


Rührte an die Wunden Christi,
Salome erfüllt von Zweifeln
Rührte an den Schoß der Jungfrau.

Wie ein Lichtstrahl durch ein Fenster


Gott ging durchs intakte Hymen,
Salome berührte sanft die
Genitalien Mariens.

Da die Seele, die gezweifelt,


Mit dem Finger ihrer Rechten
Prüfend untersuchte sanft die
Genitalien Mariens,

Fühlte das intakte Hymen


In dem Schoß der Jungfrau-Mutter,
Wurde sie erfüllt von Feuer,
Ihre Rechte fasste Feuer!

Sankt Maria war und Josef


Auch war eine reine Jungfrau,
Wer da ist die Jungfrau Gottes,
Fall nicht in des Mannes Ehe.

Die Jungfräulichkeit des Himmels


Überragt die Erden-Ehe.
Alle Jungfraun sind wie Engel
Einzig die Verlobten Gottes.

Wer gelobt Verlöbnis Gottes


Als des Himmelreiches Jungfrau
Und dann wird des Mannes Gattin,
Ist gefallen in die Sünde.

Ja, Maria ist die Jungfrau,


Immerjungfrau, Ewigjungfrau,
Nie geschlechtliche Beziehung
Mit der Jungfrau Josef pflegend.

Die jungfräuliche Maria


Ist auch wahre Gottesmutter,
Die Gebärerin des Gottes
Jesus Christus, Theotokos.

Als der Titel Gottesmutter


Unsrer Lieben Frau Maria
Ward in Ephesos gegeben,
Jauchzte laut das Volk voll Liebe.

Und in Ephesos die Menschen


Tanzten singend in den Straßen,
Weil in Ephesos die Menschen
Ehrten stets die große Mutter.

Artemis, die Magna Mater,


Göttin mit den neunzehn Brüsten,
Die da war die Göttermutter,
Die Gebärerin der Götter,

Wurde nun erneut gefeiert


In Maria, Gottes Mutter.
Ja, Maria war als Mutter
Göttlich, Universums Mutter.

Menschen an dem Mittelmeere


Feierten die Magna Mater,
Die Panhagia Maria
Ihnen war die Muttergöttin.

Sankt Maria mit den Jüngern


Redete und diese fragten,
Wie Maria Gott empfangen,
Wie Maria Gott geboren.

Wie kannst du den Unbegriffnen


Denn in deinem Schoß begreifen?
Wie kannst du den Unbekannten
Denn in deinem Schoß erkennen?

Ihn, der trägt den ganzen Kosmos,


Hast du in dem Schoß getragen
Und geborgen unterm Herzen
Ihn, der größer als der Kosmos!

Und Maria warnt die Jünger:


Unbeschreiblich dies Geheimnis,
Feuer kommt aus meinem Munde
Und verzehrt die ganze Erde!

Doch die Jünger fragten wieder,


Wie Maria Gott empfangen.
Sprach Maria: Betet, betet,
Betet, meine lieben Kinder!

Und Maria hob die Hände


Zu des Universums Schöpfer,
Der die Finsternis geschieden
Von dem makellosen Lichte.

Alle sieben Himmelssphären


Können dich nicht fassen, Schöpfer,
Doch mein Schoß hat dich umfangen,
Weils dir so gefallen, Schöpfer.

Ich gebar dich ohne Schmerzen,


Du des Vaters Liebling, Weisheit,
Die du alle Welt geschaffen
Und in meinem Schoß gelegen.

Und Maria ruft die Jünger,


Zwölf Apostel, Jüngerinnen,
Jesu sieben Jüngerinnen,
Ihre Glieder zu berühren.

Jeder Jünger hält ein Gliedmaß,


Daß die Glieder ihres Leibes
Nicht zerfallen, wenn Maria
Sagt von der Empfängnis Gottes.

Und sie sprach vom Engel Gottes,


Der verkündet die Empfängnis
Gottes in dem Schoß der Jungfrau:
Freue dich, du Gnadenvolle!

Als sie sprach vom Gruß des Engels,


Von dem Ave, o Maria,
Feuer kam aus ihrem Munde,
Flammen flogen von den Lippen.

Als Maria sprach vom Ave,


Feuer kam aus ihrem Munde,
Beinah wär verbrannt die Erde,
Beinah wär verbrannt der Kosmos.

Aber Christus kam vom Himmel


Und er sprach zur Jungfrau-Mutter:
Liebe, sprich nicht mehr vom Ave,
Sonst verbrennt das Universum!
Und Maria ist entschlafen
In dem Kreise der Apostel,
Simon Petrus ihr zu Füßen
Und Johannes ihr am Herzen.

Und es meinen manche Dichter,


Daß Mariens schöner Körper
Sei in einer Grabeshöhle
Beigesetzt in Mutter Erde,

An dem dritten Tage aber


Ward Mariens schöner Körper
Heimgetragen von den Engeln
In den Paradiesesgarten,

Wo sie bei den Himmelsgeistern


Wartet auf die Auferstehung
Und die künftige Vereinung
Ihrer Seele mit dem Körper,

Unter Heiligen Maria


Als die Heiligste erwartet
So des Fleisches Auferstehung,
Also meinen manche Dichter.

Mir die Mutter offenbarte,


Daß beim Heimgang der Madonna
Ihre wunderschönen Glieder
Schimmerten im schönsten Lichte,

Fern der Korruption des Todes


War immun die Makellose
Von Verwesung ausgenommen
Und sie schaute nicht die Grube.

Alle zwölf Apostel Christi


Stehen um der Jungfrau Körper,
Als erschienen Jesus Christus:
Petrus, wie soll ihr nun werden?

Petrus, Erster der Apostel,


Wagen und Gespann der Kirche,
Sprach zum Meister Jesus Christus
Von dem Körper der Madonna:

Unsre Liebe Frau Maria


Soll mit meinem Herrn Messias
Schon im Körper auferstehen,
Körperlich gen Himmel fahren!

Christus, Todesüberwinder,
Herr der Herrlichkeit des Himmels,
Laß den Körper deiner Mutter
Heute herrlich auferstehen!

Christus, Sohn der Jungfrau-Mutter,


Deine Mutter, unsre Mutter
Herrsche mit dir in dem Himmel,
Königin im Paradiese!

Jesus sagte: Ja, mein Petrus,


Auferstehen soll Maria,
Körperlich gen Himmel fahren
Und im Paradies regieren!

Jesus sagte zu Maria:


Komm, erhebe dich, Geliebte,
Du Vertraute meines Herzens,
Meine Nächste, die ich liebe!

Fern der Korruption des Todes


Und den Makeln aller Menschen
Soll dein Körper nicht verwesen
In dem Loch der Mutter Erde.

Unsre Liebe Frau erhob sich


Und ward wie auf Engelsrädern
Und dem Wagenthron des Himmels
Heimgetragen in den Himmel,

Ihre Seele in dem Körper,


Hauch in geistiger Bekleidung,
Liebe in dem Lichtgewande
Trat die Frau in Edens Garten!

Auf der Erde weise Meister


Sprachen: Sklaven der Madonna,
Tief im Staub verehrt Maria,
Gott alleine anzubeten!

Ja, und der Madonna Sklave,


Der Geliebte der Madonna,
Träumte: Himmlische Geliebte!
Meine Frau und keusche Göttin!

Unsre Liebe Frau Maria


Ist der Sesselthron der Weisheit,
Ist der Weisheit Sitz und Wohnung,
Ist das goldne Haus der Weisheit.

Gottes Sohn, der Gottesmutter


Auf dem Mutterschoße thronend,
Dieses Kindlein ist die Weisheit
Und der Thron ist Gottes Mutter.

Mittlerin die Gottesmutter


Ist des menschgewordnen Gottes,
Sie stellt her die reine Menschheit,
Gott gab Fleisch sie ohne Sünde.

Durch der Jungfrau reinen Körper,


Körper, unberührt von Sünde,
Sie umgab die Weisheit Gottes
Mit dem unkorrupten Fleische.

In dem unkorrupten Fleische


Aus der makellosen Jungfrau
Gottes Weisheit hat erneuert
Eine makellose Menschheit.

Als die wahre Mutter Eva


Unsre Mutter hat empfangen
Ohne sexuellen Actus
Und gebar und blieb doch Jungfrau.

In Maria, wahrer Eva,


Ist die Harmonie des Ursprungs
Zwischen Gott und seiner Schöpfung
Hergestellt in schönster Weise.

Tod und Sünde überwunden


In der makellosen Jungfrau,
In der Jungfrau-Mutter Gottes,
Ist sie Mutter allen Lebens.

Halleluja, Mediatrix,
Dieser makellose Körper
Überwand den Tod, die Sünde,
Sieger ist dein Körper, Jungfrau!

O dein süßer Schoß, Maria,


Alle Kreatur erleuchtet
Mit des Schoßes reiner Blüte,
Des verschlossnen Gartens Blume.

Unsre Liebe Frau Maria


Die Union erneuert zwischen
Der Materie und der Gottheit,
Die Union von Stoff und Schöpfer.

Göttlich schöner Lichtglanz flutet


Durch der Jungfrau reinen Körper
Wie der Himmelssonne Strahlen
Scheinen durch das Glas des Fensters.

Strahlen eines Diamanten


Und der Himmelssonne Schönheit,
Frau, sind in dich eingegossen,
Quelle von dem Herzen Gottes.

Diese lichte Lebensquelle


Von dem Herzen der Urgottheit
Ist die schöpferische Weisheit,
Die erschuf die Urmaterie,

Welche Eva warf ins Chaos,


Aber für Maria Gott schuf
Seiner Weisheit einen Körper,
Menschliche Gestalt der Weisheit.

O Maria, die Materie


Bist du uns, durch die die Weisheit
Haucht die Tugenden der Weisheit,
Wie aus Urstoff Gott die Welt schuf.

Minne-Mystik will ich singen,


Da der sexuelle Eros
Und die religiöse Liebe
Sprache sind derselben Seele.

Diese religiöse Seele


Ist die Braut, die voll Begierde
Die Union des Gottesgatten
Sucht im Brautgemach des Eros.

Diese religiöse Seele


Aber ist auch Minne-Ritter,
Der die Königin des Himmels
Betet an, die Herrin Liebe!

Männer in der Minne-Mystik


Sehen sich als Bräute Gottes,
Durch die Küsse Jesu Christi
Füllen sich mit Milch die Brüste.

Frauen in der Minne-Mystik


Sehen sich als Minne-Ritter,
Die verwundet von der Herrin
Liebe, Königin des Himmels.

Frauen in der Minne-Mystik


Werden selbst die Gottesmutter
Und gebären Jesus Christus,
Frauen werden Schmerzensmütter.

Frauen in der Minne-Mystik


Wie Maria Magdalena
Sind in mystischer Erotik
Die Geliebten Jesu Christi.

Seele, schmücke dich im Schleier


Und im Schmuck zum Hochzeitstanze,
Trittst du in die Kammer Gottes,
Wird dich Gott der Herr entkleiden,

Kleid um Kleider von dir streifen,


Bis du stehst als nackte Seele
Vor dem Herrn, dem Vielgeliebten!
Dann gib ganz dich hin dem Gatten!

Siehe, Gott beugt seine Kniee


Vor der schönen Herrin Seele,
Gott ergibt sich ganz in Liebe
Ihrer Wunderschönheit Allmacht!

Nach der Einigung der Liebe


Und Union im Ehebette –
Gott ist immer krank vor Liebe
Und verlangt nach der Geliebten!

Und die schöne Herrin Seele


Reißt ihr Herz entzwei in Liebe,
Gott in ihre Brust zu setzen,
Sie wird Stillung seiner Wollust!

Sie wird Balsam seiner Wunde,


Sie wird Wein dem Liebeskranken,
Sie wird Trösterin des Schöpfers
Und die Liebende des Feuers!

Ich bin Braut, ich bin die Seele,


Ich verlange nach dem Gatten!
Führe mich zur Himmelshochzeit
Im Jerusalem des Himmels!

Friede, Friede, Friede allen,


Neue Freude allen Lieben!
Siehe, meine Braut, spricht Christus,
Voller Kraft ist deine Liebe!

Siehe, meine Braut und Mutter,


Bist wie keine andre fähig,
Mich zu lieben als die Gottheit
In Erscheinung meiner Menschheit!
Nun empfange du den Samen
Meines Worts in deiner Seele
Schoß, o Braut, und triumphiere!
Enkel sollen durch dich leben!

Seele bin ich, die geschmückte


Mit dem Schmuck der Tugendsamen
Und geleitet durch den Himmel
Vor das schöne Antlitz Gottes!

O das Antlitz voller Schönheit


Thront auf einer lichten Scheibe,
Die da die Union der Gottheit
Ist, Natur der drei Personen!

Durch die Heiligkeit der Tugend


Ist die tugendsame Seele
Eins geworden mit der Menschheit,
Der perfekten Menschheit Jesu.

Nun die Seele, die verlobte,


Kommt in ihren Garten Eden,
In ihr Reich des Paradieses,
Königliche Braut des Christus.

Und der Adler schreit am Himmel:


Seele, schaue durch das Antlitz
Und erkenn dich als Verlobte
Und besitze deinen Gatten!

Und die Seele sieht sich innig


Ganz vereinigt mit dem Einen,
Der da thronte überm Abgrund,
Einig in gewisser Einheit!

Meine Seele schwillt in Liebe


Und in schwellendem Verlangen
In den Herrn, der Vielgeliebte
Ganz vereint der Vielgeliebten!

Meine Seele ist ein Ritter,


Minneritter, Minnesänger,
Ich erlebe Abenteuer,
Zu gewinnen Herrin Liebe!

Ja, ich will sie mir erobern,


Meine distanzierte Herrin!
Feinde leg ich ihr zu Füßen,
Reite ich in ihren Schlosspark!

Herrin Liebe, du bist grausam!


Herrin Liebe, du bist launisch!
Herrin Liebe, dir zu dienen
Mir bereitet Todesschmerzen!

Du verrätst mich, Herrin Liebe,


Du verrätst mich an die Feinde,
Ich verlasse dich, o Herrin,
Und bleib immerdar dein Sklave!

Wahnsinn bringst du, Herrin Liebe!


Sind zwei Seelen mir im Busen,
Eine will der Erde Wollust,
Eine Seligkeit des Himmels!

Wahnsinn bringst du, Herrin Liebe,


Siinnverstörung, Liebeswahnsinn!
Meine Mörderin, o Liebe,
Muß ich mich für dich ermorden?

Seufzer, Seufzer, Tränen, Tränen!


Blutigrote Liebestränen
Tropfen mir aus meinem Herzen
Durch die Grausamkeit der Liebe!

Alle Leiden will ich dulden,


Will im Fegefeuer brennen,
Tausend Kreuzestode sterben,
Um die Liebe zu gewinnen!

Schüler bin ich in der Schule


Meiner Lehrerin, der Liebe,
Herrin Liebe voller Weisheit
Inspiriert den Minnesänger.

Die geheime Kunst der Liebe,


Wie die Liebe zu gewinnen,
Will ich meine Jünger lehren,
Buhlt nur um die Herrin Liebe!

DIE MEERJUNGFRAU

ERSTER GESANG

Liebe Margarethe Schwanke,


Du Großmutter eines Dichters,
Komm, erzähle uns dein Märchen
Von der Meerjungfrau der Nordsee!

Margarethe Schwanke also


Hob das dünne Zitterstimmchen.
Ihre Lesebrille ruhte
Auf der Bibel deutscher Sprache.

Sieh, es war einmal in Norddeich,


Lebte da ein armer Fischer,
Der zwölf schöne Töchter hatte,
Drunter auch zwei Dioskuren.

Diese wunderschönen Mädchen


Waren all gesund und zierlich.
Bei der lieben Eltern Armut
Unbegreiflich war die Reinheit.

Immer hatten sie zu essen,


Ja, selbst Butter auf dem Brote,
Trugen allzeit saubre Kleider,
Sonntags ihre schönsten Kleider,

Weil sie sonntags immer gingen


In der Gotteskirche Arche,
Gott zu singen und zu hören
Ihren Pfarrer Weisheit lehren.

Aber böses Volk in Norddeich


Sprach: Der arme Fischer sicher
Ist ein alter Hexenmeister,
Murmelt immer Zauber-Runen.

Aber nein! Die Frau des Fischers


Hatte heimlich eine Freundin,
Die ihr diesen Segen schenkte,
Die die lieben Kinder pflegte,

Wickelte die kleinen Kinder,


Putzte ihre Rotzenasen,
Sang den Kindern Wiegenlieder,
Las auch aus der Kinderbibel.

Als die Frau des Fischers nämlich


War ein junges schönes Mädchen,
Träumte sie zu Sankt Johannis,
Sah im Traume eine Dame,

Sprach die Dame in dem Traume,


Daß das Mädchen zu Johannis
An die Nordsee treten solle.
Dann vergaß den Traum das Mädchen.
In der Sommernacht die Menschen
Am Johannisfeuer saßen,
Hört das Mädchen leis ein Stimmchen
Etwa wie ein Bienensummen:

Geh zur Nordsee, liebes Mädchen,


Von der Nordsee kommt dir Segen!
Zwar erschrak das junge Mädchen,
Aber trat doch an die Nordsee.

Auf dem Deiche vor der Nordsee


Sah sie sitzen jene Dame,
Königlich, in weißen Kleidern,
Um den Hals ein Perlenkettchen.

Sah die Dame, wie das Mädchen


Sich entsetzte, sprach die Dame:
Habe keine Angst, mein Mädchen,
Denn ich bring dir Gottes Segen!

Schau, im Märzen wirst du freien,


Wird dein Freier sein ein armer
Fischer, nimm ihn doch zum Manne,
Stör dich nicht an seinem Branntwein.

Weil du gut bist, liebes Mädchen,


Bringe ich dir Gottes Segen.
Sei nur fleißig, sie nur sittsam,
Ohne Tugend keine Freude.

Hast du dann ein Kind geboren,


Brings zur Taufe in die Kirche.
Wirf ein Steinchen in die Nordsee,
Dann erscheine ich dir wieder.

Und ich komme in die Kirche


Gottes zu des Kindes Taufe,
Werde deines Kindes Patin,
Deines Kindes Patenmutter.

Damit schwand die schöne Dame.


Und das Mädchen hätt gezweifelt
An der Dame, hielte sie nicht
In der Hand ein weißes Steinchen.

Doch im Märzen kam der Freier,


Wie die Dame prophezeite,
Hochzeit wurde bald gefeiert
Unterm Orgelspiel der Sturmflut.

Siehe da, neun Monde später


Hat ein Kind geborn die Gattin,
Eine Tochter, und sie dachte
An die Dame von Johannis.

Und sie eilte an die Nordsee,


Warf ins Meer das weiße Steinchen,
Da erschien die schöne Dame,
Weißverschleiert, weißgekleidet.

Dank, dass du mich nicht vergessen,


Sprach zur Frau die schöne Dame,
Bring die Tochter nur zur Taufe,
Ich komm dann als Patenmutter.

An dem Tag der Taufe nahte


Nun fürwahr die schöne Dame,
Nahm die Tochter in die Arme,
Gab ein Küsschen auf die Stirne,

Legte in das weiße Taufkleid,


In die weiße Linnenwindel
Einen Taler mit dem Bilde
Der Meerjungfrau ganz aus Silber.

Also wars bei jeder Taufe,


Bis zwölf Töchter sind geboren.
Bei Geburt des letzten Kindes
Sprach zur Frau die schöne Dame:

Fortan wirst du mich nicht sehen,


Aber ungesehen will ich
Deine Kinder stets begleiten
Und mit Gottes Gnade segnen.

Feiern deine Töchter Hochzeit,


Gib als Brautgeschenk den Taler
Ihnen, den ich bei der Taufe
Legte in die Linnenwindel.

Sorge, dass die Töchter allzeit


Schöne saubre Kleider tragen,
Schönste Kleider tragen sonntags,
Gehen zu dem Gottesdienste.

O die Kinder waren herrlich,


Eine wahre Lust und Wonne!
Lebten zwar in großer Armut,
Aber stets in Gottes Gnade.

Nun die erste Tochter freite


Einen schönen reichen Wirtssohn
Und als Brautgeschenk das Mädchen
Brachte mit der Taufe Taler.

Als die Männer nun den Koffer


Mit des Mädchens Sachen hoben,
War er schwer vom vielen Golde,
Hunderttausend goldnen Talern.

Alle andern Töchter fanden


Eilends ebenfalls Gemahle,
Da ihr Reichtum weitberühmt war,
Nannte man sie goldne Schätzchen.

Einer dieser Schwiegersöhne


Aber war ein Mammonsklave,
Gierig nach dem gelben Gelde,
Nicht zufrieden mit der Liebe.

Ging der Schwiegersohn zum Vater,


Sprach: Gib mir noch mehr vom Golde,
Unersättlich bin ich, durstig
Nach dem Segensstrom des Geldes.

Sprach der Vater: Ach ich armer


Fischer, habe nichts zu geben,
Alles war ja reine Gnade
Nur der lieben Patenmutter.

Doch der Schwiegersohn voll Geldgier


Glaubte nicht dem armen Vater,
Sprach vorm Pöbel, dieser Fischer
Sei ein alter Hexenmeister,

Habe durch den Pakt mit Satan


Große Truhen voll des Goldes.
Doch der Fischer, fromm und gläubig,
Bangte nicht vor Satans Listen.

Doch die Obrigkeit von Norddeich,


Staat und Kirche, hörten beide
Von dem alten Hexenmeister,
Untersuchten diese Sache.

Und der Schwiegersohn und alle


Schwiegersöhne aller Töchter
Und die Obrigkeit von Norddeich
Kamen zu dem Haus des Fischers.

Plötzlich war da großer Lichtglanz,


Über Bäumen goldne Wolken,
Sichtbar ward ein Schloß von Golde,
Buntglas, Spiegeln, Perlen, Kerzen.
Vor dem Tor zwei Helden standen,
Hohe blonde Friesenhünen,
Goldne Schwerter in den Händen,
In den Händen Feuerschwerter.

Trat ein Jüngling vor im Samtkleid,


Sprach: Die Königin gebietet,
Daß der Richter zu ihr trete.
Und der Richter folgt dem Jüngling.

Wer beschreibt die Herrlichkeiten


In der Königin Palaste?
Der Palast schien eine Kirche,
Schien ein großer Tempel Gottes.

In der Mitte auf dem Throne


Saß in Gold die schöne Dame
Und dabei auf goldnen Thronen
Zwölf Jungfrauen hochentzückend!

Da der Richter sich verneigte,


Sprach die Königin, die Dame:
Warum kommt ihr wie die Räuber,
Den Gerechten zu ermorden?

Antwort wollt der Richter geben,


Aber Angst lähmt ihm die Zunge.
Sprach die Königin: Ich kenne
Eure Listen, Trügereien!

Und der schönen Dame Diener


Nun den Schwiegersohn in Fesseln
Und die Schwiegersöhne alle
Sie in Eisenketten brachten.

Sprach die Königin, die Dame:


Meerjungfrau von Gottes Gnade
Bin ich, Königin der Meere,
Nymphe Gottes, Stern der Meere!

Meine lieben Patenkinder


Stehen unter meinem Schutze,
Meine liebe Frau, das Mädchen,
Und der treue arme Vater,

Alle meine Kinder, alle


Töchter und die Dioskuren,
Die ich in der Taufe annahm,
Daß sie meine Kinder seien!

Ihnen soll kein Unglück, Unheil


Widerfahren, sondern freudig
Sollen sie in Licht und Schatten
Meiner Liebe sich erfreuen!

Aber ihr, der Geldgier Sklaven,


Ihr, die lästerlichen Zungen,
Ihr sollt siebenhundert Jahre
In dem Fegefeuer schmoren!

Da verschwand die schöne Dame,


Die Taufkinder dieser Dame
Aber gingen in das Kloster,
Das Marienkloster Nordens.

Also die Großmutter sagte,


Lächelnd Margarethe Schwanke
Sagte zu dem Enkelsohne,
Welcher die Großmutter liebte:

Komm, trink mit mir vom Liköre,


Nasche von dem Salzgebäcke,
Schon dein Nachthemd auf dem Ofen
Angewärmt ist für die Nachtruh,

Daß in Frieslands Federbetten


Du gemütlich schlafen mögest
Und in deinen Träumen schauen
Gottes Gnade, Gottes Mutter!

ZWEITER GESANG

Liebe Margarethe Schwanke,


Du Großmutter eines Dichters,
Tröste deinem Enkelsohne
Alle Leiden seiner Seele!

Und entrücke in die Reiche


Schöner Märchen seine Seele,
Komm, du große Mutter Muse,
Singe uns dein Lied zum Troste!

Lieber Enkelsohn, mein Dichter,


Hör prophetisch nun mein Märchen:
War einmal ein frommer Jüngling,
Suchte Gott von ganzem Herzen.

Liebte er ein junges Mädchen,


Siebzehn Jahre jung das Mädchen,
Trug das Mädchen auch den Namen
Unsrer Lieben Frau Maria.
Und der Jüngling liebt das Mädchen,
So als sei sie selbst Maria,
Unsre Liebe Frau Maria,
Doch sie war ja nur ein Mädchen.

Sah der Jüngling nun das Mädchen


An dem Strand der Insel Baltrum
In der Nordsee, wo das Mädchen
Muscheln sammelte am Strande.

Weht der Wind in ihre Locken,


Lange, dunkelbraune Locken,
Ging sie in dem weißen Kleide,
Seide, weiß wie Schaum des Meeres.

Sah der Jüngling an sein Mädchen,


Sah er von des Strandes Ende
An dem Strand am andern Ende
Stehn sein vielgeliebtes Mädchen.

Winkte gar das schöne Mädchen,


Lächelnd lieblich voll Verheißung,
Schien ihm eine Himmelsjungfrau,
Eine himmlische Erscheinung.

Plötzlich sah der Jüngling aber


Mitten in der Mordsee Nordsee
Vor dem Strand der Insel Baltrum
In dem Meere seine Amme.

Sah der Jüngling seine Amme


Kämpfen mit der Mordsee Nordsee,
Mit dem blanken Hans, dem Tode,
Sah er seine Amme ringen.

Und die liebe Kinderamme


Ward verschlungen von den Fluten!
Doch der Jüngling, blind vor Liebe,
Eilte zu dem jungen Mädchen.

Zwar vernahm er noch die Stimme


Seiner lieben Kinderamme
Hilfe rufen: O mein Liebling,
Mich verschlingt die Mordsee Nordsee!

Doch der Jüngling wie ein Tauber


Hörte nicht der Amme Stimme,
Hörte nur in seinen Ohren
Seines Blutes Liebe rauschen.

So versank die liebe Amme


In der Flut der Mordsee Nordsee,
Aber nur drei Augenblicke,
Tauchte wieder auf die Amme,

War nicht mehr die alte Amme,


War Meerjungfrau jetzt der Nordsee,
Meeres Mädchen schönster Jugend,
Eine Göttin, Baltrums Venus!

War die allerschönste Jungfrau,


Schlank und weiß wie eine Birke,
Nur in einem Schaumgewande
Und geschmückt mit Perlenketten,

Nur im Lichtkleid weißen Schaumes


Sie spazierte auf dem Wasser,
Wie dereinst der Christus Jesus
Auf dem Meer von Galiläa!

Schöner war des Meeres Jungfrau


Wandelnd auf dem Wasserspiegel
Als das schlichte deutsche Mädchen
Stehend an dem Strand von Baltrum.

Da ergriff den frommen Jüngling


Solche Sehnsucht nach der Jungfrau,
Nach des Meeres Göttermädchen,
Sankt Meerjungfrau, seiner Göttin,

Daß er ganz das deutsche Mädchen


An dem Meeresstrand von Baltrum
Und die Minnelust vergessen
Und die sterbliche Geliebte,

Daß der fromme Jüngling einzig


Sankt Meerjungfrau, seiner Göttin,
Nachsah voller heißer Sehnsucht
Und Verlangen nach der Jungfrau,

Nur Verlangen nach der Jungfrau,


Nur Verlangen nach der Göttin
In der frommen Seele, alle
Seine Minne galt der Meermaid!

Sankt Meerjungfrau, schönstes Mädchen,


Wie der Schöpfer sie gebildet,
Schwamm sie stolz wie eine Schwanin,
Weiße Schwanin, auf dem Schaume,

Badete den Schwanenbusen


In dem weißen Meeresschaume,
Mit dem langen Schwanenhalse
Taucht sie in den Wasserspiegel.
Immer weiter schwamm die Schwanin,
Immer weiter in die Ferne,
Bis dahin, wo sich die Nordsee
Mit dem Horizont vereinigt.

Nur von Zeit zu Zeit die Schwanin


Wendete zum frommen Jüngling
Liebevoll ihr Jungfraun-Antlitz,
Voller Zauber, Charme und Schönheit!

Und der Jüngling voller Sehnsucht,


Ins Unendliche ihr folgend,
Schwand dahin in Meer und Himmel,
Schwand in den Unendlichkeiten.

Aber du, mein lieber Junge,


Sagte Margarethe Schwanke,
Sei nun länger nicht mehr traurig.
Aber bist du einmal traurig,

Denke an Großmutters Märchen,


An Großmutters Mutterliebe,
In der Mitternacht der Trauer
Schreib als Dichter auf das Märchen,

Und du merkst, die Trauer schwindet


Mit dem Singen dieses Märchens.
Aber nun, mein lieber Junge,
Segne dich die Mutter Gottes!

DRITTER GESANG

Muse, Margarethe Schwanke,


Leg die Brille auf die Bibel,
Auf die Bibel deutscher Sprache
Des Poeten Martin Luther.

Wende dich zu mir, dem Dichter,


Der schon längst im Himmelreiche
Zu der Seraphinen-Harfe
Gott Jehowah preisen möchte!

Ach, mein lieber Junge, lächelt


Meine Muse, Margarethe
Schwanke, bleibe noch auf Erden,
Ruhm zu schaffen der Madonna!

In den guten alten Zeiten,


Ach, da lebten bessre Menschen,
Denen auch der Herr des Himmels
Manches Wunder offenbarte,

Die verborgen heutzutage


Oder nur von Sonntagskindern
Noch erfahren werden, Wunder,
Die der Herr des Himmels wirkte.

Vögel singen zwar noch heute,


Tauben gurren auch noch heute,
Doch die Menschenkinder leider
Nicht verstehen mehr die Sprache,

Wie sie weiland Salomonis


Weisheit oder auch Franziskus’
Armut sie verstanden, all das
Gotteslob der Nachtigallen.

Bei der Herrlichkeit von Dornum


An dem grauen Meer der Nordsee
Lebte einst des Meeres Mädchen,
Die sich oft den Menschen zeigte.

Wahrlich, noch mein Urgroßvater


Sah als Seemann diese Meermaid,
Seine Base, das Mariechen,
Oftmals sah des Meeres Jungfrau.

Manchmal kam die Jungfrau Kindern


Nah als kleines schwarzes Lämmchen
Oder auch als kleines Pony
Oder auch als Turteltaube.

Oftmals ließ sie sich’s gefallen,


Daß die Kinder mit ihr spielten,
Denn die Jungfrau liebte Kinder
Fast so wie die Engel Gottes.

Wie mein Urgroßvater sagte


Und Mariechen dies bestätigt,
Saß die Jungfrau sonntagsmorgens
An dem Meer besonders strahlend,

Wehte in dem Wind ihr Schleier,


In der Hand die Perlenkette,
Sah sie auf das Meer als auf den
Ozean der Gnaden Gottes!

Sang die Jungfrau solche Lieder


Von der güldnen Sonne Gottes,
Daß die Menschenherzen schmolzen
Von dem süßen Stil der Jungfrau.

Aber scheu und schüchtern war sie,


Duldet nur noch kleine Kinder,
Die erwachsnen Menschen floh sie,
Deren Herzen waren steinern.

Nur die lieben Kinderherzen


Sind so rein wie Engelherzen
Und allein die reinen Herzen
Werden Gottes Schönheit schauen!

In der Herrlichkeit von Dornum


Lebte einst ein Schornsteinfeger,
Seine Ehefrau war fleißig,
Die zwei Söhne ihm geboren,

Einer war, der Erstgeborne,


Wie der Vater und die Mutter
Fleißig, er wird einst auch werden
Wie der Vater Schornsteinfeger.

Doch der Jüngere der Söhne


War ein Taugenichts und Träumer,
Ein Poet und Grillenfänger,
Haschte immer nach dem Winde,

Haschte nur nach Luftgespinsten,


Nach der Träume Seifenblasen,
Nach dem Wolkenkuckucksheime,
Wandelte im Schlaf mondsüchtig,

Sprach im Wald mit Turteltauben,


Küsste Frösche, haschte Falter,
Sammelte am Strand die Muscheln,
Lebte wie im Arm der Götter!

War er aber unter Menschen,


War er schweigsam. Die Erwachsnen
Nannten ihn den Träumer, nannten
Ihn den Taugenichts, den Toren.

Aber wenn im Herbst die Stürme


Wühlten auf die Meeresbrandung,
Lief er nackend an die Nordsee
Wie ein Barfußmönch des Meeres,

Und er warf sich in den Nachen,


Lachte laut wie eine Möwe,
Fuhr dahin wie eine Wildgans,
Schaukelnd auf dem Schaum des Meeres,
Jauchzte in der Meeresbrandung,
Sprach zum Wind: O Gott, wie herrlich,
Wie gewaltig deine Sprache,
Gott, dein Wort ist Windes Brausen!

Aber faul war dieser Knabe,


Jede Arbeit ließ er liegen,
Ob der Vater mit der Rute
Ihn auch oftmals drum gezüchtigt.

Gab der Vater ihn als Diener


Einem alten Seemann, aber
Lange hielts nicht aus der Jüngling
In der Sklaverei der Arbeit.

Zählte eben siebzehn Jahre,


Als er von dem Schiffe kehrte
In die Herrlichkeit von Dornum,
Doch das Haus des Vaters meidend.

War fürwahr ein schöner Jüngling,


War so schlank wie eine Birke,
Pfirsichweich die glatte Wange,
Goldblond seine wilden Haare.

Zwar zuhause bei dem Vater


Und der Mutter war er schweigsam,
Doch er wusste schön zu reden
Von der Schönheit junger Mädchen.

Seine Märchen von der Nordsee,


Seine süßen Liebeslieder
Manch ein Mädchen wohl betörten,
Er war Magier des Wortes.

Aber doch zum Ehemanne


Wollt ihn keins der schönen Mädchen:
Taugenichts, du bist ein Träumer,
Du liebst ja nur eine Traumfrau,

Liebst nicht mich, das arme Mädchen,


Staub vom Staub, des Lehmes Rippe,
Liebst ja nur die schöne Traumfrau,
Liebst ja nur der Nordsee Venus!

Also sprachen alle Mädchen,


Eine nach der andern, immer
Sagten alle sie das gleiche.
Trat der Träumer an die Nordsee,

War ein schöner Sommerabend,


Schon versunken war die Sonne,
Einsam schien der Stern der Venus
Auf dem Ozean des Himmels.

An dem Strande ging der Träumer,


Hörte die Meerjungfrau singen,
Dachte er: Sie ist ein Mädchen,
Wird sie mir ja niemals schaden.

Nach ging er dem Lied der Jungfrau,


Schaute an die schöne Möwe,
Stieg er auf den Deich und schaute
Die Meerjungfrau in der Nordsee

Mit dem Schleier auf dem Haupte,


Quollen draus die langen Haare,
Sang ein wunderschönes Lied sie,
Sang das Lied der Schmerzensmutter:

Ach, dahin ist meine Ruhe,


Wehe, wehe, wehe, wehe,
Du allein kennst meine Schmerzen,
O du Mater Dolorosa!

Wünschte sich der Jüngling tausend


Ohren, dieses Lied zu hören,
Wünschte sich der Jüngling tausend
Augen, diese Frau zu schauen!

Sah die Jungfrau zwar den Träumer,


Doch sie floh nicht vor dem Träumer,
Kam sie lächelnd ihm entgegen,
Reichte ihm das schlanke Händchen,

Sagte: Lang hab ich gewartet,


Daß du kommst, geliebter Träumer,
Weil der Herrgott mir in Träumen
Deine Ankunft prophezeite.

Keiner liebt dich von den Menschen,


Keine liebt dich von den Frauen,
Fremd bist du im Elternhause,
Fremd auch unter allen Leuten.

Aber ich war immer mit dir,


Ungesehen deine Schutzfrau,
Komm mit mir, mein kleiner König,
Sei der Königin Geliebter!

Jeden Wunsch will ich erfüllen


Deiner Seele, will dich hüten
Wie den Apfel meiner Augen,
Sollst der Mann sein der Meerjungfrau!
Dieses Wort der schönen Jungfrau
Traf als Feuerpfeil im Herzen,
Sprach der Träumer zu der Jungfrau:
Jungfrau, wo ist deine Wohnung?

Sprach die Jungfrau: Komm, mein Träumer,


Eilen wir mit Sturmes Eile,
Habe du nur fest Vertrauen,
Kommst so bald in meine Wohnung.

Da bedachte sich der Träumer,


Zweifel bang ihn überfielen,
Dachte er, was Menschen reden
Von der Meerjungfrau der Nordsee.

Sprach er: Laß mich nur bedenken,


Mich bedenken nur drei Tage.
Gab sie ihm von reinem Golde
Einen Ring an seinen Finger.

Mögest du mich nie vergessen,


Sprach sie, kommst du aber wieder,
Wird aus diesem Freundschaftsringe
Gar ein Ringlein der Verlobung.

Dann zerfloß sie in den Lüften,


Stand der Träumer wie im Traume,
Glaubte seinem Traume nimmer,
Wär da nicht der Ring gewesen.

Aber mit dem Ring der Jungfrau


War der Geist in ihn gefahren,
Ließ ihn ruhen nicht noch rasten,
Saß er bald am Meere wieder.

Saß er hungrig da und durstig,


Klebt die Zunge ihm am Gaumen,
Harrt er träumend auf den Abend,
Daß die Jungfrau ihm erscheine.

Sank die Sonne an dem Abend,


Wer nicht kam, das war die Jungfrau.
Möwen bargen ihre Schnäbel
Müde in dem Federkleide.

Weinen musste da der Träumer.


Ach, er wollte gerne sterben,
Hätt sich selber fast ermordet
Gar aus Sehnsucht nach der Jungfrau!

Trübsal war die Nacht der Seele,


Öde war der Tag, der folgte,
Abends saß er voller Trauer
Auf dem Deich am Rand der Nordsee.

Kommt sie heute nicht, die Jungfrau,


Ach dann will ich nicht mehr leben!
Sei willkommen, Tod, mein Heiland,
Zeige sich das Jenseits freundlich!

Lang saß er in Gram versunken,


In den Ängsten seiner Seele,
Tief beschattet von den Schatten,
Trunken von dem dunklen Kummer.

Plötzlich fühlt er eine weiche


Hand auf seiner Träumerstirne,
Schlug er auf die feuchten Augen,
Sah er hochentzückt die Jungfrau.

Ach ich kenne deinen Kummer,


Sprach sie, hörte deine Seufzer!
Lang die roten Lockenfluten
Um den nackten weißen Körper,

Ihre langen roten Locken


Deckten keusch die nackten Brüste,
Trug sie auch ein kurzes Röckchen
Mit den Mustern von Mäandern.

O Madonna Aphrodite,
Ach verzeih und hab Erbarmen,
Daß ich lang gezögert habe,
Bin nun dein in Ganzhingabe!

Lachte die Meerjungfrau heiter,


Girrte wie ein junges Mädchen:
Taugenichts, du sollst nicht sterben,
Ich will dich zum Ehemanne!

Nahm den Jüngling bei den Händen,


Führte ihn zum Meere, plötzlich
Stürzten sie und er ins Wasser,
Da verlor er sein Bewusstsein,

War entrückt, ich aber weiß nicht,


War die Seele noch im Leibe,
War sie außerhalb des Leibes,
Schwamm er in dem Meer der Liebe!

Fand er sich in weichen Kissen,


Sich auf einem seidnen Bette,
Das Gemach von Glas und Spiegeln,
Roter Samtstoff an den Wänden.

Lebte er noch, war er tot schon?


Ah, er reckte seine Glieder,
Fasst die Nase mit den Fingern,
Rieb die Nase: Ja, er lebte!

Angetan mit weißem Hemde,


Angetan mit blauer Hose,
Dehnte er sich in dem Bette,
Ja fürwahr, er war lebendig!

Traten ein zwei schöne Mädchen:


Herr, was möchtet Ihr zum Frühstück?
Gab es Lachssalat und Schwarzbrot,
Eine große Kanne Kaffee.

Und der Taugenichts im Bette


So ekstatisch faul sich reckte
Und sich streckte, und die Mädchen
Kamen wieder zu dem Träumer.

Herr, nun wandelt in den Garten,


Bis die Frau sich angekleidet,
Sich gekämmt die langen Haare
Und das Frühstück eingenommen.

Fand der Taugenichts im Garten


Lauter Schönheit, Tannenzapfen,
Silberbirnen, goldne Äpfel,
Vögel auch mit goldnen Flügeln.

Die zwei Mädchen zu dem Träumer


Traten in dem Wundergarten,
Ihn herumzuführen, alle
Zier und Schönheit ihm zu zeigen.

Kam er an den Rand des Teiches,


Spielten dort verliebte Enten
Und als Ehemann und Gattin
Höckerschwan und Höckerschwanin.

Schimmerglanz der Morgenröte!


Rosenarmige Aurora
Streute mit den Rosenfingern
Rote Rosen auf die Erde.

Große goldne Honigbienen


Flogen um die Lindenblüten.
Und die beiden Mädchen sprachen,
Daß die Frau ihn nun erwarte.
In der Halle großen Kirche
Thronten wunderschön zwölf Jungfraun,
Auch zwei Throne da von Golde
Strahlten, königliche Throne.

In dem einen saß die Herrin,


Saß die Königin des Meeres,
Doch der andre Thron, der leere,
War der Königsthron des Träumers.

Sprach die Königin des Meeres:


Dieser Träumer ist mein Gatte!
Meine Mädchen, ehrt den Träumer,
Ehrt den Taugenichts, ihr Mädchen!

Nahm die Königin des Meeres


An die schlanke Hand den Träumer,
Führte ihn durch alle Kammern,
In die siebte Kammer schließlich.

Hier erkannte er die Jungfrau,


Die Meerjungfrau seiner Seele,
Nacktes Weib mit roten Locken,
Weib mit rötlichblonder Haarflut.

O Madonna Aphrodite,
Rief der Taugenichts ekstatisch.
Sprach die Herrin: Lieber Träumer,
Nenn mich nicht mehr Aphrodite,

Nenne mich den Meerestropfen


Oder auch den Stern des Meeres,
Nenne Meer mich der Erleuchtung,
Ozean der Gnaden Gottes!

Ich blieb immer reine Jungfrau,


Unverletzt am Mädchentume,
Bin die Königin des Meeres,
Königin der Schönen Liebe!

Stumm vor Seligkeit der Träumer,


Bis das Bier die Zunge löste,
Speiste er auch gut und lecker,
Hering, Brot und Rote Beete.

Konnte er sich unterhalten


Mit der Königin der Liebe
Und begann auch übermütig
Einen Witz ihr zu erzählen.

Abends sprach zu ihm die Jungfrau:


Morgen, lieber Mann, am Freitag
Muß ich beten, muß ich fasten,
Christus such ich am Karfreitag!

Du darfst mich beim Freitagsfasten


Nicht beschaun, laß mich alleine,
Meine beiden Dienerinnen,
Meine Mädchen, solln dich trösten.

Also an dem Freitagmorgen


Sah der Taugenichts die Jungfrau
Nirgends. Zwar die Mädchen scherzten,
Herzten, aber er blieb traurig.

Und so ging es jeden Freitag.


Zweifel wuchs im Herz des Träumers,
Speise wurde ihm zum Ekel
Und der Schlummer ihm zum Alptraum.

An dem Freitag im Aprile


Trat er vor der Jungfrau Kammer,
Wo sie einsam hielt ihr Fasten,
Einsam betete zu Christus.

Spionierte nun der Träumer


Durch das Schlüsselloch der Pforte.
O Mysterium des Schreckens,
Faszinierendes Geheimnis!

Sah er doch des Meeres Jungfrau


Nackt mit schönen bloßen Brüsten,
Aber statt des Unterleibes
Sah er eine goldne Schlange!

Dreimal hörte er das Krähen


Eines Hahnes auf dem Miste.
Traurig war er, voller Schwermut,
Tief verwirrt an seinem Geiste.

Abends kam des Meeres Jungfrau,


Doch in schwarzen Trauerkleidern,
Vor dem kummervollen Antlitz
Trug sie einen schwarzen Schleier.

Sprach sie voller Schmerz und Jammer:


Weh dir, Tor! Wir müssen scheiden,
Siehst mich heut zum letzten Male,
Mußt zurück du auf die Erde.

Riß der Himmel auf mit Blitzen,


Sprach der Himmel Donnerworte,
Bebte Meer und Mutter Erde,
Wie ins Nichts versank der Träumer!
Fand sich wieder an dem Strande
Bei der Herrlichkeit von Dornum
An dem grünen Deich der Nordsee,
Saß er da in Bettlerlumpen.

In der Herrlichkeit von Dornum


Sucht bei der Allee der Birken
Er das Haus des Schornsteinfegers,
Aber leer war diese Wohnung.

In der Herrlichkeit von Dornum


Bei dem Schloß und bei der Kirche,
Nirgendwo war ein Bekannter,
Er war fremd auf dieser Erde.

Frug er einen Rinderhirten


Nach dem Schornsteinfeger, aber
Staunend sprach der Rinderhirte:
Was fragst du nach diesem Manne,

Der seit dreißig Jahren tot ist?


Und wer bist du selber, Alter?
Auch des Schornsteinfegers Kinder
Alle sind schon längst begraben!

Was fragst du nach längst vergangnen


Zeiten, Greis in Bettlerlumpen,
Alter mit dem grauen Barte?
Laß doch das Vergangne ruhen!

Schaute nun der arme Träumer


Sein Gesicht in einem Spiegel:
Lebensmüde seine Augen,
Rot von Rotwein seine Nase,

Schwarz im Maul die Stummelzähne,


Braun von Tabak seine Lippen,
Sorgenfurchen auf der Stirne,
Grau der Bart und grau das Haupthaar.

In derselben Nacht verschwand er,


Ward nicht mehr gesehen, aber
Doch die graue Mordsee Nordsee
An den Strand warf seinen Leichnam.

Die Meerjungfrau aber meidet


Fortan die erwachsnen Menschen.
Nur die Kinder reinen Herzens
Manchmal die Meerjungfrau schauen.

Oma Margarethe Schwanke,


Muse eines deutschen Dichters,
Schwieg und faltete die Hände
Auf der Bibel Martin Luthers.

Oma Margarethe Schwanke,


Sprach der Enkelsohn, der Dichter,
Ach, mich schaudert vor der Schwermut
Und mich ekelt an das Leben!

Ach mein Junge, Lieblingsenkel,


Auf dem Ofen liegt dein Schlafrock,
Geh im warmen Rock zu Bette,
Schlaf den Schlummer des Gerechten.

VIERTER GESANG

Meine Gottheit, große Mutter,


Trösterin mit Mutterliebe,
Schließ mir auf das Haus der Weisheit,
Alte Weisheit schöner Märchen.

O mein wilder lieber Junge,


Sagte Margarethe Schwanke,
Höre noch ein Friesenmärchen
Von der Liebe eines Schwanes.

War es einst im Städtchen Norden


Bei dem Hügel der Druiden
Neben der Ludgeri-Kirche
Und beim Haine der Druiden,

Da, wo heut der Teich der Schwäne


Schlummert unter Trauerweiden,
Stand ein Wasserschloß, ein goldnes,
Lebten Gatte dort und Gattin,

Stolze weiße Höckerschwäne,


Höckerschwan und Höckerschwanin,
Strahlend weiße Eheleute,
Stolze Schwanenmajestäten.

Königin und König hatten


Sieben schöne Schwanenkinder,
Die drei weißen Schwanensöhne,
Die drei weißen Schwanentöchter,

Waren all der Stolz des Königs


Und der Königin, sie stammten
Von der Schwanengöttin Leda,
Lohengrin, der Schwanenritter,

War ihr Schutzpatron im Himmel.


Doch das siebte ihrer Kinder
War ihr Sorgenkind, ihr Kummer,
Eine schwarze Trauerschwanin!

Warben viele stolze Prinzen


Um die schwarze Trauerschwanin,
Weil sie schön war, schwarze Schönheit,
Wie dereinst die Sulamithin

Und die Königin von Saba.


Aber Königin und König
Waren stolz wie weiße Schwäne,
Wiesen ab die Freier alle.

Rief die Königin, die stolze:


Ehe so ein Prinz vermählt sich
Unsrer Trauerschwanin, werden
Alle wir zu wilden Schwänen!

Ach mein lieber wilder Junge,


Das war in den alten Zeiten,
Da der Herrgott die Gebete
Kaum gesprochen schon erhörte.

Königin und König wurden,


Schwanensöhne, Schwanentöchter,
Alle wurden wilde Schwäne,
Ungezähmte freie Schwäne.

Und das Wasserschloß, das goldne,


Stürzte ein und sank in Trümmer
Und an seiner Stelle schlummert
Still der Schwanenteich von Norden.

Schwamm die schwarze Trauerschwanin


In dem stillen Schwanenteiche
Unter grünen Trauerweiden,
Grüner, grüner Weiden Schleier,

Kam ein Trauerschwan von Osten


Aus dem fernen Morgenlande,
Minneritter, Minnesänger,
Warb er um die schwarze Schwanin.

Waren sie ja vor der Schöpfung


In dem Ozean der Gnaden
Gottes schon vorherbestimmte
Ewigliche Eheleute.
Da sie sich im Teich erkannten,
Gleich erkannten sie sich wieder,
Liebten sich wie vor der Schöpfung
In dem Schwanenteich zu Norden.

Flog der Trauerschwan im Maien,


Im Marienmond, spazieren,
Flog zum Teuteburger Walde,
Zu dem Teich der Externsteine.

Ging am Schwanenteich zu Norden


Unbeweibt ein armer Fischer,
In dem Schwanenpfad sein Hüttchen,
Schmutzig war es ohne Hausfrau.

Von dem Schwanenpfad der Fischer


Ging allein am Schwanenteiche,
Sah die schwarze Trauerschwanin,
Fing er sie mit einem Netze,

Nahm sie mit sich in sein Häuschen,


Lebte dort mit ihr verborgen,
Sprach nur mit der Trauerschwanin,
Denn er sprach die Schwanensprache.

Seine Wohnung wurde sauber,


Wurde das Geschirr gewaschen,
Fortgebracht die leeren Flaschen,
Staub gewischt auch unterm Sofa.

Sah der Fischer nämlich einmal,


Daß um Mitternacht die Schwanin
Sich in eine Frau verwandelt,
Schwarze Schönheit, Sulamithin,

Zierlich schlank die schwarze Schönheit,


Braun die Haut von Hals und Busen,
Schwarzer Onyxstein die Augen,
Schwarz die Lockenkunst ägyptisch,

Eine schwarze Weisheitsgöttin


Der Mysterien Ägyptens.
Von der Gegenwart alleine
War des Fischers Haus so reinlich.

Da der Fischer dieses schaute,


Diese schlanke schwarze Jungfrau,
Nahm er fort das Kleid der Schwanin,
Fort das Federkleid der Schwanin

Und verbarg es in der Truhe


Seines alten Urgroßvaters,
Eines Seemanns Schiffertruhe,
Einer Bundeslade Frieslands.

Also blieb die schwarze Jungfrau


Bei dem hochbeglückten Fischer
In dem Schwanenpfad beim Teiche
Und vergaß, dass sie ein Schwan war.

Ja, sie lebte mit dem Manne


Wie ein liebevolles Mädchen,
Eine vielgeschickte Hausfrau,
Eine Dame voller Weisheit.

Ganz vergessen war für Jahre,


Daß in Wirklichkeit die Jungfrau
Eine schwarze Trauerschwanin
War von Wesen und Bestimmung.

Doch in einem Herbste schaute


Sie die wilden Schwäne fliegen
An dem winddurchbrausten Himmel,
Diese waren ihre Brüder.

Hörte sie die Schwanenbrüder


Rufen: Komm, o Trauerschwanin,
Wilde Schwanin, in die Freiheit,
Diesen Sterblichen verlasse,

Laß den sterblichen Geliebten,


Der zur Hausfrau dich erniedrigt,
Tochter du der Göttin Leda,
Wilde Schwanin, Himmelstochter!

Zwar die schwarze Jungfrau hörte


Diesen Ruf der Schwanenbrüder,
Doch alleine mit den Ohren,
Hörte nicht mit ihrem Herzen.

In dem nächsten Herbste schaute


Sie am winddurchbrausten Himmel
Fliegen ihre Schwanenschwestern,
Die sie riefen in die Freiheit:

Bist du eines Mannes Hausfrau,


Sollst du ihm die Wohnung putzen?
Deine Mutter in dem Himmel
Ist die Große Schwanen-Göttin!

Doch die schwarze Jungfrau hörte


Mit den Ohren nur die Worte,
Nicht mit ihrem Herzen, aber
Es erwachte süße Sehnsucht.
In dem dritten Jahre schaute
Durch den Sturm die schwarze Jungfrau
Ihre Schwaneneltern segeln,
Königin und König adlig.

Schwarze Jungfrau, schwarze Jungfrau,


Bist du Sklavin eines Narren?
Du bist Königin von Adel,
Denk an deine Schwanenwürde!

Doch die schwarze Jungfrau hörte


Mit den Ohren nur die Worte,
Hörte nicht mit ihrem Herzen,
Was ihr sang die Schwanenmutter.

O du große Mutter Weisheit!


Wahrlich, in dem Herbst am Himmel
Durch den Wettersturm in Friesland
Flog ein wilder Schwan alleine,

War der Trauerschwan, der schwarze,


Trauerschwan vom Morgenlande,
Der vorherbestimmte Gatte
Er der schwarzen Trauerschwanin.

Rief er in dem Wettersturme:


O bei Jesus und Maria!
Komm, Geliebte, komm, Geliebte,
Wo der Geist weht ist die Freiheit!

Jesus schenkt den Geist der Freiheit!


Sei nicht Sklavin eines Sünders!
Unsre Liebe Frau Maria
Ist der Dichter Göttin Freiheit!

Komm, Geliebte, komm, Geliebte,


Ewigkeiten Ewigkeiten
Sind vor Gott wir Eheleute,
Trauerschwan und Trauerschwanin!

Diese Worte aber hörte


Unsre schöne schwarze Jungfrau
Mit dem Herzen in dem Busen,
Es erwachte in ihr Liebe.

Und sie schleicht sich zu der Truhe,


Zu der Bundeslade Frieslands,
Nimmt das Federkleid der Schwanin,
Und sie fliegt zu dem Geliebten!

Trauerschwan und Trauerschwanin


Über Friesland in der Freiheit
Fliegen selig wie die Götter
Zu dem Meer im Morgenlande.

Aber einsam blieb der Fischer


In dem Schwanenpfad im Häuschen,
Aber oftmals sah am Himmel
Er die wilde Schwanin fliegen.

Sie besuchte ihn noch manchmal


Und erinnerte den Fischer,
Daß die schönste Schwanenjungfrau
Einst in seinem Hüttchen lebte.

Und der Fischer denkt voll Wehmut


An die selig schönen Zeiten,
Da die Jungfrau bei ihm wohnte,
Bei ihm war die schwarze Jungfrau.

Oma Margarethe Schwanke


Schwieg und lächelte so zärtlich,
Ihre blauen Augen Himmel,
Ihre Silberhaare Wolken,

Und sie sprach zum Enkelsohne:


Speise ein gebratnes Hähnchen,
Iß dazu die Bratkartoffeln,
Geh dann, spiele mit den Kindern!

FÜNFTER GESANG

Meeresperle, Margarethe
Schwanke, o Großmutter-Schwanin,
Sing dem Schwanensänger Schwanke
Noch ein Märchen von der Schwanfrau!

Schwanensänger, deutscher Dichter,


Sagte Margarethe Schwanke,
Heut muß ich ans Sterben denken,
Will dich weihn der Mutter Gottes.

Ach, mein Enkelsohn, mein Junge,


Was wird aus dem wilden Jungen,
Wenn Großmutter stirbt? Maria
Möge dich behüten, Liebling!

Will zu Ehren der Madonna


Und des Rosenkranzes heute
Und der Sankt-Marien-Kirche
Dieses Märchen dir erzählen.

Oldenburg im Oldenburger
Land hat eine weisheitsfromme
Universität, studierte
Ein Student dort Platons Schriften.

Der Student ging nachts spazieren,


Zu erholen sich vom Denken,
Kam er zu dem Flötenteiche,
Silbern schimmernd in dem Mondlicht.

War führwahr ein runder Vollmond,


Prall und drall, ganz weiß und marmorn,
Die jungfräuliche Diana
Schien ein wahres Weib der Wonne!

Klar und rein und licht, kristallen


Schien der Vollmond wie ein Spiegel
Gottes, wie des Urlichts Spiegel,
Also Hagia Sophia.

Und die Mondin weiß sich badet


Nackt und schön im dunklen Wasser,
In dem dunklen Flötenteiche,
Diesem Teiche holder Schwermut.

In dem Schilfrohr an dem Rande


Dieses Teiches ruhen Vögel,
Erpel, Enten, Entenküken,
Auch im Schilf die Möwen ruhten.

Aber auf dem Flötenteiche


Schwamm ein Paar von Trauerschwänen,
Trauerschwan und Trauerschwanin,
Leib an Leib und engumschlungen.

Auf dem Paar der Trauerschwäne


Saß das weiße Weib des Wassers,
Lang das Seidenkleid von Lichtglanz,
Silberseide, Wassergaze.

Überm Haupt der Jungfraunschleier,


Schleier einer Nymphe Gottes,
Quoll hervor das Haar, das schwarze,
Doch mit hennaroten Strähnen.

Auf dem Haupte mit dem Schleier


Trug sie einen Kranz von Blumen,
Mohn und Malven, rote Rosen,
Blaue Iris goldnen Kelches.
Schwamm die Dame auf den Schwänen
An den Rand des Flötenteiches,
Hielt in ihrer Hand ein Zepter,
Einen Eichenzweig mit Eicheln.

Und des Flötenteiches Nymphe


Reichte dem Studenten Platons
Nun den Eichenzweig mit Eicheln,
Lächelt keusch, zugleich erotisch,

Schwamm dann auf den Trauerschwänen


Wieder in die Nacht, die dunkle.
Der Student, er ging nach Hause
Mit dem Eichenzweig der Nymphe,

Doch zuhause sah der Jüngling,


Daß der Eichenzweig der Nymphe
Eicheln trug von reinstem Golde,
Hochkarätig goldne Eicheln.

Und er ging zum Juweliere


In der Innenstadt und tauschte
Diese goldnen Eicheln gegen
Schmuck für seine Vielgeliebte.

Denn beim Flötenteiche wohnte


Seine Freundin im romantisch
Wilden Garten in dem alten
Bauernhäuschen hoch romantisch.

Dieser schenkte er nun Schmuckstück


Über Schmuckstück, goldne Spangen
Für die langen schwarzen Haare,
Silberreifen für die Arme,

Schlangenringe für die Finger


Ihrer schlanken weißen Händchen,
Einen Mondstein an dem Ohrring
Für das Muschelohr der Schönen,

Lapislazuli am Kettchen
In der Art des Jugendstiles
Für die hochgebenedeiten
Brüste seiner Vielgeliebten,

Einen liebreizreichen Gürtel


Für die Hüfte der Geliebten,
Silberkettchen leise klingelnd
Für der Freundin schlanke Fesseln.

Also schön geschmückt die Schönheit


Saß als Meisterwerk des Schöpfers,
Als ein Kunstwerk des Erzkünstlers,
Gottes Tochter, vor dem Minner.

Saßen sie allein im Zimmer,


Fiel er nieder auf die Kniee,
Betet an der Herrin Schönheit,
Spricht von Liebe in Äonen,

Von dem Anbeginn der Schöpfung


Liebt er sie im Geiste Gottes
Und auch in der Weltvollendung
Ewigkeit wird er sie lieben!

Sieh, da trat herein die Nymphe


Von dem Flötenteich, die Jungfrau,
In dem Arm ein nackter Knabe,
Lieblich wie ein Page Gottes.

Trat des Flötenteiches Nymphe


Still zu des Studenten Freundin,
Trat die Jungfrau zu der Freundin,
Gab ihr eine Schnur von Perlen.

Ja, die lichte weiße Jungfrau,


Dame von dem Flötenteiche,
Trug die fromme Schnur von Perlen
Oft in benedeiten Händen,

Aber nun das Weib des Wassers


Legte diese Schnur von Perlen
In die schlanke Hand der Freundin
Des Studenten, Platons Jünger.

Dann verschwand die weiße Dame


Mit dem Kind, dem Pagen Gottes.
Eine feuchte Spur am Boden
Blieb zurück nach dem Besuche.

Aber des Studenten Freundin


Lebte in dem Aberglauben,
Diese Perlen seien Tränen,
Einer Liebesgöttin Tränen.

Daß die Tränen aber keinen


Schaden stiften, Unglück bringen,
Wünschte sich die schöne Freundin
Von dem Engel, dem sie glaubte.

Sagte der Student, der fromme


Jünger Platons, Jünger Christi:
Bringen wir die Schnur der Perlen
Gottes Mutter dar als Opfer!
Weihen wir die Schnur der Perlen
Unsrer Lieben Frau Maria
In der Sankt-Marien-Kirche,
Die dort steht am Flötenteiche.

Traten der Student, die Freundin,


In die Sankt-Marien-Kirche.
Warf sich der Student aufs Antlitz
Nieder vor der großen Mutter!

Weihte des Studenten Freundin


Ihre Perlenschnur Maria.
Gottes Mutter segnet liebreich
Den Verliebten und die Schöne!

Lob und Ruhm sei Gottes Mutter,


Große Mutter der Großmütter
Ist Maria, wahre Mutter!
Sagte Margarethe Schwanke.

SECHSTER GESANG

Ach Großmutter meiner Seele,


Ach wie traurig ist der Alltag,
Ach wie böse sind die Träume,
Komm und singe mir ein Märchen!

Sagte Margarethe Schwanke:


Wenn die Frau ihr Kind nicht lieb hat,
Gott liebt dich mit Liebe ewig,
O mein Enkelsohn. Nun höre!

War es auf der Insel Baltrum,


Die Großmutter eines Dummchens
Lebte mit dem Idioten
Still in einem Haus im Ostdorf.

Leider war das Dummchen hässlich,


Schielte seltsam mit den Augen,
Flohn ihn alle schönen Mädchen,
Sprach man auch vom bösen Blicke.

Gut der Idiot von Herzen


War, zu gut für diese Erde,
Gab er noch sein letztes Brötchen
All den armen kleinen Kindern.

Nannten ihn die Leute Dummchen,


Einen armen Idioten,
Weil er mehr noch als sich selber
Seinen Nächsten tätig liebte.

Vor der Hässlichkeit die schönen


Jungen Mädchen alle flohen
Und die alten frommen Leute
Sprachen von dem bösen Blicke.

Eines Tages die Großmutter


Sagte zu dem Idioten:
Balde wird vom Lebensbaume
Abgetrennt die Frucht des Lebens

Und der Apfel meines Lebens


Fällt der Großen Mutter Erde
In den Schoß zur Auferstehung,
Wird ein Baum im Paradiese!

Aber du, mein süßer Liebling,


Kleines Närrchen, holdes Dummchen,
Sei nicht bange, sei nur mutig,
Gottes Mutter wird dich schützen!

Nur in meinem Testamente


Will ich dich beschwören, Liebling,
Nimm dir keine Frau zur Ehe,
Denn die Ehe ist die Hölle!

Fürchte Gott und lies die Bibel,


Bete morgens, bete abends,
Nie Großmütterchen vergesse,
Will ich dir dein Engel werden!

Also starb die weise Alte.


Traurig ging das arme Dummchen
In den großen grünen Garten
Der Natur der Insel Baltrum.

Schaute an die Heckenrosen,


Immer schöner all die Blüten,
Immer schöner ward der Garten,
Hagebutten immer röter.

Also kam er an die Nordsee,


Saß am Strande eine Jungfrau,
Strahlend wie die Frau der Sonne,
Nackig wie sie Gott geschaffen.

Sprach die Jungfrau zu dem Dummchen:


Bade du nur in der Nordsee,
Denn ich hab das blaue Wasser
Hier in lauter Licht verwandelt!

Wenn du badest in dem Wasser,


Das von meinem Lichtglanz Licht ist,
Wirst du schön wie König David,
König Salomo und Samson!

Tauchte ein das liebe Dummchen


In das lichte Bad der Nordsee,
War er weiß und rot, erlesen,
Schönster unter Myriaden!

Sprach der wunderschöne Jüngling


Zu dem Sonnenweib, der Jungfrau:
O du Schönste aller Schönen!
Willst du mich zum Manne nehmen?

Sprach das Sonnenweib, die Jungfrau,


Nackend in der Nordsee badend:
Ich, die Meerjungfrau, ich nehme
Mir zum Mann nur einen Weisen,

Willst du also mein Gemahl sein,


Suche du der Weisheit Quelle,
Trinke von der Weisheit Quelle,
Werde weise, mein Geliebter!

Aber, sprach der schöne Jüngling,


Wo ist diese Weisheitsquelle?
Sprach die Meerjungfrau, die nackte:
Kennst du nicht dies Wort von Jesus:

Suche, also wirst du finden,


Klopfe an, dir wird geöffnet,
Bitte und dir wird gegeben!
Also mach dich auf die Wallfahrt.

Und die Jungfrau ward unsichtbar,


Blieb zurück nur Schaum des Meeres
Und die Muscheln an dem Strande.
Fing der Jüngling an zu pilgern.

Kam der Jüngling zu den Deutschen,


Zu den Deutschen auf dem Festland,
Sah er eine schöne Dame
Dort in goldenen Gewändern.

Sprach die Dame: Ich, die Goldfrau,


Bringe Segen dir des Reichtums,
Bade nur in meinem Blute,
Kriegst du goldene Paläste.
Also sprach die goldne Dame,
Biß sich in den eignen Busen
Und verschlang den eignen Busen,
Schlang das eigne Fleisch hinunter.

Wie entsetzt entfloh der Jüngling!


Floh ins Land der leichten Liebe,
In das sinnlich-süße Frankreich,
In das Reich der Troubadoure.

Dort in der Provinz der Minne


Irrte in des Lebens Mitte
Er in einem dunklen Walde
Und verirrte sich im Dickicht.

Da erschien ein Hirsch dem Jüngling,


Im Geweih das Kreuzeszeichen,
Floh der Hirsch mit großen Sprüngen,
Folgt der Jüngling nach dem Kreuze.

Kam zum Fuß der Pyrenäen,


Dort in das berühmte Heilbad,
In den Wallfahrtsort der Jungfrau,
Lourdes der Unbefleckt Empfangnen!

Sah er dort die Quelle sprudeln,


Saß daran der Heil’ge Vater,
Saß daran der Papst der Kirche,
Der so sehr Maria liebte!

Sprach der Diener aller Diener


Gottes: Trink von dieser Quelle!
Wer der Lieben Frau geweiht ist,
Der wird alsbald weise werden!

Trank der Jüngling von der Quelle,


Keusche Küsse der Madonna
Sind vergleichbar dieser Quelle
Mit dem Labetrunk der Weisheit.

Also weise ward der Jüngling.


Kam er wieder heim nach Baltrum,
Auf der Insel zu verkünden
Gottes Weisheit allen Menschen.

Trat er an den Strand der Nordsee,


Zu dem Sonnenweib, der Jungfrau,
Zu der Meerjungfrau, der nackten,
Zu der Schönsten aller Schönen!

Hatte ihr in einem Fläschchen


Etwas Wasser von der Quelle
Mitgebracht, das sie getrunken
Und ein Weib der Ehe wurde

Für drei wunderschöne Tage...


Die drei wunderschönen Tage
Lebten glücklich in der Ehe
Die Meerjungfrau und der Jüngling!

SIEBENTER GESANG

Aber du, o Herr!... sprach leise


Oma Margarethe Schwanke,
Lehre meinen Lieblingsenkel
Deine Weisheit durch ein Märchen.

Lebte einst im Oldenburger


Land in Oldenburg ein frommer
Mann, der jeden Sonntagmorgen
In die Kirche ging zur Messe.

Zwischen seiner stillen Wohnung


Und der heiligen Kapelle
War ein kleines grünes Wäldchen,
Da er gerne ging spazieren.

Im Advent am vierten Sonntag


Ging er durch das grüne Wäldchen,
Wollte zu dem Gottesdienste,
Ging zur Kirche trotz des Regens.

Aber in dem grünen Wäldchen


Strömten nieder Regenströme
Und im Regen ist erschienen
Eine Jungfrau, rein wie Wasser.

Sprach die Jungfrau in dem Regen:


Danke, dass du trotz des Regens
In die Kirche gehst, Geliebter,
Ich belohne deinen Glauben.

Sieh, ich will dich heut erwählen


Zum Gemahle meiner Liebe!
Wollen wir uns heut verloben
Und die Ehe uns versprechen!

Aber solcher Gnadengabe


Ist kein andrer jemals würdig,
Als wer gläubig jede Prüfung
Treu besteht und wahrt die Liebe.
Willst du dich mit mir verloben,
Mußt du aber sieben Jahre
In der Fremde dienen, siehe,
Sei ein Diener aller Menschen.

In den Krieg muß ich dich schicken,


Aber nicht des Teufels Kriege,
Sondern kämpfen um die Seelen
Sollst du mit der Liebe Waffen.

Karitas! sei deine Losung,


Karitas! sei deine Fahne!
Ich vertraue deiner Liebe
An die kleinen Waisenkinder.

Sei du Kindern wie ein Vater,


Sei dem Heil’gen Vater ähnlich,
Dann wird Gott der Herr dich lieben
Mehr als deiner Mutter Mutter! –

So verschwand die Regen-Jungfrau.


Und der Mann ging in die Kirche
Und verfolgte die Gebete
Aufmerksam mit wachem Geiste,

Sprach die Liturgie der Kirche:


Josef, du Gerechter, Frommer,
Nimm Maria, die Verlobte,
In dein Haus als Ehegattin!

Ging der Fromme an die Nordsee,


Auf die Insel Sylt, die schöne,
Dort im Waisenkinderheime
Nährte, pflegte er die Kleinen.

Ward zu einem Pelikane,


Einem Mutterpelikane,
Mit dem Blut des eignen Herzens
Nährte er die kleinen Küken.

Wurde eine Vogelmutter,


Breitete die Vogelschwingen,
Barg die Küken im Gefieder
An dem Pochen seines Busens.

Wurde eine Mutterglucke,


Wie die Große Glucke Jesus,
Sammelte die kleinen Küken,
Barg sie unter seinem Fittich.

War wie Jesus zu den Kindern,


Lud sie ein in seinen Himmel,
Herzte, streichelte, liebkoste,
Legte segnend auf die Hände.

Ward zu einem lieben Papa,


Den die Kleinsten Mama nannten,
Den die frommen kleinen Kinder
Für den lieben Gott gehalten.

Doch verwundet in dem Kriege,


Blutend an dem offnen Herzen,
Schrie der Fromme zu der Jungfrau,
Taucht sie lächelnd aus der Nordsee,

Schaumgeborne, Meergeborne,
Mutter sie der schönen Liebe,
Schlich sie sich in seine Kammer,
Schenkte Wein ein in den Becher.

Dieser Wein, der Jungfrau Tränen,


Wirkte wunderbare Heilung.
Und so rasch genas der Fromme,
Daß die Christenbrüder staunten.

Saß er bei den Christenbrüdern


In dem Oldenburger Lande
Und im Herzogtum Rastede,
Trank er mit den Christenbrüdern.

Sprachen seine Christenbrüder:


Sprich dich aus von dem Geheimnis
Deiner großen Kinderliebe
Und der Weisheit deiner Liebe!

Sprachen seine Christenbrüder:


Eben offen deine Wunde,
Blutete wie Wein im Becher,
Nun schon lachst du wie ein Engel!

Sprach der Fromme, der Verlobte


Jener wundervollen Jungfrau:
Der Geheimnisse Geheimnis
Ehrt man nur durch tiefe Stille

Und durch Schweigen, das ist Mystik,


Augen schließen, Lippen schließen,
Sagt ich doch von dem Geheimnis
Nicht der Mutter meines Leibes,

Nicht den Menschen dieser Erde,


Aber auch den Christenbrüdern
Sag ich nichts von dem Geheimnis,
Dem Geheimnis meiner Liebe.

Machten ihn die Christenbrüder


Trunken mit dem Wein der Franken,
Trank er allzu viel vom Weine,
Ward er wie ein Narr betrunken.

Aber Wein und wilde Weiber,


Sie betören auch die Weisen,
Leidenschaft in ihm erwachte
Und wollüstige Begierde.

Zwar des Frommen Geist ist willig,


Aber schwach das Fleisch des Menschen.
Sah er an ein Weib der Wollust,
War ein Weib wie eine Venus.

Lud der Vater dieses Weibes


Und die Mutter dieses Weibes
Ein den Frommen zur Verlobung
Mit der schaumgebornen Venus.

Und sie feierten auf Rügen,


Standen an dem Kap Arkona.
Sprach die wunderschöne Venus:
Frommer, willst du mich zum Weibe?

Sprach der Fromme: Aber, Venus,


Ich bin doch ein Gottverlobter!
Venus schüttelte die Brüste,
Ihren großen Wonnebusen!

Venus, wildes Weib voll Wollust,


Wollustvolles Weib der Wonne,
Sie entblößte ihren Busen,
Rührt den Frommen an der Lende!

Schwankend eben ward der Fromme,


Schwankend, wankend, voller Zweifel.
War es in dem siebten Jahre
Der Verlobung mit der Jungfrau.

Saß der Fromme nachts im Zelte,


Hörte er die Ostsee rauschen,
Meeresrauschen, Gottes Stimme,
Donnerte voll Macht der Himmel!

Öffnete mit lichten Blitzen


Sich der Himmel, lichte Blitze
Strahlten bis zum Throne Gottes,
Meeresrauschen, Donnerschläge!
Kam herab des Himmels Jungfrau
In dem Regen überm Zelte,
Trat die Jungfrau zu dem Frommen,
Schloß mit ihm den Bund der Ehe:

Ich will dich zum Manne nehmen,


Ist vor Gott die Ehe gültig,
Nenn mich HAGIA SOPHIA,
Gottes Frau sollst du erkennen!

Und die Jungfrau stieg gen Himmel,


Und der Fromme wie ein Singschwan
Flog zur Jungfrau in den Himmel,
Dort vollzogen sie die Ehe. –

Schau, das war mein Schwanenmärchen,


War die Mär von der Meerjungfrau,
Sagte Margarethe Schwanke,
Gottes Mutter sei dir gnädig.

REINHARD FUCHS

ERSTER GESANG

Singe, meine liebe Muse,


Mir von Reinhard Fuchs, dem schlauen!
Widmen will ich meine Verse
Benedikt, dem deutschen Papste.

Sagen will ich von dem Landmann,


Welcher Hof und Felder hatte,
Mais und Weizen, grüne Wiesen,
Runzela hieß seine Gattin.

Um den Bauernhof gezogen


War ein Zaun zum Schutz der Hühner.
Nämlich Reinhard Fuchs, der schlaue,
Liebte sich zur Mahlzeit Hühnchen.

Runzela, die Bauersgattin,


Sprach zu Lanzelin, dem Bauern:
Bauer! Reinhard Fuchs, der schlaue,
Fraß mir auf ein Dutzend Hühner!

Bauer Lanzelot gehorchte


Seiner Bäuerin und Herrin,
Zog den Zaun um das Gelände,
Um den Hühnerhof zu schützen.

Und der Hahn hieß Schantekleros,


Starker Hahn mit rotem Kamme,
Schantekleros aber liebte
Von den Hennen meistens Pinte.

Ja, der Hahn aus seinem Harem


Fetter Hennen-Konkubinen
Liebte oft und lang und heftig
Pinte meist, die fette Henne.

Eines Tages aber nahte


Reinhard Fuchs, der schlaue, wollte
Schantekleros Arbeit machen
Und ihm dann das Leben rauben.

Reinhard sah den dicken Zaun an,


Schien zu dicht und hoch der Zaun ihm,
Doch ein Loch im Zaun entdeckte
Reinhard, durch das Loch sich zwängend.

Reinhard schlich sich durch den Garten.


Da spazierte Schantekleros
Müßig. Doch die fette Henne
Pinte schon gewahrte Reinhard.

Reinhard kommt! schrie laut die Henne,


Alle fetten Hennen schrieen,
Flüchteten mit lautem Schreien
In des Hühnerstalls Behausung.

Schantekleros seinen Hennen


Sprach beruhigend zu Gemüte:
Kommt kein Tier in diesen Garten,
Füchse nicht, nicht andre Räuber.

Aber meine lieben Weiber


Und mein Lieblingsweibchen Pinte,
Betet zu dem lieben Gotte
Für das Leben eures Hahnes!

Denn mir träumte nachts prophetisch,


Daß ich lag im roten Blute!
Komme, was da kommen möge,
Doch ich fürchte großes Unheil.

Möge mich der Engel Gottes


Schützen vor dem bösen Feinde!
Ach, mir ist so schwer zumute,
Meine Seele bangt und zittert!

Herrin Pinte sprach, die Herrin


Seines Harems fetter Hennen:
Schleicht was in den grünen Gräsern,
Ist der Feind wohl schon im Garten.

Möge Gott der Herr uns schützen,


Dich vor allem, Herr und Gatte!
Ach, ich bin verzagt und ängstlich,
Fürchte große Todesnöte!

Schantekleros sprach, der starke


Hahn mit feuerrotem Kamme:
Banger ist ein Weib doch immer
Als wir Männer jemals bangen.

Aber ich hab schon vernommen,


Was geschehen wird, im Traume
Sah ich’s schon vor sieben Jahren,
Heute muß es sich erfüllen.

Herrin Pinte aber sagte:


Mein Gebieter und mein Gatte,
Rette dich auf diesen Dornbusch,
Denk an unsre kleinen Küken!

Wenn du sterben solltest, Gatte,


Wär ich eine arme Witwe,
Müßt den Rest des Lebens weinen,
Würd mich in der Welt verlaufen.

Ach, ich bin verzagt und bange,


Fürchte um dein Leben, Liebster,
Darum bin ich so voll Kummer!
Soll der Zaun dich doch beschützen!

Reinhard Fuchs den Draht des Zaunes


Bog zur Seite, durchzuschlüpfen,
Eindrang in den grünen Garten.
Schantekleros saß im Dornbusch.

Reinhard Fuchs sprach vor dem Dornbusch


Zu dem Hahn und sagte listig:
Wer denn bist du? Bist du Sengel?
Hahn, bist du der stolze Sengel?

Schantekleros sprach zu Reinhard:


Sengel war mein lieber Vater,
Aber ich bin Sengels Erbe,
Schantekleros ist mein Name.
Reinhard Fuchs, der schlaue, sagte:
Tot ist Sengel, tot ist Sengel?
Ich beklag den Tod des Sengel!
Ehrenwert war wahrhaft Sengel.

Denn dein edler Vater Sengel


War Genosse meines Vaters.
Und dein Vater Sengel hockte
Nicht so hoch auf einem Dornbusch.

Schantekleros darauf töricht


Flatterte mit seinen Flügeln
Von dem Dornbusch auf den Rasen,
Hieß den schlauen Fuchs willkommen.

Flatternd fröhlich mit den Flügeln


Hüpfte freudig er im Garten,
War erregt und voller Wonne
Wie begattend eine Henne.

Sprach: So lehrte mich mein Vater,


Freunde seien stets willkommen.
Schantekleros war voll Freude,
Später sollte er’s bereuen.

Schantekleros krähte lautstark,


Reinhard Fuchs des Hahnes Kopf nahm
Zwischen seine scharfen Zähne,
Henne Pinte schrie voll Jammer!

Lanzelin der Landmann hörte


Seiner Henne Pinte Jammer,
Drohend trat er in den Garten,
Voller Zorn den Fuchs verjagend!

Reinhard Fuchs lief fort zum Walde.


Schantekleros aber flatternd
Hüpfte wieder auf den Dornbusch,
Seine Wunde dort zu pflegen.

Aber oben von dem Dornbusch


Höhnisch spottend Schantekleros
Rief dem Fuchs nach böse Worte.
Reinhard Fuchs rief zu dem Hahne:

Narren reißen so das Maul auf,


Nichts Vernünftiges zu sagen,
Besser wärs, du würdest schweigen,
Könnt ich dich für weise halten.

Aber Schantekleros krähte:


Bei dem lieben Gott im Himmel!
Hat mich Gott doch heut behütet,
Das kann ich wohl lauthals künden.

Aber Reinhard zog vondannen,


Nahezu vor Hunger sterbend.
Aber heimlich sann er Rache,
Reinhard Fuchs, der Schelm, der schlaue.

ZWEITER GESANG

Reinhard aber einmal schaute


Eine wunderschöne Meise
Hüpfen oben auf dem Zweige
Eines frühlingsgrünen Baumes.

Also sagte aber Reinhard:


Schönste aller Vögelinnen,
Süße Meise, ich begehre
Einen Kuß von deinem Schnabel!

Sieh mich Dürsten und Gelüsten,


Ich will küssen, sag ich, küssen!
Sei Feinsliebchen mir, treuherzig,
Gib aus Treue mir ein Küsschen!

Einen Schmatz, mein Schatz und Schätzchen!


Gib mir doch ein süßes Mäulchen!
Laß uns schnäbeln, laß uns picken!
Küssen, küssen! Picken, picken!

Denke doch daran, mein Schätzchen,


Vögelin mit goldnem Busen,
Daß ich bin der Patenonkel
Deiner kleinen Meisenkinder.

Hab ich doch dem Herrn versprochen,


Jesus Christus nachzufolgen
Und dem Teufel abzuschwören
Bei der Taufe meiner Paten.

Sprach die Vögelin, die Meise:


Reinhard Fuchs, du Schelm und Schalksknecht,
Ganz genau kenn ich dein Wesen
Und ich kann dir nicht vertrauen.

Viele böse Zungen lästern


Böse Worte über Reinhard,
Alles das hab ich vernommen,
Das ist mir ins Herz gedrungen.
Und ich fürchte deine Augen,
Zittere vor deinen Blicken,
Deine Blicke sind wie Dolche,
Mir des Busens Herz durchbohrend.

Aber weil du süchtig bittest


Um ein Küsschen, um ein Schmätzchen,
Nennst mich Schätzchen, nennst mich Liebchen
Und beschwörst mich bei der Treue,

Darum werde ich dich küssen,


Will drei Stunden lang dich küssen,
Schließe du nur deine Augen,
Wenn ich küsse deine Schnauze.

Sprach die Meise, saß im Baume,


Dreck geknetet mit den Krallen,
Ließ den Dreck geknetet fallen
Auf das rote Mündchen Reinhards

Und beschmierte seine Zähne:


Schöne Zähne, grade Reihe,
Nun befleckt mit Dreck die Zähne,
Schwarze Zähne, schmutzig, stinkend!

Reinhard merkte so, wie listig


Ist nicht nur der Fuchs alleine,
Auch die Meise ist sehr listig,
Listigste der Vögelinnen!

Während Reinhard seine Zähne


Putzte, reinigte vom Drecke,
Ist entwischt die süße Meise
Mit dem goldnen Vogelbusen.

Reinhard aber klagte Jesus:


Ach mein Jesus, ach mein Jesus,
Wie bin ich betrogen worden
Von der Vögelinnen Schönsten!

DRITTER GESANG

Reinhard hatte großes Wissen


Und beherrschte viele Künste.
Aber heute war sein Tag nicht,
Sollte ihm geschehn ein Unglück.

Sah er hoch auf einem Baume


Einen schwarzen Raben stehen,
Dizzelin des Raben Name,
Dieser Rabe war sein Neffe.

Und der Rabe hielt im Schnabel


Einen Käse, der war lecker,
Reinhard leckte sich die Schnauze
Vor Verlangen nach dem Käse.

Reinhard gönnte diesen Käse


Nicht dem Neffen, nicht dem Raben,
Voller Neid begehrte Reinhard
Für sich selber diesen Käse.

Wollte Reinhard Fuchs betrügen


Seinen Neffen um den Käse.
Er gebrauchte eine Lüge,
Um den Käse zu gewinnen.

Reinhard sprach zum Raben-Neffen:


Bist du Dizzelin der Rabe?
O wie freu ich mich, mein Neffe,
Daß dich meine Augen schauen!

Gerne hörte ich dich singen,


Singt doch herrlich deine Mutter,
Deine Mutter sperrt den Schnabel
Auf, singt Oden an die Freude!

Dizzelin der Rabe sagte:


Nie will ich die Mutter schmähen,
Denn so schön singt meine Mutter,
Süßer selbst als Nachtigallen!

Nachtigallen lieblich schmelzen


Süß verliebte Liebeslieder,
Aber meine Rabenmutter
Singt Prophetenworte Gottes!

Also riß der Raben-Neffe


Seinen Schnabel auf und krächzte.
Fiel der Käse aus dem Schnabel,
Fiel zu Grund vor Reinhards Pfoten.

Aber Reinhard selbstvergessen


Ganz vergaß den gelben Käse,
Lauschte nur dem Rabenkrächzen
Und der Ode an die Freude.

Aber Reinhard Fuchs besann sich,


Wollt er doch den Raben fressen,
Reinhard hatte seinen Neffen
Ganz genau zum Fressen gerne!

Reinhard sprach zum Raben-Neffen:


Ach mein Neffe, ich hab Herzweh!
Ich hab großen Liebeskummer!
Liebe hat mein Herz verwundet!

Und nun lieg ich krank, ermattet,


Und ich kann mich nicht bewegen,
Liegt der Käse mir vorm Maule,
Könnte mich der Käse trösten,

Doch ich komm nicht an den Käse,


Denn mein Körper ist zerschlagen!
Komm herab vom Baum, mein Neffe,
Schieb den Käse mir ins Mäulchen.

Flog der schwarze Raben-Neffe


Von dem Baum herab zu Reinhard,
Wollt er ihm aus Treue helfen,
Das gereichte ihm zu Schaden.

Schnappte Reinhard mit den Zähnen


Nach dem schwarzen Raben-Neffen,
Lachend: Meine Tante sagte,
Blut ist dicker doch als Wasser,

Du bist doch von meiner Sippe,


Uns verbindet die Familie.
Darum hab du nur Vertrauen,
Ich will doch ja nur dein Bestes.

Riß ihm aus die schwarzen Federn!


Doch entkam ihm noch der Rabe,
Setzte hoch sich auf die Zweige!
Reinhard schlich enttäuscht vondannen.

VIERTER GESANG

Gegen Reinhard ist geschritten


Diebrecht, eine wilde Katze.
Reinhard sprach: O meine Nichte,
Gut, dass ich gesund dich sehe.

Ich hab ein Gerücht vernommen,


Wie du schnell vermagst zu laufen.
Laß mich deine Künste sehen,
Laß uns in den Wettstreit treten.
Diebrecht sprach, die wilde Katze:
Reinhard, das ist meine Freude,
Daß du Kamerad mir sein willst,
Darum möchte ich dir dienen.

Reinhard aber war sehr treulos,


Treu nur seinem eignen Sterne,
Liebte nicht gemeine Treue,
Treu war er allein der Schönheit.

Und er schaute eine Falle


Auf dem Wege, sprach zur Katze:
Laß uns eilen nun des Weges!
So sehr liebte er die Nichte.

Reinhard sprach zur wilden Katze:


Laß mich deine Kräfte schauen!
Schau, da ist ein Weg, ein schmaler,
Eile nun, geliebte Nichte.

Diebrecht doch, die wilde Katze,


Wußte selber von der Falle,
Sagte: Schütze mich Sankt Georg
Vor den bösen Listen Reinhards!

Diebrecht sprach, die wilde Katze,


Über die versteckte Falle,
Kehrte wieder um zu Reinhard,
Grüßte Reinhard, leise schnurrend:

Reinhard, ist kein Tier auf Erden,


Das so schnell wie Reinhard Fuchs ist!
Reinhard sprach zur wilden Katze
Diebrecht: Aber du bist schneller!

Mach doch einmal große Sprünge


Wie als ob dir Hunde folgen,
Springe hoch, als ob umgehend
Du verlierst die sieben Leben.

Diebrecht sprach, die wilde Katze:


Große Sprünge will ich machen,
Aber Reinhard soll mir folgen,
Selber große Sprünge machen.

Diebrecht sprach, die wilde Katze:


Wer kann wohl am höchsten springen?
Reinhard lachte: Du, mein Kätzchen!
So sie wollten sich betrügen.

Diebrecht übersprang die Falle,


Reinhard folgte dann der Katze.
Katze Diebrecht stürzte Reinhard
Und so fiel er in die Falle.

Katze Diebrecht schnurrend spottet:


Reinhard Fuchs, mein Kamerade,
Schau, nun sitzt du in der Falle,
Sei dem Teufel anbefohlen!

Also schlich die wilde Katze


Sich mit diesem Fluch vondannen.
Reinhard Fuchs saß in der Falle
Und er war in Todesnöten.

Meinte er, er müsse sterben,


Er befahl die Seele Jesus!
Siehe, da kam an der Jäger,
Der die Falle ausgelegt hat.

Reinhard Fuchs versprach dem Jäger


Dreißig Münzen für die Rettung.
Schlug der Jäger auf die Falle,
Ward gerettet also Reinhard.

Reinhard sprach zu seiner Seele:


Dreißig Silbermünzen kostet
Meine Rettung vor dem Tode?
O wie teuer ist das Leben!

FÜNFTER GESANG

Reinhard war der Not entkommen,


Nun kam Isegrimm, der Wolf, an.
Als er Isegrimm, den Wolf, fand,
Reinhard Fuchs sprach zu dem Wolfe:

Edler Herr, Gott sei dir gnädig!


Gerne möchte ich dir dienen,
Dir und deinem Eheweibe
Gieremund, dem schönsten Weibchen!

Unsre Herrin Gieremunde


Wähle ich zu meiner Dame,
Will ihr sein geringster Sklave
In der Religion der Liebe!

Ich hab in der Welt vernommen,


Starker Wolf, dass du gehasst bist.
Aber nimm zum besten Freunde
Mich, zum Hausfreund deines Weibes!
Ich bin schlau und du bist kräftig,
Laß uns beide unsre Gaben
Gieremund zum Wohl verbinden,
Deine Kraft und meine Schlauheit.

Bei der Heiligkeit der Ehe!


Ich will euch ein Helfer werden.
Listig bin ich wie Odysseus
Und mit List besiegt man Burgen.

Isegrimm, der Wolf, besprach sich


Über diesen Vorschlag Reinhards
Treuer Freundschaft mit dem Weibchen
Und den beiden wilden Söhnen.

Und das Weibchen und die Söhne


Stimmten zu, dass Reinhard werde
Treuer Hausfreund der Familie.
Das ward Isegrimm zum Schaden.

Reinhard wandte seine Liebe


An die Herrin Gieremunde,
Diente ihr als Liebesdiener,
Höflich ihr den Hof zu machen.

Isegrimm, der Wolf, hat töricht


Reinhard Fuchs geschenkt Vertrauen,
Das gereichte ihm zum Schaden.
Isegrimm ward oftmals unfroh.

Isegrimm ging eines Tages


Mit den beiden wilden Söhnen
Durch das Land auf Raub und Beute,
Fleisch für Gieremund zu rauben.

Als der Wolf bei seiner Arbeit


Um das täglich Brot der Erde,
Reinhard Fuchs verliebter Liebe
Warb um Herrin Gieremunde.

Isegrimm erlangte wirklich


Einen schlechten Kameraden.
Untreu seines Freundes Name,
Hinterlist sein ganzes Wesen.

Reinhard sprach zu seiner Dame:


O du Schönste aller Frauen!
Wolltest du doch gnädig schauen
Hier auf meine Liebesschmerzen!

Unsagbarer Jammer fasst mich


Und durchbohrt mein Herz mit Schwertern!
Liebe raubt mir meinen Atem!
Ich versterbe noch vor Liebe!

Aber Gieremund, die Herrin,


Sagte ohne alle Gnade:
Sprich mir nicht von deiner Liebe,
Ich bin meines Wolfes Wölfin!

Isegrimm, mein Ehegatte,


Hat so einen schönen Körper,
Daß ich gern auf andre Männer
Ohne jeden Schmerz verzichte.

Aber selbst den Fall genommen,


Daß ich einen lieben wollte,
Einen andern Mann als meinen,
Dann doch nicht so einen Schwächling!

Reinhard aber seufzte traurig:


Ach, du sehr gestrenge Herrin!
Glaube mir, ich bin ein Kaiser,
Der dir schenkt die halbe Erde!

Wäre ich der Papst der Kirche,


Schenkt ich dir den höchsten Himmel,
Wo im Paradies Frau Liebe
Herrscht im Himmelreiche Gottes!

Ohne Ende meine Liebe!


Ja, mit Herzblut unterschreib ich
Einen Bund mit meiner Herrin,
Müßte ich auch in die Hölle!

Was wär mir der höchste Himmel


Ohne meine Gieremunde?
Aber in der Hölle bin ich
Jammernd, weil du mich nicht lieb hast!

Aber Isegrimm kam wieder


Von der Raubes schwerer Arbeit:
Ach mein Weib! Wie schwer die Armut!
Ach wir müssen Hunger leiden!

Schaute Isegrimm zu Reinhard,


Dachte er voll Stolz im Stillen:
Jeder Walfisch seine Laus hat,
Jeder Hirte hat sein Hündchen.

SECHSTER GESANG
Reinhard schaute einen Bauern,
Der trug einen großen Schinken.
Reinhard da begann zu lachen,
Leckte lustvoll sich die Lippen.

Sagte Reinhard zu dem Wolfe:


Isegrimm, du magst doch Schinken?
Isegrimm und seine Söhne
Riefen: Gerne essen Fleisch wir!

Reinhard also auf der Straße


Ging vorm Bauern auf und nieder,
Tat als wär gekrümmt sein Rücken,
Tat als müsst er humpeln, hinken.

Schrie der Bauer böse Worte,


Wollt den Fuchs er eilig fangen,
Ließ er fallen seinen Schinken,
Eilend Reinhard nachzujagen.

Aber Reinhard lief zum Walde


Und entkam dem wilden Bauern.
Aber Isegrimm indessen
Stillte sich am fetten Schinken.

Isegrimm den ganzen Schinken


Fraß alleine voll Begierde
Und vergaß den Kameraden
Reinhard, der so treu geholfen.

Kam der Bauer an die Stelle,


Wo er ließ den Schinken fallen,
Sah er Isegrimm gesättigt,
Hörte er des Wolfes Lachen.

War vom Schinken nichts geblieben,


Nichts vom roten, nichts vom weißen,
Isegrimm war gut gesättigt,
Und der Bauer ward verspottet.

Isegrimm sprach zu dem Bauern:


Glück sei meinem Kameraden,
Dem ich diesen Schinken danke!
Und vom Wald erklang das Echo.

Reinhard nahte voll Verlangen,


Voll Begierde nach dem Fleische,
Nach dem roten, nach dem weißen,
Sagte: Wo ist nun mein Fleischstück?
Isegrimm sprach so zu Reinhard:
Frage deine schöne Freundin,
Ob sie dir was aufgehoben
Von dem Fleische appetitlich!

Aber Gieremunde lächelnd


Sprach zu Reinhard, der sie liebte:
Tu für Gottes Dank die Arbeit!
Gern sollst du auf Fleisch verzichten!

Sagte Isegrimm, der starke:


Ach, mich dürstet! Hast du Rotwein?
Reinhard sagte: Euer Diener!
Ich will Rotwein dir verschaffen.

Isegrimm sprach so zu Reinhard:


Lebenslang bin ich dein Diener,
Wenn du mir genügend Rotwein
Für den Durst besorgst der Kehle!

SIEBENTER GESANG

Reinhard führte Wolf und Wölfin


Und des Wolfes wilde Söhne
In das Kloster, da die Regel
Benedikts den Orden regelt.

Und er führte in den Keller


Alle zu den Rotweinfässern.
Isegrimm war bald betrunken
Von dem edlen Blute Christi!

Isegrimm, als er betrunken,


Hob er an ein Wolfsgeheule,
Wie sein Vater früher heulte
An die keusche Mondengöttin.

Doch die Mönche aus dem Orden


Benedikts mitsamt dem Pater
Wachten auf vom Wolfsgeheule,
Alles starke Waldarbeiter!

Hören wir doch Wolfsgeheule


An die keusche Schwester Vollmond,
Auf ihr Brüder Waldarbeiter,
Waffnet euch mit Axt und Spaten!

Reinhard hörte Mönche kommen,


Eilte er sogleich vondannen.
Aber Isegrimm bezahlte
Seinen Durst nach Rotwein teuer!

Und nicht Isegrimm alleine,


Sondern ernst und streng die Mönche
Prügelten auch Gieremunde
Und die wilden jungen Wölfe.

Ganz unfreundlich so belohnten


Gieremund die starken Mönche
Für die Sünde ihres Saufens,
Die doch nur ein wenig nippte,

Wenig nippte an dem Rotwein,


Von dem Tröpfchen schon betrunken,
Isegrimm voll Glut betrachtend,
Trunken glühte Gieremunde!

Aber nun kam ihre Reue!


Niemals will ich Wein mehr trinken,
Sondern wie die Fastenbrüder
Trink ich nur noch reines Wasser.

So zerdroschen und verprügelt


Isegrimm und Gieremunde
Und die beiden wilden Söhne
Eilten jammernd aus dem Kloster.

Und die beiden Söhne sprachen


Zu dem Wolfe: Vater unser!
Dieses Liedchen an den Vollmond
Sangst du nicht zur rechten Stunde.

Vater unser! Wie ein Affe


Hast du, wie ein Narr gehandelt!
Was weißt du denn schon vom Leben?
Hör doch einmal auf die Söhne!

Aber Reinhard kam gegangen,


Hörte dieser Söhne Worte,
Sprach er zu dem Erstgebornen:
Wie sprichst du mit deinem Vater!

Gott sprach: Ehre deinen Vater!


Gott sprach: Ehre deine Mutter!
Ach, du ungezogner Flegel,
Ach du ungezogner Bastard!

Jesus ist allein allwissend,


Seufzte Herrin Gieremunde.
Ach wie teuer war der Rotwein
Und wie trocken ist die Reue!
Aber was hab ich gesündigt,
Daß mein Sohn so böse redet?
Alle Künste der Erziehung
Werden an dem Kerl zunichte!

Aber Reinhard sprach zum Troste


Der Geliebten, seiner Dame:
Sei getrost, o Vielgeliebte!
Laß kein graues Haar dir wachsen!

ACHTER GESANG

Isegrimm sprach ganz zerschlagen:


Wehe, wehe, o mein Weibchen,
Mußt du eine Witwe werden,
Wenn ich hier vor Schmerzen sterbe!

Meine Liebe, meine Liebe,


Meine Sanfte, meine Milde,
Meine Treue, meine Reine,
Anvertraut mir bis zum Tode!

Wehe, wehe, meine Söhne,


Meine beiden wilden Jungen,
Müßt ihr Waisenkinder werden?
Gott ist doch der Waisen Vater!

Aber eure süße Mutter


Bleibt bei euch, geliebte Söhne,
Führt euch durch das Land des Lebens!
Folgt gehorsam nur der Mutter!

Meine liebe Gieremunde


Wird nach meinem frühen Tode
Keinen andern Mann sich nehmen,
Wird mir Seelenmessen singen!

Diese Klage hörte Konrad.


Sprach zu Isegrimm Herr Konrad:
Isegrimm, mein Wolf, mein Lieber,
Was bedeutet deine Rede?

Isegrimm zu Konrad sagte:


Bin zerschlagen ganz am Körper
Und verwundet an dem Herzen,
Hör die Todesstunde nahen!

Trauernd über mein Versterben


Wird mein Weibchen Gieremunde
Mir zum Totenreiche folgen,
Kann nicht leben ohne Liebe!

Konrad sagte, leise lächelnd:


Nicht versterben wird dein Weibchen,
Wenn du stirbst, aus lauter Kummer,
Da sie dir nicht treu gewesen!

Sah ich zwischen ihren Beinen


Doch, dass Reinhard sie geliebt hat!
Feucht dein Weibchen, deine Wölfin,
Von der Liebe deines Freundes!

Isegrimm vernahm die Rede,


Ward sein Herz von Schmerzen bitter,
Und vor Leiden fiel in Ohnmacht
Isegrimm, der schwer enttäuschte.

Wusste Isegrimm im Kopfe


Nicht, ob Tag sei oder Nacht sei,
Ob er noch versterbend lebe
Oder ob er lebend tot sei!

Konrad aber lachte leise.


Isegrimm besann sich wieder,
Isegrimm zu Konrad sagte:
Leid und Lüge ist das Leben!

Wenn ich meines Weibes Fehltritt


Sehn will zwischen ihren Beinen,
Mußt du mir die Augen leihen,
Du mir deine Augen leihen.

Isegrimm zu seinem Weibe


Gieremunde aber sagte:
Konrad sprach, du warst mir untreu
Mit dem Kameraden Reinhard!

Gieremunde aber sagte:


Reinhard war schon lang nicht da mehr!
Gestern war er da, doch heute
Ist er nicht bei mir gewesen,

Morgen wird er wieder kommen,


Aber was dir Konrad sagte,
Höre nicht auf Konrads Rede,
Glaube du an meine Unschuld!

NEUNTER GESANG
Reinhard zog in eine Hütte,
Die befand sich in dem Walde,
Wie ein Eremit zu leben,
Um zu beten, beten, beten.

In die Hütte in dem Walde


Trug er eine leckre Speise.
Isegrimm kam zu der Hütte,
Leiden schuf ihm großer Hunger.

Als er nahte nun dem Wäldchen,


War die Seele ihm voll Kummer.
Reinhard aber lud den Bruder
Ein zur Speise eines Fisches.

Isegrimm die Zähne leckte:


Ach das duftet in dem Waldhaus
Nach gebratnem Aal so lecker,
Will ich mich zu Tische laden.

Reinhard sprach zum Wolfe lächelnd:


Eremiten immer schweigen,
Wenn sie bei der Mahlzeit sitzen
Und den Aal zu Munde führen.

Immer in der Bibel lesen


Wir bei einer guten Mahlzeit,
Laden unsern Herrn zu Gaste,
Bitten Gott um seinen Segen.

Nach dem Essen unsrer Mahlzeit


Bitten wir den Herrn im Himmel,
Uns dereinst zum Mahl zu laden,
Zu dem Hochzeitsmahl des Himmels!

Isegrimm zu Bruder Reinhard


Sprach: O Reinhard, willst du Mönch sein,
Gottgeweiht dein Leben leben
Bis zur Stunde deines Todes?

Bruder Reinhard sagte leise:


Ja, zur Buße meiner Sünden
Und zur Buße aller Sünden
Und zum Troste Unsrer Frauen!

Dich auch bitt ich um Vergebung


Und so bitt ich dich um Gnade,
Raube mir nur nicht das Leben,
Denn ich muß noch Sünden büßen!
Isegrimm zu Bruder Reinhard
Sagte: Gott hat dir vergeben
Und ich will dir auch vergeben,
Nimm mich an als deinen Bruder!

Wenn du betend in der Bibel


Psalmen singst und Gott anbetest,
Denk an Isegrimm, den Bruder,
Und an Gieremund, die Schwester!

Denk auch an die armen Söhne,


An die kleinen wilden Wölfchen,
Schließ uns ein in deine Bitten,
Daß der Himmel sei uns gnädig!

Reinhard lächelnd sprach zum Wolfe:


Komm, ich lade dich zu Tische,
Übrig blieb ein Aal, ein langer,
Führ den Aal dir in dein Mäulchen.

Isegrimm aufsperrte gierig


Seinen Rachen scharfer Zähne,
Bruder Reinhard schob den Aal ein,
Schob den Aal ein in das Mündchen.

Isegrimm sprach närrisch lachend:


Bruder Reinhard, nimm mich gnädig
Auf als Koch in deiner Hütte,
Will dir leckren Braten braten!

Bruder Reinhard sagte lächelnd:


Bruder sollst du sein im Orden,
Bruder von dem Freien Geiste,
Bratenmeister sollst du werden!

Bruder Reinhard sprach zum Wolfe:


Nun empfange auch die Taufe,
Nun die Taufe mit dem Wasser!
Nun die Taufe mit dem Feuer!

Neigte Isegrimm den Schädel


Selig übers Wasserbecken,
Bruder Reinhard übergoß ihm
Nun sein Haupot mit heißem Wasser!

Da verbrannte ihm das Haupthaar!


Schrie der Wolf: Ah weh mir, weh mir!
Bruder Reinhard sprach: Mit Schmerzen
Du verdienst das Paradies dir!

Oder meinst du, in den Himmel


Führen sanfte Rosenwege?
Bette dich ins Bett aus Dornen,
Dies nur führt zum Paradiese!

Große Dummheit lehrt die Narren,


Nur die Freuden zu genießen,
Gottes Weisheit lehrt die Frommen,
Daß den Kreuzweg sie beschreiten!

So du nun getauft, mein Bruder,


Einmal mit der Wassertaufe,
Einmal mit der Feuertaufe,
Bruder bist vom Freien Geiste,

Möge Unsre Liebe Fraue


Führen dich zum Garten Eden,
Öffnen dir die enge Pforte
Zu dem Paradies der Liebe!

ZEHNTER GESANG

Isegrimm zu Reinhard sagte:


Da wir nun sind Gottes Kinder,
Wird Gott-Vater uns ernähren
Gleich der liebevollsten Mutter?

Doch zuende sind die Aale


Und wir müssen Hunger leiden,
Ach ich muß mein Elend klagen
Gott dem Herrn im Himmelreiche!

Reinhard sprach zum armen Wolfe:


Lieber Bruder mein in Christus,
Da wir keine Fische haben,
Laß uns von der Liebe leben!

Doch bist du noch nicht so heilig,


Von der Liebe nur zu leben,
Will ich Fische dir besorgen.
Speise Fische, bis dir schlecht wird.

Nahe meinem Waldeskloster


Ist ein Teich mit klarem Spiegel,
Sind darin so viele Fische,
Man vermag sie nicht zu zählen.

Also gingen sie zum Teiche,


Liebevoll wie Brüder friedlich,
Sahn sich in die offnen Augen,
Brüder in dem Freien Geiste.
Doch der Teich war zugefroren,
Drüber starr von Eis die Decke.
Also kalt ists auf der Erde
In dem lieblos kalten Winter!

Und sie gruben in dem Eise


Sich ein Loch hinab zum Wasser.
Isegrimm ward das zum Schaden,
Denn er war ein Narr und Dummkopf.

Reinhard war erfüllt vom Zorne,


Hatte bei sich einen Eimer,
Den er nicht vergessen hatte,
Isegrimm im Zorn zu ärgern.

Reinhard band den Wassereimer


Isegrimm ans arme Schwänzchen.
Sagte Isegrimm: Im Namen
Gottes, was soll das bedeuten?

Reinhard sprach zum dummen Wolfe:


Halte deinen Schwanz, den langen,
Mit dem leeren Wassereimer
Durch das Eisloch in die Tiefe!

Schau ich durch die Eiskristalle


Doch die vielen leckern Fische.
Stehe du, dich nicht bewegend,
Angle Fische mit dem Eimer.

Isegrimm zu Reinhard sagte:


Lieber Bruder in der Liebe,
Sind auch Fische in dem Teiche?
Reinhard sagte: Viele tausend.

Isegrimm, dem dummen Wolfe,


Fror der Schwanz im kalten Wasser,
Fror das Schwänzchen fest am Eise.
Denn so frostig ist Unliebe!

In der Nacht wars kalt und frostig,


Reinhard warnte nicht den Narren,
Isegrimm erfror das Schwänzchen.
So hielts Reinhard mit der Freundschaft.

Isegrimm zu Reinhard sagte:


O der leere Wassereimer
Zieht so sehr an meinem Schwanze,
Fühle ich sehr große Schmerzen!

Aber Reinhard sprach zum Wolfe:


Aber in dem Wassereimer
Sich bewegen dreißig Fische,
Hundert sollen es noch werden.

Aber in der Morgenstunde


Ward der Wolf vom Fuchs verspottet:
Sind nun hundert Fische drinnen,
Zieh hinauf den Schwanz, den langen!

Aber Isegrimm, verspottet,


Zwar begann vor Wut zu kochen,
Doch die Hitze seines Zornes
Nicht vermocht das Eis zu schmelzen.

Also, wollte er entkommen,


Mußte er das Schwänzchen lassen.
So verlor der Wolf sein Schwänzchen,
Ließ zurück den Schwanz im Eisloch!

ELFTER GESANG

Reinhard kam zu einem Kloster,


Darin waren Barfuß-Mönche,
Da im Hofe Hühner lebten,
Leckere gebratne Hühnchen!

Reinhard leis trat in den Hof ein,


In der Mitte war ein Brunnen,
Reinhard schaute in den Brunnen,
Schaute er sein Bild im Spiegel.

Als er sah sein Bild im Spiegel,


Reinhard sprach zu seiner Seele:
Bist du das, o Geisterfüchsin,
Du Geliebte meiner Seele?

Und vor Liebe ein Verrückter


Sprang er in den tiefen Brunnen.
Schwamm er in dem finstern Wasser,
Saß auf einem harten Steine.

Isegrimm kam schwanzlos wandelnd


Aus dem Walde zu dem Kloster,
Trat er an den runden Brunnen
Und erstaunte sehr, der Dummkopf.

Isegrimm sah in den Brunnen


Und er sah sein Bild im Spiegel,
Dachte, das sei Gieremunde,
Seines Lebens Ehegattin.

Und er ward verrückt vor Liebe


Und erzählte seinem Weibchen,
Wie er seinen Schwanz verloren
Und wie übel sei die Welt doch!

Heulend Isegrimm hinabrief


In den tiefen finstern Brunnen
Und das Echo gab ihm Antwort,
So als heulte Gieremunde.

Reinhard Fuchs sprach aber flüsternd


Aus dem Abgrund dieses Brunnens,
Da sprach Isegrimm, der Dummkopf:
Sag bist du das, Bruder Reinhard?

Reinhard sagte: Meine Seele


Hörst du, tot ist schon mein Körper,
Ich bin schon im Himmelreiche,
Siebten Himmels Paradiese!

Aber dich muß ich bedauern,


Du lebst noch auf dunkler Erde.
Ich bin schon im Paradiese,
In dem Liebesparadiese!

Hier bin ich ein weiser Lehrer,


Und die ungebornen Kindlein
Sind die Schüler meiner Schule,
Lernen hier die Weisheit Gottes!

Hier ist solche süße Freude,


Solche süßen Paradiesfraun!
Dichter können das nicht sagen,
Wie glückselig ist die Liebe!

Da sprach Isegrimm, der Dummkopf:


Bruder Reinhard, Gieremunde
Seh ich auch im Paradiese
Bei dir, deine süße Freundin!

Wie kommt meine Gieremunde


Zu dir in den Garten Eden?
Gieremund im Liebeshimmel
Lebt mit dir im Paradiese?

Aber warum ist ihr Haupthaar


So verbrannt und so geschoren
Wie von Güssen heißen Wassers,
Wie von nassen Feuerfluten?
Reinhard sagte zu dem Dummkopf:
Das tat nur das Fegefeuer,
Das kannst du bei mir auch sehen,
Hat doch Feuer uns gereinigt.

Weißt du nicht, mein frommer Bruder,


Daß die Gläubigen als Tote
Müssen durch das Fegefeuer?
Christus reinigt ihre Seelen!

Gieremund und Bruder Reinhard


Brannten in dem selben Feuer,
Droben in dem siebten Kreise,
Dort wird Sinnlichkeit gereinigt.

Reinhard sprachs, doch wollt er wieder


Aufwärts aus dem finstern Brunnen,
Sprach zu Isegrimm, dem Narren,
Solche Worte seiner Klugheit:

Hier sind lauter Edelsteine,


Gold und gläserne Kristalle,
Transparenter Jaspis, Jade,
Allerreinste Muschelperlen!

Und im Himmel warten Lämmer


Auf das Hochzeitsmahl des Lammes
Und die Trauben von dem Weinstock
Auf des Himmels Trinkgelage!

Wölfinnen sind in dem Himmel,


Schöner noch als Gieremunde!
Wölfinnen, die voller Liebe
Warten auf des Wolfes Liebe!

Isegrimm sogleich verlangte,


In das Paradies zu kommen.
Reinhard sprach zum Wolf, dem Narren:
Setz dich oben in den Eimer.

Bruder Reinhard aber unten


Setzte auch sich in den Eimer.
Isegrimm fuhr rasch hinunter,
Reinhard Fuchs fuhr eilends aufwärts.

Die sich in der Mitte trafen,


Wechselten die Worte also:
Wohin fahr ich? sprach der Dummkopf.
Sprach der Schlaue: In die Hölle!

So kam Reinhard Fuchs nach oben,


Wandelte zurück zum Walde.
Isegrimm im Höllenschlunde
Litt sehr große Seelenqualen!

Aber als die Barfuß-Mönche


Singend kamen zu dem Brunnen,
Sahen sie den Wolf, den Narren,
Zogen ihn die Mönche aufwärts.

Zogen ihn die Mönche aufwärts,


Um ihn tüchtig durchzuprügeln,
Ihn wie Straßenköter tretend,
Jagend ihn aus ihrem Kloster.

Isegrimm zu seinem Weibchen


Gieremunde kam voll Jammer:
Gieremunde, Gieremunde,
Wem denn schenkst du deinen Körper?

Gieremunde, Gieremunde,
Reinhard Fuchs hat mich betrogen!
Gieremunde, Gieremunde,
Reinhard Fuchs ist mein Rivale!

ZWÖLFTER GESANG

Isegrimm zu Gieremunde
Sagte: Warum weinst du, Weibchen?
Schenke deinen lieben Körper
Nur nicht mehr dem Bruder Reinhard!

Gieremunde aber klagte:


Ach wie leb ich ohne Liebe!
Mir verleidet ist das Leben
Ohne den Genuß der Liebe!

Wehe, wehe mir, mein Männchen,


Ist mein Männchen ohne Schwanz nun!
Was soll schwanzlos mir mein Männchen?
Ach wie krank bin ich vor Liebe!

Also klagte Gieremunde.


Isegrimm verzweifelt eilte
Zu dem faulen Lager Reinhards,
Wo er lag in süßer Faulheit.

Aber von dem Liebeswettstreit


Hörte nun ein Luchs, ein junger.
Ihn betrübte dieser Wettkampf,
Hatte doch der Luchs zwei Väter,
Pries den Wolf als seinen Vater,
Pries den Fuchs als seinen Vater.
Traurig sprach der Luchs, der junge,
So zu Isegrimm, dem Wolfe:

Isegrimm, mein Wolf und Vater,


Was verklagst du meinen Vater
Reinhard Fuchs, den Patenonkel,
Meinen frommen Patenonkel?

Ich bin doch vom Wolfsgeschlechte


Und bin auch vom Fuchsgeschlechte.
Sag, worüber ihr euch streitet,
Und ich werde euch versöhnen.

Isegrimm dem Luchs gab Antwort:


Vieles wäre da zu sagen.
Höre meiner Klagen Rede,
Was mir Reinhard Fuchs getan hat.

Heute muß ich schwanzlos schleichen,


Wolf bin ich, doch fehlt der Schwanz mir.
Auch mein Weibchen Gieremunde
Nahm sich lustvoll Bruder Reinhard.

Wäre schuldig Reinhard Fuchs auch


Am Verluste meines Schwanzes,
Könnte ich ihm noch verzeihen,
War ich schon des Schwanzes müde,

Aber daß der Bruder Reinhard


Meinem Weibchen Gieremunde
Sich genaht auf ihrem Lager,
Das kann ich ihm nicht verzeihen!

DREIZEHNTER GESANG

Isegrimm kam mit der Menge


Seiner wilden Weggefährten.
Einen Teil will ich besingen,
Wenn auch ohne Wappenschilde.

Dort der Elefant, der dicke,


Dort der Elch mit dem Geweihe,
Beide schienen Reinhard Riesen,
Größer noch als selbst die Berge.

Dort die Hirschkuh mit dem Hirsche,


Randolf war des Hirsches Name,
Beide Isegrimm befreundet,
Königlich im Walde lebend.

Braun der Bär und auch das Wildschwein,


Die mit Isegrimm befreundet,
Alle großen starken Tiere
Waren Isegrimm befreundet.

Aber Reinhard nahm zum Freunde


Grimmbart, der ein kleiner Dachs war,
Keiner wich je von dem andern,
Freunde bis zu ihrem Tode.

Dort der Hase auch, der sanfte,


Dort beredsam Vater Konrad
Und viel andre kleine Tiere,
Ich kann sie nicht alle nennen.

Isegrimm, der sich bedachte,


Brachte nahe einen Köter,
Reize war des Köters Name,
Den der Wolf herbeigebracht hat.

Bei den Zähnen dieses Köters


Sollte Reinhard Fuchs beschwören,
Daß er schuldig nicht der Untreu
Mit des Wolfes Ehegattin.

Kam der Rat von Braun, dem Bären,


Das vernahm mit Ohren Reinhard,
Der da kannte viele Listen
Wie der listige Odysseus.

Grimmbart sprach, der Dachs, zu Reinhard:


O mein liebster Patenonkel,
Reinhard, hüte dich vor Reize,
Hüte du dich vor dem Köter!

Denn dort liegt er, tut als schlief er,


Aber wenn du vor ihm wandelst,
Beißt er doch mit scharfen Zähnen.
Ungesund wär diese Lehre.

Aber nun der junge Luchs sprach:


O mein Patenonkel Reinhard,
Schwöre bei des Köters Zähnen,
Reize soll es uns bezeugen,

Daß du meinem lieben Vater


Isegrimm nicht nahmst das Weibchen,
Seine Gattin Gieremunde
Nicht umworben hast in Liebe!

Reinhard sprach zum Dachs, zum Luchse:


Wär die Welt so voller Treue,
Wie ich treu doch stets gewandelt
Vor dem Gotte meiner Liebe!

Aber wisst ihr, was ich schaute?


Reize ist nicht tot, er lebt noch,
Lieber will ich rasch enteilen,
Reize soll mich nicht zerbeißen.

Reinhard also floh zum Walde.


Und die großen Tiere sprachen:
Seht, geflohn ist Bruder Reinhard,
Brach mit Gieremund die Ehe!

VIERZEHNTER GESANG

Isegrimm lief eine Strecke


Fort, ihm folgte Gieremunde,
Gieremunde wollte strafen
Ihren Freund und Bruder Reinhard,

Wollte ihren Freund und Bruder


Von dem Köter beißen lassen,
Isegrimm, dem Wolf, zur Freude,
Ihrem anvertrauten Männchen.

Reinhard wusste wohl, was lecker


War und was dem Fuchse mundet
Und er schlug den Schwanz des Fuchses
Durch den Mund der Gieremunde.

Bien-aimée, o Vielgeliebte!
Rief er lachend, eilte eilends
In die Burg, wo er zuhause,
Dieses war ein schönes Dachsloch.

Da erfrischte Bruder Reinhard


Seinen Körper durch die Ruhe.
Herrin Gieremunde aber
Eilte gleichfalls zu dem Dachsloch.

Herrin Gieremunde aber


War inzwischen dick geworden,
Stecken blieb sie in dem Eingang,
Blieb im engen Eingang stecken.
Reinhard durch den Hinterausgang
Eilte lachend aus dem Dachsloch,
Nahte aber seiner Herrin
Gieremund von hinten wieder.

Gieremunde bot den Hintern


Seinen Augen dar, er lachte:
Hochgebenedeiter Hintern!
Und so hat er sie besprungen.

Gieremunde biß im Eifer


In die Steine auf der Erde!
Da kam Isegrimm, das Männchen,
Isegrimm war voll des Zornes!

Rasch entwich der rote Reinhard!


Isegrimm mit seinen Söhnen
Griff nach Gieremunde, zog sie
Eilends aus dem engen Loche.

Herrin Gieremunde sagte:


Reinhard Fuchs hat mich betrogen!
Aber Reinhard nahte wieder,
Sagte: Ich bin ohne Sünde!

Meine allerliebste Freundin


Wollte selbst in meine Höhle,
Blieb ihr Bauch im Eingang stecken,
Hieß ich herzlich sie willkommen!

Aber Isegrimm, das Männchen,


Sprach zum Weibchen Gieremunde:
Sind wir schon im zehnten Jahre
Unsres treuen Ehebundes.

Nun hat Reinhard uns verspottet!


Ach dass er uns Freund geworden!
Wahrlich, was für eine Freundschaft,
Ist der eine ein Betrüger!

Gattin Gieremunde weinte,


Isegrimm, der Gatte, weinte,
Auch die beiden wilden Jungen
Weinten jammernd: Wehe, wehe!

Reinhard Fuchs sprach zu dem Wolfe:


Willst du weggehn, Freund und Bruder,
Dann laß bei mir Gieremunde,
Mög sie immer mich bedienen.
FÜNFZEHNTER GESANG

In dem Lande herrschte Frieden,


Da der König Frevel herrschte,
König Frevel, Löwen-König,
König aller wilden Tiere.

König Frevel war der Richter


Aller Tiere im Gerichte,
Aber selbst ein Ungerechter,
Darum hieß er König Frevel.

Aber krank ward König Frevel,


Krank ward er an seinem Geiste.
Wie das kam, das will ich sagen,
Will die Wahrheit nur berichten.

Kam er einst zum Ameis-Volke,


Sprach er zu dem Ameis-Volke:
Nicht die Ameis-Königinne,
Sondern Ich bin euer Herrscher!

Doch das Ameis-Völkchen fleißig


Treu blieb seiner Königinne,
Folgte nicht dem König Frevel,
Diesem ungerechten Herrscher.

König Frevel führte Krieg nun


Gegen das verhasste Völkchen,
Er zerstörte ihre Burgen
Und erwürgte ihre Krieger.

Dann vondannen zog der Herrscher.


Lag die Ameis-Burg in Trümmern.
Sah die Ameis-Königinne
An die Trümmer voller Jammer!

Wehe, wehe dir, mein Völkchen!


Aber Gottes ist die Rache!
Ich will deine Not vergelten
An dem ungerechten Herrscher.

Und die Ameis-Königinne


Schlich sich zu dem König Frevel,
Welcher schlummerte im Dickicht.
Sann die Königin auf Rache:

Wenn ich König Frevel beiße,


Wenn ich beiße ihn zu Tode,
Kann ich diese große Beute
Nicht in meine Burgen schleppen.
Kroch die Ameis-Königinne
In das Ohr des Königs Frevel,
In das Ohr des Löwenkönigs,
Quälte ihn als kleiner Quälgeist.

Fortan quälte König Frevel


Schrecklich allerschlimmstes Kopfweh,
Rief er immer: Wehe, wehe!
Weh den Ungerechtigkeiten!

Denn zur Strafe meiner Sünden


Quält mich diese böse Krankheit!
Aber heute tu ich Buße,
Werde ein gerechter Richter,

Werde ein Gericht berufen,


Werde richten über Reinhard,
Reinhard Fuchs will ich bestrafen,
Reinhard an den Galgen hängen!

SECHZEHNTER GESANG

König Frevel zum Gerichte


Lud die wilden Tiere alle.
Braun der Bär kam angelaufen,
Isegrimm mit Gieremunde,

Aus den Wäldern kam das Wildschwein,


Kam der Hirsch mit seiner Hirschkuh,
Kam der Gepard und der Panther,
Antilope und Gazelle,

Kam das Hermelin, das Wiesel,


Kam die Katze und das Mäuschen,
Das Kamel und die Giraffe
Und der Elefant, der dicke,

Und noch viele andre Tiere.


Und als letzter nahte Grimmbart,
Grimmbart Dachs, der kleine treue
Patensohn des Onkels Reinhard.

Braun der Bär hob seine Stimme:


Reinhard Fuchs will ich verklagen!
Isegrimm, dem Wolf und Gatten,
Riß er ab den Schwanz, den langen,

Und entheiligte die Ehe,


Lag im ehelichen Lager
Bei der Gattin Gieremunde,
Schlimme Sünde zu verüben!

Isegrimm hob seine Stimme:


Ach ich ärmster aller Wölfe!
Habe meinen Schwanz verloren
Und die Unschuld meines Weibchens!

Auf den Schwanz kann ich verzichten,


Aber wer stellt her die Unschuld
Und die Reinheit meines Weibchens,
Unschuld meiner keuschen Wölfin?

Da hob Grimmbart seine Stimme:


Hört mich an! Mein Patenonkel
Reinhard Fuchs ist ohne Sünde
An des Ehebruches Frevel!

Denn die Wölfin Gieremunde


Ist viel stärker doch als Reinhard,
Wenn er ihr nun beigelegen,
So nur weil sie selbst es wollte.

Aber selbst wenn er gesündigt,


Mein geliebter Patenonkel,
Ich, sein Patensohn, ich nehme
Auf mich des Gerichtes Strafe.

Ich will alle Strafen tragen,


Weil ich meinem Patenonkel
Das Geschenk der Taufe danke,
Sagte Grimmbart Dachs, der kleine.

Ranholt Hirsch hob seine Stimme:


Reinhard Fuchs sei hergerufen,
Komme er in sieben Tagen,
Wird das Urteil dann gesprochen.

Aber hört auch meine Meinung:


Reinhard Fuchs verdient das Urteil,
Das zu Tode ihn verurteilt,
Hängt ihn auf, den Übeltäter!

SIEBZEHNTER GESANG

Vorm Gericht des Königs Frevel


Trat der Hahn auf, Schantekleros,
Mit der fetten Henne Pinte
Und mit einem toten Küken!

König Frevel, Löwenkönig!


Schantekleros hob die Stimme:
Diese meine süße Tochter,
Reinhard hat sie totgebissen!

Und der Vater Schantekleros


Klagte: Meine süße Tochter!
Und die Mutter Henne Pinte
Klagte: Meine liebste Tochter!

Braun der Bär war aber Priester,


Trug zu Grabe nun das Küken:
Staub zu Staube werde wieder,
Asche werde wieder Asche!

Und sie senkten in der Erde


Grab hinab das tote Küken.
Braun der Bär, der Priester, sagte:
Gott, schenk ihr die Auferstehung,

Auferstehung von den Toten


Und Glückseligkeit des Himmels!
Laß sie schauen, Gott, dein Antlitz,
Leben in dem Paradiese!

Und so trugen sie zu Grabe


Dieses arme tote Küken,
Legten auf den Sarg, den kleinen,
Eine feuerrote Nelke.

Auf dem Grab der sanfte Hase


Aber süß war eingeschlafen,
Bis das laute Glockenläuten
Auferweckte ihn vom Schlafe.

Hob der Hase seine Stimme:


Ich sah in dem Traum prophetisch
Dieses kleinen Kükens Seele
Aus dem toten Körper steigen

Und zum Himmelsmonde fliegen


Und am Meer der Ruhe ruhen,
Seinen Seelenfrieden finden,
Eine Selige des Himmels!

Und die wilden Tiere alle


Knieten nieder an dem Grabe
Vor des Kükens Knochenresten
Und vereinten zum Gebet sich:
Vielgeliebtes Küken, heilig
Bist du in dem Himmelreiche,
Bitte du für unsre Seelen
Und verzeihe Bruder Reinhard!

ACHTZEHNTER GESANG

Grimmbart Dachs ward ausgesendet,


Reinhard zum Gericht zu laden.
Grimmbart sollte sein der Bote,
Obs ihn auch das Leben kostet.

König Frevel sprach zu Grimmbart:


Botenlohn soll Reinhard geben
Dir, dein lieber Patenonkel,
Wenn du rufst ihn zum Gerichte.

Alle wilden Tiere lachten


Über Grimmbarts Seelenängste,
Aber Grimmbart war voll Kummer,
Denn er zitterte um Reinhard.

Grimmbart Dachs ging durch die Wälder,


Kam zu seinem Patenonkel.
Nun vernehmt das fromme Märchen
Von des Fuchses Reinhards Rache!

Reinhards Burgtor nahte Grimmbart.


Reinhard freute sich von Herzen,
Als er sah das Patensöhnchen,
Lachte: Grimmbart ist gekommen!

Grimmbart ist zu mir gekommen!


Sei willkommen, Patensöhnchen!
Sag mir, was sie an dem Hofe
Frevels lästern über Reinhard.

Grimmbart Dachs sprach so zu Reinhard:


König Frevel voll des Hasses
Droht dir, liebster Patenonkel,
Will dich hängen an den Galgen!

König Frevel dir gebietet,


Daß du wegziehst in Verbannung
Und vereinsamst im Exile,
Oder du kommst an den Galgen!

Kommst du aber zum Gerichte,


Wird dich Isegrimm verklagen
Und die wilden Tiere alle
Sprechen dir das Todesurteil!

Reinhard Fuchs zu Grimmbart sagte:


Ich verlasse nicht die Heimat,
Nein, ich laß mich nicht verbannen
Aus dem Vaterlande Deutschland.

Und sie setzten sich und aßen,


Aßen gut und aßen lecker,
Reinhard auch genoß die Trauben
Mit dem roten Traubenblute.

Nach der Mahlzeit an dem Tische


Hat sich Reinhard Fuchs erhoben,
Ging in seine Kleiderkammer,
Setzte auf die Pilgerkappe

Mit der Muschel an der Kappe,


Zog sich an den Purpurmantel,
Nahm den Beutel eines Arztes,
Kräutermedizin und Pillen.

Und er ging als Geisterheiler,


Klug durch Überlieferungen
Der Chinesen alten Zeiten,
Die die Meister sind der Heilkunst.

Trug die Pillen in dem Beutel


Und den Stab in seiner Rechten,
Sich zwei Schlangen wanden feurig
Um den Stab, der Heilkunst Zeichen.

Reinhard mit dem Patensohne


Zog nun durch die dunklen Wälder.
Reinhard schlug das Kreuzeszeichen:
Gott bewahre uns vorm Bösen!

NEUNZEHNTER GESANG

Reinhard kam zu König Frevel,


Sagte: Majestät der Krankheit!
Ich, der Heiler, bin gekommen,
Dich vom Übel zu erlösen!

König Frevel zornig brüllte:


Ah die Schmerzen sind so grausam!
Wie willst du den König heilen
Von dem Übel seiner Krankheit?
Reinhard Fuchs hob seine Stimme:
Weise Männer der Chinesen
Lehrten mich geheime Heilkunst,
Die ist nur für Eingeweihte.

Iß nur ein gebratnes Hühnchen!


Weißes Brot dazu und Sauce.
Nimm du als gebratnes Hühnchen
Henne Pinte dir als Mahlzeit!

Dann bereite Medizin ich,


Brauch dazu den Meisenschnabel!
Den zerreibe ich zu Pulver,
Das wird aufgelöst in Wasser.

Weiter brauch ich Rabenfedern!


Denn mit schwarzen Rabenfedern
Und den spitzen Federkielen
Stech ich Nervenknotenpunkte.

Dann brauch ich das Fell der Katze!


Mit dem Fell dich einzureiben,
So elektrisch und magnetisch
Deine Energie zu stärken.

Dann brauch ich das Glied des Wolfes!


Denn aus seinen Mannessamen
Ziehe ich die Lebenskräfte,
Deine Kraft in dir zu stärken.

Dann musst du den Kopf rasieren


Braun dem Bären, dass der Priester
Mit der Mönchsfrisur nach Russland
Pilgere, dort für dich bete!

Also lehrte Bruder Reinhard


Altertums Chinesenweisheit
Eingeweihter Heilungskünste.
König Frevel glaubte alles.

Aber all die wilden Tiere


Flohen eiligst von dem Hofe!
Hatten alle Todesängste,
Hatten Angst vor Gottes Strafen!

ZWANZIGSTER GESANG

Reinhard flüsterte zu Grimmbart:


Ich weiß nicht, ob König Frevel
Je gesund wird von der Heilkunst,
Doch vollbracht ist meine Rache!

Fliehen wir, mein Patensöhnchen,


Vor dem Zorn des Königs Frevel!
Also zog der Patenonkel
Mit dem Patensohn vondannen.

Einsam wandernd auf dem Wege


Patensohn und Patenonkel,
Priesen Gottes Größe, priesen
Unsre Liebe Frau Maria.

So zuende geht das Märchen,


Das ich still für mich gesungen,
Um in großen Liebesleiden
Mir ein Lächeln zu bereiten.

Ja, ich glaube auch wie Dante:


Komm ich in den Himmel Gottes,
Grüßen mich die schönen Engel
Liebevoll mit meinen Versen!

Ich begehr von meinem Gotte


Jesus Christus nur das Eine:
Daß ich einst im Paradiese
Singen dürfe für Maria!

Unsre Liebe Frau Maria


Wartet auf dem Morgensterne,
Leb ich auf dem Morgensterne,
Trage ich der Schönheit Krone,

Singe ich als Liebessänger


Unsre Liebe Frau Maria!
Gott verzeih mir alle Sünden,
Jesus meiner sich erbarme!

DIE PRINZESSIN VON ZYPERN


War einmal ein deutscher König
In dem Königreich der Friesen,
Ulrich war des Königs Name,
Seine Königin hieß Frauke.
Aber krank ward seine Frauke
Und die weisen Ärzte sprachen,
Beste Medizin für Frauke
Seien Apfelbaumes Äpfel.

Vor dem Fenster seines Schlosses


Wuchsen immer im September
In dem schönen Schlosspark Äpfel,
Mondenrund mit roten Wangen.

König Ulrich ließ bewachen


Diesen Apfelbaum im Garten,
Ließ die Äpfel alle zählen,
Kaum dass sie so groß wie Kiesel.

Einmal in dem Mond September,


Da die Äpfel prächtig reiften,
Wachte nachts der König Ulrich
Auf von lautem Flügelrauschen.

Sah er in dem Apfelbaume


Sitzen eine goldne Taube
Und der goldnen Taube Nacken
War von bunten Edelsteinen.

Eben als die goldne Taube


König Ulrich sah im Nachthemd,
Nahm sie sich vom Apfelbaume
Einen Apfel, flog vondannen.

Wozu hab ich denn den Gärtner?


Rief voll Zorn der König Ulrich,
Soll der Gärtner doch bewachen
Fraukes Apfelbaum im Garten.

Schlafen konnte König Ulrich


Diese Nacht nicht mehr im Bette
Und am Morgen in der Frühe
Rief er Eberhard, den Gärtner.

Majestät, o Hoheit Ulrich,


Habt Erbarmen, habt Erbarmen,
Wird kein Apfel mehr gestohlen,
Dafür sorgen meine Söhne.

Meine Söhne sind Joachim,


Stephanus und Peter Torstein,
Sind die besten Bogenschützen
In dem ganzen freien Friesland.

Immer nachts beim Apfelbaume


Werden meine Söhne wachen
Und bewachen Fraukes Äpfel,
Ihrer Herrin Fraukes Äpfel.

Als die Nacht hereingebrochen,


Zog Joachim auf die Wache,
Aber zu der zwölften Stunde
Kam heran die goldne Taube.

König Ulrich hörte Rauschen


Von den goldnen Taubenflügeln,
Sah, Joachim schlief im Garten
Und ein Apfel ward gestohlen.

Voller Zorn war König Ulrich,


Eberhard ward ausgescholten
Und Joachim ward getadelt,
Dann ging König Ulrich schlafen.

In der nächsten Nacht bewachte


Stephanus mit Pfeil und Bogen
Fraukes Äpfel in dem Garten,
Doch auch er versagte schmählich.

Nun sprach aber König Ulrich:


Holt mir her den Peter Torstein,
Daß er seiner Herrin Frauke
Äpfel hüte in dem Garten.

Aber Eberhard der Gärtner


Sprach zu seinem König Ulrich:
Peter Torstein ist ein Träumer,
Taugenichts und Grillenfänger!

Aber König Ulrich sagte:


Peter Torstein ist sehr freundlich,
Immer mild zu allen Leuten,
Ehrerbietig zu den Damen.

Peter Torstein also wachte


Nachts in Fraukes Apfelgarten.
O die Äpfel an dem Baume
Herrlich sind wie Fraukes Brüste!

Eben schlug die Kirchturmglocke


Mitternacht, da kam die Taube,
Rauschte in des Baumes Krone,
Peter Torstein schoß den Pfeil ab.

O das Rauschen dieses Pfeiles


War so laut, dass man es hörte
Auf dem ganzen langen Wege
Gar von Berum bis nach Hage.

Und der Pfeil fiel auf den Boden


Hin mit einer goldnen Feder.
Fortgeflattert war die Taube,
Blieb zurück die goldne Feder.

Diese goldne Taubenfeder


War von reinem Gold, geläutert
Und purgiert im Feuerofen,
Doch so schwer wie Blei der Schwermut.

In der nächsten Nacht im Garten


Wachte wieder Peter Torstein,
Doch es nahte keine Taube,
Keine Taube sieben Nächte.

Sprach der milde Friesenkönig:


Peter Torstein, treuer Diener,
Schlaf dich richtig aus und schlafe
Ruhig bis in alle Puppen.

Peter Torstein schlief ein wenig,


Da sprach Friesenkönig Ulrich:
Wer mir bringt die goldne Taube,
Soll ein Friesenhäuptling werden.

Also Eberhards Joachim


Wanderte davon, zu holen
Seinem Herrn die goldne Taube.
Eingebildet war Joachim.

Kam Joachim in dem Walde


Auf dem Weg an eine Buche,
Die da hatte rote Blätter,
Saß ein Fuchs beim Buchenstamme.

Da Joachim eben speiste


Fladenbrot und Hammelkeule,
Sprach der Fuchs: Gegrüßet seist du,
Gibst du etwas einem Bettler?

Sprach Joachim: Scher dich, Satan,


Satan lehrte dich das Betteln!
Und Joachim mit dem Pfeile
Schoß den Fuchs, doch schoß daneben.

Sprach der Fuchs mit weisem Lächeln:


Gott zum Gruß, dir sei vergeben!
Einen Rat will ich dir geben,
Bist du klug, wirst du ihm folgen.
Dort in jener Stadt, da findest
Eine Schenke du, da trinken
Trinker, spielen Kartenspieler
Und die leichten Dirnen tanzen.

Doch daneben ist ein Häuschen,


Wohnt ein Zimmermann darinnen
Mit der wunderschönen Gattin
Und dem liebevollsten Kindlein.

Meide du die wüste Schenke,


Trank und Tanz und Kartenspiele,
Kehre ein beim Zimmermanne
Und der Mutter mit dem Kinde.

Doch Joachim war so eitel,


Folgte nicht dem Rat des Fuchses,
Zechte mit den wüsten Zechern,
Hurte mit den leichten Mädchen.

Sieben Tage später aber


Stephanus begann zu wandern,
Ebenso ergings dem zweiten
Narren wie dem ersten Narren.

Wieder sieben Tage später


Peter Torstein in dem Walde
Bei dem Baum mit roten Blättern
Traf den Fuchs im dunklen Walde.

Peter Torstein eben speiste


Von dem Weißbrot, trank den Rotwein,
Von der Wurst gab er dem Fuchse,
Folgte dann dem Rat des Fuchses,

Hielt sich fern von Kartenspielen


Und vom hemmungslosen Trinken
Und von Unzucht mit den Dirnen,
Kehrte ein im frommen Hause,

Speise eine leckre Mahlzeit


In dem Haus des Zimmermannes,
Das Holdseligste der Weiber
Machte ihm zurecht das Lager

Und das liebe kleine Kindlein


Schlief im Bett bei Peter Torstein.
In der nächsten Morgenröte
Zog er fromm gesegnet weiter.

Wieder auf dem Wanderwege


Traf er auf den Fuchs, der sagte:
Wo willst du die Taube finden?
Rechten Pfad will ich dir weisen.

Möchtest du die goldne Taube


Finden, reise du nach Frankreich,
Nach Paris zum Kaiser Ludwig,
Denn dort wohnt die goldne Taube.

Aber Peter Torstein sagte:


Ach von Friesland ganz nach Frankreich
Wandre ich wohl sieben Tage,
Das ist eine weite Strecke.

Sprach der Fuchs zu Peter Torstein,


Lächelnd wie Odysseus listig:
Darfst auf meinen Schwanz dich setzen,
Meinen Schwanz nimm du als Sattel.

Auf den Schwanz soll ich mich setzen,


Deinen Schwanz als Sattel nehmen?
Fragte Peter Torstein, tat so,
Und im Flug ging es nach Frankreich.

Rascher als der Sturm der Nordsee


Kamen nach Paris die beiden,
Blieben erst in einem Walde
Vorm Pariser Kaiserschlosse.

Und der Fuchs gab gute Weisung,


Welcher Weise Peter Torstein
Holen kann die goldne Taube
Aus dem Schloß des Kaisers Ludwig.

Peter Torstein trat alleine


In das goldne Schloß des Kaisers.
Vierundzwanzig Wachen wachten
In dem ersten goldnen Saale.

Zwölf Soldaten wachten aber


In dem zweiten goldnen Saale.
In dem innersten Gemache
Aber wachte keine Wache.

In dem innersten Gemache


War ein Tisch, drei goldne Äpfel
Auf dem Tisch, ein goldner Käfig,
Ein Holzkäfig mit der Taube.

Aber Peter Torstein dachte:


Diese schöne goldne Taube
Leben soll im goldnen Käfig!
Da schrie auf die goldne Taube.
Durch den Ruf der goldnen Taube
Eilten nun herbei die Wächter,
Erst die zwölf, dann vierundzwanzig,
Schließlich ganze Heeresscharen.

Und des Kaisers Ludwig Wachen


Nahmen ihn gefangen, führten
Ihn gefangen vor den Kaiser,
Vor den frommen Kaiser Ludwig.

Sprach der fromme Kaiser Ludwig:


O mon Pierre! Willst du die Taube,
Hole mir die schwarze Stute
Von dem König von Marocco!

Peter Torstein schlich vondannen,


Ganz verzagt kam er zum Fuchse.
Sprach der Fuchs zu Peter Torstein:
Nimm du meinen Schwanz als Sattel.

Also auf dem Schwanz des Fuchses


Peter Torstein wie ein Adler
Flog ins Königreich Marocco
Zu dem milden König Hassan.

Und sie blieben in der Wüste


Nah dem Schloss des Königs Hassan.
Gab der Fuchs noch gute Weisung
Seinem Schützling Peter Torstein:

Findest du die schwarze Stute,


Darf sie in dem Pferdestalle
Nichts berühren als die Erde,
So nur kannst du sie entführen.

Peter Torstein also schlich sich


Heimlich in die Pferdeställe.
Frauen, die die Hengste striegeln,
Waren sämtlich eingeschlafen.

Aber nicht die schwarze Stute!


Schwarze Mähne, schwarze Flanken,
Sie trug einen Ledersattel,
Nahe hing ein goldner Sattel.

Dachte Peter Torstein aber:


Auf der schwarzen Stute Rücken
Schöner wär der goldne Sattel!
Da schrie auf die schwarze Stute.

König Hassans Leibgardisten


Nahmen ihn gefangen, führten
Ihn gefangen vor den König,
Vor den milden König Hassan.

König Hassan nun, der schwarze


Mohrenkönig der Muslime,
Aller Afrikaner König,
Sagte so zu Peter Torstein:

Du verdienst die Todesstrafe,


Aber bei Allahs Erbarmen,
Ich geb dir die schwarze Stute
Für die Königin von Zypern!

Diese zyprische Prinzessin


Mit den rötlichblonden Locken
Und dem hochgebenedeiten
Lilienweißen schlanken Körper,

Diese sollst du mir entführen.


Dann darfst du die schwarze Stute
Reiten, wie du es begehrtest,
Sporen in die Flanken jagen!

Peter Torstein schlich vondannen,


Ganz verzagt in seiner Seele,
Kam voll Kleinmut zu dem Fuchse,
Gab der Fuchs ihm gute Weisung.

Sprach der Fuchs zu Peter Torstein:


Sollst auf meinem Schwanze reiten,
Dir mein Schwanz als Sattel diene,
Fliegen wir zur Insel Zypern.

Kamen sie am Strand von Zypern


An um Mitternacht am Meere,
So behend wie der Gedanke,
So behende wie das Denken.

An dem Strand von Paphos-Ktima


Stand im Meer der Fels der Römer.
Petra war der Fels geheißen.
Dort wohnt wie Prinzessin Zyperns.

Peter Torstein schlich ins Schößchen,


Alle Wächter schliefen, träumten,
Also in dem Schlafgemache
Sah er die Prinzessin Charis!

O wie schön Prinzessin Charis!


Wenn sie lächelt, ist sie Venus,
Wenn sie wandelt, ist sie Juno,
Wenn sie spricht, ist sie Minerva!

O wie schön Prinzessin Charis


In dem langen goldnen Schlafrock,
In dem weißen Himmelsbette,
Wie Maria fuhr gen Himmel!

Peter Torstein schaute Charis,


Amor traf ihn mit dem Pfeile,
An des Pfeiles Spitze Honig,
Brannt der Pfeil in seinem Herzen!

Wars der kleine Knabe Amor


Oder wars der Jüngling Eros,
Der die Feuerfackel schüttelt,
Mit dem Pfeil das Herz durchbohrte?

Peter Torstein nahm das Händchen


Seiner lilienweißen Dame
Und der Schläferin im Bette
Küsste er das weiße Händchen.

Schlug sie auf die schönen Augen,


Hob sie auf die langen Wimpern,
Strahlte aus den blauen Augen:
Mandelaugen! Venussterne!

Fragte sie: Was willst du, Sklave?


Da erzählte er das Märchen
Seines Lebens immer wieder,
Bis sie seinen Geist erkannte.

Willst du mich dem Mohrenkönig


Von Marocco denn vermählen?
Soll ich seines Harems Huri
Werden, willst du das? sprach Charis.

Aber Peter Torstein sagte:


Nein, den König der Muslime
Überwinde ich durch Liebe,
Ich will selbst zur Frau dich haben!

Wenn ich dich zur Frau bekomme,


Bin ich alle Tage glücklich,
Lebe schon auf dieser Erde
Wie im Paradiese Gottes!

Charis sagte: Eh wir eilen,


Muß ich aber Abschied nehmen
Von dem Vater, der mich zeugte,
Der schon alt und lebensmüde.
Peter Torstein aber sagte:
Nimm nicht Abschied von dem Vater,
Sondern eil mit mir vonhinnen
Als mir anverlobte Freundin!

Aber Charis, lieblich lächelnd,


Sprach zu Peter Torstein also:
Ehre du auch meinen Zeuger,
Bitte um des Vaters Segen!

Charis küsste ihren Vater,


Wachte auf vom Schlaf der Vater,
Schaute Peter Torstein, brüllte,
Peter Torstein ward gefangen!

Sprach der Vater zu dem Freier:


Willst du meine Tochter freien,
Mußt du auch dem Vater dienen
Als ein Held und starker Kämpfer.

Schau, vor meinem Schlosse lagert


Eine Schlange mit neun Köpfen,
Schlägt man einen Kopf der Schlange,
Wachsen nach zwei Schlangenköpfe.

Du besiege diese Schlange,


Dann erlangst du meine Tochter.
Peter Torstein nahm ein Schwert sich,
Kämpfte gegen jene Schlange.

Schlug er einen Kopf der Schlange,


Wuchsen nach zwei Schlangenköpfe.
Abends von dem Kampf ermüdet,
Lag er müde bei dem Fuchse.

Gab der Fuchs ihm gute Weisung:


Morgen in der Morgenröte
Binde an den Schwanz des Fuchses
Eine Fackel, Peter Torstein.

Also in der Morgenröte


Peter Torstein mit dem Schwerte
Schlug den Schädel ab der Schlange,
Doch bevor gewachsen waren

Wiederum zwei Schlangenköpfe,


Kam der Fuchs mit seinem Schwanze,
Mit der Fackel er verbrannte
Jene Schlange, die verwundet.

Sprach der Vater nun zu Charis:


Ziehe hin mit Peter Torstein.
Nehmt die Pferde und die Kutsche,
Ziehet hin mit Gold und Silber.

Aber Peter Torstein sagte:


Nein, o Vater, sondern lieber
Möchte ich mit Herrin Charis
Reiten auf dem Schwanz des Fuchses!

Und am Abend saßen alle


Bei dem König von Marocco
In dem Afrikanerlande
Beim gebratnen Hirn vom Affen.

Sprach der König von Marocco:


Danke schön für die Prinzessin!
Nimm als Dankeschön des Königs
In Empfang die schwarze Stute!

Peter Torstein sprach zum König:


Laß mich bitte der Prinzessin
Einmal noch die Hände drücken,
Abschied nehmen von der Schönen.

Sprachs, griff der Prinzessin Hände,


Riß sie auf die schwarze Stute,
Eilig ritten sie vondannen,
Peter Torstein ritt mit Charis.

Kamen sie zu Frankreichs Kaiser,


Ludwig sprach zu Peter Torstein:
Danke für die schwarze Stute!
Nun empfang die goldne Taube!

Peter Torstein sprach zu Ludwig:


Laß mich von der schwarzen Stute
Abschied nehmen, zärtlich streicheln
Ihren Hals und feuchten Rücken!

Sprachs und schwang sich in den Sattel


Mit der zyprischen Prinzessin,
Rasch ritt er die schwarze Stute,
In dem Arm die goldne Taube!

Sprach Prinzessin Charis lächelnd:


Schau, wir zwei sind Adler Gottes,
Schauend in die Sonne Gottes,
Schwebend an dem Himmel Gottes!

Peter Torstein sprach zu Charis:


Du versprichst den Garten Eden,
Das ist deine Gnade, Herrin,
Hinweis bist du auf die Gottheit!
Auf dem Heimweg sie erlösten
Auch die zwei versoffnen Brüder.
Hob der Fuchs nun seine Stimme:
Schlagt mir meinen Schwanz vom Leibe!

Peter Torstein schlug dem Fuchse


Ab den Schwanz von seinem Leibe.
Schau, da stand vor ihm sein Engel
Mahanajim von dem Jabbok!

Friesenkönig Ulrich aber


Nun bekam die goldne Taube.
Frauke, Königin von Friesland,
Ward gesund vom süßen Apfel.

Peter Torstein nun mit Charis


Reiste auf die Insel Zypern,
Hochzeit feiernd auf dem Gipfel
Des Olymp im Jungfraunkloster!

Bei dem Gürtel Sankt Mariens


Schworen sie sich ewig Treue!
Und der Papst gab seinen Segen
Und sie lebten wie im Himmel!

TOM DER REIMER

Tom der Reimer war ein Dichter,


Manche nannten ihn den Seher,
Konnt er doch Gedanken lesen
Und die Zukunft prophezeien.

Kleine Knaben hörten gerne


Toms des Reimers Wundersagen,
Sagten, seines Wortes Gabe
Habe er von schönen Elfen.

Nämlich eines Tages lag er


In der grünen Wiese träumend,
Schaute der Zitronenfalter
Hochzeitstänze in den Lüften.

Da kam eine schöne Dame


An auf einem weißen Pferde,
Hoheitvoll wie Sankt Maria,
Herrlich wie die Jungfrau Gottes!

Auch wie Artemis, die Göttin


Der Jungfräulichkeit, die Dame,
Um die Schulter ihren Bogen,
An der Hüfte Pfeil und Köcher.

Artemis, du keusche Göttin,


Sang die Hymne Tom der Reimer,
Gib du deinem edlen Hirsche
Eine kurze Zeit zum Atmen!

Tom der Reimer fiel aufs Antlitz


Vor der makellosen Dame,
Huldigte der Göttin-Herrin
Sklavisch als ein Minne-Freier.

Doch die hohe Herrin Jungfrau


Sich verbat die Huldigungen!
Willst du dienen mir, so sprach sie
Zornig, diene mir als Sklave!

Schon in Tom dem Reimer glühte


Unbefriedigte Begierde
Und so wurde er zum Sklaven
Dieser makellosen Jungfrau.

Und sie sprach zu ihm: Nimm Abschied


Von den Feldern und den Wäldern,
Abschied von den kleinen Knaben,
Abschied nimm von deiner Wohnung.

Und er folgte als ihr Sklave


Seiner hohen Göttin-Herrin.
Da verwandelte die Jungfrau
Sich in eine graue Greisin!

Silberlocken auf dem Haupte,


Runzelfalten in dem Antlitz,
Eine Brille auf der Nase,
Strickzeug in den Zitterhänden!

Und es ging in eine Höhle,


Wo drei Tage und drei Nächte
Waren sie im Schoß der Erde
Wie im Bauche eines Wales.

Und sie hörten Ozeane


Branden, Wogenbrausen brüllen,
Donner hörten sie wie Pauken,
Blitze sahen sie wie Waffen.
Und sie sahen Ströme Blutes
Strömen von den Totenleichen
Und die roten Tropfen Blutes
Hörten sie gen Himmel schreien.

Schließlich in das Licht des Tages


Kehrten sie zurück und fanden
Sich im grünen Garten Eden,
In dem Paradies der Erde.

Und die hohe Göttin-Herrin


War nun wieder makellose
Jungfrau, etwa siebzehnjährig
Oder vierundzwanzigjährig.

Und sie lagen auf der Wiese


In dem grünen Garten Eden
Wie in einem Himmelsbette
Auf dem Schaum der Wolkenkissen.

Tom der Reimer sanft liebkoste


Zart die Königin der Elfen,
Streichelte den nackten Rücken
Von der Schulter zu den Hüften.

Dann erhob sie sich vom Bette


Grünen Grases in dem Garten
Eden, sprach im Paradiese
Leise zu dem Tiefbeglückten:

Halte das Geheimnis teuer,


Wahre du der Mystik Schweigen,
Plaudre deiner Göttin Gnade
Aus nicht vor den hohlen Narren!

Tom der Reimer aber schaute


In dem Paradiesesgarten
Apfelbäume an mit Äpfeln,
Die wollüstig anzuschauen.

Wollte er die Früchte pflücken


Von den Apfelbäumen Edens:
Herrin, alle diese Äpfel
Preisen deine Apfelbrüste!

Doch die hohe Göttin-Herrin


Sagte voll Erkenntnis weise:
Pflück vom Baume nicht den Apfel,
Solches hat der Herr verboten.

Sinds doch Bäume der Erkenntnis


Mit von Gott verbotnen Früchten.
Eva sündigte hier weiland,
Adam sündigte mit Eva.

So erhob sich Tom der Reimer,


Sah zu seiner Göttin-Herrin,
Gingen sie ein Stück des Weges,
Kamen sie zu einem Kreuzweg.

Schaue hier die rechte Straße


Zu dem Paradies des Himmels,
Die die Heiligen der Kirche
Gradeaus zu Gott gewandelt.

Sind sie nun im Himmel Gottes


In Unsterblichkeit der Seele,
Freuen sich glückselig ewig
Auf des Fleisches Auferstehung.

Schaue hier die Mittelstraße


Aufwärts in das Fegefeuer.
Arme Seelen, zwar gerettet,
Leiden sie doch Schmerz der Buße.

Die Gebete ihrer Lieben


Und der Kirche Seelenmessen
Werden sie alsbald befreien
In das Paradies des Himmels.

Aber ach! die linke Straße


Führt hinunter in die Hölle,
Zu der ewigen Verdammnis
Aller toten Söhne Satans.

Heulend dort und zähneklappernd


Quälen dort sich die Verdammten,
Die die Liebe Gottes hassen,
Die auf Erden Jesus hassten!

Tom erschrocken sah zur Herrin,


Als er in die Hölle schaute.
Hatte er doch sonst die Hoffnung
Auf der Welten Allversöhnung.

Aber seine milde Herrin


Mit dem schönsten Mädchenlächeln
Wies den vierten Weg am Kreuzweg:
Dieser führt zur Welt der Elfen.

Geh mit mir den Weg der Elfen!


Schau, die Königin der Elfen
Bin ich, du bist mein Geliebter,
Komm und schaue, wo ich wohne.

Und die Königin der Elfen


Führte ihn zum Märchenschlosse
In der Elfen Zaubergarten,
Jenseits sie von Gut und Böse.

O du Königin der Elfen,


Wie doch nach der Nacht des Todes
Du begrüßt mich mit dem schönsten
Lächeln, zauberhaftem Lächeln!

In den Tod geht man ja einsam,


Einsam stirbt das Herz an Schmerzen,
Schmerzlich ist das Herz verblutet
In der bittern Nacht des Todes!

Aber in der Morgenröte


Lächelt über Tom dem Reimer
Süß die Königin der Elfen,
Göttin, die das Lächeln lieb hat!

Die Dämonen unsres Elends


Plagen alle unsre Mühen,
Doch die Himmlischen voll Güte
Mögen voller Gnade lächeln.

Lächelnliebende Prinzessin,
Wie der Mona Lisa Lächeln
Ist das zauberhafte Lächeln
Dieser Königin der Elfen.

O das Lächeln Sankt Mariens!


Unaussprechlich süßes Lächeln!
O das Lächeln der Madonna,
Wie charmant Madonna lächelt!

Und die Königin der Elfen


Führte Tom den Reimer lächelnd
In die Küche ihres Schlosses,
Reichte ihm die beste Speise,

Die sie selber zubereitet


Und es schmeckte diese Speise
Wie die Königin der Elfen,
Appetitlich wie die Liebe!

Tom der Reimer sah im Brote


In geheimnisvoller Weise
Gegenwärtig seine Herrin,
Diese makellose Göttin.
Nach dem Mahl begannen Mädchen
Voller Liebreiz mit dem Bauchtanz,
Zymbeln schwangen, Flöten bliesen,
Mädchen schaukelten die Becken.

Diese Paradiesesmädchen,
Fleischgewordne Männerträume,
Waren alles Ideale,
Die im Tanze sich bewegten.

Doch der Gipfel aller Wonne


War die Königin der Elfen
Selber, sie war die Verheißung
Der Glückseligkeit der Seele.

Ja, die Königin der Elfen


War im Paradiesesleibe
Mit dem süßen Himmelsherzen
Wie ein ewiges Versprechen.

Dieser weiße Elfenkörper


Im gehauchten Elfenkleidchen
War Verkörperung des Himmels,
War ein Paradies auf Erden.

Tom der Reimer ward begnadet,


Ihren Körper zu betrachten,
Ihre Brüste zu bewundern,
Ihre Hüften zu umschlingen!

Himmlisch in dem Himmelsbette


Lag er über seiner Göttin,
Streichelte die nackte Göttin,
Spürte Paradieses Wollust!

Da erhob die nackte Göttin


Aus dem Schaum sich ihres Bettes,
Lächelte mit süßen Lippen,
Mit den süßesten der Lippen:

Sag, wie lange warst du bei mir?


Sieben Tage, sprach der Freier.
Sieben Jahre, sprach die Dame,
Aber heute musst du scheiden.

Kehr zurück in deine Wohnung,


Diene Gott als Dichter-Seher.
Weil sich unsre Zungen küssten,
Singst du nun in Engelszungen!

Also Tom der Reimer kehrte


Wieder in die Menschen-Heimat.
Was er kündete prophetisch,
Das ereignete sich wirklich.

Lange lebte er als Seher,


Diente als Prophet des Höchsten,
Gottes Worte voller Wahrheit
Sprach er aus in reinen Reimen.

Aber eines Tages nahte


Eine Hirschkuh seiner Wohnung,
Ohne Scheu die Hirschkuh nahte
Tom dem Reimer früh am Morgen.

Tom der Reimer sah die Hirschkuh,


Da erkannte er das Zeichen,
Und der keuschen Hirschkuh folgend
Er verschwand im dunklen Walde.

Er verschwand im dunklen Walde,


Ward fortan nicht mehr gesehen.
Aber seine Lieder sangen
Kinder noch und Kindeskinder.

DAS JÜNGSTE GERICHT

Eine Straße fuhr ich eilend,


Langsam durch das Buchenwäldchen,
Schaute auf den Kinderspielplatz,
Lauschte auf das Taubengurren.

Kam vorbei an einer Wiese


Gleich den grünen Wiesen Frieslands,
Schwarz und weiß die Haut der Kühe,
Imposant die vollen Euter.

Kam zu einem Gartenhäuschen,


Das romantisch und verschwiegen
In dem Paradiesesgärtlein
Bot mir Ruhe im September.

Schon verwelkt die Heckenrosen,


Beinah schwarz die roten Rosen,
Purpurn doch die Hagebutten,
Deren Samen Mädchen jucken.

Elstern hüpfen auf und nieder,


Tauben im Kastanienbaume
Gurren zwischen Stachelfrüchten,
Hüpft vertraut auch eine Rotbrust.

In den Gräsern die Kaninchen,


Erpel wandert mit der Ente,
Apfelbäume tragen Früchte,
Spinnen weben Silbernetze.

Dort lag ich im grünen Grase,


Über mir am blauen Himmel
Schwarzer Schwan und schwarze Schwanin
Flogen herrlich majestätisch.

Und ich sank in einen Tagtraum.


Amor kam mit scharfem Pfeile,
Amor, mir das Herz durchbohrend,
An des Pfeiles Spitze Feuer!

Tat ich auf die Augen, schaute


Unsre Liebe Frau vom Himmel
Kommen an im weißen Kleide,
Hohepriesterin des Himmels.

Ihr Gewand von weißer Seide,


Blau der Gürtel um die Lenden,
Glatt und schwarz die langen Haare,
Feminin die Antlitz-Anmut.

Unsre Liebe Frau mit ernster


Stimme sprach zu mir: Erwache!
O mein Taugenichts und Tagdieb,
Zum Gericht bin ich gekommen.

Ach in Afrika der Hunger


Und die Ungerechtigkeiten
Und das Übermaß an Krankheit
Und die Kriege all der Stämme!

Doch das Kapital der Reichen


Nun beherrscht die ganze Erde
Und auch die Kultur des Todes
Übertönt das Lied der Liebe!

Schau in Indien an die Kinder,


Welche Arbeit tun im Steinbruch,
Leben auf dem Abfallhaufen,
Welche sterben an der Lepra!
Schau auch all die Katastrophen
Der Natur, der Erde Beben,
Aufgewühlter Meere Beben,
Die Vulkane, die Kometen!

Wie der Eisberg schmilzt im Norden,


Wie der Süden wird zur Wüste!
Satan will die Mutter Erde
Ganz vernichten und die Menschheit!

Denn die Menschheit ist verkommen,


Politik und Wissenschaften
Schufen atomare Bomben,
Kriegsgeräte in den Sternen!

Aber auch die Liebe leidet


An der Gottvergessnen Sünde.
Keiner heiligt mehr die Ehe,
Kinder werden nicht geboren.

Werden zwar gezeugt die Kinder,


Aber in dem Schoß ermordet,
Abgetrieben und geschlachtet
Und zum Nutzen ausgeschlachtet!

Viele dienen Venus Porno,


Sie versklaven arme Frauen,
Alte werden ausgeschieden,
Kranke werden sanft ermordet!

In Amerika dem Gotte


Dollar dienen sie, der Allmacht
Ihres großen Gottes Dollar,
Bauen atomare Bomben!

Menschenrechte mit den Füßen


Werden überall getreten!
Russland ist noch immer gottlos!
Hofft auf die Bekehrung Russlands!

In den ersten tausend Jahren


Christus siegte in Europa,
In den zweiten tausend Jahren
In Schwarzafrika, Westindien,

In den dritten tausend Jahren


Christus siegen wird im Osten,
Christus in dem Nahen Osten,
Christus in dem Fernen Osten!

Aber du, der träumt am Tage,


Du Poet der Frauenminne,
Komm nach Josaphat, zum Tale
Des Gerichts am Jüngsten Tage!

Also sprach zu mir Maria,


Was sie sprach, sie auch bewirkte,
So in Josaphat, dem Tale,
Fand ich mich zur selben Stunde.

Hier im Tale des Gerichtes,


Hier in Josaphat, dem Tale,
Saß Maria auf dem Stuhle
Als die Richterin der Liebe.

Und da nahte meine Herrin


Haura voll der Frauenschönheit,
Lang die glatten schwarzen Haare,
Ihre Augen Mandelaugen,

Rot die schöngeschwungnen Lippen,


Kräftig ihre weißen Arme,
Wohlgeformt die süßen Brüste!
Aber meine Herrin weinte,

Haura, Tränen in den Augen,


Trauernd um das Leid der Liebe
Trat zum Thron der großen Mutter,
Gottes Mutter, Mutter Gottes:

Tausendfach gegrüßet seist du,


Freue dich, du Gnadenvolle!
Lieblich bist du wie der Vollmond,
Glühend wie die Morgenröte,

Strahlend wie die Sommersonne,


Prächtig wie die Sternenscharen!
Komm ich in den Walnussgarten,
Tret vor deinen Thron, o Herrin!

O das Ideal der Ehe


Lebt mir heilig in dem Geiste,
Seelen, die von Gott geschaffen
Sind zum liebevollen Einssein,

Finden sich auf Erden wieder,


Die zuvor im Himmel schauten
Sich im reinen Spiegel Gottes
In vorherbestimmter Ehe.
So vereinigt sind die Seelen,
Daß die Anima des Mannes
Und der Animus des Weibes
Androgynen Menschen schaffen.

Dieses androgyne Wesen


Ist ein Abbild, und der Urmensch
Adam Kadmon ist das Urbild,
Gott schuf ihn im Bilde Christi.

Aber finde ich auf Erden


Den vorherbestimmten Gatten,
Der mir eins in Geist und Seele,
Der mir eins in Herz und Körper?

Wie erkenn ich doch den rechten


Auserwählten Ehegatten,
Den mir Gott vorherbestimmte?
Gott, ich suche deine Weisheit!

Sind doch auf der Erde Kerle,


Sind doch auf der Erde Weiber,
Die nicht an die Seele glauben,
Suchen Wollust nur des Körpers.

Solche Weiber sich verschenken


In der ersten Nacht dem Kerle
Körperlich, allein zum Kitzel,
Treiben Sport in ihren Betten,

Wissen nichts von Seelenliebe,


Nichts von Harmonie des Glaubens,
Bleiben nicht bei einem Partner,
Liegen meist in vielen Betten.

Unbekannten beizuwohnen
Ist Vergnügen ihnen, einzig
Um beim Jucken sich zu kratzen,
Spaß zu haben bei dem Bettsport.

Aber ich begehre Liebe,


Die mir Gottesliebe spendet,
Ich begehre Seelen-Einheit
Und die unbedingte Treue.

Ist der Körper denn der Huren


Und der Venusdienerinnen
Einzig schön und zu begehren?
Nicht begehrenswert mein Körper?

Spitzen sich nicht meiner Brüste


Spitzen wie Rosinen köstlich
Durch das dünne weiße Hemdchen
Vor den Augen meines Freiers?

Wollt er nicht die Brüste streicheln?


Meine Hüfte nicht umarmen?
Küssen meine roten Lippen?
Träumt er nicht, mir beizuwohnen?

Trag ich doch das reine Linnen


Um den Unterleib, das blaue,
Trag ich um den Oberkörper
Doch das Hemd, das weiß wie Schnee ist.

Trag ich doch um meine Lenden


Breiten Gürtel breiter Schnalle,
Einen wahren Liebreizgürtel
Und zugleich auch Keuschheitsgürtel.

Trage ich in meiner Haarflut,


Sie zu bändigen, die Spange,
An den Ohren trag ich Mondstein,
Lapislazuli am Halse,

An dem rechten Handgelenke


Trag ich weißer Perlen Armband
Mit dem Medaillon Mariens,
Mit dem Medaillon von Jesus.

Als ich einmal in der Kirche


Betete mit meinem Minner,
Lobpreis sang dem Geiste Gottes,
Schminkt ich scharlachrot die Lippen.

Aber ich bin nicht mehr siebzehn,


Ich bin nicht mehr vierundzwanzig.
In den langen schwarzen Haaren
Finden sich schon graue Strähnen.

Wie denn find ich wahre Liebe?


Eine alte Dame sagte:
Zählst du aber vierzig Jahre,
Darfst du Kabbala studieren.

Lerne ich den tiefern Schriftsinn


In der Bibel zu erfassen?
Lerne ich den Namen Gottes
Jahwe heilig auszusprechen?

Oder lern ich von den Meistern


Einen reinen Liebeszauber?
Sprechen doch die Kabbalisten
Mystisch auch der Engel Sprache,

Schreiben auch der Engel Sprache


Nieder in der Schrift der Engel.
Soll ich nun den Psalm zur Hochzeit
Davids schreiben auf Papyrus,

Mit dem Tau der Rosenblüte,


Ungebrauchter Schwanenfeder,
Auf das Pergament von Byblos,
Schaffen solchen Liebeszauber?

Also meine Herrin Haura


Seufzte vor dem Thron Mariens,
Sprach am Schluß der Rede: Amen,
Heilig, heilig, heilig Jahwe!

Auf dem Richterstuhl Maria


Sich erhob, sie stand nun aufrecht
In der Mitternacht im Mondschein
In dem langen weißen Kleide.

Schau, vier Cherubim mit Flügeln


Trugen nun den Thron Mariens,
Der bedeckt mit weißen Lilien,
Trugen ihn am schwarzen Himmel.

Und Maria, weißgekleidet,


Weißen Schleiers, blauen Gürtels,
Wandelte beim weißen Vollmond,
Wie ein Mond ihr Antlitz lächelnd,

Wie ein Vollmond war ihr Antlitz,


Lieblich lächelnd, sprach sie leise:
Eure einzige Berufung
Ist nicht schwer, ist nur zu lieben!

Haura, Haura, deine Worte


Habe alle ich vernommen,
Möge dich der Vater ziehen
Und die Weisheit dir verleihen.

Die Geheime Offenbarung


Möge dich durchs Leben führen.
Halte fest an dem Bekenntnis
Zu der Wahrheit und der Liebe.

Willst du Jesus kennenlernen,


Dann lies täglich in der Bibel,
Willst du Jesus liebenlernen,
Haura, bete, bete, bete!

Aber allen meinen Töchtern


Will ich dies Gesetz verkünden:
Ehrt das Sakrament der Ehe
Und vertraut die Kinder Gott an!

Frauen, meine lieben Kinder,


Wisst, ich ehr der Frauen Würde,
Ehr den Genius der Frauen,
Wisst, mein Name ist: Die Fraue!

Nennen wird mich Mutter Kirche


Eines Tages nur: Die Fraue!
Nennen werden mich die Menschen
Eines Tages nur: Die Mutter!

Alle Frauen werden lächeln,


Werden lächelnd Amen sagen,
Wenn die Kirche einst verkündigt:
Sankt Maria ist die Fraue!

Denn ich sehe es schon kommen,


Daß der Stellvertreter Christi
Und Nachfolger Petri kündet
Auf dem Stuhle des Apostels

Dieses Dogma vor der Kirche:


Mittlerin ist Sankt Maria,
Und beim Sohn die Advocatin,
Miterlöserin mit Jesus!

Miterlöserin mit Jesus


Ist am Kreuz die Frau der Schmerzen,
Mitgekreuzigt ist mit Jesus
Miterlöserin Maria.

Miterlöserin Maria
Miterlöserin mit Jesus
Ist als Gottesmagd durchs Ja-Wort,
Das sie für die Menschheit sagte.

Unsre Liebe Süße Fraue


Miterlöserin Maria
Segnet alle ihre Töchter
Mit dem Herzen einer Mutter.

Alle die Marientöchter


Im Marienfeminismus
Sagen leise lächelnd Amen
Zu der Fraue, zu der Mutter.

Aber nun Maria wandte


Sich zu mir, der ich im Staube
Mehr erniedrigt als ein Sklave
Lag vor ihren bloßen Füßen!

Mein begehrenswerter Gatte,


Du mein Schatz, mein Vielgeliebter,
Du mein auserwählter Liebling,
Gatte in geheimer Ehe!

Ja, du sollst kein Weib dir nehmen,


Du sollst keine Söhne zeugen,
Du sollst nichts Gemeines reden,
Sondern Mund Jehowahs bleiben!

Ich hab dein Gebet vernommen,


Als ums Charisma gebetet
Du des keuschen Zölibates
Um des Himmelreiches willen.

Minnesänger der Madonna


Sollst du sein, Poet Mariens,
Und Verlobter der Sophia
In der Gottes-Ehe Mystik!

Ich verlobte an der Quelle


Mich von Lourdes mit dir in Liebe,
Sagte Ja zu deinem Leben,
Du sprachst Ja zu meinem Herzen.

In der Liturgie der Kirche


Sprach der Geist zu deinem Geiste:
Josef, Sohn vom Stamme Davids,
Nimm Maria auf als Gattin!

Zu dir sprach die Weisheit Gottes:


Ich will mich mit dir verloben
In Barmherzigkeit und Gnade
Und du wirst den Herrn erkennen.

Zu dir sprach der Stellvertreter


Christi im Apostelthrone:
Ehelos leb Gottes Treue,
Sage Ja zur Gottes-Ehe!

Und nun geb ich dir den Segen:


Leb in der Marien-Ehe,
Sei der Bräutigam Mariens,
Ehefrau ist dir Maria!
Die vier Cherubim am Throne
Sprachen darauf diese Worte:
Deutscher Dichter, deutscher Denker,
Sei du Ehemann Mariens!

Ich erhob mich aus dem Staube,


Stand als Ehemann Mariens
Und verkündete der Menschheit:
Alle Macht der Muttergottes!

TORSTEN

ERSTER GESANG

Muse, Torsten sollst du singen,


Torsten, Enkelsohn der Edda,
Singe Torstens Abenteuer
Zu dem Ruhme Jesu Christi!

War ein Mann mit Namen Helge,


Seine Frau hieß Ran mit Namen,
Helge lebte mit der Gattin
In der kalten Bucht der Sonne.

Jene von der Bucht der Sonne


Lagen früher oft im Streite
Mit den Leuten von der Kreuzbucht,
Doch inzwischen herrschte Frieden.

Lebte in der Bucht des Kreuzes


Edda mit der Tochter Dagmar,
Dagmar mit dem Ehemanne
Torarin, dem Vater Torstens.

Torarin war alt und seine


Augen waren fast erblindet.
Wikinger in seiner Jugend,
War er grob in seinem Alter.

Torsten war sehr groß und kräftig,


Dabei auch von sanftem Wesen,
Er half auf dem Hof des Vaters,
Fleißig wie der Männer sieben.

Torarin war arm, doch Waffen


Hatte viele er im Hause,
Hatte starke schnelle Pferde,
Die zum Pferdekampfe taugten.

Und bei Helge auf dem Hofe


Lebte Tord, der war der Großknecht,
Pferde-Tord ward er gerufen,
Grober Mann von großem Grimme.

Auch bei Helge auf dem Hofe


Waren noch zwei üble Kerle,
Torhall hieß der eine Maulheld,
Torwald hieß der andre Maulheld.

Pferde-Tord und Torsten aber


Kämpften in dem Pferdekampfe,
Ließen ihre Pferde kämpfen,
Kämpften selbst als gute Reiter.

Pferde-Tord schlug Torstens Renner


Mit der Peitsche auf die Augen,
Torsten schlug des andern Renner
Drauf zurück mit starkem Hiebe.

Pferde-Tord schlug mit der Lanze


Nach der Augenbraue Torstens,
Torstens Auge hing herunter,
Torsten nähte fest das Auge.

Torsten sprach zu allen Leuten,


Nichts zu sagen seinem Vater.
Torhall doch und Torwald nannten
Torsten fortan Lanzennarbe.

Winter war es vor der Weihnacht,


Der Geburt des Christus Jesus,
Frauen gingen an die Arbeit,
Torsten schlief noch in der Stube.

Torarin, der Vater Torstens,


Sagte: Tut dir weh dein Schädel?
Bist du nicht geschlagen worden?
Torsten, räche deine Ehre!

Torsten nahm sich seine Waffen,


Ritt zu Pferde-Tord, dem Großknecht,
Sagte: War es ein Versehen
Oder war es böse Absicht?

Pferde-Tord zu Torsten sagte:


Blase du nur heiße Worte!
Ob Versehen oder Absicht,
Tu ich dennoch keine Buße.

Torsten sagte: Deine Buße


Fordr’ ich nicht zum zweiten Male.
Und mit einem Todeshiebe
Schlug er Pferde-Tord zu Boden.

Da kam eine Frau gegangen,


Torsten sprach zu jenem Weibe:
Sage Helge, Tord ist tot nun,
Totgeschlagen von dem Stiere.

Sprach das Weib zu Torsten also:


Ich sags ihm, wenn ich dran denke,
Aber du geh nur nach Hause.
Torsten also ging nach Hause.

Helge aber sprach zum Weibe:


Wo ist Pferde-Tord, mein Großknecht?
Sprach das Weib: Wir armen Weiber,
Wie sind wir doch so vergesslich,

Ist kein Denken in den Weibern,


Nur ein Plappern und ein Schwätzen,
Wir vergessen unsern Hintern,
Wenn wir drauf nicht eben sitzen!

Sprach doch Torsten Lanzennarbe


Vor dem Stall, dass Tord nun tot sei,
Totgestoßen von dem Stiere,
Und ich sollte dir es sagen.

Helge ließ den Tord begraben,


Torsten vor Gericht verklagen.
Torsten saß zu Hause ruhig
Bei dem Bier und bei der Grütze.

Herbst kam mit dem Erntedankfest,


Torhall saß und Torwald bei ihm
An dem Feuer mit dem Braten,
Helge hörte beide reden.

Torhall sprach zu Torwald also:


Wir hier speisen kleine Lämmer,
Torsten aber einen Hammel,
Wann wird ihm zuteil die Strafe?

Hat er Pferde-Tord erschlagen,


Dafür ward ihm keine Strafe.
Wie will er des Mordes Flecken
Waschen ab von seiner Ehre?
Aber Torwald sprach zu Torhall:
Wird doch Helge sich nicht rächen
Und nicht Torarin, dem Vater,
Nehmen seines Alters Stütze.

Helge hörte diese Rede,


Sprach zu Torhall, sprach zu Torwald:
Reitet in die Bucht des Kreuzes,
Bringt herbei den Schädel Torstens!

Bringt vom Rumpf getrennt den Schädel


An die Tafel mir zum Frühstück,
Dann will ich aus Torstens Schädel
Mich mit Honigmet besaufen!

Torhall ritt mit Torwald also


Eilends in die Bucht des Kreuzes.
Torsten stand vor seiner Wohnung,
Spielte dort mit seinem Messer.

Torhall sprach und Torwald sagte:


Torsten, wo sind deine Pferde?
Zeig uns deine starken Rosse,
Zeig uns deine schnellen Renner.

Auf dem Weg zur Pferdeweide


Torhall rannte gegen Torsten,
Torsten schlug ihm an die Beine,
Torhall fiel und ward erstochen.

Auf dem Weg zur Pferdeweide


Torwald rannte gegen Torsten,
Torsten schlug ihm an die Beine,
Torwald fiel und ward erstochen.

Torsten nahm die Toten beide,


Band sie an den Pferdesattel,
Schickte dann das Pferd nach Hause,
Lief das Pferd zum Hofe Helges.

Helge gleich begrub die Toten


Unter der gefrornen Erde.
Still vorüber ging die Weihnacht,
Helge lag bei seinem Weibe.

Ran sprach, Helges Ehegattin:


Wovon reden so die Leute?
Was glaubst du, wovon man redet?
Hörst du nicht die Leute reden?

Alle sagen: Dieser Torsten!


Erst schlug er den Pferde-Tord tot,
Dann erstach er unsern Torhall,
Dann erstach er unsern Torwald!

Alles Volk in der Gemeinde


Will vor Torsten Lanzennarbe
Schutz durch ihren Herren Helge,
Du sollst dich an Torsten rächen!

Helge aber sprach zum Weibe:


Unverdient ward nie getötet
Einer von den Opfern Torstens,
Dennoch werde ich dir folgen.

Und so schlief der Mann beim Weibe.


Aber in der Morgenstunde
Nahm sich seine Waffen Helge,
Schwert und Schild, zu nehmen Rache.

Als das sah die Ehegattin,


Sprach sie zu dem Ehegatten:
Wo sind deine Heeresscharen,
Die du führst zum Krieg der Rache?

Helge sprach zu seinem Weibe:


Ich alleine will mich rächen!
Sprach das Weib zu ihrem Manne:
Du alleine gegen Torsten?

Helge sprach zu seinem Weibe:


Närrin, gestern Abend sprachst du,
Ich soll mich an Torsten rächen,
Heute morgen sprichst du anders.

Aber so seid ja ihr Weiber,


Abends weinen, morgens lachen,
Einmal rückwärts, einmal vorwärts,
Schwankend wie ein Schilf im Sturme.

Auch will ich davon nichts hören,


Daß ich wär zu schwach zum Kampfe,
Du sollst mich nicht länger schmälern
Und absprechen mir die Ehre!

Helge also ritt zu Torsten,


Der war in der Bucht des Kreuzes.
Torsten stand vor seiner Wohnung,
Fragte, warum Helge komme.

Helge sprach: Die Leute sagen,


Ich soll mich an Torsten rächen.
Also fordr’ ich dich zum Zweikampf,
Mög der Bessere gewinnen.
Torsten sprach: O Herre Helge,
Ich soll mich mit Helge schlagen?
Wurm bin ich und nicht ein Mensch mehr,
Fort will ich von dieser Erde!

Helge sprach: Nun komm zum Zweikampf.


Torsten sprach: Doch vor dem Zweikampf
Laß mich bitte Abschied nehmen
Noch von Torarin, dem Vater.

Torsten trat zu seinem Vater:


Helge fordert mich zum Zweikampf.
Sprach der Vater zu dem Sohne:
Lieber tot sein als ein Feigling!

Lieber will ich dich verlieren,


Als zum Sohne einen Feigling
Mir zur bittern Schmach zu haben,
Aber Helge ist der Stärkre.

Torsten kämpfte nun mit Helge,


Aber in der Abendröte
Helge sprach ermattet, dürstend:
Durstig macht mich dieser Zweikampf.

Torsten sprach zu Helge freundlich:


Trink doch Wasser aus dem Brunnen.
Helge Wasser trank vom Brunnen,
Torsten spielte mit dem Schwerte.

Wieder kämpften sie mit Schwertern,


Aber Helge sprach zu Torsten:
Halt, die Senkel meiner Schuhe
Lösten sich, ich muß sie binden.

Torsten sprach: Die Senkel binde.


Helge band die Senkel wieder,
Torsten spielte dabei friedlich
Mit dem Schwert in seinen Händen.

Und die beiden kämpften weiter.


Helges Schneide seines Schwertes
Wurde stumpf vom vielen Schlagen
Auf den Schild des starken Torsten.

Torsten sagte: Eine Pause!


Torsten holte aus dem Hause
Nun ein neues Schwert für Helge,
Neues Schwert mit scharfer Schneide.

Torsten sprach dabei zu Helge:


Über mir mein Unstern waltet,
Darum werde ich nicht siegen,
Über dir dein Glücksstern waltet.

Hätte ich dich töten können,


Ich bewies dir meine Treue,
Will dir meine Jugend weihen,
Treu dir dienen als dein Kämpfer.

Helge sprach: Erlaube aber,


Daß ich red mit deinem Vater.
Und zu Torarin, dem Vater,
Helge trat in seine Kammer.

Torarin, der Vater, fragte,


Wer in sein Gemach gekommen.
Helge sagte, Helge käme,
Torstens Tod dem Vater melden.

Hat mein Sohn sich gut geschlagen?


Also frug der Vater Helge.
Helge sprach: Ein starker Krieger
War in seinem Leben Torsten.

Aber du, o alter Vater,


Sollst an meinem Hofe leben,
Ich will wie ein Sohn dir werden
Und dich lieber Vater nennen.

Torarin, der Vater, sagte:


Von der Gunst des Herrn zu leben
Ist wohl gut im ersten Jahre,
Aber dann wird man zum Bettler.

Aber willst du mich zum Vater,


Dann tritt näher an mein Bette.
Helge trat heran ans Lager,
Torarin griff nach dem Messer.

Helge rief: Du alter Glatzkopf!


Torsten lebt, der starke Krieger,
Torsten will mir fortan dienen,
Dich will immer ich versorgen.

Torsten diente also Helge


In den stolzen Jugendtagen,
Bis er später diente besser
Seinem heilgen König Olaf.

ZWEITER GESANG
Torsten war ein Mensch voll Güte,
Allen gab er viele Gaben,
Gerne schenkte er Geschenke,
Gerne gab er all sein Geld hin.

In der Lust zu schenken maßlos,


Mahnte immer ihn sein Vater,
Seines Vaters schärfsten Vorwurf
Mußte Torsten stets ertragen.

Alles unternahm sein Vater


Zur Absicherung für Torsten,
Stets der Tadel seiner Klugheit
War: Du bist verschwendungssüchtig!

Als nun Torarin verstorben


Und vor Christus trat der Vater,
Da war Torsten überglücklich:
Muß ich ihn nun nicht mehr hören!

Vaters Rat muß ich nicht hören,


Ich kann mich nun selbst beraten.
Torsten dachte, seine Mutter
Dagmar denke auch wie Torsten.

Seine Mutter Dagmar hatte


Stets geschwiegen voller Demut,
Aber auch die Mutter Dagmar
Immer tadelte nun Torsten.

Torsten, ich bin deine Mutter,


Und als deine Mutter sag ich:
Die Verschwendungssucht macht arm dich,
So wirst du zu einem Bettler!

Aber da half keine Mahnung,


Torsten gab noch immer gerne,
Alles gab er, was er hatte,
Und er sang vom Glück des Schenkens.

Nun starb bald auch seine Mutter,


Auch die Mutter trat vor Christus,
Da war Torsten überglücklich,
Daß die Mutter nicht mehr tadelt.

Nun bin ich allein auf Erden,


Kann nun leben wie mein Herz will.
Jedem gab er Geld und Silber
Und verschenkte all sein Erbe.
Das muß ich nicht breit erzählen,
Kurz, zum Armen wurde Torsten.
Nur sein Pferd besaß noch Torsten
Und ein Beutelchen voll Silber.

Seine Freunde ihn verließen,


Arme haben keine Freunde.
Torsten ließ die falschen Freunde,
Fort ritt er auf seinem Pferde.

Torsten ritt nun öde Wege,


Seine Seele war voll Trauer,
Sicher muß er hier verlassen
Dieses Leben auf der Erde.

Wandern, wandern, weiter wandern,


Das ist alles, was er tun muß.
Auf dem Hofe eines Bauern
Bat um Unterkunft der Wandrer.

Schlief er in der Nacht sehr ruhig,


Aber morgens war der Hof leer,
Sah er vor dem Hof den Bauern
Grimmig auf dem Friedhof graben.

Warum gräbst du auf dem Friedhof?


Fragte Torsten nun den Bauern.
Sprach der Bauer: Diese Tote
Ist mir noch ihr Silber schuldig.

Unten in dem Grab des Sarges


Ist ihr Ring mit Amethysten,
Ruhen soll sie nicht im Grabe,
Soll im Jenseits Ruh nicht finden.

Torsten sprach: Darf ich bezahlen


Dir die Schulden dieser Toten?
War der Bauer einverstanden,
Ruhte weiter still die Tote.

Torsten gab sein letztes Silber,


Frug den Bauern dann des Weges
Zu den Siedlungen der Menschen,
War zu einsam seine Seele.

Wies der Bauer ihm die Straße


Zu den Siedlungen der Menschen:
Kommst du aber an den Kreuzweg,
Reite südwärts und nicht nordwärts.

Torsten kam bald an den Kreuzweg,


Ritt ein wenig Richtung Süden,
Dachte, wie es lustig wäre,
In den Norden doch zu reiten.

Ritt er also in den Norden,


Kam zu einem leeren Schlosse,
Sieben Betten in dem Schlosse
Und ein Tisch mit sieben Tellern.

Torsten deckte alle Teller


Mit der Speise aus der Küche
Und bereitete die Betten
Auch mit frischgewaschnen Laken.

Schließlich ruhte er im Winkel,


Wartend auf die Schlossbewohner.
Schließlich knarrte laut die Pforte
Und die Schlossbewohner kamen.

Riesen kamen in die Schlossburg


Und der erste Riese sagte:
Hier ist einer, dem ich werde
Wohl mitspielen müssen übel!

Doch der andre Riese sagte,


Der da war der größte Riese:
Nein, der machte uns das Essen
Und bereitete die Betten,

Der steht unter meinem Schutze,


Und ich bin der stärkste Riese.
Und der Riese sprach zu Torsten:
Bleibe bei uns eine Woche!

Bleib nicht nur an diesem Tage,


Sondern bleibe eine Woche,
Mach du uns ein leckres Essen
Und bereite unsre Betten.

Torsten sagte zu dem Riesen:


Gut, ich bleibe eine Woche.
Aber Torsten blieb drei Jahre
In der Schlossburg bei den Riesen,

Machte ihnen leckres Essen


Und bereitete die Betten.
Überfiel ihn Langeweile,
Trank er eine Flasche Rotwein.

Alle Räume anzuschauen


In der Schlossburg war erlaubt ihm,
Bis auf das verbotne Zimmer,
Das er nicht betreten durfte.
Nur der größte aller Riesen
Konnte diesen Raum betreten,
Denn um seinen Hals am Kettchen
Trug zum Raume er den Schlüssel.

Torsten sprach zum großen Riesen:


Treu war ich in kleinen Dingen,
Laß nun auch in großen Dingen
Meine Treue dir beweisen,

Laß mich ins verbotne Zimmer!


Doch der große Riese sagte:
Treu warst du in großen Dingen,
Doch das Zimmer ist verboten.

Was in dem verbotnen Zimmer


Sich befindet, das ist nichtig,
Nichts sind alle Kreaturen,
Sein alleine hat die Gottheit.

Torsten aber listig, heimlich


Machte vom geheimen Schlüssel
Einen Abdruck sich im Brotteig
Und er feilte einen Schlüssel.

Und er trat ins dunkle Zimmer


Und entzündete die Kerze,
Sah ein Mädchen angebunden
An kastanienbraunen Haaren,

Dürr das Mädchen, abgemagert,


Dem Skelett gleich eines Toten.
O wer bist du, liebes Mädchen?
Fragte Torsten dieses Mädchen.

Ich bin May-Britt, bin die Tochter


Eines Königs und mein Vater
Ist in Dänemark der König,
Aber ich bin hier gefangen,

Weil der Riese mich zur Frau will,


Aber ich will ihn zum Mann nicht.
Torsten liebte jenes Mädchen,
Dänemarks Prinzessin May-Britt.

Und er schlich sich alle Tage


Heimlich ins verbotne Zimmer
Und gab May-Britt Wabenhonig,
Bis sie wieder kräftig wurde.

Torsten sprach zum großen Riesen:


Ich war treu in großen Dingen,
Gib als Lohn mir, mein Gebieter,
Was da im verbotnen Zimmer.

Zwar das wollte nicht der Riese,


Torsten aber konnte betteln,
Konnte bitten, konnte flehen,
Also sagte Ja der Riese.

Und nach einem schönen Sommer


Tat der Riese auf das Zimmer,
Staunte, wie so schön sei May-Britt,
Welche Wohlgestalt der Körper!

Torsten aber nahm sich May-Britt


Und entfloh der düstern Schlossburg.
May-Britt, dieses schöne Mädchen,
Schien die Seele seiner Seele.

May-Britt aber, die Prinzessin


Dänemarks, sprach so zu Torsten:
Riesen werden dich verfolgen,
Nimm die Rüstung, nimm die Waffen.

Wahrlich, sieben Riesen eilten,


Zu bekämpfen Torsten grimmig.
Torsten rang mit allen Riesen,
Sechs der Riesen schon bezwingend,

Lag er unterm siebten Riesen!


May-Britt nahm das Schwert des Helden
Torsten, schlug dem siebten Riesen
Seinen Schädel ab vom Rumpfe!

Torsten nahm Prinzessin May-Britt,


Eilte zu dem Strand des Meeres,
Sahen sie ein Schiff sich nahen,
Gingen sie an Bord des Schiffes.

Auf dem Schiff war der Minister,


Der dem Vater May-Britts diente,
Ihm versprach der Vater May-Britts
Ehelich die Hand der Tochter.

Der Minister aber Torsten


Setzte aus im kleinen Boote
Und erklärte sich zum Retter
Seiner dänischen Prinzessin.

Torsten in dem kleinen Boote


Trieb in aufgewühlter Ostsee
Und die Macht des Elementes
Drohte ihm mit frühem Tode!

Da erschien der Toten Seele,


Der einst Torsten in dem Grabe
Ihre Grabesruhe wahrte
Und bezahlte ihre Schulden,

Dankbar war der Toten Seele


Und sie führte in dem Boote
Torsten bis hinauf nach Norweg
Zu dem heilgen König Olaf!

DRITTER GESANG

Einst der heilge König Olaf


War bei einem Festgelage
Auf der Blumeninsel Öland,
Torsten war bei ihm, sein Krieger.

Abends an dem Tisch beim Trinken


Sprach der heilge König Olaf:
Will im Freien einer pissen,
Soll er nicht alleine gehen,

Sonst geschehen wird ein Unglück,


Sprach der heilge König Olaf.
Alle tranken fleißig weiter
Von dem besten roten Weine.

Die Germanen trinken wenig,


Aber oft Germanen trinken,
Wenn Germanen aber trinken,
Trinken reichlich die Germanen.

Dann ging jedermann zu Bette.


In der Nacht in seinem Bette
Torsten wach ward vom Bedürfnis,
Torsten wollte draußen pissen.

Aber alle andern schliefen,


Torsten wollte keinen wecken,
Also ging er in das Freie
Einsam, ohne sich zu fürchten.

Sah er aber in dem Freien


Stehen einen runden Steintisch,
Um den Tisch zwölf Stühle standen,
Torsten setzte sich auf einen.
Plötzlich kam herbei ein Toter,
Der sich setzte an den Steintisch.
Torsten sprach zum Totengeiste:
Toter, sag mir deinen Namen!

Ich bin Torkel, auch geheißen


Werde ich der dünne Torkel.
Einst mit König Harald Kriegszahn
Fiel ich auf dem Schlachtgefilde.

Woher kommst du, fragte Torsten.


Aus der Hölle, sprach der Tote.
Torsten sprach: Wie ist die Hölle?
Und wem geht es dort am besten?

Siegfried geht es dort am besten,


Denn er heizt dort einen Ofen.
Torsten sprach: Das ist nichts schlimmes.
Sprach der Geist: Er ist das Feuer!

Torsten sprach: Wie ist die Hölle,


Wem geht’s dort am meisten übel?
Sprach der Geist: Dem alten Starkard
Geht es übel in der Hölle,

Sein Gebrüll ist selbst für Teufel


Sehr unangenehm zu hören,
Alle Toten, alle Teufel
Finden darum keine Ruhe.

Warum schreit er so, sprach Torsten,


Was denn leidet er für Qualen?
Sprach der Geist: Der alte Starkard
Zu den Knöcheln steht im Feuer.

Das ist nicht so schlimm, sprach Torsten,


Für so einen großen Helden.
Sprach der Geist: Sein ganzer Leib brennt,
Ragen nur heraus die Füße!

Ja, sprach Torsten, das ist schrecklich,


Schrei doch einmal seine Schreie.
Sprach der Tote: Nun, so schrei ich.
Und er schrie ein lautes Schreien.

Torsten hielt sich zu die Ohren,


Ward ihm übel von dem Schreien.
Also schreit der alte Starkard,
So am lautesten schreit Starkard?

Nein, so schreien kleine Teufel,


Sprach der Geist, die Schreie Starkards
Sind noch schrecklicher und stärker.
Und der Tote schrie entsetzlich!

Torsten staunte, dass der Tote


Solche Schreie schreien konnte.
Torsten beinah fiel in Ohnmacht
Vor dem widerlichen Schreien.

So am lautesten schreit Starkard?


Frug den Geist des Toten Torsten.
Nein, sprach der, das ist sein Flüstern,
Seine Schreie sind noch lauter.

Torsten sprach zum Geist des Toten:


Also schrei die Schreie Starkards,
Wie am lautesten schreit Starkards,
Also sollst du einmal schreien.

Torsten hielt sich zu die Ohren,


Atem holte nun der Tote
Und er brüllte so entsetzlich –
Da erklang die Kirchenglocke.

Da verschwand der Geist des Toten.


Torsten aber ging zu Bette.
Morgens sprach der heilge Olaf:
War alleine jemand draußen?

Schlechte Laune hatte Olaf.


Torsten sprach: Ja, ich war draußen,
Aber es ist nichts geschehen,
Jedenfalls nichts allzu Schlimmes.

Sprach der heilge König Olaf:


Eigensinnig sind Germanen,
Übertreten die Gebote.
Aber was hast du gesehen?

Torsten alles nun erzählte.


Sprach der heilge König Olaf:
Warum ließest du ihn schreien
In der Nacht, den Geist des Toten?

Torsten sprach zum heilgen Olaf:


Hattest du uns doch geboten,
Nicht allein heraus zu gehen,
In der dunklen Nacht zu pissen.

Draußen war ich nun alleine,


Aber als ich schaute Torkel,
Ließ ich diesen Geist so schreien,
Daß du davon wach wirst, König.
Denn ich dachte: Wird mein König
Wach, der heilge König Olaf,
Dann ist mir auch gleich geholfen.
König Olaf sprach: So wars auch,

Denn ich wurde wach vom Schreien,


Ließ die Kirchenglocke läuten,
Nichts vermochte sonst zu helfen
Als Geläut der Kirchenglocke.

VIERTER GESANG

Torsten war beim König Olaf,


Bei dem heilgen König Olaf,
In Thor-Hammerstadt in Norweg
Residierte König Olaf.

Torsten ward Gefolgsmann Olafs,


Der hielt ihn für einen Helden.
An dem Hof die andern Leute
Meinten, Torsten sei barbarisch.

Olaf gab ihm manchen Auftrag,


Schickte ihn auf manche Seefahrt,
Oft auch Schätze zu erwerben,
Manches Kleinod für den König.

Einmal Torsten war in Finnland,


Irgendwo im Land der Lappen.
Als die Sonne stand im Osten,
Torsten stand an einem Hügel.

Sah er einen kleinen Knaben,


Sprach der Knabe: Liebe Mutter,
Gib mir meinen Zauber-Krummstab,
Will ins Land der Toten fliegen.

Und da kamen aus dem Hügel


Hände, einen Krummstab reichend.
Ritt der Knabe auf dem Krummstab,
Flog er in das Land der Toten.

Torsten drauf sprach auf dem Hügel:


Mutter, gib mir meinen Krummstab!
Sprach die Mutter: Wer denn bist du?
Torsten sprach: Dein zweites Söhnchen.

Torsten ritt dem kleinen Knaben


Auf dem Krummstab nach, im Fluge
Kamen sie zur Welt der Toten,
Kamen zu dem Fluss aus Feuer,

Kamen zu der Lebensquelle,


Kamen zu dem goldnen Schlosse,
Da der Toten-König lebte
Mit der Königin der Toten.

Alle saßen an der Tafel,


Tranken aus den goldnen Bechern
Alten allerbesten Rotwein
Und berauschten sich am Rotwein.

Torsten aber und der Knabe


Waren unsichtbar den Toten.
Und der Knabe, Speise sammelnd,
Lief von einem Tisch zum andern.

Eben kam ein neuer Toter,


War aus Indien ein König,
Brachte er dem Totenkönig
Einen Ring von Gold und Silber.

Torsten sah auch auf dem Tische


Schön das seidenweiße Tischtuch,
Rings besetzt mit Edelsteinen.
Torsten wollte Ring und Tischtuch.

Torsten betend mit dem Herzen


Betete zum heilgen Olaf,
Nahm den Ring von Gold und Silber
Und das seidenweiße Tischtuch.

Torsten floh, die Toten folgten,


Torsten kam zum Feuerflusse,
Alle Toten ihn umringten,
Torsten tötete viel Tote.

Da kam auch der kleine Knabe,


Reichte Torsten seinen Krummstab,
Kamen sie zur Welt des Lichtes,
Stand dort schon des Knaben Mutter.

Sprach die Mutter: O mein Knabe,


Wer ist der an deiner Seite?
Sprach der Knabe: Das ist Torsten,
Und ein großer Held ist Torsten.

Torsten ging zu König Olaf,


In Thor-Hammerstadt in Norweg
Torsten überreichte Olaf
Ring und Tischtuch als Geschenke.

Torsten wollte noch nach Öland,


Dieser blauen Blumeninsel
Schwedens, aber über Winter
Blieb beim König er in Norweg.

Aber als der Frühling nahte,


Da fuhr Torstens Schiff nach Oslo.
Da sah einen Zwerg er sitzen,
Bis zum Boden ging der Bart ihm.

Doch der Zwerg mit langem Barte


Weinte: Weh mir! Gottes Adler
Hat entführt mein kleines Söhnchen,
Der soll Mundschenk Gottes werden!

Torsten gleich mit Pfeil und Bogen


Schoß den Adler ab vom Himmel,
Trug das goldne Zwergensöhnchen
Wieder zu dem Zwergenvater.

Torsten sprach zum Zwergenvater:


Tröste nun dein Zwergensöhnchen!
Sprach der Zwerg: Was willst du haben
Für die große Tat der Rettung?

Torsten sprach zum Zwergenvater:


Gutes tut man, weil es gut ist.
Das braucht keiner zu belohnen.
Lohn ist in sich selbst das Gute.

Sprach der Zwerg: Nimm meinen Mantel,


Der ist aus dem Fell des Lammes,
Trägst du ihn, wird dir nichts schaden,
Trag du nur den Lammfellmantel.

Nimm auch meinen Ring von Silber,


Stets hast du genug des Geldes,
Immer reichlich Öre-Münzen,
Dich wird nicht das Elend plagen.

Nimm du auch dies schwarze Steinchen,


Reibst du es mit deinen Händen,
Bist du unsichtbar den Menschen,
Bist du unsichtbar den Riesen.

Nimm auch dieses bunte Dreieck,


Weißer, goldner, roter Farbe.
Das sei deine Macht und Stärke
Und in großen Nöten Rettung.
Schlägst du auf die weiße Stelle,
Kommen harte Hagelkörner.
Schlägst du auf die goldne Stelle,
Kommt die große Sonnenhitze.

Schlägst du auf die rote Stelle,


Blitze kommen dann und Donner.
Und des Zwergenvaters Gaben
Torsten nahm entgegen dankbar.

Torsten fuhr mit seinen Leuten


Übers Meer in seinem Schiffe,
Bis in einem Fjord geankert
Sie und frische Lachse aßen.

Torsten ließ dort seine Männer


Bei dem Schiffe, ging alleine,
Ging allein durch finstre Wälder,
Sah er hohe Riesen reiten.

Sah er in der Morgenröte


Drei sehr große Männer reiten,
Zwei in scharlachroten Kleidern,
Ritten schnell auf grauen Hengsten.

Einer ritt in goldnen Kleidern


Schnell auf einem weißen Pferde.
Sprach der eine zu den beiden:
Was denn lebt dort bei der Eiche?

Wer denn bist du? Torsten sagte:


Ich bin Torsten, Olafs Krieger.
Sprach der Mann: Ein Krieger bist du?
Ich nenn lieber dich ein Kindlein!

Torsten sprach: Wie ist dein Name?


Sprach der Mann: Ich heiße Godmund,
Bin der Sohn von einem König
Und mir dient das Land der Riesen.

Ich will in das Land der Heiden,


Denn dort herrscht der König Gerhard,
Er soll mich an Vaters Stelle
Nun zu einem König machen.

Zwischen unserm Lande aber


Und dem kalten Land der Heiden
Fließt ein Fluß, der breit und kalt ist,
Eiskalt ist des Flusses Wasser.

Diese zwei an meiner Seite,


Das sind meine besten Helden,
Ist des einen Name Vollkraft,
Ist des andern Name Allkraft.

Torsten sprach: Ich möchte gerne


Mit euch reiten in den Norden.
Godmund sprach: Du aber, Torsten,
Bist doch einer von den Christen,

Die an Jesus Christus glauben!


Aber gut ist es und sicher,
Wenn uns schützt der heilge Olaf,
Darum reite mit uns, Torsten.

Also kamen sie zum Flusse,


Dessen Wasser kalt wie Eis war.
Godmund ritt auf seinem Schimmel
Durch die eisigkalten Fluten.

Torsten auch saß auf dem Schimmel,


Doch berührte mit dem Fuße
Torsten jenes kalte Wasser,
War als ob ein Blitz ihn träfe.

Als sie also drüben waren,


Schlug sich Torsten eine Zehe
Von dem Fuße. Godmund staunte,
Er hielt Torsten für sehr mutig.

Torsten sprach zu Godmund aber:


Ich will unsichtbar begleiten
Euch zum Königreich der Heiden.
Da war einverstanden Godmund.

So sie kamen zu der Halle


In der Burg des Heidenkönigs,
Aßen Fleisch und tranken Rotwein
Und dann gingen sie zu Bette.

Aber an dem nächsten Morgen


Godmund trat zum Heidenkönig.
Gab der Heidenkönig Gerhard
Godmund einen Königsmantel.

Godmund aber hob das Kuhhorn


Voll mit Honigmet und trank es
Aus in Einem Zug und sagte:
Treue schwöre ich dem König!

Unter Gerhards Leuten aber


Waren zwei verstockte Sünder.
Jörkul hieß der eine Sünder,
Frosti hieß der andre Sünder.
Jörkul nun und Frosti fingen
An zu zanken und zu streiten
Und sie stritten sich mit Vollkraft
Und sie stritten sich mit Allkraft.

Sie bewarfen sich mit Knochen,


Sie bewarfen sich mit Schädeln,
Warfen Feuereisenkugeln
Und begannen dann zu ringen.

Groß und stark war wahrlich Vollkraft,


Aber Jörkul war noch stärker,
Groß und stark war wahrlich Allkraft,
Aber Frosti war noch stärker.

Ihre Bosheit ihre Stärke


Und sie hätten auch gewonnen,
Wenn nicht unsichtbar noch Torsten
Seinen Freunden beigestanden.

Torsten siegte mit den Knochen,


Torsten siegte mit den Schädeln,
Mit den Feuereisenkugeln
Und im Ringkampf siegte Torsten.

Aber da kam König Gerhard


An mit einem Menschenschädel,
Der war voll mit schwerem Rotwein,
Gerhard forderte nun Godmund:

Kannst du diesen Menschenschädel


Mit dem schweren roten Weine
Trinken leer in Einem Zuge,
Dann will ich dich gehen lassen.

Aber unsichtbar stand Torsten


Bei dem jungen König Godmund.
Und den Wein des Menschenschädels
Trank er leer in Einem Zuge.

Torsten war ein Held im Kämpfen,


Mehr noch als ein Held im Kämpfen
War ein Held im Trinken Torsten,
Keiner trank so viel wie Torsten!

Godmund, Torsten, Vollkraft, Allkraft,


Gingen nun zu ihren Pferden.
Doch der Heidenkönig Gerhard
Wollte sie nicht gehen lassen.

Torsten aber machte Hagel,


Harte Hagelkörner schlugen
Nun in Stücke Gerhards Halle
Und verletzten auch den König.

Torsten machte Sonnenhitze,


Sonnenhitze schmolz den Hagel,
Überflutete das Wasser
Nun die Burg des Heidenkönigs.

Torsten aber machte Donner,


Torsten aber machte Blitze,
Funken, Flammen, Feuerpfeile,
Und so starb der Heidenkönig.

Aber da erblickte Torsten


Einen großen Apfelgarten.
Godmund Abschied nahm von Torsten,
Sagte: Lob sei Jesus Christus

Und dem heilgen König Olaf!


Wenn du kommst zum heilgen Olaf,
Gib ihm diesen goldnen Becher
Und dies seidenweiße Tischtuch.

Aber in dem Apfelgarten


Torsten schaute eine Jungfrau,
Siv war dieser Jungfrau Name,
Torsten liebte Siv von Herzen

Gleich vom ersten Augenblicke.


Siv und Torsten nun gemeinsam
Nach Thor-Hammerstadt sie zogen
Zu dem heilgen König Olaf.

Heilger Olaf, sagte Torsten,


Lehre Siv den Christenglauben,
Nimm sie auf in Christi Kirche
Durch das Sakrament der Taufe.

Und dann segne unsre Ehe.


Siv ward Torstens Ehegattin
Und sie lebten auf der Insel
Öland in vertrauter Liebe.

Siv ward schwanger dann von Torsten


Und gebar ein süßes Mädchen,
Diese ward genannt mit Namen
Tordis in der Taufe Gottes.

Und dass nicht Gespenster, böse


Geister seine Tordis plagten,
Brachte Torsten an am Hause
Segensreich die Kreuze Christi.

FÜNFTER GESANG

Torsten lebte mit der Gattin


Siv in Thorhallstadt im Seetal.
Ihre kleine Tochter Tordis
War entwöhnt schon von den Brüsten.

Torsten hatte viele Tiere,


Eine große Herde Schafe,
Auf der Weide aber schaurig
Lebte ein Gespenst und Spukgeist.

Keiner wollte Schafe hüten,


Hirte sein bei Torstens Herde.
Torsten ging zum alten Manne
Torodson, sich zu beraten.

Torodson der Alte sagte:


Ich kenn aber einen Hirten,
Der ist grob und ohne Bange
Vor den spukenden Gespenstern,

Gram sein Name, er ist grausam,


Darum fürchten ihn die Leute.
Gram ist leider auch voll Streitsucht,
Stiftet Zank oft unter Leuten.

Aber den nimm dir zum Hirten,


Der nicht bangt vor den Gespenstern.
Torsten ging vom alten Manne
Fort und wollte Gram zum Hirten.

Doch zwei Eselshengste waren


Fortgelaufen, Torsten suchte
Seine beiden Eselshengste,
Da traf er auf Gram, den groben.

Gram war groß und dick wie Ochsen.


Doch sein Haar war wie vom Grauwolf,
Seine Augen kalt und eisern,
Torsten war es fast zum Gruseln.

Was ist deine Lieblingsarbeit?


Fragte Torsten. Gram gab Antwort:
In dem Winter in dem Froste
Andrer Leute Herden hüten.
Torsten sprach: Mich hat beraten
Torodson, ich soll dich nehmen.
Gram der Grobe aber sagte:
Ich behalte meine Freiheit..

Wenn mich überfällt der Ärger,


Werde grimmig ich und zornig.
Torsten sagte: Doch ich nehm dich.
Doch bei meiner Herde spukt es.

Gram der Grobe aber sagte:


Spukgespenster sind mir lieber
Als die Menschen dieser Erde,
Ja, ich mag die Spukgespenster.

Torsten fand die Eselshengste,


Dankte Torodson dem Alten,
Ging dann heim zu Frau und Tochter
Und da kam die schöne Weihnacht.

Gram gekommen war zur Herde,


Weidete im Winter Schafe,
Brüllte donnernd wie der Nordsturm,
Niemand hatte lieb sein Wesen.

Siv auch liebte nicht den Groben,


Siv vor allen, ihn verachtend,
Sagte: Nie traut sich der Unhold
In die liebe Kirche Gottes!

Ohne Glauben, eigensinnig,


Ohne Freundlichkeit des Herzens,
Ohne Lächeln, ohne Liebe,
Stets war grimmig Gram der Grobe.

An dem Tage vor der Weihnacht


Gram verlangte nach dem Essen.
Siv sprach aber, Torstens Hausfrau:
Morgen ist das Fest der Weihnacht,

Und daß Gottes Sohn geboren


Wird in seiner Frommen Herzen,
Wollen wir vorm Feste fasten,
Fasten Gott zum Wohlgefallen.

Grimmig sagte Gram der Grobe:


Besser waren noch die Menschen,
Als sie wilde Heiden waren,
Konnten fressen, konnten saufen!

Siv sprach aber, Torstens Hausfrau:


Dir wird es noch schlecht ergehen!
Gram fraß aber Fleisch in Menge
Und es roch sein Atem übel.

Draußen aber war ein Schneesturm


Und es heulte in den Lüften
Und die Nacht war undurchdringlich,
Gram war ganz alleine draußen.

Torsten, Siv und Tordis gingen


In den Gottesdienst der Weihnacht,
Unsre Liebe Frau zu grüßen,
Die den Gottessohn geboren.

Gram der Grobe blieb verschwunden,


An dem Tage nach der Weihnacht
Suchten alle aus dem Dorfe
Draußen nach dem wilden Heiden.

Und sie fanden nicht die Herde,


Fanden nur noch auf den Bergen
Knochen von den toten Schafen,
Schenkelknochen, Widderschädel.

Sahen eine rote Blutspur,


Gram der Grobe blieb verschwunden.
Wohl das Spukgespenst des Ortes
Hat getötet Gram den Groben.

Später fanden sie die Leiche


Grams, sie wollten seine Leiche
Tragen in die Kirche Gottes,
Konnten doch sie nicht bewegen,

War so schwer des Toten Leiche,


Denn selbst seine Leiche wollte
Christlich nicht begraben werden
In der lieben Kirche Gottes.

Wollten sie die Heidenleiche


Draußen auf dem Feld begraben,
Sollt ein Kreuz auf seinem Grabe
Stehen durch die Hand des Priesters,

Kam der Priester zwar gegangen,


Fand doch nicht des Heiden Leiche,
Sich verbarg die Heidenleiche
Vor dem gottgeweihten Priester.

Nur die Bauern ihn begruben


Unter einem Haufen Steine,
Wandten schauernd sich vom Grabe
Und entflohen mit Entsetzen.
Seit dem Tage seines Todes
Aber spukte Gram der Grobe,
Ritt sein Totengeist im Winter
Immer auf den Häuserdächern,

Ging sein Totengeist im Winter


Durch die Dörfer, durch die Felder
Und zerstörte viele Häuser
Und erschreckte viele Seelen.

Aber in der Zeit des Frühlings


Kam ein großes Schiff gefahren,
Torgaut war darauf der Seemann,
Unbeweibt, allein war Torgaut.

Torsten trat herauf zum Schiffe


Und er sprach zum Schiffer Torgaut:
Willst du meine Herde hüten?
Aber Vorsicht, es gespenstert!

Torgaut aber sprach zu Torsten:


Ich will deine Herde hüten,
Hab nicht Angst vor den Gespenstern,
Was man auch am Abend munkelt.

Also auf der Sommerweide


Torgaut hütete die Schafe,
Aber als die Herbstzeit nahte
Gram der Grobe wieder spukte.

Gram ritt auf den Häuserdächern,


Aber Torgaut sprach zum Toten:
Komm mir einmal nahe, Spukgeist,
Dann will ich dich Saures lehren.

Wieder kam heran die Weihnacht.


Torsten ging mit Siv, der Hausfrau,
Und der jungen Tochter Tordis
In der Weihnacht in die Kirche.

Torgaut aber bei der Herde


Hütete die Schafe draußen,
Schneesturm brüllte an dem Himmel,
Frostigklar die Sterne glänzten.

Siv, die Hausfrau, sprach zu Torsten


Leise in der Kirche Gottes:
Daß nur Torgaut nicht auch sterbe
Und ermordet wird vom Spukgeist.

An dem schönen Weihnachtsfeste


Speisten die gebratne Ente
Siv und Torsten und die Tochter,
Torsten trank vom roten Weine.

An dem Tage nach der Weihnacht


Torsten sprach zur Dorfgemeinschaft:
Laßt uns jetzt nach Torgaut schauen,
Ob er lebt noch bei den Schafen.

Torsten und die Dorfbewohner


Suchten auf der Weide Torgaut,
Fanden nur noch Menschenknochen,
Nur zerbrochne Knochenreste.

Trauernd trugen sie die Knochen


In die liebe Kirche Gottes
Und beerdigten die Knochen
Unter einem Kreuze Christi

Und der Priester weihte Torgaut


Gott dem Herrn und seinem Sohne
Und empfahl die Seele Torgauts
Unsrer Lieben Frau Maria!

Torgaut fand im Himmel Frieden,


Ruhte in dem Schoße Gottes,
Ging nicht um auf dieser Erde
Als Gespenst und böser Spukgeist.

Alle Bauern aus dem Dorfe


Nun verließen ihre Hütten.
Torsten, Siv und Tordis blieben
Ganz allein in ihrem Hause.

Nur ein alter Rinderhirte


Blieb im treuen Dienst bei Torsten.
Eines Tages in dem Winter
Siv ging hin, die Kuh zu melken.

Da sah sie den Rinderhirten,


Tot lag er, entzweigebrochen
Seines Leichnams Menschenknochen
Von dem Spukgeist, Gram dem Groben.

Pferde, Esel, Kühe, Schafe,


Alle mordete der Spukgeist,
Torsten ging mit der Familie
Traurig fort aus seinem Dorfe.

Torsten blieb bei seinen Freunden,


Bis der Winter war vorüber.
Als der Frühling wiederkehrte,
Ist zurückgekommen Torsten.

Frühling kam und Sommersonne,


Aber als die Herbstzeit nahte,
Nahte wiederum der Spukgeist,
Krank ward Tordis, Torstens Tochter!

Tordis starb, die Tochter Torstens,


Durch das Wirken des Gespenstes!
Da kam aus dem fernen Finnland
Hilfe, kam der heilge Torfinn!

Torfinn blieb bei Siv und Torsten,


Die um ihre Tochter klagten.
Torfinn kämpfte mit dem Geiste
Und er siegte in der Weihnacht!

Frostigklar die Sterne strahlten,


Torfinn mit dem Geiste kämpfend
Sah dem Geiste in die Augen
Und entsetzte sich vor Schrecken!

Als des Geistes Sterben nahte,


Sprach der Geist zum heilgen Torfinn:
Du hast mich besiegt durch Stärke,
Durch die Stärke deines Glaubens.

Doch bevor ich ganz vergehe,


Will ich dich verfluchen, Torfinn:
Völlig einsam sollst du leben,
Außenseiter, allen fremd sein,

Immer deine Seele schaue


Meine Augen voll Verachtung,
Immer sollst du leiden, trauern,
Deine Seele bleibt voll Schwermut!

So besiegte diesen Spukgeist


Torfinn durch die Macht des Glaubens.
Torsten und der heilge Torfinn
Brannten das Gespenst zu Asche.

Nie mehr spukte dieser Spukgeist.


Doch der heilge Torfinn wurde
Außenseiter der Gemeinschaft,
Stets war traurig seine Seele.

Aber Torsten und die Hausfrau


Siv beklagten ihre Tochter:
Gott hat Tordis uns gegeben!
Gott hat Tordis uns genommen!
Gottes Name sei gepriesen!
Nackt sind wir zur Welt gekommen!
Nackt wir gehen zu den Toten!
Halleluja! Halleluja!

PETER

ERSTER GESANG

Singe, märchenhafte Muse,


Singe meinen Helden Peter,
Seine Hochzeit mit Maria
Zu dem Ruhme Jesu Christi.

An der Grenze Frieslands lebte


Einst ein Mann mit Namen Bernhard,
Der nahm sich zum Eheweibe
Seine schöne Dorothea.

Dorothea, arm geboren,


War zwar arm, doch auch gebildet,
War voll Tugend und voll Sitte
Und sie liebte ihren Gatten.

Beide hätten gerne Kinder


Von dem lieben Gott empfangen,
Aber Gott gewährte leider
Nicht die Gnade eines Kindes.

Schließlich sie beschlossen beide,


Einen armen Waisenknaben
Als ihr Kind zu adoptieren,
Peter war im vierten Jahre.

Peter, lieblicher und schöner


Als die andern Waisenkinder,
Ward von ihnen großgezogen
Wie die eigne Frucht des Leibes.

Bald geschah es aber dennoch,


Daß die Mutter Dorothea
Schwanger ward vom Gatten Bernhard
Und gebar ein eignes Söhnchen.

Beide Eltern voller Freude


Nannten Valentin das Söhnchen
Nach dem Schutzpatron der Liebe,
Waren sie vor Liebe närrisch.

Doch die Zwietracht (die die Griechen


Eris nannten), sie, die Feindin
Aller Harmonie und Liebe,
Streit sie stiftet unter Brüdern.

Valentin im Kinderspiele
Konnte Peter gar nicht leiden,
Neidisch war er sehr, weil Peter
Schöner war und vielmals klüger.

Valentin im Zorne einmal


Nannte Peter einen Bastard,
Immer wieder rief er Peter
Bastard, immer wieder Bastard!

Peter sprach: Ich bin ein Bastard?


Meine Mutter Dorothea,
Bist du wirklich meine Mutter,
Bernard, bist du auch mein Vater?

Mutter Dorothea sagte:


Nein, ich hab dich nicht geboren.
Diese Worte seiner Mutter
Stachen Peter in die Seele!

Peter war so voll des Jammers,


Hätt sich beinah selbst ermordet!
Dann beschloß er fortzuwandern,
Seine Eltern zu verlassen.

Als das Dorothea hörte,


Da verfluchte sie den Bastard:
Möge eine Meeresnixe
Ihn hinab ziehn in den Abgrund!

Peter aber zog des Weges,


Wanderte hinab gen Süden,
Kam er in den Wald der Fichten,
In die Teuteburger Waldnacht.

Sah er einen Wolf im Walde,


Einen Adler bei dem Wolfe,
Die Ameise war die dritte,
Stritten um den Hirsch, den toten.
Peter aber voller Weisheit
Teilte nun des Hirsches Körper,
Wolf, Ameise, Adler waren
Ganz zufrieden mit dem Urteil.

Da der Undank ist der Welt Lohn,


Doch die Tiere waren dankbar,
Gaben Peter sie die Gabe,
Je nach Wunsch sich zu verwandeln.

Wollte er ein Adler werden,


Spricht er: Wär ich doch ein Adler,
Also gleich wird er zum Adler,
Gleich drauf wird er wieder menschlich.

Also auch mit Wolf, Ameise.


So die Tiere sich bedankten.
Peter wanderte durch Deutschland,
Kam ins Ammerland, das grüne,

Kam nach Oldenburg. Dort sah er


Die Prinzessin voll der Weisheit,
Unsre Liebe Frau Maria,
Die er wollt zur Ehegattin.

Aber auch ein schwarzer Moslem


Wollte freien Sankt Maria.
Sankt Maria wollte lieber
Einen Christen zum Gemahle.

Zum Turnier geladen waren


Graf und Herzog und die Ritter,
Auch der schwarze Moslem kämpfte
Um die Hand der reinen Jungfrau.

Peter aber sah Maria


Droben stehn auf dem Balkone
Mit den andern Edelfrauen,
Vollmond sie im Kreis der Sterne.

Sagte Peter: Wär ich Adler!


Also Adler wurde Peter,
Flog als Adler in die Kammer
Unsrer Lieben Frau Maria.

Hörte Unsre Frau das Rauschen


Seiner Flügel in der Kammer,
Rief sie: Vater in den Himmeln,
Suchst du heim die Tochter Gottes?

Peter sprach: Wär ich Ameise!


Und Ameise wurde Peter,
Krabbelte im langen schwarzen
Haare Unsrer Frau Maria.

Dann stand Peter da als Peter,


Sprach zur Lieben Frau Maria:
Jungfrau, ich will sein dein Sklave,
Mehr dein eigen als ein Sklave!

Wie soll ich bei dem Turniere


Um die Hand der reinen Jungfrau
Als dein Held vor dir erscheinen,
Welche Kleider soll ich tragen?

Sprach Maria: Weißes Linnen


Sollst du tragen, Weiß des Glaubens.
Und Maria schenkte Peter
Edelsteine, Gold und Silber.

An dem Tage des Turnieres


Peter kam im weißen Linnen,
Peter kam im Weiß des Glaubens,
Ritt auf einem weißen Pferde.

Peter kämpfte mit dem Moslem


Um den Ruhmeskranz des Sieges.
Peter siegte. Alle staunten:
Wer ist dieser Unbekannte?

Unsre Liebe Frau Maria


War sehr froh, dass Peter siegte
Und sie dankte Gott im Himmel:
Vater, Danke dir für Peter!

Als die Nacht herbeigekommen,


Setzte Unsre Frau Maria
Sich allein an ihre Tafel,
Speiste Rinderfleisch und Rotkohl,

Hatte vor sich auf dem Tische


Einen roten Wein aus Frankreich.
Stand die Tür zu dem Balkone
Offen, kam herein der Adler,

Setzte Peter sich zu Tische,


Speiste mit der reinen Jungfrau,
Trank mit ihr vom roten Weine,
Der berauschend war wie Liebe.

Sagte Peter zu Maria:


Wie denn soll ich morgen kommen?
Und Maria sprach zu Peter:
Komm im grünen Kleid der Hoffnung!
Peter kam im grünen Kleide,
Wieder im Turniere siegte
Peter in dem Kleid der Hoffnung
Über jenen schwarzen Moslem.

Und am Abend wieder Peter


Speiste mit der reinen Jungfrau,
Trank mit ihr vom roten Weine,
Der berauschend war wie Liebe.

Sagte Peter zu Maria:


Wie denn soll ich morgen kommen?
Und Maria sprach zu Peter:
Komm im roten Kleid der Liebe!

Peter sagte: Meine Herrin,


Wenn ich morgen nicht erscheine,
So darfst du doch nicht verzweifeln,
Sondern weiter an mich glaube.

Und am dritten Tag des Kampfspiels


Nicht erschien im roten Kleide
Seiner Liebe Ritter Peter,
Sondern Peter war verschwunden.

Unsre Liebe Frau Maria


Aber ging im roten Kleide,
Aber ging im roten Rocke,
Unsre Frau der Schönen Liebe!

Peter wanderte zur Nordsee


Und bestieg ein Schiff im Hafen
Norddeich, fuhr zur Insel Baltrum,
Weiter fuhr er auf die Nordsee,

Denn der Fluch der Mutter Peters


Mußte sich zuerst erfüllen.
Aus dem grauen Meer der Nordsee
Tauchte auf die nackte Nixe,

Lang die rötlichblonden Locken,


Klein und straff die Mädchenbrüste,
Vor die Scham hielt sie das Händchen,
Und sie stand auf einer Muschel.

Halb sie zog ihn, halb versank er


In der nackten Nixe Armen.
Doch der Seemann Ulrich Ulrichs
Sah es, sagte es Maria.

Und Maria voller Kummer


Mit dem kleinen Jesuskinde,
Der vier Jahre zählte eben,
Fuhr im Schiffe auf die Nordsee.

Unsre Liebe Frau Maria


Hatte einen Bronze-Apfel,
Hatte einen Silber-Apfel,
Hatte einen goldnen Apfel.

Und Maria kam zur Stelle,


Wo die schöne nackte Nixe
Peter in das Meer gezogen,
Jesulein begann zu weinen.

Unsre Frau, den Herrn zu trösten,


Gab ihm ihren Bronze-Apfel.
Tauchte auf die nackte Nixe,
Sprach die Nixe zu Maria:

Gib mir deinen Bronze-Apfel,


Gib ihn mir zum Preis der Schönheit,
Dann will ich dir Peter zeigen,
Zeige dir das Haupt des Mannes.

Unsre Frau gab Jesu Spielzeug


Nun der Nixe in dem Meere,
Peter tauchte aus dem Meer auf,
Voll sein Bart und dicht sein Haupthaar.

Jesulein begann zu weinen,


Unsre Frau, den Herrn zu trösten,
Reichte ihm den Silber-Apfel,
Sprach die Nixe zu Maria:

Gib mir deinen Silber-Apfel,


Bin die Schönste doch der Frauen,
Dann will ich dir Peter zeigen,
Zeig dir seinen Oberkörper.

Unsre Frau gab Jesu Spielzeug


Nun der Nixe in dem Meere,
Peter tauchte aus dem Meer auf
Mit dem runden Oberkörper.

Jesulein begann zu weinen,


Unsre Frau, den Herrn zu trösten,
Gab ihm ihren goldnen Apfel,
Sprach die Nixe zu Maria:

Gib mir deinen goldnen Apfel,


Sollst den ganzen Peter sehen.
Unsre Frau gab ihr die Goldfrucht,
Und so ward gerettet Peter.

Unsre Frau Maria sagte:


Freund, zur Strafe deiner Sünden
Will ich eine Zeit verschwinden,
Aber suche mich von Herzen!

ZWEITER GESANG

Peter lebte nun in Friesland


In der Burg des Grafen Frieslands,
Bei dem frommen Grafen Ulrich
In der festen Burg von Berum.

Ulrich hatte schöne Töchter,


Drei der Gräfinnen voll Hochmut,
Elsa, Frauke, Kunigunde
Waren voller Stolz und Hoffart,

Aber Annchen war die Jüngste,


Die war hübsch und nett und niedlich,
Die war freundlich, herzlich, lieblich,
War wie eine Schwester Peters.

Aber Unsre Frau Maria


Lebte in dem Ammerlande
Ganz verborgen ihre Kindheit
Träumend unter den Zigeunern.

Ja, sie lebte unter Blumen


Vor der ganzen Welt verschlossen
Und sie sprach nur mit den Pferden,
Spielte mit Zigeunerkindern.

Nichts von dieser Welt gesehen


Hat Maria in der Kindheit,
Blumen, Pferde, Kinder, Engel
Waren ihre Spielgefährten.

So behütet in dem Garten


Der Natur des lieben Gottes
Wuchs sie auf in aller Unschuld,
Rein wie Kinder, schön wie Engel!

Als sie siebzehn Jahre zählte,


Ging im Garten sie spazieren,
War geschmückt mit Gold und Perlen,
Einer Krone auf dem Haupte,
Denn als Fürstin der Zigeuner
Trug sie Schmuck von Perlenketten
Und als Königin der Armen
Eine goldne Himmelskrone.

Doch da kam herab ein Adler


Und aus Gottes stillem Garten
Er die Königin Maria
Riß hinan zum Vater Äther

Und entführte durch den Himmel


Sie, die Fürstin der Zigeuner,
Bis er sich hernieder senkte
Über einem Baum in Berum.

Dieser Baum war eine Eiche,


Die stand vor der Burg von Berum,
Auf der Eiche grünem Wipfel
Stand die Königin Maria.

Und des Grafen Ulrich Gattin


War die fromme Gräfin Folka,
Folka eben stand mit Peter
In dem grünen Park von Berum.

Sprach die Königin Maria:


Himmelskrone, Perlenkette,
Alles möchte ich euch schenken,
Will als schlichte Magd euch dienen.

Zwar ich bin die Himmelsfürstin


Der Zigeuner und der Armen,
Doch vor allem Magd des Höchsten,
Menschendienerin voll Demut.

Also nahm die Gräfin Folka


Unsre Liebe Frau Maria
Auf in ihrer Burg von Berum
Als geringe Magd voll Demut.

Leise sprach die Magd voll Demut:


Ich bin sehr geschickt in Künsten
Und im Handwerk, gib mir Arbeit,
Laß mich weben, spinnen, sticken.

Und die schlichte Magd voll Demut


So geschickt war in den Künsten,
Machte aus den schönen Perlen
Solche schönen Perlenketten,

Daß von Lütetsburg die Fürstin


Zu der Gräfin sprach von Berum:
Diese schlichte Magd voll Demut
Ist wohl eine Himmelsfürstin!

Aber Peter, unerleuchtet,


Nicht erkannte die Geliebte,
Doch dann gingen ihm die Augen
Auf vor Unsrer Frau Maria,

Als er eines Nachts alleine


Trat in ihre stille Kammer,
Sah er Unsre Frau Maria
Stehn in reinem weißen Linnen

Und das Linnen ihres Kleides


Straffte über ihren Brüsten
Sich wie eine weiße Rose!
Schaute er der Jungfrau Antlitz

Von so femininer Anmut,


Aber auch zugleich voll Trauer,
Und er schaute ihre Augen
An wie Doppel-Abendsterne,

Und aus ihren Augenquellen


Strömten Menschentränen, tropften
Auf die straffen vollen Brüste,
Rannen in den Schoß der Jungfrau!

Eben in dem Augenblicke,


Da die Tränentropfen rannen
Strömend in den Schoß der Jungfrau,
Sah er einen Pfeil aus Feuer,

Schaute Peter einen Seraph,


Der den spitzen Pfeil aus Feuer
Peter schleuderte entgegen
Und durchbohrte so das Herz ihm,

Daß gestorben ist aus Liebe


Peter von dem Pfeil des Engels,
Von dem Feuerpfeil des Seraphs,
Von der Schönheit der Madonna!

Nun kam Gottes Magd Maria


Vors Gericht des Grafen Ulrich,
Richterinnen seine Töchter
Elsa, Kunigunde, Frauke.

Elsa sprach, Maria solle


Büßen siebzig lange Jahre,
Kunigunde grimmig sagte,
Büßen soll sie vierzig Jahre,
Frauke sprach von sieben Jahren.
Aber Annchen war voll Güte:
Büßt Maria sieben Jahre
In dem Turm der Burg von Berum,

Soll des toten Peter Leiche


Bei ihr liegen in dem Kerker.
So saß nun die Magd gefangen,
Bei ihr lag der tote Peter.

Weinte Gottes Magd drei Jahre


Um des toten Peter Leiche,
Kam vom Himmel her der Adler
Und erschien vorm Kerkerfenster,

Fallen ließ er sieben kleine


Adlerjungen, tote Vögel,
Ließ ein Kraut hernieder fallen,
Das die Toten auferweckte.

Gottes Magd verstand die Botschaft


Und sie nahm das Kraut vom Boden
Und erweckte Peters Leiche,
Er erwachte, sah Maria!

Da kam Ulrichs Tochter Annchen,


Brachte Trank und brachte Speise,
Brachte Peter die Gitarre,
Die sonst Gräfin Folka spielte.

Peter in dem Arm Mariens


Spielte jede Nacht Gitarre
Und die blauen Töne schluchzten
Aus der Einsamkeit des Kerkers.

Als vergangen sieben Jahre


In der Einsamkeit des Kerkers,
Kam von Lütetsburg der Häuptling
Und er hörte die Gitarre.

Sprach er: Wer lässt die Gitarre


Solche blauen Tönen weinen?
Herzenstrauer ist kein Übel,
Sondern Bitternis und Härte,

Aber die Gitarrentöne


Sind voll Zärtlichkeit der Seele
Und die blauen Töne weinen
Weiche Wehmut sanfter Liebe!

So Maria kam mit Peter


Hand in Hand aus dem Gefängnis.
Elsa, Kunigunde, Frauke
Aber mochten nicht Maria.

Sprach Maria: Was begehrt ihr?


Elsa sagte: Milch und Honig!
Kunigunde sagte: Käse!
Frauke sagte: Brot und Knoblauch!

Und Maria schenkte Elsa


Einen Krug von Rosenquarze
Mit geschmolznem Gold als Honig
Und die Milch war weiße Jade.

Gottes Magd gab Kunigunde


Einen Brocken Gold als Käse,
Als Gewürz, statt Petersilie,
Dienten Splitter von Smaragden.

Und Maria schenkte Frauke


Statt des Brotes eine Truhe
Ganz aus Silber und statt Knoblauch
Schenkte sie ihr einen Jaspis.

Aber Unsre Frau Maria


Schenkte Annchen diese Gnade:
Jesus kam, berührte Annchen,
Heilte sie an Leib und Seele!

Doch zu Peter sprach Maria:


Nie vergiß die Todesstunde
Und wer dich erweckt vom Tode!
Suche mich von ganzem Herzen!

DRITTER GESANG

Peter lebte nun in Norddeich


Mit der Lieben Frau Maria
In der allerbesten Freundschaft,
Auch war Jesulein bei ihnen.

Peter und Maria oftmals


Gingen Hand in Hand spazieren.
Sahen sie drei Rosen stehen,
Eine weiße, rote, goldne.

Peter pflückte eine rote


Rose für die reine Jungfrau
Und Maria tat die Rose
Im Gemach in eine Vase.

In der Mitternacht im Dunkel


Hörte Peter eine Stimme:
Peter, öffne meine Blüte,
Schließe auf den Kelch der Rose!

Peter sprach zur reinen Jungfrau:


Jungfrau, hast du mich gerufen?
Sprach die Liebe Frau zu Peter:
Nein, ich hab dich nicht gerufen.

Da trat Peter zu der Vase,


Zu der roten Rosenblüte.
Aus der Rose stieg ein Mädchen,
Sprach: Ich bin die Herrin Rosa!

Ich will deine Liebste werden,


Aber Unsre Frau Maria
Sollst du töten, o mein Peter,
Mich zum Eheweibe nehmen!

Peter aber wollte niemals


Unsre Frau Maria töten!
Doch er warf sie in den Kerker
Und vergnügte sich mit Rosa!

Aber an dem Morgen nahte


Jesulein, da sah er Rosa,
Sprach er: Wo ist meine Mutter?
Rosa ist nicht meine Mutter!

Herrin Rosa sprach zu Jesus:


Ich bin aber Herrin Rosa,
Ich bin wahrlich deine Mutter,
Ich bin wahrlich deine Herrin!

Ich, die schönste Herrin Rosa,


Bin die Herrin aller Leute,
Ich bin auch die Herrin Peters,
Alle Menschen meine Sklaven!

Gab ihr einer Widerworte,


Ward sie wild wie eine Wölfin.
Jesus aber hörte weinen
Seine Mutter in dem Keller.

Und Maria weinte bitter:


Gib mir nur ein Stück des Brotes!
Jesus reichte durch das Gitter
Ihr ein kleines Stück des Brotes.
Aber krank ward Herrin Rosa,
Tod bedrohte Herrin Rosa,
Also sagte sie zu Jesus:
Jesus, reise du nach Frankreich

Und in Lourdes geh zu der Quelle


Und vom Wasser schöpf ein Fläschchen,
Daß der Quell von Lourdes mich heile,
Geh du fort und komm bald wieder!

Jesus nahm zuerst noch Abschied


Von Maria, seiner Mutter,
Dann nahm er ein Schiff nach Frankreich,
Fuhr zum Golfe von Gascogne.

An dem Fuß der Pyrenäen


Sah er seinen Pflegevater,
Josef mit den grauen Haaren,
Josef mit dem grauen Barte.

Josef stand mit einer Flasche


Rotwein von Bordeaux am Fuße
Des Gebirges melancholisch
Und er sprach zum Pflegesohne:

O mein Liebling! O mein Liebling!


Schöpfe nur in Lourdes das Wasser,
Aber kehrst du heim nach Friesland,
Geh zuerst in jene Kammer,

Die verschlossen ist mit Siegeln,


Die bewacht wird von den Schwestern
Rosas. Diese Schwestern heißen
Schwester Blanka, Schwester Aura.

Kommst du aber in die Kammer,


Tu was du nur immer möchtest,
Liebe Gott und alle Seelen
Und dann du was du nur möchtest.

Jesus mit dem Fläschchen Wasser


Von der Quelle kehrte wieder,
Kam zur Burg der Schwestern Rosas,
Grüßte er die beiden Schwestern.

Schwester Blanka, weißgekleidet,


Sie glich einer weißen Rose.
Schwester Aura, goldgekleidet,
Sie glich einer goldnen Rose.

Dann trat Jesus in die Kammer,


Die verschlossen war mit Siegeln,
Dort sah er drei Kerzen brennen,
Eine weiße, rote, goldne.

Und er wusste, wenn er ausbläst


Diese Kerzen, werden sterben
Rosa und die beiden Schwestern,
Waren ihre Lebenslichter.

Ausblies er die weiße Kerze,


Schwester Blanka ist gestorben,
Ausblies er die goldne Kerze,
Schwester Aura ist gestorben!

Dann nahm er die rote Kerze


Mit der Lebensflamme Rosas,
Jesus eilte so zu Peter
Und zu Peter sagte Jesus:

Welches Leben ist dir lieber,


Welche Liebe ist dein Leben,
Hier die stolze Herrin Rosa
Oder dort die Muttergottes?

Peter sprach: Die Muttergottes


Ist die Liebe meines Lebens!
Jesus sagte drauf zu Peter:
Also lösch die rote Kerze!

So verlosch die Herrin Rosa.


Schwarzer Qualm stieg in die Lüfte.
Kam Maria aus dem Keller,
Jesus reichte ihr das Fläschchen,

Und Maria gab das Fläschchen


Peter und sie sprach zu Peter:
Trink du stets aus diesem Fläschchen,
Jeden Abend leer das Fläschchen,

Nie wird leer sein dieses Fläschchen,


Immer wieder will ich’s füllen!
Hüte dich vor fremden Frauen!
Wandre fort von diesem Orte,

Später will ich dir begegnen,


Sollst in Oldenburg mich suchen,
Bleib mir treu und treu bleib Jesus,
Zieh nach Oldenburg, Geliebter!

VIERTER GESANG
Anna und Joachim waren
Alte Leute, unfruchtbare,
Hatten leider keine Kinder,
Gott versagte ihnen Kinder.

Eines Tages aber Anna


Schaute Gabriel, den Engel,
Gabriel zu Anna sagte:
Anna, du wirst schwanger werden.

Anna aber sprach zum Engel:


Ich, die unfruchtbare Alte?
Und der Engel sprach zu Anna:
Wirst gebären einen Apfel!

Wahrlich, Anna wurde schwanger,


Schwanger Anna war neun Monde,
Dann gebar sie einen Apfel,
Allerschönste Paradiesfrucht.

Und Joachim tat den Apfel


Fromm auf eine Silberschale,
Die lag auf dem Gartentische
In dem Oldenburger Garten.

Gegenüber diesem Garten


Lebte Peter mit dem Freunde
Mark, sie lasen in der Bibel,
Sangen früh und spät den Lobpreis.

Eines Abends hörte Peter


Mark ihn von der Dachterrasse
Rufen: Peter, komm, ein Wunder!
Schau, ein Mädchen wie ein Wunder!

Peter von der Dachterrasse


Sah hinüber in den Garten.
Auf der Schale lag der Apfel,
Aus dem Apfel stieg ein Mädchen!

Wusch das Mädchen sich mit Wasser,


Kämmte sich die langen Haare!
Also schaute König David
Aphrodisisch die Bathseba!

Die geboren aus dem Apfel,


Nannte Peter theologisch
Neue Eva, dritten Himmels
Königin des Paradieses!

Dann verschwand die Neue Eva


Wieder in der Paradiesfrucht.
Peter aber voller Liebe
War fortan zur Neuen Eva.

In der ersten Morgenröte


Peter ging zur alten Anna:
Anna, höre meine Bitte,
Bitte gib du mir den Apfel!

Aber Anna sprach erschrocken:


Bei den Schmerzen meiner Wehen,
Wer ist würdig zu empfangen
Diese süße Paradiesfrucht?

Aber Peter bat mit Flehen


Und er bettelte so lange,
Bis ihm Anna gab den Apfel.
Peter brachte ihn nach Hause.

Peter schloß in seiner Zelle


Ein sich mit der Paradiesfrucht,
Schaute allezeit das Mädchen
Waschen sich, die Haare kämmen,

Ihre langen schwarzen Haare


Kämmen, die noch feucht vom Bade,
Legen an die Hauchgewande
Und den Muschel-Liebreizgürtel!

Wie ein Mystiker verschwiegen


Peter lebte in der Zelle
Nur mit seiner Paradiesfrau,
Mit des Apfels Neuer Eva.

Zu der Zeit sprach Dorothea,


Die sich Peters Mutter nannte,
Zu dem Freunde Mark: Mein Söhnchen
Will mich gar nicht mehr besuchen

Und nicht speisen mehr den Rotkohl


Und nicht mehr den Rinderbraten
Mit Kartoffeln, sondern einsam
Bleibt er nur in seiner Zelle.

Peter aber ward gerufen


In den schönen Süden Deutschlands
Und in Heidelberg im Schlosse
Er studiert die Minnehandschrift

Und studierte Ich und Nicht-Ich


Und die absolute Freiheit
Bei dem roten Wein des Südens
Aus dem Heidelberger Fasse.

Da kam aber Dorothea


Aus dem Norden zu der Wohnung
Peters, sprach zu Mark: Mein Söhnchen
Will, dass ich die Kammer putze.

Mark gab also ihr den Schlüssel.


Dorothea in der Zelle
Sah den Apfel auf der Schale.
Eifersüchtig auf den Apfel

Nahm den Dolch sie aus der Scheide


Und erstach die Paradiesfrucht!
Da verblutete der Apfel
Und voll Blut war Peters Kammer!

Dann zog Dorothea wieder


In den hohen Norden. Aber
Mark sah in der Kammer Peters
Nun die Frucht in ihrem Blute!

Mark rief: Wehe, weh dir, Lilith,


Du Dämonenbraut des Teufels!
Mark verließ die Wohnung eilig
Und er wanderte nach Hamburg.

Aber auf dem Wege schaute


Mark Sankt Gabriel, den Engel,
Sprach zu Mark der Engel Gottes:
Kehre um zu deinem Freunde,

Nimm mit dir den Balsam Gottes,


Mit dem Balsam heil den Apfel,
Wecke auf die Paradiesfrau,
Die der Herr bestimmt für Peter.

Mark kam wieder in die Wohnung,


Wo er sonst mit Peter lebte,
Er belebte nun den Apfel,
Gab der Neuen Eva Wasser.

Da kam aber Peter wieder


Von der Heidelberger Brücke
Und dem Neckar und er grüßte
Liebevoll die Neue Eva.

Sprach die Neue Eva lächelnd:


Dorothea wollt mich töten,
Mark gab mir das neue Leben,
Und nun bin ich reif zur Hochzeit!
Peter gingen auf die Augen:
Diese schöne Neue Eva
In der Frucht des Paradieses
War die Liebe Frau Maria!

FÜNFTER GESANG

Als in Oldenburg war Peter,


Liebte er drei schöne Frauen,
Freundinnen der Seele Peters,
Seine lieben Seelenschwestern.

Marianne war die erste,


War die älteste von dreien,
Katharina war die zweite,
Eva aber war die Jüngste.

Kamen in der Mittagsstunde


Drei gemeine grobe Kerle,
Nahmen sich die Seelenschwestern
Peters rasch zu Ehefrauen.

Kam ein Schweinehirte, stinkend,


Der nahm sich die Marianne,
Kam ein Jäger, mordbegierig,
Der nahm sich die Katharina,

Kam zuletzt ein Totengräber,


Der nahm sich die junge Eva.
Peters Seelenschwestern haben
Alle ihn sogleich verlassen.

Peter war allein in seiner


Oldenburger Zelle, betend
Schlief er ein und träumte: Selig,
Wen küsst die geheime Rose!

Rosa Mystica, dein Küssen


Ist berauschender als Rotwein!
Peter wachte auf und wollte
Küssen die geheime Rose.

Peter suchte allerorten


Der geheimen Rose Lippen,
Wanderte von Land zu Lande,
Kam nach Lourdes im schönen Frankreich.

Und in Lourdes an seiner Quelle


Sah er einen kleinen Knaben,
Sah ihn weinen, tat ihn trösten,
Rief der Knabe seine Mutter.

Seine Mutter Marianne


War, die Seelenschwester Peters,
Die begrüßte ihren Bruder
Froh mit großen Mondenaugen.

Auch ihr Schweinehirt inzwischen


War veredelt von der Liebe
Und der Schweinehirte schenkte
Peter goldne Schweineborsten.

Peter wanderte nach Russland


Und dort traf er Katharina,
Die ihn drückte an den Busen,
Weinte große Kullertränen.

Und ihr Jäger war inzwischen


Auch veredelt von der Liebe
Und der wilde Jäger schenkte
Peter goldne Vogelfedern.

Peter wanderte nach China


Und er traf die junge Eva,
Er war ganz entzückt von Eva,
Seiner Seelenschwestern Schönsten.

War dieweil der Totengräber


Auch veredelt von der Liebe
Und er schenkte Peter Knochen,
Goldenes Gebein von Toten.

Eva aber sprach zu Peter:


Rosa Mystica? Ich hörte
Schon von der geheimen Rose,
In Jerusalem ihr Schloß steht!

Willst du die geheime Rose


Einmal sehen, einmal küssen,
Wende dich an ihre Amme,
Santa Paula Margarethe!

Peter wallte Psalmen singend


Nach Jerusalem, begrüßte
Santa Paula Margarethe,
Der geheimen Rose Amme.

Peter fand der Amme Wohnung,


Santa Paula Margarethe
Nahm ihn auf wie einen eignen
Sohn, geborn auf ihrem Schoße.
Und der lieben Amme Wohnung
Gegenüber lag dem Schlosse,
Wo nun die geheime Rose
Früh auf dem Balkon erschienen.

O der transparente Körper


In kristallner Zauberseide!
O die süßen Rosenlippen!
Küssen will ich, küssen, küssen!

Peter wäre fast vor Wonne


Hingestürzt zur Mutter Erde,
Doch die liebe alte Amme
Hielt ihn fest mit Mutterarmen.

Die geheimnisvolle Rose


Will ich freien, sagte Peter.
Sprach die Amme: Du musst wissen,
Wer die Rose freien möchte,

Wird geprüft vom Vater König.


Oder scheints dir ein geringes,
Röschens Ehemann zu werden
Und ein Schwiegersohn des Königs?

Peter sprach: Ich möchte sterben,


Um die Rose zu gewinnen,
Für den Ehebund mit Röschen
Geb ich hin mein ganzes Leben!

Und die Amme sprach zu Peter:


Röschen liebt Musik, vor allem
Die Klaviermusik von Schubert,
Das romantische Piano.

Peter kaufte ein Piano,


Schenkte das Klavier dem König,
Peter aber sich versteckte
In dem Schoße des Piano.

Und der König Vater schenkte


Seiner Tochter das Piano,
In dem Schlafgemach der Rose
Tönte das Klavier im Mondschein.

Peter stieg aus dem Piano:


O geheimnisvolle Rose,
Rosa Mystica Maria,
Ich will küssen, sag ich, küssen!

Mit dem roten Mund Maria


Küsste Peter auf die Lippen!
Scharlachrote Schnur der Lippen,
Wie benetzt mit rotem Weine!

O die Wonne dieses Kusses!


Die Ekstase dieses Kusses!
Unaussprechlich weiß zu küssen
Unsre Liebe Frau Maria!

Sprach Maria leise lächelnd:


Freund, der Vater wird dich prüfen,
Er wird mich verbergen heimlich,
Du musst mich alleine finden.

In der siebenten, geheimen


Wohnung in dem Königsschlosse
Wird der Vater mich verbergen,
Doch ich helf dir, mich zu finden.

Trag dies Medaillon am Halse,


Dann wirst du mich sicher finden.
In der siebten Kammer aber
Wartet deine letzte Prüfung.

Sind dreihundert Königinnen,


Siebenhundert Konkubinen,
Schön wie Göttinnen des Himmels,
Lustvoll in dem Brautgemache!

Königinnen, Konkubinen
Sollst du schaun, doch widerstehen!
Und erwählen dir die Eine,
Deine Feine, deine Reine!

Wirst du unter all den Frauen


Auch die Liebe Frau erkennen?
Küss das Medaillon am Halse,
Dann will ich mich offenbaren.

Sprach die Liebe Frau Maria,


So geschah es, wie sie sagte,
Peter die geheime Rose
Fand, erwählte und erkannte!

Nun der Vater König prüfte


Peter: War gefüllt ein Zimmer
Bis zum obern Rand mit Früchten:
Iß sie auf an Einem Tage!

Peter nahm die Schweineborsten


Von dem Manne Mariannes,
Warf sie in das volle Zimmer,
Schweine fraßen auf die Früchte.

Nun der Vater König prüfte


Peter: Schläfre die Verlobte
Ein mit einem süßen Singsang,
Daß sie früh am Abend einschläft!

Peter nahm die Vogelfedern


Von dem Manne Katharinas,
Warf sie in die Lüfte, Vögel
Sangen süß ein Wiegenliedchen!

Nun der Vater König prüfte


Peter: Soll ein kleiner Knabe
Über Nacht fünf Jahre alt sein,
Peters und Mariens Kindlein!

Peter nahm den Totenknochen


Von dem Mann der schönen Eva,
Wurde draus ein kleiner Knabe,
War fünf Jahre alt der Knabe.

Sprach der Knabe zu Maria:


Meine liebe Himmelsmutter!
Sprach das liebe Kind zu Peter:
O mein vielgeliebter Pate!

Peter legte zu Maria


Zärtlich sich aufs Ehelager,
Zärtlich streichelnd ihren Rücken,
Zärtlich streichelnd ihre Hüfte.

AVE MARIA!

TALMUD

ERSTER GESANG

Die Zerstörung, ach, von Zion,


Durch Verwechslung eines Namens
Ward herbeigeführt. In Zion
Nämlich lebte ein Gerechter,

Einen Freund besaß der Edle,


Einen Feind besaß der Edle,
Deren Namen waren ähnlich,
Kamza und Barkamza nämlich.

Lud der Edle ein zum Gastmahl


Kamza, lud durch seinen Diener,
Doch der Diener aus Versehen
Lud Barkamza ein zum Gastmahl.

Kam Barkamza zu dem Gastmahl,


Wies der Wirt ihn vor die Türe,
Ganz vergeblich bat Barkamza,
Ihn doch nicht so zu beschämen

Vor den andern edlen Gästen,


Doch der Wirt verwies Barkamza,
Soll er doch sein Haus verlassen,
Und er ward hinausgewiesen.

Um zu rächen die Beschämung,


Aus Empörung ging Barkamza
Nun nach Roma und verklagte
Alle Juden bei dem Kaiser.

Alle Juden und Hebräer


Seien feindlicher Gesinnung
Gegen Romas großen Cäsar,
Also will er das beweisen.

Schicke doch der Cäsar Romas


Rasch ein Opfertier nach Zion,
Ob die Juden dieses opfern
Oder nicht auf dem Altare.

Gab ein Opfertier der Kaiser,


Gab ein fehlerloses Opfer.
Römer auch und auch die Juden
Opfern nur das Fehlerfreie.

Aber Juden und Hebräer


Sehen das als einen Fehler,
Ist verletzt die Oberlippe
Oder eins der Augenlider.

Römer aber sehen solche


Tiere an als fehlerlose.
Auf dem Weg zur Tochter Zion
Brachte listig nun Barkamza

Cäsars Opfertier von Roma


Wunden an der Oberlippe
An und an dem Augenlide,
Das es sei ein fehlerhaftes.
Kam er zu der Tochter Zion,
Rieten die Rabbinen friedlich,
Zur Versöhnung mit dem Kaiser
Dennoch dieses Tier zu opfern.

Aber Rabbi Sekaria


Von der strengen Richtung meinte,
Dieses dürfe man nicht opfern,
Sonst erzürne man den Höchsten.

Also sprachen die Rabbinen:


Töten also wir Barkamza,
Daß er nicht dem Cäsar Romas
Von der Weigerung berichte!

Aber Rabbi Sekaria


Sagte: Tötet nicht Barkamza,
Denn auf fehlerhaftes Opfern
Steht doch nicht die Todesstrafe.

Abgewiesen ward das Opfer.


Cäsar aber sandte Neron,
Seinen Feldherrn, mit dem Heere
Zu dem Tor der Tochter Zion.

Neron vor dem Tor von Zion


Schoß die Pfeile seines Bogens
Ostwärts, südwärts, westwärts, nordwärts,
Alle flogen sie nach Zion.

Neron sprach zu seinem Knaben:


Deute mir den Vers der Bibel:
Ich will mich an Edom rächen
Durch das Gottesvolk der Juden!

Denn die Juden sagten Edom


Zu der großen Wölfin Roma.
Und der Feldherr Neron dachte
Bei dem Vers und bei den Pfeilen:

Gott will seinen Gottestempel


Nun zerstören durch die Römer,
Dann durchs Gottesvolk der Juden
Rache nehmen an den Römern.

Neron also sagte: Gott will


Seinen Tempel nun zerstören
Und die eigne Hand abwischen
Am Gewande eines andern.

Und der Feldherr konvertierte


Zu dem Einen Gott der Juden,
Eilte fort vom Heere Romas.
Von ihm stammte Rabbi Meier.

ZWEITER GESANG

Damals in der Tochter Zion


Waren ehrenhafte Männer,
Reiche Leute, reich an Gnade,
In Jerusalem gepriesen:

Nikodemon hieß der eine,


Kalba Ben Sabua zweitens,
Zizit Ben Ha-Keset drittens,
Ihre Namen Ehrennamen.

Denn man sagt von Nikodemon:


Pilger kamen einst nach Zion,
Gab es aber keinen Regen,
Lieh er sich zwölf Wassergruben

Und versprach, die Wassermenge


Bald zurückzugeben oder
Sie entsprechend ihrem Werte
Sonst mit Gelde zu bezahlen.

Doch die Frist, zurückzuzahlen,


War gekommen, Nikodemon
Wars nicht möglich, das geliehne
Wassermaß zurückzugeben.

Also sollte er mit Silber


Dieses Wassers Wert erstatten.
Nikodemon flehte Gott an,
Bat den ganzen Tag um Regen.

Siehe, in der Abendstunde


Der erflehte Regen strömte.
Nikodemon also konnte
Seine Wasserschuld erstatten.

Der Verleiher aber sagte:


Ist doch schon die Abendstunde
Und der Tag vorbeigegangen,
Also zahle mir mit Silber.

Wieder flehte Nikodemon


Gott an, dass der Allerhöchste
Gebe den Befehl der Sonne,
Abends nochmals aufzugehen.

Wirklich wirkte Gott das Wunder!


Darum heißt er Nikodemon.
Nikod nämlich heißt: Der Aufgang,
Emon nämlich heißt: Die Sonne.

Und der zweite Mann der Ehre


War freigebig über Maßen.
Wer zu ihm kam voller Hunger,
Fortging wie ein sattes Hündchen.

Kalba Ben Sabua darum


Hieß der Mann mit Ehrennamen,
Das bedeutet: Sattes Hündchen,
Heißt: Das Hündchen ward gesättigt.

Und des dritten Mannes Namen


Heißt: Die religiösen Schnüre
Hängen an dem Saum des Kleides
Und sie streifen stets den Teppich.

Zizit heißen diese Schnüre,


Keset aber heißt der Teppich.
Immer ging er auf dem Teppich,
Denn er lebte reich im Luxus.

Andre Weise aber sagen,


Dieses Mannes wahrer Name
Sei Ben Zizit, denn er trug die
Religiösen Schnüre immer,

Aber Keset sei ein Titel,


Keset auch bedeutet Sessel,
Denn es stand des Mannes Sessel
Bei der Römerfürsten Sesseln.

DRITTER GESANG

Martha war des Boethos Tochter,


Reichste Frau der Tochter Zion.
In der Zeit der Not des Hungers
Schickte sie zum Markt den Diener:

Kaufe mir vom feinsten Mehle!


Kam der Diener aber wieder:
Feinstes Mehl ist aber alle,
Grobes Mehl ist noch zu haben.
Kaufe mir vom groben Mehle!
Kam der Diener aber wieder:
Grobes Mehl ist aber alle,
Gerstenmehl ist noch zu haben.

Kaufe mir vom Gerstenmehle!


Kam der Diener aber wieder:
Gerstenmehl ist aber alle,
Ausverkauft das Mehl von Gerste!

Martha, so verwöhnt, verzärtelt,


Sie ging nie sonst auf der Straße,
Zog sich an nun ihre Schuhe,
Selbst die Nahrung sich zu suchen.

Auf der Straße aber Martha


Trat in einen Haufen Unrat
Und sie starb an diesem Unrat.
So erfüllte Gottes Wort sich:

Wenn das Gottesvolk der Juden


Nicht beachtet Gottes Weisung,
Wird es sein gleich einem Weibe,
Einem Weib, verwöhnt, verzärtelt,

Das in Üppigkeit gelebt hat,


Setzte nicht die sanften Sohlen
Ihrer Füße auf die Erde
Vor Verzärtelung und Luxus!

Andre Weise aber sagen,


Daß bei ihrer Nahrungssuche
Martha Boethos fand die Feige
Des berühmten Rabbi Zadok,

Aß die Feige von der Straße,


Weil sie solchen Hunger hatte,
Aber starb an dieser Feige
Des berühmten Rabbi Zadok.

Rabbi Zadok hat gefastet,


Vierzig Jahre lang gefastet,
Daß der Tempel Salomonis
Nicht zerstört wird von den Römern.

Rabbi Zadok ward so mager


Und durchsichtig, jeder Bissen,
Den er speiste, war zu sehen
In dem transparenten Körper.

Wenn er aber nach dem Fasttag


Leiblich sich erquicken wollte,
Nahm er abends eine Feige
In den Mund, den Saft zu saugen.

War gesaugt der Saft der Feige,


Spie er aus die alte Feige.
Solche Feige Rabbi Zadoks
Martha aß und ist gestorben.

Aber kurz vor ihrem Tode


Warf sie all ihr Gold und Silber
Auf die Straße, da sie ausrief:
Was nützt mir noch Gold und Silber!

So erfüllte Gottes Wort sich:


Und sie werden all ihr Silber
In den Kot der Gossen werfen
Und ihr Gold als Dreck erachten!

VIERTER GESANG

Hauptmann der Barjonen-Räuber


War Sikara, Räuberhauptmann,
Schwestersohn des weisen Rabbi,
Rabbi Joachanan Ben Sakkai.

Rief der Rabbi seinen Neffen


Heimlich, sprach zu seinem Neffen:
Ach wie lang wollt ihrs noch treiben,
Daß die Stadt am Hunger naget?

Sprach der Neffe, sprach Sikara:


Was denn soll ich tun, mein Onkel?
Sag ich etwas zu den Räubern,
Werden mich die Räuber töten.

Sprach der Onkel, sprach der Rabbi:


Bring du mich aus diesem Hause,
Denn wenn ich erst bin in Freiheit,
Kann ich etwas tun für Zion.

Sprach der Neffe Räuberhauptmann:


Stell dich krank, leg dich aufs Lager,
Lege auf dein Lager etwas
Faules, dass man dich für tot hält.

Also tat der weise Rabbi.


Traten an sein Sterbelager
Rabbi Elieser unten,
Rabbi Jehoschua oben.
Trugen sie des Rabbi Leichnam
An die Pforte seines Hauses,
Wollten die Barjonen-Räuber
Ihn mit einem Dolch durchbohren.

Sprach der Schwestersohn, der Hauptmann:


Nicht so, meine Brüder Räuber,
Sonst wird man in Roma sagen:
Juden töten ihre Lehrer!

Wollten die Barjonen-Räuber


Schlagen den verschiednen Rabbi,
Seinen schweren Leichnam schlagen
Mit den Fäusten und den Füßen.

Sprach der Schwestersohn, der Hauptmann:


Nicht so, meine Brüder Räuber,
Sonst wird man in Roma sagen:
Juden schlagen ihre Lehrer!

Also kam der weise Rabbi


Wohlbehalten in die Freiheit.
Zu Vespasianus sprach er:
Heil, o König, Heil, o König!

Sprach Vespasianus aber:


Du verdienst den Tod gleich zweimal!
Denn du nennst mich einen König,
Doch ich bin ja gar kein König.

Und zum andern musst du sterben,


Denn wenn ich ein König wäre,
Warum kommst du dann erst heute
In mein Königtum von Roma?

Also sprach der weise Rabbi:


König bist du. Wärst du nämlich
Nicht ein König, könntest niemals
Du Jerusalem erobern.

Denn es steht geschrieben also:


Libanon wird durch den Addir
Fallen! Addir, das heißt König,
Denn es steht geschrieben also:

Einst aus Bethlehem in Juda


Soll der Addir kommen, wahrlich,
Kommen wird der wahre Herrscher
Einst aus Bethlehem in Juda!

Libanon, das ist der Tempel,


Denn es steht geschrieben also:
Laß mich sehen doch die gute
Landschaft jenseits von dem Jordan

Und das Libanon-Gebirge.


Dieses Libanon-Gebirge
Ist das Heiligtum, der Tempel,
Ist das Haus des Allerhöchsten.

Aber da du so gesprochen:
Wenn ich aber König wäre,
Was bist du erst jetzt gekommen
In mein Königtum von Roma?

So, Vespasianus, sag ich:


Die Barjonen-Räuber haben
Mich gehindert, diese Räuber,
Die gefangen mich gehalten.

So Vespasianus sagte:
Zünde an die Stadt, befreie
Dich von den Barjonen-Räubern
Durch die Reinigung des Feuers!

Schau dir an ein Faß voll Honig,


Windet sich darum ein Drache,
Mußt du dieses Faß zerbrechen,
Ums vom Drachen zu befreien.

Stille schwieg der weise Rabbi.


Seine Weisheit war am Ende.
Rabbi Josef aber sagte:
Darum steht geschrieben also:

Gott die Weisheit macht der Weisen


Und die Zeichen all zunichte
Und verblödet ihr Verständnis,
Kinder preisen dann den Schöpfer!

Rabbi Sakkai sollte sagen


Zu Vespasian, dem Römer:
Ist ein volles Faß mit Honig,
Windet sich darum ein Drache,

Siehe, nimmt man eine Zange


Und entfernt den bösen Drachen,
Tötet dann den bösen Drachen,
Bleibt so heil das Faß voll Honig!

FÜNFTER GESANG
Ein Gesandter kam aus Roma
Zu Vespasianus, sagend:
O der Kaiser ist gestorben,
Tot ist Cäsar, tot ist Cäsar!

Doch die Edlen Romas haben


Dich, Vespasian, berufen,
Neuer Kaiser Roms zu werden.
Heil dir, Cäsar, Heil dir, Cäsar!

Und Vespasianus wollte


Eben seinen Schuh anziehen,
Zog sich an den Schuh, den einen,
Konnte nicht den andern anziehn.

Wollte er den Schuh, den ersten,


Ausziehn wieder, doch es ging nicht,
Wollte er den andern anziehn,
Das auch ist ihm nicht gelungen.

Fragte er den weisen Rabbi


Jochanan, was das bedeute.
Sagte Jochanan, der Rabbi:
Habe keine Angst, mein Kaiser,

Gute Nachricht ist gekommen,


Denn es steht geschrieben also:
Schau, es wird die gute Nachricht
Wahrlich fett das Bein dir machen.

Was soll ich nur tun? sprach aber


Zu dem Rabbi Romas Kaiser.
Laß du einen Menschen kommen,
Dem du abgeneigt von Herzen,

Sagte Jochanan, der Rabbi,


Denn es steht geschrieben also:
Ein getrübter Mut im Herzen
Wahrlich lässt das Bein vertrocknen.

Und Vespasian befolgte


Diesen Rat des weisen Rabbi,
Es gelang ihm und er konnte
Nun den zweiten Schuh anziehen.

Rabbi, wenn Ihr also klug seid,


Warum kamt Ihr dann nicht früher?
Sagte Jochanan, der Rabbi:
Hab die Antwort schon gegeben.
Sprach Vespasian, der Römer:
Ich gab auch dir schon die Antwort.
Aber nun geht fort der Kaiser,
Sendet einen andern Römer.

Bitte, was soll ich dir geben?


Sprach der Rabbi: Herr, verschone
Du die Akademie von Jabne
Und die Weisen ihrer Halle.

Setze wieder ein die Söhne


Rabbi Gamliels, des Weisen,
In das Nasiratsgelübde
Und das gottgeweihte Leben.

Sende Rabbi Zadok Ärzte!


So bat Jochanan, der Rabbi.
Aber Rabbi Josef sagte:
Das sind keine klugen Bitten.

Hätte Jochanan doch lieber


Für Jerusalem gebeten,
Frieden für die Tochter Zion,
Frieden für den Tempel Gottes.

Aber Jochanan, der Rabbi,


So zu Rabbi Josef sagte:
Hätt so Großes ich erbeten,
Wärs mir nicht gegeben worden.

Und es wäre auch das Kleine


So mir nicht gegeben worden.
Also wurden meine Bitten
Doch erhört von meinem Kaiser.

Und es heilten weise Ärzte


Rabbi Zadok solcherweise:
Gaben ihm am ersten Tage
Suppe nur von feiner Kleie,

Gaben ihm am zweiten Tage


Suppe nur von grober Kleie,
Gaben ihm am dritten Tage
Suppe nur von Gerstenmehle.

SECHSTER GESANG

Titus kam zur Tochter Zion,


Vor dem Tor der Tochter Zion
Rief er: Wo sind ihre Götter,
Wo der Fels, auf den sie trauen?

Also lästerte und fluchte


Titus gegen Gott den Höchsten:
Voller Grausamkeit der Höchste
Ein Verderber ist der Menschen!

Titus griff sich eine Hure,


Ging mit ihr ins Tabernakel,
Nahm sich eine Tora-Rolle,
Legte flach sie auf den Boden

Und beging mit seiner Hure


Hurerei und wüste Unzucht
Auf der Tora-Rolle, wehe!
In dem Tabernakel, wehe!

Titus nahm ein Schwert und bohrte


Durch des Tabernakels Schleier,
Spritzte Blut hervor, ein Wunder,
Blutete des Tempels Schleier!

Sagte Titus: Hat doch Titus


Gar getötet eine Gottheit!
Herr Gott, deine Widersacher
Brüllen laut in deinem Tempel!

Wer ist so wie du geduldig,


Herr Gott, wer ist so geduldig,
Hörst du diese Lästerungen
Eines wüsten Frevlers schweigend!

Herr, wer ist dir gleich, o Gottheit,


Ähnlich unter allen Göttern?
Herr, wer ist dir gleich, o Gottheit,
Ähnlich unter allen Stummen?

Und was tat der Frevler Titus?


Titus nahm des Tempels Schleier,
Formte ihn zu einem Sacke,
Tat hinein Gerät des Tempels,

Stieg aufs Schiff und fuhr nach Roma,


Dort in Rom zu triumphieren.
Ich sah Menschen, gottlos frevelnd,
Sich vom Heiligtum entfernend

Und vergessen wurden diese


In der Stadt, die Frevler gottlos,
Die zusammenrafften alles,
Diese triumphierten gottlos.
Doch auf seiner Fahrt nach Roma
Hob vor Titus sich die Welle,
Drohte Titus zu ertränken,
Gleich dem Mühlstein zu ersäufen!

Sagte Titus: Scheint der Juden


Gott sich voller Kraft und Stärke
Auf dem Meer zu offenbaren,
Will ich ihm an Land begegnen.

Klang vom Himmel eine Stimme:


Frevler, Sohn von einem Frevler,
Sohn von Esau, den ich hasse,
Siehe die geringe Mücke,

Tritt aufs feste Land und kämpfe


Dort mit der geringen Mücke!
Eindrang die geringe Mücke
Ins Gehirn durch Titus’ Nase,

Stach dort Titus sieben Jahre.


Titus stand vor einer Schmiede,
Hörte dort des Hammers Schläge,
Hörten auf die Mückenstiche.

Titus stellte einen Schmied an,


Stets zu schlagen mit dem Hammer.
Gab dem Römer-Schmied vier Taler,
Nichts gab er dem Judenschmiede.

Und die Mücke? Sie gewöhnte


Bald sich an die Hammerschläge,
Wieder stach mit Mückenstichen
Sie im Hirn den Frevler Titus.

Als gestorben war der Frevler,


Schnitt man auf des Frevlers Schädel,
Fand in Titus Hirn die Mücke,
Sie war groß wie eine Taube.

Sagte Abbaji: Wir wissen


Von der Taube des Gerichtes!
Ganz aus Kupfer ist ihr Schnabel,
Ganz aus Eisen ihre Zähne.

SIEBENTER GESANG

Noch vor seinem Tode Titus


Setzte fest, dass seine Leiche
Man verbrennen solle und die
Asche in die Meere streuen,

In die sieben Meere streuen


Solle man des Leichnams Asche,
Daß der Zorn des Juden-Gottes
Ihn nicht zu Gerichte fordre!

Onkelos Bar Kalonikos


War der Schwestersohn des Titus.
Dieser wollte konvertieren
Zum Gesetz des Judentumes.

Er beschwor den Geist des Titus


Vorher aber von den Toten:
Wer ist angesehn im Jenseits?
Israel, Geliebter Gottes,

Sagte Titus. Sprach der Neffe:


Soll ich also konvertieren?
Titus sagte: Die Gesetze
Sind zu zahlreich bei den Juden

Und man kann sie nicht befolgen.


Schwestersohn, bedräng sie lieber,
Werde Oberhaupt der Juden,
Ihre Widersacher steigen!

Sprach der Schwestersohn, der Neffe:


Wie wird denn gerichtet droben?
Sprach der Onkel: Nach den Werken,
Wie du lebst, so wirst du leben.

Täglich sammle man die Asche


Seiner Leiche, sagte Titus,
Setze sie erneut zusammen
Und verbrennt sie immer wieder

Und zerstreut sie immer wieder


In den sieben Weltenmeeren.
Also sprach der Geist des Titus,
Der Verfluchte von dem Höchsten.

Onkelos ließ nun erscheinen


Bileam, den Geist des Sehers.
Wer ist droben angesehen?
Israel, der Gottgeliebte,

Sagte Bileam, der Seher.


Soll ich also konvertieren?
Fragte Onkelos den Seher
Und der Geist des Sehers sagte:

Suche nicht den Frieden Zions,


Suche nicht das Beste Zions,
Suche du dein ganzes Leben
Nicht das Heil der Tochter Zion!

Sagte Bileam. Der Neffe


Frug: Wie wird gerichtet droben?
Sagte Bileam: Mit Sperma,
Ja, mit feuerheißem Sperma!

Bileam wars nicht gelungen,


Jakob grimmig zu verfluchen,
Töchter Midians berief er
Darauf, Jakob zu verführen.

Onkelos ließ nun erscheinen


Rabbi Jesus Nazarenus,
Haupt des Neuen Wegs, der Sekte,
Der sich Der Messias nannte!

Wer ist angesehn im Jenseits?


Fragte Onkelos, der Römer.
Israel, der Gottgeliebte,
Sagte Jesus Nazarenus.

Soll ich also konvertieren?


Fragte Onkelos, der Römer.
Jesus Nazarenus sagte:
Such das Heil der Tochter Zion,

Für Jerusalem den Frieden!


Wer die Tochter Zion angreift,
Angreift Gottes Stern des Auges,
Den Augapfel Meines Vaters!

Wonach wird gerichtet drüben?


Fragte Onkelos, der Römer.
Jesus Nazarenus sagte:
Einzig nach dem Maß der Liebe!

ACHTER GESANG

Wegen eines stolzen Hahnes


Und der anvertrauten Henne
Ist der Königsberg Moria
In der Nacht vernichtet worden.
Denn es war der Brauch in Zion,
Daß bei einem Hochzeitszuge
Bräutigam und Braut vereinigt
Hahn und Henne mit sich trugen.

Dieses um so anzudeuten:
Fruchtbar sollt ihr sein, euch mehren
Wie der Hahn tut mit der Henne,
Und bekommen viele Küken!

Aber einem Hochzeitszuge


Sind begegnet Roms Soldaten,
Diese nahmen weg die Henne
Und den Hahn den Hochzeitsleuten.

Aber alle Hochzeitsgäste


Überfielen Roms Soldaten,
Schlugen nieder Roms Soldaten,
Die sich Hahn und Henne raubten.

Da erzählte man dem Kaiser,


Daß die Juden sich empörten.
Zog der Kaiser mit Soldaten
Gegen die Rebellen Zions.

Aber unter den Rebellen


War ein starker Mann mit Namen
Bardaroma. Mit nur einem
Sprunge sprang er eine Meile.

Dieser metzelte die Römer.


Tat der Kaiser seine Krone
Auf die Mutter Erde, betend:
Jovis, Herr des ganzen Weltalls,

Wenn es dir gefällt, o Vater


Aller Götter, aller Menschen,
Gib mein Reich nicht in die Hände
Eines einzigen Rebellen.

Bardaroma ist gestrauchelt


Durch die Sünde seiner Zunge:
Herr Gott, du hast uns verstoßen!
Ziehst nicht aus mit unserm Heere!

David sprach dieselben Worte,


Aber trauernd, nur als Frage:
Herr Gott, hast du uns verstoßen?
Ziehst nicht aus mit unserm Heere?

Sprach der Kaiser: Da ein Wunder


Sich ereignet, will ich lassen
In der Tochter Zion walten
Ruh und Frieden diese Tage.

Voller Freude alle Juden


Trafen sich zu einer Feier,
Nachts zu einem Festgelage,
Tranken reichlich Wein von Kana,

Aßen Brot und Fleisch von Lämmern,


Spielten mit den Saitenspielen,
Schlugen Zymbeln, schlugen Pauken
Und die jungen Mädchen tanzten!

Und es brannten Freudenfeuer


In der Nacht so hell erleuchtend,
Daß man Siegelringe sehen
Konnte noch in weiter Ferne.

Und dreihunderttausend Krieger


Zogen zu dem Königsberge,
Mordeten zur linken Seite
Sieben Tage, sieben Nächte,

Während man zur rechten Seite


Feierte ein Festgelage,
Fleisch aß, Wein trank, Mädchen tanzten
Sieben Tage, sieben Nächte.

NEUNTER GESANG

Rab Manjome Bar Chalkija,


Rab Chilkija Bar Tobija
Und der Rabbi Huna Chija
Saßen einst beim Wein zusammen.

Wer weiß etwas von der Ortschaft,


Von Sekanja in Ägypten?
Wer was weiß, der solls erzählen
Bei dem Rotwein seinen Freunden.

Einer von den Freunden sagte:


War ein Brautpaar in Sekanja
Einst gefangennommen worden
Und verkauft als arme Sklaven.

Der Besitzer nun vermählte


Seinen Sklaven mit der Sklavin.
Sprach die Braut zum Bräutigame:
O mein Bräutigam, Geliebter,
Ohne Dokument der Ehe,
Offizieller Eheschließung,
Bitt ich dich, mein Vielgeliebter,
Mich nicht lüstern zu berühren!

Er berührte sie sein Leben


Lang nicht lüstern und erotisch.
Als er dann gestorben, sagte
Seine Braut von seiner Keuschheit.

Also in der Trauerrede


Pries der Rabbi seine Keuschheit,
In Bezwingung der Begierde
War er größer noch als Josef.

Denn der junge Träumer Josef


Aus dem Alten Testamente,
Alten Testamentes Josef
War nur Einmal in Versuchung,

Jener aber Tag um Tage,


Jener aber Nacht um Nächte.
Alten Testamentes Josef
Teilte mit dem geilen Weibe

Potiphera nicht das Lager,


Während jener, den wir preisen,
Mit der eigenen Gemahlin
Schlief zusammen in dem Bette.

Alten Testamentes Josef


Ward versucht vom fremden Weibsstück,
Aber jener, den wir preisen,
Stand hielt er bei seiner Gattin!

Und ein andrer Rabbi sagte:


In Sekanja einst geschah es,
Alles Essen wurde teuer,
Allzu teuer auf dem Markte.

Als man suchte nach dem Grunde,


Fand als Grund man diese Sünde,
Daß ein Sohn mit seinem Vater
Einmal am Versöhnungstage

Sich vergangen haben beide


Voller Lust an einer Jungfrau,
Die verlobt war einem Manne,
Sie erkannten sie am Festtag.

Also brachte man die beiden,


Brachte Sohn und Vater beide
Vor Gericht, sie wurden beide
Dann nach dem Gesetz gesteinigt.

Drauf erreichten auf dem Markte


Wiederum die Preise ihren
Frühern Stand, man konnte essen
Und das Essen auch bezahlen.

Und der dritte Rabbi sagte:


Es geschah einst in Sekanja,
Wollt ein Mann sich scheiden lassen,
Doch die Scheidung ist verboten.

Rabbi Jesus Nazarenus


Sagte: Scheidung ist verboten,
Scheidung ist verboten, außer
In dem Fall der Unzuchtsklausel.

Lud der Gatte also Gäste


Ein und machte sie betrunken,
Legte sie aufs Bett und legte
Eiweiß zwischen seine Gäste.

Also sollten alle denken,


Daß die Ehefrau des Hauses
Lüstern Hurerei getrieben
Mit den Gästen ihres Gatten.

Rief herbei der Gatte Zeugen,


Zu bezeugen im Gerichte.
War ein weiser Greis der Richter,
War sein Name Babben Buta.

Sprach der Richter Babben Buta:


Also lehrten mich die Weisen:
Es gerinnt durch Feuer Eiweiß,
Sperma weicht zurück vorm Feuer.

Untersuchte nun der Richter


Diese Sache, fand die Unschuld
Der Gemahlin, ward der Gatte
Zu der Geißelung verurteilt.

Abbaji zu Rabbi Josef


Also sprach: Wenn in Sekanja
Die Bewohner edel waren,
Warum ward zerstört die Ortschaft?

Darauf sagte Rabbi Josef:


Weil sie über die Zerstörung
Von Jerusalem nicht weinten,
Nicht geklagt um Tochter Zion.

Freut euch mit der Tochter Zion,


Freut euch über Tochter Zion,
Alle, die ihr über Tochter
Zion traurig seid gewesen!

Freut euch an der Tochter Zion,


Denn nun dürft ihr saugen, Kinder,
An den Brüsten ihres Trostes
Wie an Gottes Mutterbrüsten!

ZEHNTER GESANG

Rabbi Chija Abbin sagte


In des Rabbi Jehoschua
Namen: Sprach ein alter Weiser
Aus Jerusalem die Worte:

Babels Fürst Nebukadnezar


Sandte einst Nebusaradan,
Seinen Feldherrn, gegen Zion,
Krieg zu führen gegen Zion.

Und Nebusaradan nannte


Man mit einem zweiten Namen
Rab Tebachim, das bedeutet:
Dieser große Menschenschlächter!

Dieser hat zweihundertdreizehn


Myriaden Menschenkinder
Hingeschlachtet und in Zion
Vierundneunzig Myriaden

Menschenkinder hingeschlachtet,
Mordend sie auf einem Steine,
Daß ihr Blut zum Blut geflossen
Des Propheten Sekaria,

Der im Tempel ward ermordet.


Also sich das Wort erfüllte
In dem Buche des Hosea:
Und das Blut das Blut berührte.

Er, Nebusaradan, merkte


Wie das Blut des Sekaria
Kochend aufstieg, und er fragte:
Was hat das nun zu bedeuten?
Er erhielt zur Antwort dieses:
Dieses ist das Blut der Opfer,
Opfer, die geschlachtet wurden,
Blut, das hier vergossen wurde!

Und Nebusaradan schaute


Und verglich das Blut des Sehers
Mit dem Opferblut der Opfer
Und er sah, es war nicht ähnlich.

Darauf sprach er zu den Leuten:


Sagt ihr nichts mir als die Wahrheit,
Ist es gut, doch sprecht ihr Lügen,
Will ich euch das Fleisch abziehen.

Was denn sollen wir dir sagen,


Sagten jene, ein Prophet war
Unter uns, der uns mit Gottes
Worten oft zurechtgewiesen.

Doch wir haben den Propheten


Angefallen und getötet!
Viele Jahre sind vergangen,
Doch sein Blut ward nimmer ruhig.

Sprach Nebusaradan: Aber


Ich mach dieses Blut nun ruhig.
Und er nahm vom Hohen Rate
Priester, tötete die Priester.

Doch das Blut ward noch nicht ruhig,


Des Propheten Blut, es kochte.
Nahm der Feldherr Knaben, Mädchen,
Kinder, tötete die Kinder.

Doch das Blut ward noch nicht ruhig,


Des Propheten Blut, es kochte.
Nahm der Feldherr kleine Kinder,
Kindlein, tötete die Kindlein.

Doch das Blut ward noch nicht ruhig,


Des Propheten Blut, es kochte.
O Sekaria, Prophete,
Rief er, soll ich Alle schlachten?

Da beruhigte sich der Seher


Und sein Blut, es kochte nimmer.
Schlug dem Feldherrn das Gewissen,
Peinigte den Menschenschlächter,

Sagte er zu seiner Seele:


Wenn man wegen der Ermordung
Eines heiligen Propheten
So viel muß zur Sühne opfern,

Was wird mit dem Mann geschehen,


Der da alle diese Seelen
Umgebracht und hingeschlachtet,
Priester, Knaben, kleine Kindlein?

Und er lief davon und sandte


Rasch sein Testament nach Hause,
Trat zum Judentume über,
Konvertierte zum Messias!

ELFTER GESANG

Jakobs Stimme, diese Stimme!


Esaus Hände, diese Hände!
Jakobs Stimme ist der Kaiser
Hadrian, ist Romas Cäsar.

Alexandrien in Ägypten
Schaute Hadrian, den Kaiser,
Wie der Kaiser zweimal sechzig
Myriaden Menschen mordet,

Zweimal sechzig, also doppelt


So viel als die sechzig Seelen
Juden, die dereinst verlassen
Das Ägyptenland Mizraim.

Jakobs Stimme ist der Kaiser


Hadrian, ist Romas Cäsar,
Der in Bettur-Stadt vierhundert
Myriaden Menschen mordet.

Esaus Hände, diese Hände!


Diese sind das Reich von Roma,
Das verbrannt den Tempel Gottes,
Uns aus unserm Land vertrieben.

Siehe, eine andre Deutung:


Jakobs Stimme, diese Stimme!
Kein Gebet ist jemals wirksam,
Stammts nicht von den Kindern Jakobs.

Diese Hände, Esaus Hände!


Keiner ist im Kriege siegreich,
Keiner wird im Kampfe siegen,
Stammt er nicht von Esaus Söhnen.
Rabbi Elieser sagte:
Du wirst nur geborgen werden
Durch die Kraft der Zunge, also
Durchs Gebet wirst du gerettet.

Sprach Jehuda in dem Namen


Seines Rabbis: Was bedeutet:
Saßen an den Wassern Babels,
Weinend dachten wir an Zion?

Damit ist gesagt, der Höchste


Prophezeite dem Psalmisten
König David die Zerstörung
Dieses Tempels Salomonis.

Der Ruin des Ersten Tempels


Steht geschrieben in den Worten:
An den Wasserflüssen Babels
Saßen wir und weinten bitter!

Der Ruin des Zweiten Tempels


Steht geschrieben in den Worten:
Denke an die Söhne Edoms,
Die zerstören, die vernichten!

Rab Jehuda sprach im Namen


Samuels und manche sagen
In dem Namen Rabbi Ammis
Diese Worte der Legende:

Einst vierhundert junge Knaben


Und vierhundert junge Mädchen
Sind gefangennommen worden
Und bestimmt zu einer Schändung.

Als die Kinder aber merkten,


Was die bösen Frevler planten,
Sprachen sie: Wenn wir uns alle
Stürzen in die Meereswogen,

Kommen wir dann in den Himmel,


In das Leben in dem Jenseits?
Sprach der Klügste unter ihnen:
Sprach der Herr doch diese Worte:

Holen will ich euch aus Baschan,


Holen aus der Meerestiefe!
Baschan, das heißt Löwenzähne,
Rettung aus dem Löwenrachen.

Rettung aus der Meerestiefe


Gott verheißt den Menschen, welche
Sich in Meerestiefen stürzen,
Rufen an den Namen Gottes!

Als die Mädchen dieses hörten,


Sind sie in das Meer gesprungen.
Daraufhin die Knaben sprachen:
Wenn sogar die Mädchen springen,

Dann erst recht die Knaben springen.


Also sprangen auch die Knaben
Alle in die Meereswogen
Und ertranken in der Tiefe.

Spricht die Schrift: Wir sind geachtet


Wie die Schafe, die man schlachtet,
Opfert sie auf den Altären,
Alle Tage Opferlämmer!

Rab Jehuda sagte: Diese


Lämmer, die geschlachtet werden,
Sind der Mutter sieben Söhne,
Die man brachte vor den Kaiser.

Sprach der Kaiser zu dem Ersten:


Bete an den Heidengötzen!
Sprach der Sohn: Es steht geschrieben:
Ich bin Jahwe, deine Gottheit!

Ward der erste Sohn ermordet.


Sprach der Kaiser zu dem Zweiten:
Bete an den Heidengötzen!
Sprach der zweite Sohn zum Kaiser:

Aber also steht geschrieben:


Du sollst keine andern Götter
Oder Göttinnen anbeten
Neben Jahwe, deiner Gottheit!

Ward der zweite Sohn ermordet,


Sprach der Kaiser zu dem Dritten:
Bete an den Heidengötzen!
Sprach der dritte Sohn zum Kaiser:

Wer den Heidengötzen opfert,


Fremden Göttinnen und Göttern,
Und nicht einzig Gottheit Jahwe,
Sei verbannt aus Gottes Lande!

Ward der dritte Sohn ermordet.


Sprach der Kaiser zu dem Vierten:
Bete an den Heidengötzen!
Sprach der vierte Sohn zum Kaiser:

Aber also steht geschrieben:


Heute hab ich dir geboten,
Anzubeten keine andre
Gottheit als die Gottheit Jahwe!

Ward der vierte Sohn ermordet.


Sprach der Kaiser zu dem fünften:
Bete an den Heidengötzen!
Sprach der fünfte Sohn zum Kaiser:

Höre, Israel, Geliebter,


Jahwe, unsre Gottheit, Jahwe,
Ist allein die wahre Gottheit,
Einig Eins und die All-Einheit!

Ward der fünfte Sohn ermordet.


Sprach der Kaiser zu dem Sechsten:
Bete an den Heidengötzen!
Sprach der sechste Sohn zum Kaiser:

Heute aber sollst du wissen,


Jahwe Gottheit ist im Himmel,
Jahwe Gottheit ist auf Erden,
Keine Gottheit ist als Jahwe!

Ward der sechste Sohn ermordet.


Sprach der Kaiser zu dem Letzten:
Bete an den Heidengötzen!
Sprach der letzte Sohn zum Kaiser:

Jahwe hast du heut geschworen,


Jahwe hat dir heute geschworen!
Jahwe ist mein Gott, ich schwöre,
Jahwe schwört: Du bist mein Liebling!

Sprach der Kaiser zu dem Sohne:


Meinen Siegelring mit meinem
Bilde werf ich auf die Erde,
Bücke dich und heb den Ring auf!

Sprach der letzte Sohn zum Kaiser:


Weh dir, Kaiser, weh dir, Kaiser,
Deine eigne Ehre suchst du,
Sollst nur suchen Gottes Ehre!

Ward der letzte Sohn ermordet.


Sprach der sieben Söhne Mutter:
Laß mich einmal nur noch küssen
Meinen siebten Sohn, den Liebling!
Sprach die Mutter zu dem Liebling:
Liebling! Geh nach deinem Tode
Rasch zu Abraham, dem Vater,
Sprich dann zu dem Patriarchen:

Du hast einen Sohn geopfert,


Aber ich die sieben Söhne!
Klang vom Himmel eine Stimme:
Fröhlich ist der Kinder Mutter!

ZWÖLFTER GESANG

Rabbi Simon sagte einmal:


Tora-Worte bleiben dem nur,
Der bereit ist, für die Tora
All sein Leben hinzugeben.

Darum heißt es auch bei Mose:


Das ist Tora, Jungfrau Tora,
Wenn ein Weiser in dem Zelte
Stirbt, ja stirbt in seinem Lehrhaus.

Rab Jehuda sagte: Aber


Was bedeutet dieser Schriftvers:
Meiner Seele Augen weinen
Um die Töchter meiner Ortschaft?

Wohl vierhundert Schulen waren


Einst in Bettur und vierhundert
Lehrer und vierhundert Schüler,
Fromme Schüler, kleine Kinder.

Als der Feind drang in die Schulen,


Stachen die vierhundert Lehrer
Mit den langen Zeigestöcken
Auf den Feind ein, doch er siegte,

Nahm gefangen alle Lehrer,


Nahm gefangen alle Schüler,
Band sie ein in Pergamente
Und verbrannte sie im Feuer!

Jehoschua Ben Chananja


Einst, der Rabbi, kam nach Roma,
Sagte man zu ihm, in Roma
Sei ein wundervoller Knabe,

Schön die Augen dieses Knaben,


Schön das Angesicht des Knaben,
Goldne Locken seine Haare,
Lange Locken, feine Haare,

Dieser Knabe sei gefangen.


Rabbi Jehoschua stellte
Sich vor das Gefängnis, rufend
Dieses Schriftwort von Jesaja:

Wer hat Jakob übergeben,


Um den Jakob auszurauben,
Wer gab Israel den Räubern,
Israel, den Gottgeliebten?

Rief der wunderschöne Knabe


Laut durch das Gefängnisgitter,
Was Jesaja weiter sagte,
Denn er kannte die Propheten:

Jahwe tats, weil wir gesündigt,


Denn sie wollten nicht auf seinen
Wegen wandeln und gehorchten
Nicht den göttlichen Gesetzen.

Rabbi Jehoschua sagte:


Ich bin sicher, dieser Knabe
Wird in Israel ein Lehrer,
Wird ein Meister einer Schule.

Bei dem Gottesdienste schwör ich,


Eher nicht zu weichen, bis ich
Diesen wundervollen Knaben
Freigekauft aus dem Gefängnis.

Rabbi Jehoschua wirklich


Kaufte frei ihn aus dem Kerker
Und der Knabe ward ein Meister,
Rabbi Jischmael Elischa.

DREIZEHNTER GESANG

Siehe, Rabbi Levi sagte:


Es gab eine Frau mit Namen
Zofnat Peniel. Der Name
Zofnat heißt: Die Angeschaute,

Weil die alten Männer alle


Sich umschauten nach der Schönen,
Tochter sie des Hohenpriesters,
Der am Tabernakel diente.
Einmal wurde sie gefangen
Und der Räuber sie missbrauchte,
Sie die ganze Nacht missbrauchte
Nach der bösen Lust der Sünder.

Aber in der Morgenröte


Hüllte er in sieben Schleier
Zofnat, führte sie zum Markte,
Auf dem Markt sie zu verkaufen.

Kam ein Mann, der war sehr hässlich,


Sagte: Zeig mir ihre Schönheit!
Laß mich ihre Schönheit schauen,
Ob ich sie erlangen möchte.

Sprach der Räuber: Übeltäter,


Wenn du sie doch nehmen möchtest,
Nimm sie, auf der ganzen Erde
Ist kein zweites Weib so reizend!

Doch der Kerl sprach: Dennoch will ich


Schaun die offenbare Schönheit!
Zofnat zog sich aus, sechs Kleider,
Und das siebte Kleid zerriß sie,

Wälzte sich im Staub und sagte:


Gottheit, Schöpfer aller Schöpfung,
Willst du Zofnat auch nicht schonen,
Aber schone deinen Namen!

Zofnat Peniel beklagte


Einst der Seher Jeremia
In der Klagelieder Versen
Rhytmisch schön und alphabetisch:

O du Tochter meines Volkes,


Tochter, kleide dich in Sacktuch,
Tochter, leg dich in die Asche,
Trage Leid in deiner Seele,

Leid wie um den Erstgebornen,


Klag wie Eine voller Kummer,
Denn der Räuber ist gekommen,
Er ist über dich gekommen!

Rab Jehuda sprach im Namen


Seines Rabbi diese Worte:
Was bedeutet dieses Schriftwort
Wohl bei dem Propheten Micha:

Also treiben sie Gewalttat


Mit dem Mann, dem Haus, dem Erbe?
Zu der Deutung dieses Wortes
Hör die folgende Geschichte:

War ein Zimmermannsgeselle,


Sah die Gattin seines Meisters,
Warf ein Auge voll Begierde
Auf die Frau des Zimmermannes!

Einmal musste sich der Meister


Schekel leihen beim Gesellen.
Sprach zum Meister der Geselle:
Zimmermann, schick deine Gattin,

Denn der Gattin will ich leihen.


Und der Zimmermann und Meister
Zu dem Zimmermann-Gesellen
Schickte seine Ehegattin.

Und der Zimmermann-Geselle


Mit des Zimmermannes Gattin
War zusammen für drei Tage,
War zusammen für drei Nächte.

Nach drei Tagen kam der Meister


Zu dem Zimmermann-Gesellen,
Sagte: Wo ist meine Gattin,
Wo die Herrin meines Hauses?

Sprach der Zimmermann-Geselle:


Gleich als sie zu mir gekommen,
Hab ich ihr das Geld gegeben,
Darauf ist sie fortgezogen.

Ich hab ein Gerücht vernommen,


Daß ein Kerl sie auf dem Wege
Voller Lustbegier erkannte
Und ihr lag am nackten Busen!

Sprach der Zimmermann und Meister:


Was nur soll ich tun, Geselle?
Sprach der Zimmermann-Geselle:
Meister, lasse du dich scheiden!

Sprach der Meister: Nein, das geht nicht,


Geb ich ihr den Brief der Scheidung,
Muß ich sie mit Geld entlassen
Und das kann ich nicht bezahlen.

Sprach der Zimmermann-Geselle:


Ich will leihen dir die Schekel,
So kannst du die Frau entlassen,
Der ein andrer lag am Busen!

Und der Zimmermann und Meister


Schied sich von der Ehegattin
Und der Zimmermann-Geselle
Nahm sie sich zum Eheweibe.

Als der Zimmermann und Meister


Nun zurückzuzahlen hatte
Den Kredit, den er genommen,
Konnte er es nicht bezahlen.

Sprach der Zimmermann-Geselle:


Meister, du kannst abarbeiten
Den Kredit, den ich verliehen,
Fleißig sei in meiner Werkstatt.

Kam der Meister nun zur Arbeit,


Saß das Ehepaar zusammen,
Aß Oliven, Nüsse, Käse,
Brot und trank vom Wein aus Kana.

Doch der Meister musste dienen,


Ihnen dienen an der Tafel.
Aus den Augen flossen Tränen,
Tränen tropften in den Becher.

VIERZEHNTER GESANG

Rabbi Ischmael Ben Rabbi


Josef, dieser stark Beleibte,
Rabbi Eleasar Schimon,
Ebenfalls ein stark Beleibter,

Diese standen beieinander.


Und berührten sich die Bäuche,
Unter ihren dicken Bäuchen
Ging hindurch ein Rinderwagen.

Eine füllige Matrone


Einmal sprach zu diesen Meistern:
Eure Kinder sind nicht eure,
Meister, denn mit solchen Bäuchen

Kommt ihr doch an eure Weiber


Nicht heran, im Schoß zu zeugen.
Doch da sprachen diese Meister
Zu der fülligen Matrone:
Unsre Weiber sind noch dicker!
Unsrer Weiber schöne Leiber
Sind noch dicker als die unsern,
Aber sie sind unsre Weiber!

Sprach die füllige Matrone:


Umsomehr gilt diese Wahrheit:
Eure Kinder sind nicht eure,
Ihr erreicht des Weibes Schoß nicht!

Sprachen daraufhin die Meister


Und zitierten aus der Bibel:
Wie der Mann, so seine Stärke!
Und dann sprachen diese Meister:

Liebe, sie verdrängt den Körper!


Warum gaben denn die Meister
Antwort der Matrone? Siehe,
Steht geschrieben in den Sprüchen:

Gib der Närrin keine Antwort


Nach der Weise ihrer Torheit,
Sonst erlangen deine Kinder
Schlechten Ruf und üblen Nachruhm.

FÜNFZEHNTER GESANG

Rabbi Jochanan behauptet:


Ja, es war das Glied des Rabbi
Ischmael so groß und prächtig
Wie ein Schlauch, der fasst neun Liter!

Rabbi Papa aber sagte:


Ja, es war das Glied des Rabbi
Jochanan so groß und prächtig
Wie ein Schlauch, der fasst fünf Liter!

Manche Rabbis aber sagten:


Ja, es war das Glied des Rabbi
Jochanan so groß und prächtig
Wie ein Schlauch, der fasst drei Liter!

Rabbi Jochanan behauptet:


Ich bin Einer von den Schönsten
In der Tochter Zion Toren,
Ich bin Einer von den Schönsten!

Wer die Schönheit schauen möchte


Rabbi Jochanans, der nehme
Einen neuen Silberbecher,
Eben erst poliert und glänzend,

Fülle diesen Silberbecher


Mit Granatfruchtsamen, roten,
Kränze ihn mit roten Rosen,
Hebe ihn dann in die Sonne.

Dann erhält man solch ein Glänzen,


Das ein Abglanz ist des Glanzes,
Der vom Angesicht des Rabbi
Jochanan als Lichtglanz ausstrahlt!

Aber das ist nicht die Wahrheit,


Denn mein Meister hat gesprochen:
Also schön ist Rab Kakama
Wie der schöne Rab Abahu,

Rab Abahus Schönheit ähnlich


Ist der Schönheit Vater Jakobs,
Unsres Vaters Jakobs Schönheit
Schön ist wie die Schönheit Adams!

Rabbi Jochanan wird aber


Nicht erwähnt von meinem Meister.
Fehlt des Angesichtes Zierde
Ihm doch, als da ist der Vollbart.

SECHZEHNTER GESANG

Rabbi Jochanan saß oftmals


Vor dem Tor des Badehauses.
Wenn die schönen Töchter Zions
Kommen aus dem Badehause,

Rein von ihrer Monatsblutung,


Frisch gebadet und vom Salböl
Duftend, sollen sie mich sehen,
Schöne Söhne dann gebären!

Ja, sie sollen sich vergucken


In den schönsten Rabbi Zions,
Schöne Söhne dann gebären,
Schön wie ich, wie ich so weise!

Zu ihm sprachen die Gelehrten:


Fürchtest du dich gar nicht, Meister,
Vor dem bösen Blick der Hexen?
Lächelnd aber sprach der Rabbi:
Ich bin doch vom Volk des Josef,
Den der böse Blick des Weibes
Potiphars nicht schaden konnte,
Denn er war der Gottgeweihte,

Steht doch also auch geschrieben:


Wie ein Baum wird Josef wachsen,
Wie ein Baum an einer Quelle,
Weil er Worte Gottes murmelt.

Aber lies den Text verändert:


Wachsen wird der Träumer Josef,
Übers Auge hocherhaben!
Rabbi Jochanan zitierte

Moses über Josefs Söhne:


Wie die Fische in dem Meere
Sind bedeckt von Wasserwogen
Und nicht ausgesetzt dem Auge,

So sind auch die Söhne Josefs


Nicht den Augen ausgeliefert.
Josefs Kinder haben Schönheit,
Die allein der Gottheit sichtbar!

SIEBZEHNTER GESANG

Eines schönen Tages Rabbi


Jochanan im Jordan badet.
Sah er Lakisch, der war vormals
Noch ein wilder Räuberhauptmann.

Rabbi Jochanan zu Lakisch:


Deine Kraft gehört der Tora.
Lakisch darauf zu dem Rabbi:
Deine Schönheit eignet Frauen.

Rabbi Jochanan zu Lakisch:


Wenn du Buße tust und umkehrst,
Gebe ich dir meine Schwester,
Die noch schöner als ich selber.

Rabbi Jochanan den Lakisch


Lehrte nun das Wort der Tora
Und die Deutungen der Weisen,
Machte ihn zum großen Manne.

Eines Tages stritten beide


Über Fragen des Gesetzes.
Rabbi Jochanan zu Lakisch
Sagte: Du warst Räuberhauptmann,

Also bist du unterrichtet


In des Räuberhandwerks Künsten.
Lakisch sagte: Was denn nützt das,
Was nutzt mir das Räuberhandwerk?

Nannte man mich bei den Räubern


Rabbi, nämlich Räuberhauptmann,
Nennen mich nun weise Männer
Rabbi, nämlich Schriftgelehrten.

Rabbi Jochanan zu Lakisch:


Nun hast du das Heil gefunden,
Weil ich dich gebracht, mein Bruder,
Durch die Umkehr zu dem Worte

Gottes unter Gottes Fittich,


Zu der Majestät der Gottheit,
Zu der Schechina-Matrone,
Zu der Mutterliebe Gottes!

Rabbi Jochanan beleidigt


Und gekränkt war von dem Undank
Seines Bruders, der die Weisheit
Unterschied nicht von dem Diebstahl.

Und zur Strafe für die Kränkung


Seines Lehrers in der Weisheit
Wurde Lakisch krank und müde
Lag er auf dem Krankenlager.

Kam die wunderschöne Schwester


Jochanans zu ihrem Bruder:
Gottesmann, verzeihe Lakisch
Doch um meiner Söhne willen!

Jochanan der Rabbi sagte:


Laß nur deine Waisenkinder,
Ich, ich werde sie ernähren,
Denn ich bin der Waisen Vater!

Also sprach die schöne Schwester:


Gottesmann, verzeihe Lakisch,
Wenn nicht um der Söhne willen,
Also doch um meinetwillen.

Jochanan der Rabbi sagte:


Siehe, deine Witwen mögen
Allezeit auf mich vertrauen,
Bin den Witwen wie ein Gatte!

Lakisch starb. Jetzt aber grämte


Sich voll schwarzen Grams der Rabbi
Jochanan. Die Schriftgelehrten
Wollten den Genossen trösten,

Sandten Rabbi Eleasar,


Klugen Lehrer, scharfen Denker,
Wortgewandt war Eleasar,
Im Besitz der ganzen Wahrheit.

Was auch immerdar voll Trauer


Rabbi Jochanan behauptet,
Rabbi Eleasar sagte:
Für dich gibt’s ein Wort als Stütze.

Jochanan der Rabbi sagte:


Rabbi Eleasar, also
Willst du sein wie Rabbi Lakisch:
Für dich gibt’s ein Wort als Stütze?

Wenn ich aber Rabbi Lakisch


Sagte nur ein Wort der Weisheit,
Hatte vierundzwanzig Fragen
Voller Klugheit Rabbi Lakisch,

Auf die vierundzwanzig Fragen


Gab mit vierundzwanzig Sätzen
Ich die Antwort meiner Weisheit,
So vermehrten wir die Lehre.

Jochanan der Rabbi klagte:


Ach mein lieber Freund und Bruder!
Tot der Rabbi, tot der Rabbi!
Wehe mir – Ich leb noch immer!

Beteten die Schriftgelehrten


Und die alten weisen Männer
Für den kummervollen Rabbi:
Gott, erlös ihn, laß ihn sterben!

Gott, erlös ihn von den Leiden


Dieses Jammertals der Erde,
Laß ihn eingehn in die Freude
Ewiglich im Paradiese!

ACHTZEHNTER GESANG
Rabbi Eleasar konnte
Wegen eines Mannes, welchen
Er den Häschern ausgeliefert,
Keine Seelenruhe finden.

Er begann sich zu kasteien.


Lag er in den dunklen Nächten,
Legte man ihm sechzig Decken
Auf sein hartes Büßerlager,

Morgens schöpfte man vom Rabbi


Sechzig Eimer Blut und Eiter.
Seine Frau zum Frühstück machte
Sechzig Arten leckre Speise.

So genas der fromme Büßer.


Seine Frau ließ aber Rabbi
Eleasar nicht mehr gehen
In das Lehrhaus zu den Weisen.

Aber er lud ohne Wissen


Seiner Frau die Schriftgelehrten
In sein Haus, er sagte abends:
Brüder, kommt zum Wortgefechte!

Und die ganze Nacht studierten


Die Gelehrten Gottes Weisheit.
Morgens aber sprach der Rabbi:
Geht, damit ihr nicht die Predigt

Morgens in dem Gotteshause


Frevelhaft versäumt, o Brüder.
Doch in Wahrheit schickte Rabbi
Eleasar fort die Brüder,

Daß nicht seine Gattin merkte,


Daß er all die Nacht studierte,
Seine Gattin war vor allem
Tief besorgt um die Gesundheit

Ihres Mannes. Eines Tages


Aber sie erfuhr die Wahrheit
Und sie sagte zu dem Gatten,
Sprach zu Rabbi Eleasar:

Du bringst nun das ganze Geld durch,


All die Schekel meines Vaters,
Nur durch die verdorbne Wäsche
Und die teuren Pflegemittel.

So empörte sich die Gattin


Gegen ihren Eheherren
Und begab sich in die Wohnung
Ihrer Mutter, ihres Vaters.

Aber sechzig Schiffer kamen,


Die auf See in Not gewesen,
Riefen Rabbi Eleasar
An zu ihrem Schutzpatrone.

Diese sechzig Schiffer schenkten


Sechzig Sklaven dem Patrone,
Jeder Sklave einen Geldsack
Trug und machte leckres Essen.

Eines Tages aber Rabbi


Eleasars Ehegattin
Sandte ihrer beider Tochter,
Nach dem Väterchen zu schauen.

Sprach der Rabbi zu der Tochter


Dieses Sprichwort aus den Sprüchen:
Der Besitz der Meinen größer
Ist als der Besitz der Ihren.

Dann zitierte er die Sprüche:


Sie ist wie das Schiff des Kaufmanns,
Die die nahrhaft leckre Speise
Zu ihm bringt aus weiter Ferne!

Dachte nun der Tochter Einfalt,


Sie, das sei die Ehegattin,
Aber Rabbi Eleasar
Meinte nur die Weisheit Gottes!

Rabbi Eleasar speiste,


Trank von einem guten Weine,
Ward gesund und ging ins Lehrhaus
Zu den Freunden, zu den Brüdern.

Und da brachten ihm die Brüder


Sechzig Arten roten Blutes:
Ist es Blut der Frauenblutung
Oder ist es Blut, das rein ist?

Rabbi Eleasar sagte:


Das ist alles Blut, das rein ist.
Sprachen aber die Gelehrten:
Aber ist da gar kein Zweifel?

Sagte Rabbi Eleasar:


Ist es nicht so, wie ich sage,
Sollen alle eure Weiber
Euch gebären kleine Mädchen,
Aber wenn ich sprach die Wahrheit,
Sollen sie gebären Knaben,
Eure Weiber euch gebären
Knaben, weise wie der Vater!

Wahrlich, also auch geschah es:


Alle Weiber aller Rabbis
Ihren Gatten nur gebaren
Knaben ihren stolzen Vätern!

Dann starb Rabbi Eleasar.


Aber bald nach seinem Tode
Warb Jehuda um die Witwe,
Rabbi Patriarch Jehuda.

Doch da sprach die Witwe also:


Sollte ein Gefäß der Ehre,
Das für Heiliges benutzt ward,
Nun profanem Nutzen dienen?

An der Stelle, wo der Hausherr


Aufgehängt hat seine Waffen,
Sollte nun ein Hund und Sauhirt
Hängen auf den Wassereimer?

Rabbi Patriarch Jehuda


Aber sagte zu der Witwe:
War er reicher auch an Weisheit,
Reicher auch an der Erkenntnis,

Aber war er denn auch reicher


An der Liebe guten Werken,
War er reich an guten Taten,
Der Gerechte voll Erbarmen?

So erwiderte die Witwe:


Ob er reicher war an Weisheit
Und Erkenntnis seiner Gottheit,
Kann ich armes Weib nicht wissen,

Wahrlich, aber er war reicher


An der Liebe guten Werken,
Denn er nahm für Gott freiwillig
Auf sich Sühneopferleiden!

NEUNZEHNTER GESANG

Warum gab der gute Rabbi


Sich so viele Not und Mühe
Mit den Kindern fremder Leute?
Rab Jehuda nämlich sagte

In dem Namen seines Rabbi


Und es sagte Rabbi Abba
Auch im Namen seines Rabbi
Jochanan und manche sagen,

Rabbi Samuel Nachmeni


Sprach dasselbe in dem Namen
Rabbi Jonatans, es sprachen
Allesamt die weisen Rabbis:

Wer den Sprössling seines Nächsten


Unterweist im Gottesglauben,
Wird belohnt von Gott dem Höchsten,
Sitzen darf er in dem Himmel,

An der himmlischen Versammlung


Teilzunehmen, wird gewürdigt,
Wer die Söhne seiner Nächsten
Unterrichtet in der Bibel.

Denn so sagte Jeremia:


Darum spricht der Herr Gott also:
Hältst du dich zu mir, so will ich
Ziehen dich zu mir, denn siehe,

Lehrt ein Mann den Sohn des Nächsten


Gottes Wort, die Jungfrau Tora,
Hebt der Herr um seinetwillen
Ein Verhängnis auf, ein Unheil,

Ein Gericht, das schon beschlossen


War, ein Strafgericht der Menschheit!
Denn es heißt bei dem Propheten
Jeremia weiter also:

Und wo du die Frommen lehrest,


Sich zu scheiden von den Frevlern,
Sollst du weiterhin mein Mund sein
Und mein Prediger der Weisheit.

Aber nimm dir keine Gattin,


Aber zeuge keine Söhne,
Rede Edles, nicht Gemeines,
So wirst weiter du mein Mund sein!

Rabbi Chija mit dem Rabbi


Chanin ist in Streit geraten
Und da sagte Rabbi Chija:
Du willst also mit mir streiten?

Wenn die kluge Jungfrau Tora


Würd in Israel vergessen,
Hätt ich sie durch meine Deutung
Wiederum dem Volk gegeben.

Aber Rabbi Chanin sagte:


Du willst also mit mir streiten?
Ich bewirkte, dass die Tora
Nicht vergessen wird in Zion.

Weißt du aber, was ich tue?


Schau, ich säe Flachs und flechte
Netze, mit den Netzen fang ich
Hirsche, speis mit Fleisch die Waisen,

Aus dem Fell der Hirsche mach ich


Pergamente und ich schreibe
Auf die Pergamente alle
Mose-Bücher, jedes Jota.

Und ich gehe auf den Marktplatz


Und ich gehe in die Schulen,
Unterrichte dort die Knaben
In der Mose-Bücher Weisheit

Und erzähle allen Knaben


Die Legenden unsrer Weisen
Und die Fabeln unsrer Dichter
Und die Märchen unsrer Mütter

Und ich sage zu den Knaben:


Bis ich wiederkomme, Kinder,
Lernt die zehn Gebote, Kinder,
Lernt auswendig Davids Psalmen.

So bewirk ich, dass die Tora


Nicht vergessen wird in Zion.
Darauf sprach der andre Rabbi:
Groß ist deine Weisheit, Rabbi,

Groß sind deine Werke, Rabbi.


Als der Rabbi dies gesprochen,
Sagte Ischmael Ben Josef:
Sind denn dieses Rabbi Werke

Größer noch als deine eignen?


Sprach der Rabbi: Ja, das sind sie.
Größer auch als Josefs Werke?
Nein, das gibt es nicht in Zion!
ZWANZIGSTER GESANG

Rabbi Sara einmal sagte:


Gestern sah ich Rabbi Jose,
Sah den toten Rabbi Jose
Und ich sprach zu Rabbi Jose:

Wer ist in dem Paradiese


Dir zu Seiten, Rabbi Jose?
Sagte Rabbi Jose lächelnd:
Rabbi Jochanan, der Schöne!

Sprach ich: Wer ist denn zu Seiten


Jochanans, des schönen Rabbi?
Sprach er: Das ist Rabbi Jannai.
Sprach ich: Wer ist denn zu Seiten

Rabbi Jannais? Sagte Rabbi


Jose : Chanina, der Rabbi.
Sprach ich : Wer ist denn zu Seiten
Chaninas, des weisen Rabbi?

Sprach er: Das ist Rabbi Chija.


Sprach ich zu dem Rabbi Jose:
Aber Jochanan, der Schöne,
Sitzt er nicht bei Rabbi Chija?

Sagte Rabbi Jose aber:


Sollte einer an der Stelle,
Wo die Feuerstrahlen blitzen,
Sein, der eines Schmiedes Sohn war?

Und ich schaute einen Rabbi,


Der verkehrte mit Elias.
Seine Augen heil am Morgen,
Doch versengt von Glut am Abend.

Was hat das nur zu bedeuten?


Sprach er: Ich hab den Propheten
Einst gebeten, mir die Rabbis
In dem Paradies zu zeigen.

Sagte zu mir so Elias:


Alles kannst du droben schauen,
Aber Rabbi Chijas Thron nicht,
Dieser Thron ist ein besondrer.

Denn der andren Rabbis Throne


Zu der himmlischen Versammlung
Von den Himmlischen getragen
Werden, von den schönen Engeln,

Aber Rabbi Chijas Thronstuhl


Kommt von selber, geht von selber.
Schau! Da schaute ich den Thronstuhl,
Ward geblendet wie von Lichtglanz!

Und ich weilte an dem Grabe


Rabbi Chijas im Gebete:
Deine Weisheit will ich lernen!
Und da ward ich wieder sehend.

EINUNDZWANZIGSTER GESANG

So die weisen Männer lehrten:


Warum ward der Mensch geschaffen
Einst am allerersten Freitag?
An dem Freitag ward geschaffen

Adam, dass nicht Ketzer sagen,


Bei der Schöpfung Gottes hätten
Mitgeholfen ihm die Menschen,
Menschen so sich überheben.

Wenn sich Menschen überheben,


Sagt zum Menschen Gott der Schöpfer:
Mensch, geschaffen erst am Freitag,
Mücken sind vor dir erschaffen!

Und am Freitag ward erschaffen


Adam, damit der Erschaffne
Gleich am Samstag Sabbatruhe
Feiern kann zu Gottes Ehre.

Schau ein Gleichnis: War ein König,


Baute den Palast als erstes,
Schmückt ihn aus und macht die Mahlzeit,
Dann erst lädt er ein die Gäste.

Baute ja ihr Haus Frau Weisheit,


Hieb Frau Weisheit sieben Säulen,
Schlachtete ihr Vieh zur Speise,
Trug den Wein auf zum Berauschen,

Sandte aus die Dienerinnen,


Diese riefen von den Hügeln:
Alle, die da unverständig,
Kommen sollen sie zur Weisheit!
Baute ja ihr Haus Frau Weisheit,
Dies bedeutet Gottes Planung,
Denn nach Gottes Plan geschaffen
Ist das ganze Universum.

Hieb Frau Weisheit sieben Säulen,


Sieben Tage sinds der Schöpfung,
Sieben große Zeitabschnitte,
Da der Kosmos ist geworden.

Schlachtete ihr Vieh zur Speise,


Trug den Wein auf zur Berauschung,
Deckte ihren Tisch zur Mahlzeit,
Lud zur Kommunion der Weisheit,

Dieses sind die Meere, Flüsse,


Sind die Lämmer und die Hühner,
Malz und Hopfen und der Weinstock
Und das Brot der Mutter Erde.

Schickt Frau Weisheit ihre Diener,


Sendet ihre Dienerinnen,
Siehe, dieser Knecht ist Adam,
Siehe, diese Magd ist Eva.

Kommt doch, die ihr unverständig,


Kommt herein zum Mahl der Weisheit!
O du Tor, so sprach Frau Weisheit,
Eile rasch zur Herrin Weisheit!

Wer ist dieser Tor? Betörte


Nicht die erste Frau den Menschen?
Sprach die Frau doch: Iß vom Apfel!
Tor ist der vom Weib Verführte!

ZWEIUNDZWANZIGSTER GESANG

Rabbi Paulus Meyer sagte:


Schau, der Staub des ersten Menschen
Ward geholt vom ganzen Erdkreis,
Denn es steht geschrieben also:

Gottheit, deine Augen sahen


Meinen Klumpen von der Erde!
Gottheit, deine Augen schauen
Ja die ganze Mutter Erde!

Rab Oschaja aber sagte


In dem Namen seines Rabbis:
Schau, der Rumpf des Körpers Adams
Ward herbeigebracht aus Babel,

Aber Adams Schädel holte


Gott der Herr aus Palästina,
Und die andern Glieder alle
Aus den andern Ländern allen.

Rabbi Acha aber meinte,


Adams schöne Hinterbacken
Stammten aus der Burg von Agma,
Diese waren Evas Wonne!

Rabbi Jochanan Chanina


Aber sagte über Adam
Und den Tag des ersten Menschen
Und des ersten Menschen Leben:

In der ersten Tagesstunde


Ward gesammelt all die Erde,
Die zu Adams Schöpfung nötig,
Von der großen Mutter Erde.

In der zweiten Tagesstunde


Adam ward geformt zum Klumpen.
In der dritten Tagesstunde
Formte Gott die Glieder Adams.

In der vierten Tagesstunde


Hauchte Gott die Seele Adams.
In der fünften Tagesstunde
Adam sich erhob vom Boden.

In der sechsten Tagesstunde


Adam gab den Tieren Namen.
In der siebten Tagesstunde
Führte Gott zu Adam Eva!

In der achten Tagesstunde


Adam lag im Bett mit Eva!
Die zu zweit das Bett bestiegen,
Sie verließen es mit Kindern.

In der neunten Tagestunde


Gott verbot dem ersten Menschen,
Von dem Baume der Erkenntnis
Sich zu pflücken seine Feige.

In der zehnten Tagesstunde


Adam übertrat die Weisung.
In der elften Tagestunde
Adam ward von Gott gerichtet.

In der zwölften Tagestunde


Adam ward verjagt vom Engel
Aus dem Garten Eden, Adam
Durfte nicht im Garten bleiben,

Denn es steht geschrieben also:


Adam soll nicht übernachten
Himmlisch in dem Garten Eden,
Wird verjagt wie Straßenköter!

DREIUNDZWANZIGSTER GESANG

Sprach ein Ketzer zu dem Rabbi


Gamliel: Ein Dieb dein Gott ist,
Denn es steht geschrieben also:
Gott ließ tiefen Schlummer fallen

Auf den ersten Menschen Adam,


Adam sank in tiefen Schlummer,
Gott nahm seiner Rippen eine
Und verschloß mit Fleisch die Stelle.

Doch des weisen Rabbi Tochter


Wollte selbst die Antwort geben
Und sie sagte zu dem Ketzer:
Ich, ich brauche einen Richter!

Wozu brauchst du einen Richter?


Sprach sie, nachts gekommen wären
Diebe, klauten Silberbecher,
Hinterließen goldne Becher.

Sprach der Ketzer zu der Tochter:


Solche Diebe sollten allzeit
Kommen in mein Haus und rauben
Silber, hinterlassen Feingold.

Sprach die Tochter zu dem Ketzer:


Und geschah dies nicht auch Adam?
Gott ihm raubte eine Rippe,
Aber schenkt ihm ein Weibchen!

Zugegeben, sprach der Ketzer,


Aber warum ließ der Schöpfer
Adam schlafen, warum nahm er
Nicht die Rippe ihm im Wachen?
Sprach die Tochter: Komm zum Essen,
Hier für dich ein rohen Fleischstück.
Nein, sprach da entsetzt der Ketzer,
Rohes Fleisch ist mir ein Ekel.

Sprach des Rabbis weise Tochter:


So wärs Adam auch ergangen,
Hätte er gesehn, wie Eva
Ward geschnitzt aus seiner Rippe.

Und der Ketzer sprach zu Rabbi


Gamliel: Ich weiß, was Gott tut,
Wo sich euer Gott befindet,
Weiß ich auch, so sprach der Ketzer.

Und der weise Rabbi seufzte.


Sprach der Ketzer: Warum seufzt du?
Sprach der Rabbi: Hab ein Söhnchen,
Süßes Kindchen, kleines Knäblein.

Er ist irgendwo in einer


Jener Städte an dem Meere.
Sehnsucht hab ich nach dem Kindchen!
Bringe du mir doch mein Kindchen!

Sprach der Ketzer zu dem Rabbi:


Narr, woher soll ich denn wissen,
Wo in welcher Stadt am Meere
Sich dein lieber Sohn befindet.

Sprach der weise Rabbi lächelnd:


O du hochgelehrter Ketzer,
Weißt nicht, was da ist auf Erden,
Weißt du denn, was ist im Himmel?

VIERUNDZWANZIGSTER GESANG

Rabbi Akiba sprach einmal:


Lies du nicht die Apokryphen!
Rabbi Josef sagte aber:
Lies auch nicht in Jesus Sirach!

Abbaji sprach darauf dieses:


Also schrieb doch Jesus Sirach:
Ziehe du die Haut des Fisches
Bloß nicht ab von seinen Kiefern,

Daß die Fischhaut nicht verderbe,


Sondern brate du das Fischlein
Wie es ist und dann verspeise
Du es mit zwei leckern Brötchen.

Also spricht doch auch die Tora:


Wenn vor einer Stadt du lange
Liegen musst im Widerstreiten,
Sollst verderben nicht die Bäume!

Das ist ja die Lebensregel,


Daß man soll mit einem Weibe
Unnatürlich nicht verkehren,
Sondern wie es Gott gefalle.

Jesus Sirach spricht auch also:


Eine Tochter für den Vater
Ist ein Schatz, der voller Kummer,
Ist ein kummervolles Schätzchen.

Denn aus Sorge um die Tochter


Kann er in der Nacht nicht schlafen.
Ist die Tochter jung, ein Mädchen,
Bangt der Vater vorm Verführer.

Ist die Jungfrau dann geschlechtsreif,


Bangt der Vater vor der Unzucht.
Ist sie reif geworden, fürchtet
Er, dass sie nicht Kinder werfe.

Ist sie aber alt geworden,


Bangt der Vater um die Tochter,
Daß sie Zauberei betreibe,
Daß sie die Magie studiere.

Also aber sprachen Rabbis:


Ohne Mann und Frau kein Leben.
Wohl dem, dem Gott Söhne schenkte!
Weh dem, dem Gott Töchter schenkte!

Lies im Buche Jesus Sirach


All die guten Weisheitslehren:
Eine gute Frau ist eine
Gabe Gottes an den Frommen,

Eine böse Frau ist aber


Wie der Aussatz für den Frevler.
Eine schöne Frau voll Anmut:
Heil dem Manne, der sie lieb hat!

Eine schöne Frau voll Anmut:


Heil dem Manne, der sie lieb hat!
Heilung bringt sie seinen Gliedern
Und verlängert ihm das Leben.
Aber wende ab die Augen
Von der Gattin deines Nächsten,
Und ist sie auch voller Liebreiz,
Schau nicht nach verbotnen Reizen,

Denn wie leicht kann man geraten


In die Netze solcher Reize!
Sitze auch nicht nachts zusammen
Mit des Nächsten Weib beim Weine!

Denn am wunderschönen Körper


Eines wunderschönen Weibes
Gingen viele schon zugrunde,
Groß die Anzahl ist der Toten.

Viele Wunden hat empfangen


Jener, der des Nächsten Gattin
Schmuck geschenkt, um sie zu schmücken,
Wenn der Gatte dies entdeckte.

Wer sich aber mit der Unzucht


Geil befasst, ist gleich dem Funken,
Der entfacht ein großes Feuer,
Keiner kann den Waldbrand löschen.

Also sprachen weise Männer:


Wer da einen Vers des Hohen
Liebesliedes Salomonis
Vorträgt als profanes Buhllied

Oder einen Vers der Bibel


Vorträgt in der falschen Stunde
In der Schenke vor den Trinkern,
Der bringt in die Welt das Unheil.

Denn in diesem Fall die keusche


Jungfrau Tora sich bekleidet
Mit dem Sack der Buße, betend:
Jahwe! Schöpfer aller Schöpfung,

Höchster Herr des Universums,


Deine Kinder haben meine
Weisheit wie ein Lied gepfiffen,
Sitzend bei dem Wein beim Gastmahl.

Spricht der Vater in dem Himmel:


Meine erstgeborne Tochter,
Was soll sonst ein Zecher singen,
Liegt er nachts beim Wein des Gastmahls?

Spricht die keusche Jungfrau Tora:


Majestät des Universums,
Sind die Männer bibelkundig
Und gelehrt im Worte Gottes,

Sollen sie Gesetz, Propheten,


Psalter, Weisheit, alles lesen.
Wenn sie den Talmud studieren,
Sprechen sie von Talmudisten.

Wenn sie Kabbala studieren,


Sprechen sie von Kabbalisten.
Wenn sie Rabbi Jesus Weisheit
Lernen, künden – Heil den Weisen!

JUDITH

ERSTER TEIL

ERSTER GESANG

O gewaltiger Eloah,
Adonai, du König Salems!
Dich bekennen, Gott und Herrscher,
Alle ewigen Äone!

Höhe, Tiefe, Länge, Breite,


Morgensterne, Abendsterne
Preisen all das Wesen Gottes:
Einig Gott in drei Personen!

Komm zu mir, gelinder Herrscher,


Komm nach deiner Liebe Willen,
Lehre du mich deine Liebe,
Laß uns ewig eins sein, Gottheit!

Mein Bekenntnis ist das selbe


Wie einst Abraham bekannte,
Der vor drei Personen einen
Gott und Herrn hat angebetet.

Also bete ich zu einem


Gott und Herrn in drei Personen,
Lade dich, mein Gott, mein König,
Ein zu mir in drei Personen.

Komm, o Vater voller Liebe,


Gottheit aller reinen Minne,
Komm, o Vater, und bewahre
Mich vor allem Trug und Irrtum!

Dich auch lad ich ein, o Jesus,


Gottes eingebornen Liebling,
Gottes eingeborne Weisheit,
Dich auch lad ich ein, Frau Weisheit,

Daß die Gnade ich erfahre,


Daß du selbst, o Weisheit Gottes,
Inspirierst des Dichters Dichten
Zu dem Ruhm der Weisheit Gottes!

Dich auch lad ich ein, o Heilig


Geist, gib du mir siebenfältig
Alle deine Tugendgaben,
Daß ich werde voll der Tugend,

Gib mir Gottesfurcht und Künste,


Milde, Rat und Kraft und Weisheit,
Gib Vernunft, dass ich vollbringe
Dieses Werk im Geist der Tugend!

Heilig Geist und Sohn und Vater!


Wo dein Lobpreis nicht gesungen
Dir zu Ruhm und Ehre, Gottheit,
Da sind fehlerhaft die Künste.

Doch mit deiner Gnade, Gottheit,


Will ich dieses Werk vollbringen,
Singen auf dem Berg der Tugend
Einen Stein von reinstem Wesen.

Unter deinen Schwingen, Jahwe,


Unter deinen Adlerschwingen
Berg ich mich als Adlerjunges
Wie einst tat der Dichter David.

Unterm Schatten deiner Schwingen


Ich beginne meine Dichtkunst,
Ich vollbringe meine Dichtkunst,
Ich vollende meine Dichtkunst.

Weise mir den Weg, Frau Weisheit,


O mein Friedefürst, o Jesus,
Führ im Geist der Gottesminne
Mich in Ewigkeit. Hosanna!
Was so süß ist deinem Herzen,
O mein Freund und wahrer Bruder,
Der du grüßest Sankt Maria,
Das will ich im Lied dich lehren.

Denn ich hörte deine Klage,


Hab vernommen über Maßen
Deine Klage, du begehrtest
Gottes Weisheit zu erkennen!

Du begehrtest voll des Durstes


Und du batest mich als Schenken,
Einzuschenken dir der Weisheit
Edlen Wein, der in der Schrift strömt.

Ach, ich bin ein armer Sünder!


Kann ich denn das Licht erkennen,
Das da leuchtet in der Bibel,
Den geheimen Kern des Wortes?

Also reich kann ich nicht schöpfen,


Daß ich deinen Durst dir stille,
Deiner Liebe voll Begierde
Stille völlig das Verlangen.

Aber einen Teil der Quelle


Komm ich, über deinem Haupte
Auszugießen, von der Weisheit
Ursprung möchte ich berichten,

Daß du schöpfest aus der Quelle,


Welche ist der Weisheit Ursprung,
Schöpfe mit kristallnem Kelche
Und benetze deine Lippen.

Wer da aber sucht die Weisheit,


Suche Weisheit in der Bibel,
Dann wird ihn die Weisheit führen
In das Land von Milch und Honig.

Stille also die Begierde


Nach dem edlen Wein der Weisheit,
Lies du nur in diesem Liede,
Das ich deutscher Dichter dichte,

Der ich kann so gut nur dichten,


Wie die Liebe mich gelehrt hat,
Singe nach dem Wort der Bibel
Dieses Lied der schönen Judith.

Dichter will ich sein der Judith


Und mit Gottes Hilfe singen
Achior und Holofernes,
Will die schöne Judith singen,

Will in diesem Buche wandern


In dem fernen Morgenlande
Und will kehren heim am Abend
Zu dir in dem Abendlande

Und dir kurz und bündig sagen,


Welchen Honig ich gefunden,
Will den Honigseim dir schenken,
Dir den süßen Seim der Judith.

Alles ruht in Gottes Händen!


Möge sich der Bibel Samen
Strömen aus in Gottes Namen:
Allmacht, Weisheit, Liebe! Amen.

ZWEITER GESANG

Arfaxat war Mediens König,


War ein König vieler Länder,
Weithin war berühmt sein Name
Unter vielen Länderfürsten.

Arfaxat war voll des Durstes


Nach dem Ruhm und nach der Ehre
Und er baute eine Stadt nach
Höhe, Tiefe, Länge, Breite.

Darin wollt vor Feinden sicher


Sein der König und in Frieden
Leben alle Lebenstage,
Und die Stadt hieß Ekbatana.

Diese Stadt von Edelsteinen


Und von himmelblauen Ziegeln
War sehr schön und hohe Türme
Dort von Elfenbein zu schauen.

Arfaxat in Ekbatana
Lebte, Stolz in dem Gemüte,
Und er tat was er nur wollte
In dem Eigentum des Königs.

Und er hatte viele Helden,


Große Ritter, starke Krieger,
Untertanen voller Demut,
Stets sich fürchtend vor dem König.
Nahe war das Reich des Königs
Von Assyrien gelegen,
Dessen König hatte mächtig
Manchen Edelmann bezwungen.

Seinem Machtgebote waren


Untertan viel Ländereien.
Dieser König tat gewaltig
Nur nach seinem eignen Willen.

Und Assyriens Gebieter


Hatte Krieger, hatte Knechte,
Die da fochten, die da stritten
Zu der Ehre ihres Königs.

Weil sie seine Knechte waren


Und zu ihm in Treue hielten,
Trug er hoch die stolze Nase,
War hochmütigen Gemütes.

Nebukadnezar hieß der König.


In dem zwölften Jahr der Herrschaft
Wollt er Arfaxat besiegen
Und sein Königreich erobern.

Aufeinander stießen beide


In dem offnen Schlachtgefilde
Und da gab es viele Tote,
Gehend ein zum Totenreiche.

Dieses Feld genannt war Ragan,


Bei dem breiten Strome Euphrat,
Da ward Arfaxad bezwungen,
Nebukadnezar triumphierte.

Nebukadnezar triumphierte,
Wollte König sein der Erde
Und die Königskrone tragen
Als der ganzen Welt Beherrscher.

Niemand sollte widerstehen,


Alle einen Gott ihn nennen,
Dieses Machtgebot des Königs
Ward gesandt in alle Länder,

Nach Zilizien und Damaskus,


Zu dem Libanon und Karmel,
Galiläa, Samaria,
Nach Jerusalem, zum Jordan,

In das schwarze Land der Neger,


Diesen allen ward geboten,
Nebukadnezar anzubeten
Nach dem Machtgebot des Königs.

Doch die Leute in den Ländern


Hörten nicht auf die Gebote.
Nebukadnezar wurde zornig
Im hochmütigen Gemüte.

Ihm entschwand die letzte Güte


Und er schwor bei seiner Krone
Und er schwore bei seinem Throne,
Daß er sie besiegen wollte.

Rief er alle seine Räte,


Sprach zu allen seinen Räten:
Ich will sein der Weltenherrscher
Und der Gott der ganzen Erde!

Dieses Wort gefiel den Räten


Und sie huldigten dem König,
Ihrem Herrn und ihrem Abgott,
Fielen vor dem König nieder.

Einer von den Königsräten


War der Herzog Holofernes.
Nebukadnezar sprach als König
Zu dem Herzog Holofernes:

Fahre in das Land des Westens,


Unterwirf das Land des Westens,
Wer mir nicht wird untertänig,
Den bestrafe mit dem Schwerte!

Schone Burgen nicht noch Städte,


Alle Seelen sollst du würgen,
Bis auch noch die letzte Seele
Mich bekennt als ihren Gottherrn!

DRITTER GESANG

Als der König so gesprochen


Zu dem Herzog Holofernes,
Tat der Herzog Holofernes,
Was der König ihm geboten.

In Assyrien gesammelt
Wurden ritterliche Heere,
Starke Ritter, junge Knappen,
Und sie zogen in dem Heerzug.

Als der Herzog Holofernes


Sah den ritterlichen Heerzug,
Zählte Ritter er und Knappen,
Wie der König ihm geboten.

Krieger gingen da zu Fuße,


Hundertzwanzigtausend Krieger,
Ritter ritten hoch zu Rosse,
Wohl zwölftausend stolze Reiter.

Holofernes rief die Ritter


Auf zur ritterlichen Treue
Und beschwor sie, in dem Kriege
Selbst ihr Leben einzusetzen.

Als der Heerzug war gesammelt


Und bereit war für den Kriegszug,
Holofernes erst besorgte
Eine Mahlzeit für die Krieger.

Mit den Rittern zogen nämlich


Viele Schafe, viele Kühe,
Viele Esel und Kamele,
Alles leckres Fleisch zur Speise.

Und die Ritter und die Knappen


Und die Krieger und die Knechte
Zogen nun im Heereszuge
Mit dem Herzog in die Schlachten.

Von Assyriens Gefilden


Zu Ziliziens Gefilden
Zogen sie und zum Gebirge
Ange kam das Heer der Ritter.

Dort der Herzog Holofernes


Überwand die Burgen alle
Und die Leute sich ergaben
Sklavisch Herzog Holofernes.

Und die Hauptstadt hieß Melothi,


Herzog Holofernes nahm sie,
Raubte alles Gut der Hauptstadt,
Nahm sich alles ohne Umschweif.

Weiter zog der Herzogs Truppe,


Mesopotamien erobernd
An dem breiten Strome Euphrat,
Da er mehrte die Gewinne.
Nach Zilizien und Japhet
Ritt er und nach Mediens Auen.
Alle Leute mussten dulden
Ihren Tod von seinen Händen.

Nach Damaskus ritt der Herzog,


Wo er ließ die goldnen Felder
In der Erntezeit verbrennen,
Hieb die Früchte von den Bäumen.

Dann gebot er seinen Kriegern,


Alle Reben abzuschneiden,
Jeden Weinberg zu verderben
Und in rotem Blut zu waten.

Als die Völker alles dieses


Sahen, die Gewalt und Machttat,
Wurden sie verzagt und ängstlich,
Keinen Widerstand mehr leistend.

Da vereinten sich die Fürsten


Zur Beratung mit den Räten,
Mesopotamiens, Syriens Fürsten,
Die von Libanon und Sobal.

Und die Fürsten und die Räte


Sandten Holofernes Botschaft:
Laß uns werden untertänig,
Komme du zu uns in Frieden!

Sklaven wollen wir dir werden,


Willst du nur uns nicht verderben,
Gnädig sei den Untertanen
Und bring Frieden deinen Sklaven.

Lieber dienen wir der Gottheit


Nebukadnezar untertänig,
Als das deiner Gottheit Sklaven
Nur den Tod von ihm empfangen.

Nimm uns an als deine Sklaven,


Aber komm zu uns mit Frieden,
Unsre Burgen, unsre Städte
Legen wir in deine Hände.

Unsre Pferde und Kamele,


Unsre Kinder, Kindeskinder,
Unsre Weiber, unsre Sklaven
Legen wir in deine Hände.

Sei dein Herrscher unser Herrscher,


Wir sind deines Herrschers Sklaven,
Du komm zu uns nur mit Frieden,
Wir tun ganz nach deinen Wünschen.

Herzog Holofernes hörte


Diese Rede und so nahm er
Alle Burgen, alle Städte,
Herrschte mit Gewalt und Stärke.

Von den Sklavenvölkern nahm er


Viele Krieger, junge Knaben,
Nahm sie an als seine Krieger,
Dienten Sklaven ihm als Ritter.

Und die Sklavenvölker, singend


Sklavenlieder, sie empfingen
Ihren Herzog Holofernes
Als der Herrn in ihren Burgen.

Doch die Demut nicht vermochte


Ihm das Herze zu erweichen,
Trotz der Sklaven Hundedemut
Blieb des Herzogs Herz versteinert.

Er zerstörte ihre Burgen,


Er zerstörte ihre Türme,
Er zerstörte ihre Ähren,
Er zerstörte ihre Reben.

So gebot ihm ja der König


Nebukadnezar grausam grimmig,
Daß die ganze Welt erkenne,
Nebukadnezar sei der Gottherr.

Mit Gewalt zog Holofernes


Durch die Länder, die Gebirge,
Zog durch Syrien, zog durch Sobal,
Mesopotamien, Appamia,

Bis er kam zum Lande Gaba,


Wo er unterwarf die Städte,
Dreißig Tage seine Krieger
Ließ er ruhen dann vom Kriege.

VIERTER GESANG

Da war aber eine Landschaft


Mit dem Namen Tochter Juda,
Israels Bewohner wohnten
In dem Land der Tochter Juda.
Die entsetzten sich, vernehmend
Wie der Herzog Holofernes
Alle Burgen, alle Städte
Schändete und alle Leute.

Da begannen sie zu fürchten,


Daß Jerusalem erobert
Werde und der Tempel Gottes
Werde ruiniert zu Trümmern.

Also sandten sie Gesandte


Gegen Jericho, Samarien,
Daß in Jericho, Samarien
Man sich schütze vor dem Feinde.

Sie begannen, hohe Mauern


Zu errichten um die Städte
Und die Burgen zu versorgen
Drinnen reich mit Korn und Wasser.

Unter ihnen war ein Pfaffe,


Groß sein Name und gewaltig,
Eliachim war sein Name,
Der war Oberster der Pfaffen.

Esdralon gebot der Pfaffe


Und Dotaim riet der Pfaffe,
Daß die Berge sie besetzten,
Daß sie sicherten die Wege.

Nun hob sich ein großes Weinen


Von der ganzen Volksgemeinde,
In Jerusalem und andern
Orten alle Leute weinten.

Jammernd klagten sie Jehowah,


Daß man gegen Gottes Ehre
Wollt Jerusalem erobern
Und vernichten Gottes Tempel.

Und sie trugen Sack und Asche


Und beweinten ihre Sünden,
Ihre Frauen klagten leise,
Ihre Kinder schrieen jammernd.

Und sie schrieen zu dem Höchsten,


Daß er ihnen in der Schwermut
Ihrer Trübsal Beistand sende,
Hilfe von dem Heiligtume.

Gott, beschütz uns vor dem Feinde,


Der uns will vertreiben alle,
Alle Männer, alle Frauen,
Alle Großen, alle Kleinen.

Und der Pfaffe Eliachim


Wallte durch die Tochter Juda,
Sagte Israels Bewohnern:
Betet allzeit, fastet, opfert!

Dann wird Gott euch bald erhören,


Wenn ihr betet, betet, betet,
Gott wird seinen Beistand senden,
Gott wird euern Feind vernichten.

Gott stand so dereinst bei Mose,


Der nur durch die Bittgebete
Seiner Reue, seiner Buße
Amalek den Feind besiegte.

Amalek war groß und zahlreich,


Zahlreich war des Feindes Mannschaft,
Mose überwand den Gegner
Durch die Macht der Bittgebete.

Also werden alle siegen,


Die geduldig leiden, opfern,
Buße tun und fasten, beten,
Das ist die gewisse Wahrheit.

Nach dem Trostwort dieses Pfaffen


Mann und Weib und kleine Kinder
Schrieen laut zu Gott dem Höchsten,
Daß er seinen Beistand sende.

Allzeit beten, fasten, opfern,


Buße tun und sich bekehren
War ihr Werk und ihre Arbeit
In der Innigkeit der Demut.

FÜNFTER GESANG

Bruder mein in Jesus Christus,


Kannst du dich wohl noch erinnern,
Daß ich sprach zu Anbeginn von
Achior und Holofernes?

Nun ist es soweit gekommen,


Daß ich Achior besinge.
O mein Freund, du bist ein Garten,
Drin ich mich zum Trost ergötze.

Ich gelobte bei der Freundschaft,


Daß ich Judith will besingen,
Dies soll meinem Bruder nützen,
Der da sucht die Weisheit Gottes.

Ja, schon sehe ich die Straße,


Die ich laufen will zum Ziele.
Gott behüte meine Seele,
Daß ich guten Lobpreis singe.

Gott behüte meine Seele,


Gott erquicke meinen Körper,
Daß mich nicht der Bär verjage,
Braun der Bär, den ich besungen.

Denn an diesem Donnerstage


Höre ich die Klage Davids:
Meinen Weinberg hat vernichtet
Braun der Bär aus finsterm Walde!

Braun der Bär, das ist der Teufel,


Ist Herr Uriel mit seinen
Weggenossen, den Satanen
Und mit dem Konvent der Hexen.

Solche irren auf dem Wege,


Die den wahren Gott vergessen,
Die den wahren Gott verlästern,
Unsern Schöpfer, Retter, Tröster!

Und ich fleh zu Gottes Gnade,


Daß die Gnade mich bewahre
Vor dem Löwen, König Frevel,
Der da umgeht, zu verschlingen.

Wäre ich doch stark wie Simson,


König Frevel zu erschlagen!
Speise kommt vom starken Fresser,
Was ist süßer als der Honig?

Siehe, süßer als der Honig,


Das ist die Idee des Honigs,
Das ist die Idee des Süßen,
Ist die Süßigkeit der Weisheit!

Freund, ich sage dir die Wahrheit:


An die Straße will ich treten,
An den Kreuzweg, an die Pforte,
Mit Frau Weisheit dort zu reden.
Führen will als guter Hirte
Ich mein Volk auf grüne Auen,
Weiden will ich meine Lämmer
Auf dem grünen Feld der Bibel.

Willst du in der Spur der Weisheit


Wandeln, jagen nach der Weisheit,
Höre mich getreu dir sagen,
Wer da Ohren hat, der höre:

Denkst du, dass ich Fabeln dichte,


Dichte nur Altweibermärchen?
Wehe, wehe, meine Schwermut
Muß das klagen und beweinen,

Das gereichte mir zum Zorne,


Wenn ich Eitelkeiten dichte,
Nein, mein Wort soll vorm Gerichte
Gottes nichts als Weisheit singen!

Nicht vergebens meine Arbeit


Als Poet der Weisheit Gottes,
Sondern der posthumen Sendung
Würdig will ich Weisheit künden.

Ich bin jung, bin wie ein Kindlein,


Stammle wie ein Kindlein Lobpreis,
Singe immer Jesus, Jesus!
Auf, zum frischen Quell der Weisheit!

SECHSTER GESANG

Achior war Ammons Herzog


Und er sprach zu Holofernes:
Herr, ich weiß von diesem Volke
Israel und wills dir sagen.

Dieses Volk stammt aus Chaldäa,


Stammt aus Ur in Mesopotamien,
Lehnte ab die falschen Götter,
Ehrten nur die Eine Gottheit,

Dienten nur dem Gott des Himmels,


Der ließ sie vondannen ziehen.
Aber als sie hungern mussten,
Zogen sie ins Land Ägypten.

Viermal hundert Jahre waren


Sklaven sie im Land Ägypten.
Israel ward aber zahlreich,
Zahllos wurden Jakobs Kinder.

Aber Pharao, der König


Von Ägypten, ließ die Sklaven
Stampfen Lehm und Ziegel brennen
In der Knechtschaft hartem Frondienst.

Doch das Volk schrie zu Jehowah


Und Jehowah hörte seine
Kinder zu dem Vater schreien
Und er sandte die Befreiung.

Übers Land Ägypten schickte


Gott gewaltig schlimme Plagen,
Bis der Pharao Ägyptens
Ließ die Kinder in die Freiheit.

Aber als die schlimmen Plagen


An ihr Ende kamen, jagte
Pharao den Kindern Jakobs
Nach bis an Ägyptens Schilfmeer.

Gott die Wellen aber trennte,


Wellen standen hoch wie Mauern,
Und die Kinder Jakobs zogen
Durch das Schilfmeer trocknen Fußes.

Die Ägypter aber jagten


Grimmig nach den Kindern Jakobs,
Aber Jakobs Gott ersäufte
Die Ägypter in dem Schilfmeer.

Israel zog durch die Wüste


Zu dem Sinai-Gebirge,
Niemand lebte in der Wüste,
Dort die Kinder Jakobs lebten.

Aus den bittern Quellen aber


Flossen süße Wasserströme
Und der Gott im Himmel nährte
Seine Schar mit Brot vom Himmel.

Ohne Pfeil und Bogen zogen,


Ohne Schilde, ohne Schwerter
Zogen Jakobs fromme Söhne
Durch die Wüste, Gott vertrauend.

Gott vertrieb die Feinde alle,


Alle gegnerischen Völker
Gott vertrieb vor seinen Kindern,
Gott selbst stritt für seine Söhne.
Keiner konnte sie besiegen,
Wenn sie treu Jehowah blieben.
Als sie aber abgefallen,
Da gerieten sie in Schande.

Als sie wieder sich bekehrten,


Gott besiegte alle Feinde,
Jebusiter, Perisiter,
Amoriter und Heviter,

Alle wurden überwunden


Und die Länder dieser Heiden
Waren nun in Jakobs Händen,
Jakobs Söhnen voller Stärke.

Und so lang sie nicht gesündigt,


Stand es gut mit Jakobs Söhnen
Und Jehowah strafte alle
Feinde Jakobs mit der Rute.

Aber wenn sie abgekommen


Von dem Wege Gottes waren,
Kamen sie in die Verbannung,
Die Zerstreuung in der Fremde.

Aber dann in der Zerstreuung


Sie bekehrten sich zur Gottheit
Und Jehowah ließ sie wohnen
Hier auf diesen festen Bergen.

Darum, Herzog Holofernes,


Sollst du zu erfahren suchen,
Ob sie gegen Gott gesündigt,
Dann besiegen wir sie sicher.

Wenn sie Gott in deine Hände


Gibt, dann werden untertänig
Sie dir dienen als die Sklaven
Nebukadnezars, deines Herrschers.

Aber haben Jakobs Söhne


Nicht den Bund mit Gott gebrochen,
Können wir sie nicht besiegen,
Denn Jehowah streitet für sie!

Dann wird Gott dein Heer besiegen


Und dein Heer wird unterliegen,
Jakobs Söhne in den Kriegen
Werden sicher triumphieren!
SIEBENTER GESANG

Als so Achior gesprochen,


Herzog Holofernes’ Knechte
Wollten Achior ermorden
Und sie sprachen miteinander:

Wer ist der, der hier gesprochen


Gegen Nebukadnezars Heere,
Die geleitet ohne Weisheit
Seien, ohne Kraft und Stärke?

Daß nun Achior bekenne,


Wie er sich in uns getäuscht hat,
Wollen wir gewaltig kommen
Aufs Gebirg der Tochter Juda.

Wenn wir dann das Volk von Juda


Eingefangen und erschlagen,
Soll auch Achior erschlagen
Werden mit des Schwertes Schärfe.

Dann soll jedes Volk auf Erden


Dies bekennen, dass der Herrscher
Nebukadnezar wahrer Gott sei,
Außer Gott kein andrer Gott sei!

Also sprachen sie. Die Rede


Achiors erregte zornig
Holofernes. Holofernes
Sprach zu Achior die Worte:

Da du uns nun prophezeitest,


Daß der Juden Volk beschützt wird
Von Jehowah, ihrem Gotte,
Darum sollst du nun bekennen,

Daß kein Gott vor unserm Gotte


Nebukadnezar war auf Erden.
Wenn wir alle Juden töten
Und erschlagen Mann und Weiber,

Kinder morden, Kindeskinder,


Sollst du mit ermordet werden
Und von der Assyrer Schwertern
Mit den Juden in den Tod gehn.

Dann sollst du im Tod erkennen,


Daß nur Nebukadnezar Gott ist,
Herrscher über Tod und Leben
Und der Gott der ganzen Erde.

Von dem Schwerte der Assyrer


Wird durchbohrt dann deine Seite
Und erliegen deinen Wunden
Wirst du, sterben mit den Juden.

Denkst du aber, deine Rede


Sei prophetisch und wahrhaftig,
Hebe ohne Furcht dein Antlitz
Und bleib treu dem Gott der Juden.

Geh du nur zum Volk der Juden


Und gesell dich zu den Juden,
Wird ergehen meine Rache,
Wird dich meine Rache treffen.

Also Herzog Holofernes


Seinen Knechten hat geboten,
Daß sie Achior gefangen
Führen in das Land von Juda.

In dem jüdischen Gebirge


Lag Bethulia, das Städtchen,
Achior ward ausgeliefert
In Bethulia den Juden.

Herzog Holofernes’ Knechte


Brachten Achior gefesselt
Auf das jüdische Gebirge,
Banden ihn an einen Baum an.

Achior stand da gefesselt


An den Baumstamm angebunden.
Und die Knechte Holofernes’
Ihn verhöhnend ihn verließen.

ACHTER GESANG

Und es kamen nun die Juden


Rasch zu Achior am Baume
Und sie führten den Befreiten
Nach Bethulia, dem Städtchen,

Nahmen ihn in ihre Mitte


Und befragten ihn neugierig,
Wie es sei ihm so ergangen,
Daß er dort gefesselt wurde.
Osias war Fürst der Juden
Und mit Osias war Karim,
Der war auch ein Fürst der Juden,
Die nun Achior vernahmen.

Achior bekannte offen,


Was ihn Holofernes fragte,
Was er Holofernes sagte,
Wie ihn Knechte schlagen wollten,

Wie ihn Holofernes schließlich


Übergab dem Volk von Juda,
Daß er mit den Juden sterbe,
Wenn der Herzog kommt zur Rache.

Dieses alles ist geschehen,


Sagte Achior zu Karim
Und Osias, weil ich sagte:
Gott Jehowah hilft den Juden.

Als dies Achior geredet,


Fiel die jüdische Gemeinde
Auf ihr Antlitz vor Jehowah,
Betend: Heilig, heilig, heilig!

Und die jüdische Gemeinde


Mit der Auserwählten Eintracht
Betete in tiefer Demut
Gott den Schöpfer an, den Vater.

Gott des Himmels und der Erde,


Schau uns an, in Demut betend,
Wie die Feinde uns verfolgen,
Sei dein Antlitz unsre Hilfe!

Laß uns sehen, unser Heiland,


Wie die Stolzen du erniedrigst
Und wie du erhöhst die Kleinen.
Wer sich Gott dünkt, mach dem Vieh gleich!

Da die jüdische Gemeinde


Alle Tage, alle Nächte
Betete in großer Trübsal
Und in Drangsal ihrer Leiden,

Sprachen Achior sie Trost zu:


Unser Gott, den du bekannt hast,
Wird dich schützen wie ein Adler
Und der Feind sein deiner Feinde!

Wenn uns unser Heiland rettet


Nur aus Gnade seiner Liebe,
Mögest du auch gläubig werden
Ans Gesetz des großen Gottes.

So sprach die Gemeinde. Abends


Osias nahm ihn ins Haus auf,
Lud ihn ein zum Abendmahle,
Nach dem Fasten aßen Fleisch sie.

Und die gläubige Gemeinde,


Sich versammelnd in der Kirche,
Betete die ganze Nacht durch
Vor der Gegenwart des Höchsten.

Und sie flehten in der Kirche


Vor dem Schrein des Wortes Gottes:
Gott des Himmels und der Erde,
Uns erlös aus allen Qualen!

NEUNTER GESANG

Holofernes seine Krieger


Ließ Bethulien bekriegen,
Hundertzwanzigtausend Läufer,
Zweiundzwanzigtausend Reiter.

Nach Bethulien sie zogen


Und gen Belnia sie kamen
Und bis an die Ortschaft Celmo,
Die bei Esdralon gelegen.

Und die jüdische Gemeinde,


Da sie Holofernes sahen,
Fielen nieder vor Jehowah,
Vor dem Gotte, der sie liebte!

Asche auf das Haupt sich streuend,


Reuevoll die Buße übend,
Beteten sie an in Eintracht
Ihren Gottherrn, der sie liebte!

Und sie baten ihre Gottheit


Um das herzliche Erbarmen
Und dann nahmen sie die Waffen
Zur Verteidigung des Landes.

Holofernes durchs Gebirge


Wandernd, fand dort eine Quelle,
Da die Juden Wasser schöpften,
Nah den Mauern ihrer Ortschaft.
Heimlich schöpften Juden Wasser,
Sich zu laben an dem Wasser
Und sie tranken zur Erquickung
Von der keuschen Schwester Wasser.

Diese Quelle nun gewahrten


Die von Moab und von Ammon,
Denn die Moabiter stritten
Mit dem Herzog gegen Juda.

Und die Moabiter sprachen,


Moab sprach zu Holofernes:
Du besetze diese Quelle,
Daß sie nicht mehr fließt den Juden.

Wenn die Juden nicht mehr trinken


Von der keuschen Schwester Wasser,
Werden sie ermattet, müde,
Und wir können sie besiegen.

Holofernes glaubte Moab


Und dem Ratschlag Moabs folgend
Er besetzte jene Quelle
Mit Soldaten, vielen hundert.

Es vergingen vierzig Tage,


In Bethulia das Wasser
In dem großen Wasserbecken
Wurde knapp, die Menschen durstig.

Und sie hatten nichts zu trinken


Und sie dürstete nach Wasser:
Ach mich dürstet, ach mich dürstet,
Schmachtend schrie die Tochter Juda!

ZEHNTER GESANG

In der Zeit zusammenkamen


Alle Juden der Gemeinde
Und zu Osias dem Fürsten
Sprachen Männer, Weiber, Kinder:

Gott sei unser aller Richter!


Übel haben wir gehandelt,
Übel ist an uns ergangen
Zu der Strafe unsrer Sünden.

Osias, du Fürst der Juden,


Warum hast du deine Juden
Nicht Assyrien ergeben,
Uns ergeben Holofernes?

Gott hat uns in seine Hände


Doch in dieser Frist gegeben,
Die wir ganz vergehn vor Dürsten
Und verschmachten in der Dürre!

Sammle nun das Volk der Juden


Und ergib die Tochter Juda
In die Hand des Holofernes,
In die Hände der Assyrer.

Lieber leben und Gott loben


In der Hand des Holofernes
Als ein freies Volk der Juden
Und doch alle hingeschlachtet!

Wir und unsre Väter alle


Sind die Zeugen unsres Gottes,
Unsres einen, einzig wahren
Gottes Zebaoth Jehowah!

Wir beschwören dich mit Tränen,


Gib uns Männer, Weiber, Kinder
In des Holofernes Hände,
Eilig, noch bevor wir sterben!

Lieber sterben kurz und schmerzlos


Durch das Schwert des Holofernes
Als in langem Elendschmachten
Hinzusiechen und verdursten!

Da sie also alle sprachen,


Klang ein Heulen in der Kirche,
Männer weinten, Weiber heulten,
Alle Kinder schrien vor Jammer!

In der Kirche alle Juden


Flehten an den Allerhöchsten:
Gott, wir sind nur arme Sünder,
Hab Erbarmen, hab Erbarmen,

Sei barmherzig, Vater unser,


Die wir deine Kinder heißen,
Sei uns gnädig, unser Vater,
Und erlöse uns vom Bösen!

O Gerechtigkeit und Gnade,


Gottes Zorn und Gottes Milde,
Mögst du deine Zucht und Rute
Gnädig mild an uns erweisen.

Gib uns nicht den wilden Heiden


In die Hände, wüsten Sündern,
Gottesleugnern, Ehebrechern,
Daß sie nicht den Herrn verlästern

Und von deinem Namen sprechen:


Wo ist denn der Juden König,
Wo ist denn ihr Herr und Heiland,
Konnte sie ihr Gott nicht retten?

So sie beteten in Jammer,


Da erhob sich voller Trauer
Osias, der Fürst der Juden,
Und er sagte in der Kirche:

Bei den heißen Tränenströmen,


Die sich vor dem Herrn ergossen,
Bei dem reichen Schwall der Tränen,
Die ich weinte vor dem Vater,

Noch fünf Tage will ich warten,


Ob uns Gott der Tröster tröste
Und uns Gott der Retter rette,
Sonst ergeben sich die Juden.

Noch fünf Tage beten, fasten,


Buße tun und Opfer bringen,
Noch fünf Tage sich bekehren,
Bis uns rettet unser Vater!

ZWEITER TEIL

ERSTER GESANG

Unsre Liebe Frau von Sion,


Meine Muse, meine Dame,
Singe mir das Lied von Judith,
Der Erlöserin der Juden!

In Bethulien, der Ortschaft,


Hörte alle diese Worte
Osias’ und aller Juden
Eine Witwe namens Judith.

Einem Ehemann vermählt war


Judith, der da hieß Manasse,
Der stand in dem Erntemonat
Auf dem Feld und band die Garben,

Da kam eine solche Hitze,


Von der Hitze starb Manasse,
In Bethulien begraben
Ward Manasse von der Witwe.

Und drei Jahre und sechs Monde


Lebte Judith schon als Witwe.
In der Kammer ihres Hauses
Sie bewohnte eine Klause,

Eine heimelige Klause,


Eine Zelle des Gebetes,
Die bewohnte sie mit ihren
Mädchen, ihren Dienerinnen.

Und sie trug die Bußgewänder


Und sie fastete zur Buße
Alle Tage, nur am Sabbath
Und am Festtag aß sie festlich.

Schön und strahlend war das Antlitz


Judiths, eine Antlitz-Schönheit
War sie, Liebreiz voller Leuchtglanz
War auf ihrem Angesichte!

Ihr Gemahl ließ ihr als Erbe


Großes Gut und dies ihr Erbteil
War sehr reich und ihre Herde
Zählte überreichlich Kleinvieh.

Einen guten Namen Judith


Hatte bei dem Volk von Juda,
Ihre Gottesfurcht berühmt war
Bei den Kindern Gottes allen.

Von den frommen Juden keiner


Jemals sagte böse Worte
Oder Lästerungen über
Judith, diese keusche Witwe.

Als nun Judtih hat vernommen,


Daß es Osias gefallen,
In fünf Tagen alle Juden
Holofernes zu ergeben,

Schickte Judith zu den Priestern.


Priester Karmim, Priester Kabri
Kamen zu der Witwe Judith
Und sie sagte zu den Priestern:
Was ist das, was ich vernommen,
Osias, der Fürst der Juden,
Will die Juden übergeben
Holofernes in fünf Tagen,

Wenn uns Gott der Herr nicht rettet


Nach fünf Tagen Bittgebeten?
Wollt ihr Gott den Herrn versuchen,
Gott befehlen, dass er helfe?

Solche Worte helfen nimmer,


Sondern sind allein geeignet,
Statt Barmherzigkeit die Rage
Unsres Gottes zu empfangen.

Wollt ihr Gott den Tag bestimmen,


Da uns rettet sein Erbarmen,
Wollt Jehowah Fristen setzen,
Da uns Gott erretten müsse?

Gott ist voll Geduld und Sanftmut,


Voll Barmherzigkeit und Langmut,
Drum mit Tränen unsrer Reue
Lasst uns suchen Sünden-Ablaß!

Gott ist nicht erzürnt wie Väter,


Die sich nicht versöhnen lassen.
Darum lasst uns voller Demut
Uns erniedrigen im Geiste

Und uns neigen vor Jehowah


Voller Demut als die Diener
Und anflehen Gott mit Tränen
Und ihn bitten um Erbarmen.

Lasst uns preisen unsre Trübsal,


Denn entmachtet wird der Hochmut
Und erhoben wird die Demut
Von dem Gott, der liebt die Kleinen!

Wir sind nicht wie unsre Väter,


Die den wahren Gott verlassen
Und in ihrer Sünde gottlos
Beteten zu goldnen Götzen.

Und weil unsre Väter Sünder


Waren, folgten goldnen Götzen,
Wurden sie vom wahren Gotte
Auch gestraft mit Zornes Rage.

Wir jedoch, wir lieben einzig


Gott, den Vater in dem Himmel,
Unsern Heiland, unsern Retter,
Dessen Geist ist unsre Tröstung.

Wir erflehen unter Tränen


Stets den Trost des Geistes Gottes,
Darum wird er uns erretten
Und erlösen von dem Bösen.

Wird sich gegen uns erheben


Einer von den Feinden Gottes,
Wird der Herr ihn niederschmettern
In der Allmacht seiner Rettung.

O ihr gottgeweihten Priester,


Ihr sollt unser Volk erinnern,
Wie auch selbst die Patriarchen
Mussten leiden manche Trübsal,

Gott erprobte durch die Trübsal


Auch die großen Patriarchen,
Vater Abraham, der fromme,
Ward geprüft in schwerer Drangsal,

Der die Prüfung treu bestanden,


Wurde gar zum Freund Jehowahs!
Isaak geschah das selbe
Und auch Jakob, unserm Vater

Israel, dem Kämpfer Gottes,


Der ward auch versucht durch Trübsal
Und ist treu erfunden worden
Und von Gott gesegnet reichlich.

In der heiligen Geschichte


Wissen wir doch auch von Leuten,
Die die Prüfungen der Trübsal
Nicht mit Gottesfurcht ertragen,

Sondern widerspenstig murrend


Gingen sie zugrunde, wehe,
Durch der Feuerschlangen Giftbiß
Sind zugrunde sie gegangen!

ZWEITER GESANG

Also sprach die Witwe Judith:


Wenn uns nun betroffen Trübsal,
Sollen wir in Demut denken,
Dies ist Strafe unsrer Sünden

Und doch milde ist die Rute


Gottes in den Züchtigungen,
Nicht zum Schaden ist die Trübsal,
Nein, zum ewigen Gewinne.

Osias, der Fürst der Juden,


Und die beiden Priester sprachen:
Voller Wahrheit deine Worte,
Nichts an deinem Wort ist sträflich.

Du bist heilig, Witwe Judith,


Weil du heilig, fromme Witwe,
Bitt für uns in diesen Stunden
In der Frist der großen Trübsal.

Darauf sprach die Witwe Judith:


Haltet ihr für wahr mein Reden,
So betrachtet, ob auch wahrhaft
Meine Handlungen vor Gott sind.

Bittet doch, dass Gott aus Gnade


Meiner Handlung Ratschlag beisteh
Und mir hilft mit seiner Hilfe,
Kraft mit gibt mit seinem Geiste.

Nachts sollt stehn ihr an der Pforte,


Wenn mit meinem Mädchen Abra
Ich heraustret aus dem Tore,
Sollt fünf Tage lang ihr beten.

Betet allzeit zu Jehowah,


Daß er Tochter Juda rette.
Aber was ich tu und wirke,
Soll euch bleiben ein Geheimnis.

Gebt mir nichts als euer Beten.


Also sprach die Witwe Judith.
Osias sprach zu der Witwe:
Geh mit Gott, in Gottes Frieden!

Küsse du die Liebe Gottes,


Küsse du den Frieden Gottes,
Geh mit Gott in Gottes Frieden,
Räche uns an unsern Feinden!

Da ging Judith in ihr Bethaus,


Zog sich an die Bußgewänder,
Streute auf das Haupt die Asche,
Schrie zum Tröster in dem Himmel.
Herr, du Gottheit meines Vaters
Simeon, der ihm ein Schwert gab
Gegen die empörten Heiden,
Die geschändet eine Jungfrau,

Der du gabst der Heiden Weiber,


Der du gabst der Heiden Söhne
In Gefängnis und in Schande,
Gabst ihr Gut den Kindern Gottes,

Dich anflehe ich, Jehowah,


Hilf du einer armen Witwe,
Der du bist von Anbeginne,
Der du bist in Ewigkeiten,

O du Schöpfer aller Dinge,


Der du uns den Weg bereitest,
O du Richter des Gerichtes,
Weiser Gott in deiner Vorsicht!

Schau herab auf die Assyrer,


Die uns heute schwer bedrängen,
Wie einst taten die Ägypter,
Die du siegreich überwunden,

Pharao und die Ägypter


Waren stolz auf ihre Wagen,
Waren stolz auf ihre Pferde,
Waren stolz auf ihre Krieger,

Du bedecktest doch Ägypten


Mit der Finsternis der Plage
Und ertränktest sie im Meere,
Schicktest sie in den Abyssus.

Dieses auch geschehe heute


An den Scharen der Assyrer,
Die so stolz auf ihre Menge,
Die so stolz auf ihre Stärke,

Aber dies weiß nicht Assyrien,


Daß du bist der Ewig-Eine,
Du bist Schöpfer, Retter, Tröster,
Gott in allen Ewigkeiten!

Hebe deines Armes Rechte


Über alle Macht des Feindes,
Stürz den Feind durch deine Rage,
Stürz des stolzen Feindes Hochmut,

Der da deines Namens Tempel


Niederreißen will im Zorne,
Deines heiligen Altares
Hörner will zu Boden werfen.

Darum bitt ich dich, Jehowah,


Laß den Feind gefangen werden
Durchs Verlangen seiner Augen
Vor der Schönheit meines Leibes.

Meines Mundes Minne schlage


Nieder unsern Widersacher,
Die Begierde seiner Augen
Fange ihn in meinen Fesseln.

Gib mir, Zebaoth Jehowah,


Kraft, zu zeigen keinen Ekel,
Keinen Ekel vor dem Feinde,
Vor dem widerlichen Feinde!

Gib mir Kraft in meine Seele,


Daß ich meinen Feind verschmähe,
Werde er zum Ruhme Gottes
Überwunden durch ein Weibchen!

Nicht die Stolzen und die Starken,


Nicht die Hohen und die Reichen
Finden dein Gefallen, Gottheit,
Sondern die in Demut klein sind.

Lob der Demut, Lob der Sanftmut,


Lob des Betens, Lob des Fastens!
Das gefällt die, Gott des Himmels,
O du Schöpfer aller Meere,

König aller Kreaturen,


Höre eine arme Witwe,
Die vertraut auf dein Erbarmen,
Mütterliches Allerbarmen!

Dein Wort sei auf meinen Lippen,


Deine Kraft in meinen Händen,
Daß die ganze Welt erkenne,
Gott ist Gott und sonst ists keiner!

DRITTER GESANG

Judith hatte so gebetet,


So geschrieen zu dem Vater,
Dann erhob sie sich vom Boden,
Rief zu sich ihr Mädchen Abra.
Sie tat ab die Bußgewänder,
Legte ab die Witwenkleider,
Badete den Leib und salbte
Ihren schönen Leib mit Myrrhe,

Sie frisierte ihre Haare,


Zog sich an die Duftgewänder,
Sie verschönerte ihr Aussehn
Sehr geschickt mit Schmuck und Schminke,

Tat an ihren Arm ein Armband,


An die Ohren Mondsteinringe,
Eine weiße Perlenkette
Hing im Tale ihrer Brüste.

O wie schön war die geschmückte


Judith, nicht geschmückt aus Wollust,
Sondern zu der Ehre Gottes;
Schön geschmückte Braut Jehowahs!

Nicht aus Eitelkeit und Weltsinn


Sie verschönte sich mit Schminke
Und mit Schmuck, vielmehr aus Tugend
Zu dem Ruhm der Schönheit Gottes!

Nicht wie liederliche Dirnen


War der große Liebreiz Judiths,
Diente nicht der Lust der Augen,
Diente nicht der Lust des Fleisches.

Dann nahm Judith einen Weinschlauch,


Füllte ihn mit dunklem Rotwein,
Öl und Brot und Käse Abra
Trug für ihre Dame Judith.

Und sie traten an die Pforte


Vor den Fürsten und die Priester
Und die staunten voll Erstaunen
Und voll Wundern an die Schönheit!

Und die frommen Männer sprachen:


Geh du in der Gnade Gottes,
Deines Herzens weisen Ratschlag
Stärke Gott durch seine Tugend.

Sei Jerusalem gepriesen,


Weil du lebst im Volke Gottes.
Alle frommen Leute sprachen:
Fiat, Fiat! Amen, Amen!

Betend ging nun ihres Weges


Judith mit dem Mädchen Abra.
In der Morgenröte sahen
Sie die Wächter der Assyrer.

Und die Wächter der Assyrer


Sprachen so: Woher, wer bist du?
Judith sprach: Ich bin hebräisch,
Eine Tochter der Hebräer.

Die Hebräer werden aber


Bald vernichtet von Assyrern,
Weil sie sich euch nicht ergeben,
Ihr seid ihnen nicht barmherzig.

Darum dachte ich, ich gehe


Zu dem Herzog Holofernes
Und ich sag dem Herzog heimlich,
Wie er Juda überwindet.

Da die Wächter dies vernahmen,


Rauschten ihnen ihre Ohren,
Denn das Blut stieg in die Ohren
Vor der Schönheit dieser Judith!

Großes Wunder ihre Schönheit


Und ihr makelloses Antlitz!
Und sie sprachen: Das ist weise,
Daß du aufsuchst Holofernes.

Und die Wächter der Assyrer


Brachten sie zu Holofernes.
Holofernes, Judith sehend,
Ward gefesselt von dem Liebreiz!

Holofernes und die Fürsten


Sprachen alle: Wer verschmähte
Die Hebräer, da sie solche
Wunderschönen Weiber haben?

Gegen die Hebräer sollten


Wir allein um ihre Weiber
Streiten in den Männerkriegen,
Ihre Weiber zu erobern!

Solcher Weiberschönheit Wonne


Sollte nicht vorüberwandeln,
Ohne dass wir sie genießen
In der Lust der Frauenliebe!

VIERTER GESANG
Herzog Holofernes ruhte
Schlummernd unterm Mückennetze,
Goldgesticktem Seidenschleier,
Eingewobner Perlenschnüre.

Judith sah ihn auf dem Bette


Ruhen auf dem samtnen Kissen,
Kniete sie zu seinen Füßen
An dem Ende seines Bettes.

Holofernes schaute Judith


Knieen da zu seinen Füßen,
Holofernes sprach zu Judith:
Frau, erhebe dich, du Schöne!

Fürcht dich nicht vor Holofernes,


Keinen Mann hab ich getötet,
Der sich völlig unterworfen
Nebukadnezar, meinem Herrscher.

Hätte nicht das Volk der Juden


Meinen Herrn verschmäht so trotzig,
Hätt ich nimmer meine Hände
Gegen dieses Volk erhoben.

Warum nun bist du gekommen,


Sage mir das an, du Schöne,
Was ist dein Begehr, du Schöne,
Daß du heut zu mir gekommen?

Judith sprach zu Holofernes:


Höre deine Magd an, Herzog,
Gott will große Tat verrichten
Und sein Werk durch dich vollbringen.

Nebukadnezar ist der König


Aller Erden, seiner Herrschaft
Dienen nicht nur Menschenkinder,
Sondern alle Kreaturen.

In dem Reiche Nebukadnezars


Bist du Herzog machtgewaltig,
Deine Zucht erzieht die Menschen
Durch die Rute deiner Krieger.

Achior hat dir berichtet,


Daß verloren Tochter Juda,
Wenn die Juden gottvergessen
Widerstehen ihrem Heiland.
Achior hat recht gesprochen
Und so will ich dir verkünden,
Wie auch künden die Propheten:
Juda widersteht dem Heiland.

Durch die Sünde unsres Zweifels


An des Ewigen Gesalbten
Sind dem Feind wir übergeben
Zur Bestrafung unsrer Sünde.

Darum plagt uns auch der Hunger


Und der Durst in großer Dürre,
Auch wir schlachteten die Tiere,
Tranken auch das Blut des Fleisches.

Auch wir rührten an im Frevel


Die geweihten Brote Gottes
Und dem Wein des Heilands gaben
Wir nicht gottesfürchtig Ehre.

Durch der Sünden Missetaten


Wird die Tochter Juda heute
Ihrem Feinde übergeben
Und Verluste leiden schrecklich.

Darum bin ich auch entflohen,


Daß ich dieses dir verkünde,
Gott den Herrn will ich anbeten,
Gottes Sklavin, deine Sklavin!

Ist das ganze Volk der Juden


Doch wie eine große Herde
Widder, Mutterschafe, Lämmer,
Welche keinen Hirten haben.

Sie sind alle nun so stille,


Werden sie nicht meckern, brüllen,
Das hat Gott mir kund gegeben,
Daß ich dieses dir verkünde.

Als der Herzog Holofernes


Und die Großen seines Tisches
Dieser Rede Wort vernommen,
Sprachen sie zu Judith also:

Ist kein Weib auf dieser Erde


Dir vergleichbar in der Schönheit
Deines schönsten Angesichtes
Und der Weisheit deines Wortes!

Holofernes sprach zu Judith:


Gott hat gut getan, zu senden
Seine Magd zu mir, dem Herzog,
Um die Juden auszuliefern.

Wird mir Gott die Macht verleihen,


Daß ich Juda überwinde,
Wirst du groß sein, schöne Judith,
In dem Hause Nebukadnezars.

Dann wird hochgerühmt dein Name,


Deine Schönheit, deine Weisheit,
Du wirst benedeit von Kindern,
Benedeit von Kindeskindern!

Sprachs und ließ die schöne Judith


Wohnen in geschmückter Kammer,
Ließ ihr geben gute Gaben
Aus des Herzogs reicher Wirtschaft.

Aber Judith sprach zum Herzog:


Deine Speisen nicht begehr ich,
Meine Speise ist die Speise,
Die uns unser Gott geboten.

Sprach der Herzog Holofernes:


Was, wenn alles aufgegessen,
Was du von der Speise Gottes
Bei dir hast in dem Gefäße?

Judith sprach zu Holofernes:


Eh ich Gottes Brot verzehrt hab,
Wird der Herr in seiner Allmacht
Sicherlich sein Werk vollenden.

Dann begab sie sich in ihre


Schöngeschmückte saubre Kammer.
Sprach sie: In der Nacht, der finstern,
Will ich zu Jehowah beten.

Laß mich in der Nacht, der finstern,


Treten einsam in das Freie
Und den Herrn anbeten einsam,
Meinen Schöpfer, meinen Gatten!

Holofernes seinen Knechten


Sagte: Will die schöne Judith
In des Dunkels Finsternissen
Gott anbeten, lasst sie beten.

Also in der Nacht, der finstern,


Judith sich erhob vom Bette,
Ging ins Dunkle, ging ins Freie,
Betete zu ihrem Schöpfer.
Badete im Wasserbade,
Taufte sich mit Gottes Gnade
Und empfing von Gott den Segen
Seiner Allmacht, Weisheit, Liebe!

Judith betete zum Heiland:


Gott, erlöse deine Kinder!
Dann begab sie sich zu Bette,
Reinlich blieb sie vor dem Schöpfer.

FÜNFTER GESANG

An des dritten Tages Abend


Machte Herzog Holofernes
Seinen Knechten an dem Tische
Guter Kost ein Abendessen.

Einer von den Knechten aber,


Vagio mit Namen heißend,
Hörte den Befehl des Herzogs:
Ruf du mir die schöne Judith,

Die Hebräerin, die Schöne,


Wohne sie dem Abendmahl bei.
Also Vagio, der Diener,
Ging und rief die schöne Judith:

Soll ein gutes Weib sich schämen


Etwa vor des Fürsten Augen?
Sollt sie nicht mit ihrem Fürsten
Speisen Weißbrot, trinken Schaumwein?

Judith sprach zum Knechte also:


Wer bin ich, dass ich mich weigre?
Ich will ganz ihm sein zu Diensten
Und ihm ganz ein Wohlgefallen.

Judith nahm die schönsten Kleider


Und die schönsten Perlenschnüre
Und erneuerte die Schminke,
So kam sie zu Holofernes.

Als der Herzog Holofernes


Judith treten sah zum Tische,
War er ganz verzückt vor Wonne
Und Begier nach ihrem Leibe.

Iß vom Weißbrot, trink vom Schaumwein,


Sprach zu Judith Holofernes,
Weil du Gnade hast gefunden
In den Augen deines Fürsten.

Judith sprach zu Holofernes:


Edler Herzog, deine Sklavin
Trinkt nur Gottes Blut der Traube,
Ißt nur Gottes Fleisch des Brotes.

Holofernes aber zechte


So viel von dem süßen Weine,
Wie er noch sein ganzes Leben
Nicht gesoffen von dem Schaumwein.

Aber in der Nacht, der späten,


Gingen heimwärts alle Knechte
Und auch Vagio der Diener
Schloß die Pforte seines Herzogs.

Holofernes schlief im Bette,


Lag im Tiefschlaf voll betrunken.
Judith aber sprach zu Abra:
Mädchen, hüte du die Pforte!

Judith aber trat ans Lager


Und sie betete vorm Bette:
Herr, lass heute wohlgelingen
Und vollbringe deine Werke!

Heiland Israels und König,


Heut vollbringe deine Rettung,
Und Jerusalem, die Jungfrau,
Rette vor dem Widersacher!

Judith nahm des Holofernes


Scharfes Schwert von seinem Pfosten,
Griff den Herzog bei den Haaren,
Schlug dem Herzog ab den Schädel!

Dann rief sie das Mädchen Abra.


Judith und das Mädchen Abra
Wickelten des Herzogs Schädel
In das Mückennetz von Seide.

Judith und das Mädchen Abra


Gingen eilends aus dem Lager.
Alle Knechte lagen schlafend,
Keiner hielt sie auf, die Frauen.

Und sie wandten sich vom Lager


Der Assyrer durch die Berge
Zu Bethuliens Talgefilde
Und sie kamen zu den Ihren.

SECHSTER GESANG

Judith und das Mädchen Abra


Kamen nach Bethuliens Pforte:
Tut die Pforten auf, die alten,
Siehe, Zebaoth ist mit uns!

Zebaoth in diesen Zeiten


Jungfrau Israel erlöste
Durch den Ratschlag seiner Allmacht
Und die Hände eines Weibes!

Alle hörten ihre Stimme,


Alle kamen da zusammen
Mit den Priestern und den Vätern
Und den Müttern und den Kindern.

Alle die verzweifelt waren,


Alle schöpften wieder Hoffnung.
Kerzen brannten auf den Leuchtern,
Kerzen des Gebetes rauchten.

Unter die Gemeinde Judith


Trat und bat um fromme Stille,
Alle Kleinen, alle Großen
Schwiegen voller frommer Ehrfurcht.

Judith sprach: Jehowah Lobpreis,


Zebaoth Anbetung! Sela.
Gott verlässt nicht seine Kinder,
Gott erlöst uns aus dem Elend!

Gott ist voller Allerbarmen!


Durch die Hände seiner Tochter,
Seiner Magd und seiner Sklavin,
Hat er unser Heil vollendet.

Durch die Hände seiner Sklavin


Hat er unsern Feind erschlagen!
Seht den Schädel Holofernes’,
Seht den König der Assyrer,

Seht den Hauptmann der Assyrer,


Seht sein Haupt im Mückennetze,
Darin er betrunken schlummernd
Lag besoffen in dem Vollrausch!
Schlug das Haupt von seinem Rumpfe
Gottes Magd mit einem Schwerte,
Lobpreis Zebaoth Jehowah,
Angebetet sei Eloah!

Gottes Engel als mein Schutzgeist


Mich beschützte vor dem Bösen,
Gottes Engel Mahanajim
Ging umher mit goldnem Schwerte!

Gottes Name, Gottes Engel


Hat begleitet Gottes Sklavin,
Daß ich Gottes Allerbarmen
Euch beweise zur Erlösung.

Also nun bekenne Juda,


Tochter Juda, Gottes Güte,
Gott ist gut, Gott ist die Liebe,
Voll des herzlichen Erbarmens.

Alle Juden also sangen:


Gott hat dich sehr reich gesegnet,
Gott der Herr in seiner Tugend
Überwand durch dich den Bösen.

Osias, der Fürst der Juden,


Sprach zur schönen Witwe Judith:
Hochgebenedeite Tochter
Gottes, Hochgebenedeite!

Mehr gesegnet als die Frauen


Auf der ganzen Erde bist du,
Hochgebenedeite Tochter
Gottes, Hochgebenedeite!

Gott sei angebetet einzig,


Der durch deine Hände, Judith,
Uns erlöst von unserm Feinde,
Gott sei Lobpreis und Anbetung!

Alle frommen Juden sprachen:


Hochgebenedeite Tochter
Gottes, Hochgebenedeite!
Fiat, Fiat! Amen, Amen!

SIEBENTER GESANG

Herzog Achior gerufen


Ward zur schönen Witwe Judith.
Judith sprach: Nun siehst du selber,
Wie der Gott von Juda siegte!

Du warst Zeuge dieses Gottes,


Als du sagtest, dass er rette,
Daß er helfe seinen Kindern,
So sie ihm den Glauben halten.

Nun hat Gott der Herr geschlagen


Unsern Feind und Widersacher
Durch die Hände eines Weibes,
So erkennst du unsern Retter.

Sieh das Haupt des Holofernes,


Der dir drohte mit dem Tode,
Wollte er mit seinem Schwerte
Dir durchbohren deine Seite,

Wenn er Israel ermordet,


Dich ermorden mit den Juden.
Aber hier siehst du sein Haupt nun,
Den Verspotter unsres Gottes.

Als nun Achior betrachtend


Stand vorm Haupt des Holofernes,
Fiel er gottesfürchtig nieder
Vor der schönen Judith Füßen.

Achior zu Judith sagte:


Mehr gesegnet als die Frauen
Bist du, Hochgebenedeite,
Auserwählte deines Gottes!

Die in allen Zelten Jakobs


Selig wird gepriesen werden,
Kinder dich und Kindeskinder
Dich lobpreisen, Benedeite!

Und dein Name wird berühmt sein


Bei den Kindern aller Zeiten,
Weil der Herr an dir gewirkt hat
Kraft zum Zeichen seiner Allmacht!

Judith sprach zum Volk der Juden:


Meine Brüder, hört auf Judith,
Hängt das Haupt des Holofernes
Auf die Mauer unsres Tores.

Wird die Sonne sich erheben,


Nehme jeder seine Waffen,
Denn wir ziehen in die Kriegsschlacht
Zu der Ehre unsres Gottes.
Sehen der Assyrer Heere
Unser Heer bewaffnet nahen,
Wollen wecken sie den Hauptmann,
Sehen sie ihn blutbesudelt

Tot in seinem Bette liegen,


Wird sie das Entsetzen packen
Und sie fliehen ängstlich schreiend,
Angsterfüllt wie bange Weiber.

Dann wird unser Gott uns rächen


Und die Widersacher töten
Und die Heere der Assyrer
Schlagen wird das Heer Jehowahs!

Als nun Achior betrachtend


Sah das fromme Heer Jehowahs,
Ließ er von den Heidengöttern,
Glaubte einzig an Jehowah,

Glaubte Zebaoth Eloah,


Glaubte Adonai El Shaddai,
Eingepfropft in Judas Ölbaum
Wurde er zum Kinde Gottes.

ACHTER GESANG

Als die Sonne aufgegangen,


Nahm man Holofernes’ Schädel,
Hing ihn oben auf die Mauer,
Alle nahmen ihre Waffen.

Dann die Judenkrieger zogen


Zu den Zelten der Assyrer.
Als die Krieger der Assyrer
Kommen sahn das Heer Jehowahs,

Eilten sie zum Zelt des Hauptmanns,


Wollten Holofernes rufen,
Doch wie wagten nicht zu klopfen
An die Tür des Holofernes.

Und sie riefen zu den Dienern:


Eilend geht und weckt den Hauptmann,
Denn die Feinde sind gekommen
Und begehren uns zu töten.

Da ging Vagio, der Diener,


In das Zelt des Holofernes,
Schlug die Hände laut zusammen
Voller Schrecken überm Haupte,

Dacht er doch, es läge Judith


Mit dem Herzog in dem Bette,
Doch als er die Pforte auftat,
Schau, der Herzog lag alleine

In dem Bette, blutbesudelt,


Nur der Körper, ohne Schädel.
Schreiend Vagio, der Diener,
Rief zu der Assyrer Kriegern:

Die Hebräerin, die Schöne,


Machte unsern Herrn zuschanden,
Schande hat gebracht die Jüdin
Über Nebukadnezars Zelte!

Schaut den Herzog Holofernes


Liegen hier in seinem Bette,
Doch allein mit seinem Körper,
Ohne seines Hauptes Schädel!

Als die Diener und die Krieger


Dieses hörten, dieses sahen,
Rissen sie in großen Ängsten
Schreiend sich entzwei die Kleider.

Schrecken großer Furcht befiel sie


Und ein jammervolles Klagen,
Ihre Freude war gewichen
Und sie schrien vor lauter Schrecken,

Die Gemeinde der Assyrer,


Hörend, was da war geschehen,
Als sie schauten an die Wahrheit,
Flohen sie in großen Ängsten,

Da sie hofften nicht auf Tröstung,


Keine Zuversicht sie hatten,
Eilten sie in Todesängsten
Bang vondannen, jammernd schreiend.

Also eilig sie entflohen


In der Todesangst voll Jammer,
Daß nicht einer mit dem andern
Auf der Flucht ein Wort gesprochen.

Und zurück sie ließen alles,


Was sie mitgebracht, sie ließen
Da zurück die Waffen alle
Und zurück die Schätze blieben.

NEUNTER GESANG

Also hat das Heer Jehowahs


Der Assyrer Heer vertrieben
Und gewonnen in dem Kriege
Sieg und Ruhm und neuen Frieden.

Von Jerusalem der Bischof


War Joachim der Gerechte,
Der nahm alle seine Priester
Und zog nach Bethuliens Kirche,

Denn er wollte Judith sehen.


Judith trat vor ihren Bischof
Und der gute Hirt Joachim
Lobte sehr die schöne Judith.

Ehre du der Tochter Juda


Und des Judenvolkes Freude,
Du des Gottesvolkes Würde,
Rettend uns zur rechten Stunde!

Du bist stärker als die Männer,


Judith, Retterin der Juden,
Du bist stark durch deine Keuschheit,
Die als Witwe Gott sich weihte!

Weil du nach dem Tod des Gatten


Keinen andern Mann genommen,
Sondern dich Jehowah weihtest,
Hat gestärkt dich Gott dein Gatte!

Darum soll dir werden Lobpreis


Von den Kindern, Kindeskindern,
Hochgebenedeite! Alle
Juden singen: Fiat, Fiat!

Und das fromme Volk der Juden


Lebte nun in großer Freude,
Lobten Gott, der sie gerettet,
Sie erlöste aus der Drangsal.

Judith auch lobpries Jehowah,


Daß der Vater in dem Himmel
Rettete die Kinder Gottes
Durch die Hände eines Weibes.
Als der Friede war gewonnen,
Sammelten sich alle Juden
In Jerusalem im Tempel,
Sangen: Sanctus, Sanctus, Sanctus!

Und die Juden brachten Opfer,


Lammesopfer vor dem Vater,
Judith opferte dem Retter
Die Trophäen ihres Sieges,

Gab das Schwert des Holofernes


Und das Mückennetz des Herzogs
Gott als eine Weihegabe
In dem Frauenhof des Tempels.

Und der Monde drei gefeiert


Ward von Großen, ward von Kleinen
Mit der großen Heldin Judith
Die Erlösung und der Friede.

Dann ging jeder Jude wieder


In sein Haus. Und in Bethulien
Judiths Name ward gepriesen
Von den Kindern, Kindeskindern.

Sie lobpriesen ihre Keuschheit,


Denn zum Lobe ihrer Keuschheit
Hat der Herr ihr Macht verliehen,
Sah sie an als reine Jungfrau.

Judith lebte hundert Jahre


Lang in diesem Erdentale.
Frei ließ sie ihr Mädchen Abra,
Die so treu gewesen Judith.

Und die Juden feiern heute


Noch die schöne Witwe Judith,
So besingt sie Gottes Bibel,
So besingen sie die Dichter.

ZEHNTER GESANG

Nun will ich zum Ende kommen,


O mein lieber Freund in Christus,
Alle die dies Epos lesen
Geistlich, wie es ward gedichtet,

Sollen Gottes Weisheit finden,


Worte voller Sinn gesungen
Habe ich in diesem Liede,
Wie mich Weisheit inspirierte.

Wer die Weisheit recht verstanden,


Den wird bringen Gottes Weisheit
Zu der süßen Gottesminne,
Übersüßen Minne Gottes!

Toren sollen dies nicht lesen,


Die sich weihen niedrer Minne,
Töricht dieser Erde Trieben,
Wissen nicht von Gottes Minne.

Und nun bitt ich dich, mein Bruder,


Und die Seelen, die mich lesen,
Ob ich lebe oder tot bin,
Betet doch für meine Seele,

Daß sich über mich erbarme


Die Barmherzigkeit des Vaters
Und mich Gott nach seinem Ratschlag
Überschütte mit der Gnade,

Nach dem Willen seiner Weisheit


Gott sich selbst in mir verkläre!
Druckt je einer dies mein Epos,
Lasse er es unverändert,

Wer veröffentlicht dies Epos,


Möge Gottes Gunst erlangen.
Jesus tilge alle seine Sünden
Durch das Opfer seines Blutes.

Wer veröffentlicht dies Epos,


Soll erlöst sein von dem Fluche,
Gott schreib ihn ins Buch des Lebens,
Schenke ihm des Lebens Krone.

Dieses Lied mit Namen Judith


Schrieb ich in dem Jahr Zweitausend
Acht nach der Geburt des Christus
Aus dem keuschen Schoß der Jungfrau.

Vater, Sohn und Geist! O Gottheit!


Allmacht, Weisheit, Schöne Liebe!
Meines Herzens Kniee beug ich
Untertänigst meiner Gottheit!

Herr, die Stärke deiner Weisheit


Ist auch mir vertraut geworden
Bei dem Schreiben dieses Buches,
Da mich deine Weisheit führte.
Heilig, Heilig, Heilig Jahwe!
Gottheit Abrams, Isaks, Jakobs!
Ich bin dein geringster Sklave
Alle Zeit und Ewigkeiten!

O mein liebster Jesus Christus,


Der für mich am Kreuz gestorben,
Rette mich aus meinem Tode,
Schließ mir auf die Himmelspforte!

Heilig Geist, o Schöne Liebe,


Ich lobpreise deine Minne,
Deine übersüße Minne
In dem Herzen Unsrer Frauen!

DIE JUNGFRAU VON GUADELUPE

ERSTER GESANG

Sanct Maria pinta nina:


Sankt Maria malt das Mädchen:
Also sind der Schiffe Namen
Von Christopherus Columbus.

In der Weihnachtsnacht des Jahres


Vierzehnhundertzweiundneunzig
Sankt Maria auf der Sandbank
Von Haiti ist gestrandet.

Einmal sah ich auf La Palma


Sankt Maria von Kolumbus,
Sah das Schiff stehn vor der Kirche
Von La Cruz, El Salvatore!

Und Fernando Cortez, Seemann,


Mit dem Schiffe Sankt Maria
Makellosester Empfängnis
In Amerika an Land ging.

Ich, der Ritter Don Quichote,


Kämpfte gegen finstre Mächte,
Für die unbefleckte Ehre
Meiner Herrin Dulcinea!

An dem Hals des Seemanns Cortez


Hing das Medaillon der Jungfrau,
Blaues Kreuz auf gelber Fahne:
Freunde, folgen wir dem Kreuze!

Eine Strecke blieb nur offen:


Nach Tenochtitlan, der Hauptstadt
Der Azteken. Diese Hauptstadt
War gewaltig wie Neapel,

Wie Konstantinopel, schöner


Als Venedig, Meer-Kybele.
Nur ein Schiff blieb: Sankt Maria
Makellosester Empfängnis.

In Europa Leonardo
Starb, zurück blieb nur ein Bildnis:
Gioconda, Mona Lisa
Mit geheimnisvollem Lächeln.

Karl der Fünfte war der Kaiser


Von dem Reich, in dem die Sonne
Niemals sank, die Philippinen
Östlich, Mexiko im Westen.

Der Azteken Reich besiegte


Cortez, dieses Land des Mondes,
Mexiko, das Land des Mondes,
Wie es Indianer nannten.

Doch der Kult der Menschenopfer


War so grausam, da die Priester
Ihren Opfern mit den Messern
Herzen aus dem Busen rissen!

Diese Kaktusfrucht des Adlers


Tat man in die Opferschale
Aus Basalt, sie darzubringen
Schlangengott Quetzalcoatl.

Vor der Opferung der Opfer


Nahmen ein die edlen Opfer
Drogenpilze, die berauschten,
Und Obsidiangetränke.

Zu dem Opferkult die Priester


Zapften Blut aus ihren Ohren,
Darum auch der Priester Ohren
Waren grauenhaft verstümmelt.
Schwarz gekleidet diese Priester
Und verfilzt die langen Haare,
Die Gesichter grau wie Asche,
Fingernägel ungeschnitten.

Nicht das Gold und nicht die Lieder


Voll der bittersüßen Schwermut
All die Spanier je versöhnten
Mit dem Kult der Menschenopfer.

All der Indianer Tempel


Der Azteken-Pyramiden
Sahen aus für Katholiken
Wie der Hölle Brückenköpfe.

Die Azteken aber sahen


An die Spanier auf den Pferden,
Hirsche nannten sie die Pferde,
Hirsche hoch wie Häuserdächer.

Die aztekischen Propheten


Prophezeiten einst: Im Jahre
Fünfzehnhundertneunzehn werde
Gott Quetzalcoatl kommen!

Gott Quetzalcoatl werde


Kommen, Gott als Flügelschlange,
Dessen Wiederkunft voll Sehnsucht
Mexiko voll Brunst erwartet.

Darum sind auch die Azteken


Nicht erlegen Spaniens Listen,
Sondern dieser Prophezeiung
Von der Wiederkunft des Gottes,

Sind erlegen ihrem großen


Staunen vor der Macht der Spanier
Und erlegen der Enttäuschung
Über die Gewalt der Spanier.

Cortez nahm den großen Kaiser


Mexikos gefangen, Kaiser
Montezuma, nicht nur Kaiser,
Sondern auch ein Hoherpriester.

Also saß der Abenteurer


Mit dem Kaiser viele Stunden
Nachts zusammen, disputierte
Über Gott und alle Dinge,

Über Kaiser Karl den Fünften,


Seinen Herrn, den scharfen Degen,
Dem der Abenteurer dachte
Montezumas Reich zu schenken,

Sprach dann von der Gottesmutter


Makellosester Empfängnis,
Himmelfahrt mit Leib und Seele,
Ihrem Königtum im Himmel,

Sprach dann von des Vaters Liebe


Und des Sohnes Rettertode
Und dem Trost des Heilgen Geistes,
Von dem Einen Wesen Gottes,

Sprach dann von der schwangern Jungfrau


Und dem menschgewordnen Gotte
Und von Christus an dem Kreuze,
Von dem Wesen aller Wesen

Und von andern intressanten


Dingen, was die Welt enthalte,
Sprach der Frauenheld und Seemann
Närrisch allergrößten Unsinn.

Aber Kaiser Montezuma,


Hoherpriester der Azteken,
Er befahl aus dem Gefängnis,
Menschenopfer darzubringen.

Trommeln dröhnten an der Spitze


Auf der Großen Pyramide
Und man blies die Muschelhörner
Und man blies die Knochenflöten.

Soll sich doch die Erde drehen,


Daß sich dreht die alte Mutter,
Alte Mutter schwarze Erde,
Braucht man Blut von Menschenopfern.

Menschenblut von Menschenopfern


Ist wie Blumen für die Götter.
Die Azteken waren trunken
Von dem Blutrausch ihres Kultes.

Sprach der Vater zu dem Kinde


In dem Codex Florentinus:
Aus Obsidian die Stürme
Streichen über unsre Köpfe.

Zählt das Kindlein sieben Jahre,


Sprach der Vater zu dem Kinde:
Diese Welt ist keine Stätte
Angenehmen Wohlergehens,
Sondern auf der schwarzen Erde
Gibt’s kein Glück und keine Freude.
Unsre Religion ist dunkel
Und so ernst wie Blut von Toten.

Alle heitre Menschenfreude


War dahin und voller Sorgen
Schlichen die betrübten Heiden
Voller Todesangst zum Tode!

ZWEITER GESANG

Aber in dem zehnten Jahre,


Da Tenochtitlan gefallen
War, der Mexikaner Hauptstadt,
Durch die spanischen Soldaten,

An dem Ufer saphirfarbnen


Sees ein Indio mit Namen
Cuanhtlatoatzin vom Stamm der
Chichimeken ging spazieren

In der ersten Morgenröte


An dem achten Tag des zwölften
Monats in dem Jahr des Herren
Fünfzehnhunderteinunddreißig,

Da entgegentrat dem Manne


Auf dem Hügel eine Jungfrau,
Ihm ein schönes junges Mädchen
Hold begegnete, sanft lächelnd:

Ich bin die vollkommne Jungfrau,


Immer-Jungfrau Sankt Maria,
Die ich bin die Mutter Gottes,
Mutter einzig-wahren Gottes!

Dieser Indio vor sieben


Jahren war getauft auf Jesus,
Nach Johannes und Jakobus
Auf den Namen Juan Diego.

Und es sprach das junge Mädchen


Zu dem Witwer, welcher zählte
Fünfundfünfzig Lebensjahre,
Sprach in Nahuatl-Sprache:

Juanito, o mein Kleiner!


Juan Diego sprach zum Mädchen,
Grüßte sie genauso zärtlich:
Nina, meine liebe Kleine!

Sieh, es war der Tag des Festes


Unsrer Lieben Frau Maria,
Die empfangen ohne Makel
Aller Erbschuld, ohne Sünde.

Darum sprachen auch die Spanier:


Dieses Mädchen ist die Pure,
Die Purissima, die Reine,
Allerreinste Sankt Maria,

Makellos empfangne Jungfrau,


Frei von jedem Fleck und Fehle,
Konzipiert vom Geiste Gottes
Als die Frau nach Gottes Herzen!

Die Begegnung mit dem Mädchen


Aber stattfand auf dem Hügel
Tepeyac, wo sonst die Heiden
Ihre Muttergöttin ehrten,

Tonantzin, die große Mutter


Des Getreides, Mutter Erde,
Eine steinerne Dämonin,
Dargestellt als eine Schlange.

Aber schau, nach der Begegnung


Der Allreinen mit dem Witwer
Acht Millionen Indianer
Kehrten in den Schoß der Kirche,

Acht Millionen Indianer


In dem Schoß der Mutter Kirche
Wurden geistig neugeboren
In dem Geist und in dem Wasser

Durch das Sakrament der Taufe,


Das die Priester ausgespendet,
Jesuiten, Franziskaner,
Gottgeweihte Gottesmänner,

Während vorher die Azteken


Nichts begehrten als das eine:
Katholiken in Kakao
Aufzukochen, aufzuessen!

Schau das wunderschöne Mädchen:


Der mestizische Gesichtszug
Zeigt die heilige Kreolin,
Spanisch wie auch indianisch.
Aber wer beschaut das Mädchen,
Sieht: Das Mädchen ist nicht spanisch,
Sie ist auch nicht indianisch,
Nicht mestizisch ist das Mädchen.

Sie gehört zu keiner Rasse.


War auf Erden sie auch Jüdin,
Ist sie Inbegriff der Menschheit,
Mutter aller Menschenkinder!

Schau ihr Antlitz, wie verschleiert


Vom Mysterium der Gottheit,
Wie geheimnisvoll ihr Lächeln!
Das geheimnisvolle Lächeln

Lächelt noch geheimnisvoller


Als der Mona Lisa Lächeln
Auf dem Bilde Leonardos
Seiner Muse Gioconda,

Lächelt noch geheimnisvoller


Als der Evelina Lächeln
Im Gesang des Dichters Schwanke
Nach dem Muster seiner Muse.

Und sie trägt ein Kleid von Blumen,


Einen meeresgrünen Mantel,
Darauf sechsundvierzig Sterne,
Drunter einen Hauch von Gaze.

Goldne Sonnenstrahlen rahmen


Sie wie eine lichte Aura,
Sie steht auf der schwarzen Sichel
Wie die Venus auf der Muschel,

Und sie steht in rosafarbnem


Mandelförmigem Ovale,
Das sich öffnet in der dichten
Wolkendecke an dem Himmel,

Wegen ihrem bronznen Antlitz


Nennt man sie La Morenita,
Wie auch Dichter Schwankes Muse
Evi sich einst Mora nannte.

Aber einst in Lourdes in Frankreich


Oder Fatima im Lande
Portugal Maria mahnte,
Warnte vor dem großen Weltkrieg,

Aber vor den Indianern


Fällt kein Wort der strengen Drohung,
Doch ist sie die Frau des Himmels
Der geheimen Offenbarung:

An dem Himmel eine Dame


Schön erschien im Kleid der Sonne,
Mit dem Mond zu ihren Füßen,
Zodiak als Krone tragend.

Während sonst die Liebe Fraue


Nur den Kindern ist erschienen,
Weil die lieben kleinen Kinder
Herzensreinheit noch besitzen

Und die Heiligkeit der Einfalt,


Ist Maria hier erschienen
Einem Mann, der selbst sich nannte:
Schatten, Feder, Schwanz, Geliebter!

DRITTER GESANG

Wie sind deine Augen, Jungfrau?


In den Augen meines Mädchens
Spiegelt sich ein Mann mit Vollbart,
Ist ihr Mann in ihren Augen.

Naht man sich dem Bild der Jungfrau,


Ändern sich die Farben immer
Je nach des Betrachters Winkel:
Irisierende Madonna!

Aber schau ich in die Augen


Meines Mädchens Morenita,
Seh ich die Personengruppe
Wieder in der Bischofskirche,

Sehe Bischof Zumarraga


Und den Dolmetsch Don Gonzalez,
Juan Diego dann, den Indio,
Wie er seine Tilma öffnet,

Seine Tilma, seine Toga


Mit dem Bild der Morenita,
Das Maria selbst geschaffen
Mit den Rosen von Kastilien,

Sehe in Marien Augen


Eine schöne Frau sich spiegeln,
Eine Frau und einen Spanier
Mit dem Antlitzschmuck des Bartes,
Sehe in Marien Augen
Eine Indianergruppe
Und ein süßes kleines Kindlein
In der Muttergottes Augen.

Dieses ist genau die Szene,


Da der Seher Juan Diego
Seine Tilma, seinen Umhang
Ausgebreitet vor dem Bischof,

Da er in der weißen Tilma


Trug die Rosen der Madonna,
Rote Rosen von Kastilien,
Die sie ließ im Winter blühen,

Als Madonnas rote Rosen


Aus der weißen Tilma fielen,
Auf dem Umhang ist erschienen
Unsrer Süßen Mutter Bildnis.

Und der Bischof Zumarraga


Und die Leute in der Kirche
Voll Bewunderung und Staunen
Sanken zitternd in die Kniee,

Denn es zitterten die Kniee


Vor der ganz unglaublich schönen
Jungfrau, der Idee der Schönheit,
Vor dem Ideal des Schöpfers!

In den Augen der Madonna


Ein Azteke ist fast nackend,
Sitzend mit gekreuzten Beinen,
Langes schwarzes Haar geflochten,

Pferdeschwanz am Nacken baumelnd,


Einen Ohrring an dem Läppchen,
Einen Ring am Ehefinger.
Bei dem nackigen Azteken

Steht ein alter Mann mit Glatze


Und mit einem weißen Vollbart,
Grader Nase, dichten Brauen,
Einer Träne auf der Wange.

Neben ihm ein schöner Jüngling,


Neben ihm ein greiser Alter
Mit Kapuze, Bart und Schnurrbart,
Einer Nase wie ein Adler,

Schöngewölbten Wangenknochen,
Eingesunknen Seelenspiegeln,
Halbgeschlossnen Lippenpaaren,
Einen Schal in Händen haltend.

Auch ein junges schwarzes Mädchen


In den Augen ist zu sehen
Und im Hintergrunde abseits
Eine Indio-Familie,

Eine Kappe trägt der Vater


Und die Mutter trägt ein Baby,
Dort die Oma, dort der Opa,
Insgesamt drei kleine Kinder.

Wer war aber jene Schwarze


In den Augen Unsrer Mutter?
In den General-Archiven
In Sevilla steht geschrieben,

Daß der Bischof Zumarraga


Hatte eine schwarze Sklavin,
Der er wegen guter Dienste
Sterbend noch die Freiheit schenkte

Und sein Testament verfügte,


Daß die schwarze Sklavin solle
Nun erlangen ihre Freiheit,
Und ihr Name war Maria.

Also sind der Jungfrau Augen,


Meines Mädchens schöne Augen,
Voller Mutterliebe schauend
Auf die Menschenkinder alle!

VIERTER GESANG

Meine Muse mich erfasste


Bei den Haaren und entführte
Mich auf ihren Adlerflügeln
In die Ortschaft Medjugorje.

Medjugorje war verborgen


In den Teppichen der Blüten,
In den Wiesen war das Beten
Wie des Atems Meditieren.

Tausend und zehntausend Seelen


Stimmten ein in die Gebete.
Kaum nach Mitternacht drei Stunden
Schliefen sie, sich früh erhebend,

Um die Königin zu grüßen,


Königin der Cherubini,
Königin der Seraphinen,
Königin der Kinder-Engel!

Hähne schrieen, Hühner eilten,


Hennen liefen mit den Küken.
Mütter trugen ihre Kinder,
Greise gingen an den Stöcken,

Manche Greise auch mit Krücken.


Vögel sangen in der Frühe,
Der Milan von Medjugorje
Segelt in der Morgenröte!

Ein Gewölk von Schmetterlingen,


Admiralen und Monarchen,
Tanzte um die keuschen Rosen,
Um die Blumen der Madonna.

Barfuß gingen manche Mönche,


Beter strömten hin wie Ströme,
Flüsse, die sich hier ergießen
In das Tal vom Doppelhügel.

Hier erzählte die Novizin


Miriam von Medjugorje
Mir die heilige Legende
Unsrer Herrin Morenita.

Siehe, Don Fernando Cortez


Groß war als Konquistadore,
Auf dem Wappen seines Flaggschiffs
War gestickt das Kreuz des Christus.

Dieses Kreuz zwölf Jahre später


Ist erschienen auf der Brosche
An dem Halse Morenitas,
Schwanenhalse Unsres Mädchens.

Cortez war ein Christ, ein frommer,


Der ein Jahr vor seiner Seefahrt
Seine liebe Frau ermordet
Voller Jähzorn und cholerisch.

Aber Cortez kniete nieder


Vor den armen Franziskanern,
Missionaren Jesu Christi,
Indianer zu bekehren.
Doch die Indianer waren
Nun zehn Jahre lang von Cortez
Unterdrückt und unterworfen
Von brutalen Heeresscharen.

Die Eroberung des Landes


Hunderttausende das Leben
Kostete, aus nackter Goldgier
Saugten aus das Land die Räuber,

Folterten die Adelsleute


Und versklavten alle Männer,
Brannten Brandmal in die Haut ein,
So als wären Menschen Tiere.

Manches Dorf verwüstet wurde,


Krankheit über Krankheit hatte
Hingerafft die Indianer,
Pest, Keuchhusten, andre Seuchen.

Fieber brannte in den Gliedern,


Knochenschmerzen, Magenschmerzen,
Und die Schwindsucht quälte grässlich,
Pocken, Masern quälten Kinder.

Leichen lagen in den Straßen


Und verwesend stanken Leichen.
Maiskorn ward nicht mehr geerntet,
Goldner Mais der Mutter Erde,

Mais verrottet auf den Feldern,


Ward nicht mehr gesät in Äckern,
Hungersnot wie eine Seuche
Raste durch die Indianer.

Diese Unheilszeit verlangte


Mehr der Opfer noch als alle
Die Massaker der Gewalttat
Räuberischer Ritter Spaniens.

Stadt Tenochtitlan war nahzu


Menschenleer geworden, diese
Hauptstadt von der Pracht Venedigs,
Niederlag in Trümmerhaufen.

Frauen waren so verzweifelt,


Wollten sie nicht mehr gebären
Kinder in die Welt des Dunkels,
Hier in der Kultur des Todes.

Dieses also war das Ende!


Sieh, da aber kam die Wende!
Morenita ist erschienen,
Unsre Köstlich-Süße Mutter,

Gottes Jungfrau, deren Bildnis


Sprach die bunte Blumensprache,
Die die Indios verstanden:
Sie ist Unsre Süße Mutter!

Die Azteken schauten immer


An die himmlische Erscheinung,
Ihre Schrift und ihre Sprache
Waren wie des Kosmos Zeichen.

Die Monstranz aus Sonnenstrahlen


In dem Rücken der Madonna
War ein Meteor des Himmels
Für die schauenden Azteken.

Daß die wunderschöne Jungfrau


Mit dem Leib verdeckt die Sonne,
Hieß: Der alte Gott der Sonne,
Seine Zeit war nun vergangen.

In dem fürstlichen Türkise


Ihres Mantels die Azteken
Sahen eine Himmelsfürstin,
Sie, die Königin des Himmels.

Aus den Blumen ihres Kleides


Die Azteken dies erkannten:
All die schöne Schöpfung Gottes
Ist das Kleid der Gottesmutter!

An dem langen Sternenmantel


Die Azteken dies erkannten:
Gottes Kosmos, so unendlich,
Ist der Mantel der Madonna!

An der hingehauchten Gaze


Überseidenfeinen Kleidchens
Die Azteken dies erkannten:
Sankt Marien Leib ist Lichtglanz!

Aber sie ist keine Göttin,


Denn sie betet an die Gottheit,
Faltet betend ihre Hände,
Menschengöttin voller Demut!

Die Monstranz aus Sonnenstrahlen


Um den Körper der Madonna
Ließ die Indianer tanzen:
David vor der Bundeslade!
Und die Ordnungen der Sterne
In Marien Kleid des Kosmos!
Die Azteken-Indianer
Sahn die Energie der Weisheit!

Michelangelo in Roma
Schuf die Pieta von Marmor,
Das Konzept, das makellose,
Jugendschöner Todesgöttin,

Deren Mund mich einmal küsste,


Daß ich zitternd sank zu Boden
Und das Hohelied der Liebe
Sang der ewigen Geliebten!

Doch in Mexiko Maria


Schuf als Künstlerin ein Kunstwerk,
Das macht alle Menschen sprachlos
Vor Begeisterung und Liebe!

Dieses Wunder ist unglaublich:


Gottes Ideal des Menschen,
Diese Frau-an-sich, gezeichnet
Himmlisch auf Kartoffelsacktuch!

Diese Frau verhüllt die Sonne,


Nämlich Abgott Vitzliputzli,
Diese Frau steht auf dem Monde,
Nämlich auf der Flügelschlange.

Siehe da, der Stern der Weisen


Führt nach Bethlehem die Seher,
Wo die Jungfrau in der Grotte
Gott als kleines Kind geboren.

Schaue den Zentaur, den weisen


Lehrer der antiken Helden!
Abgeschafft das Menschenopfer:
Gott ist selber nun das Opfer!

Schaue den Skorpion, das Sternbild,


Das zur Stunde der Geburt stand
Über Peter Torstein Schwanke,
Über seiner Muse Evi!

Schau den feuerroten Drachen,


Den die Jungfrau überwindet!
Der Geheimen Offenbarung
Großes Zeichen in der Endzeit!

Denke diese Sternenreihe


Du mit der Vernunft zuende:
An der Stirn des braunen Mädchens
Strahlte dann des Nordens Krone.

Dieses Mädchen Morenita,


An der Stirn des Nordens Krone,
Trägt im kosmischen Gewande
Strahlend schön das Kreuz des Südens.

O, die Königin des Kosmos


Sah ich an dem Kreuz des Südens
Einstmals über den Kanaren,
Überbleibsel von Atlantis!

FÜNFTER GESANG

In dem Santa-Anna-Kloster
Ward gefeiert Minnemaien
Und Marienmond, Maria
Als die Königin des Maien.

Sprach der Pater in der Andacht:


Als ich war im großen Kriege
Und die Bomben explodierten,
Ist vergangen meine Weisheit,

Aller Theologen Predigt,


Aller Philosophen Rätsel,
Nur Maria blieb, die Mutter,
Die ich rief wie in der Kindheit.

Sechzehnhundertachtunddreißig
Johann Khuen schrieb in München
Eine Hymne an Maria,
Die wir heut noch gerne singen:

Sagt uns an, wer ist doch jene,


Die da überm Paradeise
Als die Morgenröte leuchtet,
Morgenstern vom Garten Eden?

Jene kommt aus weiter Ferne,


Geht im Schmuck von Mond und Sternen,
Trägt als Kleid den Glanz der Sonne,
Jene ist die edle Rose!

Mitten in dem Glaubenskriege,


Welcher währte dreißig Jahre,
Schrieb der Dichter diese Hymne
An Maria Morenita!

Also frug ich einen Maler:


Warum malst du nicht Maria?
Was nicht malen Künstler alles!
Warum nicht der Frauen Schönste?

Sprach der Künstler der Moderne:


Soll ich malen denn ein Urbild?
Weißt du nicht vom Streit der Mönche,
Ob ein Urbild existiere?

Woher stammen die Begriffe,


Die wir von den Dingen haben?
Stammen sie von einem Urbild,
Von Ideen, Archetypen?

Augustinus lehrte Platons


Lehre, dass der Dinge Schatten
Abbild sei der Urideen,
Ewiglicher Wirklichkeiten.

So auch sprechen die Muslime


Von des Buches Mutter, nämlich
Von dem Ideal-Korane,
Der da steht im Himmel Gottes.

Also auch die Orthodoxen


Von der Wirksamkeit der Bilder
Sprechen: Alle die Ikonen
Abbild sind von Himmelsbildern,

Die Ikone der Maria


Ist ein Abbild der Maria,
Die Ikone des Messias
Ist ein Abbild des Messias,

Die Ikone ist nicht Abbild


Nur des Urbilds in dem Himmel,
Sondern die Idee des Urbilds
Gegenwärtig ist im Abbild.

Aber in dem Westen haben


Sieg im Philosophenstreite
Sich errungen jene Denker,
Die da Anti-Platonisten:

Gott schafft seine ganze Schöpfung


Nicht nach seiner Schöpfung Urbild.
Wo kein Urbild, ist kein Abbild,
Alles ist ganz einzigartig.
Alle Schöpfung, jedes Menschlein
Sei ursprünglich einzigartig,
Nicht des Urbilds Schatten-Abbild,
Nein, unmittelbar geschaffen.

Nicht nach der Idee des Urbilds


Habe Gott die Welt geschaffen,
Kein Koran und keine Tora
Habe Gott dabei begeistert,

Abrams, Isaks, Jakobs Gottheit


Und der Vater Jesu Christi
Ist ein völlig freier Schöpfer,
Nicht gebunden an ein Urbild.

Und vor allem sei das Menschlein


Gottgeschaffen einzigartig
Nicht nach der Idee des Urbilds,
Ist kein Urmensch in dem Himmel.

Ist kein Urbild in dem Himmel,


Individuum alleine
Ist der Mensch und einzigartig,
Individuelles Menschlein.

Wer den Menschen nun beleidigt,


Der beleidigt nicht ein Urbild,
Nicht ein Urmensch wird beleidigt,
Nicht das Ideal des Menschen.

Aber Benedikt der Petrus,


Früher Kircheninquisitor,
Ist Platoniker der Kirche,
Glaubt an die Ideen Gottes.

Wenn wir aber Bilder schauen,


Die als Abbild sind auch Urbild?
Die nicht Menschenhände malten,
Gottgemalte Ideale?

Doch die Philosophen staunten,


Sprach ich von dem Urbild-Abbild,
Gottgemaltem Ideale
Idealer Morenita,

Staunten unsre Philosophen,


So als spräche ich vor Mönchen:
Ich habe Unsre Frau gesehen
Heute in dem grünen Garten!
SECHSTER GESANG

O Jerusalem im Himmel,
Deine Mauer Edelsteine,
Jaspis, Chalzedon, Sardonyx,
Sardion, Smaragd und Topas

Und Saphir, der himmelblaue,


Und Smaragd, der meeresgrüne,
Chrysolithe, Chrysoprase,
Hyazinthen, Amethysten

Und Beryll, woraus geschaffen


Peter Torstein Schwankes Brille,
Und aus Einer Muschelperle
Ist des Himmels enge Pforte!

O Jerusalem des Himmels,


Wollte Gott, dass meine Seele
Wäre schon in dir zuhause,
Tochter Zion, meine Heimat!

O Jerusalem des Himmels,


Denke ich an deine bunten
Edelsteine, wird dein Stadtbild
Plötzlich mir zu einer Jungfrau.

Hör ich Vögel lieblich zwitschern,


Mütterliches Taubengurren,
Poesie der Nachtigallen,
Kolibri und Quetzalvogel.

Sehe ich die Blütenkelche


Edler Rosen von Kastilien,
Jene Rose, weiß und rosa,
Die das Jesuskind mir schenkte!

O Jerusalem des Himmels,


Nicht mehr eine Stadt von Jaspis,
Nicht von Gold und Glas gebaute
Himmelsstadt aus Edelsteinen,

Nein, ein wahrer Garten Eden,


Freudenparadies des Himmels,
Wo die Vogelherzen pochen,
Wo die Nachtigallen schmelzen!

Wo die weißen Rosen blühen,


Wo die roten Rosen glühen,
Wo die goldnen Rosen strahlen
Auf der Jungfrau bloßen Füßen!
Nicht Megapolis des Himmels,
Nein, des Himmels Morenita!
Dieser Morenita Körper
Ist der wahre Garten Eden!

Aber aller der Poeten


Muse von dem Berge Zion,
Die Urania der Kirche,
Singt nun selber eine Hymne,

Eine spanische Romanze


Revolutionärer Liebe:
Singe, Anima, die Gottheit,
Sing den Jubelschrei zur Cymbel!

Meine Seele preist die Größe


Adonais, mein Geist voll Jubel
Jubelt über meinen Retter,
Meinen Herrn und meinen Heiland!

Auf die Demut seiner Sklavin


Schaute Gott voll Wohlgefallen,
Selig preisen mich die Kinder,
Preisen mich die Kindeskinder!

Der Allmächtige hat Großes


An der Magd getan, sein Name,
Dreimalheilig ist sein Name,
Heilig, heilig, heilig Jahwe!

Gott ist voller Allerbarmen


Über alle Menschenkinder,
Über alle Menschenseelen,
Die voll Ehrfurcht sind vor Jahwe!

Er vollbringt mit seiner Rechten


Taten voller Kraft und Stärke,
Er zerstreut die Eitlen, Stolzen,
Er erhebt die Armen, Kleinen!

Hungernden reicht er die Speise,


Dürstende wird Gott selbst stillen!
Reiche lässt er leer ausgehen,
Er beschenkt nicht Mammonssklaven!

Gott denkt stets an seinen Diener


Israel (einst hieß er Jakob),
Denkt an Abraham, den Vater,
Und an alle seine Söhne!

Also sang des Himmels Muse


Revolutionäre Verse
Revolutionärer Liebe
Revolutionären Gottes!

Aber du, Poet Mariens,


Minnesänger der Madonna,
Willst du singen Gottes Tochter,
Bitte sie um jene Gnade,

Die sie Bernhard einst gewährte,


Diesem Troubadour Mariens:
Möge Gottes Große Mutter
Dich an ihren Wonnebrüsten

Saugen lassen Milch der Liebe,


Trinken lassen Wein der Weisheit,
Dann wirst du im süßen Stile
Unsre Liebe Frau besingen!

Die unendlichen Romane


Preisen Don Quichott und Josef
Und die Brüder Josefs oder
Auch die Brüder Karamasow.

Aber wo ist der Franz Werfel,


Der das Lied der Bernardette
Sang, der singt nun Juan Diego
Und die Herrin Morenita?

Ach ich bin ein kleiner Dichter,


Kann ja nur in Versen singen,
Nur ein Lyriker der Liebe,
Minnesänger der Madonna,

Ich will hier ja nur ergänzen,


Was der Dichter Heinrich Heine
Nicht gesagt in den Gedichten
Bimini und Vitzliputzli.

SIEBENTER GESANG

Liebenswürdig ist ihr Antlitz,


Weder dünn noch dick ihr Antlitz,
In ihm streiten einen Wettstreit
Himmels Schönheit, Himmels Sanftmut.

Weich und plastisch ist ihr Antlitz,


Augen, Mund und Nase aber
Sind so fein gezeichnet, siehe,
Daß des Angesichtes Ganzem

Wird hinzugefügt die höchste


Schönheit, eine solche Schönheit,
Daß das Herz zerreißt vor Liebe
Dem, der vor ihr steht, sie anstaunt!

Schöne Proportionen bilden


Ihre makellose Stirne
Und die langen schwarzen Haare
Mehren vielmals ihre Schönheit.

Ihre schmalen Augenbrauen


Sind geschwungen und von Feinheit.
Der gesenkte Blick voll Sanftmut
Ist so sanft wie Taubenaugen.

Und die Freude und die Ehrfurcht,


Die den Menschen tief ergreifen
Beim Erblicken dieser Augen!
Unerklärlich solche Augen!

Und sehr schön ist auch die Nase,


Stimmt harmonisch zu dem Ganzen.
Und ein Wunderwerk die Lippen,
Dieses Mundes süße Lippen,

Die geschwungne Unterlippe


Wird erhoben wie durch Fügung,
So des Angesichtes Anmut
Wird gewirkt vom süßen Lächeln.

Dies geheimnisvolle Lächeln


Ist von einem solchen Zauber,
Daß der Mensch bezaubert möchte
Küssen die Idee der Schönheit!

Auch das Kinn entspricht dem Ganzen


Dieser Herrlichkeit und Schönheit.
Ihre Wangen, leicht gerötet,
Sind gefärbt wie dunkle Perlen.

Auch ihr Hals ist ganz vollkommen,


Rund und schlank, und so vollkommen
Wie der schlanke Hals der Schwanin,
Die der Gott der Götter liebte.

Die allmächtige Prinzessin


Ehrte mit der Wunder-Malkunst
Raffael und Michelangel,
Tizian und Leonardo,
Botticelli, Giorgione,
Albrecht Dürer, Lukas Cranach
Und die andern wundervollen
Maler Unsrer Lieben Frauen.

So wir Künstler voll des Stolzes


Feiern unsre Himmelsmuse,
Sie, die Künstlerin des Himmels,
Die allmächtige Prinzessin!

Schau, die Strahlen um Maria


Leuchten golden wie die Sonne,
Rosa und Altrosa leuchtet,
Grün des Meeres, Gold der Sonne,

Kupferfarbe, Bronzefarbe,
Rosa und Rosé, so zarte
Farben wie die Morgenröte
Leuchtend überm Garten Eden.

Und die dunkle Morenita


Plötzlich hat ein blasses Antlitz.
Bin ich hier nicht, deine Mutter?
Bist du nicht in meinem Schatten?

Und das feminine Antlitz


Mit den sanft gesenkten Blicken
Ist so rein wie Ursprungsunschuld,
Lächelnd wie die Ungebornen,

Wie die reinen ungebornen


Kinder in dem Schoß der Mutter.
Aber plötzlich muß ich weinen...
Bin ich hier nicht, deine Mutter?

ACHTER GESANG

Sieh doch an die Art und Weise,


Wie sie ihren Purpurgürtel
Voller Liebreiz, Grazie, Anmut
Um die Hüfte sich geschlungen!

Schaue an den Purpurgürtel,


Wie er hoch rutscht über ihren
Schöngewölbten Leib! O Mädchen,
Ist Musik in deinem Leibe!

Schau das Blümchen mit vier Blättern,


Das erkennen die Azteken,
Das ist der Jasmin der Sonne,
Das verstehn die Indianer.

Schau, die makellose Jungfrau


Trägt in ihrer Leibesmitte
Diese Blüte vom Jasminbusch,
Den Jasmin der Gottes-Sonne!

Schau die sechsundvierzig Sterne,


Die Konstellation des Himmels
Über Mexiko zur Weihnacht
Fünfzehnhunderteinunddreißig.

Siehst du auch die beiden Schlangen,


Die umschlingen rings das Ganze?
Schlangen auf dem Bild der Jungfrau?
Wo siehst du die Jungfraunschlangen?

Schau, die eine Jungfraunschlange


Ist der Himmel in dem Norden
Und die andre Jungfraunschlange
Ist der Himmel in dem Süden.

Schau, die eine Jungfraunschlange


Ist das Sternbild Großer Wagen
Und die andre Jungfraunschlange
Ist das Sternbild Kreuz des Südens.

Wenn du siehst den Großen Wagen


In dem Norden an dem Himmel,
Denk, du schaust der Jungfrau Mantel,
Schaust die schwarze Nacht, die Mutter.

Wohin reicht der Kopf der Jungfrau?


In den Orient des Himmels.
Wohin reicht der Fuß der Jungfrau?
In den Okzident des Himmels.

Doch die Jungfrau schaut den Kosmos


Von der Erde nicht, der Mutter,
Nein, die Jungfrau schaut den Kosmos
Von dem Himmel aus, dem Vater.

In der Jungfrau Leibesmitte


Siehe den Jasmin der Sonne,
Schau, die Blüte vom Jasminbusch,
Klein wie eine Fingerkuppe.

Schau die Blüte vom Jasminbusch,


Was erkennst du in der Blüte?
Schau, ein Kind, geschlossner Augen,
Grad geweckt erst von der Mutter.
Ist sie nun ein junges Mädchen,
Vierzehn Jahre junge Jüdin,
Die in Nazareth gewohnt hat
In der Heiden Galiläa?

Oder ist sie nun die Göttin,


Frau der Offenbarung Gottes,
Miterlöserin mit Jesus,
Großes Zeichen in der Endzeit?

Der prophetische Johannes


Als der Adler Gottes schaute
Gottes Frau, der Endzeit Zeichen,
Frau geheimer Offenbarung.

Und auch Juan Diego schaute


Mit den scharfen Adleraugen
Gottes Frau, der Endzeit Zeichen,
Frau geheimer Offenbarung.

Der prophetische Johannes


Sah Maria in Visionen
Und der Seher Juan Diego
Sah lebendig sie als Mädchen.

NEUNTER GESANG

Juan Diego, Juan Pablo!


Die Maria Morenita
Das Geheimnis ist des Papstes,
Denn bei ihr begann sein Pilgern.

Sankt Maria Morenita


Weihte sich Sankt Juan Pablo,
Wie der Ritter vor dem Kreuzzug
Sich gewidmet seiner Dame.

Seit dem Januar des Jahres


Neunzehnhundertneunundsiebzig
Die Maria Morenita
Lenkte Juan Pablos Schritte.

In dem Land Guatemala


Heilig sprach San Juan Pablo
Bruder Pedro von den Maya
Unter einem Meer von Blumen.

Sankt Maria Morenita


Hatte keinen größern Minner,
Keinen größern Minnefreier
Als den Papst San Juan Pablo.

Als der Papst San Juan Pablo


Heilig sprach San Juan Diego
Mit der väterlichen Stimme
Voller Zärtlichkeit und Stärke,

Da war Mexiko voll Freude!


Rasseln, Trommeln, Muschelhörner
Machten die Musik des Himmels
Und die Indianer tanzten

In dem Schmuck von Adlerfedern,


Kolibri und Quetzalvogel,
Tanzten magisch und hypnotisch,
Tanzten um San Juan Pablo,

Blumig den Altar umkreisend,


Tanzend vor dem Bild der Jungfrau
Und vor Jesus, dessen Lende
Trug der Jungfrau Sternenmantel.

Und ein Bild von Juan Diego


Feierlich die Indianer
Trugen vor das Bild der Jungfrau
Und der Seher sah die Herrin,

Juan Diego schaute liebend


Zu der vielgeliebten Dame:
Ach ich bins nicht wert, mein Mädchen!
Bin ich schon im Himmelreiche?

Juan Diego schaute liebend


Zu Maria Morenita
Und Maria Morenita
Liebend sah zu Juan Pablo.

Juan Pablo saß versunken,


Seinen Kopf demütig senkend,
Hob er hoch den Corpus Christi –
Heilig, heilig, heilig Jahwe!

Und Maria Morenita


Liebend sah zu Juan Pablo:
Juan, Juan, Juanito!
Ach du kleinstes meiner Söhnchen!

Ebenmaß! Vollkommne Schönheit!


O das Gazekleid aus Blüten!
Rein wie Luft die Seide schimmernd!
O dies Duftgewand des Himmels!

Des gehauchten Unterkleides


Goldne Blüten himmlisch schweben
Um den makellosen Körper,
Unsichtbarer Gazeschleier!

Lichtglanz aus dem Paradiese


Glänzt um Sulamith Maria!
Salomo Messias huldigt
Seiner Königin der Liebe!

Pocht ihr Herz in ihrem Busen


Durch das Hauch des Gazeschleiers:
Süße Kaktusfrucht des Adlers!
Bin ich hier nicht, deine Mutter?

Morenita kommt vom Himmel,


Schwanger mit dem Gottessohne!
Kommt die Jungfrau, so kommt Jesus!
Komm, Herr Jesus! Ja und Amen!

DAS FRAUENBUCH

Möge Gott die Ehre hüten


Meiner wundervollen Dame!
Also bete ich am Morgen:
Gott beschütze ihre Seele,
Gott beschütze ihren Leib,
Laß sie nicht in Sünde fallen!

Meine liebe Herrin will,


Daß ich ihr dies Büchlein dichte.
Gerne will ich das vollbringen,
Alles tu ich, was sie will,
Sei es Kleines oder Großes,
Denn ich liebe sie noch mehr
Als die andern Frauen alle,
Liebe mehr sie als mich selber
Und als alle Kreaturen.
Ihr alleine bin ich treu,
Diene ihr allein in Treue.
Ich bin ihr getreuer Diener,
Diene ihr, so gut ich kann.
So zu dienen ist mein Recht,
Sie ist Schönheit, sie ist Güte,
Sie allein die Makellose.
Ihre Schönheit mein Ergötzen,
Ihre Reize mein Entzücken,
Ihre Güte meine Freude,
Ihre Liebe meine Wonne!
Ihre holde Art, ihr Wesen,
Füllen mich mit Freudigkeit
Und beleben meine Glieder
Und erheitern meine Seele.
Keinen kenn ich auf der Erde,
Der so gut wie meine Herrin,
Sie ist gut, sie ist die Güte.
Und sie ist von solchem Wesen,
Daß sich gleich mit gutem Grund
Meine Stimmung heiter hebt,
Heil mir, dass ich sie geschaut!
Heil mir, dass ich meiner Herrin
Meine Treue nie gebrochen!
Tief im Herzen ist mir wohl,
Meine Seele ist voll Freude,
Ich bin froh, dass meine Herrin
Voll von guten Qualitäten
Und gerecht in allen Werken!

Jetzt beginn ich, ihr zu dienen,


Ihr zu dichten dieses Buch
Mit der Kunst, die mir gegeben.
Liebe Frauen, weise Männer,
Hört mir zu, was ich euch sage,
Was ich singe, denn das kann ich!

Einmal eine schöne Dame


Saß bei einem edlen Ritter
Und sie sprachen mancherlei,
Davon will ich euch berichten.
Dieses sprachen sie und jenes
Und ich sag euch, was sie sprachen.

Also sprach die schöne Dame:


Lieber Freund, du sollst mir sagen,
Sagen mir die ganze Wahrheit:
Warum seid ihr Männer traurig?
Was ist nur mit euch geschehen?
Warum habt ihr schlechte Laune?
Ihr habt Wohlstand und Gesundheit,
Seid in angemessnem Alter.
Warum lebt ihr ohne Freude?
Ehrlich muß ich dir gestehen,
Daß ich nie gesehen habe
Einen Ritter glücklich sein.
Ihr verschwendet jämmerlich
Eure Zeit und euer Leben.
Wer gab euch den Schatz der Trauer?
Wahrlich, wahrlich, laß dirs sagen,
Das gefällt uns Frauen nicht!

Liebe Frau, du sprichst die Wahrheit,


Uns vergehn die Jahre übel,
Niemals sind wir Ritter glücklich,
Sondern leben stets im Jammer!
Traurigkeit sitzt uns im Herzen,
Trauer hat sich eingenistet.
Niemals sind wir freudig froh,
Unsre Stimmung ist betrübt.
Immer sind wir voller Kummer,
Uns gegeben ward die Trauer,
Ja, ein reicher Schatz an Schmerzen!
Niemand sieht uns heiter lächeln.
Hohe Herrin, schöne Frau,
Laß es dir nur höflich sagen,
Was uns hindert an der Freude,
Was uns Ritter so betrübt,
Was uns schmerzt in unsern Herzen,
Daß wir nicht so froh den Frauen
Dienen wie in alten Zeiten.
Meine vielgeliebte Herrin,
Voll der Gnade mir erlaube,
Daß ich alles dir gestehe!

Lieber Freund, das will ich auch,


Sage mir, bei unsrer Freundschaft,
Und verschweige nicht die Wahrheit,
Warum Männer traurig sind.
Bitte, sage mir die Gründe.
Stört euch etwas an den Frauen,
Sollst du mir das nicht verschweigen,
Was euch so an uns missfällt.
Du bist wohlerzogen, Freund,
So, bei deiner Bildung, bitt ich,
Sage mir die ganze Wahrheit.
Tust du das, dann tust du recht,
Gerne will ich dir das danken.
Ich bin auch bereit zu sagen,
Was ich Frauen klagen höre,
Bitter klagen über Männer,
Wenn du solches hören möchtest.
Freund, ich hab dich auserwählt,
Über alle diese Dinge
Lange Zeit mit dir zu sprechen,
Dazu hab ich dich erwählt.
Glaub nicht, dass ich zornig werde,
Klagen Männer über Frauen,
Wenn ihr nur die Wahrheit sagt,
Halte ich das auch für richtig,
Bitte, sagt nur stets die Wahrheit!

Meine wundervolle Herrin,


Das will ich dich wissen lassen,
Freundlich will ich dir berichten,
Warum wir so traurig sind.
Meine Herrin, schöne Frau,
Etwas tadle ich an Frauen,
Das scheint eine Kleinigkeit,
Doch das macht uns großen Kummer:
Ach ihr grüßt nicht mehr wie früher,
Früher grüßten Damen huldvoll
Ehrenvolle Minneritter.
Was denn haben wir getan,
Das ihr nicht mehr freundlich grüßt?
Wenn nur irgendeiner kommt,
Wo beisammen Frauen sind,
Schaun die Frauen auf den Boden.
Keine neigt das Haupt voll Huld
Vor dem ehrenvollen Mann.
Wie kann da man fröhlich sein?
Keine schaut uns freundlich an,
Eure Augen grüßen nicht
Und der Mund verstummt sofort
Und die Zunge gleich steht still.
Will dann einer von den Männern
Eine von den Frauen sprechen,
Sagt die Frau nicht Ja nicht Nein.
Frau, du weißt wohl, das ich Recht hab.
Frauen sitzen da wie Bilder,
Lang wird uns die kurze Zeit.
Ist da auch ein weiser Mann,
Der mit Frauen weiß zu reden,
Geben sie ihm keine Antwort,
Unbedeutend seine Worte
Für die Frauen, wie sie meinen.
Was auch spricht der weise Mann,
Keine Dame gibt ihm Antwort
Und kein Mädchen hört ihm zu.
Wollt ihr schon nicht Antwort geben,
Sagt doch bitte: Schokolade!
Das zumindest wär ein Witz
Und der Weise könnte lachen,
Selber einen Witz erzählen,
Einen Scherz, der euch gefiele,
Und die Stimmung würde heiter.
Doch so lange ihr verstimmt seid
Und nicht redet mit den Männern
Und nicht lächelt und nicht grüßt,
Wie soll man da freudig sein
Und in guter Stimmung sein
Und in heitrer Fröhlichkeit?

Freund, warum soll eine Frau


Grüßen lieblich edle Männer
Und mit ihren Wimpern winken?
Wie verdienen es die Männer,
Daß die Frauen lächelnd grüßen?
Früher lachten schöne Frauen,
Lachten an die edlen Männer,
Diese wurden frohgestimmt,
Daß sie Leib und Eigentum
Opferten den schönen Frauen
Und gestärkt von innen wurden
Durch die Gnade lieber Frauen,
Daß sie tapfre Helden wurden
Und bereit zu Heldentaten,
Wie man Frauengunst gewinnt.
Sie vollbrachten Heldentaten
Für die Frauengunst als Ritter.
Wir erkannten die Bereitschaft,
Mit dem Herzen und Verlangen
Uns zur Huldigung zu dienen.
Damals schauten wir voll Gnade
Auf die Männer, grüßten sie
Herzlich, stillten ihre Schmerzen.
Doch nun tut ihr nichts von dem,
Was wir so an euch geliebt,
Was wir schön und wertvoll fanden,
Sondern ihr seid nur noch grimmig,
So dass wir uns vor euch fürchten.
Maienwonne waren wir
Früher in der Männer Herzen,
Ja, da lachte manche Frau,
Heute hört man sie nur seufzen.
Warum sollten wir euch lächeln,
Da ihr trüb und traurig seid?
Wir gerieten in Verdacht,
Wenn euch eine Frau anlächelt
Und euch grüßt mit süßen Blicken,
Denkt ihr gleich: Das Weibchen mag mich!
Gott, wie hab ich’s doch verdient,
Daß sie mich so liebend anschaut,
Hab ich ihr doch nicht gedient!
Sie ist eine von den Huren!
Da ich ihr so gut gefalle
Und sie mich so freundlich anschaut,
Will sie sicher mit mir schlafen!
Weil ihr Frauen missversteht,
Grüßen Frauen euch nicht mehr.
Nein, ihr dient nicht mehr den Frauen,
Prahlt jetzt von euch selber nur.
Ihr könnt Frauen nur verklagen
Und verschweigt nicht mehr die Wahrheit...
Prahlen wollt ihr nur noch, prahlen!
Ihr seid keines Gnadennickens
Eines Frauenhauptes wert!
Lassen wir das Gnadennicken
Unsrer Frauenhäupter ganz!
Die als Frau bewahren möchte
Ihre Ehre, ihre Reinheit,
Diese sollte euch nicht grüßen
Mit dem Lächeln ihrer Blicke.
Ich bin eine von den Frauen,
Die verhindern, dass ihr Männer
Geht von uns als Prahler fort!

Frau, ihr lieben Frauen haltet


Uns doch nur für Taugenichtse.
Wir sind doch nicht alle schlecht,
Wie ihr sagt, wie ihr uns anklagt.
Wären alle wir so übel,
Wie du sagst, geliebte Frau,
Sollte uns die Mutter Erde
Nicht mehr auf den Armen tragen.
Wären alle wir so grimmig,
Warum hätten wir das Leben?
Besser wär es, nicht geboren!
Gott erlaubt es sicher nicht,
Daß wir ohne Würde sind.
Aber sag doch, liebe Frau:
Wie verbringt ihr eure Zeit?
Ihr verhüllt euch! Das ist schlimm!
Selbst die Schönste aller Frauen
Zieht sich lange Kleider an!
Ungern solltet ihr das tragen
Und es steht euch nicht so gut,
Anders stünde es euch besser!
Hässlich habt ihr euch gemacht,
Das macht uns so üble Laune.
Sieht nur einer eine Frau,
Sitzt sie da wie eine Nonne.
Und wer will mit Nonnen scherzen?
Sie verschleiern ihre Augen,
Augenbrauen, Mund und Wangen.
Ja, ihr lasst mit Absicht nicht
Mehr als nur die Augen schauen!
Zieht sich eine schöne Frau
Je ein schönes Kleidchen an,
Hängt an ihrem Liebreizgürtel
Sicher auch ein Rosenkranz,
Zwischen ihren Brüsten hängt
Noch ein frommes Medaillon.
Liebe Frau, das stört uns Männer,
Denn so müssen wir doch denken,
Daß dies wunderschöne Weib
Sei aus Schmerzen eingetreten
In ein Kloster Jesu Christi.
Ihren wundervollen Brüsten
Stünden eine Muschelkette
Und ein Mondsteinschmuckstück besser
Als der Rosenkranz Mariens.
Sind sie auch im Herzen fromm,
Soll ihr Mund das doch nicht sagen,
Heimlich sollen Frauen tragen
Rosenkranz und Skapulier.
Ach ihr solltet mit uns tanzen
Und die Becken kreisen lassen!
Lieber geht ihr in die Kirche
Morgens, mittags, abends, nachts.
Wer kann Freude bei euch finden?
Freuen sich an euch Besucher?
Freut sich wohl an euch der Gatte?
Oder freut der Hausfreund sich?
Nein, ihr kniet vor dem Altar,
Betet Jesus Christus an!

Freund, das ist ein schlechter Witz,


Daß du uns zum Vorwurf machst,
Daß wir Jesus Christus dienen!
Jene Frau, die Jesus dient,
Ist gereinigt durch den Glauben.
Das ist eine Sünderin,
Die auf das Gebet verzichtet,
Um den Männern zu gefallen.
Ihr jedoch seid ohne Freude
Und betrübt in trister Trauer
Und dient doch nicht Gott allein!
Also seid ihr wie der Narr,
Welcher zwischen Stühlen saß
In dem Unrat auf der Erde.
Dem geschah der Unrat recht,
Das gebührte seiner Torheit.
Freund, ihr Männer seid wie er,
Ihr seid nicht wie Ritter froh,
Doch ihr dient auch nicht dem Herrn!
Darum geht’s euch wie dem Narren.
Also sagt ihr, dass wir Frauen
Uns verhüllen mit den Kleidern
Und dass wir uns mit den Kleidchen
Nicht mehr schmücken schön wie früher,
Wie es einem Mann gefällt.
Welche Frau wär doch so töricht,
Nicht die Kleider anzuziehen,
Die ihr Vater oder Bruder
Oder Ehemann geschenkt,
Daß sie solches tragen möge,
Wie es einem Mann gefällt?
Männer, ihr könnt herrlich höhnen
Und selbstherrlich prahlen stolz!
Ließe sich ein Weibchen sehen
Reizend, wie ihr dies euch wünscht,
Sagtet ihr: Dies Weibchen schmückt sich
Sicher, Männer zu verführen!
Wäret doch ihr Männer edel
Wie in guten alten Zeiten!
Damals schien es gut der Frau,
Mit dem Mann zu Tisch zu sitzen
Und zu küssen seine Wangen,
Damals war der Mann noch froh,
Mit der schönen Frau zu tanzen,
Damals noch verstand der Mann,
Daß die schöne Frau ihn ehrt
Mit dem Küsschen und dem Tanz.
Und so trug die Freundschaft bei
Beiden nur zu Lust und Freude.
Gut wars früher für die Frau,
Schöne Kleidchen anzuziehen,
Daß der Mann sie so betrachte!
Wen sie freundlich schaute an,
Der war voll von Lobeshymnen!
So sind heute nicht die Männer.
Sieht euch eine Frau nur an,
Sagt ihr, dass sie euch nur anschaut,
Weil sie brechen will die Ehe.
Deshalb schützen sich die Frauen
Äußerlich und innerlich
Vor den Männern dieser Zeit.
Dazu sind wir ja gezwungen,
Sonst verginge unsre Ehre.
Falsch versteht man unsre Freuden,
Darum haben viele Frauen
Sich von Freuden losgesagt.
Ach wir wären froher doch,
Wollt man unsre Freuden loben.
Ich hab alles dir gesagt,
Weißt du mehr, so sag es mir.

Liebe Frau, ich geb dir recht,


Gibt der Mann der Frau ein Kleid,
Sollte sie das Kleid auch tragen.
Aber trägt sie es nicht gerne,
Zieht sie selten an das Kleid,
Trägt sie es nur widerstrebend,
Dann erlässt er ihr sein Recht,
Ohne viel mit ihr zu streiten.
Dann lässt er sie alles tragen,
Was sie irgend tragen möchte,
Aber doch in seinem Herzen
Trägt er bittere Enttäuschung,
Glaubt mir das, ihr schönen Frauen.
Gibt er ihr nun schöne Stoffe,
Aber sie trägt die nicht gerne,
Legt die Stoffe in den Schrank,
Was denn wäre je so traurig?
Gibt ein Mann ihr schöne Kleidchen,
Aber sie will die nicht tragen,
Sondern läuft herum auf Erden
Wie die Magd vom Bauernhof,
Dann wird ihn die Frau enttäuschen.
Denn die Frau ward ihm gegeben,
Daß sie sich am Leben freuen
Und das Leben freudig leben!
Darum sollte stets sie tun,
Was ihn froh und freudig macht!
Nie war eine Frau so schön,
Wollte sie sich hässlich machen,
Daß sie dann nicht hässlich würde.
Doch die Hässlichkeit der Frau,
Das kann nie ein Mann ertragen!
Und besonders wenn sie selbst
Ihre Schönheit ruinierte!
Wenn ihr Mann sie deshalb schmäht,
Ist sie selber schuld daran.
Eine Frau von Hässlichkeit
Kann sich schön durch Kleidung machen,
Also lehrt mich die Erfahrung.
Und so sieht es besser aus
Und so kann der Mann sie mögen.
Was denn, wenn sie Schränke voll
Wunderschöner Kleider hat,
Doch sie trägt nicht diese Kleider?
Das ist nämlich wie im Sprichwort:
Ein verborgner Schatz ist sinnlos!
Will die Frau den Mann behalten,
Pflege sie den lieben Körper!
Will als Witwe sie ins Kloster,
Soll sie Nonnenkutten tragen,
Soll sich den Gebeten widmen
Und der Buße und dem Opfer
Und mit allen ihren Kräften
Nach der Gnade Gottes streben!
Ja, ich sage dir die Wahrheit:
Was die Frau beim Manne trägt
Und wie schön gekleidet sie
Immer ist und wie liebreizend,
Das ist wahrlich keine Sünde!
Treu nur sei die Frau dem Manne,
So wird sie auf Erden fröhlich
Und im Himmelreich glückselig!

Freund, dies will ich aber sagen,


Daß gesegnet jene Frau,
Deren Gatte voller Anstand,
Daß er allezeit ihr gönnt,
Sich zu freun an seiner Liebe.
Finde stets sie ihn bereit,
Ihren Willen zu erfüllen.
Freudig lebt sie dann auf Erden.
Nichts ist diesem Glück vergleichbar,
Welches eine liebe Frau
Und ein Gatte miteinander
Haben können auf der Erde.
Und wie froh sie immer sind,
Diese Lust ist keine Sünde.
Gott der Herr gab sie einander,
Daß sie eins sind in der Liebe!
Aber sag, mein lieber Freund,
Was ist denn mit jener Frau,
Die da einen Gatten hat,
Der nicht denkt an ihre Freude,
Dem es nicht gefällt, dem Narren,
Ist sie liebevoll zu ihm?
Will sie ihren Gatten lieben,
Ihn umarmen, zärtlich sein,
Lieblich küssen und liebkosen,
Sagt er: Laß, das ist zuviel!
Und er spricht mit Zorn und Ärger:
Frauen wollen immer küssen,
Können Frauen denn nichts andres?
Und dann steht er auf vom Stuhl
Und geht fort mit schlechter Laune
Und sie muß ihn gehen lassen.
Und da denkt die gute Frau:
Was hab ich nur falsch gemacht?
Meine Zärtlichkeiten sind
Meinem Mann nicht angenehm,
Also muß ich wohl in Zukunft
Meinem Ehemann ersparen
Zärtlichkeiten und Liebkosung.
Mancher hat die Angewohnheit,
Seine Gattin zu betrüben,
Daß er morgens von ihr weggeht,
Wo er sie doch lieben sollte!
Wollt er ihre Liebe haben,
Mit ihr teilen Lust und Wonne,
Blieb er besser in dem Bette!
Doch anstatt im Bett zu bleiben,
Nimmt den Hund er an die Leine,
Geht spazieren mit dem Hund.
Immer denkt er an den Hund,
Läuft den ganzen Tag herum,
Lässt die Frau zu Hause sitzen,
Seine Schöne, ohne Freude.
Seine Frau hat keine Chance,
Denn er streichelt seinen Hund,
Setzt das Horn an seine Lippen,
Denn er will das Waldhorn blasen,
Aber das kann nicht ersetzen,
Was der scharlachrote Mund
Seines Weibes machen könnte,
Seine Seele froh zu machen!
Wenn der Gatte das begriffe,
Schickte er den Hund zum Teufel,
Dem er nachrennt alle Tage,
Bis er abends nicht mehr mag.
Abends kommt er dann nach Hause,
Lässt sich nieder in dem Sessel,
Dann nimmt er ein Spiel zur Hand
Und er spielt bis Mitternacht
Und er trinkt so manches Bier,
Bis die Kraft ihm ganz geschwunden,
Bis geschwächt des Mannes Kraft.
In dem Zustand solcher Schwäche
Geht er zu dem Bett des Weibes,
Wo im Bett die Gattin wartet
Und sie spricht: Willkommen, Mann!
Liebenswürdig sie erhebt sich
Und bewegt sich auf ihn zu,
Aber er gibt keine Antwort,
Sondern schaut nur nach dem Sofa,
Wo er schlafen kann allein.
Und am nächsten Morgen wieder
Geht von vorne los das Ganze.
Diese Frau zu recht ist traurig!
Lieber, was sagst du dazu?
Was denn rätst du da zu tun?
Wann soll glücklich sein die Arme
Und mit schönstem Kleid sich kleiden?
Wem denn soll sie freundlich lächeln?
Wem denn eine Freude machen?
Wenn ihr Mann sie so behandelt,
Wer soll sie dann glücklich machen?
Käm ein Hausfreund angeritten,
Grüßte sie nach Art der Minner,
Wie die Ritter früher grüßten
Ihre schönen Minnedamen,
Welche huldvoll gnädig nickten,
Wenn sie dann noch angezogen
Allerschönste Reizgewande
Und den Hausfreund so empfinge –
Wär ihr Ruf wohl ruiniert,
Würde sie die Welt verleumden.
Ist ihr Gatte nicht zuhause,
Sieht es wirklich übel aus,
Wenn sie einen Gast empfängt
Oder geht zu andern Männern,
Das erschiene wie ein Fehltritt.
Wie denn soll sie glücklich sein,
Warum schöne Kleider tragen,
Wenn das ihren Mann nicht freut
Und sie keinen Hausfreund hat?
Andres bleibt dann nicht mehr übrig,
Als mit Herz und Leib und Seele
Gottes Dienst sich ganz zu weihen
Und die Jahre zu verbringen
In dem frommen Dienste Gottes.
Ist sie freudlos auch auf Erden,
Wird sie glücklich sein im Himmel!

Freund, hör weiter, was ich sage.


Wie denn steht es um die Männer?
O sie lieben ja den Wein,
Mehr den Wein als alles andre!
Lieber ist der Wein den Männern
Als die bunte Pracht der Blumen
Und das Lied der kleinen Vögel
Und die Schönheit schöner Frauen!
Roten Wein in ihren Adern
Haben sie in jeder Nacht
Und am liebsten auch am Tag.
Keiner wird je anders glücklich
Als durch Weinrausch. Ja, so ist das.
Sind vom Rotwein sie betrunken,
Sind sie herrlich, sind sie fröhlich.
Sind sie sonst auch feige Narren,
Trunken sind sie weise Helden.
Sind sie sonst nur junge Toren,
Trunken sind sie junge Götter.
Sind sie sonst nur alte Säcke,
Trunken sind sie greise Weise,
Trunken sind sie starke Ritter,
Geben an mit Heldentaten,
Schreien wild, zerbrechen Lanzen,
Lachen, springen, tanzen, singen,
Sind so schön wie Absalom,
Unbesiegbar stark wie Samson,
Wollen alle Ritter sein.
Spricht der eine: Ha, mein Freund,
Hör, doch sag es keinem weiter,
Eine Schöne lieb ich sehr,
Lieb sie mehr als meine Seele,
Sie wird sicher mich belohnen,
Sieben Jahre dien ich schon,
Diene ihr noch sieben Jahre.
Sie ist all mein Glück und Leben.
Sagt der andre gleich darauf:
Ich verrate dir, mein Freund,
Daß ein Weib mich glücklich macht,
Die mir solchen Lohn gespendet,
Daß ich gern ihr dienen will
Treu bis zu der Todesstunde.
Spricht der dritte Freund zu beiden:
Etwas werde ich euch sagen
Und ich sage nichts als Wahrheit:
Eine Dame liebe ich
Und was tut sie mir doch Liebes!
Und bald ists ein Dutzend Freunde,
Alle Freunde prahlen laut
Von den Gnaden ihrer Frauen,
Jeder sagt vor seinen Freunden,
Wie und wo sie ihn beglückte!
Alle Männer prahlen so
Und sie prahlen um die Wette,
Jeder würde eifersüchtig,
Wär ein andrer mehr begnadet!
Doch so war es früher nicht,
Früher, wenn ein edler Ritter
Warb um eine hohe Herrin,
Blieb das allzeit ein Geheimnis,
Ja, der edle Ritter sagte
Nichts von seiner hohen Herrin
Und schwieg selbst vorm eignen Bruder,
Das weiß ich gewiß, mein Freund.
Alles war geheimnisvoll,
Damals nahmen gern die Damen
Dienste edler Ritter an.
Heute lässt mans besser bleiben.

Herrin, du hast viel zu sagen,


Deine Worte sind sehr zornig.
Dir gefallen nicht die Männer.
Aber ich will auch was sagen:
Ihr habt eine Angewohnheit,
Frauen, welche unschön ist,
Denn kein edler Mann kann heute
Euch mit seinem Dienst gewinnen!
Ihr habt eines nur im Sinn:
Wen ihr liebt, muß Geld euch geben.
Das ist wirklich schlimme Armut,
Daß das Beste, was ihr habt,
Weiber, wird von euch verkauft.
Früher war es doch nicht käuflich.
Aber das ist eine Schande,
Das ist eine Missetat,
Eure Liebe zu verkaufen.
Nie sei euer Körper käuflich!
Keinem Mann auf dieser Erde
Sei die Lust der Liebe käuflich!
Eure Liebe ist so wertvoll,
Ist von solcher großen Würde,
Wer sie je begehrt zu kaufen,
Ist ein Frevler und ein Sünder.
Findet anders er nicht Liebe
Und nicht Lust als nur durch Geld?
Ist denn Frauenliebe käuflich?
Ist das würdig einer Fürstin,
Ihren Körper zu verkaufen?
Dieses Weib ist keine Dame,
Sie ist eine Sünderin,
Die das Beste, ihre Liebe,
Gegen Geld dem Mann verkauft.
Will die Frau nun nicht das Geld,
Ist sie doch so eingestellt,
Daß man ständig teuren Schmuck
Hängen muß an ihren Körper.
Wer die Frau zur Lust begehrt,
Der begeht auch Seitenwege.
Schmuck ist eine Kleinigkeit,
Eine Frau darf Schmuck empfangen,
Will der Mann dadurch beweisen,
Daß er seine Dame liebt.
Das ist Art der wahren Liebe.
Aber Frauen gibt es auch,
Die sich nicht bezahlen lassen,
Davon gibt es viele Frauen,
Aber viele solcher Frauen
Suchen heimliche Geliebte,
Ob auch der Geliebte falsch,
Schließt sie diesem auf das Herz,
Gibt ihm ihre Frauenliebe.
Das ist eine schlechte Art
Und sie gibt sich ihm nur hin,
Um ihn so an sich zu fesseln.
Eine Frau, die so sich hingibt
An den heimlichen Geliebten,
Das ist eine schlimme Frau
Und man muß sie unterscheiden
Von den feinen guten Damen.
Ihre Namen, ihre List,
Sollte man von sich vertreiben,
Wie man Leprakranke fortjagt.
Weh, o weh, dass je ein Weib
Ihren Körper so verkaufte
Oder ihren Körper hingab
Einem heimlichen Geliebten,
So erbärmlich und gemein!
Weh, dass jemals eine Frau
Ihre Unschuld so zerstörte
Und verkaufte ihren Körper!
Wehe auch dem wilden Weibe,
Die sich hingibt schlechtem Manne,
Dem geringen und gemeinen,
Daß er heimlich bei ihr schläft!
Sie ist gierig nur nach Lust,
Nicht nach edler reiner Liebe!
Eine feine gute Frau
Sollte ihren Leib nur schenken
Einem ehrenhaften Mann,
Der nach hoher Tugend strebt!
Schenkt das Weib jedoch die Ehre
Einem Manne ehrvergessen,
Hat die Ehre sie verloren.
Wie bewahrt die Frauenehre
Je ein ehrvergessner Mann?
Schenke eine Frau die Ehre
Einem ehrenhaften Mann,
Der beschützt die Frauenehre!
Doch die Frau, die anders handelt,
Die verschwendet ihre Ehre.

Was ich jetzt zur Antwort gebe,


Ist mir wenig angenehm,
Keiner will das heute hören,
Ja, man darf das gar nicht sagen!
Aber Worte muß ich sagen,
Die mir noch mein Herz zerbrechen!
Eine Dame sollte niemals
Solche schlimmen Worte sagen.
Solche Dinge sind abscheulich
Wie der Pestfloh in der Ratte,
Schamrot müsste man da werden.
Freund, du sagst, dass Frauen heute
Ihres Körpers Lust verkaufen,
Aber nun sollst du mir sagen,
Ob es recht ist, dass die Männer
Mit den Männern solches tun,
Was nicht Vögel tun noch Tiere,
Was die Kreaturen alle
Ansehn nur als große Sünde?
Freund, du weißt schon, was ich meine.
Diese Sache ist so unrein,
Daß ich’s nicht zu nennen wage.
Diese Sünde ist verflucht.
Sag, ist das nicht eine Sünde,
Daß der Mann dem Mann das tut,
Freund, wozu doch Gott der Herr
Schuf das Weibchen für das Männchen!
Diese Sünde sei verflucht,
Gott erbarme sich des Sünders,
Der die Seele so vergisst,
Daß er solche Sünde tut,
Die sogar ein schlechterzogner
Mund nur ungern bringt zur Sprache.
Lange würd ich drüber reden,
Aber ich will meinen Anstand
Nicht mit solcherlei beflecken.
Lieber red ich nicht davon.
Du behauptest, dass wir Frauen
Hätten keinen Anstand mehr,
Daß wir Lust und Leib verkaufen.
Ach das machen wohl die Huren,
Doch wir reinen Frauen nicht.
Ja, man findet wohl noch Frauen,
Die für keines Reichen Geld
Ihre Frauenliebe schenken
Und die nicht einmal ein Ritter
Sich mit Heldentaten freit!
Gäbe einer allen Reichtum
Für die Liebe solcher Frau,
Nein, sie nähme ihn nicht an.
Solche Frauen sind nicht selten,
Zahlreich sind die guten Frauen.
Wer uns gleichstellt mit den Huren,
Handelt falsch und wie ein Narr.
Nein, so sind wir Frauen nicht.
Manche Frau ist aber schwach
Und gibt hin des Körpers Lust
Und die fleischliche Begierde
Jedem, der sie haben will.
Solche hurerischen Weiber
Haben nicht die Frauenwürde,
Solche sind ganz schlimm und schlecht.
Fort mit aller Hurerei,
Frauen leiden nicht die Unzucht.
Nicht verwechsle feine Frauen
Mit verhurten wilden Weibern,
Willst du sein ein weiser Mann.

Meine Herrin, hör mich an,


Ich weiß wohl, dass ich sehr schlecht
Hätt gesprochen von den Frauen,
Wollt ich feine fromme Damen
Mit den Huren gar vergleichen.
Aber du sollst wissen, Herrin,
Daß du auch sehr schlecht getan,
Wenn du alle Männer gleichsetzt,
Gar die Guten mit den Bösen.
Männer machen schlimme Sachen,
Sagst du, das mag wahr wohl sein.
Aber so sind doch nicht alle.
Gottvergessne Übeltäter
Werden noch im Feuer brennen!
Weh, dass man in Gegenwart
Einer frommen Dame soll
Über solche Sünder sprechen!
Das ist mir nicht angenehm.
Selbst der Name solcher Frevler
Ewig soll vergessen sein!
Weh, dass solche Sünder sind,
Daß sie Mutter Erde trägt!
Warum richtet Gott sie nicht,
Wie die Sünder einst von Sodom,
Als das Schwefelfeuer fiel?
Gottvergessne Sünder werden
Stürzen in den Höllenabgrund!
Solcherlei begehen Männer,
Die doch eigentlich die Sünde
Sollten heilig wehren ab!
Wehe, wehe! Dass man reden
Muß von solchen Übeltätern!
Solche Männer sind voll Schande,
Aber heute reden alle
Öffentlich von solcher Sünde,
Sei verflucht die üble Sünde!
Warum lässt das Gott geschehen?
Doch das ist kein schönes Thema,
Lassen wir das lieber, Herrin.
Doch die Wahrheit will ich sagen,
Meine wundervolle Herrin:
Wollten doch die schönen Frauen
Lassen von der Trauer ab
Und sich froh und freudig zeigen
Und wie Leben in dem Frühling
Voller Lust und Glück und Hoffnung,
Würden edle Männer heute
Noch den schönen Frauen dienen
Als die Sklaven ihrer Minne,
Wie die heilig-frommen Ritter
Früher den Madonnen dienten!
Zeigen sollten sich die Frauen
Graziengleich und schön gekleidet,
Dann wär gern bereit der Mann,
Minnesklavisch ihr zu dienen.
Ja, dann fände solch ein Weib
Sicher einen frommen Mann,
Der ihr Herz und Leib und Seele
Minnesklavisch unterwürfe
Und mit Liebe und mit Ruhm
Dient ihr ohne Wankelmut.
Das weiß ich gewiß, ich weiß es.
Da wir aber solche Hoffnung
Leider nirgendwo auf Erden
Finden an den schönen Frauen,
Lassen wir den Frauendienst!

Freund, wir lassen uns nicht dienen,


Weil der Lohn uns nicht gefällt.
Rate mir, bei deiner Bildung,
Wie soll eine Dame leben,
Will sie fröhlich sein mit Anstand,
Wie soll leben eine Frau,
Daß man über sie nicht spottet,
Da die Männer gerne spotten?
Laß mich hören deinen Rat,
Ich bin leider nicht so weise,
Daß ich selbst mir denken kann,
Wie sich eine Dame schütze
Vor dem bösen Spott der Männer,
Sei die Frau nun Ehegattin,
Alte Witwe, junges Mädchen
Oder eine Unvermählte,
Die sind oft auch schöne Frauen,
Oder eine Konkubine.
Wie kann man uns sonst noch nennen?
Wie denn sollen Frauen leben,
Daß sie nicht verspottet werden
Und doch schönes Leben haben?
Hat nun eine Ehefrau
Einen lieben Ehemann,
Der ihr alle Wonnen gönnt,
Gern ihr alle Wonnen spendet,
Der sie liebevoll verehrt
Und erhöht die Lust der Frau,
Dem sie gern erfüllt die Wünsche,
Seinem Wunsch entgegenkommt,
So im Großen wie im Kleinen,
Sieht ein Spötter solch ein Paar,
Einer der gut spotten kann,
Gibt er von sich seinen Spott:
Dieser Mann ist ja kein Mann,
Läßt beherrschen sich vom Weib!
Soll das Weib Gebieter sein
Und der Mann die Magd des Hauses?
Ist der Kerl des Weibes Sklave!
So verhöhnt er alle beide,
Weil sie voller Freude sind
Und vereint in ihrer Liebe
Leben alle Lebenstage,
Darum hasst er sie, der Spötter,
Denn er sieht es gar nicht gerne,
Was er selber nie erfahren!
Ist ein Weibchen aber Witwe,
Klagt um ihren Vielgeliebten,
Trägt das schwarze Witwenkleid,
Sieht die Witwe dann der Spötter,
Höhnt er sie mit bösem Spott:
Schau mal diese alte Frau,
Sie ist nur auf Geld versessen,
Sie will einen neuen Mann,
Daß er ihr nach Wunsche tut.
So verdreht er ihre Absicht
Und entehrt sich selber nur,
Dieser bitterböse Spötter.
Sieht er aber eine Witwe,
Welche schöne Kleider trägt
Und geschmückt spazieren geht,
Sagt der Spötter von der Witwe:
Mannstoll ist das alte Weib!
So wird diese auch verspottet.
Aber Gott der Herr im Himmel
Ist der Richter aller Witwen!
Und ist da ein schönes Mädchen,
Jung, die allen gut gefällt,
Elegant gekleidet, schön
Auch gefärbt die langen Haare,
Welche alle Männer mögen,
Sagt der bitterböse Spötter
Von dem jungen schönen Mädchen:
Die verliert wohl ihre Unschuld
Vor dem Sakrament der Ehe!
Wie soll leben solch ein Ding,
So was Junges, so was Hübsches,
So ein niedlich-nettes Mädchen?
Freund, gib dazu einen Rat.
Und ist eine Unvermählte,
Jugendlich und schön und reizend,
Schön gekleidet und frisiert,
Die sich so benimmt vor Männern,
Wie ein Weib, das froh sein will,
Dann verdreht der bittre Spötter
Dieser Unvermählten Absicht:
Schau, wer mit dem Weibsstück tuschelt,
Wer um Liebeslust sie bittet,
Wird gewiß sofort erhört,
Schnell ist sie bereit zur Liebe!
Sie begehrt gewiß sehr viele,
Hat schon manchen Mann gehabt,
Heute diesen, morgen jenen!
Ach das dulden alle Frauen,
Was der bittre Spötter spottet.
Wie soll aber eine Frau
Sich bewahren vor dem Spott,
Aber dennoch lustig leben?
Das erkläre mir, mein Freund,
Der du klug und weise bist!

Herrin, weise bin ich nicht,


Wie soll ich dir Antwort geben?
Aber ich will Antwort geben,
Wie ich eben es vermag.
Wie soll eine Dame leben?
Gott gab Güte ihr und Schönheit!
Hat sie einen guten Mann,
Soll sie gerne ihm gehorchen
Und befolgen seinen Willen.
Dieses wahrlich wär mein Rat.
Wenn sie gerne ihm gehorcht,
Wird der Mann ihr wohlgesinnt,
Daß er alles gerne tut,
Was sie irgend von ihm wünscht.
Beide haben dann viel Freude.
Gott gibt beiden, ihm und ihr,
Dann ein süßes Freudenleben
Und sie werden alt in Freuden.
Dieses Leben soll sie führen.
Werben aber andre Männer
Um die schöne gute Dame,
Soll sie keinen je erhören,
Hüten sich vor Ehebruch!
Bleibe sie dem Gatten treu,
Denn dann ist die Dame gut.
Was sie sonst an Freuden hat,
Das verwehrt kein edler Mann.
Lästert sie ein böser Kerl,
Soll sie gar nicht darauf achten.
Denn so sind nun mal die Bösen:
Was auch eine fromme Seele
Tut an Gutem und Erlaubtem,
Immer ärgert das die Bösen,
Gelb vor Neid ist ihre Galle.
Jene Dame, die geehrt
Wird von Tüchtigen und Guten,
Sollte einfach ignorieren,
Was ein Böser von ihr sagt.
Schlechte Leute sind nun so,
Daß sie stets die Frommen hassen.
Glaube mir, geliebte Herrin,
Wer gehasst wird von den Bösen,
Der hat guten Ruhm bei Gott!
Was der Fromme Gutes tut,
Das tut nimmerdar der Böse.
Was jedoch der Böse tut,
Finden Gute sicher hässlich.
Solche Grundverschiedenheit
Zwischen Licht und Finsternis
Gab der Herr in ihre Seelen.
Wenn ein Frommer einen rühmt,
Geht des Frommen Ehre über
Auf den vielgerühmten Menschen.
Wenn ein Böser einen lobt,
Dann hat jener schlecht gehandelt.
Lob vom Bösen ziemt der Frau nicht!
Lobt die Frau jedoch ein Frommer,
Wird sie immer Ehre haben.

Wo nun eine feine Dame


Fromm und gutaussehend ist,
Aber einen schlechten Mann hat,
Der ihr kein Vergnügen macht
Und dem sie nie recht tun kann
Und der ihr nie Freude gönnt
Und der nie um Ehre kämpft,
Solch ein schlechter Mann zerstört
Eine feine schöne Dame.
Solche tugendlosen Männer
Sind Ruin den frommen Frauen.
Wieviel Kummer sie verbreiten!
Die solch einen schlechten Mann hat,
Soll sich, wenn sie nicht um Gottes
Willen solches unterlässt,
Einen lieben Hausfreund nehmen,
Der die Frau zu schätzen weiß
Und die Freundschaft dieser Frau!
So entflieht ihr trüber Kummer
Und ihr Geist wird frohgemut!
Finde doch ihr Gatte Unglück,
Doch die Dame schenke Gunst
Dem, der das zu schätzen weiß!
Liebt der Hausfreund seine Freundin,
Wie man Frauen lieben soll,
Wird es beiden gut ergehen!
Solche Liebe kann man keiner
Schönen Frau zum Vorwurf machen.

Doch die Frau mit dem Geschick


Nach des bösen Teufels List,
Einen schlechten Mann zu haben,
Den man unrein nennen muß,
Wie kann solcher Frau es gutgehn?
Was er immer mit ihr anfängt,
Falsch sind alle seine Werke.
Liegt er neben ihr im Bett,
Ekelt sie sich vor dem Schmutz,
Weil er stinkt wie Mist und Kot.
Ach die ihn ertragen muß,
Hat kein Glück in ihrem Leben.
Er ist wie das Gift der Schlange,
All ihr Leben ist voll Trauer.
Doch sie sollte nicht verzweifeln,
Diese Welt ist voller Unglück!
Lieber sollte sie ihr Herz
Froh auf andre Weise machen
Und die Freude nicht verlieren.
Einen sollte sie sich wählen,
Den sie glücklich machen kann
Und der tut, was ihr gefällt,
Und der sich mit ganzem Herzen
Und mit ganzem Körper hingibt
Und sie mehr als alle andern
Frauen auf der Erde liebt
Und der ihr zu danken weiß
Alle Wonnen ihrer Liebe,
Alle Lüste ihrer Liebe,
Und der ihr zu danken weiß,
Daß sie ihm den Körper hingibt
Und die Ehre und das Leben
Und dass sie das alles tut
Aus der Reinheit ihrer Liebe,
Die ihm alle seine Wohltat
Mit so mancher Gunst belohnt
Und ihn schützt vor Traurigkeit.
Sei er dankbar, wie man sein soll,
Haben sie ein süßes Leben!
Er soll ihre Ehre hüten
Und soll lieber sterben wollen,
Als ihr etwas zu versprechen,
Was er gar nicht halten will!
Lieber soll er sterben als
Seine Herrin zu betrügen
Oder je sie anzuschwindeln.
Seine Liebe soll ihr Glück sein!
Wegen ihres Gatten aber
Soll sie auch nicht einen Tag
Auf den lieben Freund verzichten,
Lieber schimpfe sie dem Gatten!
Die den schlechten Gatten hat,
Möge meinen Rat befolgen,
Wie ich riet aus lauter Treue.

Und ein junges schönes Mädchen


Sollte allzeit glücklich sein,
Immer voller Lebensfreude,
Allezeit mit guter Laune,
Soll sie streben nach dem Guten,
Soll sie rein mit Anstand leben.
Also wird das Mädchen glücklich.
Nennt man gut das schöne Mädchen,
Wird ein Mann sie gerne nehmen.
Doch sie wird ihm nicht gefallen,
Wäre sie ein schlechtes Mädchen.
Wer nimmt dann sie noch zur Frau?
Wem wär solche Gattin recht?
Wenn sie schon als Mädchen oft
Zornig und rebellisch ist,
Wird sie nicht dem Mann gehorchen,
Sondern mit dem Gatten zanken.
Solch ein junges schönes Mädchen
Sollte stets nach Güte trachten
Und zum Guten alles wenden
Und nicht zanken mit dem Mann.
Freundlich soll das Mädchen sein
Und mit allem Anstand fröhlich,
Und so lang sie keinen Mann hat,
Soll gehorchen sie den Eltern.
Hat sie aber keine Eltern,
So gehorche sie Verwandten.
Sucht sie selbst sich einen Mann,
Wird sie sicherlich zuschanden.
Wenn sie selbst den Mann genommen,
Dann den Ehemann verlässt,
Wird sie später dies bereuen.
Besser meidet man das vorher.
Ist das Mädchen sittsam fröhlich
Und von guter heitrer Laune
Und benimmt sich fromm und höflich
Und ist freundlich, immer fröhlich,
Ja, dann rühmen sie die Frommen.
Nie verspottet sie der Weise.
Solchem jungen schönen Mädchen
Passt der Friede zu der Seele
Wie Rubin zum goldnen Ring.
Siehe, Gott besitzt nichts Schönres
Als die makellose Jungfrau!

Witwe oder Unvermählte,


Ist sie jung und ist sie schön,
Die hat doch ein schönes Leben,
Darf sich einen Mann erwählen
Wie es ihre Seele will.
Jede sollte ganz genau
Schauen, wem sie sich ergibt,
Wem sie ihre Freiheit schenkt,
Daß sie nicht nach ihrer Hochzeit
Leben muß im tiefsten Elend.
Nimmt sie sich den falschen Mann,
Wird’s ihr sicher schlecht ergehen,
Reue quält sie sicher bald
Und sie wird nicht wieder froh,
Wird nicht mehr zufrieden sein.
Gibt ein Weib sich eilig weg,
Gebe keinem sie die Schuld
Als sich selbst, der Sünderin,
Wenn sie sich verschwendet hat!
Sie ist schuld an ihrem Unglück
Und mit Recht plagt sie die Reue!
Selbst verschuldet, selbst gelitten,
So wird ihre Klage lauten,
Solche Worte bittrer Klage
Sind der Schatz dann ihres Herzens.
Weil sie allzu rasch geeilt,
Ihren Körper hinzugeben,
Darum wurde ihr der Schaden!
Sollte mich das denn verwundern,
Daß sie so sich hingegeben
Dem verkehrten Ehemanne,
Hätte sie doch haben können
Einen guten Ehemann!
Nun ist sie dem Mann verbunden,
Welcher gar nicht zu ihr passt,
Der ihr keine Freude gönnt.
Hätte sie doch den genommen,
Der ihr gönnt das wahre Glück
Und für Lust und Glück und Heil
Hätte alles hingegeben,
Körper, Seele, Herz und Leben!
Ja, von ganzem Herzen klagen
Muß ich über diese Frau,
Die sich einem Mann ergeben,
Der nicht wertschätzt ihre Seele
Und ihr keine Freude gönnt.
Weh, dass sie sich ihm ergeben,
Weh, dass sie ihm nahe ist,
Ach das tut mir gar zu weh!
Dieses Leben tut mir weh,
Weh mir die Erbärmlichkeit
Dieses Lebens, das sie führt,
Als sie so sich hingegeben.
Wehe, woran dachte sie,
Als sie sich dem Mann ergeben?
Damit meine ich die Witwen
Und die unvermählten Frauen,
Die sich selbst den Mann genommen.
Weh, dass nicht ihr Herz verstanden,
Wo ein guter Ehemann
Wär bereit für sie gewesen!
Über solche Herzenstorheit
Muß ich alle Tage klagen,
Bitter weinen in den Nächten!
Weh, die Leiden, wehe, wehe,
Daß die Frau mit diesem Mann,
Den sie selber sich genommen,
Leben muß ein schlechtes Leben.
Sie erwählte ihn zur Freude
Und verlor die Lebensfreude,
Sie verschwendet ihre Tage,
Das ist meine Jammerklage!
Liebe Frauen, denkt zuvor,
Eh ihr einen Mann euch nehmt,
Besser ist es, erst zu denken,
Nach dem Denken erst zu handeln.
Sonst wird plagen euch die Reue
Und verletzt wird eure Seele
Und verwundet sein von Schmerzen!

Und der Konkubine rat ich,


Daß sie mit charmantem Wesen
Und mit Zärtlichkeit gewinne
Alles, was sie haben möchte.
Da ihr Liebster nicht beständig,
Er sie früher oder später
Wieder fallen lassen wird,
Ihrer einfach sich entledigt,
Sollte sie ihn oft liebkosen,
Daß sie nicht sein Geld verliert,
Wenn er eine Neue nimmt.
Gut soll sie ihn stets behandeln
Und ihn bringen an den Punkt,
Da sie ihm so gut gefällt,
Daß er sie zum Weibe nimmt.
Doch will sie ihn nicht zum Gatten,
Nur Vergnügen mit ihm haben,
Soll sie ihm entgegenkommen
Mit verführerischem Charme.
Denn dann wird er sich bemühen,
Sei es morgens oder abends,
Sie mit Wollust zu beglücken.
Wenn sie es erreichen kann,
Einem so gut zu gefallen,
Daß er sie von Herzen liebt
Und sie ungern gehen lässt,
Wird sie andern Männern auch
Als Geliebte gut gefallen.
Das kann ihr dann wirklich nützen,
Wenn der Liebste sie verlässt
Und sie nicht mehr haben will.
Denn dann wirbt ein andrer Mann
Um die schöne Konkubine
Und behandelt sie so freundlich,
Daß er ihr sein Herz anbietet
Und sie glücklich machen will
Und ihr treu zur Seite stehen.
Ihm gefällt es, dass sie früher
Ihren Liebsten so geliebt,
Wie die Konkubine soll.
So gefällt sie ihm auch gut.
Wenn ich sie gewinnen kann
Zur Geliebten, denkt der Mann,
Werd ich schöne Tage haben
Und viel wonnesüße Nächte
Mit ihr in dem Bett genießen.
Diese Frau tut einem gut,
Denn sie macht es wirklich nett
Und man hat viel Spaß mit ihr.
Sie ist wirklich voller Güte
Und benimmt sich liebenswürdig.
Wenn ich sie gewinnen kann,
Werde ich glückselig werden.
So nutzt es der Konkubine
Und so ist es gut für sie,
Daß den Ersten sie geliebt.
Konkubinen sollten immer
Liebenswürdig und charmant sein
Und mit süßen Worten schmeicheln.
Immer sollte sie dem Liebsten
Solche Angebote machen,
Wie der Mann es gern sich wünscht,
Daß sie mit ihm zärtlich sei.
Manche Konkubine hat es
Schon mit ihrem Charme geschafft,
Daß auch selbst ein weiser Mann
Gar nicht anders kann, als ihr
Treu in Liebe beizustehen.
Deshalb rate ich von Herzen,
Ruhig mal charmant zu sein,
Charme wird immer nützlich sein,
Charme bringt ihnen Lebensfreude,
Charme bringt ihnen Liebeslust,
Charme bringt ihnen süßes Küssen,
Charme bringt manche Liebeskunst!
Aber jene Konkubine,
Die nicht mehr charmant sein will,
Wird von keinem Mann geliebt.

Freund, du hast mir gut erklärt,


Wie die Frauen lieben sollen.
Hoffentlich ists nicht zuviel,
Wenn ich dich jetzt mehr noch frage.
Was soll eine Dame tun,
Reich und schön und jugendlich,
Die hat einen schlechten Mann,
Der ihr keine Freude gönnt,
Die nun wegen seiner Bosheit
Oder wegen ihrer Leiden
Einen andern lieben will,
Daß sie sich an ihm erfreue,
Dem sie ihre Liebe will
Schenken, Schönheit, Leib und Leben,
Und den sie alleine will
Lieben ohne Hinterlist
Und von ganzem Herzen lieben?
Wo soll finden sie den Mann,
Den sie lieben kann und schätzen,
Der von reiner Absicht ist
Und ihr niemals untreu wird,
Der da schätzt an dieser Dame,
Daß sie will ihm ihre Liebe
Schenken, Schönheit, Leib und Leben,
Die ihm alles gerne tut,
Was er nur von ihr begehrt?
Sag, wo findet sie den Mann,
Der die Frauenseele schätzt?
Alle Männer schmeicheln gern,
Reden süß mit süßen Frauen.
Könnte man ins Herz nur schauen
Und die Absicht drin erblicken,
Fände so wohl eine Dame
Den gewissen Minnedieb!
Leider doch ist das nicht möglich,
Undurchschaubar sind die Herzen,
Frauen werden so betrogen
Und mit Lügen abgespeist.
Das ist leider die Gewohnheit
Aller Männer, dass sie Frauen
Leider gerne lügen an
Und betrügen sie mit Schmeicheln.
Wer am besten schmeicheln kann,
Der empfängt die meiste Ehre.
Das ist aber wirklich böse,
Wenn ein Weib verschenkt die Ehre
Und der Mann sie dann betrügt.
So beleidigt man die Frauen.
Jener, der die Frau betrügt,
Der ist ganz wie jener Judas,
Der mit einem Kuß verraten
Seinen Herrn Messias Jesus!
Wie kann man so untreu sein
Gegenüber einer Liebe,
Die auf Treue sich verlässt?
Wenn die Frauen Männer fänden,
Die in Treue lieben können,
Würde unser Liebesleben
Wunderbare Wonne sein!
Sag mir, Freund, wie wir die Guten
Und die Treugesinnten finden.
Sags um deiner Weisheit willen!

Herrin, wäre ich so weise


Und besäße solche Einsicht,
Wie ich leider klug nicht bin,
Zeigte ich dir jene Männer,
Die die Frauen wählen sollen.
Ich bin ja ein Freund der Frauen,
Stets bereiter Frauenknecht.
Alle Leiden lieber Frauen
Sind auch meine eignen Leiden,
Ihre Freude meine Freude.
So bin ich nun mal zu Frauen.
Dir nun nenne ich die Männer,
Die die Frauen nehmen können.
Eine Frau kann sich ergeben
Jenem, dessen Absicht rein ist,
Der nicht Gottvergessner ist,
Jederzeit das Beste tut.
Aber jener Mann, der schon
Oft gebrochen hat die Treue,
Jenen wähle nicht die Frau,
Sondern die sich auf ihn einlässt,
Geht aus eigner Schuld zugrunde,
Weil der Mann nicht treu sein kann.
Wer schon früher brach die Treue,
Ists nicht wert, dass eine Frau
Ihm die Ehre überlässt.
Nicht vertraut die Frauenehre
Einem ehrvergessnen Mann
Und erfüllt doch nicht so schnell
Eines Treuelosen Willen.
Wer den Willen schnell erfüllt
Eines, der die Treue bricht,
Der erlebt auch schnell das Unglück,
Dieses Unglück ist kein Unrecht.
Wenn die Frau von einem hört,
Der schon oft die Treue brach,
Wenn sie diesem Mann vertraut,
Kann ihr nicht geholfen werden,
Wenn sie dem die Ehre hingibt,
Der ein Lügner und Betrüger.
Findet sie ein Wohlgefallen
Aber an dem schlechten Mann,
Ob sie auch schon oft gehört
Von des Mannes Schlechtigkeit,
So erfährt sie nichts als Kummer!
Daran ist sie selber schuld,
Denn verlässt sie sich auf ihn,
Wird sie später dies bereuen.
Den Betrüger sollte sie
Ziehen lassen in die Weite
Und sich jede Mühe geben,
Vorm Betrüger sich zu schützen,
Ob er schmeichelt auch und heuchelt.
Um charakterlose Kerle
Sollte sie sich gar nicht kümmern.
Wenn sie jenem Ehre schenkt,
Welcher keine Ehre kennt,
Wird sie noch zugrunde gehen
Und man redet über sie.
Da die weisen Männer doch
Öffentlich verkündet haben,
Daß sie jenen Mann nicht mögen,
Er sei Lügner und Betrüger,
Keiner könne ihm vertrauen,
Wenn trotz dieses Winks der Weisen
Eine Frau sich jenem hingibt,
Wenn sie dann ins Elend stürzt,
Dann kann ich sie nicht bedauern.

Frauen sollten aber auch


Jene Männer klüglich meiden,
Die vor allen andern Dingen
Lieben allzu sehr den Wein!
Wie kann solch ein trunkner Zecher
Guter Freund von Frauen sein?
Ach das sag ich ohne Scherz:
Solche lieben mehr den Wein
Als die Dame und die Gottheit!
Solche Schelme, solche Schurken
Sollten Frauen nicht beachten.
Lasst sie mit dem Wein allein,
Habt mit ihnen nichts zu tun.
Aber jene Männer auch,
Die noch mehr als reine Frauen
Lieben es, zur Jagd zu gehen,
Meidet solche, liebe Frauen.
Lasst den Jäger bei den Hunden,
Lasst ihn ziehen auf die Jagd.
Da die Jagd ihm gut gefällt,
Wird er niemals glücklich sein
Außer wenn die Hunde bellen.
Soll er seine Zeit vertreiben
Doch mit dem Gebell der Hunde.
Lieben Frauen rate ich:
Lasst den Jäger lieber ziehen,
Schützt euch gut vor seiner Lust.
Doch ich meine nicht die Jäger,
Die zum Zeitvertreibe jagen,
Sondern meine jenen Jäger,
Der nichts andres kann als jagen,
Frauen, lasst den Jäger jagen!
Dem nichts anderes gefällt
Und nichts andres Freude macht
Als die Jagd, der möge jagen,
Allzeit jagen, ewig jagen,
Jagend seine Zeit verschwenden.
Denn das kann ich nicht verstehen,
Liebt ein Mann das Jagen mehr
Als ein wunderschönes Weib
Liebend an den Leib zu drücken,
Mit ihr Wonnen zu genießen,
Bis die Sonne wieder scheint.
Männer gehen auf die Jagd,
Um vom Geld nichts abzugeben.
Denn sie jagen gern allein,
Nur um Brot und Wein zu sparen,
Nur um teilen nicht zu müssen,
Aber das ist doch erbärmlich.
Wollten sie aus Freude jagen,
Nähmen sie die Freunde mit,
Mit den Freunden froh zu sein.
Dann wohl wollt ich ihnen glauben,
Daß sie fröhlich macht die Jagd.
Aber lassen wir sie jagen,
Frauen aber sollten sich
Klüglich schützen vor dem Jäger,
Klüglich schützen vor dem Trinker.
Frauen, lasst den Trinker ziehen,
Wie ihr lasst den Jäger ziehen.
Denn der Jäger und der Trinker,
Beide lieben nicht die Frauen.
Andre Freuden haben sie.

Herrin, möchtest du erkennen


Jene Männer, die euch ganz
Treu sind allezeit ergeben,
Deren Freude ganz und gar
Abhängt nur von eurem Lächeln?
Jene sind die Frommen, Reinen,
Die verwirklichen die Tugend,
Diese lieben schöne Frauen
Mehr noch als die eigne Seele
Und die glücklich sind allein
Durch die Gnade lieber Frauen,
Denen nichts auf Erden wohltut
Wie die Güte süßer Frauen,
Deren Wesen und Betragen
Gut wird durch die Huld der Frauen,
Die von Herzen selig sind,
Schöne Frauen anzuschauen,
Denen eines Weibes Lächeln
Tröstung spendet in der Seele,
Daß sie froh und freudig werden,
Denen ihr in ihren Herzen
Solche Schmerzen stets bereitet,
Solche Leiden, solchen Kummer,
Welche dennoch stets bereit,
Frauen allezeit zu dienen
Unerschütterlich getreu,
Deren Herz und Sinn und Trachten
Ganz auf eure Gunst gerichtet,
Wie sie die erwerben können,
Die euch Leib und Seele schenken,
Die für euch nur leben wollen
Und für niemand sonst auf Erden,
Die sich immer in der Wahrheit
Sehnen sehr nach eurer Liebe,
Ohne Lug und Trug und Falschheit
Achten euch und lieben euch,
So gesinnt sind in dem Geist,
Daß nichts ihnen so gefällt
Wie die Gnade einer Frau,
Die da ihren Liebeskummer
Stillt und heilt mit ihrer Liebe,
Ihre Lust mit Lust versüßt,
Jene, die mit Herz und Mund
Stets der Frauen Lob vermehren,
Froh sind über Frauenehre
Und den Ruhm der Frau vermehren
Und in Treue sie verehren.
Ist ein Mann, der Frauen schmäht,
Wird er von den reinen Männern
Ganz gemieden und verachtet,
Sie entziehen ihm die Freundschaft,
Wegen seines Weiberhasses
Werden ihn die Guten hassen.
Ja, ich kenne manchen Mann,
Der nichts lieber hat auf Erden
Als die Schönheit einer Frau.
Das beschwöre ich bei Gott
Und bei meinem Seelenheil!
Mancher Mann verehrt die Frauen,
Daß er lieber sterben will,
Als dass eine liebe Frau
Unheil leiden muß durch ihn.
Leider leiden Frauen Unheil,
Deren Freunde dumme Kerle.
Doch ein guter Mann, ein reiner,
Kümmert mehr sich um die Frau
Als um seine eigne Seele.
Wenn sie sich ihm hingegeben
Und er dankt ihr Leib und Liebe,
Doch verlör sie ihre Ehre
Durch den Fehltritt jenes Mannes,
Wär er besser ungeboren!
Mann und Frau verachten ihn.
Nimmt jedoch ein dummer Kerl
Keine Rücksicht auf die Frau,
Das ist dann fürwahr ein Unglück.
Gebe keine Frau sich hin
Einem andern als dem Guten,
Der am Morgen und am Abend,
An dem Mittag, in der Nacht
Allzeit an sie denken muß
Und sich zärtlich um sie kümmert.
Mehr als einen solcher Männer
Kenne ich, geliebte Herrin,
Diese Männer sind so männlich,
Daß sie Rücksicht nehmen können,
Allzeit dienen sie den Frauen,
Ihre ganze Freude hängt
Von der Frauen Gnade ab
Und von keinem andern sonst.
Gott begnade diese Männer!
Willst du solchen kennen, Herrin,
Nenne ich ihn dir mit Namen.

Freund, so nenne mir die Männer,


Daß ich sie erkennen kann,
So tust du mir einen Dienst.
Wollte Gott, ich wüsste Männer,
Die noch huldigen den Frauen,
Ihnen ihre Lust vermehren!
Diese benedeiten Männer
Lacht ich gerne liebreich an.
Wenn sie wirklich schöne Frauen
Schauten an als wie ein Wunder,
Sollte man die Pilgerwege,
Die sie pilgern zu den Frauen,
Mit den besten Worten segnen.
Treulich würden wir empfangen
Diese Männer, die besondern.
Doch du kennst gewiß nicht viele,
Ob du das auch grad behauptet.
Ehrlich sag ich dir, mein Freund,
Solchen Mann sah ich noch nie.
Würd ich einen solchen sehen,
Der die reinen schönen Frauen
Höher achtet als sich selber,
Würfe ich mich ihm zu Füßen.
Alle Ehre gäb ich ihm,
Die ich nur mit reinem Herzen
Einem Manne geben könnte,
Freundlich würde ich ihn grüßen
Mit der Lippen süßem Lächeln!
Ließe Gott mich einen sehen,
Das wär eine große Liebe,
Solchen liebevollen Mann
Schaut ich an als einen Engel.
Wenn ihn Frauen recht erkennen,
Werden sie ihn sehr verehren,
Als Belohnung er empfängt
Einen liebevollen Gruß.
Man soll sich vor ihm verneigen
Und mit Lichtglanz offner Augen
Und mit Lachen ihn begrüßen.
Grüßen soll aus tiefstem Herzen
Ihn so mancher rote Mund.
Tut nur immer, was er will,
Frauen, wenig oder viel,
Alles soll man ihm gewähren,
Alles darf der Mann begehren!
Jenen aber lieb ich nicht,
Der den Frauen eklig ist.
Zeig mir einen guten Mann,
Lieber Freund, das lohn ich dir
Mit der Treue meiner Freundschaft!

Herrin, Lohn willst du mir geben,


Mir ergeben willst du sein,
Wenn ich einen Mann dir zeige,
Einen jener reinen Männer?
Diesen Lohn will ich verdienen.
Jene Männer will ich nennen,
Daß du sie erkennen sollst.
Diesen Männern tut nichts wohl
Als die Liebe einer Frau,
Niemals tun sie etwas Böses
Und riskieren selbst ihr Leben
Für die reinen schönen Damen.
Rittertaten sie vollbringen,
Geben alle Lebenskraft
Und das Eigentum ganz hin.
Jeder tut das Beste nur,
Tut das Beste, was er kann,
Daß ihn schätzen schöne Frauen
Und die Frauen ihn belohnen,
Wie die schöne Frau zu Recht
Einen Freund belohnen soll,
Der den Lohn von ihr verdient.
Lieber bleibt er unbefriedigt
Als den Lohn von andern Frauen
Zu empfangen als der Einen!
Er lebt nur für ihren Dienst
Und ergibt sich ihr vollkommen
Und ergibt ihr all sein Leben
Und begehrt nur ihre Liebe
Ohne Falsch und Wankelmut.
Der verdient den Lohn der Frauen.
Tag und Nacht und alle Zeit
Ringt mit allen seinen Kräften
Er nur nach der Gunst der Frau,
Was er kann und wie er kann
Und er ist stets treu gesinnt.
Bäte ihn ein andres Weib,
Ihre Liebe anzunehmen,
Wäre ihm das gar nicht recht.
Eine will er nur allein
Immer achten, ewig lieben
Und nur um der Einen willen
Ehrt er alle lieben Frauen.
Möge ihm gewogen sein
Seine Herzenskönigin!
Ist ihm doch an ihrer Gnade
In der Welt allein gelegen.
Möge er ihr zeigen dürfen,
Wie er jeden Tag begehrt,
Jede Nacht, nur ihre Liebe,
Ob er lache, ob er weine,
Ob er jammre oder klage,
Keine bringt ihn davon ab.
Oftmals wagt er Rittertaten,
Denn so will er seiner Herrin,
Seiner Lieben Frau, beweisen,
Wie sie ihm vor allen lieb ist,
Und wie alles, was er ist,
Und wie alles, was er hat,
Nur von der Geliebten abhängt,
Daß er alles ihr gegeben,
Daß er ringt um ihre Gunst
Wie ein Minner, der an Lohn denkt,
Um den Minnelohn der Herrin,
Daß sie ihren süßen Leib
Ihm in süßer Liebe schenke,
Daß will ewig er ihr danken!
Möge sie glückselig sein!
Ja, das wünsch ich, liebe Herrin:
Mögest du glückselig sein!

Herrin, was ist mit den Männern,


Die betrügen mit den Worten?
Solch ein Lügner sei dir nichts,
Den gebrauche nicht als Freund.
Solche dienen nur mit Worten.
Ihr Betrügen und ihr Spotten
Und ihr Wanken und ihr Lügen
Und die ungetreue Art
Bringen manchem Weibe Reue.
Dafür sollen jene leiden.
Niemals geh sie zu den Männern,
Die verlästern liebe Frauen.
Gerne will ich dir sie nennen,
Du kannst einfach sie erkennen,
Sie sind bitterböse Spötter.
Ihnen sind egal die Frauen,
Niemals sagen sie was Liebes.
Diese kränken oft die Frauen
Und vergrößern noch mit Worten
Jeden kleinen Fehl der Frauen.
Nein, sie leben nicht wie Ritter
Und sie dienen nicht den Damen
Und sie sind auch nicht voll Freude.
Sie verschwenden Geld und Leben
Zu der eignen Schmach und Schande.
Solche werden niemals froh.
Lieber schlafen sie bis mittags.
Heuchler sind sie und Betrüger
Und sie kennen viele Märchen,
Sie den Frauen zu erzählen,
Um sich so Liebkind zu machen,
Daß die Frauen liebreich lächeln.
Alles nur mit Hinterlist,
Denn wenn Frauen irgend irren,
Dann erzählen sie es weiter
Und beleidigen die Frauen.
Was die Frau in Einfalt tat,
Das verdrehen diese Spötter.
Diese Spötter sind erbärmlich
Und beleidigen die Frauen
Und verkehren voller Bosheit,
Was die Frau aus Liebe tat.
Scheinbar dienen sie den Frauen,
Heimlich aber freun sie sich
Über weibliche Gebrechen.
Schlecht sind sie in ihrem Herzen.
Wo man Frauenwürde lobt
Und den Genius der Frauen,
Da verstummen diese Spötter.
Solche loben nicht die Frauen,
Sondern schlafen lieber lang.
Was den Frauen Ehre bringt,
Schafft den bittern Spöttern Leid.
Wenn man gut von Frauen spricht,
Wie man allzeit sprechen soll,
Sitzt ein Spötter dann dabei,
Schwitzt er Wasser aus vor Qual
Und erzählt ein andres Märchen,
Wovon keusche Menschen schweigen.
Hat ein Weib sich je geirrt,
Breitet das der Spötter aus.
Handelt eine Dame gut,
Weiß der Spötter nichts zu sagen.
Spötter kränken liebe Frauen
Und verdrehen ihre Worte
Und verhöhnen ihre Ehre.
Gerne spricht der Spötter so:
Die hat dies und das getan.
Und er tadelt an ihr dieses
Und er tadelt an ihr jenes,
Tadelt, er weiß selbst nicht was,
Macht es aller Welt bekannt,
Daß er Frauen nicht verehrt
Und dass keine Frau ihn liebt.
So erkennen reine Frauen
Jene Lästerer und Spötter,
Die verletzen keuschen Anstand
Und beleidigen die Frauen.
Denn an eines Mannes Worten
Sieht man, was im Herzen ist.

So erkennst du auch die Reinen,


Die getreu die Frauen lieben,
Die wirst du daran erkennen,
Daß sie euch verklären, rühmen,
Nichts mehr lieben auf der Erde
Als das Loben lieber Frauen,
Lob zu sagen, Lob zu singen,
Von der Frauenwürde redend
Und das Frauenlob verbreitend,
Freudig sind sie, euch zu rühmen.
Diese dienen so und so
Allezeit den Frauen gerne.
Der euch treu ergeben ist
Und erzählt von eurem Ruhm
Und euch rühmend Lieder singt
Und die Ehre nie verschweigt,
Den macht froh das Frauenlob.
Deshalb sollte jede Frau
Alles ganz genau studieren
Und nach dem Charakter fragen
Jener Männer, die sie loben.
Die ist weise, die das tut.
Durch das Studium erkennst du
Jene Männer, die ihr Leben,
Ihren Geist und ihre Liebe
Lieben Frauen ganz gewidmet.
Hört sie dann von einem Manne,
Der das Frauenlob vermehrt
Und die Frauen herrlich feiert
Und ihr Seelenheil verlangt,
Der kann Frauenwürde schützen
Und gönnt Frauen ihre Ehre.
Ist ein Edler so gesinnt,
Daß er Gut und Körper hingibt,
Wenn ein Weib ihm Liebe spendet,
Wird die Dame nicht zuschanden,
Er behütet ihre Ehre.
Wer den lieben Frauen dient
Als ein Ritter und gewappnet,
Der begehrt zu Recht die Liebe.
Dem soll eine liebe Frau
Gerne ihre Liebe schenken.
Er wird alles unterlassen,
Was der Welt verkünden könnte,
Daß er nur der Einen Liebe
Ganzhingabe sich erfleht!
Ließe sie ihn unbelohnt,
Wird er doch nicht wankelmütig,
Sagt auch keinem ihren Namen,
Dieser femininen Dame
Namen macht er nicht bekannt.
Den kann ruhig eine liebe
Frau zum Minnesklaven nehmen
Und ihm Traurigkeit ersparen,
Ohne etwas zu riskieren.
Der, der heimlich lieben kann,
Dienen kann und ehren kann,
Dem kann eine Frau vertrauen.
Frauenfreunden steht die Treue.
Tätig soll man Frauen dienen.
Schändlich ist ein Ungetreuer,
Welcher viel Affären hat
Wie ein loses leichtes Weib.
Heute will er diese minnen,
Morgen will er jene minnen,
Wahre Liebe kennt er nicht.
Welcher viel Affären hat,
Ist ein übler Minnedieb.
Hat ein Mann gern viele Weiber,
Sollen ihn die Damen meiden.
Die französischen Geliebten
Duldet ja kein frommer Ritter.
Wahrlich, einen Ritter kenn ich,
Der zehn Jahre ohne Frau blieb
Lieber, als dass er ein Weib nimmt,
Die sich jedem Hunde hingibt,
Der doch jeden Tag und Stunde
Einer reinen Dame diente,
Hoffend nur auf ihre Huld.
Ja, so sind die edlen Männer.
Wenn ihm seine Herrin auch
Keine Liebesgunst gewährte,
Wählt er doch nicht andre Weiber.
Kann er seine Frau erobern,
Wird im Manne und im Weibe
Herzensliebe eingeschlossen
Und verriegelt und versiegelt,
Niemals kommt sie da heraus.
Ob ihr Liebes nur geschieht
Oder nichts als Ach und Weh,
Ob ihr noch so elend ist,
Liebe nicht verlässt das ihre.
Nur von treuen Männern sollen
Treue Fraun sich lieben lassen,
Und ein treuer Mann allein
Darf die treue Dame lieben.
Liebe bleibe in dem Herzen,
Treue nur schafft Herzenstrost.
Ach, so liebe doch die Frau
Ihren vielgetreuen Minner!

Nun zuende ist gedichtet


Dieses Buch zum Ruhm der Frau.
Meine Herrin fand Gefallen
Und sie gab als Minnelohn
Unsres deutschen Dichterfürsten
Lieblingsspeise mir zur Speise,
Meiner Herrin Minnelohn
War mir eine Himmelsspeise!
Meiner Herrin will ich dienen
Bis zu ihrer Todesstunde,
Will als Minneritter dienen.
Sie ist reich an frommer Tugend,
O so süß und o so gut!
Mir ist selig, ihr zu dienen!
Ja das sag ich in der Wahrheit,
Fröhlich werde ich durch sie,
Wenn sie mich nicht traurig macht...
Sie alleine kann mich trösten,
Ihretwegen bin ich traurig,
Ich bin ewig so glückselig
Und bin allezeit verzweifelt!
Wüsste sie von meinen Schmerzen,
Meinen Leiden, meinem Jammer,
Wie die Seele überströmt
Ist vom Blut der Herzenstränen
Und mein Herz verwundet ist
Von den sieben Minneschwertern,
Die ich ihretwillen trage,
Wenn sie sähe dies mein Kreuz,
Würde sie doch sicher weinen,
Weil sie so barmherzig ist
Und sie würde mich erlösen
Bald von meines Leibes Leiden!
Sie ist eine Liebe Frau
Und so voller Frömmigkeit,
Wüsste sie von meiner Liebe,
Würde sie gewiß mir nicht
Ihre Freundschaft vorenthalten,
Ihre feminine Güte.
Jesus Christus, Jesus Christus,
Wie soll ich in meinem Elend,
Wie soll ich in der Verzweiflung
Meines tödlich-wehen Jammers
Ihr von meiner Liebe sagen,
Von der Treue meiner Liebe,
Die trotz aller meiner Bitten
Zu dem Thron der Gnade Gottes
Stets mir blieb in meinem Herzen!
O wie innig ich sie liebe,
Wie soll sie das je begreifen?
Dazu brauch ich Gottes Weisheit!
Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll,
Als in Minne ihr zu dienen.
Also sag ich ohne Spott:
Lieber Gott, mein lieber Gott,
Ich vertrau dir an die Frau,
Meine Herrin und Geliebte
Weih ich deinem reinen Herzen,
Ihren Leib und ihre Seele,
Weihe deinem reinen Herzen
Ewig all ihr Seelenheil,
Jesus Christus, Jesus Christus!
Gib ihr, Jesus, solchen Geist,
Daß sie weiß, wie ich sie liebe,
Allzeit liebe, ewig liebe,
Jesus Christus, Jesus Christus!
O die Süße, o die Schöne,
O die Fromme, o die Liebe!
Jesus tröste ihre Trauer,
Reine, Liebe, Süße, Schöne!
Göttin ewiglicher Wonnen!
Gott, mein ganzes Leben lang
Werde ich die Liebe Frau
Lieben, wenn es Jesus will!
Und so weih ich meine Liebe
Unsrer Lieben Frau Maria!

PLATONISCHE KNABENLIEBE

Soll man lieber Menschen haben,


Die nicht lieben, nicht verliebt sind,
Weil sie nüchtern sind und sachlich,
Nicht wie Liebende wahnsinnig?

Ist der Wahnsinn denn ein Übel?


Großes doch entsteht aus Wahnsinn!
Die Prophetinnen zu Delphi
Prophezeiten doch im Wahnsinn,

Die Sibylle prophezeite


Das Zukünftige im Wahnsinn.
Früher reimte man den Wahnsinn
Auf den weisheitsvollen Wahrsinn.

Göttlich ist der Wahnsinn, größer


Als das menschliche Verstehen.
Der Poet auch lebt im Wahnsinn,
Wenn ihn küsst die Göttin Muse.

Eine zarte Seele, eine


Heilige, geschonte Seele
Bricht hervor in Festgesänge,
Singt den Lobpreis weiser Väter,

Singt die Heiligen, die Helden.


Wer betritt der Dichtkunst Tempel
Ohne Wahnsinn von den Musen,
Ist ein ungeweihter Schwätzer.

Eines Mannes des Verstandes


Kluge Dichtung wird verdunkelt
Von prophetischen Gesängen
Des wahnsinnigen Poeten.

Darum möchte ich behaupten:


Von den Göttern kommt der Wahnsinn
Zur Glückseligkeit und Wonne
Der Begeisterten im Wahnsinn.

Die Verständigen und Klugen


Werden dieses nie begreifen,
Doch die eingeweihten Weisen
Danken für der Götter Wahnsinn.

Psyche wahrlich ist unsterblich!


Unentstanden ist der Anfang,
Alles ist aus ihm entstanden,
Er allein ist nicht entstanden.

Da der Anfang unentstanden,


Ist der Anfang unvergänglich.
Anfang aller der Bewegung,
Dieser selbst ist nicht beweglich.

Dieser kann nicht untergehen


Oder Himmel und die Erde
Müssten augenblicks vergehen,
Würden nicht erneut entstehen.
Körper, die bewegt von außen
Werden, sind die unbeseelten.
Der Bewegung in sich selbst hat,
Ist beseelt, bewegt von Seele.

Ist die Seele nun das Leben,


Des beseelten Körpers Leben,
Bleibt sie Leben, also ist die
Seele immerdar unsterblich.

Schau dir an die schöne Psyche,


Wie zwei Rossen gleicht die Psyche,
Über diese Rosse siehe,
Wie die Führerin Vernunft ist.

Nun, das eine Ross der Götter


Waltet in dem ganzen Himmel
Gut und edel, doch das andre
Ross des Fleisches ist verderblich.

Nun, das Göttliche der Psyche


Waltet in dem ganzen Himmel
Und erscheint verschiedner Weise,
Hier und dort sehr schön gestaltet.

Diese Göttlichkeit der Psyche


Schwebt umher mit lichten Flügeln.
Doch die flügellose Psyche
Sich verbindet mit dem Fleische.

Diese flügellose Psyche


Nun belebt den Erdenkörper.
Leib und Seele nun zusammen
Bilden Menschen, Tieren ähnlich.

Die wir Gott noch nicht gesehen,


Denken, der beseelte Tiermensch
Sei geeint aus Leib und Seele
Und unsterblich sei die Seele.

Warum aber hat die Psyche


Ihre Flügel denn verloren?
Warum steht denn Psyche nackend
Ohne Federkleid der Flügel?

Doch die Kraft der Flügel Psyches


Hebt das Schwere in die Höhe,
In der Himmelsgötter Höhe,
Weil sie ähnlich ist der Gottheit.

Denn das Göttliche ist Schönheit,


Gott ist Weisheit, Gott ist Liebe,
Seelennahrung für die Seele,
Die verbraucht wird durch das Böse.

Doch den Ort des Überhimmels


Hat kein Dichter je besungen,
Wie er ist, das ist nicht möglich,
Keinem menschlichen Poeten.

Zeuge bin ich für die Wahrheit,


Ich bekenne mich zur Wahrheit.
Ewigseiend ist das Wesen,
Das im Himmel die Vernunft schaut.

Farblos und gestaltlos ist es,


Wahrhaft seiend ist das Wesen.
Die Vernunft, die führt die Seele,
Schaut es in dem Bund der Weisheit.

O so freuen sich die Seelen,


Gottheit wieder mal zu schauen!
So beschauen sie die Weisheit,
Freuen sich an ihrem Wohlsein!

In des Himmels Höhe schauen


Die Gerechtigkeit die Seelen,
Die Besonnenheit, die Klugheit,
Reinheit schauen reine Seelen.

Wenn die Seele in dem Himmel


Schaute Gottheit ewigseiend,
So erquickt sie die Beschauung,
Kehrt erquickt zur Erde wieder.

Darum auch der Psyche Eifer,


Das Gefilde schöner Weisheit
Immer wieder anzuschauen,
Denn sie stammt von jener Weide.

Und der schönen Psyche Flügel


Speisen von der Seelennahrung
Göttlicher Beschauung, Psyche
Nährt sich von der Himmelsspeise.

Das Gesetz der Weisheit aber


Ist es, dass die schöne Psyche
Als geliebte Freundin Gottes
Ruhe still in der Beschauung.

Muß sie dann zurück zur Erde,


Wird die Psyche, die am tiefsten
Sah in das Geheimnis Gottes,
Eingehn in den Philosophen,

Eingehn in den wahren Dichter


Oder einen Minnediener.
Andre Seelen aber kehren
Ein in die Familienväter.

Blinde Seelen aber kehren


Ein in dumme Schreiberlinge.
Alle andern Seelen werden
Zu Proleten oder Bauern.

Zu dem himmlischen Gefilde


Will die schöne Psyche wieder,
So befiedert sich die Psyche
In dem wahren Philosophen.

Denn ein Mann, der Philosoph war


Und die schönen Knaben liebte
(Aber nicht nach Art der Sünder
In der Unnatur der Unzucht)

Dem befiedert sich die Psyche


Und sie kehrt zum Überhimmel.
Alle andren Seelen aber
Treten vors Gericht der Götter.

Und die Bösen kehren drunten


In den Zuchtort ihrer Sünden
Und die Guten kehren droben
In den Himmel ihrer Liebe.

Psyche will sich ja erinnern


An die Schau des Götterhimmels,
Sie betrachtet nicht, was Narren
Auf der Erde seiend nennen,

Sondern was die Weisen nennen


In dem Himmel wahrhaft seiend.
So des Philosophen Psyche
Wird am meisten dort befiedert,

Denn der Philosoph erkannte


Schon die Eitelkeit der Erde
Und das Seiende der Gottheit
Ewig in dem Überhimmel.

Darum auch die Philosophen


Auf der Erde sich enthalten
Fleisch und Welt und allem Bösen,
Schauen nur die Schönheit Gottes.
Darum nennen alle Leute
Diese Weisen arme Narren,
Denn sie leben wie im Wahnsinn,
Aber in dem Wahnsinn Gottes.

Schaut ein Mann nun eine Schönheit,


Eine Schönheit auf der Erde,
So erinnert sich die Psyche
An die Schönheit in dem Himmel

Und der schönen Psyche wachsen


Neu befiedert wieder Flügel,
Sie versucht zu fliegen, flattert,
Schwebt ein wenig in den Äther,

Taumelt trunken in den Lüften.


Von der flatterhaften Psyche
Sagen dann die klugen Leute,
Psyche sei verrückt geworden.

Doch des Liebenden Verrücktheit


Ist der Wahnsinn großer Liebe.
Dessen Seele liebt im Wahnsinn,
Wird zu Recht genannt ein Minner.

Aber bei der Erdenschönheit


Sich im Geiste zu erinnern
An die Himmelsschönheit Gottes,
Ist nicht jedermann gegeben.

Wenige auf Erden lieben


So gewaltig, sich erinnernd
An die Schau der Schönheit Gottes.
Deren Psyche wird befiedert.

Diese, schauen sie auf Erden


Nun das Ebenbild der Gottheit,
Schönheit von der Schönheit Gottes,
In Verzückung trunken jubeln!

Denn die Schönheit in den Himmeln


War glückselig anzuschauen,
Wo sie als die Braut des Höchsten
Strahlte auf im Götterhimmel.

Selig, wer im Himmelreiche


Eingeweiht in das Geheimnis
Idealer Schönheit Gottes,
Eingeweiht in das Geheimnis

Unbefleckter, makelloser,
Ganz perfekter Himmelsschönheit,
Schauend in den Spiegel Gottes
Minner ward der Makellosen!

Was die Schönheit also angeht,


Nun, sie glänzte schon im Himmel.
Wir sind aber auf der Erde,
Schauten sie mit unsern Augen.

Geistig rein sind unsre Augen,


Schönes hören unsre Ohren.
Doch gefühlt nicht noch gerochen
Noch geschmeckt ward diese Schönheit.

Wenn wir gar Sophia schauten,


Göttin Hagia Sophia,
O, sie würde Liebe wecken,
Wenn sie unsre Augen schauten!

O der auch die Schöne Liebe!


O die Göttin Schöne Liebe!
Wenn wir sie entschleiert schauten,
O wie würden wir sie lieben!

Und nun schauen wir die Schönheit,


Uns zuteil ward Schau der Schönheit,
Voller Gloria und Lichtglanz,
Voller Anmut, Charme und Liebreiz!

Aber wer sich nicht erinnert


An der Schönheit Himmelsursprung
Oder schon vom Fleisch verdorben
Durch die Sünde ist der Unzucht,

Der will voll Begier vermischen


Fleisch mit Fleisch, das Weib dem Manne,
Oder gegen die Natur gar
Einen Mann mit einem Knaben,

Ekelhaft ist diese Sünde!


Doch so sind nicht die Geweihten!
Wer die Weihe lebt, die Weihe
An die unbefleckte Schönheit

Und die Himmlischen gestaltet


Schaut verkörpert auf der Erde,
Wenn er schaut ein junges Mädchen,
Welche schön wie eine Göttin,

Einen Körper schön gestaltet,


Höchste Schönheit präsentierend,
Schaudert er vor ihrer Schönheit
In geheimnisvoller Ehrfurcht.
Doch dann betet er das schöne
Mädchen an wie eine Göttin,
Stellt sie auf den Marmorsockel
Als ein Bild der Aphrodite!

Ja, er fürchtet nicht die Reden


Kluger Leute, die ihn lästern,
Der Verliebte sei wahnsinnig,
Sei verrückt vor lauter Liebe,

Sondern Opfer bringt der Minner


Auf dem Hochaltar der Minne
Seiner schönen Aphrodite,
Opfert ihr das Blut des Herzens.

Fieber überfällt ihn, schwitzend


Überströmt ihn Liebeshitze
Und er glüht vor Lustverlangen
In der Liebeswonne Feuer!

Seine Augen trinken Schönheit,


Reiner Schönheit lichten Ausfluss
Trinken gierig seine Augen,
Ihn erwärmt die schwüle Wollust!

Seiner Psyche Flügel heben


Sich als strahlendes Gefieder,
Alles drängt zum freien Aufbruch.
Seelen gleichen Schmetterlingen.

Nun bei der verliebten Psyche


Alles ist ein großer Aufbruch,
Wie der ersten Zähne Zahnen
Bei dem vielgeliebten Kindlein.

Und es fühlt die schöne Psyche,


Wie die Flügel sich entfalten
Und dies Keimen und dies Sprießen
Ihr verursacht süßes Jucken.

Dieses Jucken, dieses Kitzeln


Ist Entfaltung ihrer Flügel.
Sieht sie nun den schönen Knaben
Und den Ausfluss seiner Schönheit,

All den Liebreiz reiner Schönheit,


Die man Reize nennt der Schönheit,
Wird sie von dem Reiz befruchtet
Und erwärmt vom süßen Liebreiz.

Diese Schönheit dieses Knaben


Lindert nun der Psyche Schmerzen.
Schaut sie ihn, so ist sie fröhlich!
Ist sie fern, so ist sie traurig!

Ist sie fern vom lieben Knaben,


Quält sie sich mit Angst und Bangen.
Doch in den Erinnerungen
Freut sie sich in ihrem Geiste.

Denkt sie an den lieben Knaben,


Sich erinnernd an den Schönen,
So frohlockt die Psyche, jubelt
Über seine Knabenschönheit.

Diese Mischung der Gefühle


Aus verängstigter Verzagtheit
Und aus jubelndem Frohlocken
Macht den Wahnsinn aus der Psyche.

Und im Wahnsinn voller Sehnsucht


Denkt sie an den Ort, die Stunde,
Da sie wieder sieht den Knaben,
Wieder sättigt sich am Liebreiz.

Denn Verehrerin ist Psyche


Dieses wunderschönen Knaben
Und der liebevolle Knabe
Ist ihr auch ein Seelenheiler.

Diesen Zustand nun, o Milon,


Knabe, dem ich dieses singe,
Diesen Zustand nennen Menschen
Platonismus, Knabenliebe.

Jeder Mann nach seiner Weise


Wählt die Liebe zu dem Schönen,
So als wäre jener Schöne
Nun ein kleiner Gott auf Erden!

Und er schmückt den lieben Knaben


Wie die heilige Ikone
Und verehrt den lieben Knaben
Im Mysterium der Liebe.

Und er feiert Freudenfeste


Zu des lieben Knaben Ehre.
Der Geburtstag seines Knaben
Ist ihm eine zweite Weihnacht.

Wenn die Minner aber forschen,


Was sie in den Knaben lieben,
So erkennen weise Minner
Gottes Gegenwart im Knaben!

Weil sie auf den Knaben schauen


Wie auf die Ikone Gottes,
So erkennen sie die Gottheit,
Mensch geworden als ein Knabe.

Schauend also auf die Gottheit


In Gestalt des schönen Knaben,
Sie empfangen von dem Gottkind
Alle Tugenden der Liebe.

Wenn sie nun vom Gotte schöpfen


Tugend, Schönheit, Weisheit, Liebe,
Gießen sie die Gnadengaben
Über den geliebten Knaben

Und bemühen sich als Weise


Und als fromme Ehrenmänner,
Den Geliebten anzugleichen
Der Idee des jungen Gottes.

Also müht der weise Minner


Sich als frommer Pädagoge
Und als Philosoph und Priester,
Seinen Knaben zu belehren

Und zu heiligen den Knaben,


Daß der Knabe imitiere
Den verehrten Gott der Liebe,
Daß der Knabe sich verwandle

Und zum zweiten Amor werde.


So der Knabe wird gesegnet
Und vergöttlicht durch die Liebe
Des verliebten Philosophen.

Da der Knabe nun geehrt wird


Als ein zweiter Amor Gottes
Und auch von Natur der Knabe
Zugeneigt dem frommen Minner,

Lädt der Knabe den Verehrer


Oftmals zu vertrautem Umgang,
Scherz und Ernst, Liebkosung zärtlich,
Unterredungen und Küssen.

Das Wohlwollen seines Minners


Hoch entzückt den Vielgeliebten
Und es merkt der Vielgeliebte:
Keiner liebt ihn wie der Minner.
Denke doch an Zeus: Gottvater
Raubte Ganymed, den Knaben,
Nannt ihn seinen kleinen Liebling,
Seinen Schatz und seinen Engel.

So die Liebe strömt vom Minner


Zu dem vielgeliebten Knaben
Und vom vielgeliebten Knaben
Wiederum zum frommen Minner.

So des vielgeliebten Knaben


Seele wird erfüllt mit Liebe,
Daß er lieb hat seinen Minner,
Lallt er unbeholfner Sprache.

Daß der liebe schöne Knabe


In des Minners weiser Seele
Selber sich beschaut im Bilde
Ideal, kann er nicht wissen.

Ist der Minner gegenwärtig,


Lacht der Knabe fröhlich jauchzend!
Ist entfernt der Minner aber,
Sehnt ihn sich herbei der Knabe!

So behaftet ist der Knabe


Mit der Liebe Schattenbilde,
Mit der süßen Gegenliebe,
Nennt die Gegenliebe Freundschaft.

Wenn die Seele so geordnet


In der weisheitsvollen Liebe,
Leben Liebender und Liebling
Schon auf Erden wie im Himmel!

Selig wie im Paradiese


Sie im Garten ihrer Freundschaft!
Welche so auf Erden selig
Im Mysterium der Liebe,

Wandeln nicht die Todesstraße


In die Finsternis des Hades,
Sondern Liebe führt sie selig
Ins Elysium des Himmels!

Dieses sei dein Lobpreis, Amor,


O du wahrer Amor Gottes,
Den ich dir gebracht als Dichter
Zu der Ehre deines Namens!
POCAHONTAS
Als das Kaiserhaus von Habsburg
Übers weite Meer regierte,
Über Südamerika
Zog nach Nordamerika,

Musste König James von England


Handeln. Auf dem Schiff Virginia
Segelt England in den Westen.
Die Virgina-Company

War benannt nach jener Jungfrau


Königin Elisabeth,
Unbefleckter Jungfraungöttin,
Feenfürstin Gloriana!

Auf dem Schiff Virginia aber


War John Smith in Ketten, denn
Er betrieb die Meuterei
Auf dem Meeresüberfahrt.

In Amerika doch zögert


Captain Newport mit dem Urteil,
Mit dem Tode für John Smith,
Erst muss noch verlesen werden

Der Befehl der Company


Für die Neue Welt: John Smith
Soll die Heerschar führen an,
Zu erobern dieses Land,

Denn sie sollen Millionen


In der Neuen Welt erobern
Und den Weg nach Osten finden
Und ihn Englands Krone schenken.

Nun, John Smith war Capitano,


War ein Raufbold, ein Brutaler.
Abenteuer er erlebte
Kriegerisch in Osteuropa.

Schon mit sechzehn Jahren ging


Er aus seinem Vaterhaus,
Gegen spanische Soldaten
Kämpfend, gegen Türkenkrieger,
Schlug drei Türken ab die Köpfe,
Darum auch in seinem Wappen
Fanden sich drei Totenschädel,
Er war wirklich sehr brutal.

In Virginia aber pflegte


Er das militärische
Denken. Er war unverschämt,
Er war arrogant und eitel.

Einst Sir Walther Raleigh hatte


Schon versucht, Amerika
Zu erobern für die Krone
Englands, für Elisabeth.

Spaniens Übermacht lag schon


Vor der Küste. Spanien war
Schon in Florida. Doch England
Gründete die Festung Jamestown

Auf der unbewohnten Insel,


Die doch unbewohnt nicht war.
Die Nordwestpassage suchte
England in den Orient.

Auf der Insel waren Sümpfe


Und da waren auch Moskitos,
Die Moskitos brachten Fieber,
Die Soldaten wurden schwach.

Doch die Indianer blieben


Ruhig. Englands Vorrat war
Bald erschöpft. Das Wasser war
Ungenießbar. Die Verzweiflung

War sehr groß und groß der Hunger


Hier in diesem Nukleus
Der Vereinten Staaten von
Nordamerika. Sie wollten

Freiheit, Leben in der Freiheit,


Wollten streben nach dem Glück.
Diese Ideale kamen
Mit den Briten in das Land.

Spanische Oliventöpfe,
Schlichtes Tongeschirr aus Deutschland,
Feines Porzellan aus China,
Alles dies fand sich in Jamestown.

Doch die edlen Gentlemen


Waren faul. Sie kamen ja
Aus dem Krieg der Niederlande,
Waren Arbeit nicht gewohnt,

Die enterbten Söhne von


Reichen Vätern. Keine Frauen
Waren da. Sie wünschten nur,
Eine Menge Geld zu machen.

Dreißig Jahre alte Männer


Waren es, zu deren Alltag
Bald gehört das Sterben, schließlich
Blieb ein Drittel nur am Leben.

Und die Indianer griffen


Allezeit die Siedlung an.
Aggressiv die Männer waren,
Die da lebten ohne Frauen.

Keine Frauen waren da,


Um die Aggression der Männer
Zu befrieden durch die Sanftmut
Und die Liebe schöner Frauen.

Jeder kämpfte ganz allein


Um sein eignes Überleben.
Und John Smith verließ das Fort,
Er ging zu den Indianern,

Wollte Schmuck um Speise tauschen,


Notfalls sich die Speise nehmen
Mit Gewalt. John Smith und seine
Männer zogen durch den Urwald

Auf dem Fluss. Die Männer waren


Voller Angst im wilden Urwald.
Doch die Indianer trennten
Bald John Smith von seinen Männern.

Warum waren doch die Briten


In dem Land der Indianer?
Freunde oder Feinde? Händler?
Dieses sich der Priester fragte.

Als John Smith gefangen war,


Fragte sich John Smith im Herzen:
Werden sie mich leben lassen
Oder werden sie mich töten?

Als John Smith herumgereicht


Ward von Dorf zu Dorf, erwartet
Er, dass sie ihn töten werden.
Doch die Indianer waren
Freundlich. Doch sie freuten sich:
Nein, John Smith ist nicht allmächtig,
Denn wir nahmen ihn gefangen.
Und so kam er zu dem Häuptling,

Zu dem Häuptling Powathan.


Oh, da sah er Pocahontas,
Die geheimnisvolle Elfe,
Vierzehn Jahre jung, ein Wildfang!

Wie verspielt und wie bezaubernd!


Powathan, der Häuptling, Vater,
Liebte sehr die Häuptlingstochter,
Nordamerikas Prinzessin.

Ihre Mutter war gestorben,


Als die Tochter sie geboren.
Aber Pocahontas war
Aufgeweckt, voll Fröhlichkeit,

Lebhaft, klug, geliebt von allen.


Und John Smith begann zu lernen
Die Algonkinsprache. Aber
Laut die Indianer brüllten,

Schwingen ihre Tomahawks,


Da hat Todesangst John Smith.
Pocahontas sagt zu ihm:
Powathan will dich ermorden!

Und John Smith verlobte sich


Mit Prinzessin Pocahontas,
Wurde so zum Adoptivsohn
Von dem Häuptling Powathan.

Indianer integrieren
So John Smith in die soziale
Indianische Familie,
Wollten Partnerschaft mit England,

Daß die Briten übernehmen


Ihre Indianerwerte.
So hat das verliebte Mädchen
Ihres Volkes Feind gerettet!

Die romantische Verliebtheit


Indianischer Prinzessin
Zu dem englischen Soldaten,
Ist sie mehr als nur Legende?

Und John Smith und Pocahontas


Bringen sich die Sprachen bei,
Englisch und Algonkinsprache.
So John Smith zum Beispiel sagte:

Himmel, das heißt: paradise!


Sprach Prinzessin Pocahontas:
Jenseits bei dem Großen Geist
Ist das schöne Eskenanna!

Ja, John Smith war voll Bewundrung:


Schönste Indianerin,
Aller Indianermädchen
Schönstes Indianermädchen!

Und das junge Mädchen schwärmte


Für den älteren Geliebten
Wie für einen lieben Onkel
Voller Zärtlichkeit und Liebe.

Da war wirklich Sympathie


Zwischen den Verliebten beiden.
Er war nun für sie ein Häuptling,
Onkel Indianerhäuptling.

Wie die Liebe ward gewonnen,


So die Liebe ist zerronnen!
Diese Heirat war für England
Doch ein sonderbarer Glücksfall.

Denn die Indianer lassen


Nun der Briten Fort in Ruhe,
Es ernähren Indianer
Briten in dem Hungerwinter,

Denn die Indianer nähern


Sich dem Briten-Fort mit Speise.
Pocahontas geht voraus:
Die Ikone der Versöhnung!

O Prinzessin Pocahontas,
Du bist unsre Retterin!
Doch es kommen neue Siedler,
Frauen kommen an und Kinder.

Zwischen Weiß und Rot ist Friede.


Indianerinnen leben
Mit den englischen Soldaten
Wie im Ehebund zusammen.

Im Oktober sechzehnhundert-
Neun Schwarzpulver explodierte
Und John Smith verletzte sich.
Also kehrt er heim nach England.

Pocahontas weiß es nicht,


Sondern denkt, er sei gestorben.
Zwischen Weiß und Rot das Bündnis
Lockert und verschlechtert sich.

Pocahontas kommt nicht mehr


In das Briten-Fort von Jamestown.
Und die Kolonie verfällt
Und man wartet auf den Nachschub.

Doch ein Hurrican zerstörte


In dem Meer die Nachschubflotte.
Weiß und Rot auf Krieg nun drängen
Und belagert wird das Fort.

Wer das Fort verlässt, muß sterben.


Zwar Glasperlen, Kupferschmuck
Sind begehrt von Indianern,
Doch es dauert an der Krieg.

Sechzehnhundert sechs bis zwölf


Ist die Dürreperiode.
Briten müssen Ratten fressen
Und die eignen Pferde fressen.

Nun die Kolonie am Ende,


Von fünfhundert Männern leben
Nur noch hundert in dem Fort.
Sollen sie zurück nach England?

Aber da kommt Delaware,


Der Baron, kommt mit Soldaten,
Frischen englischen Soldaten
Und mit den erhofften Ärzten.

Doch sehr bitter ist der Krieg


Zwischen Weiß und Rot ums Essen.
Weiß und Rot sind gleich brutal
Und vier Jahre währt der Krieg.

England nahm nun Pocahontas


Mit Gebrauch von List gefangen,
Die gebracht ward auf ein Schiff
Und gebracht ins Fort von Jamestown.

Häuptling Powathan ließ frei


Die gefangnen Weißen und
Er beendete den Krieg,
Griff das Fort nun nicht mehr an.
Pocahontas aber hatte
Von John Smith ein kleines Kind.
Von dem Kind getrennt zu sein,
War ihr großer Seelenschmerz.

Pocahontas ward nun Teil


Von dem Stamm der Bleichgesichter.
Wird getauft nur Pocahontas,
Werden Indianer Christen!

Pocahontas lebt im Hause


Eines Predigers und lernt
Aus dem Evangelium
Von dem Heiland Jesus Christus!

Pocahontas ward getauft,


Also heißt sie jetzt Rebekka.
In dem Haus des Predigers
Kennen lernte sie John Rolfs.

Dieser Mann John Rolfs war Händler,


Unternehmer, Tabakhändler,
Lernte von den Indianern
Tabakanbau auf Plantagen.

Starker Indianertabak
War zu stark den Bleichgesichtern.
Weiße rauchen milden Tabak,
War zu herb Virginias Tabak.

Zwar Virginias Tabak war


Ein ergiebiges Geschäft,
War auch eine schwere Arbeit,
Später Arbeit schwarzer Sklaven.

Doch der Tabak herb, nicht süß,


Bis John Rolfs aus Trinidad
Süßen Tabaksamen holte,
Mild ward nun Virginias Tabak.

Wer nur einmal Tabak raucht,


Der wird süchtig von dem Tabak.
Darum ist der Tabakhandel
Ein ergiebiges Geschäft.

Zur Goldgrube ward der Tabak,


Währung wurden Tabakblätter,
Tabak machte reich Virginia,
Unabhängig ward Virginia

Von dem Mutterlande England


Durch den großen Tabakhandel,
Durch die Sucht der Tabakraucher
Blüht die Kolonie Virginia.

War John Rolfs in sie verliebt?


Ja, vielleicht, er liebte sie.
Wollte sie nur Frieden stiften
Zwischen Roten, zwischen Weißen?

War sie auch in ihn verliebt?


Britin wollte werden sie,
Frieden stiften und Versöhnung.
Powathan sagt Ja zur Hochzeit.

Pocahontas und John Rolfs


Gehen ein den Bund der Ehe
Und bekommen einen Sohn
Und so reisen sie nach England.

Seht die christianisierte


Indianerin Rebekka!
Investiert in das Geschäft
Der Plantagen unsres Tabaks!

Wie bestaunte England ihre


Mädchenanmut und Exotik!
König James behandelt sie
Als hochadlige Prinzessin,

Die gemeinen Höflinge


Europäisch arrogant,
Ob die ernste junge Frau
Auch erscheint in edler Hofpracht.

Aber von den Dünsten Londons


Wurde Pocahontas krank.
Also zieht sie auf das Land,
Dort trifft sie John Smith erneut.

Er hat dieses nicht erwünscht.


Liebte er sie denn nicht mehr?
Pocahontas war enttäuscht,
War er nicht ihr großer Bruder?

Hatte Powathan John Smith


Denn das Leben nicht geschenkt?
Hatten sie sich nicht gelehrt
Alles und sich ganz vertraut?

Er war doch ihr großer Bruder,


Aber er verhielt sich nicht
Wie ein großer Bruder, sondern
Wie ein Lügner und Betrüger.
Ihre unbeschwerte Art
War dem tiefsten Ernst gewichen.
Ständig muß die Arme husten.
Sie will nach Amerika.

Zwanzig Meilen reiste sie


Aufwärts schon den Themse-Fluß,
Doch sie ist zu schwach zur Reise,
Sie selbst und ihr Sohn zu krank.

Doch John Rolfs, der Ehemann,


Weicht nicht von dem Krankenbett,
Und sie stirbt in seinen Armen
Eben zu dem Frühlingsanfang

Sechzehnhundertsiebzehn, stirbt
Zweiundzwanzigjährig. Ihre
Letzten Worte waren diese:
Alle Menschen müssen sterben!

DAS EVANGELIUM EVI


ERSTER GESANG

DER WEISE JOSEF UND DIE NYMPHE EVI

DICHTER
Einst in jenem Lande, Weiser,
Das da aller Wesen Wonne,
Heil strömt von dem Tempel Gottes,
Welches selig macht die Seelen,

Lebte der getreue Josef


Als ein milder frommer Weiser,
Freute sich am Heil der Seelen,
Treu hielt Josef die Gelübde,

Zähmte seine Leidenschaften,


Las alltäglich in der Bibel,
Täglich war im Gottesdienste,
Heiligkeit erstrebte Josef.

Seine Freunde waren Weise,


Fern von allem Egoismus,
Freuend sich am Glück des Nächsten,
Keine sinnlichen Naturen.

FREUNDE
Wer ist der gerechte Josef?
Wie kam er zum Heil der Seele?
Sag es an, du frommer Dichter,
Gerne hören wir von Josef.

DICHTER
Hört die herrliche Legende,
Die man sich erzählt von Josef.
Sagen will ich und berichten,
Wie es Josef einst ergangen.

In dem gnadenreichen Garten


Eden lebte Josef einsam.
Äpfel reiften da und Pflaumen,
Krokus blühte und Narzissos.

Frösche lebten in den Teichen,


Enten lebten auf den Teichen.
Manchmal flog vorbei ein Kranich,
Möwen flogen an dem Himmel.

Dort war schon seit langen Jahren


Josefs grüner Garten Eden,
Wo er still der Buße lebte
Mit den Katzen und Kaninchen.

Hier nun lebte der Gerechte


Ganz der Buße und der Sühne,
Ganz dem Fasten und der Keuschheit,
Kontemplierendem Gebete.

Sommers wie im Fegefeuer!


Winters in dem Höllenabgrund!
Frost und Hitze trug der Büßer,
Um die Sünden abzubüßen.

Cherubinen, Seraphinen,
Götterthrone, Fürstentümer,
Heilige und reine Geister
Staunten über Josefs Weisheit.

Josefs Sühneopferleiden
Mehrten in der Welt die Liebe,
Daß der Liebe Feuerflamme
Heißer glühte in den Welten.

Wunder über Wunder ist es,


Wie er sühnt der Sünder Sünden!
Also riefen laut die Engel,
Als den Büßer sie betrachtet.

Und die Engel sich besprachen


Mit dem Herrn, dem Allerhöchsten,
Denn die Seraphim begehrten,
Jenen Gottesmann zu prüfen.

Jesus hörte auf die Engel,


Auf der Seraphim Begehren,
Evi mit dem schönen Becken,
Stolz in ihres Körpers Reizen,

Deren schöngeformter Körper


Prangte mit der Pracht der Brüste,
Höchster Schönheit Reiz erstrahlend,
Jene Evi rief Herr Jesus.

JESUS
Evi! Eile schnell, Geliebte,
Eile du in Josefs Garten,
Ihn in seinen Sühneleiden
Prüfe du mit deinen Reizen!

EVI
Herr, dein Wort an mir geschehe!
Ich bin Dienerin des Höchsten!
Aber meine Seele zittert
Doch vor banger Angst, vor Zweifel,

Denn ich fürchte Josefs Weisheit,


Der so treu ist dem Gelübde,
Schein von Heiligkeit strahlt feurig
Ihm ums Antlitz wie die Sonne.

Wüsste er, dass ich zur Prüfung


Seiner Heiligkeit geschickt bin,
Wird er mich dann nicht verfluchen?
Ich ertrüge seinen Fluch nicht!

Katharina schick, Susanna


Schicke oder Marianna,
Schicke Charis oder Mirjam,
Schick Regina oder Anna

Oder eine andre Nymphe.


Jesus, du hast viele Nymphen,
Schicke Lili oder Mora,
Die erstrahlen auch in Reizen

Mit den schönen Angesichtern,


Mit den weißen runden Brüsten,
In der Liebeskunst erfahren,
Schicke eine andre Nymphe!

DICHTER
Evis Worte hörte Jesus,
Jesus sagte da zu Evi:

JESUS
Alle meine andern Nymphen
Sollen bleiben in dem Himmel.

Keine von den andern Nymphen


Ist geeignet für die Prüfung,
Du allein, geliebte Evi,
Weißt den Josef zu versuchen.

Eros, Frühling, Frühlingslüfte


Geb ich dir zu Weggenossen.
Evi mit dem schönen Becken,
Geh nun in den Garten Eden!

DICHTER
So sprach Jesus. Nymphe Evi
Mit den blauen Blicken eilte
Mit dem Eros und dem Frühling
In den Hain des Büßers Josef.

Dort erblickt sie, voll von Ängsten,


Ihn in seinem Heilgenscheine,
Meditierend in der Zelle,
Wie aus Feuer war sein Körper.

Mit dem Eros und dem Frühling


Schaute sie den Garten Eden
Gleich dem Paradiese Gottes,
Sah die Rosen, sah die Katzen,

Sah die Eichen, die Kastanien,


Voll Gesang die schwarzen Amseln,
Apfelbäume voller Äpfel,
Blütenreich Magnolienbäume,

Lieblich die Magnolienbäume,


Schnee und Schaum die weißen Blüten,
Wo der Dompfaff und die Meise
Bliesen ihre Jubelflöte,

Teiche sah sie voller Enten,


Wo die weißen Möwen baden,
Wo das goldne Schilfrohr rauschte,
Grüne, grüne Weiden hangen.

Als sie sah den Garten Eden


Mit dem Eros und dem Frühling,
Dachte sie an Jesu Auftrag,
Den Gerechten zu versuchen.

Evi also sprach zu Eros,


Zu der Frühlingsluft, zum Frühling:
Leistet mir getreue Hilfe,
Alle ihr und jeder einzeln.

Jene sprachen: Hab Vertrauen!


Weiter sprach die Nymphe Evi:
Also will ich zu ihm gehen,
Ich besuche seine Wohnung.

Jenem, der das Ross der Seele


Voller Leidenschaften zügelt,
Mache ich zum Rosselenker,
Der die Zügel schlaff lässt hängen.

Wäre er auch voll der Gottheit


Vaters, Sohnes und des Geistes,
Will ich ihm das Herz verwunden
Mit dem Feuerpfeil des Eros!

So sprach Evi, schlich sich leise


Zum Gerechten in den Garten,
Wo er predigte Kaninchen,
Die er zähmte voller Liebe.

An dem Rand des Teiches schritt sie,


Schön wie eine Aphrodite,
Flötend wie die Nachtigallen
Eine Hymne an die Liebe.

Plötzlich ließ des Frühlings Grünkraft


Lenzlust überall erblühen,
Vögel ihre Flöten bliesen,
Sich die Turteltauben pickten,

Und die Frühlingsluft, der süße


Atem Gottes, ließ erblühen
Alle Gräser auf der Wiese,
Die Narzissen an den Wassern,

Eros mit dem Feuerpfeile


Nahte schrecklich dem Gerechten,
Schrecklich-schön und herrlich-schrecklich,
Josefs Herz mit Macht durchbohrend!

Kaum vernahm er Evis Stimme,


Folgte er schon ihren Augen.
Staunend vor dem Glanz der Schönheit
War sein Herz ihm schon verwundet.

Sie zu schauen war sein Himmel,


Seine Augen sprühten Liebe,
Aus der Rechten sank der Stab ihm,
Wollust glüht in seinem Marke.

JOSEF
Wer und wessen bist du, Schönheit?
Holde mit charmantem Lächeln,
Du beraubst mich des Verstandes!
Sanfte, sage mir die Wahrheit!

EVI
Bin als deine Magd gekommen,
Gärtnerin zu sein des Gartens.
Sag mir deine Wünsche, Frommer,
Was soll ich dir tun zuliebe?

DICHTER
Als er dieses Wort vernommen,
Da verließ ihn seine Weisheit.
Josef fasste Evis Hände,
Führte sie in seine Hütte.

Eros, Frühlingsluft und Frühling


Kehrten wieder in den Himmel,
Weil sie ausgeführt den Auftrag,
Den gegeben ihnen Jesus.

Als sie kamen zu dem Meister,


Priesen sie die Künste Evis.
Seraphim lobsangen Jesus
Und verklärten Gottes Weisheit.

Als mit Evi Josef zärtlich


War zusammen in der Hütte,
Ließ er seinen Körper strahlen:
Ätherkörper, Feuerkörper!

Josef war ein Mann voll Schönheit,


Reizend war er anzuschauen,
Ja, er war so schön wie Jesus,
Heilgenschein um seine Stirne.

Josef trug den Purpurmantel


Und den Rosenkranz im Haare,
Selbst erschuf er seine Schönheit
Durch die Macht der Sühneleiden.

Als die Schöne ihn erblickte,


Staunte sie vor seiner Schönheit:
Welche Macht gibt dir die Buße!
Rief sie aus mit Hochentzücken.

Er ließ ab nun vom Gebete,


Von des Gottesdienstes Opfer,
Bibellesen, Meditieren,
Fasten, Beichten, Reinigungen,

Alles ließ er, um alleine


Nur mit ihr der Lust zu leben.
Die entflammte Seele dachte
Nicht an den Verlust des Glaubens.

Tag und Nacht und Wochen, Monde,


Jahreszeiten, ganze Jahre,
Daß die Zeit verging, das merkte
Josef nicht in Sinneslüsten.

Evi in der Kunst der Liebe


War gebildet, sie ergötzte
Josef oft mit ihrem Becken
Nach der Kunst des Liebesaktes.

Hundert Jahre lebte Josef


So in Liebeslust mit Evi,
Er, der Eremiten Adler,
Tief ergötzt vom Wonneweibe!

Aber einmal sagte Evi:


Ich will wieder in den Himmel!
Sei mir gnädig, edler Weiser,
Laß mich wieder in den Himmel!

Aber Josef sprach zu Evi,


Denn sein Herz hing an der Schönheit:
Nur noch ein paar Tage, Liebste,
Bleibe noch, erhör mein Flehen!

Wieder hundert Jahre lebte


Josef wonnevoll mit Evi,
Mit dem weisen Mann die Schöne
Allezeit genoss die Wollust!

Als vorbei die hundert Jahre,


Wieder Evi sprach voll Liebreiz,
Mit charmantem Lächeln flüsternd:
Weiser, laß mich in den Himmel!

Aber Josef sprach zu Evi


Wie ein liebeskranker Bettler:
Weile noch ein Weilchen, Süße,
Bleibe noch bei mir auf Erden!
Weil er sie so lieb gebeten,
Wagte Evi nicht, zum Himmel
Heimzukehren, denn sie bangte,
Josef könnte sie verfluchen!

Josef lebte immerwährend


In der Wonne ihrer Wollust,
Doch blieb neu an jedem Tage
Evis Wollust dem Besessnen!

Eines Tages aus dem Garten


Josef eilig ging zur Kirche.
Evi sah dies, sagte lächelnd:
Wohin willst du denn so eilig?

Josef also sprach zu Evi:


Jetzt gekommen ist der Abend,
Ich will in der Vesperstunde
Kerzen zünden in der Kirche.

Evi lachte leise, scherzend


Sagte sie zum weisen Josef:
Jetzt der Abend ist gekommen?
Bist du so der Zeiten kundig?

JOSEF
Evi, du kamst heute morgen
Zu mir in den Garten Eden,
Da erblickte ich dein Becken,
Führte dich in meine Hütte.

Jetzt gekommen ist der Abend


Und der Tag geht nun zu Gnaden:
Warum lachst du denn so spöttisch?
Bitte, sage mir die Wahrheit!

EVI
Morgens kam ich, weiser Josef,
Das ist Wahrheit, keine Lüge,
Doch Jahrhunderte vergingen
Seit dem Morgen meines Kommens.

DICHTER
Josef sprach zur schönen Evi,
Evi mit den schmalen Augen:
Wie viel Jahre sind vergangen,
Seit wir Liebesspiele spielen?

EVI
Ganz genau gerechnet sind es
Tausend Jahre unsrer Liebe,
Tausend Jahre, sieben Monde
Und drei Tage und drei Nächte.

JOSEF
Schönheit, redest du die Wahrheit?
Oder scherzt du nur und spottest?
Ach ich fühle, erst ein Tag vergangen
Ist seit deinem Kommen, Liebste.

EVI
Wie denn könnte ich, mein Josef,
Je den frommen Mann belügen?
Hast du mich gefragt nach Wahrheit,
Muss ich dir die Wahrheit sagen.

DICHTER
Als der weise Josef dieses
Hörte von den Scharlachlippen,
Rief er: Wehe, wehe, wehe!
Ach, ich bin ein armer Sünder!

JOSEF
Wo sind meine Glaubenswerke,
Wohin schwand mir mein Gelübde!
Ich hab den Verstand verloren!
Ewig locken doch die Weiber!

Der du tiefer als das Meer bist,


Der du höher als die Berge,
Gott, wer wird dich nun erschauen?
Wohin ist mein Heil der Seele?

DICHTER
Als sich nun der Büßer Josef
Selbst verklagte aller Sünden,
Sagte Josef noch zu Evi
Diese bitterlichen Worte:

JOSEF
Wie du willst, so geh denn, Traumfrau!
Was du wolltest, ist geschehen,
Die du mich mit Sinnenfesseln
In die Sinnlichkeit verstricktest!

Feuer soll dich nicht verbrennen,


Weib, zu einem Häufchen Asche,
War ich lange doch glückselig
In der Wollust deiner Liebe!

Was denn wäre deine Sünde,


Was wär deine Sündenstrafe?
Mea culpa, mea culpa,
Mea magna, magna culpa!

Bist du jetzt befriedigt, Schöne?


Einen Mönch hast du verzaubert!
Doch die Prüfung kommt von Jesus,
Jesus prüfte seinen Diener.

DICHTER
Dieses sprach der Büßer Josef
Zu der schönen Nymphe Evi,
Ihr erzitterten die Glieder
Und sie schwitzte Schweißes Perlen.

Wie sie da stand, zaghaft zitternd,


Schweißbedeckt am ganzen Leibe,
Traurig sprach der fromme Josef:
Geh doch! Warum bleibst du bei mir?

So hat sie ihn denn verlassen,


Aus der Wohnung schritt die Nymphe,
Ging wie durch die Luft spazieren,
Mit dem Laub den Schweiß abwischend.

Schwebend ging sie bei den Bäumen,


Evi, Gottes schönste Nymphe!
An den roten Rosenblüten
Hangen blieben Schweißes Perlen.

Von dem Schweiß befruchtet, Evi


Keusch gebar ein liebes Kindlein.
Dieses ward gesäugt vom Euter
Einer mütterlichen Milchkuh.

Nach Verlauf von sieben Jahren


War gereift ein lieber Knabe.
Tom-Tom war des Knaben Name,
Der ein Freund von Jesus wurde.

ZWEITER GESANG

DER TODGEWEIHTE JOSEF NIMMT ABSCHIED VON SEINER GELIEBTEN EVI

Jetzt noch denk ich an die Liebste,


Die so weiß wie Soyasprossen,
Ihre langen schwarzen Haare
Glichen Mutter Nacht, der schwarzen.

Wie sie müd von Liebeslüsten


Aufgestanden von dem Bette,
Dieses Wissen von der Liebsten
Ist aus Torheit mir entschwunden.

Jetzt noch seh ich wie den Vollmond


Der Geliebten schönes Antlitz,
Seh von Eros’ Pfeil aus Feuer
Wild durchwühlt die lieben Glieder.

Sehe ihre vollen Brüste,


Schneeweiß wie der Schaum des Meeres.
Oh wie täte ihre Liebe
Gut doch meinem eignen Leibe!

Wieder seh ich ihre Augen,


Abendsterne, Mandelaugen,
Seh am Gange sie behindert
Von den vollen weißen Brüsten.

Wollt mit Küssen sie ersticken,


Wollt an ihren Lippen lecken
Wie der Falter an der Krokus,
Heiß von Wollust meiner Liebe!

Jetzt noch seh ich sie ermattet


Von der Nacht der Liebeswonnen,
Sehe ihre schwarzen Haare
Um den süßen Mond von Antlitz!

Die Erinnerung bewahrt sie


Reizend wie verbotne Sünde,
Ach, sie schlang die weißen Arme
Einmal mir um meine Hüften!

Ich gedenke, wie die Schwanin


Schwamm im Lilienteich der Liebe,
Wie sie badete in Wollust,
Fortgegangen ist am Morgen.

Weiß ihr Antlitz, doch voll Röte,


Schlug sie ihre Wimpern nieder,
Ihre Augen Abendsterne,
Welche blaue Blicke blitzten!

Jetzt noch seh ich ihre Augen,


Tief erfüllt von Trauertränen,
Seh verwelkt des Leibes Blüte,
Als ich einmal sie verlassen.

O mit welchen Zärtlichkeiten


Wollt ich brünstig sie umarmen,
Meine Augen nicht mehr öffnen,
Niemals wieder sie verlassen!
Jetzt noch seh ich sie im Tanze,
Voller Anmut bei dem Bauchtanz,
Schaukeln sehe ich ihr Becken
Und erbeben ihre Brüste!

Von dem Antltiz seh ich Schimmer


Wie vom Vollmond sich ergießen,
Wie von Ebenholz den Rahmen
Ihrer langen schwarzen Haare.

Jetzt noch seh ich sie im Bette,


Wie sie müde lag im Schlummer,
Wie Ylang-Ylang-Parfüme
Dufteten und Rosenöle.

Ihre Augen Turteltauben,


Welche flattern mit den Flügeln,
Die sich brünstig voller Liebe
Schnäbelnd mit den Schnäbeln picken!

Jetzt noch sehe ich die Schöne


In der roten Glut des Weines,
Wie sie sich im Liebesakte
So geschickt bewegt wie keine.

Nüsse kauen ihre Zähne,


Ihre Zähne weiße Perlen.
Ihr Parfüm von Kokosnüssen
Duftet aus den schwarzen Haaren.

Jetzt noch sehe ich ihr Antlitz,


Weiß wie weiße Krokosblüten,
Sehe die kristallnen Tropfen
Ihres Schweißes bei der Liebe.

Nach erschöpfender Begattung


Seh ich der Geliebten Blässe,
Da ihr Antlitz wie der Vollmond,
Der die dunkle Nacht erleuchtet.

Jetzt noch sehe ich im Geiste,


Wie die Liebste voll des Zornes
Ihren Ohrring ausgerissen
Und geworfen auf die Erde.

Aber dann die Tochter Gottes,


Als ich in dem Dunkel nieste,
Wieder sich mit mir versöhnte:
Lebe ewig – zu mir sagte.

Jetzt noch denk ich an ihr Antlitz,


Wie in Leidenschaft der Liebe
Ihre Wangen sie zerkratzte
Mit dem Schmucke an den Ohren.

Nach den süßen Liebeslüsten


Die kristallnen Schweißestropfen
So wie Edelsteine, Perlen,
Schmückten der Geliebten Antlitz.

Jetzt noch denk ich an die Blicke,


Die aus ihren Augen blitzten,
Wenn von Liebesschmerz gebrochen
Bebte ihre Brust im Busen.

O wie von den vollen Brüsten


Hingesunken war das Brusttuch!
Wie sie biss auf ihre Lippen
Und sich leckte ihre Lippen!

Jetzt noch denk ich an die Liebste,


Wie sie wandelt wie die Schwanin,
Wie die Hand mit feinen Fingern
Gleicht dem Wedel einer Palme.

Ihre vollen weißen Brüste


Sind geschmückt mit Perlenschnüren,
Ihre schöngewölbten Wangen
Oft im Rot der Scham erröten.

Noch seh ich das Mal der Mutter


Auf der weißen Brust, der linken,
Sehe ihre weißen Brüste
Glitzern wie den Schnee der Weihnacht.

O wenn sie mit ihren Händen,


Wenn sie sich erhebt vom Sessel,
Fasst das seidenfeine Kleidchen
Und es keuscher Zucht zurechtrückt!

Jetzt noch denk ich, heimlich glücklich,


Wie sie schminkte ihre Augen,
Wie sie ihre Lockenschlangen
Mit der Zypertraube färbte,

Seh den Mondstein an den Ohren,


Seh der Zähne Perlenschnüre,
Die da meditierend murmeln:
Siehe, ich bin Gottes Sklavin!

Jetzt noch sehe ich die Haarflut


Mit dem Knoten aufgebunden,
Sehe das charmante Lächeln
Um die scharlachroten Lippen,
Sehe ihre schmalen Augen,
Welche freundlich grüßend lächeln,
Seh die fromme Schnur der Perlen
Ihre weißen Brüste küssen!

Jetzt noch seh ich sie im Zimmer,


Wo sie ruhte in dem Dunkel,
Wo der Flammenschein der Kerzen
Leuchtete wie Gold im Raume,

Wie sie heimlich flüsternd sagte:


Jetzt will ich im Schlummer träumen,
Wie sie aufsprang dann voll Schrecken:
O ich muß jetzt eilen, eilen!

Jetzt noch denk ich an die Liebste,


Wie sie Trennungsschmerz gelitten,
Sie, mit Augen der Gazelle,
Meine Wonne, meine Hoffnung,

Alle femininen Reize


Trägt sie ja an ihrem Körper,
Die da wandelt wie die Schwanin,
Wie die Gottheit in dem Schwane!

Jetzt noch denk ich an die Eine,


Die von Eros’ Pfeil durchbohrte,
Unter allen schönen Frauen
Keine kann sich ihr vergleichen.

Ja, an Charme und Reiz und Anmut


Keine Frau ist ihr vergleichbar,
Sie, der Liebeswonnen Becher,
Bis zum Grunde auszusaugen!

Ach, in keinem Augenblicke


Ich die Liebste je vergesse,
Die mir teurer als mein Leben,
Ach, die jetzt vom Schmerz betrübte,

Die sich wie ein nasses Hemdchen


Eng geschmiegt in meine Arme,
Welche jetzt so schutzbedürftig
Sich verlassen sieht vom Gatten.

Nimmermehr vergess ich, Himmel,


Doch die gutgebaute Liebste,
Die doch bleibt in allen Schmerzen
Gegenwärtig mir im Geiste.

O die Tochter Gottes, wahrlich,


Schönste aller schönen Frauen,
Welche gleicht der Liebe Becher,
Allerschönste Augenweide!

Wie sie mit der Pracht der Brüste


Voller Anmut gnädig nickte!
Noch seh ich die Schnur der Perlen
Hangen zwischen ihren Brüsten!

Diese Brüste hat sich Eros


Wahrlich auserwählt zum Tempel!
Sie, wie eine rote Fahne,
Wehte flatternd neben Eros!

Jetzt noch muss ich an sie denken,


Wie die Zunge sich verirrte,
Als der Eros sie betörte,
Wie sie stammelte und lallte!

Hundert Schmeicheleien blühen


Von der Zunge der Geliebten,
Wie sie mich den Weisen nannte
Und der frommen Liebe Helden!

Jetzt noch denk ich an die Liebste,


Denk an sie im Paradiese,
Wie sie ihre Wimpern senkte
Müde nach genossner Liebe!

Oh! Als von der Brust gesunken


War das schwarze Seiden-Brusttuch,
Als die langen schwarzen Haare
Fielen bis zu ihren Brüsten!

Jetzt noch denk ich an die Liebste,


Schwanin in dem Liebesteiche,
Die Ambrosia und Nektar
Trägt auf ihren süßen Lippen!

Ach, in ihrem Arm zu ruhen!


Neiden würd ich nicht den König,
Nicht die Seligen des Himmels
Mehr im Paradies beneiden!

Jetzt noch seh in meiner Seele


Ich allein das Bild der Liebsten,
Öfter seh ich die Geliebte
Als die heilige Maria!

Ach, was tu ich in der Stunde,


Nun in meiner Todesstunde?
Aber sie ist meine Wonne,
Meine Seligkeit auf Erden!

Jetzt noch denk ich der Gazelle


Voller sanft bescheidner Demut,
Wie sie bang verdreht die Augen,
Weil ich jetzt zum Tode gehe!

Wenn man sprach von meinem Tode,


Tränen füllten ihre Augen,
Schmerz und Gram und schwerer Kummer
Ihr verdunkelten das Antlitz.

Jetzt noch denk ich an die Liebe,


Ohne sie ist leer mein Leben,
Aber mit der Vielgeliebten
Wie ein Himmelreich auf Erden!

Sie, die Vielgeliebte, rettet


In den Schmerzen meine Seele!
Was tat Gott, der Sohn und Vater,
Was tat Gott, der Geist der Weisheit?

Meine Augen gingen wandern


Über diese dunkle Erde,
Ob zu finden auf der Erde
Eine Frau wie meine Liebste?

Seh ich nirgendwo ein Antlitz


Ähnlich ihrem Gottes-Antlitz!
Psyche selbst, die Braut des Eros,
War so schön nicht wie die Liebste!

Wie hat sie mit mir gelitten,


Voller Mitleid ihre Seele,
Als ich aus dem Haus vertrieben
Und verjagt ward von den Hunden,

Wie ich von den Satansmenschen


Ward gejagt gleich einem Fuchse!
Ach, von meinen Seelenschmerzen
Kann der Dichter selbst nicht sprechen!

Jetzt noch leide ich es allzeit


In dem peinerfüllten Herzen,
Daß ich ihr geliebtes Antlitz
Jetzt nicht selig mehr erblicke!

Oh, das Antlitz wie der Vollmond,


Reines Angesicht der Psyche,
Wenn das Antlitz Eros anschaut,
Dann zerschmilzt das Herz des Eros!
Jetzt noch, dass sie mir im Himmel
In dem Paradiese nah sei,
Lebt als Seele meiner Seele
Sie im Heiligtum des Herzens!

Sie ist jene, deren Reize


Ich alleine ganz erkannte,
Meines Lebens süße Tröstung,
Die nur ich weiß zu genießen!

Jetzt noch ist berauscht mein Seelchen


Von der Locken goldnen Spange,
Die sich bei der Strähnen Kräuseln
Dicht verborgen in der Haarflut.

Trunken saugen Honigbienen


An der Krokus Nektarstempel!
Wie betrunken und berauscht doch
Ihre lieben Lippen flüstern!

Jetzt noch denk ich an die Küsse


Ihres süßen Honigmundes,
Als auf ihren weißen Brüsten
Ich in Wollust war versunken!

Sie jedoch mit Seelenschaudern,


Sie vertraute ihrem Mann nicht,
Nachts im Bette blieb sie wachsam,
Schaute ängstlich nach dem Gatten.

Jetzt noch denk ich an die Schöne,


Die sich abgewandt im Zorne,
Als auf ihrem süßen Munde
War kein Liebeswort zu finden!

Dann liebkoste ich sie zärtlich,


Aus den Augen tropften Tränen.
Schau, Geliebte, deinen Sklaven,
Dir zu Füßen, dich anbetend!

Jetzt noch ist bei ihr mein Seelchen,


Was auch soll ich anders sinnen?
Denn in ihrer trauten Nähe
Rasch vergeht die Zeit auf Erden!

Ja, ich seh sie in dem Garten,


Von den Freundinnen umgeben,
Wie sie sich im Tanze freuen,
Wie sie plaudern, wie sie lachen.

Ist sie nicht des Vaters Tochter?


Ist sie nicht des Sohnes Mutter?
Ist sie nicht die Braut des Geistes?
Ist sie denn nicht die Madonna?

Oder hat sie Gott erschaffen,


Meine Seele zu versuchen?
Meisterwerk des Schöpfers ist sie,
Ihre Seele und ihr Körper!

Auf der Erde kann kein Maler


Jemals ihre Schönheit malen!
Nirgend gibt es eine Schönheit,
Welche ihrer Schönheit gleich wär!

Wer die Zwillingsschwester sähe,


Ganz genau die gleiche Schönheit,
Dieser sähe eine Schönheit,
Welche ihrer Schönheit gleich wär.

Jetzt noch denk ich an die Liebste,


Die Holdseligste der Frauen,
Sie, der Inbegriff der Tugend,
Sie, das Meisterwerk des Schöpfers!

Ach, wie traurig ihre Augen


Weinten viel kristallne Tränen,
Die die Wangen niederliefen,
Zitternd auf der Lippe glänzten.

Jetzt noch denk ich an ihr Antlitz,


Wie der Wonnemond des Maien!
Kalte Philosophenherzen
Würden hier entflammt von Liebe!

Könnte ich die nektarsüßen


Lippen doch nicht einmal küssen!
Dann vergessen wär die Trennung
Und die Schmerzen meines Kummers.

Könnte ich doch Eros’ heißen


Feuerpfeil und meiner Wunde
Nur entfliehen und im Meere
Ihrer schönen Liebe baden!

Ah, in ihrem Wonnebade


Wollte ich mich nackend baden,
Wäre gern die rote Schminke
Auf den vollen lieben Lippen!

Jetzt noch, ob es auch auf Erden


Gibt viel tausend schöne Frauen,
Eine wie die andre niedlich
Anzuschauen mit Vergnügen,
Keine aber gleicht der Einen.
O Geliebte, Ohnegleiche!
Ach wie schwer ist mirs im Herzen,
Ich verzehre mich vor Sehnsucht!

Jetzt noch lässt die Vielgeliebte


Mit dem langen Schwanenhalse
In den Reizen ihres Körpers
Zitternd vor geheimer Wollust

Aus dem Liebeswonnebade


Und dem Teiche meiner Schmerzen
Tauchen eine lichte Blume,
Goldne Blüte meiner Seele.

Jetzt noch denk ich an die Schöne,


Denk an ihre Zeit als Mädchen,
Da sie in dem Rausch der Jugend
Reizend mit den Wimpern winkte!

Ah, sie ist wohl eine Göttin?


Ist ein Engel? Eine Huri?
Die gekommen ist vom Himmel,
Auf der Erde hier zu herrschen?

Jetzt noch denk zu jeder Stunde


Ich an meine Heißgeliebte,
Wie sie sich vom Bett erhoben
Traumumflort zur Morgenstunde,

Wie sie dann den nackten Körper


Badete im Wonnebade
Und sich schminkte und sich schmückte
Und frisierte ihre Haare.

Jetzt noch denk ich an ihr Strahlen,


An den Lichtglanz ihrer Schönheit!
Wie sie glühte voller Sehnsucht
Nach dem Manne, den sie liebte!

Ich besiegte sie mit Worten


Und mit einem süßen Küsschen.
Ach und als ich sie umarmte,
Das war Medizin der Seele!

Jetzt noch denk ich an die Kämpfe,


Liebeskriege ohne Waffen!
O wie wir die Hände zärtlich
Uns berührten sanft wie Blumen!

Wie sie biss auf ihre Lippe!


Wie sie bluteten, die Lippen!
Wie wir unsern Krieg versüßten
Durch erneute Süßigkeiten!

Jetzt noch, kann ich mich auch heute


In die Liebste nicht versenken,
Leb ich alle meine Stunden
Mit ihr immer in dem Geiste.

Richter! Nimm mir nur mein Leben,


Denn ich bin ein Todgeweihter!
Schneide ab den Lebensfaden,
Nimm den Schmerz von meinem Herzen!

Jesus wird in Ewigkeiten


Wandeln auf dem Meer der Liebe!
Jesus wird in Ewigkeiten
Herrscher sein des Liebesfeuers!

Und so lang die Erde dauert


Und so lang die Sonne aufgeht,
Ich vertraue mich Maria
Als der Lieben Frau in Liebe!

DRITTER GESANG

DER LIEBENDE JESUS UND DIE GELIEBTE EVI

Höre, meine liebe Freundin,


Höre deiner Freundin Worte:
Ich hab lang mit ihm gesprochen,
Jetzt bin wieder ich alleine.

Immer schwerer ward mein Kummer,


Ach, je länger ich ihn schaute,
Nichts vermochte mir zu helfen,
Was auch immer sich ereignet.

Schmutzig trägt er seine Kleider


Und er kämmt nicht mehr die Haare,
Fleisch mag er nicht länger essen
Und er trinkt auch keinen Rotwein.

Blassgeworden ist der Schöne,


Immer ruft er deinen Namen,
In den Augen ist kein Glanz mehr,
Er kann niemand mehr erkennen.
Er gleicht einer Vogelscheuche,
Hölzern aufgestellt im Garten!
Doch vor seinem Mund der Spiegel
War bewölkt doch noch vom Atem.

Ja, er atmet noch, der Liebe,


Doch vernichtet ist sein Leben!
Hilf ihm, liebe Freundin Evi,
Denn sonst bin auch ich verloren.

Josef spricht: Das sind die Schmerzen,


Die er in der Trennung leidet,
Nichts als einzig Evis Liebe
Medizin wär seiner Seele!

Jesus, sonst glückselig-selig,


Murmelt nur noch Evis Namen.
Hört er deinen Namen nennen,
Sträuben Jesus sich die Haare.

Jesus neigt sein Haupt voll Kummer,


Seine Augen voller Tränen.
Stellt wer Jesus eine Frage,
So gibt Jesus keine Antwort.

Aber nennt man Evis Namen,


Aufmerksam sofort wird Jesus.
Nichts hat er im Sinn als Evi,
Nichts als Evi kann er denken.

Wahrlich, Schwermut voller Trübsinn


Jesus fühlt in seinem Herzen.
Josef spricht: Ihm schwand die Weisheit,
Jesus ist ein Tor geworden!

Eine solche tiefe Liebe


Hat es nie bisher gegeben,
Solche Liebe, die die Herzen
Weiß im Innern zu verschmelzen!

Zwar vereinigt, beide klagen


Dennoch schon vor Trennungsschmerzen,
Einen Augenblick getrennt sein
Ist den beiden unerträglich.

Außerhalb des Wassers Fische


Können ebenso nicht leben.
Solche Liebe unter Menschen
Wird es nie auf Erden geben.

Auch die Seeros’ auf dem Teiche


Wird geliebt vom Strahl der Sonne,
Doch die Seeros’ wird verwelken,
Doch die Sonne weiterstrahlen.

Mag die Wolke auch dem Kuckuck


Ihre feuchte Liebe schenken,
Niemals regnet sie zu frühe,
Um zu netzen ihren Kuckuck.

Auch die blaue Krokusblume


Sets denkt an den weißen Falter.
Zwar der Falter kommt geflattert,
Niemals aber kommt die Blume.

Von dem Unsinn, dass Frau Mondin


Einen Träumer einst geküsst hat,
Laß mich schweigen. Evis Liebe
Ist auf Erden unvergleichlich.

Du mein vielgeliebter Jesus,


Du mein Atem, du mein Leben,
Deine Dienerin auf Erden
Bin ich in dem Seelenkörper.

Meine Ehre hingegeben,


Stamm und Namen hingegeben
Habe ich des Kosmos König,
Jesus, Universums König.

Mönche beten stets zu Jesus


In der abgeschiednen Zelle.
Ich, die Frau vom grünen Lande,
Wie soll ich dich lieben, Jesus?

All mein Ego ist versunken


In dem Ozean der Liebe!
Ich bin wie das Ganzbrandopfer,
Schrecklicher, zu deinen Füßen!

Ja, du bist der Weg, die Wahrheit,


Du der Gott und du das Leben.
Ewig dich nur anzuschauen
Ist genug, genug für Evi!

Spricht man auch von meinen Fehlern,


Solches soll mich nicht betrüben.
Demut ist wie eine Perle,
Perlenschnur des Rosenkranzes.

Ob ich rein bin oder sündig,


Jesus, weißt nur du alleine.
Jesus, ich weiß nicht, was gut ist,
Doch ich weiß, du bist die Güte.

Josef der Gerechte redet:


Jesus, dir nur will ich folgen.
Nimm du von uns alles Böse,
Tu du in uns alles Gute!

Freundin, du bist Evis Freundin,


Und du fragst mich, was ich fühle?
Soll ich dir von Liebe sagen
Und von Leidenschaft der Liebe?

Ah, die Leidenschaft der Liebe


Immer neu betört die Seele!
Jesu Wunderschönheit sah ich,
Als die Mutter mich geboren.

Jesu Wunderschönheit aber


Nie mein Auge hat gesättigt,
Seine Worte, süß wie Honig,
Haben nie mein Ohr befriedigt.

Lange Nächte, dunkle Nächte,


Spielte ich mit meinem Jesus.
Doch ich hab den Sinn des Spieles
Nie erkannt und nie begriffen.

Ewigkeiten-Ewigkeiten
Ruhe ich in Jesu Armen.
Aber dennoch meine Seele
Fand nicht ihre Seelenruhe.

Wo sind jene, die die heiße


Leidenschaft der Liebe kennen?
Viele reden von der Liebe,
Einer nur, er tut die Liebe!

Josef redet, der Gerechte:


Liebesschmerzgequälte Seele,
Deine heiße Sehnsucht stillen
Kann allein der Gott der Liebe!
5

Was mein lieber Jesus tun wird,


Wird zum Besten mir gereichen.
Und was meiner Seele gut tut,
Das tut gern der Vielgeliebte.

Ich in des Geliebten Augen


Ruh in des Geliebten Augen,
Jesus wäre selber gerne
Die Pupille meines Auges.

Lieber ist mein Vielgeliebter


Mir als selbst mein eignes Leben!
Er will ganz sein Leben geben
Für das Heil der Seele Evis!

Josef spricht: Ein Paar von Schwänen


Jesus sind und seine Evi!
Keiner kann die Quelle trennen
Von dem schönen Lebensstrome.

Jesus tritt zu seiner Evi,


Daß er sie im Tanz umarme!
Alle Glieder seiner Evi
Sind gebaut aus höchster Schönheit!

Jesus legt die Arme zärtlich


Seiner Evi um die Hüften,
Wange schmiegt er sanft an Wange
Und so tanzen die Verliebten.

Leidenschaftlich sie umschlingend,


Jesus tanzt mit seiner Evi,
Silberzymbeln leise klingen
Und man bläst die Jubelflöte.

Evis Armreif klirrt am Arme


Und die Kettchen an den Füßen.
Jesus tanzt mit seiner Schönheit,
Seine Schöne tanzt mit Jesus.

Selig Josef, der Gerechte,


Sieht die hochbeglückte Evi.
Es verhaucht den Atem Josef,
Legt ihn diesem Paar zu Füßen!

7
In der schönen Gartenlaube
Jesus ruht bei seiner Evi,
Evi in dem Seidenkleidchen,
Oben schimmert schön der Vollmond.

Jesus schlingt die Heilandsarme


Leidenschaftlich um die Schönheit!
Jesu Blitz, elektrisch zuckend,
Spaltet ihre dunkle Wolke!

Jesus trägt den Purpurmantel,


Evi trägt ein Seidenkleidchen.
Ihre Herzen flammen lodernd,
Süße Frühlingslüfte düften.

Auf dem Gras gebettet Jesus,


Evi in der Lilienaue.
Jesus redet wie ein Dichter,
Evi ist voll stiller Demut.

Jesus rührt in heißer Liebe


Evi an die weißen Brüste!
Rühre mich nicht an, haucht Evi,
Doch dann lässt sie es geschehen.

Jesus spielt das Spiel der Liebe,


Leidenschaftlich glüht sein Eros!
Ah, die Weißglut seines Eros
Glühend diese Welt durchlodert!

DAS JESUSKIND

Der Augustus gab Befehl,


Alles Volk in Bethlehem
Lass sich zählen in Judäa,
Trage sich in eine Liste.

Josef sagte da bei sich:


Meine Söhne lass ich zählen.
Was wird aber mit dem Mädchen,
Die noch keinen Sohn geboren?
Wie soll ich sie zählen lassen?
Ist sie meine Ehefrau?
Ach ich scheue, das zu sagen.
Oder zähl ich sie als Tochter?

Alle Juden aber wissen,


Daß sie nicht ist meine Tochter.
Doch am Tag des Herrn geschieht,
Was der Wille ist des Herrn!

Und er sattelte den Esel


Und sein Sohn ging ihm voraus
Und sie nahten Bethlehem.
Josef schaute zu Maria.

Josef sah Maria traurig


Und er dachte: Ach sie sorgt sich
Wegen ihrer Leibesfrucht,
Die als Jungfrau sie empfangen.

Wie ergeht es dir, Maria?


Einmal ist dein Antlitz fröhlich,
Einmal ist dein Antlitz traurig?
Und Maria sprach zu Josef:

Meine Augen sehen zwei


Völker, eines weint und wehklagt
Und das andre jauchzt und jubelt,
Darum wein ich, darum lach ich.

Etwas weiter zogen sie


Und Maria sprach zu Josef:
Hebe mich herab vom Esel,
Denn das Kindlein will nun kommen!

Josef hob sie von dem Esel:


Wohin soll ich dich jetzt führen?
Wohin soll die Schwangre ich
Bringen unter Schutz und Schirm?

Diese Gegend ist so einsam!


Aber da war eine Höhle
Und er führte sie hinein,
Seine Söhne saßen bei ihr.

Eine jüdische Hebamme


Suchte er in Bethlehem.
Ich bin Josef, der Gerechte,
Der ich schaute in den Himmel

Und ich sah den Himmel klar


Und ich schaute auf die Erde
Und ich sah um eine Schüssel
Jüdische Proleten sitzen,

Die Proleten aßen nicht,


Sondern schauten in den Himmel.
Und ich schaute Lämmerherden
Und die Lämmer standen still

Und der Hirte hob die Hand


Mit dem Stabe und dem Stecken
Und des Hirten Hand erstarrte
Und die Hand blieb unbewegt

Und ich schaute schwarze Zicken


An dem klaren Wasser stehen,
Doch die Zicken tranken nicht,
Sondern schauten in den Himmel.

Eine Frau kam vom Gebirge:


Du Gerechter, wohin gehst du? –
Eine jüdische Hebamme
Suche ich in Bethlehem. –

Diese jüdische Hebamme


Sagte: Wer ist jenes Mädchen,
Die dort in der Höhle liegt,
Schwanger liegt dort in dem Stroh? –

Das ist meine Anverlobte! –


Also deine Gattin nicht? –
Sie ist reine Tempeljungfrau,
Ich ihr Schützer und Behüter.

Sie empfing vom Geiste Gottes! –


Sprach die jüdische Hebamme:
Das soll wirklich Wahrheit sein? –
Und ich sagte: Komm und siehe! –

Eine lichte Wolke Gottes


Füllte aus die ganze Höhle.
Und die jüdische Hebamme
Jauchzte jubelnd: Halleluja!

Hocherhoben ist mein Geist,


Meine Augen sahn ein Wunder,
Israel ist Heil geboren
Von der unberührten Jungfrau!

Und die lichte Wolke Gottes


Schwebte fort aus jener Höhle
Und ein Lichtstrahl kam vom Himmel
Und das Kindlein war geboren.
Und das Kindlein lag am Busen,
An den Brüsten der Madonna,
Und es saugte an den Brüsten
Der Madonna Milch des Trostes.

Und die jüdische Hebamme


Jauchzte jubelnd: Halleluja,
Daß ich dieses sehen durfte,
Diesen Gottesmutterbusen!

Und die jüdische Hebamme


Jene Höhle nun verließ
Und da traf sie Salome.
Salome, o Salome,

Wunder hab ich zu erzählen,


Eine Jungfrau hat geboren!
Das ist supernatural,
Das ist wirklich übermenschlich!

Doch da sagte Salome:


Nein, das werde ich nicht glauben,
Bis ich meinen Finger legte
An der Jungfrau Jungfernhäutchen.

II

Und die jüdische Hebamme


Eintrat in die Weihnachtshöhle:
Holde Maid, ein Streit entbrannte
Um dein heiles Jungfernhäutchen.

Salome nun untersuchte


Mit dem liebevollen Finger
Unsrer Lieben Frauen Scheide,
Ob sie unverletzte Jungfrau.

Laut ertönte ihre Klage:


Wehe mir, dass ich nicht glaubte!
Ich hab Gott den Herrn versucht
Und gezweifelt an der Jungfrau!

Meine Hand fällt von mir ab!


Und sie beugte ihre Knie
Vor dem göttlichen Gebieter
An der Mutterbrust der Jungfrau:

Meiner frommen Ahnen Gott,


Abrams, Isaks, Jakobs Gott,
Guter Gott, gedenke meiner,
Ich bin Tochter Abrahams,

Gib mich nicht der Schande preis!


Gott, gib mich den Armen wieder,
Denn du weißt, dass ich umsonst
Armen Fraun und Kindern helfe,

Ohne dass sie mich belohnen,


Aber ich vertraue drauf,
Wenn ich von des Lebens Mühen
Ruhe, dann belohnst du mich!

Und ein Engel Gottes sprach:


Salome, o Salome,
Gott der Herr hat dich erhört,
Gottes Liebe wird dein Lohn sein!

Du berühre nur das Kindlein,


Streiche sanft ihm übers Haupt,
Streichle seine sanfte Wange,
Streichle seine kleinen Händchen,

Nimm das Kindlein in die Arme,


Setze es auf deinen Schoß,
Drück das Kindlein an dein Herz,
Dann wirst wieder du gesund.

Salome trat zu dem Kinde,


Die Madonna gab ihr Kindlein
Salome in ihre Arme,
Jesus saß auf ihrem Schoße,

Salome anbetete
Jesus: O mein Gott und König,
Israel zum Heil geboren
Und den Heiden zur Erleuchtung!

Salome ward gleich gesund,


Ward sogleich gerecht gesprochen.
Siehe, eine Stimme sprach:
Salome, o Salome,

Schweig von dem, was du gesehen,


Schweig von dem, was du betastet,
Bis der Herr gekreuzigt worden,
Auferstanden von den Toten.

III

Josef machte sich bereit,


Fortzuziehen nach Judäa.
Große Unruh ist entstanden
Da in Bethlehem in Juda.

Da sind Magier gekommen:


Wo ist denn der Juden König?
Wir erblickten seinen Stern,
Kommen, um ihn anzubeten!

Als Herodes das vernahm,


Regte sich Herodes auf
Und er schickte zu den Priestern
Und befragte Schriftgelehrte:

Wie steht in der Schrift geschrieben,


Wo Messias wird geboren?
Da zitierten sie den Micha:
Wird in Bethlehem geboren.

Sprach Herodes zu den Weisen:


Magier, was saht ihr Seher?
Und da sprach ein Magier:
Jupiter stand im Saturn.

Diesen Stern erblickten wir


Heller als die andern Sterne,
Wir erkannten, dass der König
Ward in Israel geboren,

Jupiter ist Stern des Königs,


Stern Saturn ist Israels.
Und Herodes sagte: Geht,
Sucht den neugebornen König,

Wenn ihr ihn gefunden habt,


Kommt zurück und meldet mir,
Daß ich gehe, anzubeten
Den davidischen Messias.

Und die Weisen zogen fort,


Und der Stern, den sie gesehen,
Zog den Magiern voran
Bis zu Unsrer Frauen Höhle.

Und die Magier beschauten


Unsre Fraue und das Kindlein,
Schenkten Weihrauch, Gold und Myrrhe,
Weihrauch für den Hohepriester,

Gold für den Messiaskönig,


Myrrhe für den Gottesknecht.
Und die Magier entschwanden
Wieder in den Orient.
Als Herodes das erkannte,
Daß die Weisen weggegangen,
Da gebot er Kindermördern:
Geht, ermordet alle Kindlein!

Als Maria das vernahm,


Da erschrak die Liebe Frau,
Weinte über alle Kinder,
Rettete ihr Jesuskind,

Wickelte das Kind in Windeln,


Tat es in die Futterkrippe,
Wo der Juden Ochse stand,
Wo der Heiden Esel stand.

IV

Eine Frau nahm Duftgewässer,


Um das Jesuskind zu waschen.
Als sie Jesulein gewaschen,
Nahm sie dieses Duftgewässer,

Goss es auf ein junges Mädchen,


Die da weißen Aussatz hatte.
Aber von dem Badewasser
Jesu ward das Mädchen heil.

Die Bewohner jenes Ortes


Sprachen: Unsre Frau Maria
Ist wohl eine Muttergöttin?
Und das Kind ein kleiner Gott?

Josef und Maria aber


Mit dem Kindlein zogen weiter.
Das gesundgewordne Mädchen
Sagte: Jesus, nimm mich mit!

Josef und die hocherhabne


Liebe Fraue zogen weiter.
Eine öde Gegend war es,
Oft von Räubern heimgesucht.

Dieses Land durchzogen sie


Lieber in der dunklen Nacht.
Da erblickten sie zwei Räuber,
Die am Straßenrande schliefen.

Da erwachten beide Räuber.


Titus hieß der eine, sagte
Zu Dumachus, zu dem andern:
Laß die drei Personen ziehen!

Dieser Mann mit seinem Weibe


Und dem kleinen Muttersöhnchen
Mögen ungeschoren bleiben,
Geben sie uns etwas Geld.

Doch Dumachus wollte nicht,


Wollte Josef und Maria
Und das Jesuskind ermorden.
Doch der Räuber Titus sagte:

Freund Dumachus, nimm von mir


Alles Geld aus meiner Tasche,
Doch die Heilige Familie
Laß du ziehen nach Ägypten.

Die erhabenste Madonna


Hörte dieses Räubers Worte.
Gott der Herr wird dich erretten,
Alle Sünden dir verzeihen!

Jesus sprach zu seiner Mutter:


Liebe Frau, in dreißig Jahren
Werde ich am Kreuze hängen
Vor dem Tor Jerusalems

Und zu meinen Seiten werden


Diese zwei gekreuzigt werden
Und Dumachus mir zur Linken
Und Freund Titus mir zur Rechten

Und an jenem Tag Karfreitag


Geht Freund Titus mir voran
In den Himmelsgarten Eden
An des Paradieses Lustort!

Josef und Maria gingen


Weiter mit dem Jesuskinde
Zu dem Heiligtum der Götter,
Das in Sandstaub ward verwandelt.

Dann begab sich die Familie


In die Ortschaft Matarea,
Dort ließ Jesus durch sein Wort
Eine reine Quelle sprudeln,

In der reinen Quelle Wasser


Wusch Maria Jesu Hemd,
Welches roch nach Jesu Schweiß,
Unsre Fraue wusch es sauber,
Aber aus dem Schweiße Jesu
Ist entstanden jener Balsam,
Den es gibt in Matarea
Und der alle Wunden heilt!

Nahten sie sich einer Höhle,


Stieg Maria von dem Esel,
Setzte sich, auf ihrem keuschen
Schoße saß das Jesuskind.

Kamen aus der Höhle Schlangen,


Schrie die Liebe Frau Maria,
Jesus kletterte vom Schoße
Unsrer Frau, gebot den Schlangen.

Lobet Gott den Herrn, ihr Schlangen,


Wüstenschlangen, Meeresschlangen,
Würgeschlangen, Strumpfbandnattern,
Lobet Gott, Marien Sohn!

War Maria voller Bangen,


Aber Jesus sprach zu ihr:
Denk nicht, dass ich nur ein Kind bin,
Ich bin Gott von Ewigkeit,

Ich bin der vollkommne Schöpfer,


Der ich alle Schlangen schuf,
Alle Schlangen dieser Erde
Müssen ihren Schöpfer preisen!

Auch die schwarzen Pantherweibchen


Beteten zum Jesuskinde.
Wohin auch Maria ging,
Folgten ihr die Pantherweibchen.

Als Maria aber sah


All die schwarzen Pantherweibchen,
All die gelben Jaguare
Und die wilden Löwenjungen,

Da erschrak die Liebe Frau,


Doch das Jesuskind war fröhlich:
Fraue, keiner wird dich fressen,
Fraue, alle dienen dir!

Und die schwarzen Pantherweibchen


Fraßen nicht die weißen Schäfchen,
Fraßen nicht das Fleisch von Tieren,
Sondern nur noch grüne Blätter.

Von den weiten Wanderungen


In der Sonnenglut der Wüste
Ward Maria müde, setzte
Sich an einer Palme Stamm.

Sagte Unsre Frau zu Josef:


Könnt ich eine Feige speisen!
Doch die Feige hängt zu hoch
Oben an dem Stamm der Palme!

Josef sagte zu Maria:


Was begehrst du, was unmöglich?
Wie soll ich die Feige pflücken,
Die der Herr zu hoch gehängt?

Josef sagte: Ach, mich dürstet!


Fänd ich doch nur eine Quelle!
Da sprach Jesus zu der Erde:
Sprudle, Erde, eine Quelle!

Eine Quelle ist entsprungen,


Josef hat den Durst gestillt.
Da sprach Jesus zu der Palme:
Neige dich zu meiner Mutter,

Schenke ihr die süße Feige!


Und da neigte sich die Palme
Und Maria mit dem Mund
Nahm die Feige in den Mund.

Jesus sagte zu der Palme:


Nun erhebe dich, o Palme,
Steh im Paradiese Gottes!
Allen Paradiesbewohnern

Aller kommenden Äone


Sollst du süße Feigen schenken,
Weil mit ihren Mund Maria
Deine Feige hat genossen!

Josef und Maria kamen


Mit dem Kinde nach Ägypten,
Kamen zu dem Tempel jener
Isis mit dem Horusknaben.

Und die Muttergöttin Isis


Mit dem schwarzen Katzenkopf
Stürzte in den Wüstensand
Nieder vor Marias Füße
Und das Horuzskind von Stein
Mit dem goldnen Falkenkopf
Stürzte in den Wüstensand
Nieder vor Messias’ Füße.

Josef und Maria kehrten


Wieder heim nach Nazareth.
Nazareth bedeutet Flora,
Nazareth heißt Blumengarten.

VI

Und in Nazareth Maria


Sagte: O mein Herr und Gott,
David prophezeite einst
Vom Messias in den Psalmen:

Gottes Gnade, Gottes Wahrheit,


Sie begegnen einst einander,
Und Gerechtigkeit und Frieden
Küssen sich voll Zärtlichkeit.

Wahrheit sprießt aus Mutter Erde,


Schaut Gerechtigkeit vom Himmel.
So hat deine Macht dies Wort
Prophezeit einst über dich.

Als du Kleinkind noch gewesen,


Warst mit Josef du im Weinberg,
Als der Geist kam aus der Höhe
Säuselnd in mein Schlafgemach.

Zwar der Geist war dir ganz gleich,


Doch erkannte ich ihn nicht.
Und ich dachte von dem Geist:
Schau, das ist mein Jesuskind.

Und es sprach zu mir der Geist:


Wo ist denn das Jesuskind,
Gottes Sohn, mein Doppelgänger,
Daß ich Gottes Sohn begegne?

Als der Geist so zu mir sprach,


War ich in Verlegenheit,
Dacht ich: Das ist ein Gespenst,
Ein Gespenst will mich versuchen.

Also band ich diesen Geist


Betend an mein Himmels-Bett,
Ging zu dir und ging zu Josef
In den Weinberg, wo ihr wirktet.
Also sagte ich zu Josef:
Des Gespenst band ich ans Bett!
Du vernahmest das, mein Jesus,
Freutest dich im Geist und sprachest:

O wo ist mein Doppelgänger,


Daß ich ihn erblicken kann?
Sonst erwart ich diesen Geist
Selig hier in diesem Weinberg!

Als dein Wort mein Josef hörte,


Wurde er bestürzt im Herzen
Und wir gingen in das Haus
Und da fanden wir den Geist

Angebunden an mein Bett!


Und wir schauten dich an, Jesus,
Schauten an den Doppelgänger,
Fanden dich dem Geiste gleich.

Und es ward dein Doppelgänger


Losgebunden auf dem Bett.
Er umarmte dich und küsste
Dich mit liebevollem Küsschen.

So Gerechtigkeit und Frieden


Küssten, Gnade sich und Wahrheit
Küssten sich, der Geist und Jesus
Küssten sich in meinem Bett.

DIE PÄPSTIN ODER MULIER PAPA

Dieses ist die Apotheose


Papst Johannes Pontifex,
Ist ein närrisches Gedicht
Von dem armen Weibe Jutta,
Welche Papst zu Rom gewesen
Und in Roma auf dem Papststuhl
Unkeusch hat ein Kind geboren.
Vor fünfhundert Jahren ward
Dies erzählt in einem Drama.
Und aus Gründen, die ich nenne,
Nämlich wegen Feminismus,
Ward das Thema aufgegriffen.

In der femininen Sicht


Ist Frau Jutta Eva ähnlich,
Ward von Luzifer verführt,
Aber nicht von Luzifer,
Sondern von des Teufels Oma,
Lilith, welche Satans Oma.
Darum konnte die Frau Jutta
Wie die Sündenmutter Eva
Auch erlöst nur werden von
Unsrer Lieben Frau Maria.

Denn es gab zu jenen Zeiten


Einen sogenannten Papst
Oder besser eine Päpstin,
Die nicht in den Katalogen
Aller Päpste aufgezählt wird,
Weil sie eine Frau gewesen,
Die als Mann sich ausgegeben.
Zwar aufgrund der großen Klugheit
War die Frau zunächst Notar
In der Kurie, aber dann
Kardinal und schließlich Papst.

In den Tagen ihrer Jugend


Tat sie Männerkleidung an
Und sie nannte sich Johannes.
Mit der Zeit ward sie gelehrt,
Unterrichtet in den Künsten,
Und sie lernte solche Weisheit,
Daß man ihresgleichen nicht
In Paris und Rom gefunden.

Und Johannes war ein Papst


Für drei Jahre und fünf Wochen.
Diese Päpstin war ein Weib
Und war als ein Weib doch Papst.
Denn in ihrer Jugend lief
Sie mit ihrem Buhlen weg
In der Kleidung eines Mannes,
Ging zur Schule wie die Knaben,
Wurde dort so gut gelehrt,
Daß sie dann in Manneskleidern
Auch in Rom zur Schule ging,
Ja, dass sie in Roma selbst
Vorgelesen und gelehrt hat.

Der Johannes, das ist sicher,


Dieser Papst war eine Frau,
Die als junges Mädchen schon
Nach Athen gekommen war
Mit dem Buhlen. In Athen
Glänzte sie in Wissenschaften,
Keiner konnt sich mit ihr messen,
Daß sie dann in Rom gelehrt
In Rhetorik und in andern
Disziplinen, viel Magister
Hatte sie als Hörer, Schüler.
Durch ihr Leben und ihr Wissen
Sie erwarb sich großes Ansehn
In der Stadt, so ward einstimmig
Sie zum Papst gewählt, jedoch
Wurde sie als Papst geschwängert
Eines nachts von ihrem Buhlen.

Diese Jungfrau kam aus Menz.


Viele sagen, dass ihr Name
Giliberta war gewesen.
Lernend schon im Vaterhause
Vom Studenten, den sie liebte,
Lernte sie Latein und Künste.
Allezeit sich beizuwohnen,
Das entzündet in der Jugend
Ungeordnete Begierde.
Also legte sie die Scham ab
Und die Zucht der reinen Jungfrau,
Ging mit dem Studenten fort
Aus dem Hause ihres Vaters,
Männerkleider tragend und
Einen Männernamen tragend.
In den Kleidern eines Jünglings
Nannte sie Johannes sich.
Der Student hielt sie in England
So als wär auch sie Student
Und da pflegte fleißig sie
Mit dem Buhlen und Studenten
Alle Kunst und Wissenschaft.

Als nun ihr Genosse war


Abgegangen mit dem Tod,
Da erkannte sie die eigne
Schicklichkeit zur Wissenschaft
Und zur Süßigkeit der Künste.
Fortan wollte sie mit keinem
Manne weiter unkeusch buhlen.
Aber fleißig übte sie
Tag und Nacht ihr Studium,
Daß sie schon in kurzer Zeit
In den sieben freien Künsten
Und der Bibelwissenschaft
Angesehen ward von allen,
Wunderbarlich hochgeschätzt.

Übers Studium der Künste


Noch hinaus erschien ihr Leben
Ehrsam, fromm und heiligmäßig,
Daß sie ward von vielen Männern
Anerkannt als frommer Mann,
So dass, als der fünfte Leo
Alles Fleisches Weg gegangen,
Von der Kardinäle Sammlung
Sie erwählt zum Papste wurde
Und Johannes ward genannt
Als der Achte dieses Namens.

10

Während eines Exorzismus


Sie befragte den Dämonen,
Wann er wolle fahren aus.
Und der Dämon sprach in Versen:
Papa, Vater aller Väter,
Du sollst das Gebären kundtun,
Papst, du sollst ein Kind gebären,
Dann verkünde ich dir auch,
Wann ich aus dem Körper fahre.
11

Nämlich als die Päpstin Papst war,


Ward geschwängert diese Päpstin
Von dem Buhlen, den sie hatte.
Doch des Niederkommens Zeitpunkt
Ahnte nicht der Papst, gebar,
Als sie von Sankt Peters Dom
Sich zum Lateran begab,
In dem engen Gässchen zwischen
Collosseum und der Kirche
Clemens, und nach ihrem Tode
Fand sie dorten auch ihr Grab.

12

Weil der Oberhirt der Kirche


Dieses enge Gässchen meidet,
Nimmt man an, der Papa meidet
Dieses enge Gässchen, weil
Dort die Päpstin niederkam.
Und die Päpstin wird bis heute
Nicht im Katalog genannt,
Weil ihr weibliches Geschlecht
Ward empfunden als ein Makel.

13

Als die Päpstin auf dem Papststuhl


Saß drei Jahre und fünf Monde
Und zwei Tage, trug im Schoße
Sie ein Kind von ihrem Buhlen.
Eines Tages kam das Kind,
Als bei einer Prozession
Von Sankt Peter sie gezogen
Zu der Kirche von Sankt Clemens.
Dorten vor des Münsters Tür
Vor dem Bilde Sankt Mariens
Kam das Kind aus ihrem Schoße.
Gleich sprach Papst Johannes: Ave
Gratiaplena! Mehr gesegnet
Bist du als die andern Weiber!
Da sprach zu dem Papst Maria
Von der heiligen Ikone:
Also soll dein Leib der Unzucht
Maledeit sein unter allen
Weiber dieses Tränentales!
Sünde sollst du nicht mehr treiben!
Und vermaledeit sei auch
Deine Leibesfrucht, der Bastard!
Nach den Worten starb die Päpstin
Und sie wurde dort begraben.

14

Diese Päpstin war so trotzig,


Daß sie sich nicht fürchtete,
Zu besitzen Petri Stuhl,
Dort die Wandlung zu vollziehen
Und das Sakrament zu spenden,
Was doch keiner Frau gewährt ist
Nach der Ordnung Jesu Christi.
Diese Würdigkeit des Papstes
Trug sie manches Jahr, bis Gott
Seiner Kirche sich erbarmte,
Daß die Würdigkeit des Amtes
Werde würdig auch besetzt,
Daß das Volk geweidet werde,
Nicht von einem Weib genarrt
Und geleitet in die Irre.
Darum wollte Gott der Herr
Dieses Amt nicht länger lassen
In den Händen eines Weibes.
Aber durch den Rat des Teufels,
Der ihr damals eingegeben,
Daß sie Päpstin werden wollte,
Durch den Rat des Teufels wurde
Sie gereizt zur Unzucht unkeusch,
Daß ihr alle Zauberkünste
Nicht mehr halfen, Papst zu bleiben,
Nicht vermochten auch, die Hitze
Ihrer Fleischeslust zu löschen,
Bis sie einen Buhlen fand,
Der die Brünstigkeit gedämpft,
Sie begattet auf dem Papstthron,
Daß die Päpstin schwanger wurde.
Jämmerliches Sündenelend!
Langmut und Geduld des Herrn!
Was geschah? Dies eitle Weib,
Die das Kirchenvolk bezaubert
Und getrübt die Menschenaugen,
Selbst mit allen Zauberkünsten
Konnt sie länger nicht verbergen,
Daß sie Weib und schwanger war.
Als sie Messe zelebrierte
Zwischen Kollosseum und
Clemens in dem engen Gässchen,
Da gebar der Papst ein Kind.
Gott der Allgewaltige
Warf sie in die Finsternis.
15

Das ist die Natur der Frau:


Plant ein Werk sie auszuführen,
Ist sie anfangs sehr vermessen,
Übermütig, nahzu tollkühn.
In der Mitte ihres Werkes
Offenbart sie ihre Torheit.
Und am Ende gar verrennt
Sich die Frau in Schändlichkeit.
Also ist es offenbar:
Anfangs ist die Frau vermessen,
Weiter macht sie hurenhaft
Und sie endet in der Schande.

16

Weil der Papst Johannes nun


Hinterließ den schlechten Ruf,
Musste jeder neue Papst
Im Apostelthron des Fischers,
Wenn er in den Thron sich setzte,
Auch beweisen, dass er Mann war.

17

Zu den Zeiten des Johannes


Hatte es im Orte Brixen
Weißes Blut geregnet. In
Frankreich ließen sich gar sehen
Sehr erschreckliche Heuschrecken,
Sechsgeflügelt, mit sechs Füßen
Und mit harten Zähnen, die
Hin und her am Himmel flogen
Und dann allesamt ersoffen
In dem Meere von Britannien.
Später spie das Meer sie aus,
Warf sie ans Gestad von England,
Wo sie böse stinken taten,
Daß die Luft vergiftet wurde,
Viele Menschen da verstarben.

18

Unter allen Päpsten war


Einer unrein. Ob die andern
Alle heiligmäßig waren,
Weiß ich nicht zu sagen, aber
Die Gerechten unter ihnen
Freuen sich an Gottes Freuden.
Einst zu Roma war ein Weib,
Ach, in einem schönen Körper,
Die sich ausgab als ein Mann.
Keiner hielt sie für ein Weib.
Diese ward zum Papst erwählt,
Da sie sie aussah als ein Mensch,
Welcher Gott gefällig wäre.
Aber sie war wandelbar,
Denn sie war ja eine Frau
Nach der Schöpfungsordnung Gottes,
Aber wollte männlich sein,
Darum wurde sie zum Papst.
Was sie alles da getrieben,
Als sie Papst gewesen ist,
Das vermag ich nicht zu sagen.
Eines aber weiß ich wohl:
Als man an ihr festgestellt
Die Natur der Weiblichkeit,
Da verjagte man das Weib
Aus dem Vatikan von Rom,
Denn das wollte keiner leiden
In der Mutter Kirche, was
Dieses Weib im Leib getan.

19

Als sie von der Kurie wurde


Ausgeschlossen, nahm Johannes
Eines Mönches Kutte, lebte
Weiter nun als Büßerin.
Ihre Leibesfrucht, der Sohn,
Bischof ward von Ostia.
Als sie in den letzten Tagen
Kommen sah den Bruder Tod,
Bat sie, dass man sie begrabe,
Wo sie auch entbunden hatte.
Doch das wollte nicht ihr Sohn.
Also ward ihr Leib gebracht
In den Dom von Ostia
Und dort ehrenhaft bestattet.
In der Folge ihrer Tugend
Wirkte Gott an ihrem Grabe
Und bis heute viele Wunder.

20

Doch die Wahrheit von der Frau


Jutta ist, dass sie als Papst
Ward vom Kapellan geschwängert.
Da von der Basilika
Petri sie zum Lateran
Zog in einer Prozession,
Nahe bei dem Kolosseum
Und der Kirche von Sankt Klemens,
Kam sie nieder und entband
Und verstarb an dieser Stelle
Und ward dorten auch begraben.

21

Und sie ward vom Engel Gottes


Vor die Wahl gestellt, ob sie
Wolle ewige Verdammnis
Oder ob vor aller Augen
Öffentlich geoffenbart
Werden sollte ihre Schande.
Doch sie wollte wirklich nicht
In die ewige Verdammnis
Und so wählte sie die Schande.
Nach dem Brauch des Papstes also
Zog sie mit den Kardinälen
Und dem ganzen Gottesvolk
Einen Prozessionsweg, wo
Sie geboren einen Fötus
In der Näh der Klemenskirche
Und dort niedersank und starb.
An der Stelle ihres Todes
Ward ein Denkmal aufgestellt,
Zeigend mit dem Sohn die Mutter.

22

JUTTA:
Ich will nun in Heimlichkeit
Gehn in eines Mannes Kleidern,
O mein Buhle, darum kann ich
Deine Hilfe nicht entbehren,
So erfülle meinen Wunsch.
Wählen werde ich als Namen
Den: Johannes Anglicus.
Also wollen wir uns beide
An die Schule von Paris
Wenden, wollen dorten lernen
Und mit Lehrern disputieren,
An den Künsten uns ergötzen,
Bis wir Ruhm und Ehre finden
Bei den Nahen und den Fernen.
23

DÄMON SPIEGELGLANZ:
Sanfte Jungfrau, hoch zu preisen,
Du bist schön und du bist rein!
Tu, um was ich dich gebeten,
Und ich will dich nicht verraten.
Niemals würde ich dir raten,
Was zu deinem Schaden wäre.

24

SATAN:
Sanfte Jungfrau, schön und lieblich,
Ich verkünde dir die Zukunft.
Werde klug und werde weise!
Ja, ich prophezeie dir:
Großen Ruhm wirst du noch finden!

25

KARDINÄLE:
Der Johannes Anglicus
Lebt in großer Sittenreinheit,
Ist erfüllt von jeder Tugend,
Wie man deutlich sehen kann.

26

DÄMON DER UNVERSÖHNLICHKEIT:


Soll ich fahren aus dem Menschen,
So vernehmt ihr alle heute,
Daß ich ausgetrieben werde
Nicht von diesem Papst Johannes,
Sondern von dem Namen Jesus,
Weil es Gott so haben will.
Dieser Papst Johannes nämlich
Ist ein Weib und trägt ein Kind,
Ist ein Weib und nicht ein Mann.
Darum soll die Päpstin jetzt
Vor dem ganzen Gottesvolke
Auch ertragen ihre Schande.

27

JESUS:
Weil sie sich vermessen hat
Und die weibliche Natur
Und die Fraulichkeit verleugnet
Und gegangen wie ein Mann
Und empfing das Amt des Papstes
Und ist schwanger nun geworden
Mit der Evastöchter Bürde,
Darum muß sie heute sterben.

28

JESUS:
O Maria; o Maria,
O geliebte süße Mutter!
Klagen muß ich dir, o Mutter,
Daß das Weib, das Papst geworden,
Nicht lässt ab von ihrer Bosheit,
Die sie gegen mich begangen.
Und sie will sich nicht bekehren!
Ach dass muß ich klagen, Mutter,
Darum muß ich mich nun wenden
Von der Allbarmherzigkeit
Zur Gerechtigkeit und richten:
Jämmerlich muß sie verscheiden,
Sterben ohne meine Gnade!

29

MARIA:
Nein, mein vielgeliebter Sohn,
Kind, ich bitte dich von Herzen,
Stehe ab von deinem Zorn!
Du hast mich ja auserwählt,
Daß ich deine Mutter bin,
Also lass die arme Seele
Bitte nicht verloren gehen!
Mach ihr einen Weg bekannt,
Daß sie finde deine Gnade.
Spende deine Gnade ihr,
Daß sie nicht zur Hölle muss!

30

JESUS:
Frau, weil du mich für sie bittest
In der Gottesmutterschaft,
Sag ich ihr in dieser Stunde,
Daß sie dich genießen soll!
Fließen lass ich meine Gnade
Heute zu der armen Seele!
31

JESUS
Will sie nun in dieser Welt
Jämmerliche Schmach erleiden
Zur Versühnung aller Sünden,
Will ich ihre Seele retten.
Will sie ihre Schmach nicht dulden,
Wird sie ewig in der Hölle
In dem Höllenfeuer brennen!

32

KARDINÄLE
Was hat das nun zu bedeuten,
Daß es in der Hauptstadt Rom
Hat drei Tage Blut geregnet?
Alle Früchte sind verdorben!
Oh, wir Kardinäle fürchten,
Daß das ist der Zorn des Lammes!
Auch gekommen in die Länder
Ist die große Teuerung!
Auch die Erde bebt sehr heftig,
Wie man in der Welt vernimmt.
Schuld daran, wie wir vermuten,
Ist die Sünde, die begangen
Ward vom Weibe gegen Gott,
Die da unser Papst gewesen.

33

KARDINÄLE
Wir befehlen, einen Papststuhl
Herzustellen, da der neue
Papst betastet werden kann,
Wie es um ihn steht im Sexus,
Ob er Hahn sei oder Henne.

34

LUZIFER:
Schaut nur hin in jenen Garten,
Wie dort geht die schönste Jungfrau!
Jutta ist der Jungfrau Name.
Sie will fort aus England ziehen
Mit dem Schreiber, ihrem Buhlen,
Wählt sich einen neuen Namen,
Daß sie nicht ein Mensch erkenne,
Gehn will sie in Männerkleidern,
Nach des Mannes Art und Weise,
Und als neuen Namen wählt sie
Den: Johannes Anglicus.
Ihr dämonischen Genossen,
Ratet nun dem schönen Weibe,
Daß sie ihren Plan vollbringe,
Möge bald es uns Dämonen
Doch gelingen, dieses Weib
In die Hölle zu verführen
Zu dem Unglück ihrer Seele!

35

STUDENT:
Ja, Geliebte, schönes Weib,
Was du willst, das soll geschehen,
Gerne will ich mit dir reisen
In die Schule von Paris!

36

JUTTA:
Mein Genosse, recht gesprochen!
Ich will nun dein Page werden!
Meine Kleider leg ich ab,
Ohne mich darum zu schämen,
Ziehe Männerkleider an
Und will dann von hinnen scheiden.

37

JUTTA:
Mein Genosse, mein Geliebter!
Sei bereit mit Schnelligkeit!
Laß uns unser Heil besorgen
Und zur Mutter Roma pilgern
Zu des Papstes Audienz
Und zu allen Papst-Genossen.

38

DÄMON DER UNVERSÖHNLICHKEIT:


Soll ich ausgetrieben werden,
Höret alle dies im Raum,
Werde ich nicht ausgetrieben
Durch den femininen Mann,
Sondern durch den Namen Jesus!
Du, die Päpstin wird genannt,
Muß ich heute vor dir weichen,
Wirst du kommen einst zurück
In die Herrschaft der Dämonen,
Zahl ich Lohn dir hundertfach!

39

JUTTA:
Jesus Christus, Herr und Gott,
Denke heut und allezeit,
Wie wir alle Sünder sind,
Aber dass doch dein Erbarmen
Manchen schlechten Mann bekehrte!
Adam pflückte einst die Feige
Der verbotenen Erkenntnis,
Du vergabst ihm, lieber Gott.
Zwar Sankt Peter war dein Freund,
Hat doch dreimal dich verleugnet.
Thomas war ein großer Zweifler,
Dem vergabst du, lieber Gott.
Paulus jagte einst die Christen
Und doch fand er Gottes Gnade.
Magdalena war Hetäre,
Die ergötzt sich nun an dir!

40

LUZIFER:
Hörst du, mein Genosse Satan,
Alles, was je Gott beleidigt?
Heute geht aus ihrem Haus
Jenes Weibsstück Magdalene.
O, ein wunderschönes Weib!
Fleißig dient sie den Dämonen
In der Eitelkeit der Welt.
Laß uns bei ihr bleiben, Satan,
Laß uns sie im Netze fangen,
In der Unzucht goldnem Netze!
Holen wir sie in die Hölle!

41

MAGDALENA:
Nun vernehmt, ihr stolzen Laien,
Wie in dieser Frühlingszeit
Meinen Köper ich lobpreise,
Denn ich bin ein schönes Weib!
Darum will ich tanzen, tanzen,
Lustvoll biegen meinen Leib,
Lüstern Liebeslieder singen!

42

DIABOLOS:
Ja und ja und ja, mein Mädchen,
O mein süßes Fräuleinwunder,
Ja, dein Leib gehört dir selber,
Deinen Körper voller Liebreiz
Sollst du ewiglich vergötzen!

43

DÄMON SPIEGELGLANZ:
Jutta, du, und du, Student,
Dieses rat ich euch als Dämon:
Morgens früh und abends spät
Seid auf euer Spiel bedacht
Und erfüllt euch eure Wünsche
Und so werdet ihr mit Glück
Noch zu großem Ruhme kommen.

44

SATAN:
Lernet Klugheit, lernet Weisheit!
Ja, ich sage euch noch mehr:
Ihr gelangt zu großem Nachruhm!
Seligpreisen werden euch
Frauen kommender Geschlechter!

45

JUTTA:
Ich will meinen Plan vollenden,
Nehm ich nur ein gutes Ende!
Ehre suche ich und Ruhm
Und ich will nicht Schmach und Schande.
Wenn ich dann ins Alter komme,
Daß dann keiner mich verachtet
Und von meiner Schmach erzählt
Und mich keiner nennt gefährlich.

46
MARIA:
O min leev, min leeve kind,
Kind, ik bidde di, min leev,
Dat du wullest geeven mi:
Dor gekommen is een arme
Seel, de dor begehrt und sökt
Din erbarmen, o min leev!

47

MARIA:
O min leev, wat swiegest du?
Antwort diner moder doch!
O min leev, min leeve sünn,
Geev mi de gewalt un macht,
Dat ik kunn de arme seel
In eer dod to gnade bringen!

48

JESUS
O Marie, min leeve moder,
Warum biddest du so sehr
Vor dat aas, dat stinken tut?
Düsse arme seel hett ja
Dine sötigkeit verlaaten!
Dat is mine klage, moder,
Ach dat deit mi ganz versehren,
Dat is wie een dod am krüz!
Hett de arme seel din milde
Eenmal nur gesmackt, din söten,
Güvv ik disse seel min gnade!

49

JESUS:
Leeve moder min, Marie,
Lat din weinen sin, min leev,
Ik geev di de arme seel!

MARIA ÄGYPTIACA
Ja, in Gottes Namen sing ich,
Hört, ihr Frauen schön und Männer,
Was ich fand geschrieben im
Mittelhochdeutsch frommer Zeiten,
Das ich euch verdolmetscht habe
Hier in diesem kleinen Lied.

Nun ist dies Gedicht vielleicht


Ungeschickt und reimt sich nicht.
Achtet doch auf seinen Sinn,
Achtet nicht der armen Verskunst.
Wollt ihr so dies Liedlein lesen,
Sag ich euch, was ich gefunden
In der Universität.

Da war einst ein stilles Kloster,


Das an einem Flusse stand,
Welcher aus dem Jordan strömte.
In dem Kloster lebten Leute
Freien Willens in der Armut.
Alles hatten sie gemeinsam,
Waren stets im Gottesdienst,
Keiner je vergaß die Messe.
War der eine frohen Sinnes
Und den andern drückte Schwermut,
Jeder sei, wie Gott ihn schuf,
Aber beide Tag und Nacht
Dienten Gott in freier Liebe.
Keiner dieser Mönche tat
Schlimmes, was das Jesuskind
Kränken könnte und verletzen,
Lebten die Moral der Kirche,
Die getreuen Gottessklaven.
Da beschlossen diese Mönche,
Daß sie allzeit beten wollten,
Beten, beten, beten, fasten,
Wachen lange Nächte lang
Und nur wenig müßig ruhen.
Ihre Speise war nichts andres
Als ein wenig Trank und Brot,
Oftmals litten sie auch Hunger.
Auf der Erde zu entsagen
Übermäßigem Genießen
Hatten sie beschlossen, um
Sich den Himmel zu verdienen
Und im Himmel Gottes Schönheit
Anzuschauen, zu genießen!
Gott gibt nämlich Minnelohn
Allen, die mit treuem Fleiße
In dem Sühneopfer leben
Und bereuen ihre Sünden,
Sind doch alle Menschen Sünder.
Dieser Orden war sehr streng,
Einmal nur im Jahre ward
Ihre Klostertür geöffnet,
Kurz, bevor beginnt das Fasten.
Jeder war bereit, den Corpus
Christi mündlich zu empfangen.
Vor dem Kloster war ein Wald,
Da sie wandelnd sich ergingen.
Doch dann war es ihnen auch
Nicht zu schwer, vom Wald zu scheiden.
Auch gelobten sie das Schweigen,
Miteinander nicht zu plaudern
Eines müßigen Geschwätzes.
Einer da, der andre dort
Lebten sie wie Eremiten,
Lebten schweigend in der Stille.
Hunger hatten sie und Durst,
Hatten nichts als schnöde Speise,
Wurzelknollen aßen sie,
Wie man sie im Walde fand.
Also lebten sie das Fasten
Bis Palmsonntag, an Palmsonntag
Kehrten wieder sie ins Kloster.
Gott schaut wahrlich in die Herzen
Und er hatte dieses Leben
Den Erwählten anvertraut
Zu der Buße ihrer Sünden.
Ach, ein seliges Verscheiden
In des Herrn Barmherzigkeit
Wurde jedermann zuteil!
Amen sprech auch ich dazu.

Möchtet ihr nun weiterlesen,


Hört, was ich im Buch gefunden.
Eines Tages wollten Brüder
Wieder in den grünen Wald.
Einer von den Brüdern war
Nun der fromme Mönch Sossima.
Dieser wollte in dem Walde
Suchen, ob er etwa finde
Eine schöne Christenseele,
Eine Seele liebend, weise,
Eine Seele wahrhaft schön.
Seine ganze Hoffnung war,
Einen Christenfreund zu finden,
Einen Bruder in dem Herrn
Christo, der auch Buße täte
Und allein im Walde wohne.
Ach was soll die lange Rede,
Was denn nutzen all die Worte?
Leider ging er in dem Walde
Ganz allein, fand keine Seele,
Keinen Fuchs und keinen Bruder
Zwanzig lange Tage lang.
Schließlich war er sehr erschöpft,
Diese harte Pilgerschaft
War geworden zu beschwerlich.
Auch die Lunge rasselte
Und er fühlte sich sehr alt.

Lange war Sossima also


Durch den dunklen Wald gewandert,
Da begann er sein Gebet.
Hört, was da der liebe Gott
Für ein großes Wunder tat!
Als Sossima also lag
Bis zum Mittag auf dem Moos,
Sah er plötzlich neben sich
Einen Schatten. Dieser Schatte
War der Schatte eines Menschen.
Da erhob er sich und blickte,
Fleißig heftend seine Augen,
Ob er schaue einen Menschen.
Doch im Herzen schreckte ihn
Furcht, ob etwa ihn betrüge
Ein Dämonenzauberspiel.
Er bekreuzte seine Brust,
Da entwich die Angst von ihm.
Er erhob sich, trat hinzu,
Prüfte die Erscheinung, sah
Wirklich einen Menschen, aber,
Wehe, welche Hässlichkeit...!
Von der Sonnenhitze braun,
Dunkelbraun wie Mahagoni!
Und Sossima trat heran,
Schon entfloh das scheue Wesen.

Doch der Mönch ermannte sich,


Nicht zu alt und nicht zu schwach,
Jenem Wesen nachzulaufen,
Doch das scheue Wesen floh,
Doch Sossima eilte eifrig,
Und Sossima weinte, rief:
In dem Namen unsres Jesus,
Sage mir, wer bist du, Mensch?
Die Erscheinung aber schwieg,
Eilte wieder in den Wald,
Kam zu einem Talesgrund,
Wo dereinst ein Wasser war,
Welches aber nun vertrocknet,
Dahin hastete das Wesen
Und Sossima hinterher.

Und nun sagte die Erscheinung:


Was begehrst du denn von mir,
Ach, mir armen Sünderin?
Wozu läufst du mir denn nach,
Hastest so mir hinterher?
Auf der schweren Pilgerschaft
Hast du dich ja nicht geschont,
Über deine Kraft hinaus
Liefest du mir hinterher,
Solche Arbeit macht ich dir,
Darum sollst du mir verzeihen,
Mir vergeben, dich versöhnen.
Ach, ich darf es ja nicht wagen,
Mich dem frommen Mönch zu zeigen,
Weil ich gänzlich nackend bin
Und ich habe keine Kleider!
Ich ein Weib und du ein Mann!
Doch das ziemt dem Keuschen nicht,
Nackte Weiber anzuschauen,
Nein, das ziemt dir Altem nicht,
Mich, die Nackte, anzugucken.
Wäre hier ein bisschen Laub,
Blätter von dem Feigenbaum,
Ja, so wollt ich mich bekleiden
Und dann kommen, dir zu sagen,
Warum ich im Walde wohne,
Und ich lasse dich erkennen,
Wie mein Leben ich geführt hab
In den Sünden großer Unzucht.

Und Sossima nahm ein Stück


Seines Rockes, gab es ihr.
Jenes Weibchen nahm das Stück
Stoff und hob es dankbar auf
Und sie legte an den Stoff.
Daraufhin sprach sie ihn an:
Und was willst du jetzt von mir?
Was begehrst du jetzt von mir?

Und Sossima sprach zur Frau:


Gnade, Gnade, schöne Frau,
Gib mir bitte deinen Segen!
Und er neigte sich zur Erde.
Da sprach sie: O nein, Sossima,
Wie soll ich den Priester segnen?
Geb der Priester mir den Segen!
Das begehre ich von dir.
Doch der Priester sprach zur Frau:
Nein, geliebte Herrin, nein,
Das wär eine große Torheit,
Wenn ich dir den Segen gäbe,
Du hast ja so tief gelebt
In dem innern Leben Gottes,
Darum gib mir du den Segen!
Da der Priester nicht entbehren
Wollte dieses Weibes Segen,
Wollt sie ihm den Segen spenden
So als hätte sie die Vollmacht.
Sie erhob die Hände, sprach:
Gott, der an dem Kreuz gelitten
Unsertwillen schlimmste Marter,
Daß er alle Welt erlöse
Und die Christenheit gebäre,
Gott soll seinen Trost uns geben
Und das Gnadenleben Gottes,
Daß wir leben in der Gnade
Und nicht in die Hölle kommen.
Herr, du bist gebenedeit!
Schenk uns Paradieseswonnen!
Amen, sprach er, Ja und Amen.

Da sie also ihn gesegnet,


Sprach sie: Guter Mann Sossima,
Sage mir, wie geht’s der Kirche,
Sag, wie geht’s dem Papst in Rom
Und was macht des Kaisers Sache?
Sprach der Priester zu der Frau:
In der Kirche ist ein Frühling
Und ein Heiliger der Papst
Und der Kaiser treu der Kirche.
Alle diese Gnaden haben
Wir durch deine Wirksamkeit,
Deine Buße, dein Gebet
Und dein Sühneopferleiden.
Ich bin sicher, dein Gebet
Ist so eins mit Gottes Willen,
Daß der Herr dir alles schenkt,
Was du von dem Herrn begehrst.
Darum bitt ich dich, o Frau,
Auch um dein Gebet für alle
Priester, Ordensleute, Laien,
Für die ganze Christenheit.
Und ich bitte dich, o Frau,
Daß auch meine Arbeit möge
Tilgen meine vielen Sünden.
Zu dem Priester sprach die Frau:
Ich soll beten für die Priester?
Heiligmäßig bist du, Priester,
Bete du für meine Seele,
Für mich arme Sünderin,
Aber weil du mich gebeten,
Daß ich für die Priester bete,
Will ich dir getreu gehorchen.

Da begann die Frau zu beten,


Da erkannte er an ihr,
Wie im inneren Gebete
Sie verinnerlicht in Gott war.
Was geschah da für ein Zeichen?
Sie drei Meter ward erhoben
In die Lüfte und verzückt
Schwebte sie, sich nirgend haltend,
Bis sie wieder kam zur Erde.
Herr, mein Gott, was soll das werden,
Dachte da der Mann Sossima.
Nein, das wusste nicht der Priester,
Was das alles zu bedeuten.
Doch er dachte nach und dachte,
Daß da sei ein Geist am Werke.

Da er also zweifelte,
Trat sie nah zu ihm heran,
Zu dem Priester sprach die Frau:
Denke nicht, ein böser Geist
Mich verzückte in die Lüfte,
Laß nur ab von deinen Zweifeln.
Ich bin Mensch von Fleisch und Blut,
So wie du von Fleisch und Blut,
Doch empfing ich Christi Taufe
Und die Salbung durch den Geist,
Daß ich in der Gnade lebe.
Laß nur ab von deinen Zweifeln,
Denn wer Gott den Höchsten liebt,
Der wird nicht getäuscht vom Bösen.

O wie froh war da der Alte!


Ihr zu Füßen fiel er nieder,
Küsste ihre bloßen Füße
Mit den Küssen seines Mundes:
Heilig bist du, liebe Frau,
Darin bin ich jetzt gewiss.
Ja, ich bin dir wohlgesonnen.
Gott hat mich zu dir gebracht!
Herrin, bei der Karitas,
Da es Jesus so gefügt,
Daß ich hierher kam zu dir,
Bitt ich dich, erzähle nun,
Woher du gekommen bist,
Wie du kamst in diesen Wald.
Ich hab ja noch nie gehört,
Daß ein Mensch hierher gekommen.
Darum ich begehre sehr,
Daß du mir Erkenntnis schenkst,
Wie du und wodurch gekommen
Du bist in die Einsamkeit
Dieser abgeschiednen Wildnis.
Dann auch schenke mir Erkenntnis,
Ob du lange hier schon lebst,
Kannst du griechisch und Latein,
Kannst du lesen in der Schrift?
Alles das sollst du mir sagen,
Frau, ich bitte dich so sehr!

Als verklungen seine Worte,


Sprach sie: Höre nun, Sossima,
Ich erzähle dir mein Leben
Und beklage meine Sünden.
Ich fang an von Anbeginn
Und will dich erkennen lassen,
Wie ich einst geboren ward.
Hoher Stellung war mein Vater,
Meine Mutter angesehen.
Diese wohnten in Ägypten,
Da ich auch geboren ward.
Aber bald begann mein Geist
Eigenwillig und verloren,
Ungewissenhaft zu sein.
Denn ich ward so frechen Sinnes,
Als ich kaum zwölf Jahre alt,
Daß ich fortlief von dem Vater,
Denn zu lieb war mir die Freiheit.
Ja, so lieb war mir die Freiheit,
Daß ich auch nicht eine Stunde
Still zu Hause sitzen konnte.
Also lief ich aus der Heimat,
Kam nach Alexandria,
In die Hauptstadt von Ägypten,
Die am Mittelmeere liegt,
Da viel Handelsschiffe fahren.
Dorten wollt ich bleiben und
So begann mein Sündenleben.
Ach, mein Mönch, wie schäm ich mich,
Meine Sünden zu bekennen,
Was ich Arme alles tat,
Ich verlor die reine Keuschheit,
War entblößt von allen Ehren,
Wehe mir, Sossima, wehe,
Wie ich fiel in große Sünde,
Wie ich ungeordnet liebte
Ungeordneter Begierde
Und ergab mich animalisch
Meines Triebes Leidenschaft,
Davon alles zu erzählen,
Würde währen all zu lange.
Was soll ich dir weiter sagen?
Dies vor allem tut mir weh,
Daß ich durch die Üppigkeit
Meiner Wollust mit den Männern
Die Jungfräulichkeit verloren
Und die keusche Mädchenreinheit,
Jämmerlich verlor die Unschuld.
Ich hab ja noch mehr verloren,
Ich verlor das Heil der Seele
Und den Ehrenplatz im Chor
Reiner Jungfraun. Ich bekenne,
Daß bedrohliche Gefahren
Griffen an mein Seelenheil.
Alles kann ich dir nicht sagen,
Doch das Wichtigste, das weißt du.

Da begann der alte Mönch


Bitterlich zu weinen, sprach:
Herrin, sprich nicht so zu mir,
Nie bisher in meinem Leben
Konnt ich von der Unzucht hören
Und der Hurerei der Weiber,
Ohne dass es mich betrübte,
Es befleckte meine Ohren
Und bekümmerte mein Herz.

Was soll ich dir weiter sagen,


O Sossima? In der Welt
War nicht eine Sünderin
Solche große Sünderin,
Daß sie unkeusch war wie ich!
Sechzehn Jahre zählt ich kaum,
Da ich nicht gebetet mehr,
Da ich nicht gebeichtet mehr,
Nicht gefastet, nicht gepilgert,
Was ja gute Dinge sind,
Die man Gott zuliebe tut.
Sechzehn Jahre zählt ich kaum,
Da ich mich zu Männern wandte,
Da ich mit den Männern lebte
In der freien Liebe Unzucht,
Außerehelich verkehrte
Hurerisch mit vielen Männern.
Alle nannten mich ein Luder,
Eine geile Buhlerin.
Meinesgleichen fand man keine,
Die so willig sich verschenkte
Jedem Mann, der sie begehrte.
Ich war Lustobjekt in diesem
Sexuellen Kommunismus
Und Gemeinschaftseigentum
Aller, die mich nehmen wollten,
Eine allgemeine Hure,
Die Hetäre der Kommune,
Sexidol der schlimmsten Sünder,
Ich war über alle Maßen
Geil, die allergeilste Fotze!
Sprach der alte Mönch Sossima:
Wohl mir, dass ich dich getroffen!
Deine Worte mich ergötzen,
Nie bisher vernahm ich Worte
Süß und köstlich wie die deinen.
Wie es weiter dir ergangen,
Laß es bitte mich erkennen.
Wie behagen meinem Herzen
Deine zuckersüßen Worte,
Rede weiter, schöne Frau!

Sprach die schöne Frau: Sossima,


Höre weiter, was geschah.
Einmal sah ich viele Leute
Sich versammeln in dem Hafen,
Diese wollten auf das Meer.
Also stand ich auch am Hafen,
Fragte: Wohin wollt ihr reisen?
Einen Mann befragte ich:
Sag mir, wohin willst du reisen?
Warum sammeln sich die Menschen?
Da sprach dieser Mann zu mir:
Frau, wir wollen übers Meer
Reisen ins Gelobte Land
Und zur Stadt Jerosalima.
Da sprach ich zu diesem Mann:
Was tut ihr in jenem Land?
Sage mir davon, Genosse.
Der Genosse sprach zu mir:
Dort gefeiert wird ein Fest,
In der ganzen Christenheit
Wird gefeiert diese Hochzeit
Jedes Jahr am gleichen Tag.
Der Genosse sprach zu mir:
Diese Feier ist die Feier,
Die man Kreuzerhöhung nennt,
Darum unsre Pilgerfahrt,
Sünder, die zum Heiland pilgern.
Als ich dieses Wort vernahm,
Reizte mich das Wort zum Spott,
Dennoch dachte ich im Innern:
Reise mit dem guten Mann,
Seine Seele ist erleuchtet.
Sprach ich also zum Genossen:
Freund, gib du mir einen Rat!
Willst du mich nicht mit dir nehmen
Auf die große Pilgerreise?
Also sagte der Genosse:
Gib mir hundert Drachmen nur,
Denn dann nehm ich dich mit mir.
Also eilte ich zum Schiffe
Wüst wie eine Idiotin,
Wie berauscht von Drogen gar.
Die mich sahen, mussten lachen,
So verloren sah ich aus.
Hohe Herren, ich will mit!
Sagt ich zu den hohen Herren,
Doch sie lachten über mich.
Hohe Herren, leider habe
Ich kein Geld zur Pilgerreise,
Aber nehmt mich bitte mit,
Ich schenk euch als Reiselohn
Meinen Leib und meine Lust!
Das vernahmen alle gern
Und so nahmen sie mich mit.
Ja, mein Herz voll Eitelkeit,
Meine Seele voll Begehren
Und mein Geist in falscher Freiheit
Lockten alle in die Sünde,
Wie ich heute dir bekenne.

O Sossima, was wohl meinst du,


Wer kann davon sagen wohl,
Was ich Böses alles tat!
Wie kann einer leben bleiben,
Das verwunderte mich stets.
Ach ich sollte doch vor Scham
In der Erde Grund versinken.
Ich vermochte vieles über
Jene, die da bei mir waren,
Ob es ihnen lieb gewesen,
Ob es ihnen leid getan,
Alle ließen vom Gebet
Und ergaben sich der Unzucht,
Mancher dachte wenig nur
An der Unzucht Leidenschaft,
Den auch brachte ich zu Fall
Und verlockte ihn zur Sünde.
Ja, ich liebte ohne Maßen
Mit den Lüsten meines Leibes,
Bis wir schließlich übers Meer
Kamen nach Jerosalima.

Als wir nun der Stadt genaht,


Alle Männer pilgerten
Zu der großen Kirche Gottes.
Lange hatten sie begehrt
Nach dem schönen Heiligtum.
Immer, wenn sie müde waren,
Träumten sie von Gottes Kirche.
Ich dagegen nur versuchte,
Manchen edlen Mann zu fangen,
Wie ich ihn verlocken könnte
In der Unzucht wüsten Orden,
In das Heiligtum der Hure,
In den Götzenhain der Wollust.
Und wer ist mir nachgelaufen?
Nach der Kirche fragt ich nicht,
Nach der Kirche des Erlösers.

Und was nun? Es kam dazu,


Daß man feierte das Fest,
Feierte des Lammes Hochzeit
Mit der Braut Jerosalima.
So erhöhte man das Kreuz.
Also ging ich in die Kirche,
Ich ging auch zur Kirche Gottes.
Doch da musst ich stille stehn,
Ich weiß nicht, wie mir geschah,
Meine Glieder zuckten, bebten,
Zuckten vor der Kirchentüre.
Warum bin ich hergekommen,
Was denn hab ich hier gesucht,
Dachte ich in meinem Herzen.
Wieder wollt ich durch die Tür,
Wieder zuckten meine Glieder.
Warum doch geschieht mir das,
Fragte ich mich in dem Innern.
Warum doch besuche ich
Diesen Tempel des Erlösers?
Nein, ich konnte nicht hinein,
Etwas hielt mich da zurück.

Da durchzog mein Herz im Herzen


Eine Reue, eine Buße.
Ach, ich arme Sünderin,
Heidin, Götzendienerin,
Wer kann mir noch helfen jetzt,
Wer kann diese Heidin führen
Zu dem großen Gott der Liebe?
Niemand kann mir helfen als
Nur die Königin der Liebe,
Sankt Maria Gratia Plena,
Gottes Mädchen, Gottes Mutter!
Da sah ich Marias Bild,
Nieder fiel ich vor Maria,
Bat die Königin der Liebe,
Daß sie bitte für die Heidin,
Ach, für die getaufte Heidin
Bitte bei dem lieben Jesus!

Da betrat auch ich die Kirche


Und ich kam zu einem Priester,
Dem bekannt ich alle Sünden,
Legte ab die Lebensbeichte.
Da gab mir der Herr den Rat,
Wenn ich aus der Kirche komme,
Daß ich an den Jordan trete.
An dem Jordanufer fand ich
Eine heilige Kapelle,
Da ein Priester mir gespendet
Christi Fleisch in meinen Mund.
Welchen Trost hab ich gefunden,
Wie ward mir erquickt das Innre!
Wie war tot mein Geist gewesen
Und verurteilt zur Verdammnis,
Aber nun erlöst mein Geist
Durch den Corpus Christi lebte,
So hat mich mein Gott geliebt!

Vor Marias Bildnis kniet ich


Und bat Unsre Liebe Frauen:
Gratia Plena, sei mir gnädig!
Leib und Seele weih ich dir!
Fraue, Königin der Liebe,
Mich, die wilde Sünderin,
Mich, das arme Weib der Weltlust,
Mich vertrau ich ganz dir an!
Ob ich Wonnen finden werde
Oder ob ich Weh erleide,
Will ich dir geloben Treue,
Bei dem Gürtel deiner Charis,
Daß des Dämons Katzenkrallen
Mich nicht mehr zerreißen mögen!
Dazu brauch ich deine Gnade,
Gratia Plena voller Anmut,
Gratia Plena voller Liebreiz!
Hilf du mir mit deiner Gnade,
Daß ich Sühne leisten kann
Und dazu noch sühnen darf
Alle Sünden aller Dirnen!

So kam ich in diesen Wald,


Fünfundvierzig Jahre schon
Lebe ich in diesem Wald
Und mein Leben ist die Sühne.
Fünfundvierzig Jahre sah
Ich nicht Eine Christenseele!
Aber dann geschah mir doch
Unerwartet dieses Glück,
Daß ich dich gefunden habe.

Sprach der gute Mann Sossima:


Sag mir, meine liebe Frau,
Hast du denn nicht sehr gelitten
Im beständigen Gedenken
An die Sünden deiner Jugend?
Da sprach sie: Die Jugendzeit
Wirklich war von schlechten Sitten.
Ach, das muß mich doch betrüben!
Wenn ich daran immer denke,
Wie ich nur genießen wollte,
Essen, Trinken, Schlafen, Lieben!
Unkeusch alle Lust genießen,
Unkeusch meines Leibes Lüste!
Wie der Teufel mit mir spielte,
Daß ich auch nach der Bekehrung
Siebzehn Jahre noch gelitten
An dem Mangel jeder Keuschheit!
Ja, da muß ich doch erschrecken!
Alle meine Glieder beben!
Aber Gott hat mir geholfen
Und zumeist die Gottesmutter,
Daß zuletzt von dieser Not
Ich befreit ward durch die Gnade
Des barmherzigen Erbarmers.
Und so tröstet mich mein Jesus
In den Schmerzen meiner Reue
Und den Tränen meiner Buße
Und den Qualen meiner Sühne,
Jesus, der die ganze Schöpfung
Birgt im herzlichen Erbarmen
Wie im Mutterschoß ein Kindlein!
O Sossima, dies mein Leben.
Bitte du für meine Seele,
Daß sich Gott noch heut erbarme
Über alle meine Sünden,
Die ich Tag für Tag begehe!

Und Sossima hob die Hände,


Sprach: Gebenedeiter Jesus,
Lobpreis deiner Gnade und
Herzlichen Barmherzigkeit,
Alle Himmel sind erfüllt
Von der Herrlichkeit des Herrn,
Auf der Erde auch erscheint
Oft die Herrlichkeit des Herrn.
Jesus, sei gebenedeit,
Du und deine Jungfrau-Mutter,
Jeden Tag auf dieser Erde
Und in Ewigkeit im Himmel.

Sprach die liebe Frau: Sossima,


Geh nun, denn die Zeit ist nahe,
Doch vergiss mich nicht, Sosima!
Und in einem Jahr, zur Zeit,
Wenn der Aschenmittwoch kommt,
Bringe mir den Corpus Christi,
Denn seit über vierzig Jahren
Hab ich nicht geschmeckt den Herrn.

Sie ging wieder in den Wald


Und Sossima in die Zelle,
Doch er dachte allezeit
An die Herrin im Gebet.

Als ein Jahr vorbeigegangen


Und der Aschenmittwoch kam,
Nahm Sossima Christi Leib
Und er ging zum Jordantal,
Ob er wiedersäh die Frau.
Lange ging er durch den Wald,
Ohne dass er sah die Frau.
Eine Stunde später stand
Er am Jordan, da erblickte
Er die Herrin auf dem Wasser,
Auf dem Wasser ging die Herrin!
Ja, Sossima staunte sehr.
Als die Herrin zu ihm trat,
Kniete er vor seiner Herrin.

Aber sie sprach zu dem Priester:


Knie du nicht vor mir, o Mann
Gottes, denn du bist ein Priester,
Und in deinen Segenshänden
Liegt der Corpus Christi in
Der geweihten Hostia.
Also stand Sossima auf
Und die Herrin kniete nieder
Vor dem Leibe ihres Herrn.

Und die Herrin sprach zum Mann


Gottes: Gib mir deinen Segen,
Gottesmann, und laß mich auch
Meines Retters Leib empfangen
Und mit diesem Munde hier
Schmecken meines Gottes Fleisch!

Und der Priester steckte ihr


Christi Leib in ihren Mund
Und sie betete zum Herrn:
Jesus, o mein Gott, nun lässt du
Deine Magd in Frieden scheiden!

Dann sprach sie: Sossima, bitte


Komm in einem Jahre wieder,
Wenn der Aschenmittwoch kommt,
Und begrabe meinen Leib!
Geh zurück in deine Zelle,
Bete du für deine Freundin,
Komm in einem Jahre wieder.
Und Sossima zeichnete
Ihr das Kreuz auf ihre Stirne
Mit geweihtem Wasser Gottes,
Ging zurück in seine Zelle,
Betete für seine Freundin.

Und nach einem Jahre kam


Wiederum der Aschenmittwoch
Und Sossima ging zum Walde,
Doch er fand die Herrin nimmer!
Gott im Himmel, o wo ist sie?
Doch da sah er ihren Leib
Liegen tot in einem Busch.
Wehe, wehe, wehe mir!
Rief Sossima vor dem Leichnam.

Da ertönte eine Stimme:


Gott vom Himmel dir gebietet,
Deine Freundin zu begraben!

Doch wie soll ich sie begraben?


Schau, da kam ein starker Löwe,
Gleich dem Löwen einst von Juda,
Dieser Löwe war sehr herrlich,
Der begrub der Freundin Leib
An dem Tage Aschenmittwoch.

Und Sossima legte weinend


Auf das Grab der lieben Freundin
Ein Marienbild von Holz.

Was des weiteren für Wunder


Und Erscheinungen der Freundin
In Gestalt als weißer Schatte
Ist geschehen an dem Grabe
Und Erhörung von Gebeten,
Kann ich jetzt nicht alles sagen.

Möge uns der Gott der Liebe


Ewiglich genießen lassen
Liebe in dem Paradiese
In Gemeinschaft mit der Freundin
Bei Maria Gratia Plena.
Dazu helf uns Gott der Vater,
Gott der Sohn und Gott der Geist.
Ende der Geschichte, Amen.
MEISTER MILAN UND SEINE UNTERWEISUNGEN IN
DER KUNST DER MEDITATION
ERSTER TEIL
MEISTER MILAN UND SEINE NOVIZEN

Nach Weisung seines eigenen Meisters, siedelte Meister Milan in einen Wald über und wohnte dort
in einer Tigerhöhle. Die Ortsgöttin war dem Meister Milan gnädig gesonnen und ließ sich oft in der
schönsten Erscheinung vor ihm sehen. Sie erteilte ihm viele Gnaden, so dass er in der Meditation
gute Fortschritte machte. Damals kamen fünf Novizen zu dem Einsiedler, um von ihm in die
Weisheit eingeweiht zu werden. Die Novizen sprachen: Die Einsamkeit dieses Ortes und alle
Schrecken dieses Ortes sind sicher sehr behilflich, um in der Meditation voranzukommen? Da sang
Meister Milan folgendes Lied, in dem er seine Einsiedelei beschreibt und davon spricht, was der
Meditation förderlich ist:

Ich verneige mich vor meinem


Meister, neige mich zur Erde,
Meine eigenen Verdienste
Machten, dass ich ihm begegnet.
Diesen Ort hat mir gewiesen
Zur Beschaulichkeit mein Meister.
Hier sind Felder, hier sind Hügel
In dem wunderschönen Lande.
Grünes Gras wächst auf den Hängen,
In dem Grase blühen Blumen,
In dem Wald ist eine Lichtung,
Wo die schlanken Bäume tanzen.
Affen treiben ihre Spiele,
Viele Vögel singen Lieder,
Bienen schweben hin im Fluge.
Täglich scheint ein Regenbogen
Und im Sommer und im Winter
Regen macht die Erde fruchtbar.
Dieses ist der Ort, da Milan
Freudig ist im klaren Lichte
Der Erkenntnis reiner Leere,
Freudig über alle Maßen,
Daß ihm oft erscheint die Klugheit,
Freudig, da so mannigfaltig
Die Erkenntnis ihm gekommen,
Freudig auch in der Verwirrung,
In der Vielfalt ihres Ausdrucks,
Freudig über seinen Körper
Und sein gnadenreiches Karma,
Freudig mitten in den Schrecken
Der Erscheinungen des Dunkels,
Freudig in der Geistesfreiheit,
Frei von törichter Zerstreuung,
Freudig über alle Maßen,
Ob das Leben noch so schwer ist,
Freudig in der körperlichen
Freiheit von des Körpers Krankheit,
Freudig, weil sich meine Leiden
Haben sich in Glück verwandelt,
Freudig über alle Maßen
Wegen meiner Kraft des Geistes,
Freudig bei dem Tanz des Opfers,
Bei dem Tanz vorm goldnen Schreine,
Freudig wegen dieses Schatzes
Meines jetzt gesungnen Liedes,
Freudig über alle Maßen
Über Töne, Worte, Silben,
Freudig, weil sich Worte wandeln
Zu Versammlungen von Worten,
Freudig in der reinen Sphäre
Des vertrauensvollen Denkens,
Freudig über alle Maßen,
Wenn von selbst das Denken aufsteigt,
Freudig, wenn sich dies mein Denken
Offenbart in schöner Vielfalt.

Dann weihte Meister Milan seine Novizen in die richtige Art der Wahrnehmung ein. Und als er
bemerkte, dass die richtige Art der Wahrnehmung in ihnen aufstieg, da sang er folgendes Lied, das
voller guter Ratschläge ist:

Buddha, Körper des Gesetzes,


Lehrer du des Wegs zum Jenseits,
Der mit mitleidvollen Werken
Freude ist der Lebewesen,
Sei du nie von mir geschieden,
Das Juwel sei meiner Krone!

Nun, Novizen meiner Lehre,


Die ihr da sitzt, um zu lernen,
Viele Arten mag es geben,
Die Gesetze auszuüben,
Aber diese meine Übung
Tiefen Weges ist die beste.

Wenn ihr danach strebt, ein Buddha


Schon in dieser Welt zu werden,
Achtet nicht auf eure Liebe,
Nicht auf euren Haß im Leben.
Achtet ihr auf eure Liebe
Und auf euren Haß im Leben,
Tut ihr Gutes, tut ihr Böses
Und verfallt in schlimmen Zustand.

Leistet eurem Meister Dienste,


Aber rühmt euch nicht der Dienste.
Rühmt ihr euch der eignen Dienste,
Wird die Zwietracht euch entzweien,
Euch, die Schüler, mit dem Meister.
Und wenn erst die Zwietracht einschlich,
Kommt ihr nicht ans Ziel des Strebens.

Haltet stets ein die Gelübde,


Darum schlaft nicht bei den Bauern.
Schlaft ihr nämlich bei den Bauern,
So entfaltet ihr den Irrtum.
Ist der Irrtum erst entstanden,
Gehn verloren die Gelübde.

Wenn ihr in der Schrift studieret,


Seid nicht aufgebläht von Hochmut.
Denn wenn existiert der Hochmut,
Dann entstehen Gift und Asche.
Wenn entstehen Gift und Asche,
Dann beschädigt man die Tugend.

Betet ihr bei einem Freunde,


Tut nicht viele Weltgeschäfte,
Denn die vielen Weltgeschäfte
Lenken ab das fromme Streben.
Wird erst abgelenkt das Streben,
Endet des Gesetzes Segen.

Wenn ihr übt die Rituale,


So beschwört nicht die Dämonen.
Streitet ihr mit den Dämonen,
Werdet selber ihr Dämonen.
Und wenn ihr Dämonen werdet,
Seid so schlecht ihr wie die Bürger.

Ist in euch entstanden Weisheit,


Sprecht nicht von besondren Kräften.
Spricht man von besondren Kräften,
Dann entschlüpfen euch die Zeichen.
Geht die Kraft euch erst verloren,
Werden eure Zeichen wertlos.

Wendet stets euch ab vom Bösen,


Von den Sünden und den Lügen.
Laßt euch bei Begräbnisfeiern
Von den Reichen nicht bestechen.
Und wenn ihr den Menschen ratet,
Sollt ihr nicht den Menschen schmeicheln.
Lässigkeit und Faulheit meidet,
Strengt euch fleißig an, Novizen!

Da fragten die Novizen den Meister Milan, auf welche Weise sie sich anstrengen sollten. Daraufhin
unterwies sie Meister Milan in diesem Lied über die rechte Form der Anstrengung:
Meinen Herrn der Gnade bitt ich,
Daß er Freude uns verleihe
An der Weisheit Unterweisung.
Nun, ihr jugendlichen Schüler,
Sollt vergeuden eure Erbschaft
Nicht bei Bürgern in den Städten,
Das sind allesamt Betrüger,
Manchmal gut, doch meistens böse.
Wendet eure ganze Achtung
Zu dem heiligen Gesetze
Und verliert den Weg des Lichts nicht,
Sondern bleibt beim Meister Milan.
Mehr Verdienst als Lohn sei eure
Frömmigkeit und eure Übung.
Steigt die Weisheit auf im Innern,
Seht ihr auch der Gnade Schleier.
Doch ist das noch nicht genügend,
Sondern strengt euch an, Novizen!

Wenn aus Liebe unterwiesen


Werdet ihr in Selbstbeherrschung,
Hört genau dann zu, Novizen.
Wenn ihr lebet in der Ferne
Einsam auf dem hohen Gipfel,
Denkt nicht an die Unterhaltung,
Die Vergnügungen der Bürger.
Denn denkt ihr an das Vergnügen
Und der Bürger Unterhaltung,
Wird euch abgelenkt das Denken
Eures Geistes durch den Bösen.
Darum sammelt euer Denken
Allezeit in euerm Innern.
Doch ist das noch nicht genügend,
Sondern strengt euch an, Novizen!

Lasst ihr nach in eurer Übung,


Denkt doch täglich an das Sterben,
Betet für die Todesstunde
Und seid eingedenk der Übel
Der Geburt im Jammertale.
Seid bereit, euch abzuhärten,
Und denkt nicht an die Vergnügung.
Doch ist das noch nicht genügend,
Sondern strengt euch an, Novizen!

Sucht ihr kluge Unterweisung


In der tiefgeheimen Übung,
Sollt ihr wenig Durst nur haben
Nach dem Wissen der Gelehrten.
Habt ihr viel vom Bücherwissen,
Werdet gleichen ihr den Laien,
Und wenn diese Laien herrschen,
Wird verschwendet sein das Leben.
Fern sei Lässigkeit und Faulheit!
Doch ist das noch nicht genügend,
Sondern strengt euch an, Novizen!

Offenbart sich euch die Weisheit,


Seid bereit nicht zum Geschwätze,
Wenn ihr schwatzt und wenn ihr plaudert,
Stört ihr nur die große Göttin.
Abgelenktheit sollt ihr meiden.
Doch ist das noch nicht genügend,
Sondern strengt euch an, Novizen!

Wenn ihr seid in der Gesellschaft


Eures Meisters, eures Vaters,
Schaut nicht nach des Vaters Fehlern,
Denn sonst seht ihr nichts als Fehler.
Übt nur stets die Geistesklarheit!
Doch ist das noch nicht genügend,
Sondern strengt euch an, Novizen!

Und seid ihr und eure Brüder


In Versammlungen der Weihe,
Achtet nicht auf Amt und Würden,
Denn sonst stört ihr die Gelübde
Durch die Leidenschaft des Neides.
Darum bleibet einig, Brüder!
Doch ist das noch nicht genügend,
Sondern strengt euch an, Novizen!

Wenn ihr bettelt vor den Bürgern,


So betrügt nicht diese Leute
Mit der Schmeichelei der Rede.
Denn wird dieses Volk betrogen,
Dann verfallt ihr selbst in Sünde.
Bleibt nur ehrlich, sagt die Wahrheit!
Doch ist das noch nicht genügend,
Sondern strengt euch an, Novizen!

Niemals lasst, an keinem Orte,


Euch von eurem Stolze leiten
Und von törichter Verliebtheit.
Wenn euch erst beherrscht die Liebe,
Geht die Liebe euch verloren
Zu dem heiligen Gesetze.
Gebt nur auf die Leidenschaften,
Die Betrügerei der Lüste.
Doch ist das noch nicht genügend,
Sondern strengt euch an, Novizen!

Die bereit, sich anzustrengen,


Diesen geb ich diese Vorschrift,
Die in sich so durchaus gut ist,
Sie wird euch zum Heil gereichen:
Seid nur stets bereit zu geben!

Nachdem Meister Milan dies gesungen, übten sich die Novizen in der Versenkung und darin, den
Dingen des weltlichen Lebens gegenüber gleichgültig zu sein. Da baten die Novizen ihren Meister
Milan, sie in der rechten Art der Versenkung zu unterweisen. Der Meister Milan sagte, sie sollten
das Geld nur für Lebensnotwendiges wie Speise und Kleidung verwenden. Und dann sang er dieses
Lied über die Versenkung:

Möge unser Herr und Meister


Uns durch seine Macht es geben,
Daß der Weg des wahren Glaubens
Und die Übung der Versenkung
Werde definiert vollkommen.

Für die rechte Lebensansicht,


Die Verwirklichung der Übung
Und die Früchte eures Glaubens
Sind drei Punkte wirklich wichtig.

Die drei Punkte wahrer Einsicht,


Das ist die Vereinung aller
Der Erscheinung im Gedanken,
Ist die Klarheit des Gedankens
Und das Fehlen aller Selbstsucht.

Die drei Punkte anzuführen,


Zur Verwirklichung bedeutsam:
Einer ist die Übertragung
Aller weltlichen Gedanken
Auf das eine Absolute,
Einer ist der schöne Zustand
Reiner Seligkeit der Weisheit,
Einer ist: Sei stets besonnen.

Die drei Punkte nun der Übung


Sind die Übung in der Tugend,
Die Geduld bei allem Übel
Und des Geistes reine Leere.

Was die Frucht betrifft des Glaubens:


Du erlangst nicht das Nirwana
Als Verschiednes von dir selber,
Meidest nicht das Rad des Daseins
Als Getrenntes von dir selber,
Und dein eigener Gedanke
Wird zu einem Buddha-Zustand.

Einen Punkt nenn ich besonders,


Nämlich den der reinen Leere,
Reiner, absoluter Leere.
Davon redet jeder Meister,
Der verstanden hat die Lehre.
Wenn ihr aber drüber grübelt,
Werdet ihr es nicht verstehen.
Doch versteht ihr es auf einmal,
Dann ist dieser Punkt gewonnen.

Dieses Kronjuwel all jener,


Die da üben die Gesetze,
Hat der Schüler dann gewonnen,
Wenns in seinem Geiste leuchtet.
Darum lasst, o meine Schüler,
Eure Herzen stets frohlocken!

Als Meister Milan dieses Lied beendet hatte, fragten seine Novizen: O Meister Milan, ist es
ausreichend, einen Meister zu haben und ihm in allem zu folgen? Diese Frage gefiel dem Meister,
und darum sang er folgendes Lied mit dem Inhalt, wie man über den Meister denken soll.

Meister, Schüler, Unterweisung,


Diese drei sind eines, Kinder.
Fleiß und Tapferkeit und Glaube,
Diese drei sind eines, Kinder.
Weisheit, Mitleid, Absolutheit,
Diese drei sind eines, Kinder,
Diese kennen stets die Richtung.

Ein vollkommner weiser Meister


Ist ein Meister, der den Weg kennt,
Der erhellt das tiefe Dunkel.
Unermüdlich ist der Glaube,
Der den wahren engen Weg kennt,
Der euch führt zum Glück des Lebens.
Die Verwirklichung der Kräfte
Kennt den schmalen Pfad zum Himmel,
Die Verwirklichung befreit euch
Von Verliebtheit und von Trennung.
Und des Meisters Unterweisung
Nach den Überlieferungen
Ist der wahre Weg zum Lichte,
Offenbarend Buddhas Körper.
Die drei Kostbarkeiten sind es,
Die uns schützen auf dem Wege,
Da ist unfehlbare Wahrheit.
Führen euch des Weges Kenner,
So erreicht der Schüler schließlich
Das Gefilde großer Wonne!
Er verweilt in einem Zustand,
Frei von Grübelei und Störung,
In dem freudenvollen Reiche
Innerlicher Selbsterkenntnis
Und Befreiung von der Sünde
Auf dem festen Fundamente
Sicherer und wahrer Weisheit.
In der Einsamkeit des Tales,
Dort, wo keine Menschen wohnen,
Hallen freudenvolle Lieder
Der Gebildeten wie Donner,
Regen tropft von allen Blättern
Und es blüht des Mitleids Blume
Und die Frucht des reinen Denkens
Ist im Geiste reif geworden
Und die Werke der Erleuchtung
Nun durchdringen alle Dinge.

Als Meister Milan dies gesungen hatte, wollten die Novizen ihn in ihre Heimat einladen: Heiliger
Milan, da die Ruhe deines Geistes unzerstörbar ist, so komm du bitte in unser Dorf und nimm die
Opfergabe der Laien an und verkünde allen Kreaturen die heilige Lehre. – Meister Milan aber sagte:
Es ist meine Meditation in der Einsamkeit, die allen Menschen Gutes tut, und die Kraft eines
Einsiedlers beruht auf seinem Verbleiben in der Einsiedelei. Und so sang Meister Milan seinen
Novizen dieses Lied:

Wir, erwidernd unsres Meisters


Gnade, haben uns versammelt.
Möge uns der Meister segnen
Mit der Reifung unsrer Herzen
Und vollkommener Befreiung.

Nun, ihr würdevollen Schüler


Meiner Weisungen, hier sitzend,
Sing ich euch ein Lied der Lehre
Voll von heiliger Bedeutung:
Wer da Ohren hat, der höre!

Schaut den weißen Leoparden


Auf den schneebedeckten Gipfeln,
Herrscher in der weißen Öde,
Er hat nichts zu fürchten weiter.
Herrschend in dem Schneegefilde,
Das ist seine Kraft und Stärke.

Und der königliche Adler


Auf dem purpurfarbnen Felsen,
Flügel in den Himmel streckend,
Bangt er nicht vorm tiefen Falle,
Sondern strebt zur Himmelshöhe,
Das ist seine Kraft und Stärke.

Unten in den Meereswassern


Schnell bewegt sich dort das Fischlein,
Fürchtet sich nicht vorm Ertrinken,
Das ist seine Kraft und Stärke.

In den Ästen des Gebirgsbaums


Flink bewegen sich die Affen,
Große Affen, kleine Affen,
Fürchten sich nicht vor dem Sturze,
Übermütig ist die Gattung,
Das ist ihre Kraft und Stärke.

In dem Laub der Waldeslichtung


Schleicht sich der gestreifte Tiger,
Fürchtet sich vor keinem Wesen.
Stolz ist er und ist geschmeidig,
Das ist seine Kraft und Stärke.

Hier in dieser Tigerhöhle


Meister Milan übt die Lehre.
Daß das Beten ihm entgleitet,
Fürchtet nicht der Meister Milan.
Er ist ja schon lange einsam,
Das ist seine Kraft und Stärke.

Wie das Mandala zu werden,


Das da reguliert die Sphären
Und die Elemente läutert,
Ohne Angst vor Trug und Irrtum,
Treue zu dem innern Kerne,
Das ist seine Kraft und Stärke.

Wer sich angewöhnt die Übung


Mit den Adern und dem Atem,
Dem bedeutet jede Hemmung,
Jedes Zögern nicht ein Fehler,
Nicht ein Irrtum in der Lehre,
Sie sind nur das Protestieren
Seiner schweifenden Gedanken.

Wenn man erst die Macht der Übung


Eines Würdigen erfahren,
Eines Eingebornen Übung,
Sind verschieden die Gedanken
Nicht aus Weltlichkeit des Geistes,
Sondern Irrtum der Begriffe.

Wenn man bei den Möglichkeiten


Sieht das Gute, sieht das Böse,
Irrt man sich nicht in der Übung,
Sondern unterscheidet weise.

Eremiten, die verstehen,


In der Übung treu zu bleiben,
Sind die winzigen Gelüste
Nach den Dingen dieser Erde
Nichts, dass Neues sie begehren,
Sondern alter Wünsche Rückkehr.
Daß ich auf dem Weg der Lehre
Lieber bleibe ganz alleine,
Ist nicht Heuchelei und Torheit,
Sondern Sehnsucht nach der Einfalt.

Diese Lieder Meister Milans


Sind nicht Torheit eines Toren,
Um die Leute zu zerstreuen,
Sind tiefsinnige Ermahnung
Zu dem Wohle der Novizen.

Als Meister Milan dies Lied gesungen hatte, sagten die Novizen zu ihm: Das ist alles sehr schön, o
Meister Milan, aber wenn du auch in dieser Einsiedelei wohnst, musst du dir doch gegen die
Bedrohungen eine feste Burg aus Versenkung gebaut haben. – Und Meister Milan sprach: Von der
Burg der Versenkung singe ich euch folgendes Lied:

Ich verneige mich vorm Vater,


Vor dem reinen Edelsteine,
Möge er euch segnen, Kinder,
Mit dem Reichtum seiner Hilfe.
Also bitte ich den Vater,
Daß er euch die Weisheit schenke
In der Festung eures Körpers.

Als ich war gequält von Ängsten,


Baut ich eine Burg im Innern.
Diese Burg des absoluten
Seins nahm von mir alle Ängste.

Fror ich, machte ich mir Kleidung,


Innre Wärme war die Kleidung,
Ich verlor die Angst vorm Froste.

Hatte Angst ich vor der Armut,


Suchte ich nach großem Reichtum.
Reichtum waren die Juwelen
Seiner Diamanten-Lehre,
Ich verlor die Angst vor Armut.

Hatte Angst ich vor dem Hunger,


Suchte ich nach guter Speise.
Und mein Angenommenwerden
Von dem reinen Absoluten,
Das war meiner Seele Speise.
Ich verlor die Angst vorm Hunger.

Einsamkeit war meine Schwermut


Und ich suchte eine Freundin.
Und die absolute Leere
Wurde mir intime Freundin
Und es floh von mir die Schwermut.
Aus der Furcht vor der Verirrung
Suchte ich den Weg der Wahrheit.
Das All-Eine, meine Wahrheit,
Nahm die Angst vor der Verirrung.

Und so bin ich reich versehen,


Was man wünschen kann, das hab ich,
Und bin glücklich, wo ich lebe.

Hier in dieser Tigerhöhle


Zittert man vorm lauten Brüllen
Einer Tigerin, so bleibt man
Lieber einsam in der Höhle.
Doch das Spielen ihrer Jungen
Heitert auf den Geist des Mönches,
Schenkt Gedanken der Erleuchtung.

Hört man Affenmütter schreien,


Das bleibt einem im Gedächtnis
Und man fühlt allein die Trauer.
Doch das Schwatzen ihrer Jungen
Lässt den Eremiten lachen
Und man wird beschwingt, beflügelt.

Traurig ist das Lied des Kuckucks


Und man wird gebracht zur Stille.
Doch der Spatzen Lärm erheitert
Ihren Freund, den Eremiten.

Glücklich ist ein Mensch des Glaubens,


Der da lebt allein und einsam
Ohne einzigen Gefährten,
Dennoch kann er leben glücklich.
Mögen Meister Milans Lieder,
Das Frohlocken seiner Lieder,
Lindern alle Menschenleiden!

Nun beschlossen die Novizen, die Welt zu verlassen und weltabgeschieden einsam und allein der
Frömmigkeit zu leben. Und sie erreichten die Grenze der Vollkommenheit. Meister Milans
persönliche Schutzgöttin aber gebot ihm, seinen Blick nach Kalkutta in Indien zu richten und dort
seine Lehre weiter zu entfalten.

ZWEITER TEIL
MEISTER MILANS SCHATZ DES LIEDES

Die Brahmanen, die die Wahrheit


Gar nicht kennen, reden sinnlos
Von der Veden Offenbarung.
Sie bereiten sich mit Erde
Und mit Wasser und mit Gräsern
Vor zur eitlen Opferhandlung,
Die sie sinnlos dann vollziehen.
Sie verbrennen sich die Augen
Mit dem Rauch des Opferfeuers.

Herrschaftlich gekleidet, halten


Sie für weise sich mit ihrer
Lehre der Brahmanen. Sinnlos
Sie mit ihren Eitelkeiten
Wollen diese Welt versklaven.
Doch sie wissen nicht, dass Glaube
Ist das selbe wie Unglaube.

Sie beschmieren sich mit Asche


Ihre Körper. Ihre Haare
Tragen sie verfilzt und schmutzig
Auf den Köpfen. In dem Hause
Zünden sie die Lampen. Sitzend
In den Winkeln ihres Hauses
Klingeln sinnlos sie mit Glocken.

Vorgeschriebner Körperhaltung
Richten sie die Augen starrend
Auf ein Etwas, flüstern Leuten
In die Ohren und betrügen,
Witwen lehren sie und Nonnen,
Nonnen mit geschornen Köpfen,
Weihen ein die kahlen Nonnen,
Nehmen von den Witwen Gelder.

Doch der Weg wird nur verspottet


Durch der Mönche schlechtes Aussehn,
Lange ungeschnittne Nägel.
Schmutzig ist die alte Kleidung
Oder nackend gehn die Mönche,
Ungepflegt sind Bart und Haupthaar.
So versklaven sich die Mönche
Mit der Lehre der Befreiung.

Wird befreit man durch die Nacktheit,


Müssen ja die Hunde frei sein
Und die nackenden Schakale.
Macht die Glatze dich vollkommen,
Müssen glatte Mädchenhüften
Sein der Gipfel des Vollkommnen!

Einen langen Schwanz zu haben,


Ist ein Zeichen der Befreiung?
Dann sind auch befreit die Pfauen
Und die Rinder auf den Wiesen.
Ists der Höhepunkt der Weisheit,
Das zu essen, was man findet,
Dann sind Elefanten weise.

Nein, für diese faulen Mönche


Gibt es keine wahre Freiheit.
Also lehrt euch Meister Milan.
Die sich selbst beraubt der Wahrheit
Übers wahre Glück des Lebens,
Quälen nur die eignen Körper.

Und dann gibt es die Novizen


In der alten Schule. Diese
Wollen ganz der Welt entsagen,
Mönche in der Welt zu werden.
Manche sieht man sitzen, lesen
In den Schriften, manche welken,
Konzentriert auf den Gedanken.

Andre nehmen ihre Zuflucht


Zu dem Großen Wagen. Dieses
Ist die Lehre, sagen jene,
Die die Schriften richtig deutet.
Andre Mönche meditieren
Über Mandalas und Kreise.
Andre mühen sich, die vierte
Stufe der Glückseligkeiten
Ganz exakt zu definieren.

Doch mit solcher Untersuchung


Fallen ab sie von dem Wege.
Manche möchten ihn als Kosmos
Sehen, als ein Universum.
Andre sprechen von dem Wege
Als von der Natur der Leere.
Alle sind sich aber uneins.

Doch wer ohne eingebornen


Genius sucht das Nirwana,
Der kann keinesfalls erlangen
Reine absolute Wahrheit.

Wer mit anderm sich beschäftigt,


Kann Befreiung nicht erlangen.
Bleibt man allzeit meditierend,
Kann man Freiheit dann erlangen?
Wozu sind denn gut die Lampen?
Wozu gut die Opfergaben?
Was kann man durch das Vertrauen
Auf die Mantras denn bewirken?

Wozu gut ist strenge Selbstqual?


Wozu gut sind Pilgerfahrten?
Kann erreichen man Befreiung
Durch das Baden in dem Wasser?

Solcherlei Gebundenheiten
Gib du auf, entsag der Täuschung!
Es gibt andres nichts als Wissen,
Wissen vom geheimen Jenem,
Etwas anderes als Jenes
Kann die Wissenschaft nicht wissen.

Jenes ists, das wird gelesen,


Jenes soll man meditieren.
Jenes wird allein besprochen
In Abhandlung und Legende.
Es gibt keinen Philosophen,
Der nicht Jenes nur zum Ziel hat.
Jenes kann man nur erblicken
Zu den Füßen seines Meisters.

Denn sobald das Wort des Meisters


Eindringt in das Herz des Schülers,
Scheints dem Schüler so, als halte
Schätze er in seinen Händen.
Doch versklavt wird diese Erde
Durch den Trug, sagt Meister Milan.
Und der Tor erkennt nicht wahre
Göttliche Natur der Wahrheit.

Ohne stilles Meditieren,


Ohne strenge Weltentsagung,
Kann man in dem Hause bleiben
Mit der Ehefrau zusammen.
Ist denn das vollkommnes Wissen,
Wenn man nicht erlangt die Freiheit,
Während man genießt die Wollust?
Also lehrt euch Meister Milan.

Ist schon offenbar die Wahrheit,


Warum immer meditieren?
Wenn die Wahrheit ist verborgen,
Zählt man nur die Finsternisse.
Meister Milan ruft: In Wahrheit
Die Natur des Eingebornen
Existiert, nicht existierend.

Vielmehr durch das selbe Wesen,


Das uns ließ geboren werden,
Das erhält uns auch am Leben
Und das lässt uns einmal sterben.
Durch das selbe nur erlangen
Wir die Seligkeit der Seele.
Doch obwohl der Meister Milan
Diese weisen Worte redet,
Kann die Welt ihn nicht verstehen,
Diese eitle Welt der Dummen.

Existiert das eine Wesen


Außer eurem Meditieren,
Was soll dann das Meditieren?
Ist das Wesen unaussprechlich,
Wozu dann all die Dispute?
Ach, versklavt wird diese Erde
Durch den eitlen Schein der Dinge
Und kein Mensch kann je begreifen
Die Natur des Absoluten.

Alle Mantras, alle Tantras,


Alles lange Meditieren,
Konzentrieren auf Gedanken,
Ist nur Selbstbetrug von Toren.
Mach durch all dein Kontemplieren
Doch nicht unrein den Gedanken,
Den Gedanken, der ganz rein ist.
Sondern du verweile innen
In der Seligkeit der Seele
Und heb auf die Qual und Selbstqual.

Iß und trink, ergötz dich sinnlich,


Füll das Mandala mit Opfern,
So gewinnst du einst das Jenseits.
Tritt du auf den Kopf der Toren,
Tritt dem Weltkind auf den Nacken,
Rücke vor zum Ziel des Glaubens!

Wo nicht wandert mehr der Atem,


Wo der Geist nicht mehr umherschweift,
Wo nicht Mond und Sonne scheinen,
Dort, o Mensch, leg du dein Denken,
Leg dein Denken dort zur Ruhe.
Dieses lehrt dich Meister Milan.

Unterscheide nicht die Dinge,


Sondern sieh sie an als Eines.
Mache keine Unterscheidung
Zwischen allen den Familien.
Laß das ganze Universum
Eins sein in dem schönen Zustand
Großer Leidenschaft der Liebe!

Hier ist Anfang nicht, noch Mitte,


Hier ist Ende nicht, noch Anfang,
Nicht Samsara, nicht Nirwana,
In dem Zustand höchsten Glückes
Gibt es weder Ich noch Nicht-Ich.

Was auch immer du betrachtest,


Das ist Es, von vorn, von hinten
Und in allen Dimensionen.
Heute noch laß deinen Meister
Von dir fort die Täuschung nehmen!
Frage keinen andern Meister!

Alle Tätigkeit der Sinne


Endet in der wahren Einsicht,
Selbstvorstellung wird vernichtet,
Freund, so ist des Eingebornen
Körper, Eingebornen Körper,
Den begehr von deinem Meister.

Dort wo der Gedanke halt macht,


Wo die Atemstöße stocken,
Dort ist Seligkeit der Seele.
Andres sollst du gar nicht suchen.

Jetzt ist es so eine Sache


Mit der eigenen Erfahrung.
Aber irre nicht und trotze
Nicht auf deine eigne Meinung.
Nenne Es nicht reines Dasein,
Nenne Es nicht reines Nichtsein,
Auch nicht Seligkeit der Seele,
Um das Es nicht einzuschränken.

Deine eigenen Gedanken


Kenne ganz genau, o Schüler,
Kenne sie wie Wasser, welches
Da begegnet einem Wasser.

Wie denn könnten je die Toren


Durch Versenkung die Befreiung
Je gewinnen? Warum sollte
Man an solche Falschheit glauben?
Traue auf das Wort des Meisters,
Diesen Rat gibt Meister Milan.

Die Beschaffenheit des Himmels


Ist ursprünglich große Klarheit.
Diesen dauernd anzustaunen,
Macht den klaren Himmel trübe.
Also weiß der arme Tor nicht,
Daß in ihm der Fehler gründet.

Schuldig ist der Stolz des Toren,


Der nicht sieht die reine Wahrheit.
Und darum verlästert er auch
Wie ein Dämon alle Weisen.
Wie verwirrt die ganze Welt ist
Von den Meinungen der Lehrer
Und den Philosophen-Schulen!
Keiner wird gewahr der eignen
Heiligen Natur der Seele.

Sie sehn nicht die Fundamente,


Nicht das Fundament des Geistes,
Weil sie selbst bedecken jenes
Eingeborene mit Irrtum.
Doch wo der Gedanke aufsteigt,
Wo sich auflöst der Gedanke,
Dort sollst du verweilen, Lieber.

Der da über Wahrheit nachdenkt


Ohne Fundament der Wahrheit,
Jenem würde eines Meisters
Unterweisung weiterhelfen.
Meister Milan sagt: Du Dummkopf,
Die Verschiedenheit des Daseins
Ist ein Ausdruck von Gedanken.

Keiner kann dir deine eigne


Heilige Natur erklären,
Eines Meisters Unterweisung
Kann allein sie offenbaren.
Nirgends ein Atom vom Bösen
Existiert in deiner Seele.
Der Unglaube und der Glaube
Werden noch geläutert werden
Und zuletzt aufhören gänzlich.

Wer geläutert hat sein Denken,


Kann die Eigenschaft des Meisters
Erst empfangen in dem Herzen.
Weil er dieses weiß, drum Meister
Milan kann dies Liedlein singen,
Sorgt sich nicht um alle Mantras,
Sorgt sich nicht um alle Tantras.

Denn die Menschen sind gebunden


Durch ihr eignes Karma, aber
Durch die Freiheit von dem Karma
Wird befreit der Geist des Menschen.
Die Befreiung seines Geistes
Trägt ihn sicher ins Nirwana.

Geist ist Samenkorn von allem.


Und Samsara und Nirwana
Kommen beide von dem Geiste.
Schenke diesem deine Ehrfurcht,
Welcher wie ein Edelstein ist,
Der erfüllt dir alle Wünsche
Und verleiht dir alle Dinge,
Die nur dein Begehren möchte.

Doch gebunden der Gedanke,


Bringt den Menschen nur die Knechtschaft.
Doch befreit, bringt er die Freiheit.
Daran kann man gar nicht zweifeln.
Was die eitlen Toren bindet,
Das befreit sehr schnell die Weisen.

Doch gebunden stürzen Menschen


Taumelnd hin in jede Richtung.
Doch befreit, der Geist des Menschen
Ruht dann selig in sich selber.
Denk an das Kamel, mein Schüler,
Beim Kamel ist es so ähnlich.

Konzentrier dich auf dich selber,


Halte an die Atemstöße,
Schiele nicht nach deiner Nase,
Halte dich ans Eingeborne,
Fahren lass des Daseins Fesseln.

Bring die ruhelosen Wogen


Deines Atems in Gedanken
Still zusammen und erkenne
Die Natur des Eingebornen,
Dann wirst du von selber stille.

Wenn der Geist erst geht zur Ruhe


Und zerstört die Bahn des Lebens,
Dann wird der Geschmack erst strömen
Eures eingebornen Wesens
Und es gibt nicht ausgestoßne
Kasten mehr und nicht Brahmanen.

Hier ist Ganga, Mutter Ganga,


Hier das heilige Benares,
Hier Kalkutta, unsre Mutter,
Hier das feurige Bengalen,
Hier ist Mond und hier ist Sonne.

Hab gesehen viel Altäre


Und gesehen Wallfahrtsorte
Auf der Wanderung des Lebens,
Doch nie sah ich solchen frommen
Heiligen Altar wie meinen
Eignen Leib zur Opfergabe.

Lotosblumen büschelweise,
Lotosblätter, Lotosblüten,
Blütenblätter, Duft und Ranken,
Laß die Unterscheidung fahren,
Dummkopf, quäl dich nicht mit Torheit!

Wunschobjekte sind die Mantras,


Wunschobjekte die Dispute,
Und als Wunschobjekte fallen
Sie anheim einst der Zerstörung.
Brahma, Vischnu, Schiwa, alle
Kehren heim zu ihrer Quelle.

Kenne du die Eigenarten


Des Geschmacks des Eingebornen.
Den Geschmack des Eingebornen
Leit nicht ab von seinen Teilen.
Der Geschmack des Eingebornen
Ist das Fehlen der Erkenntnis.
Sie, die Kommentare schreiben,
Wissen gar nicht, wie man reinigt
Diese Welt von ihrem Schmutze.

Hör mir zu, mein lieber Schüler,


Der Geschmack ist frei von Irrtum,
Ist ein Zustand höchsten Glückes,
Ist von allem Sein der Ursprung.

Der Geschmack zuletzt ist schließlich,


Was noch überbleibt vom Irrtum,
Von den Schöpfungen der Täuschung,
Wo zerstört der Intellekt wird
Und wo untergeht das Denken
Und wo stirbt der Egoismus.
Warum willst du dort dich also
Mit Versenkung noch beschweren?

Denn ein Ding erscheint auf Erden,


Fällt anheim dann der Zerstörung.
Wenn es hat kein wahres Dasein,
Kanns nicht noch einmal erscheinen.
Frei von Manifestationen,
Frei von der Zerstörung, was denn
Ist es, was ist da entstanden?
Meister Milan hat gesprochen!

Schau und höre, fühle, speise,


Rieche, wandre, sitz und stehe,
Eitelkeit der Eitelkeiten
Gib du auf und die Dispute.
Laß auch ab von den Gedanken
Und lass dich nicht wegbewegen
Von der Einzigkeit des Einen.
Die zu trinken nicht bereit sind
Das Ambrosia des Meisters,
Werden in der Wüste sterben
Und verdursten an Disputen.

Laß du fahren die Gedanken


Und das rationale Denken,
Sei ein Kind von sieben Jahren!
Sei ergeben deinem Meister
Und des Meisters Unterweisung
Und du schaust das Eingeborne.

Dies hat keine Namen, keine


Eigenschaften. Also sag ich,
Daß es nicht erkannt kann werden
Durch Erörterung von Worten.
Wie kann denn die höchste Gottheit
Wörtlich je beschrieben werden?
Wir sind wie die jungen Mädchen,
Sprachlos im Erleben unsrer
Süßen Seligkeit der Seele!

Leer von allen den Begriffen


Eines Daseins oder Nichtseins,
Ist die Welt dort aufgesogen.
Wenn bewegungslos der Geist bleibt,
Bist befreit du von der Selbstqual
Und den Qualen dieses Daseins.

Doch solang das Höchste Eine


Du erkennst nicht in dir selber,
Wie denn könntest du erlangen
Diese unvergleichlich schöne
Form der Formen als das Höchste?
Wo der Irrtum aufhört, sag ich,
Siehst du dich in deiner Wahrheit.

Denke nicht an die Atome,


Denk nicht an die Moleküle.
Unaufhörlich strömt das reine
Sein hervor die höchste Freude.
Solcher Irrtum ist ein Wahnsinn,
Sagt dem Freund der Meister Milan.
Lerne kennen du den reinen
Und vollkommnen Freudenzustand!

Er ist da in seinem Hause,


Sie jedoch geht aus dem Hause,
Sucht ihn außer seinem Hause.
Sie sieht ihren Ehegatten,
Fragt doch noch die Nachbarinnen.
Meister Milan sagt: O Törin,
Kenn dich selbst in wahrer Demut!
Das hat nichts zu tun mit Andacht
Und Versenkung, Konzentrieren
Und der Perlenschnur der Mantras.

Wenn der Meister sprechen würde,


Würde man dann alles wissen?
Ohne alles je zu wissen,
Würde Freiheit man erlangen?
Also reden diese Toren,
Wandern blind umher auf Erden,
Sammeln gierig die Erfahrung.
Doch das eigne Eingeborne
Kennen nicht die blinden Toren,
Sondern sammeln nichts als Böses.

Man genießt die Welt der Sinne


Ohne sündige Befleckung.
Man pflückt weiße Lotosblüten,
Ohne Wasser zu berühren.
So auch wird der fromme Meister,
Der gedrungen ist zur Wurzel,
Nicht versklavt von seinen Sinnen,
Doch genießt er Sinnenfreuden.

Ja, die Gottheit kann man ehren


Und in Trance kann man erblicken
Eine menschgewordne Gottheit!
Doch dem Tode unterworfen –
Was erlöst uns von dem Tode?
Alles das kann nicht vernichten
Dieses Werden und Vergehen.
Ohne gläubiges Vertrauen
Kann man nicht dem Tod entrinnen.

Richtet eure Blicke grade


Nach der Spitze eurer Nase,
Reguliert die Atemstöße,
Macht euch leer von den Gedanken!
Also lehren uns die Lehrer.
Wenn der Schüler nicht mehr atmet
Und gestorben ist der Schüler,
Was ist dann, ihr lieben Leute?

Ist man in der Sinnen-Sphäre,


Dann ergießt sich das Begehren.
Was kann das Problem behandeln?
Wenn man etwas ist in Wahrheit,
Kann man es doch nicht behandeln
Wie ein Arzt den Leib von außen.
Alle die Gelehrten schreiben
In Traktaten und Disputen.
Doch den innerlichen Buddha,
Den erkennen nicht die Leute.
Werden und Vergehen aber
Kann man so doch nicht vernichten.
Aber schamlos sagen jene:
Wir sind die gelehrten Leute!

Der, der unter Lebewesen


Niemals alt geworden wäre,
Wäre frei von Tod und Alter.
Aber das ist doch unmöglich.
Aber auf das Wort des Meisters
Hin wird dir der Geist erleuchtet.
Gibt es denn auf Erden einen
Andern Schatz als die Erleuchtung?

Der, der nicht benutzt die Sinne


Und verbleibt in reiner Leere,
Ist ein Vogel, welcher auffliegt
Von dem Schiffe, das vorbeifährt,
Und dann umkehrt und sich wieder
Niederlässt auf diesem Schiffe.

Laß dich aber nicht mehr fangen


Von der Bindung an die Sinne,
Dieses sagt dir Meister Milan.
Denke an den Fisch, den Falter,
Elefanten, Bienen, Panther!

Was auch aus dem Geiste ausströmt,


Das hat die Natur von jenem
Wesen, welchem es entsprudelt.
Wogen sind doch gleich dem Wasser?
Die Natur der Wasserwogen
Ist dieselbe wie des Raumes
Strömende Natur des Wassers.

Wer spricht hier? Und wer hat Ohren?


Was will ich dir anvertrauen?
Wie der Staub in einem Tunnel
Unten in verstaubter Erde,
So geht das, was in dem Herzen
Dir entsteht, in deinem Herzen
Innen wieder auch zur Ruhe.

Dringt das Wasser in das Wasser,


Schmeckt das Wasser auch wie Wasser.
Also Sünde oder Tugend
Werden angesehn als Eines,
Da ist keine Unterscheidung.
Häng dich nicht an die Begriffe
Reiner absoluter Leere,
Sondern jedes Ding betrachte
Eins wie alle andern Dinge.
Selbst die Schale eines kleinen
Sesamkorns kann dich verletzen
Wie die schargespitzten Pfeile.

Ist ein Ding auf eine Weise,


Ist ein andres Ding ein andres.
Deine Taten sind wie Steine,
Die dir jeden Wunsch erfüllen.
Seltsam doch, wie die Gelehrten
Durch den eignen Irrtum leiden
Schweren Kummer in der Seele!
Nur im wahren Selbst-Erlebnis
Ruht die Seligkeit der Seele.

In der Seligkeit sind alle


Formen mit des Raumes Gleichheit
Ausgestattet und natürlich
Die Natur der gleichen Gleichheit
Macht die Geister unbeweglich.
Ist der Geist nicht mehr vom Geiste,
Scheint hervor das Eingeborne.

Hier und dort wird in den Häusern


Laut erörtert diese Sache,
Doch das Fundament der Freude
Bleibt dort unbekannt den Leuten.
Diese Welt ist von Gedanken
Ganz versklavt, sagt Meister Milan.
Niemand hat erkannt den reinen
Nicht-Gedanken, Kindes Torheit.

Zwar in vielen frommen Schriften


Offenbart wird ein Gebieter,
Dieser Herr und Meister zeigt sich
Dir entsprechend deinem Wunsche.

Dieser Herr, das bist du selber,


Andre Menschen sind die Feinde,
Also denken diese Leute
Disputierend in den Häusern.
Wenn der Mensch nur speist das eine,
So verzehrt er alles andre.
Sie geht aber aus dem Hause
Und sucht draußen ihren Meister.

Aber man sieht ihn nicht kommen,


Weiß nicht, wo er ist und wandelt,
Zeichenlos und ohne Wandel
Man erkennt den Herrn, den Höchsten.

Wenn du nicht das Kommen aufgibst,


Wenn du nicht das Gehen aufgibst,
Wie kannst du dann dieses Seltne,
Diese Herrlichkeit erlangen?

Der Gedanke ist ein reiner,


Wenn er ganz entspricht der Stirne.
Denk an keine Unterschiede
In dir selbst, in deinem Herzen.
Gibt es keine Unterscheidung
Zwischen Sprache, Geist und Körper,
Dann scheint auf das Eingeborne.

Wie kann andres dort entstehen,


Wo die Hausfrau und die Gattin
Ganz verschlingt den Ehegatten?
Unvergleichlich sind die Werke
Dieser Schülerin der Weisheit.

Sie verschlingt den Ehegatten,


Es erscheint das Eingeborne.
Da sind keine Leidenschaften
Noch auch fehlen Leidenschaften.
Still bei ihrem Eignen sitzend,
Ganz vernichtet all ihr Denken,
So sah ich die Frau, die weise.

Und man isst und trinkt und denkt auch,


Was nur irgendeinem einfällt.
Es ist jenseits doch des Geistes,
Unvorstellbar, dieses Wunder
Einer Schülerin der Weisheit.

Hier verlieren Mond und Sonne


Die Verschiedenheit am Himmel.
Himmel, Unterwelt und Erde
Werden in dem Weib gebildet.
Kenne diese Frau, die weise,
Die vollendet den Gedanken,
Mutter sie des Eingebornen.

Ach, die ganze Welt muß dulden


Große Qualen von den Worten!
Keiner kommt doch ohne Wort aus.
Ist man aber frei von Worten,
Dann versteht man erst das Wort recht.

So wie außen so auch innen,


Sicher auf der höchsten Stufe,
Sind die körperlosen Formen
In der Körperform verborgen,
Der dies weiß, der findet Freiheit.

Einst ich pflegte herzusagen


Aus dem Lehrbuch diese Worte:
Auf nun zum Erfolg, o Meister!
Doch ich trank vom Elixiere
Und vergaß das Wort des Buches.
Es gibt ja ein Wort allein nur,
Daß ich jetzt noch geistig kenne
Und ich kenn nicht seinen Namen.

Kann denn der gewinnen Freude


In den Armen der Umarmung,
Der nicht weiß, dass alle Wesen
Mit ihm sind das gleiche Wesen?
Er gleicht einem Hirsch voll Durste,
Der da eilt zur Wasserquelle
Und sieht nichts als Spiegelbilder,
Jener wird vor Durst versterben.
Wie kann er die Quelle Gottes
In der Wahrheit je erreichen?

Stoffe, Elemente, Sinne,


Die Organe unsrer Sinne
Sind das Wasser dieses Lebens.
In dem Lied des Meisters Milan
Keine Wahrheit wird verschwiegen.

Also, ihr Gelehrten, bitte


Seid geduldig doch mit Milan.
Nämlich hier gibt es kein Zögern.
Was ich aus dem Munde meines
Eignen Meisters einst vernommen,
Warum sollt ich davon sprechen
Auf geheimnisvolle Weise?

Jene segensreiche Wonne


Zwischen dem Juwel des Gottes
Und der Seele Lotosblume –
Wer frohlockt da nicht vor Freude?
Wessen Hoffnungen auf Erden
Nicht erfüllte diese Freude?

Dieser Augenblick kann Freude


Sein des Mittels, oder beides,
Glück des Mittels und der Weisheit,
Und durch Gnade ihres Meisters
Und die eigenen Verdienste
Tat sie mancher schon erkennen.
Sie ist tief und weit, die Freude,
Sie ist nicht das Selbst des Menschen
Noch ist sie die andern Dinge.
Kenne dieses Selbst-Erlebnis
Dieses Eingebornen innen
In dem höchsten Augenblicke!

Wie der Mond erhellt das Dunkel,


So entfernt die höchste Freude
Augenblicklich die Befleckung.

Ist die Sonne deiner Leiden


An dem Horizont versunken,
Dann steigt auf die höchste Freude,
Herr der Myriaden Sterne.
Sie erschafft mit Schöpferkräften
Und durch sie entsteht der Weltkreis,
Dieses Mandala des Kosmos.

Sieh Gedanken als Gedanken,


Tor, und laß du ab vom Irrtum.
Du erlange die Purgierung
In der Seligkeit der Seele,
Hier liegt das vollkommne Wesen.

Nicht zu zweifeln, nicht zu zögern,


Du befrei den Elefanten,
Jenen, der dein eigner Geist ist.
Möge er des Flusses Wasser
Trinken und am Ufer bleiben,
Wie es ihm gefällt, mein Schüler.

Festgehalten in dem Rüssel,


In dem Elefantenrüssel,
Der jetzt darstellt unsre Sinne,
Wir erscheinen völlig leblos.
Doch der Meister wird entschlüpfen,
Wie ein Reiter weiterreiten.

Wie im Himmel das Nirwana


So auf Erden das Samsara.
Da ist keine Unterscheidung,
Ich erkenne sie als Reinheit.

Sitze nicht allein zu Hause,


Geh spazieren nicht im Walde,
Sondern deinen Geist erkenne,
Wo du immer bist, mein Schüler.
Weilt man ganz in der Erleuchtung,
Was ist weiter dann Samsara,
Was ist weiter dann Nirwana?
Lieber, lerne diese Wahrheit,
Daß Erleuchtung nicht im Hause
Wohnt und nicht im dunklen Walde.
Mache keine Ausflucht, sondern
Werde frei im Eigenwesen
Eines unbefleckten Denkens!

Das bin ich und das ein andrer,


Also sagen eitle Toren.
Mach dich frei von dieser Fessel,
Die dich rings umgibt mit Ketten,
Und dein Selbst wird Freiheit finden.

Du begehe keinen Irrtum,


Was das Selbst betrifft, die Andern.
Alles ist der eine Buddha.
Hier ist jene unbefleckte
Letzte Stufe der Erleuchtung,
Wo das Denken ist gereinigt.

O, der schöne Baum des Denkens,


Unbekannt ist ihm die Zweiheit,
Breitend alle seine Äste
Durch das ganze Universum,
Trägt er Blüten, Frucht des Mitleids,
Und sein Name ist: Der Diener
Aus Erbarmen an den andern.

Dieser schöne Baum der Leere


Ist beladen reich mit Blüten,
Mitleids-Taten aller Arten
Und mit Früchten auch für andre,
Früchten, die von selbst erscheinen,
Denn die Seligkeit der Seele
Eigentlich denkt nicht an andre.

Und so fehlt dem schönen Baume


Reiner Leere auch das Mitleid,
Ohne Blüten, ohne Blätter,
Und wer immer glaubt, da seien
Blüten, Laub, der fällt herunter,
Denn es gibt dort keine Äste.

Beide Bäume Einem Samen


Sind entsprungen, deshalb gibt es
Eine Frucht nur. Wer da weise
Als ununterscheidbar ansieht
Diese Bäume, findet Freiheit,
Wird befreit von dem Samsara,
Wird befreit auch vom Nirwana.

Wenn ein Mann in Not sich nähert


Und enttäuscht dann wieder weggeht,
Ist es besser, dass er dieses
Haus links liegen lässt als dass er
Jene Speiseschale annimmt,
Die ihm nachgeworfen wurde.

Andern Menschen nicht zu helfen


Und den Armen nichts zu geben,
Sind die Früchte von Samsara.
Besser ist es aufzugeben
Die Idee vom Ich des Menschen.
Wer sich hält an reine Leere,
Der sich nicht um Mitleid kümmert,
Der erreicht nicht das Vollkommne.
Der, der aber übt Erbarmen,
Doch sich hält nicht an die Leere,
Der erlangt nicht die Befreiung
Von den Qualen dieses Daseins.
Nur wer beides übt, die Leere
Und das herzliche Erbarmen,
Der bleibt nicht mehr in Samsara,
Der steigt über das Nirwana.

DER ROSENKRANZ

DIE FREUDENREICHEN GEHEIMNISSE

ERSTES GESÄTZ

Sankt Maria war am Brunnen


In dem kleinen Blumenstädtchen
Nazareth, denn das bedeutet
Flora oder Blumengarten.

Dort am tiefen Wasserbrunnen


Hörte sie des Engels Stimme,
Gabriel, die Stärke Gottes,
Sprach zu Unsrer Lieben Frauen.

Sankt Maria in der Kammer


War in Nazareth, im Hause.
Josef war dieweil auf Reisen,
Als ein Zimmermann auf Arbeit.
Gabriel, die Stärke Gottes,
Grüßte Unsre Liebe Frauen:
Freue dich, Gebenedeite,
Gnadenvolle, Mutter Gottes!

Chaire, Kecharitomene,
Sprach der Engel zu der Jungfrau,
Voll der Gnade bist du, Herrin,
Von der Stunde der Empfängnis.

Du sollst Mutter Gottes werden.


Sankt Maria staunte mächtig:
Wie soll das geschehen, Engel,
Da ich keinen Mann erkenne?

Unsrer Lieben Frau Gelübde


War Jungfräulichkeit, war Keuschheit.
Sie war eine Tempel-Jungfrau
Und ihr Bräutigam war Jahwe.

Gottes Kraft wird überschatten


Dich wie einst die Wolke Gottes
Überm Offenbarungszelte
Nieder sich gelassen hatte.

Gottes Kraft wird in dir schaffen


Deine Leibesfrucht, Maria,
Der wird heißen Sohn des Höchsten,
König wird er sein der Juden.

Als der Engel dies gesprochen,


Unsre Frau empfing im Ohre:
Mir gescheh nach deinem Worte,
Denn ich bin die Sklavin Gottes.

Als Maria sprach ihr Ja-Wort,


Gott erschuf in ihrem Schoße
Gottes Logos seine Menschheit,
Jesus Christus ist sein Name.

ZWEITES GESÄTZ

Sankt Maria hüpfte eilend


Wie Gazellen über Hügel
Zu Elisabeth, der Tante,
Denn Elisabeth war schwanger.

Zwar als unfruchtbar gegolten


Hatte ihre Tante, aber
Jetzo war sie dennoch schwanger
Durch die Gnade unsres Schöpfers.

Als Elisabeth gesehen


Sankt Maria, die sie grüßte,
Hüpfte in dem Bauch ihr Baby,
Sprang Johannes hoch vor Freude.

O wer bin ich, o Maria,


Daß die Mutter meines Gottes
Zu mir kommt? Es hüpft vor Freunde
Meine Leibesfrucht im Schoße.

O du Allgebenedeite,
Allerschönste aller Frauen,
Selig bist du, die geglaubt hat,
Was der Schöpfer dir verkündet.

Sankt Maria sang den Lobpreis:


Meine Seele jauchzt frohlockend
Über meines Gottes Größe,
Über Jahwe, meinen Retter!

Auf die Demut seiner Sklavin


Hat geschaut der Höchste gnädig.
Selig preisen mich von nun an
Alle Generationen.

Großes tat an mir der Höchste,


Heilig, heilig ist sein Name.
Er erbarmt sich seiner Kinder
Und ist gnädig den Geliebten.

Jahwe stürzt vom Thron die Herren,


Stürzt die Mächtigen und Reichen.
Er erhebt die armen Menschen,
Alle Elenden und Kleinen.

Jahwe denkt an sein Erbarmen,


Das er Abraham verheißen,
Jahwe denkt an seinen Liebling
Israel, den Sklaven Jahwes.

Sankt Maria blieb drei Monde


Bei der heimgesuchten Tante,
Bis die Tante hat geboren
Den Propheten Sankt Johannes.

DRITTES GESÄTZ

Als Augustus ließ die Völker


Zählen in den Steuerlisten,
Reiste Josef mit der Gattin
In die Stadt des Königs David.

Josef war vom Stamme David


Und Maria, seine Gattin,
Stammte ab vom Hause David,
Wie es uns die Schrift berichtet.

Und sie kamen zu den Häusern,


Aber wurden abgewiesen,
Da war nur noch eine Grotte,
Daß Maria dort gebäre.

Josef blieb am Grotteneingang


Und Maria war im Innern,
Plötzlich schwebte Sankt Maria
Und erhob sich von der Erde

Und sie wurde licht und strahlend


Und aus ihrem Strahlenglanze
Kam hervor der Logos Gottes,
Gottes Logos, Fleisch geworden.

Sankt Maria war noch Jungfrau,


Als sie Gottes Sohn empfangen.
Sankt Maria auch als Jungfrau
Hat den Gottessohn geboren.

Sankt Maria blieb auch Jungfrau,


Da sie Gottes Sohn geboren.
Jesus Christus nicht verletzte
Die Jungfräulichkeit der Mutter.

Josef und Maria legten


Jesus in die Futterkrippe
Und verharrten in Anbetung
Vor dem menschgewordnen Gotte.

Und Maria legte Windeln


Jesus an von reinem Leinen
Und sie legte Jesus stillend
An die bloßen Mutterbrüste.

Jesus, denke im Gerichte


An Mariens bloße Brüste,
Richt uns nicht wie reine Geister,
Sondern als die Söhne Evas.

VIERTES GESÄTZ

Aber vierzig Tage später


Nach der Reinigung Mariens
Brachten Josef und Maria
Jesus in den Tempel Gottes.

Und da sahen sie den greisen


Simeon, der war im Tempel,
Dahin er geführt vom Geiste
Gottes ward in jenen Tagen.

Gott verhieß dem greisen Manne:


Simeon, du wirst nicht sterben
Eher, als du selbst gesehen
Gottes Heiland, den Messias.

Jetzt erkannte dieser greise


Simeon im Jesuskinde
Den Messias, und er sagte:
Lob und Ruhm sei dem Messias!

Herr, jetzt kann ich ruhig sterben,


Nämlich meine Augen sahen
Gottes Heiland, den Erlöser,
Der die ganze Welt erleuchtet.

Dieser ist von Gott gegeben,


Israel zur Auferstehung
Und den Heiden zur Erleuchtung
Und als Heiland aller Menschen.

Und damit die Menschenherzen


Offenbaren ihre Tiefen,
Wird der Mutter des Messias
Schmerz durch ihre Seele dringen,

Sieben Schwerter ihrer Schmerzen


Werden Unsre Frau durchbohren
Und sie wird mit dem Messias
Bei dem Kreuzestode leiden,

Miterlöserin Maria
Wird den Sohn dem Vater opfern
Und mit dem durchbohrten Herzen
Mutter werden aller Menschen.

Sankt Maria das bewahrte


In dem femininen Herzen,
Meditierte diese Worte,
Wie die Kuh sie wiederkäuend.

FÜNFTES GESÄTZ
Josef und Maria zogen
Nach Jerusalem mit Jesus,
Als zwölf Jahre alt der Knabe
Jesus war, voll Gnad und Weisheit.

Jesus Christus ging verloren


Seiner tiefbesorgten Mutter
Und sie suchte ihn voll Schmerzen,
Voll Verzweiflung und voll Ängsten.

Schließlich fand sie ihren Jesus


Bei den Schriftgelehrten sitzen,
Er befrug die Schriftgelehrten,
Was die Schrift sagt vom Messias.

All die greisen Schriftgelehrten


Staunten über diesen Knaben,
Seine Klugheit war erstaunlich,
Seine Freundlichkeit war maßlos.

Er beschämte alle Weisen,


Denn er war die Weisheit selber.
Mehr als alle Schriftgelehrten
War er, selbst das Wort des Vaters.

Josef und Maria sagten:


Unser Söhnchen, warum tatest
Du uns dieses an und gingest
In Jerusalem verloren?

Suchten wir dich doch in Ängsten,


In Verzweiflung und in Schmerzen.
Jesus sagte zu der Mutter:
Ich muß sein im Haus des Vaters.

Sankt Maria, nicht verstanden


Hat sie ihres Sohnes Worte,
Doch bewegte sie im Herzen,
Seine Worte meditierend.

Sankt Maria, hilf den Christen,


Die das Wort oft nicht verstehen,
Gottes Worte zu bewegen
Meditierend in dem Herzen.

Laß uns sein wie liebe Kühe,


Die die Gräser wiederkäuen,
Daß wie Kühe wiederkäuen
Wir die Worte unsres Gottes.

Denn wir trauen Gottes Worten,


Trauen Gottes Offenbarung,
Sind wir doch wie Schriftgelehrte,
Jesus ist die Weisheit Gottes.

DIE LICHTREICHEN GEHEIMNISSE

ERSTES GESÄTZ

Jesus wandelte zum Jordan,


Wo Johannes Büßer taufte:
Seht, da ist das Lamm des Gottes,
Das hinweg trägt alle Sünden.

Agnus Dei, Agnus Dei,


Habe du mit uns Erbarmen!
Agnus Dei, Agnus Dei,
Bitte gib uns deinen Frieden!

Und Johannes taufte Jesus


Und da tat sich auf der Himmel,
Die Dreifaltigkeit des Gottes
Tat sich deutlich offenbaren.

Denn der Vater sprach vom Himmel:


Jesus ist mein Sohn, mein Liebling!
Und der Geist kam auf den Christus
Schwebend wie die Liebestaube.

Seele, höre du den Vater:


Kind, ich liebe dich von Herzen
Und ich habe Wohlgefallen,
Kind, an deiner schönen Seele!

Doch der Täufer Sankt Johannes


War zu Gaste bei Herodes,
Da die Salome getanzt hat
Wie die wildeste Bacchantin.

Salome, nur leicht bekleidet


Mit dem transparenten Hauchkleid,
Sie ließ alle Schleier fallen
Und betörte so Herodes.

Und Johannes hat verloren


Seinen Kopf, auf einer Schale
Trug das Mädchen seinen Schädel
Zu Herodias, der Mutter.

Hüte dich, Prophet des Höchsten,


Vor dem Reiz des jungen Mädchens,
Bei des hübschen Mädchens Bauchtanz
Könntest du den Kopf verlieren!

Wie der Täufer Sankt Johannes


Hat sein Leben hingegeben,
Also muß auch der Messias
Opfern Leib und Blut und Seele.

ZWEITES GESÄTZ

Eine Hochzeit war in Kana,


Kana war in Galiläa,
Und da war die Mutter Jesu
Von dem Brautpaar eingeladen.

Und da war mit Jesu Mutter


Jesus da mit seinen Jüngern.
Sieben Tage ging die Hochzeit,
Und die Hochzeitsgäste tranken.

Böse Zungen nun behaupten,


Daß die heiligen Apostel
Viel getrunken von dem Rotwein
Und am allermeisten Petrus.

Ach, da waren leer die Fässer.


Jesu Mutter, sehr sensibel,
Sah, dass leer die Fässer waren:
Ach, sie haben keinen Wein mehr!

Jesus, Retter und Messias,


Die Propheten schon verhießen
Eine Heilszeit des Messias,
Da es nur so strömt von Rotwein!

Als einst Josua und Kaleb


Sind nach Kanaan gekommen,
Sahn sie solche großen Trauben,
Daß man sie nicht tragen konnte.

Jesus, Retter und Messias,


Zeige jetzt dem Volk der Juden,
Daß du wirklich bist Messias:
Schaffe große Mengen Rotwein!

Was gab Jesus da zur Antwort?


Hat denn Recht Martinus Luther?
Sprach den Jesus: Weib, was habe
Ich denn gar mit dir zu schaffen?

Nein, Messias Jesus sagte:


O du Frau der Offenbarung,
Was erbittest du von Jesus?
Ist jetzt meine Zeit gekommen?

Jesus wandelte das Wasser


In den allerbesten Rotwein,
Sieben Fässer voller Rotwein,
Jedes Faß einhundert Liter.

Ja, die Heilszeit des Messias


Ist gekommen! Rotwein flutet,
Alle Fässer überlaufen
Von dem allerbesten Rotwein!

DRITTES GESÄTZ

Jesus sprach vom Himmelreiche,


Von der Basilea Gottes,
Jesus sprach in manchem Gleichnis
Wie ein weisheitsvoller Dichter.

Gott der Vater ist ein König,


Der für seinen Sohn, den Liebling,
Eine Hochzeitsfeier wollte,
Bräutigam ist der Messias.

Und da waren Jungfraun, Bräute,


Die erwarteten die Hochzeit,
Unter ihnen waren Weise,
Unter ihnen waren Toren.

Auf den Bräutigam zu warten


Ward den Jungfraun fast zu lange,
Also sind sie eingeschlafen,
Müde waren sie des Wartens.

Um die Mitternacht kam endlich


Doch der Bräutigam zu seinen
Weisen Jungfraun, dummen Jungfraun,
Da sie allesamt erwachten.

Und sie wollten ihre Lampen


Zünden an mit ihrem Öle
Und dem Bräutigam entgegen
Gehen in den Hochzeitshimmel.

Und die weisen Jungfraun hatten


Öl für ihre Hochzeitslampen,
Doch die dummen Jungfraun hatten
Für die Lampen nicht das Öl mehr.

Und die weisen Jungfraun gingen


Mit dem Bräutigam zur Hochzeit
In die eheliche Kammer,
Zu vollziehen ihre Ehe.

Salomo erwählte aber


Gottes Hagia Sophia
Sich zur mystischen Gemahlin
In der religiösen Ehe.

Diese Ehe mit Sophia


Ist zwar geistlich, doch auch wirklich,
Doch das Weltkind und der Dummkopf
Nicht begreifen dies Geheimnis.

VIERTES GESÄTZ

Jesus ging zum Berge Tabor,


Ging zum Berge der Verklärung,
Nahm mit sich die Donnersöhne
Und den Liebling, Papa Petrus.

Jesus schwebte überm Gipfel,


Seine Kleider waren strahlend,
Weiß die leuchtenden Gewänder,
Weiß wie erster Schnee im Winter.

Und um Jesus Christus schwebten


Moses und Elias, beide
Sprachen mit dem Sohne Gottes
Von dem Kreuzweg, den er gehn muß.

Moses auf dem Berge Moabs


Sah schon die verheißnen Auen,
Das Gefild von Milch und Honig,
Aber durft sie nicht erobern.

Moses starb auf Moabs Bergen


Und der Herr begrub ihn selber.
Michael stritt da mit Satan
Um des Moses Löwenseele.

Und Elias fuhr gen Himmel


Auf den feuerroten Pferden,
Und sein Jünger, der Elisa,
Sah ihn in den Himmel fahren.

Wagen und Gespann der Kirche!


Rief Elisa nach Elias,
Und bekam von seinem Geiste
Und auch des Propheten Mantel.
Papa Petrus sprach im Traume:
Hier ist es nun gut zu wohnen!
Schlagen wir nun auf die Zelte
Für Elias, Moses, Jesus.

Aber da verschwanden beide,


Moses und Elias schwanden,
Einzig blieb da Jesus Christus
Auf dem Berge der Verklärung.

Und Gott Abba sprach vom Himmel


Aus der Wolke wie ein Donner:
Jesus ist der Sohn des Höchsten,
Ihm allein sollt ihr gehorchen.

FÜNFTES GESÄTZ

Jesus saß beim Abendmahle,


Bei dem Letzten Abendmahle,
Nach dem Brauch der Juden aß er
Von dem frommen Osterlamme.

Denn als Israel befreit ward


Von der Knechtschaft in Ägypten,
Hat gerettet sie allein das
Blut von einem Passah-Lamme.

Jesus aber will befreien


Alle Menschen dieser Erde
Von der Sklaverei der Sünde
Und des Teufels und des Todes.

So der jüdische Messias


Nahm das Brot des Passah-Mahles,
Brach das Brot und sagte: Nehmet,
Esset, denn dies ist mein Körper!

So wie dieses Brot gebrochen,


Wird mein Körper auch gebrochen,
An dem Kreuze der Erlösung
Wird mein Körper hingeopfert.

Jesus nahm den Kelch des Weines,


Dankte Gott und gab den Becher
Seinen Jüngern, den Aposteln:
Trinkt mein Blut des neuen Bundes!

Denn das Blut von Jesus Christus


Wird vergossen als die Sühne
Aller Sünden aller Menschen,
Zur Erlösung vieler, vieler!
Als Messias Mensch geworden,
War verborgen seine Gottheit.
Als Messias Brot geworden,
War verborgen seine Menschheit.

In dem Brot und Wein verborgen


Ist der Leib, das Blut, die Seele
Und die Gottheit Jesu Christi,
Daß wir Gottes Sohn empfangen.

Wenn wir speisen Christi Körper,


Werden wir von dieser Speise
Umgewandelt in den Christus
Und empfangen Gottes Leben.

DIE SCHMERZENSREICHEN GEHEIMNISSE

ERSTES GESÄTZ

Nach dem Abendmahl ging Jesus


Nach Gethsemane, dem Garten,
Wo das Öl gekeltert wurde
Aus den Früchten an dem Ölbaum.

Jesus nahm mit sich die liebsten


Jünger, Jakob und Johannes
Und den lieben Papa Petrus,
Seine eingeweihten Freunde.

Jakob und Johannes legten


Schlafen sich und Papa Petrus,
Sei es nun vom schweren Weine
Oder weil sie voller Trauer.

Jesus also war alleine


In dem Garten voller Trauer
Und er sah voraus im Geiste
Seine Kreuzigung, sein Sterben.

Gott war Jesus, eines Wesens


Mit dem Vater, Gott vom Gotte,
Göttlich die Substanz des Vaters,
Göttlich die Substanz des Sohnes,

Aber angenommen hatte


Jesus die Natur des Menschen,
Und als Mensch war er voll Schrecken
Vor der Kreuzigung, dem Tode.
Und er betete: Mein Abba,
Randvoll ist der Kelch des Leidens,
Übervoll von herbem Weine
Deines Zornes auf die Sünde,

Abba, laß doch diesen Becher


Leid an mir vorübergehen,
Wenn es möglich ist, mein Abba,
Daß ich diesen Kelch nicht trinke.

Nicht wie ich will, lieber Abba,


Sondern dass gescheh dein Wille!
Dankbar nehm ich, ohne Zittern,
Diesen Kelch aus deinen Händen.

Gute Mächte nun umgaben


Jesus, und er trat zu Petrus
Und den beiden Donnersöhnen:
Warum schlaft ihr, meine Freunde?

Und da nahte der Verräter


Judas, seinen Freund zu küssen
Mit dem Kusse des Verräters.
So begann das Leiden Christi.

ZWEITES GESÄTZ

Jesus hatten sie gefangen,


Jesus hatten sie gefesselt,
Jesus hatten sie gebunden
An die harte Geißelsäule.

Die neunschwänzige, die Schlange


Einer langen Lederpeitsche
Trug an ihren Enden Haken,
Widerhaken wie Skorpione.

Und sie peitschten Jesus Christus


Wie den ärmsten Römersklaven,
Wie den schlimmsten der Verbrecher
Peitschten sie den Sohn des Höchsten.

Von dem schönen Rücken Christi


Aus den aufgerissnen Striemen
Floß das rote Blut in Strömen.
Schrie er? Oder litt er schweigend?

Wer hat Jesus denn gegeißelt?


Nicht das alte Volk der Juden,
Nicht das stolze Volk der Römer,
Nicht Hebräer und nicht Heiden,

Sondern Jesus ward gegeißelt


Für die Sünden seiner Priester,
Für die Sünden seiner Mönche,
Welche kleine Knaben schänden!

O ihr gottgeweihten Seelen,


Auserwählt von Jesus Christus,
Die ihr kleine Knaben schändet,
Wieder geißelt ihr Messias!

Ihr von Satanas Betörten,


Gottgeweihte Satansknechte,
Die ihr zündet Satan Weihrauch
In dem Raum der Kirche Christi,

Weh euch, die ihr geißelt Jesus,


Peitscht den Herrn mit Lederpeitschen,
Mit neunschwänzigen, mit Schlangen,
Mit der Hydra eurer Sünden!

Jesus sagt von solchen Priestern,


Jesus sagt von solchen Mönchen,
Die die kleinen Kinder schänden
Wie die schlimmsten Hurenböcke:

Besser wär es euch, ihr Frevler,


Die ihr ärgert meine Kleinen,
Daß den Mühlstein an dem Halse
Würdet ihr ersäuft im Meere!

DRITTES GESÄTZ

Also, bist du nun ein König?


Du, der arme Judenheiland?
Bettlerkönig, Hurenkönig,
König der versoffnen Sünder?

Also haben Roms Soldaten


Jesus Christus eingekleidet
Mit des Königs Purpurmantel,
Einzig nur, ihn zu verspotten.

Und sie gaben ihm ein Zepter,


So als wäre er ihr König,
Doch als ihren König ehrten
Sie den Kaiser Roms, als Gottheit.

Und sie setzten auf das Haupt ihm


Einen Kronen-Kranz von Dornen
Und die stachen in die Stirn ihm
Und es bluteten die Schläfen.

Und sie spuckten an den Heiland,


Schlugen ihn auf seine Wangen:
Bist du ein Prophet, so sage,
Wer dich schlug auf deine Wange!

Auf Gemälden sehn wir Jesus,


Seine Dornenkrone tragend
Auf den langen braunen Locken,
Den verhöhnten Judenkönig.

Aber Jesus trug die Krone,


Die geflochten war aus Dornen,
Nicht nur außen auf dem Haupte,
Nein, auch innen auf dem Herzen.

Denn sein Herz war eine Flamme


Gottes, eine Liebesflamme,
Die erschienen war im Dornbusch,
So wie Jahwe einst vor Mose.

Sehen wir doch auch Maria,


Ihre Dornenkrone tragend
Über dieser Liebesflamme
Ihres Unbefleckten Herzens.

Es vereint die Dornenkrone


Jesu und Marien Herzen,
Das zu Einem Herz vereinigt
Offenbart die Liebe Gottes!

VIERTES GESÄTZ

Jesus musste selber tragen


Seines Kreuzes langen Balken.
Nehmt das Kreuz auf euch und folgt mir,
Sagte Jesus seinen Jüngern.

Dreimal ist der Herr gefallen


Unter seiner Kreuzbeschwerde,
Dreimal ist er aufgestanden,
Weiterhin sein Kreuz zu tragen.

Gottgeliebter Jünger Jesu,


Wenn in teuflischer Versuchung,
Wenn in weltlicher Versuchung,
Wenn in fleischlicher Versuchung

Du gefallen bist in Sünde,


So bereue und tu Buße
Und erhebe dich im Glauben,
Denn es reinigt dich die Gnade.

Und die Römer zwangen einen,


Unsres Meisters Kreuz zu tragen,
Das war Simon von Kyrene,
Der des Heilands Kreuz getragen.

Dieser Simon von Kyrene


War der Vater zweier Söhne,
Rufus war und Alexander
Später in der Urgemeinde.

Jesus also trug den Balken


Zu dem Hügel Schädelstätte,
Dieser Hügel ist so hoch wie
Eine große Trauerweide.

Und da weinten Zions Frauen


Über den Geliebten, aber
Jesus sprach: Ihr Frauen Zions,
Weint nicht über den Geliebten,

Weinet über eure Sünden


Und die Sünden eurer Kinder.
Wird das grüne Holz gepeinigt,
Was wird mit dem dürren Holze?

Jesus weinte selber über


Die geliebte Tochter Zion:
Wie die Glucke wollt ich hüten
Deine Kinder, meine Küken!

FÜNFTES GESÄTZ

Jesus ward ans Kreuz geschlagen,


Jesus blutete am Körper,
Jesus litt in seiner Seele
Ein Martyrium der Liebe!

Schrecklich seines Körpers Schmerzen,


Aber schrecklicher und größer
Die Passionen seiner Seele!
Seine Seele ward gekreuzigt,

Ward durchbohrt von einer Lanze,


Von dem Dornenkranz durchstochen,
Ihm verblutete die Seele
An den Wunden seiner Seele!
Da verdrehte Jesus seine
Augen, schaute auf zum Himmel,
Dunkle Nacht war an dem Himmel
Und es heulte Jesus Christus:

Eli, lama asabthani?


Warum hast du mich verlassen,
Meine Gottheit, meine Gottheit,
Gottheit Eli, Gottheit Eli?

Da sah Jesus seine Mutter,


Sah die Mater Dolorosa
Und bei ihr den Lieblingsjünger,
Sah den Jünger, den er liebte,

Und er sprach zu seiner Mutter:


O du Frau der Offenbarung,
Sieh den Jünger, den ich liebe,
Siehe deinen Sohngeliebten!

Und er sprach zu seinem Jünger:


O mein Sohn, mein Kind, mein Diener,
Sieh die Frau der Offenbarung,
Nimm sie auf in deine Seele!

Und der Lieblingsjünger Jesu


Nahm die Frau der Offenbarung
In sein Haus, in seine Seele,
In sein innerlichstes Leben.

Da sprach Jesus an dem Kreuze:


Abba, jetzt ist es vollendet,
Die Erlösung ist vollendet!
Jesus hauchte seinen Geist aus.

DIE GLORREICHEN GEHEIMNISSE

ERSTES GESÄTZ

Jesus Christus, auferstanden,


Er ist wahrhaft auferstanden
Und als Erster ist erschienen
Er der Mutter Sankt Maria.

Aber an dem Sonntagmorgen


Sankt Maria Magdalena
Weinte vor dem Grabe Gottes,
Wollte Christi Leichnam salben.
Doch der Stein der Grabeshöhle
War hinwegbewegt vom Grabe
Und das Grab war leer, da lagen
Schweißtuch nur und Leichen-Linnen.

Sankt Maria Magdalena


Weinte um den Leib des Freundes,
Als der Gärtner ihr erschienen
In dem grünen Ostergarten.

Gärtner, sagte Magdalena,


Wo ist meines Freundes Körper?
Und der Gärtner sagte leise:
O Maria, o Maria!

Da erkannte Magdalena,
Daß der Gärtner Jesus Christus
War, der auferstandne Christus,
Da umschlang sie seine Füße.

Halte mich nicht fest, Maria,


Ich bin noch nicht aufgefahren
Zu dem Vater in dem Himmel,
Meiner Gottheit, deiner Gottheit!

Als Apostelin gesendet


Wirst du nun zu den Aposteln
Und zumeist zu Simon Petrus
Als dem Fürsten der Apostel,

Sage, dass ich auferstanden,


Auferstanden von den Toten,
Daß ich fahre auf gen Himmel
Zu der Rechten meines Vaters,

Daß ich wiederkommen werde


Als der Richter aller Menschen
Und den Kosmos unterwerfe
Meinem Gott und meinem Vater.

ZWEITES GESÄTZ

Jesus rief die Jünger alle


Zu dem Ölberg. Er nahm Abschied:
Alle Menschen macht zu Jüngern,
Alle Menschen sollt ihr taufen!

In dem Sakrament der Liebe


Will ich immer bei euch bleiben
Bis zum Ende der Äonen,
Zur Vollendung dieses Kosmos.
Jesus fuhr auf einer Wolke
Zu dem Vater in dem Himmel,
Aber einige der Jünger
Hatten dennoch weiter Zweifel.

Ist er denn zu Beteigeuze


Aufgefahren, zu der Lyra,
Zu dem Schwan und zu dem Adler,
Aufgefahren zu der Venus

Und der Terra Aphroditä,


Zu der Krone Mutter Evas,
Zu den neuen Zwergplaneten,
Zu den Asteroiden droben,

Zu Astarte und zu Amor,


Hat er dort den Zwergplaneten
Sapientia betreten
Und ist weiter aufgefahren

Zu den fernen Sternenhaufen,


Zum Carina-Nebel droben,
Sah dort die Geburt der Sonnen,
Der Planeten und Kometen?

Nein, nicht durch den Kosmos reiste


Jesus, seine Fahrt gen Himmel
War nicht Odyssee im Weltraum,
Sondern in die unsichtbare

Welt des Gottesgeistes ging er,


Die Allgegenwart der Gottheit
Nahm ihn auf, allgegenwärtig
Ist nun der Messias Jesus.

Wo ist Gott? So kann man fragen.


Wo ist Gott denn nicht? So kann man
Weiter fragen. Gegenwärtig
Ist der Herr an allen Orten.

Jesus ist in jeder Rose,


Die du schenkst der Vielgeliebten,
Ist in jedem Kinde, welches
Du besuchst im Krankenhause.

DRITTES GESÄTZ

In dem oberen Gemache,


In des letzten Abendmahles
Saal, da saßen die Apostel,
Nur nicht Judas, der Verräter,

Aber Petrus und Andreas


Und Jakobus und Johannes
Und der scharfe Zweifler Thomas
Und Maria Magdalena

Und Johanna und Susanna


Und auch Salome, die Schöne,
Und die Mutter des Messias
Und die frommen Vettern Jesu.

Und in aller Einmut saßen


Alle im Gebet versammelt,
In der Mitte dieser Kirche
Saß die stille Gottesmutter,

Als ein Brausen kam vom Himmel,


Als ein Sausen kam vom Himmel
Und der Geist wie Feuerzungen
Auf den Häuptern der Apostel

Alle mit der Glut erfüllte,


Alle mit der Kraft erfüllte.
O du Kraft, die du bist göttlich,
Kraft, die du bist eine Gottheit!

Auf dem Sinai war Mose


Und empfing die Worte Gottes
Auf den Tafeln des Gesetzes,
Gottes Finger tat es schreiben.

Aber bei dem neuen Pfingsten


Steht das Gotteswort geschrieben
Nicht als steinerne Gesetze
Auf den beiden Felsentafeln,

Sondern eingegossen wurde


Gottes Liebe in die Herzen,
Denn von allen den Geboten
Gilt jetzt ganz allein die Liebe.

Liebe Gott und deinen Nächsten


Und dann tu du, was du möchtest,
Also sagte Augustinus,
Liebe alle deine Nächsten,

Wie dich Jesus selbst geliebt hat,


Wie dich heut noch liebt Messias,
Wie in allen Ewigkeiten
Wird dich lieben deine Gottheit!
VIERTES GESÄTZ

Sankt Maria lag im Bette


In Jerusalem, so sagen
Welche, aber andre sagen,
Es sei Ephesos gewesen.

Und aus aller Herren Länder


Kamen alle die Apostel,
So auch der Apostel Paulus,
Doch der Zweifler Thomas fehlte.

An Marien Haupt Johannes


Weinte um die süße Mutter,
Petrus saß zu ihren Füßen,
Diener er der Diener Gottes.

Jesus Christus ist erschienen,


Sagte zu Maria: Veni
Sponsa mea! Und Maria
War ein junges schönes Mädchen,

In den Armen des Messias


Ist gen Himmel sie gefahren.
Petrus und Johannes schauten
Staunend nach der Mutter Gottes.

Da kam auch der Zweifler Thomas:


Ist Maria auferstanden?
Ist ihr Körper nicht im Grabe?
O Maria, gib mir Antwort!

Und Maria ist erschienen


Als ein junges schönes Mädchen,
Achtzehn Jahre jung das Mädchen,
Trug sie ihren Liebreizgürtel,

Löste sie den Liebreizgürtel,


Legt ihn Thomas in die Hände:
Auferstanden ist Maria
Mit dem Körper und der Seele,

Aufgefahren in den Himmel!


Thomas nahm den Liebreizgürtel,
Trug ihn auf die Insel Zypern
Auf den heiligen Olympus.

Auf dem Gipfel des Olympus


Wird verehrt der Liebreizgürtel
Unsrer Königin der Liebe,
Daß die Gläubigen ihn küssen.
FÜNFTES GESÄTZ

Da Maria war im Himmel,


Saß der Vater mit dem Sohne
Und dem Geist in Einem Throne
Und sie krönten Sankt Maria.

Zwischen Gott dem Ewigvater


Und dem Ewigsohne Christus
Unterm Heilgen Geiste strahlte
Meine Königin Maria.

Gottes Geist wie eine Taube


Ruhte auf dem Haupt Mariens,
Krönte sie zur Himmelsfürstin,
Königin des Paradieses.

Jesus mit dem heilgen Herzen


Ist der Friedefürst des Himmels
Und das reine Herz Marias
Ist des Paradieses Fürstin.

Alle die Marienritter,


Ritter dieser Unbefleckten,
Beugen ritterlich die Kniee
Vor der Unbefleckten Jungfrau.

Meine Dame, meine Lady,


Das ist Notre Dame Noire,
Ist das Mädchen Morenita,
Ist das Mädchen Indianita.

Maximilian, der Ritter


Seiner Unbefleckten Dame,
Starb den Opfertod im Lager,
Sterbend sagte er: Maria!

Sankt Johannes Paul, der Ritter


Seines makellosen Mädchens,
Hat die ganze Welt erobert
Für das Herz der Unbefleckten.

Als er starb, da sprach er lächelnd:


Ich bin froh bei meinem Tode!
Kinder, seid auch froh und fröhlich,
Betet fröhlich zu Maria!

Ich bin nun der Minnesänger


Meines makellosen Mädchens,
Keiner sang wie ich Maria,
Meine Königin der Minne.

MEINE ZEHN ÄGYPTISCHEN PLAGEN

ERSTE PLAGE:
HAGEL

Neunzehnhundertvierundneunzig
Lebte ich im tiefen Wahnsinn,
Eine blühende Psychose
Überfiel den Schizophrenen.

Marion war meine Liebe,


Meine himmlische Madonna,
Meine makellose Jungfrau,
Meine Königin des Himmels.

Zwar ich lebte an der Nordsee,


Sie im Teuteburger Walde,
Aber meine Seele sah sie
Stets im Innern meiner Seele.

Und ich wollte sie besuchen,


Wollte Ostern sie besuchen
In dem Teuteburger Walde
Nahe bei dem Hermann-Denkmal.

Hermann liebte ich besonders


Und besonders auch Thusnelda,
Und die schwarze Trauerschwanin
Nannte darum ich Thusnelda.

Aber heftig war der Regen


Im April des selben Jahres.
Damals las ich in der Bibel,
Wie einst Josua gebetet

Und geboten hat der Sonne:


Über Avalon, dem Tale,
Stehe still, du liebe Sonne,
Mache du die Nacht zum Tage.

Und ich betete zur Gottheit:


Wenn ich bin beim Hermann-Denkmal,
Herr, so laß die Sonne scheinen,
Wenn ich Marion besuche.

Also reiste ich zu Hermann


In dem Teuteburger Walde
Und ich ging die lange Straße
In Gewitter und in Blitzen!

Als ich nun in Heiligenkirchen


Ankam, welches nah bei Detmold,
Nah auch bei den Externsteinen,
Ging ich unter Blitz und Donner!

Und ich weinte vorm Messias,


Da begann es auch zu hageln!
Nacht im Teuteburger Walde,
Blitz und Donner, Regen, Hagel!

Schlafen konnt ich nicht im Freien,


Eines Telefones Zelle
Schützte vor den Hagelschlägen,
Oratorium dem Beter.

Schlafen konnt ich nicht beim Hagel,


In des Telefones Zelle
Saß ich all die Nacht lang betend,
Draußen prasselte der Hagel.

Morgens, völlig übermüdet,


Traf ich Marion vorm Hause
Und sie rief wie eine Furie:
Ich will dich nie wiedersehen!

Ich hab keinen Bock auf solchen


Liebeswahnsinn eines Dichters!
Und sie fuhr mit ihrem Freunde
Weg in einem großen Wagen,

Doch der große Wagen presste


Dicht mich an des Hauses Mauer.
Nie hab ich sie mehr gesehen.
Und ich reiste in die Heimat,

Auf dem Rückweg schien die Sonne,


Aller Hagel war geschmolzen,
Frühling lag in allen Lüften,
Doch ich war betrübt zu Tode.

Das war meine Hagel-Plage,


Marionna war ihr Name,
Mit dem Herzen hart wie Hagel
Und so frostig wie der Hagel.

Marion, die Hagel-Plage,


Eben war vorbeigegangen,
Als der liebe Gott ließ scheinen
In dem Lenz die Ostersonne.

ZWEITE PLAGE:
RATTEN

Als mich Marion verschmähte,


Fiel ich in den tiefsten Wahnsinn.
Ärzte nennen meinen Wahnsinn
Kunstrecht eine Paranoia.

Denn ich ward ein Geisterseher


Und ich las die Schrift der Wolken.
Indien sah ich, eine Wolke,
Neben meiner Heimat China.

Und in Hindostan verehrten


Sie Ganesha, diesen Götzen,
Stellten ihm die Opferspeisen
Auf die Gassen. Ratten kamen,

Fraßen diese Opferspeisen.


Also sah ich eine Ratte
Droben in den Wolken schleichen,
Lief von Hindostan nach China.

Und ich hörte eine Nachricht,


Daß in Indien ausgebrochen
Sei die Pest in diesen Tagen.
Fluch dir, Ratte! Fluch dir, Pestfloh!

Plötzlich sah auf allen Wegen


Ich wie braunen Schatten huschen
Ratten, höllische Dämonen,
Hörte ihre Stimmen piepsen,

Roch Gerüche aus der Hölle,


Stinkend wie verweste Ratten,
Übel ward mir vom Gestanke,
Von dem Pestgeruch, dem Schwefel.

Unter allen grünen Büschen


Sah ich Rattenscharen wimmeln,
Immer huschten diese Schatten
Und erzeugten in mir Panik.

Auch in meinem Spiegel sah ich


Zu Musik und Frauentänzen
Ratten über allen Bergen,
Ratten über allen Hügeln.

Also floh ich in die Kirche,


Zu der Königin Kapelle,
Betete zu Sankt Maria:
O Madonna, sei mir Zuflucht!

Aber auf dem Dach der Kirche


Hörte ich die Ratten trippeln,
Hörte ihre Scharen hoppeln,
Leise klappern auf den Brettern.

Petrus, laß doch deinen Schatten


Fallen jetzt auf den Besessnen!
Heilsam ist dein Schatten, Petrus,
Rette mich vor den Dämonen!

Und ich sah zum Kreuze Christi,


Christus nackend hing am Kreuze,
Um den Lendenschurz sah aber
Ich dämonisch dunkle Ratten.

Und ich träumte in dem Wahnsinn,


Daß vom Himmel eine Hand kommt,
Eine Hostia mir reichend,
Dann die lange Geißel schwingend

Und vertreibend alle Ratten,


Alle Ratten, alle Flöhe,
Die den schwarzen Tod erzeugten
Heute in dem Fernen Osten.

Also kam ich in das Tollhaus


Und die Irrenärzte sagten:
Ihre Phantasie ist allzu
Üppig ausgebildet, Dichter!

Und sie gaben mir die Pillen


Gegen diese Übermenge
Phantasie und so erlösten
Sie mich von der Paranoia.

Lieber Gott, ich war tatsächlich


Einen Sommer in der Hölle!
In der Hölle herrscht nur Panik,
Herrscht die schlimmste Paranoia!

Warum, o du Gott der Liebe,


Schicktest du den frisch Bekehrten
In die Hölle zu den Ratten,
Zu dem Satan, Herrn der Ratten?

Aber das war nicht vergeblich,


Sagt mir unsre liebe Fraue.
Liebe, die ich nicht verstehe,
Hat geordnet alle Schrecken.

DRITTE PLAGE:
BLUT

Tot die Mutter meiner Mutter,


Die allein mich herzlich liebte!
Oma mir vermachte sterbend
Noch die Bibel und den Glauben.

Und vergessen und verraten


Von der Liebe meiner Jugend
Und umnachtet von dem Wahnsinn
Und von den Dämonenratten,

Eingetreten in die Hölle,


Mit dem Haupt im Paradiese,
Ich beschloß, ich wolle sterben,
Sterbend in den Himmel kommen.

Aber wenn ich mir die Adern


Schneide auf an meinem Pulse,
Was, wenn ich gefunden werde,
Was, wenn ich verbunden werde?

Und dann las ich in der Bibel:


Schwert, erschlage meinen Hirten,
Daß er nicht gefunden werde,
Daß er nicht verbunden werde!

Satan ist ein Bibelkenner.


Als er unsern Herrn versuchte,
Da zitierte er die Bibel
Wie ein Evangelikaler.

Also war es doch beschlossen,


Daß ich selber mich ermorde,
Auch kann ich die Tat ja büßen
Droben in dem Fegefeuer.

Also fuhr ich in den Flecken,


Wo das Haus stand meiner Kindheit,
Trug bei mir ein scharfes Messer,
Um die Adern aufzuschneiden.

Und ich ging in jenen Garten,


Wo ich als ein Knabe spielte,
Die katholische Kapelle
Stand gleich neben jenem Garten.

Unter einer Buche setzte


Ich mich auf die feuchte Wiese,
Sah noch einmal in den Mantel,
Fand dort ein Gedicht der Liebe:

Marion, o Marionna,
Marion, du bist wie Myrrhe,
Bitter bist du, wirklich bitter,
Reibt man dich, wie süß du duftest!

Alle tausend Liebesschmerzen


Plagten wieder meine Seele.
Meine Liebe, Sinn und Leben,
Hatte grausam mich verlassen!

Also schnitt ich mit dem Messer


Auf die Adern meines Pulses,
Leise pfiff es, leise zischte
Mir das Blut aus meinen Adern.

Lange lag ich da verblutend,


Hingesunken voller Schwäche,
War schon nahe einer Ohnmacht,
Aber konnte doch nicht sterben.

Schönste Halluzinationen
Schwebten mir vor meinem Geiste.
Ja, ich schaute Jesus Christus
An dem Tisch des Abendmahles,

Ausgebreitet seine Arme,


Wie auf dem Turiner Grabtuch
Sah den Christus ich im Tode,
Der gebot mir: Du sollst leben!

Und dann sah ich die Madonna,


Die Sixtinische Madonna
Raffaels ist ganz die selbe,
Mit dem Jesuskind im Arme,

Und Madonna sagte leise:


Der du liegst in deinem Blute,
Du sollst leben, du sollst blühen
Wie die Lilie auf dem Felde!

Ich erhob mich von der Stätte,


Schleppte mich zum Elternhause.
Sohn! Mein Sohn! schrie meine Mutter.
Und so kam ich in das Tollhaus.

VIERTE PLAGE:
SCHLANGEN UND SKORPIONE

Oldenburg im Oldenburger
Land! Im schönen weißen Städtchen
Oldenburg geneste meine
Liebeskranke irre Seele.

Sie geneste, singend, betend,


Bei den jungen Protestanten:
Halleluja, Halleluja,
Jesus lebt, so lasst uns tanzen!

Meine Seele so geneste


Nur, um wieder zu erkranken.
Ich hab eine Feé gesehen!
Und wie ist der Elfe Name?

Evi war der Elfe Name!


Aber, meine lieben Leser,
Dankt dem Herrn von ganzem Herzen,
Wenn ihr sie nicht kennen lerntet!

Denn ein Dutzend lange Jahre


Lebte ich im Todesschatten.
Evi nämlich war kein Mädchen,
Sondern sie war eine Schlange!

Im Terrarium zuhause
Hielt sie eine Strumpfbandnatter.
Strumpfbandnattern sah ich flattern
Auch an ihrem schwarzen Strumpfband!

Giftgeschwollne Feuerschlangen
In den hennaroten Locken
Sah ich rollen sich und züngeln
Und mir beißen in die Seele.

Schlangen, liederlich wollüstig,


Auch okkult und esoterisch,
Ringelten um ihren Leib sich,
Diesen trug sie nahzu nackend!

Ihren nahzu nackten Körper


Hüllte sie in Hauchgewänder,
Die so schillernd wie die Schlangen,
Lüstern liederlichen Schlangen.

Einmal war sie in Südfrankreich,


Ohne mich, sie wollte nämlich
Von mir ungehindert flirten
In dem heißen Süden Frankreichs.

Und sie lag in ihrem Schlafsack


In dem Zelte in dem Sommer
Und ihr nackter Leib gebissen
Wurde da von Skorpionen.

Esoterisch die okkulte


Theosophin immer lächelnd
Sprach: Mein Astrologe sagte,
Ich sei ein Skorpionenweibchen.

Nämlich ein Skorpionenweibchen


Ganz besitzt zwei Qualitäten:
Die Besessenheit des Sexus
Und die Übermacht des Todes!

Tödlich des Skorpionenweibchens


Sexus! Also sang der Dichter:
O du Skorpionenweibchen
In dem kurzen Minrocke!

Esoterisch die okkulte


Theosophin sagte böse:
Ich bin Lilith, bin ein Dämon,
In mir sieben böse Geister!

In mir Illy, Lili, Lilith,


Lulu, Lilim, Lola, schließlich
Luzifers Gemahlin, alle
Bösen Geister leben in mir!

Lilith, giftgeschwollne Schlange!


Lilith, Skorpionenweibchen!
Also sagte mir die Bibel,
Daß du ein Dämonenweibchen.

Also sagte mir der Herrgott:


Vierzig Jahre gingst du barfuß
Durch den heißen Sand der Wüste,

Wo Skorpione dich gebissen,


Wo das Nachtgespenst, der Kobold,
Doch geplagt! Doch Gott ist mit dir!
Jesus wird dich nie verlassen!

FÜNFTE PLAGE:
FINSTERNIS
In dem Jahr Zweitausend aber,
Da begann die Nacht der Seele.
Nachtgespenst der Nachtgespenster,
Lilith hat mich so verfinstert!

Schwer trug ich an meinem Kreuze,


Doch die jungen Protestanten
Sangen Jubel über Jubel,
Also wurde ich katholisch.

Dichter-Bruder Reinhold Schneider,


Der du heute lebst im Himmel,
Du zuerst hast unterwiesen
Mich in tiefer Karmel-Weisheit!

Und Johannes von dem Kreuze


Las ich, seine Liebeslieder,
Seine dunkle Nacht der Seele,
Seine heiße Liebesflamme.

Und Therese von dem Kinde


Jesu und vom Antlitz Christi
Las ich, die ihr Leid geopfert
Als ein Opfer an die Liebe.

Und Teresia von Jesus


Las ich, von der Burg der Seele,
Und aus ihrem Leben lernt ich
Mystisch beten, kontemplieren.

Und von Schwester Benedicta


Lernt ich, von der Philosophin.
Benedicta ward mir Freundin
In der dunklen Nacht der Seele.

Allen habe ich gepredigt


Dieser Karmeliter-Weisheit,
Daß, wer leidet, der hat Anteil
An den Kreuzesleiden Christi.

Gottverlassen war der Christus,


Gottverlassen meine Seele!
Christus hing an seinem Kreuze
Und ich hing an meinem Kreuze!

Wisst ihr, Mutter Sankt Teresa


Von Kalkutta, dreißig Jahre
War sie in der Nacht der Seele,
Liebte über alle Maßen!

Aber alle die Gebete,


Die sie zu dem Herrn gebetet,
Alle sind zurückgekommen
Stechend scharf wie spitze Pfeile!

Weh mir, meine Seelenleiden


Wurden immer, immer schlimmer,
Dichter stets die Finsternisse
Und die Trauer meiner Seele!

Jeremias lamentierte:
Meine Augen überströmen!
Schaut doch, gibt es solche Schmerzen
Wie die Schmerzen meiner Seele?

Hiob klagte seinen Freundin,


Doch die Freunde sagten: Hiob,
Das ist Wahnsinn, wie du spottest!
Hiob klagte seinem Schöpfer.

Jeremia wie auch Hiob


Sagten: Weh mir, meine Mutter,
Warum hast du mich geboren?
Wäre ich doch tot geboren!

Salomo in seinem Alter


Sagte: Besser geht’s den Toten
Als den Lebenden auf Erden,
Denn die Toten haben Ruhe,

Besser als den Toten aber


Geht es denen, welche niemals
Sind empfangen worden, welche
Ungeboren sind geblieben!

Und ich wollte wie Buddhisten


Nur verlöschen in der Leere!
Seligkeit der Seligkeiten
War das Nichts des Ungewordnen!

Also wollte ich verlöschen


In dem Ozean der Liebe,
Völlig mich mit Gott verschmelzen,
Daß nur Gott noch existiere!

SECHSTE PLAGE:
FLIEGEN

Als ich war im tiefsten Dunkel


Meiner gramerfüllten Seele,
Trug ich nur zerlumpte Kleider
Und ließ meinen Bart verwildern.
Katholikinnen verschmähten
Diesen armen Vagabunden:
Laß dir deinen Bart frisieren,
Mache deine Kleider duftend!

Aber wer von Gram zerfressen,


Der trägt keine weißen Kleider,
Wer von Traurigkeit gelähmt ist,
Kann nicht putzen seine Wohnung.

Immer sagte meine Mutter:


Wasche sauber deine Gläser
Und du findest eine Dame.
Meine Gläser blieben fleckig.

Meine alten Essensteller


Wurden nicht mehr abgewaschen
Und die vollen Abfalleimer
Wurden nicht mehr ausgeschüttet.

Und die Essensreste wurden


Überzogen ganz von Schimmel
Und im Schimmel sich erzeugten
Maden und sehr kleine Fliegen.

Saß ich nachts bei meiner Lampe,


Heulend voller Liebeskummer,
Schwirrten um mich kleine Fliegen,
Stank der Essensreste Schimmel.

In den heißen Lampenschirmen


Diese Fliegen zwar verglühten,
Doch der Essensreste Schimmel
Zeugte immer neue Fliegen.

War mein Antlitz naß von Tränen,


Weil die Augen Tränen spritzten,
Plagten mich die kleinen Fliegen,
Schwirrten mir um meine Lippen.

In dem Sommer meiner Trauer


Mich besuchten in der Wohnung
Große Fliegen, welche surrten,
Kitzelten die nackte Haut mir.

Wenn ich abends in dem Bette


Trost von meinem Kummer suchte,
Wenn der Schlaf mich trösten sollte
Mit lethäischem Vergessen,

Ließen diese großen Fliegen


Mich nicht in den Schlaf versinken
Und am Morgen früh schon plagten
Mit Gesumm mich diese Fliegen.

War ich dann nicht ausgeschlafen,


Hatte ich dann schlechte Laune,
Wollte Gott mein Leiden klagen
In dem klagenden Gebete,

Ließen mich die großen Fliegen


Nicht in aller Ruhe beten.
Ob ich sie auch fangen wollte,
Waren sie doch immer schneller.

Satan ist der Herr der Fliegen,


Beelzebub der Gott der Fliegen.
Daß mich Gott der Herr erlöse
Von der Plage dieser Fliegen,

Bat ich Unsre Liebe Fraue:


Mutter Gottes, Makellose,
Du befrei mich von den Fliegen
Und von Beelzebub und Satan!

Und Maria schickte eine


Putzfrau mir in meine Wohnung
Und die Putzfrau machte sauber
Alle Teller, alle Gläser,

Putzte mir die Toilette,


Putzte mir die Badewanne,
Wusch den Herd und wusch die Pfanne,
Machte meine Schränke sauber,

Wischte Staub von den Regalen,


Wischte Staub von allen Büchern,
Wischte Staub von der Ikone
Unsrer Lieben Frau Maria.

SIEBENTE PLAGE:
BEULEN

Während meine irre Seele


Krank war, allzu melancholisch,
Allzu sehr litt an der Schwermut
Und der tödlich schwarzen Trauer,

Da begann mein armer Körper


Auch zu rebellieren, nämlich
Immer öfter an dem Körper
Tauchten auf Geschwüre eiternd.
Wissenschaftler sagen nämlich,
Wenn die Seele ist zerrissen,
Ist zerfetzt und ist gespalten
Zwischen Gottesdienst und Minne,

Wenn die Seele will jungfräulich


Ihren Gott alleine lieben
Und doch ebenfalls begierlich
Liebt ein hartes Frauenzimmer,

Dann von der gespaltnen Seele


Gehen aus Geschwüre eiternd.
Die gutmütigen Tumore
Kommen Ärzte, aufzuschneiden.

Die Abzesse, die Furunkel


An den Armen, an den Beinen,
An der rechten, linken Schläfe,
Schließlich sogar an dem Hintern,

Müssen aufgeschnitten werden.


Und des Doktors Messer bohrt sich
In die Wunde, die entzündet,
Und der Körper leidet Schmerzen.

Stundenlang der Mensch muß warten


Mit der Depression der Seele
In dem Wartesaal des Arztes,
Bis der kommt mit seinem Messer.

Morgens früh muß sich erheben


Der verzweifelt Depressive,
Muß mit banger Seele fahren
Zu dem Arzt mit seinem Messer.

Anfangs nur im Frost des Winters


Kamen die Geschwüre eiternd,
Später auch in Ostertagen,
Später auch in Sommerhitze.

Und der Arzt verordnet Sonne:


Solche depressiven Seelen
Mit den eiternden Geschwüren
Brauchen Sonnenlicht im Sünden!

Ja, mein lieber Arzt und Doktor,


Schicke mich an einen Kurort
In dem heißen Süden Frankreichs,
Einstmals war ich dorten glücklich.

Aber Deutschlands scharfer Winter


Und der Frühling, der verregnet,
Und der Sommer mit Gewittern,
Schließlich dann Novembernebel,

Machen krank die irre Seele


Und die arme irre Seele
Macht dann krank den armen Körper,
Und so häufen sich die Leiden.

Doch die junge Ärztin sagte:


Ihnen fehlen kleine Kinder!
Suchen Sie sich eine Gattin,
Zeugen mit der Gattin Kinder!

Doch die junge Ärztin sagte:


Trinken Sie nicht mehr den Rotwein!
Eine Flasche an dem Abend,
Das macht krank den schwachen Körper.

Und ich ging zu trocknen Säufern,


Säufern antialkoholisch,
Aber wollte doch nicht leben
Ohne Wein, des Herzens Freude.

Denn es sprach ein Greis doch weise:


Dichter, trinkst du keinen Rotwein,
Werden schlecht sein deine Verse,
Dichter müssen Rotwein trinken.

Und es sprach der Lutheraner:


Wein ist Qualität des Lebens!
Später möchte ich mit Jesus
Wein im Paradiese trinken!

ACHTE PLAGE:
DONNER

Anna, meine treue Freundin,


Treue aufblickt von der Erde
Und Gerechtigkeit vom Himmel
Und es küssen sich die beiden.

Als dich hat der Krebs befallen,


Der zum Tode führen sollte
Deinen wunderschönen Körper,
In den Himmel rief die Seele,

Da vertrautest du dem Freunde


Deine Kinder an, die beiden,
Juri, deinen Erstgebornen,
Milan, unser beider Liebling.
Und so waren wir auf Rügen
Bei den weißen Kreidefelsen
An der aufgewühlten Ostsee
Bei den goldnen Weizenfeldern.

Auch dein Vater, deine Mutter


Waren bei uns an der Ostsee.
Juri ging an meinen Händen,
Ihm erzählt ich von Maria.

Schau, Maria ist so golden


Wie das goldne Feld von Weizen
Und so bläulich und so purpurn
Wie der Mohn und die Cyane.

Und am Kap Arkona sagtest


Du: Mein schöner Vielgeliebter,
Wollen wir hier Hochzeit feiern
Auf dem Leuchtturm an der Ostsee?

Und ich sagte: Liebste Anna,


Leb ich doch im Zölibate
Als Verlobter Sankt Marias,
Kann dir meine Hand nicht geben.

Aber Vater wär ich gerne


Deinen beiden schönen Söhnen,
Juri liebe ich, den Knaben,
Milan liebe ich, das Kindchen.

Und im Caravan alleine


Schlief ich in dem breiten Bette.
Ach, in unsrer Jugend lagen
Wir in Einem Bette, Anna!

Eines Nachts der Knabe Juri


In dem Caravan, im Bette
Wollte bei dem Onkel schlafen
Und so lagen wir und schliefen,

Bis um Mitternacht der Regen


Prasselt trommelnd auf dem Dache
Und wir von des Regens Trommel
In dem Caravan erwachten.

Und wir schauten aus dem Fenster,


In der Mitternacht der Regen
Stürzte rauschend von dem Himmel,
Rauschend wie das Meer der Ostsee.

Und am Himmel scholl der Donner


Und vom Himmel zückten Blitze.
Das ist Gottes Zorn, mein Knabe,
Weil die Menschen allzu gottlos!

Gottes strafende Gerichte


Über all die Gottvergessnen,
Über all die neuen Heiden,
Donnerten vom Himmel nieder.

Gottes Stimme ist der Donner


Und er wirbelt auf das Weltmeer
Und er lässt die Eichen stürzen
Und er macht die Hirschkuh kreißen.

Aber dieser Blitz vom Himmel


Ist die Waffe seines Zornes,
Ist ein Arsenal von Blitzen
In der Waffenkammer Gottes.

Siehst du, Juri, wie die Blitze


Reißen auf die Himmelsdecke?
Siehst du offen auch den Himmel,
Siehst du Gottes weißen Thronstuhl?

Siehst vor Gottes weißem Thronstuhl


Du die sieben Donnerwetter
Rauschen wie das große Weltmeer,
Das kristallne Weltmeer Gottes?

Siehst du Gottes weißen Thronstuhl


Und zur Rechten seines Thrones
Bei dem Vater in dem Himmel
Auch die Herrlichkeit des Sohnes?

NEUNTE PLAGE:
KREBS

Anna hatte Krebs bekommen,


Krebs zerfraß den schönen Busen.
Sieben Jahre litt die schöne
Anna an dem bösen Cancer.

Ihre Brüste, ihre Mammes,


Ganz zerfressen vom Geschwüre,
Ließen großen Schmerzen leiden
Sie, die so das Leben liebte.

Ich dagegen voller Schwermut,


Voller tödlich-schwarzer Trauer,
Sehnte mich nach meinem Tode,
Wollt nicht mehr auf Erden leben.
Der den Herrn allein gebeten,
Daß er endlich sterben dürfe,
Musste leben auf der Erde,
Weiter leben, weiter leiden.

Die das Leben so sehr liebte,


Die auch noch nicht sterben wollte,
Musste sterben, musste heimgehn,
Ihre Kinderlein verlassen.

Sieben Jahre sah ich täglich,


Wie der Krebs zerfraß den Körper,
Wie der Cancer von den Brüsten
Wanderte zum breiten Becken,

Wie er wanderte vom Becken


Durch das Rückgrat in den Schädel,
Wie sie Schmerzen in dem Kopfe
Litt, wie sie verlor die Haare.

Dieses war der schöne Körper,


Den ich in der frohen Jugend
So begehrt und so genossen,
Dieser war nun krank zum Tode.

O, die Schönheit einer Jugend


Kann ich nicht mehr einfach sehen,
Sondern in der Jugendschönheit
Sehe ich schon ihren Leichnam.

Meine beste Busenfreundin,


Die mir ihre Kinder schenkte,
Lag als aufgebahrter Leichnam
Wächsern gelb im Hospitale.

Auch mein Vater war gestorben


An dem bitterbösen Blutkrebs.
Als er lag im Krankenhause,
Nahm er Abschied von den Söhnen:

Erstgeborner Sohn, mein Liebling,


Sorge dich um deinen Knaben!
Aber du, mein schwarzes Schäfchen,
Rede du doch mit Kaninchen!

Und ich saß in meinem Zimmer,


Betete zu Sankt Maria:
O du Königin der Hölle,
Rette meines Vaters Seele!

Und um Mitternacht der Regen


Stürzte nieder und der Donner
Donnerte voll Ernst vom Himmel
Und die lichten Blitze zückten.

Und die Seele meines Vaters


Fuhr aus seinem toten Körper
Und erschien in meinem Zimmer,
Wo ich flehte zu Maria.

Meine Mutter aber gleichfalls


Ward befallen von dem Cancer,
Und die Ärzte nahmen Mama
Ihren Uterus des Schoßes

Und entfernten von dem Busen


Eine Brust und dann die andre.
Also meiner Mutter Körper
Ohne Uterus und Brüste

Ward gelassen von dem Cancer.


Aber sie blieb noch am Leben,
Und ich flehte zu Maria,
Daß die Mutter überlebe.

Gott erhörte meine Bitte


Und die Mutter blieb am Leben.
Anna aber, meine Tote,
Ward der Engel meiner Seele.

In dem Himmelreiche warten


Nun auf meine arme Seele
Anna, meine Busenfreundin,
Und die vielgeliebte Oma.

ZEHNTE PLAGE:
VERLUST DES LIEBLINGS

Als gestorben meine Anna,


Nahm ich meinen Liebling Milan,
Führte ihn zu der Kapelle
Zu der lieben Mutter Gottes,

Die die Mutter aller Menschen,


Die die Mutter aller Kinder,
Daß sie seine Mutter werde,
Seine Mutter in dem Himmel.

Und ich weihte meinen Milan


Ihrem Unbefleckten Herzen
Und dann ging ich mit dem Liebling
Zu der wunderschönen Evi.
Evi, Spiegelbild der Schönheit,
Offenbarend Gottes Schönheit!
Milan, Spiegelbild der Liebe,
Offenbarend Gottes Liebe!

Milan zeigte ich ein Bildchen


Von dem kleinen Knaben Amor,
Sieben Jahre alt der Knabe,
Nackt, mit Flügeln an den Schultern,

Hielt der Knabe Pfeil und Bogen,


Und so schoss er nach den Herzen.
War der Pfeil getaucht in Honig,
Fand der Freier Gegenliebe,

War der Pfeil getaucht in Schierling,


Fand der Freier keine Liebe.
Milan, sagte ich, mein Liebling,
Nimm nun deinen Pfeil und Bogen,

Schieße mir in meine Seele


Deine sieben Honigpfeile!
Milan schoss und traf die Mitte
Meines gleich verzückten Herzens.

Oh, ich liebe dich, ich liebe


Dich von ganzem Herzen, Liebling,
Rief ich, von dem Pfeil getroffen,
Von dem Honigpfeile Amors.

Aber Winkeladvokaten
Nahmen weg mir meinen Liebling.
Diese Winkeladvokaten
Wollten Milan für sich selber.

Ach, ich durft ihn nicht mehr sehen,


Den ich großgezogen habe,
Dem die Windeln ich gewechselt,
Dem ich beistand in dem Fieber,

Dem ich alle meine Märchen


Und Legenden alle sagte,
Sprach von Adam und von Eva
Und von Jesus und Maria

Und von Josef und den Brüdern


Und von Moses in Ägypten
Und von Goliath und David
Und von Salomo und Balkis,

Dem ich sprach vom Drachentöter


Siegfried und von Hagen Tronje,
Und von Herkules und Hera
Und Odysseus und Athene,

Ihm erzählte von Schneewittchen


Und Dornröschen, Aschenputtel,
Von der Meerjungfrau, den Elfen,
Und von Reinecke, dem Fuchse.

Aber er ward mir genommen,


Der allein von ganzem Herzen
Mich geliebt mit Kinderliebe
Wie ein zweiter Jesusknabe.

Viele, viele Monde weint ich


Um den lieben Knaben Milan.
Abraham so musste opfern
Seinen Isaak, den Knaben.

Alle diese meine Plagen


Wie ein sündiger Ägypter
Litt ich als ein frommer Jude,
Der allein verehrt Jehowah.

Gott ist Liebe! Gott ist Liebe!


Liebe selbst ist eine Gottheit!
Aber wundersam die Wege –
Unverständlich ist die Liebe.

TANNHÄUSER BEIM SÄNGERWETTSTREIT


Ritter suchten Ruhm und Reichtum,
Aber unser Mann Tannhäuser
War der Liebling schöner Frauen,
Manches Weibchen war ihm willig.

Der Tannhäuser war Rivale


Walters von der Vogelweide
Um die Liebe ihrer Fürstin,
Sankt Elisabeth, die Rose.

Der Tannhäuser sang das Liedchen:


Weibchen, hebe hoch das Röckchen,
Spreize deine weißen Schenkel,
Zeig den schwarzen Venushügel!

Sankt Elisabeth, die Rose,


Aber sprach zu dem Tannhäuser:
Solche Verse, hocherotisch,
Können dich dein Köpfchen kosten!

Wartburg in dem Sachsenlande,


Zeige du die Macht des Fürsten!
Um Zwölfhundertsechsundzwanzig
Ritter übten Ritterspiele.

Alle kamen zu dem Feste,


Zu verherrlichen den Fürsten,
Fürsten Ludwig von der Wartburg,
Der ein Günstling war des Kaisers.

Krieger dienten ihren Fürsten,


Dienten Christus auf dem Kreuzzug,
Zu befreien ihre Brüder
An dem Grabe ihres Gottes.

Um Zwölfhundertsechsundzwanzig
In dem Sommer auf der Wartburg
Trafen sich die Ritter, warben
Um die Gnade ihres Fürsten.

Der Tannhäuser war darunter,


Sagte: Statt der Burgen lieber
Ich erobre Frauenherzen!
O Elisabeth, du Rose!

Der Tannhäuser sang am liebsten


Hocherotisch von der Minne,
Von den Liebesabenteuern,
Von den Leibern schöner Weiber.

Der Tannhäuser, der berühmte,


War ein liebestoller Ritter,
Sang sich fast um Kopf und Kragen,
Kenner er der Frauenschönheit.

Lieder sang er, statt zu kämpfen.


Minnesänger auf der Wartburg
Haben Minnesang gedichtet
Für Elisabeth, die Rose.

Ludwig förderte die Künste,


War Mäzen der Minnesänger,
Wollte den Bereich der Herrschaft
In dem Sachsenland erweitern,
Schloss ein Bündnis mit dem Kaiser,
Mit dem Staufenkaiser Friedrich,
Half dem Kaiser auf dem Kreuzzug,
Herrschte in dem Lande Meißen,

Feiert das nun auf der Wartburg


Mit dem Wettstreit zweier Dichter.
Walter von der Vogelweide
War begünstigt von dem Fürsten.

Walter von der Vogelweide


War der Abendstern des Ruhmes,
Der Tannhäuser, sein Rivale,
War vulgär, frivol, erotisch.

Walter von der Vogelweide


Und auch sein Rival Tannhäuser
Waren nicht vom hohen Adel,
Sondern Fahrende und Bettler.

Walter von der Vogelweide,


Er war zwanzig Jahre älter,
Er war reich und angesehen
Durch die Gnade seines Fürsten.

Der Tannhäuser war aufstrebend,


Brauchte den Erfolg beim Wettstreit,
Musste Walter schlagen, aber
Ludwig war dem Alten günstig.

Des Tannhäusers Hoffnung also


War Elisabeth, die Rose,
Ausschlaggebend war ihr Urteil,
Sie war heilig und barmherzig.

Er will, dass die Fürstin aufmerkt.


Seine Lieder hocherotisch
Kommen gut an bei den Frauen,
Auch bei hohen Adelsdamen.

Also sang er vor der Fürstin:


Schön geknetet ihre Brüste,
Wohlgerundet auch ihr Popo,
Leise schreit sie bei der Liebe!

Sprach Elisabeth, die Rose:


Schön dein Liedchen, mein Tannhäuser,
Mit den Versen hocherotisch
Wirst du bei dem Wettstreit siegen!

Walter kam schon in die Jahre,


Sang für Jesus und die Jungfrau.
Ritter singen für die Weiber
Und die Heiligkeit der Fürstin.

Der Tannhäuser saß im Bade,


Ganz von Holz gemacht der Zuber.
Damals gab es gutes Essen,
Tanz, Musik, Genuss des Lebens.

Überschäumender Bedarf an
Lustbarkeit war auf der Wartburg.
Ein Magnet für alle Künstler
War der Hof des Fürsten Ludwig.

Gerne kamen Minnesänger


Und die allerbesten Köche
Und die schönsten Tänzerinnen
Und die Musiker der Lauten,

Denn das Ideal des Adels


War des Kriegers Mut und Stärke
Und das höfliche Benehmen
Und die Kunst des Minnesanges.

In Tannhausen war geboren


Der Tannhäuser um Zwölfhundert,
War die ersten sieben Jahre
Immer an dem Rock der Mutter,

Ward zum Kämpfer ausgebildet,


Ausgebildet auf der Wartburg,
Denn sein Vater war ein Krieger
Bei dem Staufenkaiser Friedrich.

Der Tannhäuser nun trainierte,


Wie man bleibt auf Rosses Rücken,
Rosse mit den Schenkeln lenkte,
Wie man splitterte die Lanze.

Ausgebildet in den feinen


Adelssitten an dem Hofe
Wurde er und im Benehmen
Und im Lesen und im Schreiben.

Ja, Tannhäuser konnte lesen!


Ja, Tannhäuser konnte schreiben!
Damen lehrte das Benehmen
Und die Sitten an der Tafel.

Und er lernte Redekünste,


Tanz, Gesang und Laute-Spielen,
Ward von Damen ausgebildet
Und bewundert von den Frauen.
Und mit fünfzehn Jahren wurde
Er zum Rittersmann geschlagen,
Ob er auch zum niedern Adel
Wie sein Vater nur gehörte.

Also ist er arm. Das Leben


Eines Ritters, ach, ist teuer!
Eine Ritterrüstung kostet
Fünfzig fette Mutterkühe!

Er benötigt auch drei Pferde,


Eines ist da nicht genügend!
Eines Ritters Schlachtross kostet
Dreißig Schweine und zwölf Ochsen.

Zwar Verpflegung hat der Ritter,


Unterkunft auch auf der Wartburg,
Doch er muß bezahlen einen
Knappen, den muß er bezahlen!

In dem Schlafsaal muß er liegen


Mit den andern Herren Rittern.
Und ein Kettenhemd, das kostet
Ein Vermögen unserm Ritter.

Nur wenn er im Wettstreit Sieger


Ist und Walter überwindet,
Kann er sich das gute Leben
Als ein Dichter weiter leisten.

Ein Duell, nicht mit dem Schwerte,


Ein Duell, mit Liebesversen
Gegen Walter, den berühmten
Veteranen und Rivalen!

Der Tannhäuser muß was wagen,


Zu besiegen diesen Alten.
Ungewöhnlich freche Texte
Schreibt Tannhäuser und tabulos.

Er riskiert damit am Hofe


Den Skandal beim hohen Adel.
Ist der Fürst ihm nicht mehr gnädig,
Muß er als ein Krieger leben.

Also, Lanze oder Laute!


Ich besinge nicht die Kriege,
Sondern singe Liebeskriege
Und im Bette Kissenschlachten!

Sieht denn Ludwig, dieser Landgraf,


Sankt Elisabeths, der Rose,
Frauenehre gar entwürdigt
Von Tannhäusers losen Liedern?

Denn der Ruf voraus ihm eilte


Eines singenden Rebellen,
Der die Minne parodierte
Durch die dreisteste Erotik.

Andre Minnesänger beten


Frauen an in schönen Versen,
Nur die fernsten Ideale
In der reinsten Verse Keuschheit.

Doch Tannhäuser singt von echten


Liebesabenteuern sinnlich.
Walter ist der brave Alte,
Schreibt nur sehr dezent vom Körper.

Doch Tannhäuser detaillierter


Sang vom Körper seiner Dame,
Von den Brüsten, von dem Popo,
Von des Venushügels Schamhaar.

Mädchen! Hebe hoch das Röckchen!


Mädchen! Spreize deine Beine!
Die Erotik bringt ihm Freunde,
Die Erotik bringt ihm Feinde.

Doch Tannhäuser ist beliebter


Bei den Frauen, weil sie nicht mehr
Nur abstrakte Ideale,
Unberührbar, Göttin-gleiche.

Der Tannhäuser ist Revolte


Einer lusterfüllten Jugend.
Walter von der Vogelweide
Ist die Religion der Alten.

Aber wenn Tannhäuser seine


Phantasieen hocherotisch
Projizierte auf die Frauen
Seiner Gönner, wird’s gefährlich!

Bei der Probe für den Wettstreit


Ward Tannhäuser schon gewürdigt
Von Elisabeth, der Rose:
Meiner Gnade bist du sicher!

Oh die festen jungen Brüste!


Oh der wohlgeformte Popo!
Oh betauter Venushügel
Mit gelocktem schwarzem Schamhaar!

Hundert Fässer roten Weines!


Kämmerer und Kellermeister
Und der junge Knabe Mundschenk
Mit den langen goldnen Locken!

Schwein und Lamm und Rind zu speisen,


Kranich und Fasan und Fische,
Hirsch und Hase, Obst und Wildschwein,
Kümmel, Pfeffer, Datteln, Feigen!

An der Tafel die Gespräche


Über Politik und Kaiser.
Auch Tannhäuser schrieb Gedichte
Über das Benimm zu Tische.

Das Duell! Nur Einer Sieger!


Doch es warnt die fromme Fürstin,
Sankt Elisabeth, die Rose:
Singe nicht vulgäre Verse!

An dem Ende dieses Gastmahls


Treten auf die Minnesänger.
Einst sang Walter Liebeslieder,
Religiös nun und moralisch.

WALTER VON DER VOGELWEIDE SINGT:

Nun bin ich alt geworden. Im Vertrauen


Zu euch gesagt, der Tod ist nicht mehr fern.
In meinem Barte seh ich schon die grauen
Und silberweißen Haare. Ach, der Stern
Des Lebens sinkt. Nun Unsrer Lieben Frauen
Sing ich mein Lied und meinem Gott, dem Herrn,
Der meiner Jugend Lieder mög verzeihen!
Ich will mich sterbend Unsrer Frauen weihen!

Nicht Anbetung hoher Damen


Sang Tannhäuser an der Tafel,
Ganz konkrete Liebeslüste
Von dem feuchten Aug des Mädchens!

TANNHÄUSER SINGT:

Geliebte, hebe hoch das Röckchen! Spreize


Die weißen Schenkel, mach die Beine breit!
Ich preise deine Brüste, deine Reize!
Erscheine mir in Evas schönem Kleid!
Den Venushügel schenke, fern vom Geize,
Laß beben deinen Popo allezeit!
Im Spiel der Liebe stöhne mit dem feuchten
Und heißen Mund und laß die Augen leuchten!

Alle schweigen an der Tafel.


Sankt Elisabeth, die Rose,
Applaudierte mit den Händen:
Der Tannhäuser hat gewonnen!

Diese liederlichen Lieder


Waren keine hohe Kunstform,
Doch an allen Adelshöfen
Sang man seine Liebeslieder.

Ein Jahr später zog Tannhäuser


Mit dem Kaiser und dem Fürsten
In die Ewge Rom zum Papste
Und zum Grabe seines Gottes.

REGINA MINERVA

PLATON UND ARISTOTELES

Wenn du anschaust eine Stute,


Wenn du anschaust einen Hengst,
Hast du die Idee der Pferdheit,
Hast das Pferd-an-sich im Geiste.

Wenn du einen Tisch betrachtest,


Einen großen, einen kleinen,
Hast du die Idee des Tisches
Allgemein in deinem Geist.

Aber was sind denn Ideen?


Allgemeine Wesenheiten,
Existierend in dem Geist,
In dem reinen Geist der Gottheit.

Woher weiß der Philosoph


Von dem Wesen der Ideen?
Weil er sie vor der Empfängnis
In der Gottheit Spiegel schaute!

Alle Seelen waren einmal


Vor dem Tage der Empfängnis
Im Ideenhimmel droben,
Schauten Gott und die Ideen!

Aber als sie in den Kerker


Ihres Körpers sind gekommen,
Haben alles sie vergessen,
Haben die Idee vergessen!

Künstler aber, Philosophen


Und Verliebte sich erinnern,
Diese tranken nicht von Lethe
Im Momente der Empfängnis.

Wenn nun Philosophen lieben,


Lieben sie am schönen Kind
Die Idee der reinen Schönheit,
Schauen wieder die Idee.

Wenn der Philosoph verliebt ist,


Schaut er überm schönen Kind
Die Idee der Schönheit, welche
Ist Urania, die Göttin.

Aber sind denn die Ideen


Wesenheiten, geistig-wirklich?
Oder sind sie an den Dingen
Nur als reines Formprinzip?

Sind doch alle Erdendinge


Aufgebaut aus der Materie,
Die ein Chaos ist, ein Stoff,
Der von einer Form geprägt wird.

Diese Form ist an den Stoffen,


Die sie schaffen aus Potenz
Der Materie zum Ding,
Zur Verwirklichung, zum Akt.

Diese Form ist bei dem Menschen


Seine Seele, die den Stoff
Seines Leibes auferbaut,
Daß er wird ein wahres Leben.

Alle Dinge in dem Kosmos,


Die sich irgendwie bewegen,
Sind bewegt von einem Grund,
Dieses ist der Erstbeweger.
Dieser Erstbeweger ist
Erstursache aller Dinge,
Das ist Gott, der allen Dingen
Gibt ihr Ziel in der Vollendung.

Aber was ist die Vollendung?


Das ist die Vollkommenheit.
Gott ist die Vollkommenheit,
Gott ist auch das Ziel der Wesen.

An den Wesen, an den Dingen


Wirkt die Form, die sie entwickelt.
Dies Prinzip des Werdens ist
Die Entelechie der Wesen.

Alle Wesen sich entwickeln


So durch die Entelechie
Zu dem Zustand des Vollkommnen,
Wo vollendet sie in Gott.

Gott ist also Erstursache,


Gott ist Ziel auch aller Wesen.
Seele ist die Form des Leibes,
Gott die Form ist aller Seelen.

HORAZ UND VERGIL

Als Horaz in seiner Jugend


Sang zu seiner goldnen Leier,
Folgte er der heitern Weisheit
Epikurs, die Lust erhebend.

Lust, die allerhöchste Tugend


Eines Menschen auf der Erde,
Ist nicht die frivole Wollust,
Ist die Heiterkeit der Freude.

Was bedarf der Mensch zur Freude?


Nicht die Marmorsäulenhalle,
Sondern einen grünen Garten,
Wo das Glück der Freundschaft lächelt.

Auch die Liebe soll nicht böse


Dir zerquälen deine Seele,
Sondern leichten Mädchen diene
Mit der Heiterkeit der Liebe.

Venus preise! Bacchus preise!


Wenn du erst den Wein genossen,
Dann kommt auch hinzu Cupido,
Dieser kleine süße Schelm!
Als Horaz in seinem Alter
Sang zu seiner goldnen Leier,
Folgte er der ernsten Stoa,
Kardinalen Tugenden.

Eine kardinale Tugend


Lehrt dich, maßvoll stets zu bleiben,
Also auch beim Trinkgelage
Trink sokratisch deinen Becher.

Eine kardinale Tugend


Ist der Starkmut, doch Horaz
Ließ im Kriege seinen Schild
Fallen und ist so geflohen.

Eine kardinale Tugend


Ist Gerechtigkeit. Horaz
Schaute stets das große Staatsschiff
Voller ernster Sorge an.

Eine kardinale Tugend


Ist die Klugheit, und Horaz
War ein Weiser, war ein Seher,
Sang prophetisch seine Oden.

Von Vergil weiß ich zu sagen,


Daß er Dichter des Advent
War und kündete die Kirche
Roms und den Messias an.

In der Vierten der Eklogen


Pries er eine reine Jungfrau,
Die den Sprössling wird gebären,
Der uns bringt das Paradies.

Jove als den großen Vater


Aller Götter, aller Menschen,
Sang Vergil, der uns zum Heil
Einen Heiland senden wird.

Was der Seher Mose schrieb


Von den Kindern Israel,
Schrieb Vergil, der Seher, auch
Von dem großen Sohne Trojas.

Aber wer hat das Geschick


Dem Äneas so gelenkt,
Daß er gründen konnte Rom,
Hauptstadt aller Ökumene?

Das war seine Mutter Venus,


Venus Genitrix, die Göttin,
Die Personifikation
Reinster Providentia.

Denn Vergil war frommer Schüler


Der gelehrten Stoa-Schule,
Pries die Providentia,
Gottes erstgeborne Tochter.

Göttin Providentia
Oder Venus Genitrix,
Sie hat Rom erbaut, dort herrscht
Der ersehnte Weltenheiland,

Der in aller Ökumene


Frieden stiftet, dieser Sohn
Gottes, der Erhabene.
Einst, wie die Sibylle sagte,

Sah man überm Vatikan


Eine Jungfrau, die gebar
Gottes Sohn, den Weltenheiland,
Der in Mutter Roma herrscht.

DIONYSIOS AREOPAGITA

Paulus lehrte in Athen


Weiland auf dem Areopag,
Vor den Schülern Epikurs
Sprach er und den Stoikern.

Als er aber predigte


Von dem Menschen Jesus Christus
Und von seiner Anastasis,
Dachten all die Philosophen:

Dieser kündet neue Götter,


Einen neuen Gott, den Christus,
Eine neue Göttin gleichfalls,
Nämlich Anastasia!

Aber als dann Paulus sprach


Von des Fleisches Auferstehung,
Sprachen all die Philosophen:
Ach, du bist ein dummer Schwätzer!

Wissen wir seit Platon doch,


Daß das Fleisch Gefängnis ist,
Psyche ist darin gefangen!
Psyche kann man nur erlösen,
Wenn sie freigelassen wird
Aus dem Kerker ihres Fleisches,
Das ist die Unsterblichkeit
Psyches in Elysium!

Und du willst im Himmelreiche


Psyche wieder sperren ein
In den Kerker ihres Fleisches?
Nein, du bist ein Körnerpicker!

Psyche wollen wir befreien,


Darum auch die Stoiker
Lieben sehr den weisen Freitod,
Um die Psyche zu befreien!

Aber Pauli Predigt lauschte


Damaris, die Philosophin,
Damaris war eine Jungkuh,
Schon geschlechtsreif, noch nicht Mutter.

Aber Pauli Predigt lauschte


Dionysios, der trunkne,
Ein Platoniker, der glaubte
An den fleischgewordnen Gott.

Dieser Dionysios
Ist der Vater aller Mystik
In dem frommen Abendland,
Ist ein großer Kirchenlehrer.

Was von Gott man sagen kann,


Ist allein, was Gott nicht ist.
Gott ist nicht ein Sterblicher,
Gott ist nicht an Zeit gebunden,

Gott ist nicht an Raum gebunden,


Gott hat keinen Anfang je,
Gott hat auch kein Ende je,
Gott hat keinen Menschenkörper,

Gott ist weder Mann noch Frau,


Ist von Menschen nicht zu sehen,
Gott ist eine Über-Gottheit,
Über allem Dasein seiend.

Gott ist aller Hierarchie


Oberster Gebieter, denn
Alle Throne (oder Götter)
Beten an den Ewigen,

Cherubim und Seraphim


Beten an den Ewigen,
Fürstentum und Herrschaft dient
Gott dem Allerhöchsten immer,

Gabriel und Michael


Und Erzengel Raphael
Dienen stets dem Ewigen,
Ihrem allerhöchsten Herrn.

Alle Engel, die uns schützen,


Dienen allzeit Gott dem Herrn,
Schauen den Unsichtbaren,
Bringen seine Hilfe uns.

In der Kirchen-Hierarchie
Spiegelt sich die Hierarchie
All der Engelchöre droben,
Nämlich in den Sakramenten.

Taufe ist die Neugeburt


Als ein Adoptivkind Gottes,
Beichte ist das Sakrament
Der Versöhnung mit dem Herrn,

Firmung ist das Sakrament


Der Erfüllung mit dem Geist,
Myron-Salbe, Chrisam-Salbe
Stärkt uns mit dem Geist des Herrn.

Die Eucharistie ist Christus,


Die Vereinigung mit ihm,
Ehe ist ein Sakrament,
Da man sich die Liebe spendet,

Priesterweihe ist die Weihe


Eines alter ego Christi,
Krankensalbung ist die Heilung
Eines angefochtnen Christen.

AUGUSTINUS

Monica, die fromme Mutter,


Liebte als ein junger Mensch
Über alles Maß den Wein,
Der im Keller war des Vaters.

Wenn sie in den Keller ging,


Wein zu holen für den Vater,
Trank sie immer von dem Wein,
Heimlich von der Rebentochter.

Aber Gott befreite sie


Von der Sucht nach rotem Weine.
Ihre flüssigen Gebete
Waren nicht vom Rotwein fließend,

Ihre flüssigen Gebete


Waren heiße Tränenflüsse,
Als sie Gott den Herrn gebeten,
Augustinus zu erlösen.

Dreißig Jahre betete


Sie die flüssigen Gebete,
Und es sprach Ambrosius,
Der der Bischof war von Milan:

Soviel Tränen einer Mutter


Werden sicherlich erhört!
Und tatsächlich, Augustinus
Hörte einen Knaben lallen:

Nimm und lese! Nimm und lese!


Augustinus nahm die Bibel,
Schlug sie auf und las das Wort:
Lebt nicht hin in den Begierden

Eures aufgeheizten Fleisches,


Sondern zieht den Christus an!
Augustinus ließ sich taufen,
Zog das Taufkleid Christi an.

Seiner Konkubine Sohn


Auch, Adeodatus hieß er,
Ließ sich taufen in der Kirche
Von Ambrosius von Milan.

Heil, Ambrosius von Milan!


Die ambrosianischen
Hymnen singt noch heut die Kirche
Viele hundert Jahre später.

Aber Mutter Monica


Fühlte, dass sie sterben müsse,
Und sie kam zu ihrem Sohn
Und traf ihn in Ostia,

In dem Hafen nahe Rom.


Und die Mutter sprach zum Sohn:
Früher wollte ich beerdigt
Werden bei des Gatten Grab,

Aber heut ists mir egal,


Wo mein Leichnam wird begraben,
Nur, wenn ich gestorben bin,
Lasset Messe für mich lesen!

Monica und Augustinus


Hielten liebend sich umarmt
Und bedachten alle Dinge,
Die von Gott geschaffen waren,

Streiften alles ab, was endlich,


Was da zeitlich, was da räumlich,
Und so schauten sie zuletzt
In dem Geist die Weisheit Gottes!

Augustinus aber sprach


Herrlich von der Ewigkeit:
Nicht mit einem Auge nur
Schauen wir die Herrlichkeit,

Die Vision der Gloria


Ist nicht nur ein starres Schauen,
Sondern ewiger Genuß,
Wo die Gottheit wir genießen!

Ja, wir werden ganz gestillt sein


Und so ganz befriedigt sein
Von der schönen Liebe Gottes
Und geliebt sein von der Liebe,

Dennoch ohne Überdruß


Werden wir befriedigt werden,
Sondern ewig werden schmachten
Wir nach dem Genuß der Liebe!

Ewig werden wir befriedigt,


Ewig werden wir verschmachten –
Ewig werden wir verschmachten,
Ewig werden wir befriedigt!

LUTHER

Martin Luther hat studiert


Und er ward ein Bibel-Lehrer,
Auf der Universität
Wittenberg hat er studiert.

Und er lernte William Ockham


Kennen, den der Papst verurteilt,
Denn er war Häretiker,
Luther doch verehrte ihn.

Diese beiden Ketzer sprachen


Nicht von einer heiligen,
Apostolisch und katholisch
Römischen Ecclesia,

Sondern von dem Christentume


Einer allgemeinen Kirche.
Denn die Päpste, sagten jene
Ketzer, haben oft geirrt

Und auch die Konzilien


Des Kollegiums der Väter
Haben oft das Wort verfälscht
Und die Bibel falsch gedeutet.

Tausend Jahre Christenheit


Hätten sich geirrt, so sagten
Jene Ketzer, aber heute
Wär kein Glaube mehr vorhanden.

Wenn denn Christus wiederkommt,


Findet er dann noch auf Erden
Glauben? Ach nicht in der Kirche,
Nur bei Einem Mann allein!

Päpste und Konzilien


Und die Kirche gingen irre
Und der Glaube ward bewahrt
Nur von Einem Mönch allein.

Dies besoffne deutsche Mönchlein


Hat zuviel vom Bier getrunken,
Sprach der Papst, als er das hörte,
Luther sei allein noch gläubig.

Alle Welt ist abgefallen


Von der wahren Christenlehre,
Ganz allein bewahrt den Glauben
Ein besoffnes deutsches Mönchlein!

Was ist ein Häretiker?


Und was ist ein Kleriker?
Also fragte meine Herrin
Heute an dem Fest der Weihnacht.

Luther ist Häretiker,


Denn er sagte, dass der Herr
Selbst verstockt den Pharao
Und den Pharao verdammte,

Um dann Gottes große Macht


An den Kindern Israel
Zu erweisen, die er führte
Aus der Sklaverei Ägyptens.
Wenn der Herr den Pharao
Selbst verstockte, selbst verdammte,
Um die Kinder Israel
Ins Gelobte Land zu führen,

Dann tut Gott das Böse selbst,


Um das Gute zu erwirken,
Dann ist in dem Herrn das Böse,
Wie im Herrn das Gute ist.

Da in Gott das Böse ist,


Hat die Bösen er bestimmt
Zu der ewigen Verdammnis
Und die Guten zur Erlösung.

Nichts kann da das Menschlein tun,


Denn entweder reitet ihm
Satan auf dem Rücken oder
Christus ihm erweist die Gnade.

Wenn in Gott das Böse ist,


Prädestination zum Bösen,
Sprach der Lutheraner Hegel,
Dann ist Gott selbst dialektisch,

Dann tut Gott das Böse, um


So das Gute zu bewirken,
Dann zu dem Dreifaltigen
Kommt als Vierte der Personen

Luzifer hinzu, der Vierte


Er in der Dreifaltigkeit.
Und die Lutheranerin,
Die studierte Doktor Luther,

Fürchtet, dass sie Gott verdammt,


Daß sie sei vorherbestimmt
Von dem Herrgott zu der Hölle,
So verfällt dem Wahnsinn sie.

FRANZ VON SALES

Franz von Sales in der Jugend


Litt am höllischen Gedanken,
Daß ihn Gott vorherbestimmte,
In der Hölle zu verderben.

Solches lehrten Calvinisten,


Solches lehrte Martin Luther,
Der des Menschen freien Willen
Abgelehnt als schlimmer Ketzer.

Gegen Doktor Martin Luther


Schrieb der herrliche Erasmus
Von des Menschen freien Willen,
Alle Geister nun verwirrend.

Wenn die Christen nicht mehr hören


Auf die Kirche der Apostel,
Leben sie die Glaubensspaltung,
Kommen sonderbare Lehren.

Franz von Sales stand in Ängsten,


Daß ihn Gott vorherbestimmte
Für die ewige Verdammnis
Und die Qualen in der Hölle.

Und er betete zum Herrgott:


Bin ich schon verdammt zur Hölle,
Will dies Leben auf der Erde
Ich mit aller Kraft dich lieben.

Aber die Erlösung fand er


Von den höllischen Gedanken
Durch die Mutter aller Gnaden,
Unsre Liebe Frau Maria.

Siegerin ist Sankt Maria


Ja in allen Schlachten Gottes,
Sie besiegt allein den Irrtum,
Sie führt uns zu Jesus Christus.

Als sich Franz von Sales weihte


Unsrer Lieben Frau Maria,
Da befreite ihn die Mutter
Von der Calvinisten Irrtum.

Gott will ja, dass alle Menschen


Zu ihm in den Himmel kommen.
Jedem gibt er reichlich Gnade,
Frei für Gott sich zu entscheiden.

So ward er geweiht zum Bischof


In dem schönen Genf, da herrschte
Calvinismus in den Köpfen
Und die Wahrheit ward verdunkelt.

Franz ward Prediger der Wahrheit,


Der die Lehre der Apostel
Gegen Calvin gut verteidigt,
Gegen Luther gut verteidigt.
Luther stritt sich einst mit Calvin,
Ob das Brot, der Wein des Tisches
Sei der Leib, das Blut des Christus
Oder dieses nur bedeute.

Calvin lehrte diesen Irrtum,


Daß das Brot den Herrn bedeute,
Aber dass der Herr nicht wirklich
Gegenwärtig sei im Brote.

Luther sagte: In dem Brot ist


Christus während des Gebetes,
Durch den Glauben sei der Christus
Bei dem Kulte gegenwärtig.

Aber Franz von Sales lehrte,


Was die Kirche der Apostel
Lehrte von dem Anfang an:
Dieses Brot wird Corpus Christi.

In der Hostie gegenwärtig


Ist der Leib, das Blut, die Seele
Und die Gottheit Jesu Christi,
Wie der Herr es selber lehrte.

Franz, das möchte ich noch sagen,


Hatte eine Geistes-Freundin,
Die Johanna von Chantal war
Eine gottverliebte Witwe.

Seine Briefe las ich weiland


An die Freundin Jeanne, die Fromme,
Die nach ihrem Ehestande
Sich dem Herrn allein geweiht hat.

Diese frommen Liebesbriefe


Sind sehr zärtlich und Johanna
Sah in Franz von Sales ihren
Seelenführer in dem Geiste.

HÖLDERLIN

Hölderlin, der junge Dichter,


Las die deutschen Philosophen,
Kant und seine Preußen-Ethik
Las er als sein Tugend-Vorbild.

Fichte und sein Ich und Nicht-Ich


Und die absolute Freiheit
Hat er auch studiert und Hegel,
Seine Lehre von dem Weltgeist.
Auch den alten Schelling las er,
Wie die Religion der Wahrheit
Neuer Mythen Kleid bedürfe.
Schiller und die Ideale

Hat er auch studiert und sah in


Schiller seinen großen Meister.
Doch vor allen Philosophen
Liebte er den großen Platon.

Hölderlin war kaum ein Deutscher,


War vielmehr ein alter Grieche.
Wie der Stoa fromme Schule
Liebte er den Vater Äther

Und die Sonne wie die Griechen,


Die Urania des Platon
Liebte er als Muttergöttin,
Königin und Vielgeliebte.

Und Empedokles, den Weisen,


Liebte er, der sich geopfert
Der Natur, der stürzte liebend
Der Natur in ihren Schoß.

Ob auch Herkules und Bacchus


Seiner Jugend Helden waren,
Liebte er doch auch den Christus,
Sah in ihm den größten Heros.

Als die Welt der jungen Schönheit


Unterging im Zeitgewitter,
Schickte Gott, der große Vater,
Noch den Sohn, den schönen Heros.

Dieser war so ganz vollkommen,


Daß ihn Hölderlin geliebt hat
Mehr als jeden andern Halbgott
Aus der griechischen Antike.

Als er aber kam nach Frankfurt


Zum Bankier Gontard, im Hause
Zu erziehen dessen Knaben
Henry, diesen holden Knaben

In dem blondgelockten Haare,


Sah er auch die Frau des Hauses,
Sah Suzette, die Anmutreiche,
Die Madonna seiner Seele.

Und nach dem Madonnenkopfe


Er gestaltete sein Kunstwerk,
War ein Hausfreund seiner Dame,
Die er leidenschaftlich liebte.

Doch der Gatte seiner Herrin


Schickte ihn aus seinem Hause.
Nach Bordeaux ist er gewandert,
Schaute Lyra, Schwan und Adler

An dem schönen Sommerhimmel.


Die Madonna seiner Seele
Aber wurde heimgerufen
Von dem Gotte ihres Lebens.

Hölderlin ward ein Verrückter,


Schizophrene Paranoia
Plagte nun den hohen Dichter
Und er lebte völlig einsam

Dreißig Jahre in dem Turme,


In dem Turm von Elfenbein,
Spielte oft auf dem Klavier,
Da die Saiten er zerschnitten,

Nannte sich mit neuem Namen


Scardanelli, schrieb Gedichte,
Nannte seltene Besucher
Papst und Kaiser, seine Hoheit,

Knaben auf den Gassen lachten


Über den verwirrten Dichter,
Dessen Seele war umnachtet
Und die Nerven ihm zerrüttet.

Aber welche sanfte Schönheit


Haben seine Turmgedichte!
Er schrieb nur noch an die Mutter,
An die alte fromme Mutter:

Meine hochverehrte Mutter,


Mir ist wohl. Jetzt muß ich enden.
Immer bleibe ich gehorsam,
Edle Mutter, eurer Sohn.

KIERKEGAARD

Kierkegaard war eines Abends


In Gesellschaft, unter Leuten,
Geistreich wusste er zu plaudern
Wie Raketen explodieren,
Er erzählte gute Witze
Und so manche Anekdote
Von berühmten Philosophen,
Dichtern oder Theologen,

War galant zu Edeldamen


Und humorvoll zu den Kindern,
Trank den roten Wein in Maßen
Und ging dann vergnügt nach Hause.

Doch zuhause überfiel ihn


Eine bodenlose Schwermut,
Wie das Nichts in dem Abyssus
Lag vor ihm die Nacht der Trauer.

Dieses Erbteil seines Vaters


Konnte er nicht überwinden.
Diese bodenlose Schwermut
Hüllte alles ein in Nebel,

Hüllte alles ein in Trauer


Und es strömten heiße Tränen
Und gelähmt lag er am Boden
Und begehrte nur zu sterben!

Aber diese schwarze Schwermut


Machte ihn zum Philosophen,
Der die Wahrheit schied vom Irrtum,
Der die Eitelkeit durchschaute.

Diese abgrundtiefe Schwermut


Grenzte an das Absolute,
Löste von den Eitelkeiten,
Trug hinan zum Herzen Gottes.

Dieser Sokrates der Schwermut


Einsam war in Kopenhagen,
Zu der Einsamkeit verurteilt
Von der Schwermut seiner Weisheit.

O Regine, warum musste


Ich mich von dir scheiden, wehe,
Der ich ganz allein der Weisheit
Voller Schwermut anverlobt bin?

O Regine, wenn ich einsam


Gehe hier in Kopenhagen
Durch mein Dänemark im Nebel,
Ist was faul in unserm Staat.

O Regine, eine Leere


Blieb zurück in meinem Herzen
Und in meiner Seelen-Öde
Geht umher dein schwarzer Schatte.

O Regine, ich alleine


Mit der Weisheit meiner Schwermut,
Du allein mit deinem Herzen
Voller femininer Liebe!

O Regine, weil mein Vater


Mir vererbte diese Schwermut,
Kann mich keine Dame trösten,
Weil die Gottheit mich nicht tröstet.

O Regine, ich hab niemals


Wie ein Don Juan die Frauen
Als Verführer nur erobert,
Um sie gleich drauf zu verlassen.

O Regine, ich war niemals


Solch ein großer Frauenkenner
Und Genießer schöner Frauen
Wie der Dichtervater Goethe.

O Regine, niemals taugte


Ich zu einer guten Ehe,
Unsre eheliche Liebe
Wär geworden nur Ruine.

O Regine, meine Sehnsucht,


Ich muß ganz allein in Trauer
Tragen die Passion der Seele
Und kann hoffen nur auf Christus.

O Regine, ich verlasse


Tausendmal dich täglich, stündlich,
Um allein mit meinem Leiden
Mich Minerva zu vermählen!

ABENDERKENNTNIS UND MORGENERKENNTNIS

Die Erkenntnis an dem Abend


Eines Lebens, aller Tage,
Ist der große Pessimismus
Und die große Resignation.

An dem Abend seines Lebens


Sagte König Salomo:
Alles ist auf Erden eitel,
Nichtigkeit der Nichtigkeiten.

Alles Häwäl, alles Hauch,


Alles nur ein Luftgespinst,
Alles ist auf Erden sinnlos,
Sinnlos unter dieser Sonne.

Zwar bemüht man sich um Weisheit,


Doch die Weisheit ist sehr fern,
Ist sehr tief, ist unergründlich,
Keiner kann die Weisheit finden.

Auch das Lachen ist so sinnlos


Und die Freude ist so eitel.
Warum müht man sich so sehr
Mit der Arbeit seines Lebens?

Stets hat man sein Werk geschaffen,


Um am Ende nur zu sterben,
Um das Werk zu hinterlassen
Menschen, die nicht weise sind.

Vanitates Vanitatem
Ist der ganze Kurs Latein.
Eitelkeit der Eitelkeiten
Ist die ganze Reformation.

Also trink du deinen Wein,


Also speise du dein Fleisch.
Aber wer bekümmert ist,
Ach, der kann auch nicht genießen.

Und wozu die ganze Weisheit?


Auch der dumme Mensch muß sterben
Und der Weise auch muß sterben
Und am Ende ist es nichtig.

Die Erkenntnis an dem Morgen


Aber, das ist die Erkenntnis,
Wie die Cherubim erkennen,
Wie die Seraphim erkennen.

Morgenrötlich seid ihr Gipfel,


Dieser Schöpfung Gipfelgrate,
Engel in dem Glanz des Morgens,
In dem Tau der Morgenröte.

Sohn des Menschen, deine Söhne


Werden von dem Geist gezeugt
Wie der frische Tau des Morgens
Aus dem Schoß der Morgenröte.

Morgenglanz der Ewigkeit,


Singen Engel schön in Chören,
Wer ist jene schöne Jungfrau,
Die heraufsteigt wie der Morgen?

Morgenglanz der Ewigkeit!


Sankt Maria ist Aurora,
Die vorausgeht Christus, der
Sonne der Gerechtigkeit.

Jesus Christus spricht zu allen:


Schau, ich mache alles neu!
Christus ist ja auferstanden
Frühe an dem Sonntagmorgen.

Schau, ich mache alles neu!


Christus ist ja auferstanden,
Wir auch werden auferstehen:
Morgenglanz der Ewigkeit!

Morgens wie von süßem Wein


Waren trunken die Apostel,
Als der Geist mit Feuerzungen
Überschattete die Kirche.

Halleluja, Halleluja,
Komm, o Geist der schönen Liebe!
Lobpreis und Anbetung singen
Jungfraun in der jungen Kirche.

Halleluja, Halleluja,
Jesus ist vom Tod erstanden!
Halleluja, Halleluja,
Wir auch werden auferstehen!

RUSSISCHE IKONEN DER GOTTESMUTTER

Russland unterm Kommunismus.


Eine junge Frau, Studentin,
Sollte schreiben über das,
Was auf Lenins Grab geschrieben.

Doch sie wusste nicht genau:


Steht dort, dass die Religion
Sei ein Opium fürs Volk
Oder Opium des Volkes.

Und so schrieb sie ihren Aufsatz,


Gab ihn ab und ging zum Grabe,
Sah, sie hatte recht geschrieben,
Gott sei Opium fürs Volk.

Die Studentin war so froh,


Daß sie betete spontan:
Muttergottes du von Kazan,
Dank sei dir für deine Hilfe!

Als dereinst die Goldne Horde


Der Mongolenreiter kam,
Dschingis Khan und Tamerlan,
Wollten Russland überfallen,

Da ermannten sich die Russen


Und sie zogen an die Grenze
Zum Mongolenreich im Osten
Mit der russischen Armee,

Und die russische Armee


Vorne trug an ihrer Front
Eine heilige Ikone,
Muttergottes von Wladimir.

Und die russischen Soldaten


Riefen: Heil dir, Muttergottes,
Du vertreibe unsre Feinde,
Siegerin in allen Schlachten!

Gottesmutter von Wladimir,


Da hast du den Feind vertrieben
Und gerettet Russland vor der
Goldnen Horde der Barbaren.

Wundertätige Ikone
Du der großen Mutter Gottes,
Siegerin die Muttergottes
Ist in allen Schlachten Gottes!

Leo Tolstoi schrieb das Buch


Krieg und Frieden, den Roman
Über Russland zu der Zeit,
Da Napoleon hereinbrach.

Einmal sah ich einen Film


Nach dem Buch von Leo Tolstoi,
Da der Russen Feldherr kniete
Vor dem Schrein der Gottesmutter.

Als der Feldherr mit dem Heer


Sich Napoleon entgegen
Stellte, Russland zu beschützen,
Kamen orthodoxe Priester

Mit der heiligen Ikone


Unsrer Frau, der Gottesmutter,
Und der fromme Feldherr küsste
Die Ikone Unsrer Frau.
Die Soldaten knieten nieder
Vor der schwarzen Muttergottes,
Alle riefen: Heil Maria,
Schütze unsre Mutter Russland!

Und so siegte Russland über


Jenen Kaiser der Franzosen
Und Napoleon ward von
Unsrer Lieben Frau vertrieben!

Als im zweiten Weltkrieg Hitler


Mit den deutschen Truppen einfiel
In das große Reich der Russen,
Da die Kommunisten herrschten,

Wusste Stalin, der Diktator,


Dass die russischen Soldaten
Nicht wie Kommunisten dachten,
Sondern noch wie fromme Christen.

Als die russische Armee


Kämpfte gegen Hitlers Heer,
Ließ der Schreckensherrscher Stalin
Über der Armee der Russen

Kreisen hoch ein Flugzeug mit


Der Ikone der Maria,
Und Maria schützte Russland
Und besiegte Hitlers Heer.

THEORIE DER LIEBE

Zwei Verfehlungen der Liebe


Müssen deutlich wir benennen,
Eine ist Eudämonismus,
Eine ist der Altruismus.

Denn in dem Eudämonismus


Sucht der Liebende sein Glück
Und er liebt nur die Geliebte,
Weil sie ihm sein Glück beschert.

Einmal sagte eine Frau:


Darum liebe ich dich nur,
Weil ich mich so wohl befinde,
Wenn ich bin in deiner Nähe.

Darum liebe ich dich nicht,


Weil du so bist, wie du bist,
Sondern weil ich gut gestimmt bin,
Glücklich, wenn ich bei dir bin.

Mancher Mann will eine Frau,


Weil sie schön und vorzeigbar.
Aber wenn sie vierzig ist,
Dann ist sie auch nicht mehr schön.

Doch der Altruismus ist


Eine andere Verfehlung.
Hierbei spricht der Liebende:
Ach, mein Name ist Herr Niemand!

Ich bin ja ein bloßes Nichts


Und ich bin nichts als dein Diener,
Dienend, dass du glücklich wirst,
Ob ich glücklich, ist nicht wichtig.

Zwar das hört sich heilig an


Als ein Musterbild der Demut,
Dennoch aber ist die Wahrheit,
Daß ich bin von Gott geliebt.

Zwar ich soll mein Glück nicht suchen,


Sondern soll die Liebe schenken.
Wenn ich aber Liebe schenke,
Werde ich auch glücklich sein.

Und mich selbst zu lieben lehrt mich


Auch die Liebe. Lieb ich mich,
Dann erst kann ich mich verschenken
Im Bewusstsein meines Wertes.

Liebe möchte fruchtbar sein,


Liebe stiftet schöne Einheit,
Einheit schafft die Fruchtbarkeit,
Liebe so beschert uns Früchte.

Wenn zwei Philosophen-Geister


Eins sind in der Freundschaftsliebe,
Wird die Freundschaftsliebe fruchtbar
Sein in geistigen Gebilden.

Und wenn Muse und Poet


Eins sind in der Freundschaftsliebe,
Wird die Freundschaft fruchtbar sein
In poetischen Gebilden.

Liebe nämlich möchte Wohl tun,


Will das Wohl des Vielgeliebten.
Liebe ist die Herzensantwort
Auf den Wert des Vielgeliebten.
Liebe liebt nicht nur das Schöne,
Denn das Schöne ist vergänglich.
Liebe liebt Personen, Wesen,
Die den Wert von Gott empfangen.

In der liebenden Erotik


Einer Frau und eines Mannes
Ist gewünscht die Geister-Einheit,
Ist gewünscht die Seelen-Einheit,

Ist gewünscht die Herzens-Einheit,


Ist gewünscht die Körper-Einheit.
In der Körper-Einheit feiert
Liebe sich intimster Weise.

Auch die körperliche Einheit


Als die Feier der Erotik,
Schön verbindet sie zwei Herzen,
Wenn die Geister auch geeint sind.

Dann die körperliche Einheit


Wird sich fruchtbar auch erweisen
Und die Fruchtbarkeit der Liebe
Sichtbar wird im Kind der Eltern.

Darum ist es auch verwerflich,


Bei der körperlichen Einheit
Die Erotik nur zu feiern
Und die Früchte nicht zu wollen.

DAS MÜTTERLICHE ANTLITZ GOTTES

Also schrieb ein Kardinal


Seine Lehre über Jesus
Und das Vaterunser legte
Also aus der Kardinal:

Ist denn Gott auch eine Mutter?


Im Jesaja-Trostbuch steht,
Daß uns Gott als Mutter tröstet,
Wie die Mutter ihren Sohn.

Auch steht im Jesaja-Buch,


Daß zwar eine Mutter kann
Ihren eignen Sohn vergessen,
Aber Gott vergisst uns nicht.

Auch ist im Hebräischen


Das Erbarmen als ein Wort
Stammverwandt mit einem Schoß,
Mit dem Mutterschoße Gottes.
Aber dennoch redet Jesus
Gott als seinen Vater an
Und in keinem Vers der Bibel
Spricht man Gott als Mutter an.

Bei den Heidenvölkern aber


Gab es Muttergöttinnen,
Aber immer scheint es dort,
Daß die Welt geboren sei,

Daß die Welt geboren von


Einer großen Muttergöttin,
Und die Welt sei emaniert
Und die Welt sei also göttlich.

Aber in dem Judentum


Sei die Welt von Gott geschaffen,
Gott ist aber vor der Welt,
Gott ist außerhalb derselben.

Diese Transzendenz der Gottheit


Werde besser dargestellt
Mit dem Gottestitel Vater,
Darum Gott genannt wird Vater.

Und so sprach der Kardinal:


Ob auch Gott zwar Züge hat
Einer liebevollen Mutter,
Muß man ihn doch Vater nennen,

Denn man darf nicht einfach beten,


Wie es das Gefühl diktiert,
Sondern man muß beten wie
Jesus es uns vorgebetet.

Aber ich sag ganz persönlich,


Daß ich einen Brief geschrieben
An den Orden Benedikts
Und es schrieb der weise Mönch:

Ja, verehre du Maria,


Ist Maria doch die Mutter
Und sie ist auch die Geliebte,
Geistlich deine Ehefrau,

Doch Maria will dich führen


Zu dem mütterlichen Gott.
Bernhard von Clairvaux schrieb einst:
Gott der Herr ist Magna Mater!

Leonardo Boff, der freie,


Schrieb: Maria ist der Spiegel
Für das Mutterantlitz Gottes,
Mutter ist uns Heilig Geist.

Also suchte ich von Herzen


Nach dem Mutterantlitz Gottes
Und ich fand die Weisheit Gottes,
Denn es redet Jesus Sirach:

Kommt Frau Weisheit uns entgegen


Doch als liebevolle Mutter
Und als jugendliche Braut.
Grignion von Montfort sprach so:

Diese schöne Weisheit Gottes


Ist die Himmelskönigin
Und ist die Idee der Schönheit
Und die mystische Verlobte.

Diese Hagia Sophia


Wählte Heinrich Seuse einst
Sich zu seiner Minneherrin,
Sich zur mystischen Verlobten.

Diese Hagia Sophia


Als das Mutterantlitz Gottes
Führte mich zur Liebe Gottes,
Führte mich zur Schönen Liebe.

Diese Schöne Liebe Gottes


Nannte Hildegard von Bingen
Mater Caritas, die Herrin,
Mater Caritas, die Gottheit.

Also sag ich in der Nacht,


In der dunklen Nacht der Seele:
Meine Gottheit ist mir Mutter,
Eine liebevolle Mammi!

DAS GÖTTLICHE JESUSKIND

Eine Zeit las ich die kleine


Sankt Therese von dem Kinde
Jesu und vom Heilgen Antlitz,
Als ich oft mit Kindern spielte.

Sankt Therese sprach zum Kinde


Jesus: Laß mich deinen Ball sein!
Immer darfst du mit mir spielen,
Ist dir nur danach zumute.
Willst du aber einmal nicht
Mit dem Balle spielen, Jesus,
Lege mich in eine Ecke
Und da warte ich geduldig.

Als ich diese Worte las,


Spielt ich oft mit einem Knaben
Ball im Garten, auf dem Hof.
Einmal sprach der kleine Knabe:

Du, mein Pate, du bist Gott,


Ich der Engel Michael
Und wir spielen mit der Sonne
Fußball oben in dem Himmel.

Und ich sah im kleinen Knaben


Immer Jesus, sah im Knaben
Allezeit das Jesuskind,
Ja, das Prager Jesulein.

Also spielt ich selber Ball


Mit dem Prager Jesulein
Und ich schenkte meine Liebe
Ganz dem Prager Jesulein.

Doch der kleine Knabe liebte


Mich als seinen Herzensvater,
Seine reine Kindesliebe
War gar der Anbetung ähnlich.

Einmal sprach der kleine Knabe:


O mein Pate, sag, wer bist du?
Bist du Josef? Nein, nicht Josef,
Sondern du bist Gott der Vater!

O Verrücktheit eines Dichters!


Da erschien es mir, als ob
Mich das Prager Jesulein
Angebetet hat als Gott!

Einmal war es zu der Weihnacht,


In dem Weihnachtsgottesdienst,
Nach der Heilgen Messe sah ich
Jesus in der Krippe liegen.

Dieses kleine Jesusbaby


War ja nur ein kleines Püppchen,
Aber plötzlich traf mich doch
Tief des Jesuskindes Liebe!

Und des Jesuskindes Liebe


War, wie auf dem Sinai
Stand in Flammen einst der Dornbusch,
Der da brannte, nicht verbrannte,

Und es war, als ob die Stimme


Sagte: Zieh die Schuhe aus,
Dieser Felsengrund ist heilig,
Dir begegnet Gottes Liebe!

Gottes Liebe war ein Feuer,


Gottes Liebe war ein Pfeil,
Gottes feuerheiße Liebe
War ein Feuerpfeil von Amor!

Da der Feuerpfeil von Amor


Mich getroffen in dem Herzen,
Brannte ich wie einst der Dornbusch,
Brannte, doch verbrannte nicht.

Feuerpfeil des Amor-Gottes,


Der du einst das Herz getroffen
Sankt Teresias von Jesus,
Wie Bernini dargestellt,

Mich auch traf der Feuerpfeil


Von dem kleinen Amor Gottes,
Von dem kleinen Jesuskind,
Und ich liebte Gottes Liebe.

Anders aber als Teresa


Einst in Avila, ich liebte
Nicht allein die Gottesliebe,
Sondern auch die schöne Freundin.

In der Weihnacht sang ich Hymnen


Des seraphischen Poeten
Klopstock an den Ewigen,
Jahwe, der die Liebe ist.

THEOLOGIE DES LEIBES I

Lesen wir das Hohelied


Mit dem weisen Doppelblick,
Wie der Herr die Seele liebt,
Wie der Mann die Jungfrau liebt.

Jungfrau, sag ich, nämlich Almah,


Keinesfalls ein kleines Mädchen,
Sondern eine junge Frau,
Sexuell noch unberührt.

Hier geschildert wird der Eros,


Wie er sich in Gott auch findet,
In der Gottheit ist der Eros
Eins mit der Agape Gottes.

Aber in dem Hohelied


Wird beschrieben eine Hochzeit
Einer Frau mit einem Mann,
Eine heilige Erotik.

Denn der Eros eines Mannes,


Die Erotik einer Frau,
Wird im Hohelied veredelt
Von der göttlichen Agape.

Nietzsche hat nicht recht, der sagte,


Daß das Christentum vergiftet
Die Erotik. Richtig ist:
Gott veredelt die Erotik.

Also lehrte gar ein Papst


Von der Sexualität:
Liebe ist die Ganzhingabe,
Nicht ichsüchtige Begierde.

Wenn sich Mann und Frau vereinen


In dem Akte der Geschlechtslust,
Sollen sie aus Liebe suchen
Einen Rhythmus, der harmonisch.

Denn der Mann ist schnell, ein Läufer,


Eilig laufend in dem Schnell-Lauf,
Eine Frau ist sehr geduldig,
Wie bei einem Marathon.

Eine Frau kommt langsam zu dem


Sexuellen Höhepunkt,
Doch verweilt sie auch sehr lange
Im Genuß des Höhepunktes.

Liebe Frauen, sagt der Mönch,


Lehrt die Männer, eure Männer,
Das Geheimnis eurer Seele,
Das Geheimnis eures Leibes.

Denn es gibt nur wenig Männer,


Die die Frau so gut verstehen,
Daß von selbst sie wissen, was
Eine Frau von ihnen möchte.

Die normalen Männer aber


Müssen sich belehren lassen
Von den Frauen, was sie wünschen.
Frauen, bitte redet deutlich!

Frauen, führt doch eure Männer


Ein in die Geheimniswelt
Eurer Seele-Körper-Einheit
Voller erogener Zonen!

Frauen haben nämlich mehr


Erogene Zonen als
Männer. Frauen müssen also
Ihre eignen Männer lehren.

Denn die Frau ist ein Geheimnis,


Nicht ein Rätsel, das zu lösen
Wäre durch den klugen Denker,
Nein, Geheimnis unergründlich.

Denn die Seele einer Frau


Wurzelt im Mysterium
Gottes! Gott ist ein Geheimnis,
Unausforschliches Geheimnis.

Frauen sind Ikonen nämlich


Des Mysteriums der Gottheit!
Siebenfach verschleiert ist
Die geheimnisvolle Gottheit.

Einmal sprach ein Seelenarzt


Zu der Freundin meiner Seele:
Nein, ich kann dich nicht behandeln,
Deine Seele ist verschleiert.

Und ich sprach zu meiner Freundin:


Darum lieb ich deine Seele,
Weil sie mystisch ist verschleiert
Und der Gottheit Schleier trägt.

THEOLOGIE DES LEIBES II

Wenn sich nun ein Ehepaar


Sexuell vereinen will,
Sollte offen sein das Paar
Für die Fruchtbarkeit der Liebe.

Heute gibt es eine Pille,


Eine Anti-Baby-Pille!So wird abgetrennt vom Akt
Dieser Liebe Fruchtbarkeit.

Immer soll die Ehefrau


Zur Verfügung stehn dem Mann,
Daß er seine Lust befriedigt,
Ohne Kinder zu erzeugen.

Denn der Feminismus lehrte


Nach Simone de Beauvoir,
Mutterschaft sei Sklaverei,
Ehe sei ein Joch der Frau.

Aber ganz natürlich ist


Eine Frau zu Zeiten fruchtbar,
Unfruchtbar zu andern Zeiten,
Wie es die Natur geschenkt.

Wenn man die Empfängnis regelt


Nach dem Zyklus der Gemahlin,
Muß die Frau den Körper kennen
Und der Mann die Gattin kennen.

Zeiten der Enthaltsamkeit


Und natürlichen Askese
Stärken nur den Ehebund,
Steigern auch die Lust am Akt.

Wenn das Ehepaar sich aber


So wie Sara und Tobias
Ehelich vereinen will,
Warum beten nicht zu Gott?

Denn der eheliche Akt


Kann ja einen Menschen zeugen,
Gott der Schöpfer haucht die Seele
In den Keim bei der Empfängnis.

Wenn der Schöpfer aller Menschen


Sich als Schöpfer so betätigt
Mitten in dem Liebesakt,
Warum beten nicht zu Gott?

Adam war und Eva nackt,


Schämten sich der Nacktheit nicht,
Denn sie lebten in der Liebe,
In der Liebesganzhingabe.

Aber als im Sündenfall


An die Stelle reiner Liebe
Die Begierde war getreten,
Schämten sich die ersten Eltern.

Heute sind die Menschen schamlos,


Zeigen offen auf dem Markt
Ihr Geschlecht und öffentlich
Sie vollziehen die Begattung.
Aber nach dem Sündenfall
Ist das Schamgefühl natürlich
Und es schützt die Menschen auch
Vor dem Missbrauch des Geschlechts.

Dieses Schamgefühl wird aber


Überwunden von der Liebe,
Vom Vertrauen reiner Liebe,
Von der Liebesganzhingabe.

Im intimen Raum der Ehe,


Einzigartig, unauflöslich,
Überwunden wird die Scham
Und die Nacktheit wird natürlich.

Doch die Revolutionäre


Sozialistischen Marxismus,
Feminismus, freier Liebe,
Eines Weiber-Kommunismus,

Lehrten, Sexualität
Von der Bindung abzulösen
Und in Ungebundenheit
Alle Triebe auszuleben.

Denn die Revolutionäre


Wollten ja den Kommunismus,
Ihnen stand im Wege das
Christentum des Abendlandes.

Wollten sie den Kommunismus


Schaffen und den neuen Menschen,
Mussten sie zerstören das
Christentum des Abendlandes.

So zerstörten sie die Ehe


Und die christliche Kultur
Und wir haben in Europa
Massenweise Seelenkrüppel.

DAS JESUSKIND

Als das kleine Jesuskind


In dem Haus der Mutter spielte,
Spielte es mit einem kleinen
Kreuze, das es selbst gezimmert.

Und die Mutter Sankt Maria


Gab dem kleinen Jesuskind
Frischgepflückte Feigen oder
Frischgepflückte Datteln auch
Oder Mandeln, die gesalzen
Waren von dem Salz des Bundes.
Gerne trank das Jesuskind
Frischgemolkne Ziegenmilch.

Jesus spielte schon sehr früh


In der Werkstatt seines Vaters,
Seines Pflegevaters Josef,
Welcher war ein Zimmermann.

Josef musste einmal machen


Für Herodes, für den König,
Einen Thron, geschnitzt von Holz,
Josef hatte sich verrechnet,

Eine Latte war zu kurz,


Als das sah das Jesuskind,
Tat das Jesuskind ein Wunder
Und verlängerte die Latte.

Als das Jesuskind zur Schule


Gehen sollte, brachten Anna
Oder Josef ihn zur Schule,
Und der Lehrer war sehr streng.

Und es lehrte ihn der Lehrer,


Wie man schreiben soll das A,
Dann der Lehrer lehrte ihn,
Wie man schreiben soll das B.

Doch da sprach das Jesuskind:


O du dummer dicker Lehrer,
Weißt nicht, was das A bedeutet,
Willst mich lehren schon das B?

Und es sprach das Jesuskind:


Jener schräge Strich beim A,
Der von links nach rechts hinaufgeht,
Das ist Gott der Ewigvater,

Jener schräge Strich beim A,


Der von links nach rechts hinabgeht,
Das ist Gott der Ewigsohn,
Griechen nennen ihn den Logos,

Und das Strichlein in der Mitte,


Das die beiden schrägen Striche
Liebevoll verbindet, das
Ist der Heilge Geist, die Liebe.

Willst du lehren nach dem A


Mich das mütterliche B,
Sage ich, dass A und B
Abba auszusprechen sind.

In der Schule bei der Pause


Aber sprachen seine Freunde:
Jesus, du bist Gottes Sohn,
Bau uns einen Regenbogen,

Daß wir auf dem Regenbogen


Durch die Luft spazieren können.
Also tat das Jesuskind
Eben rasch ein kleines Wunder,

Baute einen Regenbogen.


Jesulein und seine Freunde
Stiegen auf den Regenbogen,
Gingen durch die Luft spazieren.

Aber Jesu kleine Freunde


Fielen von dem Regenbogen
Auf die Nasen, schlugen ihre
Kleinen Nasen leider blutig.

Als das hörte Oma Anna,


Nahm sie eine Weidenrute,
Haute Jesus auf den Popo,
Dreimal schlug sie auf den Popo,

Oma Anna sagte nämlich:


Jesus, du bist Gottes Sohn,
Aber denke stets daran,
Daß die Menschen sind aus Lehm.

ADAM UND EVA

Eine alte Jüdin sagte:


Unser aller Mutter Eva
Ist nicht die Verführerin,
Nicht das Weibchen, ewig lockend.

Adam aß ja selbst die Frucht.


Aber nein, es war kein Apfel,
Äpfel gab es nicht vorzeiten
In des Nahen Ostens Garten.

Weizen gab es, es gab Gerste,


Es gab purpurne Granaten,
Trauben gab es an dem Weinstock,
Quitten, Datteln gabs und Feigen.
Als nun Eva und auch Adam
Die verbotne Frucht genossen,
Sahen beide, dass sie nackend,
Und verhüllten ihre Blöße.

Und der Feigenbaum gab ihnen


Blätter, dass sie sich verhüllten,
Sie verhüllten ihre Blöße
Mit den Blättern von dem fig-tree.

Darum sagen die Rabbinen:


Dieser Feigenbaum hat sicher
Einige Gewissensbisse,
Weil er ihnen gab die Feige.

Darum produzierte dieser


Feigenbaum die großen Blätter,
Weil zuerst er produzierte
Die verbotne Frucht, die Feige.

Wenn man es so sehen möchte,


Ist die Paradiesgeschichte
Die Geschichte einer Kindheit,
Einer reinen Kinder-Unschuld.

Kleine Kinder laufen nackend


Durch den Garten ihrer Kindheit,
Die dann später erst beginnen,
Des Geschlechtes sich zu schämen.

Scham ist etwas ganz Gesundes.


Wenn Erwachsne aber schamlos
Sind, so sind sie meistens Sünder,
Hurenböcke, Sodomiten.

Aber erst die alten Leute


In den Alten-Hospitälern
Werden wieder kindlich-schamlos
Und so schließt sich dann der Kreis.

Wenn man es so sehen möchte,


Ist die Paradiesgeschichte
Die Geschichte einer Menschheit,
Früchte sammelnd an dem Anfang.

Als geboren Kain und Abel,


War die Menschheit schon entwickelt,
Denn da war der Ackerbauer
Und da war der Hirte auch.

Später kam dann Nimrod auf,


Der ein Jäger vor dem Herrn.
Dieser brachte aus der Ferne
Leckres Fleisch von wilden Tieren.

Aber dass die Mutter Eva


Ist zugleich die Freundin Ruth
Und die heilige Maria,
Das ist christlicher Gedanke.

Denn die Christenbrüder sagen:


Wie gefehlt der erste Adam,
Muß der neue Adam Christus
Für die Sünder Sühne schaffen.

Und weil Eva ungehorsam


Gegen Gott war und gehorcht
Hat auf den gefallnen Engel,
Kam die Sünde in die Welt,

Darum kam die neue Eva,


Diese heilige Maria
Hörte auf den Engel Gottes
Und gehorchte Gottes Wort.

Diese neue, zweite Eva


Ist das Ewigweibliche,
Das hinanzieht uns zu Gott,
Zum Geheimnis Ewger Liebe.

VORSOKRATIKER

Parmenides reiste einsam


Reitend durch die dunkle Nacht,
Sonnentöchter führten ihn
Zur Gerechtigkeit, zur Pforte

In dem Himmel, wo er schaute


Göttin Wahrheit in dem Thron
Und die Göttin Wahrheit sprach
Zu dem frommen Philosophen:

Alle Dinge auf der Erde


Werden und vergehen wieder,
Alles Dasein ist so nichtig,
Nichtigkeit der Nichtigkeiten!

Aber was ein Dasein hat,


Hat sein Dasein nur allein,
Weil es einen Anteil hat
An dem absoluten Sein.

Dieses absolute Sein


Ist unsterblich, unvergänglich,
Ewig und allgegenwärtig,
Und es ist das Eine Sein.

Heraklit, der dunkle Denker,


Schrieb vom Inneren des Kosmos,
Weihte dies sein Werk der Göttin
Artemis von Ephesos:

Dieser Kosmos ist dynamisch,


In dem Kosmos wirkt die Kraft
Voller Energie, die nenn ich
Feuer, das ist die Dynamis.

Aber alle die Dynamik


Jener Energie im Kosmos
Waltet doch nicht blind und ziellos,
Da ist eine Ordnungsmacht.

Diese Ordnungsmacht im Kosmos,


Die die Kraft der Energie
Ordnet und gestaltet, nenn ich
Logos oder Allvernunft.

Das dynamische Gebilde


Dieses Kosmos voller Kraft
Lenkt und führt zu seinem Ziel
Logos, Gottes Allvernunft.

Und Anaxagoras sagte


Zu dem Ärger der Athener,
Daß die Sonne sei kein Gott,
Sondern toter Feuerstein,

Daß die Luna und die Venus


Seien keine Göttinnen
Und dass Jupiter und Mars
Keine Himmelsgötter seien,

Sondern kosmische Planeten,


Einfach tote Himmelskörper,
Die gewiesne Bahnen wandeln
Nach Gesetzen der Natur.

Die Gesetze der Natur,


Die der Physiker entdeckt,
Seien eingeschrieben in
Die Natur von einem Nous,

Einem Gottes-Intellekt,
Einer göttlichen Vernunft,
Einem Geist der Göttlichkeit
Als dem allerhöchsten Wesen.

Aber die Athener und


Die Athenerinnen auch
Klagten an Anaxagoras
Einer Gotteslästerung.

Einen andern Weg zu Gott


Lächelnd wies uns Sokrates,
Die Sophisten aber machten
Weisheit zum Geschäft des Geldes.

Aber da sprach Sokrates,


Daß in jedem Menschengeist
Wohne ein Daimonium
Oder göttliches Gewissen.

Dieses göttliche Gewissen


Lehre nun den Menschengeist,
Wahrheit anzustreben in
Seiner menschlichen Erkenntnis,

Gutheit anzustreben in
Seinem reinen Tugendleben.
Im Daimonium vernimmt der
Menschengeist die Stimme Gottes.

PLATON

Platon sah in allen Dingen


Ihre geistigen Gesetze.
Dass wir einen Baum erkennen,
Macht das geistige Gesetz.

Wenn wir eine Frau erkennen,


So erkennen wir ihr Wesen,
Was die Frau zur Frau erst macht,
Dieses nennt er ihre Frauheit.

Zwar Diogenes verspottet


Diese Lehre Platons, sagte:
Zwar ich traf schon eine Frau,
Doch noch nie sah ich die Frauheit.

Aber Platon spekulierte,


Hinter allen Phänomenen
Seien Wesenheiten geistig,
Die er die Ideen nannte.

Diese geistigen Ideen


Seien in der reinen Geistwelt,
Seien im Ideenhimmel,
Wo sie tanzen wie die Götter.

Aber unter den Ideen


Sei auch eine Hierarchie,
Einige Ideen stehen
Höher als die anderen.

Und die Höchsten der Ideen,


Das sei die Ideen-Dreiheit,
Sei die Wahrheit, sei die Gutheit,
Sei das Ideal der Schönheit.

Wenn der Menschengeist erkennt


In der geistigen Erkenntnis
Eines Dinges reines Wesen,
Strebt er zur Idee der Wahrheit.

Wenn der Mensch moralisch handelt


Nach dem Tugendkatalog,
Er bemüht sich, zu erreichen
Die Idee des höchsten Guten.

Wenn der Menschensinn genießt


Irgend Werke schöner Musen,
So genießt er die Idee
Der von Gott gezeugten Schönheit.

Von der Dreiheit der Ideen


Was ist da das Höchste Gut?
Wahrheit, Schönheit, Gutheit seh ich,
Doch die Gutheit ist die Höchste.

Platon nämlich nennt die Gutheit


Seine allerhöchste Gottheit.
Was der gute Gott erschaffen,
Das ist alles gut geschaffen.

Wenn der Mensch zum Guten strebt


Und die Güte selbst verwirklicht,
Ist er auf dem Weg zu Gott,
Lebt vor Gott ein Tugendleben.

Platon aber von der Seele


Lehrt, dass sie unsterblich ist,
Ja, von Ewigkeit gedacht
Als Idee im Geiste Gottes.

Vorm Momente der Empfängnis,


Da sie in den Körper eingeht,
War die Seele schon bei Gott,
War sie im Ideenhimmel.
Und die Seele schaute Gott,
Schaute alle die Ideen,
Wie sie tanzen vor der Gottheit,
Schaute sie im Himmelsspiegel.

Doch die Seele ist gefallen


Ins Gefängnis dieses Fleisches
Und sie muss sich nun erheben,
Heimzukehren in den Himmel.

Dazu hilft ihr nun die Liebe,


Denn im Augenblick der Liebe
Sieht die Seele im Geliebten
Wieder diesen Glanz der Gottheit.

Und die Seele breitet ihre


Flügel, inspiriert durch Liebe,
Zu der allerhöchsten Schönheit,
Zu der allerhöchsten Güte.

Amor ist der Mittler Gottes,


Amor führt verliebte Seelen
Auf der Himmelsleiter zu
Der Urgottheit der Urschönheit.

MANN UND FRAU

Eines Menschen reine Seele


Ist von Ewigkeit in Gott,
Ist Idee in Gottes Geist,
Ist vorausgesehn in Christus.

Eine Seele ist die Form


Eines Leibes, Blut und Fleisch,
Aber Christus ist die Form
Einer gottgehauchten Seele.

Wenn die Eltern sich vereinen


In der ehelichen Liebe,
Als Mitschöpfer mit dem Schöpfer
Bilden sie des Menschen Leib.

Aber Gott, der reiner Geist ist,


Im Momente der Empfängnis
Schafft und haucht die Seele ein
In den Keim des Menschenleibes.

Dieser Hauch der Menschenseele


In den Keim des Menschenleibes
Ist ein Kuß von Jesus Christus,
Ist ein Küssen dieses Menschen.

Aber in dem Anbeginn


Waren Adam und auch Eva
In der Gegenwart der Gottheit
Und das ist das Paradies.

In der Abenddämmerung
Ging der Ewige spazieren
Mit dem ersten Menschenpaar
In dem Paradiesesgarten.

Adam und auch Eva waren


In der Harmonie mit Gott
Und auch in der ehelichen
Harmonie der Liebenden.

Und die Liebe Adams war


Eine reine Selbsthingabe
Und das Schenken seiner Liebe
War ganz frei von Egoismus.

Und die Liebe Evas war


Selbstlos schenkend, Ganzhingabe,
Da sie Adams Hilfe war,
Hilfe auf dem Weg zu Gott.

Aber als die Schlange nahte


Und die Feige der Erkenntnis,
Eva in die Schlange biss,
Adam sich die Feige pflückte,

Wurde aus der reinen Liebe


Herzverzehrende Begierde.
Adam liebte nicht mehr Eva
Als den Spiegel seiner Gottheit,

Adam jetzt begehrte Eva


Im Begehren seiner Triebe,
Eva war sein Lustobjekt,
Das genoss er egoistisch.

Eva war sein Lustobjekt,


Eva war sein Sexidol.
Er in Selbstbefriedigung
Kannte nur der Triebe Hunger.

Aber was ist die Erlösung


Des gefallnen Menschenpaares?
Da das Lächeln ihrer Liebe
Zähnefletschen war des Hasses,
Da die Bündelung der Triebe
Fressen wollte das Objekt
Und zur Triebbefriedigung
Töten gar das Sexidol,

Sah, wie Martin Luther sagte,


Gott von diesen Sünden weg?
Nein, durch Kreuz und Auferstehung
Seines Sohnes Jesus Christus

Er verhieß der ganzen Menschheit


Gleichfalls eine Auferstehung
Und auch einen neuen Leib
Und ein neues Paradies.

In des Paradieses Geistleib


Menschen feiern keine Hochzeit,
Sondern sind den Engeln ähnlich,
Ganz vereinigt mit der Gottheit.

Nicht die fressende Begierde


Stillt sich an dem Sexidol,
Sondern reine Gottesliebe
Alles wird in allen sein.

DOSTOJEWSKI

Schuld und Sühne Dostojewskis


Las ich einst in Oldenburg,
Der Verbrecher noch am Ende
Sah die junge Morgenröte.

Aber ganz gefangen nahm mich


Dostojewskis Idiot,
Den in Polen ich gelesen
An dem Fuße der Karpaten.

Meine beiden lieben Frauen


Schliefen da in einem Zelt
Mir zur Rechten, mir zur Linken.
Meine Oma lag im Sterben.

O du lächelnde Aglaja,
Eine Grazie reiner Tugend,
Aber stolz und dornenreich
Und unnahbar wie ein Eisberg!

O du reizende Natascha,
Dieses dunkle Frauenleiden,
Sünderin, doch voller Liebreiz,
Unglücklich, begehrenswert!
O der reine Idiot,
Myschkin, dieser Christus Russlands,
Kinder nur verstanden ihn,
Der die Kinder sehr geliebt!

Als gestorben meine Oma,


Sah ich Myschkin vor mir stehen
Oder wars der Christus Russlands,
Dionysischer Messias?

Aber dann in Berolina


Mit den beiden Ehefrauen
Sah ich russische Ikonen
Von der schwarzen Gottesmutter.

Die erniedrigt und beleidigt


Waren, hab ich dort gelesen,
Die erniedrigt und beleidigt
Waren, weckten meine Tränen.

Und die eine meiner Frauen


Kochte mir ein Mittagsmahl,
Doch ich kehrte ihr den Rücken,
Wollte Dostojewski lesen.

Brüder Karamasow las ich


In Tirol und in Venedig,
Dachte in Venedig immer
An die Reue und die Buße.

Als Sossima predigte


Von der großen Liebe Gottes,
Sprach ich tiefgefühlter Reue:
Ach, ich muß mein Leben ändern!

Solchem Starez zu begegnen,


Wie Aljoscha ihm begegnet,
War die Sehnsucht meiner Seele,
Doch ich bin ihm nicht begegnet.

Später dann in Oldenburg


Saß ich mit den beiden Frauen,
Las die Brüder Karamasow
Vor in unserm Lesezirkel.

Doch ich konnte stets nur starren


Auf die eine meiner Frauen,
Eifersüchtig war die andre,
Fühlte sich zurückgesetzt.

Lang hab ich nicht mehr gelesen


Dostojewski, doch ich hörte,
Daß er sehr verehrt Maria,
Russlands schwarze Gottesmutter:

Feuchte Mutter, schwarze Erde!


Liebe Mutter, Alte Rusj!
Große Mutter, Gottesmutter!
Also flehte Dostojewski.

Und dann hörte ich den Papst


Benedikt am Feiertag
Makelloser Konzeption
Dostojewski so zitieren:

Nur die Schönheit kann uns retten!


Die jungfräuliche Maria
Kann allein uns jetzt noch retten,
Spiegel sie der Schönheit Gottes!

Dostojewski sagte einmal:


Nur die Schönheit kann uns retten!
Und es fragte ihn ein Mann:
Welche Schönheit meinst du denn?

Nur die Schönheit kann uns retten,


Nur die Schönheit einer Liebe,
Die sogar den Schmerz umarmt,
Sagte weise Dostojewski.

DIE SPEISE

Tiere werden heut gehalten


In den Massenkäfigen,
Künstlich-chemisch hochgezüchtet,
Bis sie sterben voller Angst.

Das ist nicht human gehandelt,


Der Gerechte liebt sein Vieh,
Sorgt für alle seine Tiere,
Wie es tut ein guter Hirte.

Aber Vegetarier
Pflegen heidnisch einen Tierkult.
Kinder werden abgetrieben,
Für die Frösche demonstriert man.

Caritas, soll das bedeuten,


Daß die Reichen Gelder spenden
Für den Kondor, der bedroht ist,
Doch man tötet Embryos?
Vegetarier, was sagst du,
Daß das Tier auch Tiere frisst?
Seit dem Gottes-Bund mit Noah
Darf der Mensch auch Tiere essen.

Vegetarier, willst du
Jesus Christus denn verklagen,
Der als auferstandner Herr
Fische, die er schuf, gegessen?

Kinder, habt ihr nichts zu essen?


Jesus Christus, auferstanden,
Sprach als Erstes zu den Jüngern:
Kinder, habt ihr nichts zu essen?

Und es sprach ein Mönch dereinst:


Wäre Bischof ich geworden,
Wäre dies mein Bischofsmotto:
Kinder, habt ihr nichts zu essen?

Und mein Bischofswappen wären


Zwei gekreuzte Hähnchenschenkel.
Also sag ich auch als Gleichnis
Vom Gebet des Rosenkranzes:

Ausprobieren musst du es,


Das Gebet des Rosenkranzes!
Wer nie Wiener Schnitzel aß,
Weiß ja nicht, wie gut das schmeckt!

Und Teresia von Jesus


Sprach vom Fasten und Gebet:
Sinds die Fasten, faste du!
Ist es Ostern, iß ein Rebhuhn!

Und Teresia von Jesus


Schrieb in einem Briefe einmal:
Essen muß ich jetzt Geflügel,
Weil die Hammel nicht so gut sind.

Hildegard von Bingen selbst


War nicht Vegetarierin.
Doch sie warnte vor dem Aal,
Doch sie warnte vor der Ente.

Denn der Aal am Meeresgrund


Sich ernährt von schlechten Dingen.
Und die Ente auf der Erde
Sich ernährt von schlechten Dingen.

Hildegard empfiehlt den Dinkel:


Esse lieber Dinkelbrot!
Hildegard empfiehlt die Walnuss:
Walnussbutter auf das Brot!

Aber wenn ich einst im Himmel


Leben darf bei Jesus Christus,
Eingeladen zu dem Mahl,
Zu dem Ostermahl des Lammes,

Möchte ich Chinese sein,


Mit dem Herrn chinesisch essen,
Gerne eine Peking-Ente,
Dafür braucht es vier Personen.

Gott den Vater lad ich ein,


Vater voller Zärtlichkeit,
Gott den Logos lad ich ein,
Sohn, der mich am Kreuz erlöst,

Gott den Geist lad auch ich ein,


Der so viel in mir gebetet,
Und als viertes setze ich
Mich zu der Dreifaltigkeit,

Und wir essen dann im Himmel


Eine leckre Peking-Ente.
Kinder, habt ihr nichts zu essen?
Jesus! Eine Peking-Ente!

CHINA

Von dem Diktatoren Mao


Las als erstes ich Gedichte,
Dann las ich die Dialektik
Nach dem Diktatoren Mao.

Den erotischen Roman


Über Dame Dija las ich,
Lernte da mein China lieben,
Das von Liebe blumig spricht.

Und ich las den Lao Tse


Übers Tao, übers Te,
Fast ein Evangelium
Von der Weisheit Jesu Christi.

Hab Konfuzius gelesen,


Die Gespräche mit den Jüngern.
Gott den Meister schuf als Glocke,
Als die Welt war ohne Wort.

Und ich las vom Blütenland


In dem Süden Tschuang Tses,
Orgelspiel der Erde hört ich,
Orgelspiel des Himmels hört ich.

Und ich las den Li Tai-Po,


Der dreihundert Becher trank
Und dreihundert Oden sang
Auf die schöne Konkubine.

Und ich las auch den Du Fu,


Ernster er als Li Tai-Po,
Und ich las den Bo Djü-I,
Welcher vorlas seiner Putzfrau.

Und ich las das Buch der Lieder,


Alte Oden der Chinesen,
Hab sie selber nachgedichtet,
Welche alt wie Davids Psalmen.

Und ich las die neunzehn alten


Alterwürdigen Gedichte,
Verse voller Liebesklage,
Verse voller Totentrauer.

Und ich schrieb von meinem China


Einen blühenden Roman
Mitten in dem wirrsten Irrsinn,
Dachte, ich sei selbst Chinese.

Und dann traf ich den Chinesen


Rong-Ji Pan, der war ein Christ,
Der schrieb eine Doktorarbeit
Über den Konfuzius.

Und ich half ihm formulieren


Die Idee der Pädagogik,
Von der Vater-Sohn-Beziehung,
Wie Konfuzius sie lehrte.

Und ich las die Volksgeschichten


Und die Märchen der Chinesen,
Las das Kin-Ping-Meh und andre
Altchinesische Romane,

Etwa auch die wilden Räuber


Von dem Moore Liang-Shan,
Den erotischen Roman auch,
Der in Deutschland war zensiert,

Las das Buch auch von dem Urquell,


Welches Liä-Dsi geschrieben,
Las im Buch der Sitten auch,
In dem alten Buch Li Gi,

Schrieb auch über die Musik,


Die Erziehung auch der Kinder,
Las das Leben Hudson Taylors,
Missionar in China er,

Hörte auch von Fu Chen Fu,


Missionar in China er,
Der die vielen Drachen sah,
Alles hielt für Teufelswerk,

Selber dann Chinese wurde


Und in China schließlich starb:
Herr, im Himmel möchte ich
Ewig ein Chinese sein!

Ja, in einem andern Leben


War ich Dichter einst in China,
Lebte in der Bambushütte,
Schaute nachts den Vollmond an,

Liebte eine schöne Frau,


Aufgesteckt die schwarzen Haare
Und durchbohrt von einer Nadel
Ihrer Heiratsmündigkeit.

FASTENPREDIGT ÜBER DEN WEIN

Liebe Brüder mein in Christo,


ich als euer Bischof sage,
Daß ihr in der Fastenzeit
Mäßig trinken sollt den Wein.

Gott der Herr spricht in den Psalmen,


Daß er selbst den Wein erschaffen,
Um den Kummer euch zu brechen
Und die Herzen zu erquicken.

Ist da einer von euch Brüdern,


Der ein Gläschen nur verträgt,
Trinke er ein kleines Gläschen,
Trinkt er mehr, so wird er närrisch.

Wer da mehr trinkt von dem Wein,


Als er wohl vertragen kann,
Geht der Arbeit nicht mehr nach,
Bleibt den ganzen Tag im Bett,

Schlägt dann seine Ehefrau,


Weil sie ständig zankt und keift,
Und verflucht die eignen Kinder,
Weil sie seine Ruh ihm rauben.

Ist ein Mann ein solcher Schwächling,


So enthalte er sich lieber,
Trinke nur ein kleines Gläschen,
Danke Gott und gehe schlafen!

Sind da aber andre Brüder,


Die zwei Gläser schon vertragen,
Wohl auch von dem stärkern Wein,
Trinke er den edlen Wein,

Etwa einen Gran Reserva


Oder wohl auch den Bordeaux.
Mehr jedoch sei ihm verboten,
Weil er sonst cholerisch wird,

Zankt sich mit der sanften Gattin,


Die nicht Ja und auch nicht Nein sagt,
Sperrt die kleinen Kinder ein
Auch zur Strafe in die Kammer.

Trinke jeder nur sein Maß.


Wer da mehr als er verträgt
Trinkt vom gottgeschaffnen Wein,
Dem gebiet ich Mäßigung.

Liebe Brüder mein in Christo


Und ihr lieben Schwestern auch,
Ich als euer Bischof sage,
Daß der Herr mich mehr begnadet.

Wollte Gott euch so begnaden,


Wie er mich begnadet hat,
Könntet ihr auch ruhig trinken
Eine Flasche an dem Abend.

Gott der Herr hat mir gegeben


Eine Festigkeit im Trinken,
Wie er euch so nicht begnadet.
Jedem gibt der Herr sein Maß.

Aber habt ihr je gesehen,


Daß ich lallte bei der Predigt
Oder bei der Prozession
Etwa euch voran gewankt bin?

Nein, ihr saht mich niemals torkeln


Bei der Messe am Altar
Und in meiner Hirtensorge
Habe niemals ich geschwankt.
Nein, die Kranken habe ich
In dem Krankenhaus besucht
Und den Sterbenden gab ich
Noch die Sterbesakramente.

Kleinen Kindern hielt ich treu


Väterlich die Bibellehre,
Lehre auch den Katechismus
Zu der ersten Kommunion.

Habe in dem Bibelkreis


Gottes Wort gelehrt die Brüder
Und der Mutter Kirche Lehre
Überliefert treu den Schwestern.

Habe in der Ökumene


Diskutiert mit Lutheranern,
Mit den Pfingstlern und Baptisten,
Ohne je vom Herrn zu weichen.

Summa: Hätt euch Gott begnadet,


Wie er mich begnaden wollte,
Tränkt ihr eine Flasche Wein
Wohl am Abend, Christus preisend.

JUNGFRÄULICHKEIT, EHE, SCHEIDUNG

Als ich war ein Christ geworden,


Schied mich von der Konkubine,
Denn ich las Apostel Paulus:
Alle sollen sein wie ich!

Dieses sagte der Apostel


Nicht, um Ketten anzulegen,
Sondern um der Freiheit willen
Und des freien Gottesdienstes.

Nämlich wer gerufen ist


In das Sakrament der Ehe,
Möchte seiner Frau gefallen,
Ist nicht völlig frei für Gott.

Sondern halben Herzens dient


Er dem Herrn mit seiner Arbeit,
Halben Herzens dient er seiner
Frau in dem Geschäft des Alltags.

Aber wer berufen ist


Zur Jungfräulichkeit vor Gott,
Der ist frei, dem Herrn zu dienen,
Ganzen Herzens dient er Gott.

Und es war einmal ein Mönch


In der Wüste von Ägypten,
Welchen quälte die Begierde,
Er ersehnte sich ein Weib.

Sprach zu ihm der Wüstenvater,


Geistlich weise war der Abbas:
Mache dir ein Weib aus Ton,
Denke, sie sei deine Frau.

Nun musst du zur Arbeit gehen,


Um die Gattin zu ernähren.
Mache dir aus Ton ein Kind,
Dieses musst du auch versorgen.

Mach aus Ton ein zweites Kind,


Denke dann an alle Sorgen.
Es vergeht die Fleischeslust
Dir gewiss nach einem Weib.

Sondern willst du ehelos


Leben für das Himmelreich,
Wähle Unsre Liebe Frau
Dir zur mystischen Gemahlin.

Aber wer im Herzen Angst hat,


Daß ihn Gott berufen könnte
Zu der Ehelosigkeit,
Ist berufen für die Ehe.

Wie der Vater liebt den Sohn


Und der Sohn den Vater liebt
Und die Liebe beider haucht
Gottes Geist als Band der Liebe,

So der Gatte liebt die Gattin


Und die Gattin liebt den Gatten
Und die Liebe beider schafft
Dann das Kind als Frucht der Liebe.

So wie Christus liebt die Kirche,


Liebt der Ehemann die Frau,
Wie die Kirche liebt den Christus,
Liebt die Ehefrau den Mann.

Denn die Ehe ist Geheimnis,


Ist reales Sakrament,
Spiegelt wieder Gottes Treue,
Ist wie diese unauflöslich.
Ach, was muss ich alles hören
Von den lieben Protestanten?
Diese Frau war einst vermählt
Mit dem lauen Katholiken,

Ließ sich scheiden dann von ihm,


Nahm sich einen zweiten Mann,
Der die Katholiken hasste,
Huren liebte im Bordell,

Und sie ließ sich wieder scheiden


Von dem Katholikenhasser,
Ging mit einem dritten Mann
Händchen haltend in die Kirche.

Ja, sie lesen zwar die Bibel,


Daß der Herr verbot die Scheidung,
Aber tun was sie gelüstet
In des Christenmenschen Freiheit.

Wer das Sakrament der Ehe


Gegen Gott gebrochen hat,
Kann das Sakrament der Liebe
Vom Altare nicht empfangen.

REINHEITSMARTYRIUM

Als Apostel Paulus war


In Ikonion in Hellas,
Hörte Jungfrau Thekla ihn
Reden von der Liebe Christi.

Jungfrau Thekla war entflammt


Von der Kreuzesliebe Christi,
Der den Liebestod gestorben
Für das Heil der Braut, der Seele.

Jungfrau Thekla sich verliebte


In den Bräutigam Messias,
Wollte als die Braut des Christus
Leben in Jungfräulichkeit.

Doch da war ein wilder Heide,


Welcher voll Begierde war,
Leidenschaftlich wie ein Tier
Er begehrte Jungfrau Thekla,

Wollte sie zur Ehefrau,


Um mit ihr intim zu schlafen.
Aber Thekla war entsetzt
Über die Begier des Heiden.
Da verwehrte Thekla sich
Dem begierdevollen Heiden:
Nein, ich will als Jungfrau leben,
Christus ist mein Bräutigam!

Doch des wilden Heiden Zorn


Und die wütende Enttäuschung
Seiner tierischen Begierde
Klagte Jungfrau Thekla an.

Thekla ward zum Tod verurteilt,


Sollte sterben durch das Feuer.
Als sie auf dem Scheiterhaufen
Mitten in den Flammen stand,

Betete zu Christus sie:


O mein Bräutigam und Herr,
Schenk im letzten Augenblick
Mir das Sakrament der Taufe!

Regen fiel vom Himmel da,


Christus taufte Jungfrau Thekla.
Und sie starb den Liebestod
Und ging in den Himmel ein.

Ähnlich Agnes auch, die Jungfrau,


Liebte Jesus als Gemahl,
Wollte reine Jungfrau bleiben
Um des Himmelreiches willen.

Siehe, Agnes war sehr schön,


So verliebte sich ein Mann
In das wunderschöne Mädchen
Und begehrte sie zum Beischlaf.

Aber Agnes wehrte ab:


Nein, ich möchte keinen Mann,
Sondern Gottes Sohn allein
Alle meine Liebe gilt.

Da ward wütend jener Mann


Und er packte Jungfrau Agnes,
Schleifte sie ins Freudenhaus,
Wo er oft zu Gast gewesen,

Zog die Jungfrau nackend aus,


Um die Jungfrau bloßzustellen
Vor den Blicken jener Männer,
Die das Freudenhaus besuchten.

Aber Agnes betete


Zu dem Bräutigam, zu Christus,
Und ihr Bräutigam erhörte
Die Gebete seiner Braut.

Und vom Himmel kam ein Licht,


Welches Agnes ganz verhüllte,
Und die Freudenhaus-Besucher
Wurden von dem Licht geblendet.

Agnes wurde umgebracht,


Aber Christus nahm sie auf,
Seine Marterzeugin Agnes
Sitzt auf ihrem Thron im Himmel.

Und es war einmal ein Mönch,


Der Jungfräulichkeit gelobt,
Von Begierde ward geplagt
Nach den Reizen einer Heidin.

Da riet ihm der Seelenführer:


Rufe Jungfrau Agnes an!
Und der Mönch rief Agnes an,
Fand zurück die Seelenruhe.

DER ANTICHRIST

Ja, der Antichrist, der kommt


Als ein großer Theologe,
Der den Doktor hat gemacht
In dem schönen Tübingen.

Was denn lehrt der Antichrist


In der Bibel-Wissenschaft?
Daß es alles Mythen sind,
Die man nicht zu glauben braucht.

Und es lehrt der Antichrist,


Daß das Evangelium
Wörtlich nicht zu nehmen ist,
Sondern ist modern zu lesen.

Jesus ward geboren von


Einer Jungfrau ohne Mann?
Das sagt man von Platon auch,
Das ist nichts als eine Mythe.

Daß Maria unbefleckt


Von dem Sündenmakel war,
Das ist hochneurotisch nur,
Eine Sexualneurose.
Daß der Meister Wunder tat,
Das ist wirklich nicht zu glauben.
Nur die österliche Kirche
Dachte sich die Wunder aus.

Daß der Herr das Brot vermehrt,


Das ist nur Symbol und Gleichnis.
Gebt den Menschen nur ihr Brot,
Das ist schon die ganze Botschaft.

Daß der Herr ist Gottes Sohn,


Glaubten später die Apostel.
Jesus hat nicht sich verkündigt,
Sondern nur das Gottesreich.

Denn der Mann von Nazareth


Glaubte, dass das Gottesreich
Sei gekommen jetzt, doch irrte
Leider sich der Nazarener.

Daß der Herr beim Abendmahl


Gibt sich selber hin als Speise,
Darf man nur symbolisch nehmen,
Sonst wird man zum Kannibalen.

Daß der Herr am Kreuze starb,


Das ist sicherlich historisch,
Doch dass er erstanden ist,
Das ist eine fromme Fabel.

Magdalena nennt man Hure


Und Maria reine Jungfrau,
Das sind Männerphantasien,
Das ist Sexualneurose.

Daß das Grab des Christus leer ist,


Das ist eine fromme Fabel.
Jesu Leib liegt noch begraben
Irgendwo in Israel.

Die Apostel, die verschreckten,


Die geglaubt an den Messias,
Waren nach der Kreuzigung
Völlig depressiv geworden

Und so haben sie erdacht


Das Gedicht der Auferstehung.
Manche hatten da Visionen,
Religiöse Wahngedanken.

Was der Jesus wirklich lehrte,


Das kann keiner heut mehr sagen.
Doch der Christus in der Kirche,
Das ist nicht der Nazarener.

Also lehrt der Antichrist


Als ein Super-Theologe,
Alle Journalisten feiern
Diesen kritischen Gelehrten.

Wenn der Papst ein Wort verkündet,


Fragen alle Journalisten
Jenen Tübinger Gelehrten,
Reizen ihn zum Widerspruch.

Und die Protestanten lieben


Und so mancher Katholik
Diesen kritischen Gelehrten,
Der dem Papste widerspricht.

Und so schleicht der Antichrist


Heimlich ein sich in die Kirche
Und verwirrt die lauen Priester
Und die ungelehrten Laien.

DAS HÜRLEIN UND DIE BRAUT

Luther hat im Kirchenlied


Auch gesungen von dem Hürlein,
Zebaoth ist Bräutigam,
Seine Braut ist aber Hure.

Jungfrau Israel, die Braut,


Gottes Ehe hat gebrochen
Und hat mit dem Götzen Baal
Wüste Hurerei getrieben.

Gott hat sich doch nicht geschieden,


Gott ist seiner Ehe treu.
Doch die Braut die Ehe brach
Mit den Götzen Kanaans.

Doch die Hure Israel


Ist noch immer die Geliebte,
Doch bekehren muß sie sich
Zu dem Gott und Bräutigam.

Auch die Seele eines Menschen


In dem Stand der Sünde ist
Eine Hure nur vor Gott,
Ein von Gott geliebtes Hürlein.

Eine Seele in der Sünde


Lebt geschieden von dem Herrn.
Doch der Gott und Bräutigam
Dennoch wirbt um diese Seele.

Eine Seele in der Sünde


Bricht die Ehe mit dem Herrn,
Gott ruft: Seele, tue Buße
Und bekehre dich zum Herrn!

Jesus kam als Bräutigam


Und sein Evangelium
Lädt uns alle ein zur Hochzeit,
Jesus war der Freund der Huren.

Eine Hure weinte Tränen,


Salbend so die Füße Jesu,
Seine feuchten Füße trocknend
Mit der langen Lockenmähne.

Diese Hure kommt noch eher


Durch die Buße in den Himmel
Als die selbstgerechten Lehrer,
Die bekennen keine Schuld.

Wenn die Seele sich bekehrte


Zu dem Herrn und Bräutigam,
Wieder lebt im Stand der Gnade,
In der Gnade durch den Glauben,

Dann wird dieses Hürlein wieder


Rechte Braut des Bräutigams.
Jesus ist der Bräutigam,
Braut ist eines Christen Seele.

Jesus, allerschönster Mensch,


Schönster aller Menschensöhne,
O du Bräutigam und König,
Dir will ich die Psalmen singen.

Siehe, dir zur Rechten steht


Deine Braut in goldnem Schmuck.
Höre, Tochter, Gott der Herr
Ist dein Herr und Bräutigam.

Der Messias voller Schönheit,


Deine Schönheit er begehrt,
So verneige dich vor ihm,
Jesus Christus ist der Herr!

Eine Seele in der Gnade,


In der Gnade durch den Glauben,
Ist die Braut des Bräutigams,
Nämlich Jesus ist die Liebe.

Jesus Christus ist gestorben


Für die Braut, die er geliebt,
Als sie Feindin noch und Hure,
Da starb er für sie am Kreuz.

Paulus schrieb in seinen Briefen,


Daß er werben will die Braut
Und sie führen zu dem Herrn,
Zu dem einen Bräutigam,

Führen will er eine Braut


Zu dem Bräutigam Messias,
Eine Jungfrau ohne Makel,
Braut ganz ohne Fleck und Falten.

Diese makellose Jungfrau


Ohne Falten, ohne Runzeln,
Ist die Seele in der Gnade,
In der Gnade durch den Glauben.

DIE HURE BEI DEN PROPHETEN

Also war es bei Hosea,


Daß der Herr zu ihm gesprochen:
Nimm die Hure dir zum Weib,
Zeuge mit ihr Hurensöhne!

Also nahm Hosea sich


Gomer, Tochter Diblajims,
Diese Hure sich zur Frau
Und er zeugte Hurensöhne.

Erstgeborner Hurensohn,
Das war Jesreel, der Landmann,
Jesreel heißt: Gott sät ein,
Gott sät Samen in den Acker.

Dann geboren wurden zwei


Hurensöhne, einer hieß
Ammi, das heißt Gottes Volk,
Einer hieß Ruchama, Gnade.

So wie sich Hosea nahm


Eine Hure zur Gemahlin,
So auch liebte Gott der Herr
Israel, die Tempelhure.

Aber Israel, die Hure,


Ging von ihrem Gatten fort,
Brach die Ehe mit dem Götzen
Baal, dem Götzen Kanaans.

Aber Gott der Herr blieb treu,


Und so kehrte einst die Hure
Wieder um zu ihrem Gatten,
Zu dem Herrn und Bräutigam.

Gott sprach so zu Israel:


Ich verführ dich in der Wüste
Und ich rede leidenschaftlich
Mit dir in der Einsamkeit.

Denn ich will mich dir verloben


Um den Brautpreis meiner Gnade,
Um den Brautpreis meiner Treue,
Dann wirst du den Herrn erkennen.

Also sprach Hesekiel,


Durch Hesekiel der Herr:
O Jerusalem, du Jungfrau,
Heiden waren deine Eltern,

Und als du geboren wurdest,


Hat man nicht das Kind geliebt,
Sondern dich aufs Feld geworfen,
Wo du zappeltest im Blut.

Jungfrau, doch da ging der Herr


Liebevoll an dir vorüber.
Schön gewachsen deine Brüste,
Kleine Brüste, rund und fest!

Schön gesprossen auch dein Schamhaar,


Eine dichte krause Wolle!
Auch dein Haar schon lang gewachsen,
Fiel es dir auf deine Brüste!

Und da sah der Herr, gekommen


War die Frühlingszeit der Liebe,
Er bedeckte deine Nacktheit
Mit dem Zipfel seines Mantels.

Ach Jerusalem, doch später


Gabest du dich allen hin,
Eine öffentliche Hure
In dem Kulte der Astarte,

Deine Beine spreiztest du


Jedem Heiden, jedem Bock,
Öffentlich zur Schau gestellt,
Nahmst du doch kein Geld dafür.
Tatest deinen Köcher auf
Jedem Pfeile eines Mannes,
Auf den öffentlichen Märkten
War dein lüsternes Bordell.

Die Ägypter sind gekommen,


Die Chaldäer sind gekommen,
Allen gabest du dich willig,
Öffentliche Sünderin.

Kehre um zu deinem Herrn,


Der dich auserkor zur Braut!
Herr, mit deinem Munde küss mich,
Küsse, besser als der Wein!

AMOR UND PSYCHE

Apulejus schrieb das Märchen,


Es ist Neoplatonismus.
Psyche ist die Braut des Gottes,
Gottes, der die Liebe ist.

Psyche war ein junges Mädchen,


Welche angebetet wurde.
Ja, man hielt das schöne Mädchen
Gar für eine Liebesgöttin.

Die sonst Venus angebetet,


Beteten nun Psyche an.
Aber Psyche ward bereitet
Für die Hochzeit mit dem Tod.

Psyche stand am Bergeshang


In dem weißen Hochzeitsschleier,
Daß sie stürze in den Tod,
So die Hochzeit zu vollziehen.

Doch ein guter Geist vom Himmel


Brachte sie in einen Garten,
In ein schönes Gartenhaus,
Wo sie lag auf einem Bett.

Amor kam, der Gott der Liebe,


Nahm sich Psyche zur Gemahlin,
Amor gab ihr ein Gebot,
Nicht die Kerze anzuzünden.

Denn der Gott war unsichtbar,


Wollte unsichtbar auch bleiben.
Psyche aber hatte Schwestern,
Die auf Psyche neidisch waren.

Und so sprachen diese Schwestern:


Dein Gemahl, ist es ein Gott
Oder gar ein Ungeheuer,
Ist vielleicht ein Feind der Menschen?

Zünde die verbotne Kerze,


Schaue an dir den Gemahl,
Ob es ist ein roter Drache,
Ob es ist ein schöner Gott.

Psyche folgte ihren Schwestern,


Zündete die Kerze an,
Und der Wachs in heißen Tropfen
Amors nackten Leib befleckte.

Amor also ist entwichen


Von der ungetreuen Psyche
Und die Mutter schöner Liebe
Prüfte streng die arme Psyche.

Psyche wurde streng geprüft,


Musste in das Reich der Toten,
Um von dort heraufzubringen
Eine Schale voller Salbe.

Psyche diente viele Jahre


Als die Magd der Göttin Venus,
Venus aber sprach für Psyche
Bei dem kleinen Gotte vor.

Venus so erwirkte Gnade


Für die kleine Sklavin Psyche
Bei dem Liebesgotte Amor,
Der sie wieder angenommen.

Amor holte seine Psyche


In den Himmel des Olymp,
Im Elysischen Gefilde
Feierten die beiden Hochzeit.

Ceres brachte zu der Hochzeit


Das geweihte Opferbrot,
Bacchus brachte zu der Hochzeit
Den geweihten Opferwein.

Und die Horen, schöne Frauen,


Brachten heilige Gebete,
Und die Grazien, junge Mädchen,
Streuten schöne Frühlingsblumen.
Und Apollon mit der Leier
Sang das Hymen Hymenäus
Und der Chor der Musen sang
Ihnen Hymen Hymenäus.

Und der große Göttervater


Und der Vater aller Menschen
Hat die Menschentochter Psyche
Für den kleinen Gott vergöttlicht.

Psyche wurde eine Göttin,


Lebte mit dem Gotte Amor
Im Elysischen Gefilde
Ewiglicher Paradieslust!

CHRISTUS IST GÖTTLICHER EROS

Dionysios erzählt,
Daß man Christus nennt die Liebe,
Nämlich göttliche Agape,
Also nennen ihn die Väter,

Denn die göttliche Agape


Ist die Liebe, selbstlos schenkend,
Ist die reine Gottesliebe,
Ist die keusche Nächstenliebe.

Eros nämlich, diese Liebe


Des Verlangens nach der Einheit,
Wurde nicht verwandt für Christus,
Weil der Eros oft missbraucht ward.

Denn in der Kultur der Griechen


War auch Venus schon erniedrigt
Bis zu einer Tempelhure
In dem Hafen von Korinth.

Und der Sohn der Aphrodite


Eros wurde auch erniedrigt,
Daß man Eros’ Werke nannte
Wollust wilder Knabenschänder

Und Begier der Hurenböcke,


Die im Hafen von Korinth
Schliefen mit der Hure Lais,
Schliefen mit der Hure Thais.

Eros ward der Inbegriff


Einer Sexualität,
Die sich völlig abgelöst
Von der Liebe zur Person.
Eros ward der Inbegriff
Einer Sexualität,
Die rein animalisch triebhaft
Egoistisch nur begehrt.

Darum nannten nun die Väter


Christus göttliche Agape,
Nannten ihn Dilectio
Oder aber Caritas.

Aber Eros nannten sie


Christus lieber nicht, aus Furcht
Vor dem ordinären Pöbel
Der Bordelle von Korinth.

Dionysios erzählt,
Daß die Lehrer in der Mystik
Christus auch den Eros nannten,
Aber nur für Eingeweihte.

Lasst es nicht den Pöbel hören,


Aber Christus ist der Eros,
Der vom Himmel ist gekommen,
Um sich eine Braut zu freien.

Christus ist der Eros Gottes


Und die Seele ist die Braut,
Christus will Vereinigung
Oder Kommunion der Liebe.

Christus als der Eros Gottes


Ist der Seele Bräutigam,
Der die Seele will vergotten
Durch die Hochzeit mit dem Gott.

Christi Evangelium
Ist die Hochzeit mit dem Eros
Zur Vergöttlichung der Psyche
Durch die Kommunion der Liebe.

Darum auch die Heiligen


An dem heiligen Karfreitag
Weinend laufen durch die Welt:
Ah, mein Eros ist gekreuzigt!

Darum auch die Heiligen


An dem Ostersonntag freudig
Jubilieren in der Welt:
Eros, Eros ist erstanden!

Darum auch die Heiligen


In der gottvergessnen Welt
Klagen, dass die Menschen nicht
Lieben diesen Eros Gottes.

Wehe, wehe, dass mein Eros


Von den Menschen nicht geliebt wird!
Dieser Eros liebt die Menschen,
Will sie führen zu der Gottheit.

Dieser Eros ist ein Gott,


Der ein wahrer Mensch geworden,
Daß durch Hochzeit mit dem Eros
Menschen so vergottet werden.

THEOSIS

Keiner hat sich selbst gegeben


Dieses Leben auf der Erde,
Sondern dieses Leben ward
Uns von unserm Gott geschenkt

Durch die Mitarbeit der Eltern.


Keiner wurde je gefragt,
Ob er auch geboren wolle
Werden auf der schwarzen Erde.

Sondern Gott der Schöpfer wollte


Uns erschaffen unser Leben.
Seien wir dem Vater dankbar,
Seien wir der Mutter dankbar,

Und erkennen wir den Herrn


Als den Ursprung unsres Lebens,
Als das feste Fundament
Unsres Daseins in der Schöpfung.

So wird keiner auch ein Christ


Durch die eigne Willensmühe
Und das Streben seines Geistes,
Sondern Christsein ist Geschenk.

Christsein wird vom Herrn geschenkt


In dem Sakrament der Taufe,
Das ist eine Neugeburt,
Die von oben uns geschenkt wird.

In dem Sakrament der Taufe


Werden wir von Gott geboren,
Von dem Gott, der Liebe ist,
Vaterliebe, Mutterliebe.
Worauf gründet dieser Glauben
An den Vater aller Menschen,
Dem wir alle Kinder sind,
Alle Menschen Kinder sind?

Dieser Glaube gründet sich


Auf das Sohnsein Jesu Christi,
Gottes eingeborner Sohn
Nämlich ist ein Mensch geworden,

Daß die Menschen Kinder werden


Ihres Vaters in dem Himmel.
Gottes Sohn ist Mensch geworden,
Menschen werden Gottes Kinder.

In des Ostens Kirche aber,


Griechenlandes Kirchenväter
Sagen: Gott ist Mensch geworden,
Daß der Mensch zum Gotte werde.

Eva wollten einst und Adam


Werden wie die Gottheit selber,
Aber ohne Gottes Gnade,
Sondern durch des Menschen Hybris.

Gott ist aber Mensch geworden


In der göttlichen Kenosis,
Im Herabstieg von dem Himmel
In den Schoß der Jungfrau-Mutter,

Daß der Mensch durch Gottes Gnade,


Durch die gnädigste Theosis
In dem Gottmensch Jesus Christus
Gnadenvoll vergöttlicht werde.

Petrus schreibt in seinem Brief,


Daß wir durch die Gnade Christi
Anteil können nun erhalten
An der göttlichen Natur.

Wenn wir nämlich als die Christen


Umgestaltet in den Christus
Werden durch die Gnade Gottes,
Werden wir vom Herrn vergöttlicht.

Aber wie gelangt die Gnade


Unsres Herrn in unsre Seele,
Die uns umgestalten möchte
In das Bild des Gottessohnes?

Gottes Gnade kommt in unsre


Seelen durch die Sakramente,
Taufe, Firmung, Beichte, Ehe,
Durch das Sakrament der Liebe,

Denn wenn wir den Corpus Christi


Speisen in dem Sakramente,
Werden wir durch Gottes Gnade
Umgewandelt in den Christus.

Augustinus nämlich sagt:


Christen sollen nicht alleine
Christus folgen auf dem Wege,
Sondern Christus selber werden.

Christus nämlich ist der Gottmensch,


Er ist Gottheit, er ist Menschheit,
Und in Christus wird die Menschheit
Umgewandelt in die Gottheit.

GOTTESGEBURT IM MENSCHEN

Als der starke Engel Gottes


Kam zu Unsrer Lieben Frau,
Sagte er: Gebenedeite,
Gott ist mit dir, Gnadenvolle.

Du sollst in dem Schoß empfangen


Gottes Wort, den Logos Gottes,
Sohn des allerhöchsten Vaters
Durch die Kraft des Heilgen Geistes.

Und Maria, Frau voll Stärke,


Sagte zu dem starken Engel:
Wie soll ich zur Mutter werden,
Bin ich doch geweihte Jungfrau!

Und der starke Engel sagte


Zu der Femina, der starken:
Gottes Kraft wird überschatten
Dich, empfange mit dem Ohr!

Also Unsre Liebe Frau


Bei dem Gruß des starken Engels
Hat empfangen mit dem Ohr
Gottes Wort in ihrer Seele.

Und nachdem sie so empfangen


Mit dem Ohre ihrer Seele,
Zeugte Gottes Kraft, die Gottheit,
Gottes Wort in ihrem Schoße.

Und Maria trug den Logos


In dem Innern ihres Leibes,
Ja, sie trug den Corpus Christi
In dem Tempel ihres Leibes.

Denn Mariens schöner Körper


War Monstranz des Sohnes Gottes,
War des Heilgen Geistes Tempel,
Meisterwerk des Allerhöchsten.

Und Maria nährte liebend


Jesus unter ihrem Herzen,
Als Monstranz trug sie den Corpus
Christi zu den lieben Nächsten.

Dann hat sie geboren Christus,


Gottgebärerin Maria,
Schenkte Gottes Wort und Weisheit
Allen Menschen auf der Erde.

Also sollst auch du, o Seele,


Gottes Wort bereit empfangen,
Gottes Weisheit, welche ausgeht
Von dem Mund des Allerhöchsten.

Sprich nur zu dem Gott der Götter:


Siehe, ich bin deine Sklavin,
Mir gescheh nach deinem Willen,
Mir gescheh nach deinem Worte.

Gottes Kraft wird überschatten


Dich, o Seele, Magd des Höchsten,
Und du wirst empfangen selig
Von dem heilgen Geiste Gottes

Gottes Weisheit in der Seele.


Nähre du in deinem Innern
Christi Körper, Blut und Seele,
Nähre du im Innern Christus

Mit Gebet und neuen Gnaden,


Laß den innern Christus wachsen,
Füttere den innern Christus
Mit dem Sakrament der Liebe.

Lebt in dir der innre Christus,


Wirst du werden Tabernakel
Für das Wort des Allerhöchsten,
Für die schöne Weisheit Gottes.

Als Monstranz, als Tabernakel


Stelle Christus dar auf Erden,
Präsentiere ihn den Menschen
Als des Heilgen Geistes Tempel.

Und gebäre diesen Christus


Für die Menschen dieser Erde
Und gebäre Gottes Weisheit
Durch dein Werk der Nächstenliebe.

Trage Gottes Wort und Weisheit


Zu den Nächsten auf der Erde
Durch ein Lächeln deiner Liebe
Und die Freundlichkeit des Herzens.

Gottgebärerin, o Seele,
Sollst du sein auf dieser Erde,
Christus zu den Menschen tragen
Durch die Werke deiner Liebe.

IN GOTT IST NUR GOTT

Meister Eckard hatte Schüler,


Schüler war auch Heinrich Seuse,
Diener er der Ewgen Weisheit,
Seiner Herrin und Geliebten.

Schülerin war Schwester Kathrein,


Welche hatte auch Visionen.
Einmal war sie selbst im Himmel
Und da schaute sie die Gottheit.

Doch sie war nicht nur ein Auge,


Ewig starrend auf die Gottheit,
Sondern sie hat Gott genossen,
Mit der Gottheit sich vereinigt.

Sie hat sich nicht nur vereinigt,


Wie sich zwei Personen lieben,
Sondern sie war eingegangen
In das innre Wesen Gottes.

Sie war immer in dem Innern


Gottes, in dem Lichte Gottes,
In der schönen Liebe Gottes,
Tief in der Natur der Gottheit.

Und sie sagte: In dem Innern


Gottes, da ist nichts als Gottheit,
Gott ist in dem Innern Gottes,
Wer in Gott ist, ist vergottet.

Darum war ich Gott im Gotte,


War vergottet in der Gottheit.
Zwar ich war Person und Wesen,
Doch nicht menschlich-allzumenschlich,

Nicht in fleischlichen Gebrechen


Eine Seele voller Schwächen,
Mit dem Geiste, der verdunkelt
Welt nur denken kann und Erde,

Sondern meines Geistes Seele


War von Gott aus lauter Gnade
Einzig durch die Anteilhabe
An dem Wesen meines Gottes

Selber quasi Gott geworden,


Daß ich Gott war in der Gottheit
Und in göttlicher Erkenntnis
Gott in Einigung erkannte.

Petrus schreibt in seinem Briefe,


Daß wir durch die Gnade Christi
Anteil haben werden einmal
An der göttlichen Natur.

Was ist das, die Anteilhabe


An der göttlichen Natur,
Als dass unser Menschenwesen
Wird vergöttlicht in der Gottheit?

In der Gottheit ist das Leben,


Liebe in der Ewigkeit,
In der Gottheit ist die Schönheit,
Ist die Herrlichkeit des Herrn.

In der Gottheit ist Erbarmen,


In der Gottheit ist die Weisheit.
Also werden wir genießen
Alle diese Hypostasen.

Wissen werden wir im Himmel


Gottes wie die Weisheit Gottes.
Lieben werden wir im Himmel
Gottes wie die Liebe Gottes.

Strahlen werden wir im Himmel


Wie die Herrlichkeit des Herrn.
Schön sind wir im Paradiese
Wie die Schönheit der Urgottheit.

Alle die erlösten Seelen


Mit den auferstandnen Leibern
Sind im Inneren der Gottheit
Und die Gottheit ist in ihnen.
Gottes Liebe ist dann alles,
Gottes Liebe ist in allen.
Und so werden wir zu Göttern
Und zu Göttinnen in Gott.

Göttlich werden wir erkennen


Die Erkenntnis unsrer Gottheit.
Göttlich werden wir vereinigt
Mit der Einheit unsrer Gottheit.

Und so werden wir verschmelzen


Göttlich mit dem Schoß der Gottheit
Und es wird in allen Himmeln
Gott nur sein und Gott-in-Gott.

EWIGE GÖTTER UND GÖTTINNEN

Sankt Johannes von dem Kreuze


Spricht in seinen Liebesliedern
Von den Menschen in dem Himmel
Als von Göttinnen und Göttern.

Während Nietzsche gottlos sprach


Von dem starken Übermenschen,
Sprach der weise Solowjew
Von dem Herrn, der Gottmensch ist.

Durch Vereinigung mit Christus


So entsteht Gottmenschentum,
Nämlich weise Menschengötter,
Schöne Menschengöttinnen.

Nach der Toten Auferstehung


Werden die erlösten Seelen
In den geistverklärten Leibern
Göttinnen und Götter sein.

Diese Göttinnen und Götter


In dem Paradiese Gottes,
Sie bewegen sich so schnell,
Schneller noch als lichte Blitze.

Diese Göttinnen und Götter


Sind noch leichter als der Flaum
Eines kleinen Taubenkükens
Oder als die Flocke Schnee.

Diese Göttinnen und Götter


In den geistverklärten Leibern
Gleichen dem Kristall an Klarheit
Und an Transparenz und Reinheit.

Diese auferstandnen Leiber


Gleichen den kristallnen Vasen,
Darin steht die weiße Lilie
Sichtbar ihrer Seelenschönheit.

Diese Göttinnen und Götter


Haben teil am Wissen Gottes,
An der universalen Weisheit,
Und sie lieben sich in Gott.

Diese Göttinnen und Götter


Lieben sich mit Gottes Liebe,
Lieben sich unendlich, ewig,
Grenzenlos und innig glühend.

Dort begegnen uns wie Götter


Und wie Göttinnen verschiedne
Hypostasen unsres Gottes,
Dieser Einen Gottnatur.

Dort begegnet uns voll Güte


Die Barmherzigkeit, die milde,
Gleich dem Mutterschoße Gottes,
Gleich dem Uterus der Gottheit.

Dort begegnet uns die Weisheit,


Diese Hagia Sophia,
Scheint als engelgleiche Frau
Angetan mit Feuerflügeln.

Dort begegnet uns die Gnade,


Diese junge Charis Gottes,
Voller Schönheit, voller Liebreiz,
Voller Anmut, Zauber, Charme.

Dort begegnet uns die Liebe,


Diese schöne Liebe bindet
Alle Göttinnen und Götter
Dort mit ihrem Liebreizgürtel.

Dort begegnet uns die Schönheit,


Die Urschönheit der Urgottheit,
Alle beten an die Schönheit,
Schauend sie und sie genießend.

Die Barmherzigkeit, die sanfte,


Tanzt dort mit der jungen Charis,
Und die Weisheit wie ein Engel
Tanzt mit ihnen Reigentänze,
Und die Schöne Liebe lächelt,
Tanzt mit allen Hypostasen,
Die Urschönheit der Urgottheit
Tanzt die allerschönsten Tänze.

Engelschöre, alle neun,


Cherubim und Seraphim
Und die schönen Fürstentümer
Tanzen alle in den Himmeln.

Und die Göttinnen und Götter


Tanzen alle mit der Gottheit,
Und die Göttinnen und Götter
Lachen alle in der Gottheit!

VERGÖTTLICHTE MARIA

Was denn sagen alle Päpste


Und auch die Konzilien alle?
Daß Maria ist die Mutter
Und die immerreine Jungfrau,

Daß Maria ist des Gottes


Mutter und Gebärerin,
Die geboren die Person
Jesu Christi, unsres Herrn,

Daß Maria ist die Jungfrau


Vor und während des Gebärens
Und nach dem Gebären auch
Blieb Maria reine Jungfrau,

Unbefleckt Empfangene
Ist Maria, vorerlöst
In dem Hinblick auf das Kreuz,
Ist bewahrt vor aller Sünde,

Daß Maria aufgefahren


Ist in Gottes Paradies
Mit dem Leib und mit der Seele
Und ist auferstanden schon.

Manche warten auf das Dogma,


Daß sie ist die Mittlerin,
Fürbitt-Allmacht auf den Knien
Und die Miterlöserin.

Und der zwölfte Pius sagte


Als der engelgleiche Hirte,
Daß Maria auferstanden
Ist und uns vorausgegangen.
Ja, Maria ist vollendet,
Schon des Fleisches Auferstehung
Unsre Liebe Frau erfuhr,
Ist vergöttlicht schon in Gott.

Alle Pilgernden der Erde


Und des Fegefeuers Seelen
Und die Seligen des Himmels
Schauen nun auf ihre Herrin.

Unsre Herrin ist vergottet,


Göttin sie von Christi Gnaden,
Jungfrau sie im Schoße der
Heiligsten Dreifaltigkeit.

Meine keusche Gnadengöttin,


Schau, ich liege dir zu Füßen:
Darf ich deine Füße küssen?
Meine Gnadengöttin lächelt

Und ich küsse ihre Füße


Und die Füße sind aus Licht,
Sind aus lichtem Geistesfleisch,
Und ich küsse sie inbrünstig.

Zu der Makellosen sag ich:


Meine Göttin in dem Himmel,
In dem Paradiese will ich
Dich allein zu meiner Braut!

Und wenn ich vermählt im Himmel


Bin mit Unsrer Lieben Frau,
Schenkt sie mir der Liebe Perle
Und sie schenkt mir ihren Sohn.

Ah, da bist du, süßer Knabe,


Süßer Gott und lieber Knabe,
Du mein Gott und mein Gebieter,
Laß dich als mein Kind dich lieben!

Siehe, Wunden dieser Erde


Haben mir es ganz verleidet,
Gott als Vater anzubeten,
Vater konnte ich nicht sagen.

Aber Gott als meinen Sohn


Will ich ehren, will ich lieben,
Heiligen will ich den Sohn,
Lieben ihn als meinen Schatz,

Will liebkosen meinen Sohn,


Meinen Sohn und Gottes Sohn,
Meinen Sohn, Marien Sohn,
In der Ehe mit Maria

In dem Paradiese Gottes


Will ich mit dem Knaben spielen,
Will den Jesusknaben küssen
Und ihm meine Liebe schenken.

O Maria, Ein und Alles


Auf dem Weg zum Jesuskindlein,
Vater Gottes will ich werden,
Vater sein dem Sohne Gottes!

DIE GÖTTLICHE BARMHERZIGKEIT


ERSTER GESANG

Nimm an, da ist ein Ältester,


Der hat ein einzig großes Haus.
Dies Haus ist schon sehr lange alt,
Es neigt sich schon und es verfällt.
Die hohen Hallen stürzen ein,
Zerbröckelt ist der Säulenschaft,
Die Balken und das Dach sind schief,
Das Fundament zerfällt bereits,
Die Treppen auch zerfallen schon,
Die Wände sind zerspalten und
Der Putz fällt von den Wänden ab,
Das Binsendach hängt schon herab
Und auch der Zaun ist krumm und schief
Und alles ist voll Dreck und Kot.
Fünfhundert Menschen wohnten da.
Und das verfallne alte Haus
Gehörte einem Mann, der war
Ein wenig weggegangen, da
Brach in dem Haus ein Feuer aus,
An allen Seiten flammte es
Und Balken, Dach und Säulen all
Zerbersten unter lautem Krach
Und fallen, da stürzt alles ein,
Die Wände stürzen alle ein,
Dämonen schrein und Geister schrein,
Erheben ihre Stimmen laut.
Der Herr des Hauses aber steht
In dieser Stunde vor dem Tor.
Da hört er nun, wie jemand sagt:
Herr, alle deine Kinder sind
Gegangen in das Haus zum Spiel,
In Unschuld und Unwissenheit
Sind ganz sie in das Spiel vertieft. –
Als das der Älteste gehört,
Ist er erschrocken, geht hinein
Ins Haus, das in den Flammen steht,
Zu retten seine Kinderlein,
Daß sie das Feuer nicht verbrennt.
So spricht er zu den Kinderlein
Und warnt sie so vor der Gefahr:
Sind böse Geister und Gewürm!
Das Feuer breitet auch sich aus!
Nur Leid auf Leid! Kein Ende naht! –
Die Kinder sind unwissend noch
Und hören zwar die Mahnungen
Des Vaters, doch in ihrer Lust
Sie spielen weiter voller Lust.
Nun überlegt der Älteste:
Die Kinderlein vermehren nur
Die Sorgen und den Kummer mir
Und dieses Haus enthält auch nichts,
Woran sich einer freuen kann.
Verzaubert von dem Kinderspiel
Sie hören meine Mahnung nicht,
So dass das Feuer sie verzehrt! –
So denkt er mehr noch nach und plant,
Als Mittel anzuwenden dies:
Er sagte seinen Kinderlein:
Ich habe Spielzeug ganz aus Gold,
Hab schöne Rosse vorm Gefährt,
Und Hirsche, die den Schlitten ziehn,
Das alles draußen vor dem Tor.
So kommt heraus, ihr Kinderlein,
Ich gebe dieses Spielzeug euch,
Den Wagen lass ich fahren euch
Und lenken euch das Rossgespann.
So spielt nur draußen euer Spiel. –
Als das die Kinder hören, wie
Er von dem Rossgespanne spricht,
Da laufen sie sofort hinaus
Und balgen miteinander froh,
Und da sie in dem Freien sind,
Sind sie befreit von der Gefahr.
Als das der Älteste erreicht,
Daß seine Söhne aus dem Haus
Herausgekommen sind, und sieht,
Wie sie jetzt auf dem Hofe stehn,
Setzt er sich auf den Meister-Sitz
Und redet freudig mit sich selbst:
Jetzt bin ich aber wirklich froh,
Denn meine Söhne waren doch
So schwierig zu erziehen nur,
Unwissend, dumm und klein sind sie,
So gingen sie ins alte Haus,
Da gibt’s viel giftiges Gewürm
Und schreckliche Dämonen auch.
Da wütete die Flamme sehr,
Als große Feuer brachen aus.
Doch diese kleinen Kinderlein
Beschäftigt nur mit ihrem Spiel,
Jetzt hab ich sie gerettet doch
Vor dieser tödlichen Gefahr.
Und darum, o ihr Menschen all,
Bin ich jetzt fröhlich und vergnügt! –
Als nun die Kinder hörten dies,
Wie da der Vater friedlich saß,
Da gingen sie zum Vater hin
Und sprachen zu dem guten Herrn:
Gib uns doch bitte das Gefährt,
Von dem du grad gesprochen hast,
Sei’s mit Juwelen schön geschmückt.
Du sagtest: Wenn ihr Kinder kommt
Heraus aus diesem alten Haus,
Könnt ihr euch Wagen nehmen und
Die Rossgespanne lenken selbst.
Jetzt ist es grad die rechte Zeit,
So gib uns unser Rossgespann. –
Nun war der Älteste sehr reich,
Schatzhäuser hat er voller Gold
Und Silber, Lapislazuli,
Er hat auch Mondstein und Achat.
Aus all den Edelsteinen er
Die Wagen bildete und schön
Verziert er sie mit goldnem Schmuck,
Gedrechselt macht die Sitze er
Und goldne Schnüre hing er dran
Und Silberglöckchen hing er dran,
Von Perlen macht ein Netzwerk er,
Das breitet über alles er,
Girlanden auch von goldnem Laub,
Die hingen überall herab.
Die buntesten Verzierungen
Vollendeten das Ganze noch.
Aus reicher Seide und aus Samt
Die Kissen waren schön gemacht,
Von feinem goldenem Brokat,
Millionen Silbermünzen wert.
Und weiße Ochsen standen da,
Die Tiere prächtig, voller Kraft,
Mit einem guten Körperbau,
Sind vor die Wagen sie gespannt.
Begleiter waren viele da,
Die diese Ochsen hüteten.
Die schönen Wagen, alle gleich,
Den Söhnen gab er zum Geschenk.
Begeistert sind die Söhne da
Und freuen sich in Fröhlichkeit,
Sie stiegen auf die Wagen und
In alle Himmelsrichtungen
Sie fuhren mit den Wagen fort.
Ganz hingerissen von dem Spiel
Sie froh betrieben dieses Spiel,
So wie sie wollten, heiter froh
Und ohne jedes Hindernis.

ZWEITER GESANG

Die Sammlung von Juwelen hier,


Den unvergleichlich goldnen Schatz,
Den haben wir bekommen, doch
Wir haben gar nicht ihn gesucht.
Es ist, wie wenn ein junger Mann,
Unwissend noch und noch nicht reif,
Verlässt den Vater, er läuft weg.
Er kommt in andre Länder fern
Und zieht in weiter Welt umher
Und zählt auch fast schon fünfzig Jahr.
Sein Vater denkt voll Schmerz an ihn
Und sucht ihn in der ganzen Welt.
Von seiner Suche ist erschöpft
Der Vater, bleibt in einer Stadt,
Da baut er sich ein schönes Haus,
Wo er die Lebenslust genießt,
Genießt den Reichtum, den er hat,
Genießt das Essen, das ist gut,
Genießt die Lüste des Geschlechts,
Genießt den Ruhm, den er erreicht,
Genießt zur Nacht den tiefen Schlaf.
Das Haus des Vaters ist sehr reich
Und Gold und Silber viel ist da
Und Mondstein und Achate auch
Und Perlen, Lapislazuli.
Viel Elefanten, Pferde und
Viel Kühe sind und Schafe da
Und Wagen sind und Sänften da
Und Baldachin und Pavillon
Und junge Sklaven, Bauernvolk,
In großer Menge alles da.
Des Vaters Geldanlage reicht
In fernste Länder dieser Welt.
Der Kaufmann und der Händler ist
In Vaters Diensten überall.
Und Millionen Menschen ihn
Verehren und umgeben ihn.
Und immerzu genießt er bei
Dem König große Sympathie
Und Anerkennung, Ehre, Ruhm.
Und alle die Minister und
Die adligen Familien ihn
Wertschätzen und verehren ihn.
Besucher kommen viele zu
Dem Vater, der so wertgeschätzt.
So glänzend ist sein Reichtum und
Sein Einfluss an dem Hof ist groß.
Doch alt geworden ist er und
Er denkt voll Schmerz an seinen Sohn
Und denkt voll Kummer mehr und mehr
An seinen vielgeliebten Sohn.
Am Morgen und am Abend denkt
Der Vater an den lieben Sohn:
Die Zeit des Sterbens kommt heran.
Seit mich mein lieber Sohn verließ,
Fast fünfzig Jahre sind dahin.
All meine Schätze im Tresor,
Was soll ich tun mit meinem Gold? –
Zu dieser Zeit der arme Sohn,
Er suchte Kleidung, suchte Brot,
Von Stadt zu Stadt, von Land zu Land,
Manchmal bekam er etwas Brot,
Doch manchmal musste hungern er.
So hungrig, schwach und mager er
Am Körper Beulen viel bekam
Und langsam kam er vorwärts nur
Und kam in seines Vaters Stadt.
Dort bei verschiednen Leuten nahm
Er manche schwere Arbeit an
Und schließlich kam der arme Sohn
In seines reichen Vaters Haus.
In dieser Zeit der Vater hat
An seinem Tore angebracht
Von Perlen einen Vorhang dicht
Und saß auf seinem Löwenthron,
Umgeben von Gefolge, da
Viel Menschen warteten ihm auf
Und achteten sehr gut auf ihn.
Da zählten einige das Gold,
Juwelen, Silber, Edelstein,
Die andern zählten Hab und Gut
Und legten manchen Schuldschein vor.
Und da nun sah der arme Sohn,
Wie herrlich reich der Vater war,
Da denkt er: Der ist König wohl.
Erschrocken war und ängstlich er
Und war verwundert, wie er doch
In dieses Haus des Königs kam.
Da denkt bei sich der arme Sohn:
Wenn ich hier bleib in diesem Haus,
So komm ich in Bedrängnis bald,
Man zwingt mich gar zum Sklavendienst. –
Als er dies so bei sich bedacht,
Er machte schleunigst sich davon.
Da fragte er nach einem Dorf,
Nach einem armen kleinen Dorf,
Zu schaffen dort im Tagelohn.
Zu dieser Zeit der Vater sah,
Der Vater auf dem Löwenthron,
Von ferne seinen armen Sohn,
Und er erkennt den armen Sohn.
Da gibt der Vater den Befehl
An seine Boten, dass sie rasch
Den Sohn ergreifen und den Sohn
Rasch bringen in des Vaters Haus.
Der arme Sohn erschrocken schrie,
Er fiel zu Boden und erbleicht.
Er denkt: Die Männer fassten mich
Und sicher bringen sie mich um!
Warum hat mich der Hunger nur
In dieses Königs Haus geführt?
Der weise Vater aber weiß,
Wie töricht-dumm sein Söhnchen ist,
Und dass der Sohn nicht glauben wird,
Dass er der Sohn des Vaters ist,
So schickt der weise Vater aus
Einäugig-plumpe Männer, die
Sind würdelos und tugendlos,
Und sagt, sie sollten sagen so:
Du kannst mit uns die Arbeit tun,
Wir räumen Dreck und Kot hinweg
Und müssen Häuser reinigen.
Dafür bekommst du doppelt Lohn. –
Als dies das arme Söhnchen hört,
Er freudig mit den Männern geht.
Sie räumen Schmutz und Kot hinweg
Und putzen alle Häuser rein.
Der Vater sah durchs Fenster stets
Den armen Sohn die Arbeit tun.
Er denkt, sein Sohn ist töricht-dumm
Und sich an üblem Ding erfreut.
Der Vater zieht ein altes Kleid,
Zieht ganz zerlumpte Kleidung an,
Nimmt einen Besen in die Hand
Und geht zu seinem armen Sohn.
Entsprechend seinem weisen Plan
Der Vater nähert sich dem Sohn
Und sagt, er soll nur fleißig sein,
So wird verdoppelt ihm der Lohn
Und Salböl kriege er dazu,
Dass er die Füße waschen kann,
Genug zu essen, reichlich Wein
Und auch ein breites warmes Bett.
Dann sagt er dieses strenge Wort:
Bemüh in deiner Arbeit dich!
Dann sagt er aber sanft und weich:
Du bist mir wie mein eigner Sohn! –
Der Vater voller Weisheit so
Gewöhnte seinen Sohn daran,
Beim Vater ungezwungen frei
Im Hause aus- und einzugehn.
Als zwanzig Jahr vorüber sind,
Der Vater stellte ein den Sohn
Für jede Angelegenheit,
Die da im Haus zu ordnen war.
Er zeigte Silber ihm und Gold
Und Perlen und Juwel, Kristall
Und alles, was gehandelt ward.
Obwohl der Sohn das alles weiß,
Lebt doch er außerhalb des Tors
In einem schlichten Bauernhaus.
Für sich denkt er an wenig nur
Und sagt sich: Das ist all nicht mein,
Die Perlen all und das Kristall,
Die Edelsteine und das Gold.
Der Vater merkt, dass sich der Sinn
Des Sohnes schon erweitert hat,
Und wünscht, zu übergeben ihm
Den ganzen Reichtum, den er hat.
Der Vater ruft zu sich den Hof,
Den König, die Minister und
Die adligen Familien all,
Den Krieger und den Bürger auch.
Inmitten dieser großen Schar
Der Vater dies verkündete:
Der dort ist mein geliebter Sohn!
Dass er verlassen mich und ging
In andre Länder fern und weit,
Das ist fast fünfzig Jahre her.
Seitdem ich wiedersah den Sohn,
Wohl zwanzig Jahr vergangen sind.
Vor langer Zeit in einer Stadt
Verlor ich meinen lieben Sohn,
Ich ging umher und suchte ihn
Und so kam ich in diese Stadt,
Nun alles, was ich habe, Haus
Und Dienerschaft, das schenk ich ihm,
Er solls verwalten, wie er will. –
Der Sohn bedenkt, wie arm er war,
Dem Vater unterlegen, doch
Vom Vater jetzt bekommt der Sohn
In Fülle Perlen, Edelstein
Und Häuser und den ganzen Schatz.
Da ist das Söhnchen höchst erfreut,
Dass er so unerwartet kriegt
Des Vaters ganzen goldnen Schatz.

DRITTER GESANG

So wie wenn eine Wolke steigt,


Ist es mit der Barmherzigkeit.
Es steigt die Wolke in der Welt,
Die alles ringsherum bedeckt,
Die Wolke ist der Weisheit voll,
Die Wolke ist voll Feuchtigkeit.
Von Blitzen Strahlen zücken da
Und Donner in der Ferne rollt.
Und alle Welt ist hoch erfreut.
Die Sonnenstrahlen sind verhüllt,
Auf Erden ist es frisch und kühl.
Die Wolke senkt sich niederwärts,
Die Wolke breitet weit sich aus,
Die Wolke ist zum Greifen nah.
Ihr Regen überall ist gleich,
In allen Himmelsrichtungen
Der Regen aus der Wolke fällt,
Der fließt und unermesslich strömt
Und der erfüllt das ganze Land.
Und auf dem Berg und an dem Fluss
Und tiefverborgen in dem Tal
Und auch an abgelegnem Platz
Die grünen Pflanzen wachsen schön.
Es wächst der Baum, es wächst das Kraut,
Der große und der kleine Baum,
Und hundertfach Getreidekorn
Und das beliebte Zuckerrohr
Und auch des Weinstocks Fruchtbarkeit,
Vom Regen alles reich getränkt.
Durchflutet wird der dürre Grund
Und bei einander wachsen auf
Der hohe Baum, das kleine Kraut,
Von einem einzigen Geschmack
Des Wassers aus der Wolke kommt
Die Fruchtbarkeit von Kraut und Baum,
Getreidefeld und dichtem Wald,
Und alle Bäume wachsen auf,
Der große Baum, der kleine Baum,
Entsprechend ihrer Größe sie
Aufwachsen und entfalten sich.
Und Wurzel, Stängel, Zweig und Blatt,
Die Blüten und der Früchte Pracht
Erlangen, dass sie strahlen und
Erglänzen von des Regens Nass.
Und wie sie in Substanz und Form
Und Größe unterscheiden sich,
So wachsen sie verschieden auf,
Obwohl das Wasser, das sie tränkt,
Doch stets das gleiche Wasser ist.

VIERTER GESANG

Man geht auf einem steilen Weg,


Man geht auf einem schlimmen Weg,
Der abgeschnitten von der Welt,
Auf welchem wilde Tiere sind,
Auch ohne Wasser, ohne Gras,
Ein Pfad, der Menschen Furcht einflößt.
Zehntausend Menschen wollen doch
Beschreiten diesen steilen Weg.
Die Straße streckt sich weit hinaus,
Fünfhundert Kilometer weit.
Nun gibt es einen Führer da,
Der stark im Geist, voll Geisteskraft,
Der voll geheimer Weisheit ist,
Von klarem Denken, herzensgut.
Er rettet auf dem steilen Weg
Vor aller Schwierigkeit und Not.
Die Menschen, wenn erschöpft sie sind
Und sind am Ende ihrer Kraft,
Sie sprechen zu dem Führer so:
Wir alle sind nun äußerst schwach,
So wollen gehen wir zurück. –
Der Führer da bedachte dies:
Man muss bedauern diese Schar,
Die wollen gehen gar zurück
Und so verlieren den Kristall! –
Da denkt er an die Medizin
Und wendet an die große Macht
Und zaubert eine Himmelsstadt,
Die Häuser wunderbar geschmückt,
Mit grünen Gärten, stillem Hain,
Mit Flüssen und mit einem Bad,
Mit offnem Tor und hohem Turm,
Voll Männer und voll Frauen sie,
Voll schöner Mädchen ist die Stadt.
Nachdem beendet er sein Werk,
Er tröstet seine Schar und sagt:
Habt keine Angst! Geht in die Stadt
Und folgt der großen Fröhlichkeit! –
Die Menschen gehen in die Stadt
Und freuen sich im Herzen sehr
Und leben friedlich in der Stadt
Und leben fröhlich und befreit.
Als alle Menschen ausgeruht,
Da spricht der Führer dieses Wort:
Ihr müsst nun weiter gehen, denn
Das war nur eine Zauberstadt,
Ich sah, wie ihr so müde wart,
Ihr wolltet gehen gar zurück,
Da schuf ich durch die Wundermacht
Vorübergehend diese Stadt.
Nun müsst ihr vorwärts gehen klug
Und kommen zu dem Lichtkristall!

FÜNFTER GESANG

Es ist wie bei dem armen Mann,


Der in das Haus des Freundes kommt.
Das Haus des Freundes ist sehr groß
Und voll mit Reichtum angefüllt.
Der Freund bereitet ihm ein Mahl,
Ihm Köstlichkeit und Leckerei.
Der reiche Freund befestigt ihm
An seinem inneren Gewand
Von innen einer Perle Schmuck.
Dann geht der Reiche schweigend weg.
Der Arme liegt betrunken da
Und weiß von nichts, er weiß von nichts.
Als sich erholt der Arme hat,
Da wandelt er den weiten Weg
Und kommt so in ein fernes Land.
Für Nahrung und für Kleidung dort
Muss arbeiten der Arme hart
Und für den Lebensunterhalt
Ertragen muss er Müh und Not.
Auch wenn er wenig nur bekommt,
So muss er doch zufrieden sein.
Nichts Bessres kann er wünschen sich.
Er merkt nicht, dass in seinem Kleid
Der edlen Perle Schmuckstück ist.
Der Freund, der ihm die Perle gab,
Sieht später seinen armen Freund,
Da sagt er: Warum leidest du
Bei schwerer Arbeit große Not,
Wo du doch diese Perle hast?
Da zeigt er ihm der Perle Schmuck,
Befestigt innen an dem Kleid.
Der arme Mann die Perle sieht
Und ist von Herzen hoch erfreut.
Nun ist er reich, hat einen Schatz,
Die Freude kann genießen er,
Kann Essen, Reichtum, Ruhm und Schlaf
Und Lust genießen in der Welt.
SECHSTER GESANG

Es ist ein König voller Macht,


Der dreht das große Weltenrad.
Soldaten, welche voll Verdienst,
Die sind in dieses Königs Heer.
Und die Soldaten er beschenkt
Mit Elefanten, Pferden und
Mit Wagen, Sänften, goldnem Schmuck
Und Felder er und manches Haus
Und Stadt und Dörfer er vergibt
Und Kleider und Gewänder auch,
Verschiedene Juwelen auch
Und Sklaven gibt es zum Geschenk
Und Sklavinnen desgleichen auch
Und dieses tut er alles froh.
Und für den tapfersten der Schar
Und für den stärksten aus dem Heer,
Der Schwieriges getan im Krieg,
Für diesen löst der König nun
Das allerstrahlendste Juwel
Aus seinem Haar und schenkt ihm dies.

SIEBENTER GESANG

In aller Welt verehrter Herr!


Der du vollendet bist bei Gott!
Ich möchte dich befragen jetzt:
Die Mutter der Barmherzigkeit,
Aus welchem Grund die Herrin heißt
Die Mutter der Barmherzigkeit? –
Der Hochverehrte Antwort gab:
Hör von der großen Mutter Art!
Sie passt sehr gut zu jedem Ort,
An dem sie eingreift in die Welt.
Die Tiefe ihrer Keuschheit ist
Die Tiefe eines Ozeans.
Zählt man Äonen, die sie lebt,
So sind sie unvorstellbar groß.
In allen den Äonen sie
Gedient hat stets dem Einen Herrn.
Dann fasste das Gelübde sie
Der heiligen Jungfräulichkeit.
Ich möchte ihr Gelübde dir
Kurz deuten, mein geliebter Sohn:
Wer hört den Namen Unsrer Frau
Und sieht den Lichtleib Unsrer Frau
Und wer im Herzen denkt an sie,
Geht nicht gedankenlos vorbei,
Der wird von seinem Leid erlöst
Und findet einen guten Tod.
Wenn einer einem andern Mann
Was Übles will und diesen Mann
Gewaltsam in ein Feuer wirft
Und jener denkt dann an die Kraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Das Feuer wird verwandeln sich
Und wird zu einem stillen See.
Wenn einer auf dem Ozean
Dahingetrieben wird im Spiel
Der aufgewühlten Wogenflut,
Wenn er von Schlangen wird bedrängt,
Wird von Dämonen er bedrängt,
Bedenkt er dann die Wunderkraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
So können ihn die Wogen nicht
Ertränken in dem Ozean.
Wenn einer von dem höchsten Berg
Herunter wird gestoßen von
Den bösen Leuten dieser Welt,
Wenn er bedenkt die Wunderkraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
So wird er wie das Sonnenlicht
Am Himmel schweben frei und groß.
Wenn böse Leute einen Mann
Verfolgen und von Höhen ihn
Herunterstoßen in das Tal,
Wenn er bedenkt die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Verloren geht von ihm kein Haar.
Wenn einer wilde Räuber trifft
Und sie umringen brüllend ihn,
Das Schwert bereits gezogen wird,
Man will ihm wirklich Übles tun,
Denkt er dann an die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
So jeder wilde Räuber wird
Im Herzen Mitleid fühlen mild.
Wenn einer durch den Machtbefehl
Des Königs Schmerzen leiden muss,
Wenn gar sein Leben ist bedroht,
Denkt er dann an die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Die Schwerter brechen dann entzwei.
Sitzt wer gefangen im Verließ,
Gefesselt da an Hand und Fuß,
Denkt er dann an die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Befreit erlangt die Freiheit er.
Wenn einer durch Beschwörungen
Und Flüche oder Hexengift
Geschädigt wird an seinem Leib,
Denkt er dann an die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Kein Unheil trifft dann diesen Mann
Und alle Flüche kehren heim
Zur Hexe, die den Fluch geflucht.
Wenn einer trifft auf Schlangenbrut
Und trifft auf ein Dämonenheer,
Denkt er dann an die große Kraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Tut keinen Schaden ihm das Heer.
Von wilden Hunden ist umringt
Ein Mann, mit hungrigem Gebiss,
Der Mann ruft an die große Kraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
So laufen alle Hunde weg.
Wenn Boa, Natter und Skorpion
Ausspeien Feuer, Todesgift,
Ruft einer dann die große Kraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
So kehren alle Schlangen um
Und Skorpione ziehen ab.
Und trommelt Donner im Gewölk
Und zucken Blitze grell hervor,
Wenn Regen schüttet, Hagel schlägt,
Denkt man an Mutters große Huld,
Zerstiebt das Ungewitter gleich.
Wenn Lebewesen leiden Not
Und Leid bedrängt die Leiblichkeit,
Die Mutter der Barmherzigkeit
Kann durch die Weisheit wunderbar
Die Wesen retten aus dem Leid.
Vollkommen in der Himmelsmacht,
Die ihre Weisheit praktiziert,
So gibt es in der Erdenwelt
Nichts, wo die Mutter nicht erscheint.
Verschiedne schlimme Pfade gibt’s,
Die Unterwelt, die Hungersnot,
Geburt und Krankheit, Alter, Tod,
Verschwinden lässt sie alles das.
Nach ihrem wahren reinen Blick
Voll großer Weisheit liebevoll
Und herzlicher Barmherzigkeit
Soll stets man voller Ehrfurcht sehn,
Von fleckenlosem reinem Licht
Zerreißt die Mutter voller Glanz
Die mannigfache Finsternis,
Unwetter, Sturm und Feuersbrunst
Besiegt die Mutter voller Huld
Und über alles hin erhellt
Die Mutter voller Huld die Welt.
Der Mitleidvollen Leib ist wie
Der Donnergroll des Ozeans,
Der Mitleidvollen Geist und Sinn
Ist wunderbar wie ein Gewölk.
Den Regen der Gebote lässt
Sie nieder strömen wie den Tau,
Und der Verblendung Flamme bringt
Sie zum Erlöschen gnadenreich.
Ist man bei einem schlimmen Streit
Bei einem Richter am Gericht,
Vielleicht voll Angst in einem Krieg,
Denkt dann man an die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Zieht sich der Feind sogleich zurück.
Und eine süße Stimme hat
Die Mutter der Barmherzigkeit,
Die Stimme eines Ozeans,
Die Donnerstimme unsres Herrn,
Die Stimme ragt im All hervor,
So soll man immer lauschen ihr.
Dass keiner zweifelt an der Frau!
Die Mutter der Barmherzigkeit,
Die unser Flehn und Weinen hört,
Ist denen in Bedrängnis, Leid
Und in der Todesstunde Hort.
Vollkommenheit ist ihr Verdienst,
So blickt die Mutter mitleidvoll
Auf alle Lebewesen hier.
Die Augen ihrer Gnad und Huld
Sind unvergleichlich wie der Tau.
Darum verneigt euch stets vor ihr,
Der Mutter der Barmherzigkeit!

DIE HEILIGEN DREI KÖNIGE

ERSTER GESANG

An Einem Tag in Hindostan;


Da trafen sich die Könige,
Die waren weise Magier
Und schauten an das Firmament.

Einst kommen wird der Tag des Heils,


Da wird als Mensch geboren Gott,
Das kündet uns ein Zeichen an
Am hohen Himmelsfirmament.
Der Jupiter ist der Planet
Des Königs in der Himmelswelt
Und der Saturn ist der Planet
Des fernen Volkes Israel.

Wenn also Jupiter zu sehn


Im Hause des Saturnus ist,
Dann wird der König uns geborn
Im Haus des Jungfrau Israel.

Vielleicht erkennen wir im All


Den brennenden Kometen auch,
Der führt uns zu dem Gottessohn
An seinem langen Flammenschweif?

Kometen aber, sagt man sonst,


Sie künden großes Unheil an,
Doch dieser brennende Komet
Der ganzen Welt verheißt das Heil.

Vielleicht auch sehen wir im All


Die Super Nova wunderschön,
Die gibt ein ganz besondres Licht,
Wenn so ein Sternlein explodiert.

Die Super Nova führe uns


Zum neugebornen Gottessohn.
Wir schauen in das Firmament
Und fragen uns als Magier,

Ob man dem neugebornen Gott


Das Horoskop erstellen kann,
Der Liebe Gottes, die im All
Bewegt die Sonne und den Mond.

So immer schauen wir ins All,


Bis uns das All das Zeichen gibt,
Das unser Gott geboren wird
Auf Erden als ein liebes Kind.

ZWEITER GESANG

Der Moabiter Balak sprach


Zu seinem Seher Bileam:
Verfluch die Jungfrau Israel,
Verfluche sie beim Gotte Baal.

Doch Bileam ein Seher war


Und der Natur ein Philosoph.
Er kannte die Geheimnisse
Der offenbaren Gott-Natur.
So war der weise Hiob auch
Ein wirklich frommer Philosoph,
Der Gottes Weisheit liebte sehr,
Die unergründlich ist und tief.

Die Weisheit, wie sie Hiob sah,


Von Menschen ist zu finden nicht,
Die Weisheit finden kann nur Gott
Und der, dem Gott sie offenbart.

Und Bileam als Seher lag


Vor dem Altar geschlossnen Augs
Und mit geschlossnen Augen sah
Er göttliche Visionen schön.

Wie könnte ich verfluchen denn,


Die Gott der Herr gesegnet hat?
Verfluchte sie sich selber auch,
Der Herrgott dennoch segnet sie.

Wie schön sind deine Zelte doch


Und deine Ruheplätze, Volk,
O Israel, du ruhest schön
Und friedlich in dem Bund mit Gott.

Doch aus der Jungfrau Israel


Aufgehen wird dereinst ein Stern,
Aus Jakobs Samen stammt der Stern,
Die Jungfrau, die den Herrn gebiert.

Die Jungfrau, die den Gott gebiert,


Als Stern aus Jakob geht sie auf.
Sie ist der schöne Meeresstern,
Sie ist der schöne Morgenstern.

O reine Jungfrau Morgenstern,


Du bist die Himmelskönigin,
So freu dich, Himmelskönigin,
Denn Gottes Weisheit wird ein Mensch!

DRITTER GESANG

Der König Melchior war in


Dem schwarzen Afrika ein Herr,
Im großen Indien-Nubien,
Das in der Bibel Kusch genannt.

Der König Melchior war Herr


In Äthiopien, in Kusch,
Ägypten, Nord- und Süd-Sudan,
In Mali und Nigeria,

Saharas Wüste war sein Reich


Und auch der Serengeti-Park,
Die Küste auch des Elfenbeins,
Südafrikas Demantenreich,

Das Kap der guten Hoffnung auch,


Atlantische Kanaren auch,
Marokko auch und Libyen,
Dort herrschte König Melchior.

Und König Balthasar war Herr


Im Schloss von Susan, Persien,
Auch in der Tochter Babylon
War er ein König und ein Herr,

Der König Balthasar war Herr


Im Reiche der Assyrer und
Im Reiche der Hethiter auch,
Sein Reich ging an den Kaukasus.

Der König Kaspar herrschte in


Ost-Indien und Sumatra,
Im gelben Reich der Mitte auch
Und in dem Land des Lächelns auch.

Die Philippinen liebten ihn


Und Jawa und Neuseeland auch,
Australien ihm untertan
Und Süd- und Nord-Korea auch.

Die Könige von Hindostan,


Von Indus bis zum gelben Nil,
Zur selben Zeit sie brachen auf,
Weil sie den Stern aus Jakob sahn.

Sie sahn auf diesem Jakobsstern


Die reinste Jungfrau sitzen schön
Mit einem nackten süßen Kind,
Das Trauben hielt und weißes Brot.

VIERTER GESANG

Der König Melchior kam an


Von Hindostan in Afrika,
Der König Balthasar kam an
Von Hindostan in Susan-Schloss,

Der König Kaspar auch kam an


Von Hindostan am Ganges-Strom.
Sie trafen sich in Israel
Am Fuße des Kalvarienbergs.

O Wunder über Wunder, o,


Denn sie verstanden sich sehr gut,
Pfingstwunder, Sprachenwunder dies,
Der Zungenrede Wunder wars.

In Babels Landschaft baute einst


Der König Nimrod einen Turm,
So einen Zikkurat-Palast,
Die Wohnung seines Gottes El.

Der Herr jedoch riss ab den Turm


Und streute alle Völker aus
In zweiundsiebzig Länderein
Mit zweiundsiebzig Sprachen auch

Und zweiundsiebzig Engeln auch


Und zweiundsiebzig Göttern auch,
Dass keiner mehr verstanden hat
Den Nächsten aus dem Nachbarland.

Doch Gottes Pfingsten bringt zurück


Verständigung der Völkerschar,
In Zungen redet jedes Volk,
Die Liturgie ist auf Latein.

So König Melchior verstand


Das Wort des Königs Balthasar,
Ob Melchior sprach Dialekt
Der Zulu-Neger Afrikas,

Der König Balthasar jedoch


Sprach Tochter Babels Dialekt
Und König Kaspar sprach Sanskrit,
Doch konnte er auch Mandarin.

Am Fuße des Kalvarienbergs


Das Sprachenwunder so geschah,
Dass sich verstanden diese Herrn
In einem schlichten Mönchslatein.

FÜNFTER GESANG

Herodes saß auf seinem Thron,


Der König war in Israel,
Des Mutter eine Heidin war,
Ihr Sohn jedoch ein Bastard war.

Herodes saß in seinem Thron,


In ihrem Thron Herodias.
Und ihre Tochter Salome
Schon übte sich im Schleiertanz.

O kleines Mädchen Salome,


So reizend schon und so kokett,
Die Männer, einst verlieren sie
Bei deinem Bauchtanz ihren Kopf!

Es kamen die drei Magier


Beim Bastardsohn Herodes an
Und sagten: Fürst von Israel,
Geboren ward der Gottessohn!

Wir sahen schon den Jakobsstern,


Er strahlt auf Jungfrau Israel.
Herodes rief die Lehrer, die
Die Bibel ganz genau studiert,

Und sprach: O Bibellehrer mein,


Was steht denn in der Biblia,
Die ihr auf Punkt und Komma kennt
Und jedes kleinste Jota noch,

Wo der Messias Israels


Dereinst geboren werden soll?
Die Bibellehrer sprachen da:
In Bethlehem in Ephrata,

Ganz nahe bei dem Rahelsgrab,


Dort wird man hören ein Geschrei,
Das Mutter Rahel schreien wird:
Die Kinder hat man mir geraubt!

Herodes, König Israels,


Sprach zu den Bibellehrern da:
Ich selber bin der Gottessohn,
Ich bin ein inkarnierter Gott!

Die Prophezeiungen der Schrift


Erfüll ich bis aufs Jota noch,
Ja, Rahel wird noch weinen, dass
Man ihr die kleinen Kinder nahm!

SECHSTER GESANG

Es führte sie der Jakobsstern,


Die Super Nova führte sie,
Den Kaspar und den Melchior
Und auch den König Balthasar
Zum Grottenstall in Bethlehem,
Da saß die Jungfrau mit dem Kind,
Die Jungfrau mit der bloßen Brust,
Dran sie das nackte Kind gestillt.

Sankt Josef war ein alter Mann,


War fast schon fünfzig Jahre alt,
Maria war ein Mädchen jung,
So fünfzehn, sechzehn Jahre jung!

Die armen Hirten knieten da


Und beteten zum Gottessohn.
Es war das fromme Judenvolk,
Das betet den Messias an.

Nun kamen auch die Könige


Und sahen zu der Lieben Frau
Und jeder von den Königen
Sah anders Unsre Liebe Frau.

Für Melchior war Unsre Frau


Die große Gottesmutter schwarz,
Für Balthasar war Unsre Frau
Semitin aus dem Orient,

Und Kaspar sah Madonna an


Als Königin des Weltenalls,
Um ihren Hals die Perlenschnur
Von Totenköpfen aufgereiht.

Und nun die weisen Könige


Dem lieblichsten Marienkind
Geschenke reichlich brachten dar,
Zuerst nur Weihrauch, Myrrhe, Gold.

Der Weihrauch war dem neuen Gott


Anbetungsvoll zu Lob und Preis,
Das Gold war für sein Königtum,
Der König aller Völker war,

Die Myrrhe, die zerrieben wird


Und die zerrieben duftet süß,
War für die heilige Passion,
Der Gottmensch sterben wird am Kreuz.

SIEBENTER GESANG

Nun schütteten die Könige


Die allerschönsten Schätze aus,
Solch einen Reichtum vor Marie
Und vor dem benedeiten Kind.
Der Melchior als erstes gab
Die Diamanten Afrikas,
Das Pulver von dem Nashorn auch
Und manchen Elefantenzahn,

Und unsern Ahn, den Affen auch,


Den brachte er aus Ofir mit,
Schimpanse auch und Pavian
Und den Flamingo rosafarb.

Der Balthasar vom Susan-Schloss


Den Schatz des Alexander gab,
Als Alexander Persien
Erobert, sammelt er den Schatz,

Dazu aus Tochter Babylon


Er brachte den Talmud in Gold
Und auch der Ishtar Löwentor
Aus lauter Lapislazuli

Und von dem fernen Kaukasus


Und von dem Berge Ararat
Ein Stück der Arche bracht er mit,
Das legte er vor Unsre Frau.

Aus Jemen aber brachte er


Den Schatz der weisen Königin
Von Saba, die die Königin
Des Südens ist im Weltgericht.

Und Kaspar schenkte Unsrer Frau


Vom Maharadscha den Rubin,
Vom gelben Kaiser Huang Di
Er brachte reine Jade mit

Und brachte die Reliquien


Vom weisen Mann Konfuzius
Und gottgeweihte Affen auch
Und auch den Schwanz von Hannemann

Und eine Jade-Guan-Yin


Vom Himmelstempel Pekings auch.
Doch Unsre Liebe Frau Marie
War Mädchen zwar, doch eitel nicht.

ACHTER GESANG

Doch Josef hatte einen Traum:


Nimm mit dir Unsre Liebe Frau
Und auch das benedeite Kind
Und fliehe nach Ägyptenland!

Es passte da in Josefs Sack


Der ganze reiche Schatz der Herrn
Und Josef lud den vollen Sack
Dem armen Bruder Esel auf.

So kamen Unsre Liebe Frau


Und Josef und das Jesuskind
Ins heidnische Ägyptenland
Und kamen auch nach Sais so.

In Sais stand die Statue


Der Katzengöttin Isis, die
Verschleiert hielt ihr Angesicht,
Mysterium der Weisheit dies.

Als Unsre Liebe Frau Marie


Nun in dem Dom von Sais stand,
Da stürzte Isis von dem Thron,
Zu Füßen fiel sie Unsrer Frau.

Und als das Jesuskind trat ein


In jenen Dom von Sais, da
Fiel von dem Thron das Horuskind
Mit seinem Götzen-Falkenkopf.

Als Unsre Liebe Frau dann kam


Mit Josef und mit Jesulein
Nach Memphis, stürzte Hathor ein
Und stürzte auch Osiris ein.

Als sie in Heliopolis


Im Tempel angekommen sind,
Da stürzte ein der Sonnengott
Und Aton auch und Amun-Re.

Und als Maria südlich ging,


Da stürzte auch die Sekmeth ein,
Die Löwengöttin voller Durst,
Die voller Durst nach Menschenblut.

Nach Sais kehrten sie zurück


Und Josef als ein Zimmermann
Den Sais-Tempel baute um
Zur Kirche Unsrer Lieben Frau.

NEUNTER GESANG

Doch unsre weisen Könige,


Sie kehrten heim nach Hindostan,
Es reichte ja ihr Hindostan
Vom Indus bis zum gelben Nil.

Da bauten sie ein Gotteshaus


Auf dem Himalaya-Gebirg,
Ein Gotteshaus fürs Jesuskind,
Den einzig menschgewordnen Gott.

Sie feierten den Gottesdienst


Und sangen Psalmen Davids oft
Und lasen aus der Biblia
Und predigten vom Jesuskind.

Und Balthasar und Melchior


Und Kaspar schauten nicht mehr an
Die Sterne an dem Firmament
Und lasen nie ein Horoskop.

Sie sagten nämlich zu dem Volk:


Für Jesus kann man machen nicht
Ein Schicksals-Horoskop, denn er
Ist Gott ja übers Firmament.

Es betet einen langen Tag


Jehoschua, der Gottessohn,
Schon steht die liebe Sonne still
Und geht nicht auf und unter mehr.

Der Herr des Universums er,


Der Schöpfer er vom ganzen All,
Er ruft, und jeder Stern gehorcht,
Die alle er mit Namen kennt.

Wenn aber wir gestorben sind,


Begrabt uns nicht in Hindostan,
Begrabet uns in Israel,
Wo Gottes Sohn geworden Mensch.

Begrabt uns vor Jerusalem,


Der auserwählten Friedensstadt,
Bis einst kommt eine Kaiserin
Und uns erbaut ein Monument.

Nach meinem Tode will ich noch


Mit meinem sterblichen Gebein
Ein Zeuge Jesu Christi sein,
Des eingebornen Gottessohns.

ZEHNTER GESANG

Das Jesuskindlein wurde groß


Und ward von Gottes Geist getauft
Und sprach vom Evangelium,
Von Buße und vom Himmelreich.

Er weckte sogar Tode auf


Und konnte auf dem Wasser gehn
Und seine Weisheit war sehr groß
Und groß war seine Wunderkraft.

Dann aber ging er an das Kreuz


Und in die Gottverlassenheit
Und starb als unser Opferlamm
Und stieg zum Hades noch hinab

Und hat gerettet aus dem Tod


Die schöne Eva, Adam auch,
Und ist am dritten Tage dann
Fürwahr erstanden von dem Tod.

Und die Apostel sahen ihn,


Maria Magdalena auch,
Doch der Apostel Tom, der war
Noch voller Zweifel an den Herrn.

Der Auferstandne sprach zu Tom:


Berühre meine Wunden du,
Berühre meine Stigmata,
Sei nicht voll Zweifel, sondern fromm!

Und Tom fiel nieder vor dem Herrn:


O Jesus, du mein Herr und Gott,
Ich sehe deine Stigmata
Und glaube, dass du ewig lebst!

Und Jesus sagte: Selig sind,


Die glauben, wenn sie auch nicht sehn.
Auch selig, welche glauben und
Auch sehn des Heilands Stigmata.

Unselig jene Otternbrut,


Die sehen nicht und glauben nicht.
Du hast die Stigmata gesehn,
O Tom, nun geh nach Hindostan!

Zu Pfingsten kommt der Gottesgeist,


Dann wirst du wie ein Löwe stark.
Verkünde den Brahmanen, Tom,
Dass Jesus ist der wahre Lord!

ELFTER GESANG
Als Pfingsten war gekommen, da
Fiel Geist auf den Apostel Tom,
Da schrieb er Jesu Worte auf
In seinem Evangelium.

Papst Petrus gab den Segen Tom


Und gab ihm einen Ablass mit
Und so zog Tom nach Hindostan
Zum Indus und zum Gangesstrom.

Und die Brahmanen sprachen mit


Dem weiseren Apostel Tom,
Die sprachen von dem Unterschied
Von Veda und von Biblia,

Dass Indra ist nicht Gott, sprach Tom,


Nicht Brahma, Vischnu, Schiva nicht,
Es sei die Reinkarnation
Ein lügenhaftes Irrgespenst.

Doch die Brahmanen glaubten nicht,


Da betete Apostel Tom,
Der Regen blieb in Lüften stehn
Und Tom spazierte durch die Luft.

Einst kam zu einem Tempel Tom,


Die Kali von Kalkutta ward
Mit Menschenopfern dort geehrt,
Die schwarze Todesgöttin sie.

Und der Apostel Tom gebot:


Fahr aus dem Tempel, böser Geist,
Dämonin Kali, fahre aus,
Im Namen Jesu ich befehls!

Da fuhr die schwarze Kali aus,


Wie es Apostel Tom gebot,
Da baute Tom ein Gotteshaus
Und weihte es der Lieben Frau.

Apostel Tom zog weiter noch


Ins Gelbe Reich der Mitte gar
Und den Chinesen predigte
Er Jesus Christus, Gottes Sohn.

Er kam zurück nach Hindostan


Und litt dort das Martyrium,
Denn hinterrücks ward er durchbohrt
Verräterisch vom Heiden-Speer.

ZWÖLFTER GESANG
Die Kirche der Apostel war
Stets angefeindet von dem Trug,
Die Ketzer und Häretiker
Stets lästerten den Petrus-Papst.

Die Arianer kamen auf


Und sagten, Jesus sei nur Mensch,
Ein ganz besonders guter Mensch,
Doch eben keine Gottnatur.

Der Papst jedoch verkündete,


Dass Jesus war ein wahrer Mensch
Und gleicherweis ein wahrer Gott,
Sei Gott von Gott und Licht von Licht.

Nestorianer kamen auf


Und sagten, dass die Liebe Frau
Nicht Gottes große Mutter sei,
Des Menschen Jesu Mutter nur.

Der Papst jedoch verkündete,


Dass wahrer Gott und wahrer Mensch
In einer einzigen Person
Sei Jesus, den Marie gebar.

Monophysiten kamen auf


Und sagten, Jesus habe nur
Gehabt die göttliche Natur,
Nur eine Gottnatur allein.

Der Papst jedoch verkündete,


In der Person des Herrn, da sei
Die göttliche Natur und auch
Die reine menschliche Natur.

Die Montanisten kamen auf


Und sprachen viel vom freien Geist,
Vom Charisma der Gläubigen
Und hatten Priesterinnen auch.

Der Papst jedoch verkündete,


Das Charisma gebunden ist
An Gottes Kirche und der Herr
Beruft nur Männer in das Amt.

Die Donatisten kamen auf


Im Norden Afrikas, es hieß,
Die Kirche solle stoßen aus
Die laue feige Christenheit.

Der Papst jedoch verkündete,


Die Kirche sei ein Krankenhaus
Für Sünder, welches offen steht
Für den, der nahen will dem Herrn.

DREIZEHNTER GESANG

Die schöne Mutter India


Verlor den weisen Christen Tom,
Der starb in dem Martyrium
Und kehrte heim zum wahren Gott.

Toms Christenheit in India


Die Thomas-Kirche gründete.
Man las Toms Evangelium,
Rief Tom um seine Fürsprach an.

Nachfolger in dem Bischofsamt


Johannes ward, der war sehr reich,
Ein reicher Priesterkönig er,
Sein Reichtum, der war sagenhaft.

Und in Europa hörte man


Vom reichen Priesterkönig viel,
Johannes wurde weltberühmt,
Umwittert war von Sagen er.

In seinem Reiche India


Die Kirchen alle sind aus Gold
Und auf den Straßen Indias
Da liegen Purpurteppiche.

Das Land, wo schwarzer Pfeffer wächst,


War wie ein goldnes Märchenland,
Dort lebten alle Menschen fromm
Und alle beten dort zu Gott.

Doch in Europa war man müd


Geworden seines Glaubens längst,
Die Mönche Unzucht übten und
Die Priester Knaben schändeten!

Da schrieb Europa einen Brief


Dem Priesterkönig Hindostans:
Johannes, Eure Heiligkeit,
O sendet Missionare uns!

Der Priesterkönig schrieb zurück:


Die Kirche Tom hat einst gesandt,
Nach Hindostan Apostel Tom,
Der unser erster Missionar,
Jetzt dankt die Kirche Hindostans,
Toms Christenheit schickt jetzt zu euch
Evangelisten eine Schar
Und große Charismatiker!

VIERZEHNTER GESANG

Die schöne Fürstin Griechenlands,


Die wunderschöne Helena,
Nach Israel gepilgert ist,
Zu suchen nach dem Kreuz des Herrn.

Doch Julian der Apostat


Einst auf der Schädelstätte ließ
Der Göttin Venus Tempel baun,
So sprach er Jesus Christus Hohn.

Jedoch die schöne Helena


Zum Haus der Göttin Venus kam,
Sie riss der Göttin Venus Haus
Auf Gottes Schädelstätte ein

Und baute eine Kirche dort


Zum Angedenken an den Herrn,
Der starb am Freitag an dem Kreuz,
Der an dem Sonntag auferstand.

So schlief sie in Jerusalem


Und hatte einen bunten Traum,
Ein Engel zeigte ihr das Grab
Der Magier von Hindostan.

Da nahm die schöne Helena


Die Schaufel selber in die Hand
Und grub das heilige Gebein
Der Könige von Morgen aus.

Der Könige Gebeine sie


Nach Ostrom brachte, nach Byzanz,
Dort rief die ganze Christenheit:
O bittet für uns, Magier!

Dann kam das heilige Gebein


Ins liebliche Italia,
Ich glaub, Milano hat gesehn
Die Magier vom Morgenland.

Die heiligen Reliquien


Der Magier vom Morgenland
Begehrten weiter nordwärts noch
Zu ihrem letzten Ruheplatz.
Das ist nur trockenes Gebein,
Vielleicht verfiel es schon zu Staub,
Doch ehrt die Kirche allezeit
Den Staub noch ihrer Heiligen.

FÜNFZEHNTER GESANG

Zuletzt die weisen Magier,


Sie kamen nach Germania,
Ins Reich der Heiligkeit von Rom,
Vom deutschen Kaiser gut regiert.

Dort wollten diese Magier


Und Zeugen aus der Heidenwelt
Die letzte Ruhe finden und
Still warten auf ihr Auferstehn.

Ein Künstler und ein Goldschmied schuf


Den herrlichen Reliquienschrein,
Dort bei dem Tabernakel steht
Der goldene Reliquienschrein.

Dort bei dem Tabernakel ist


Ein goldner Thronstuhl für den Papst
Und für den deutschen Kaiser auch,
Den Kaiser krönte stets der Papst.

Dort baute man ein Gotteshaus


Um diesen goldnen Gnadenschrein
Und baute so den Kölner Dom
Dem Tabernakel als ein Heim.

Und lange Zeit das deutsche Volk


Gebaut hat an dem Kölner Dom.
Ein Wunder ist er in der Welt,
Der Kölner Dom am Vater Rhein.

Wer jemals so begnadet war,


Die Messe zu besuchen in
Dem Kölner Dom, glückselig ist
Der Mensch auf dieser Erde schon.

Verneigen wir uns vor dem Schrein


Der Magier vom Morgenland
Und beten Jesus Christus an
In seinem Allerheiligsten!

Und so sei dieses Lied geweiht


Dem alten Kölner Kardinal
Joachim, der den Papst empfing,
Den deutschen Papst im Dom von Köln.

O guter alter Kardinal


Joachim, Kardinal von Köln,
Die Mutter Gottes segne dich,
Sprich für den Dichter ein Gebet!

MAGDALENA

ERSTER GESANG

O Muse, Himmelskönigin,
In diesem Wonnemonat Mai
Will singen Magdalena ich,
So steh du meinem Liede bei!

Als Jesus Nazarenus war


Beim Pharisäer Simon Gast,
Gab ihm der Pharisäer nicht
Den Bruderkuss auf seine Stirn.

Als Jesus in die Hütte trat


Des Pharisäers Simon, war
Des Wandrers Fuß von Staub befleckt,
Wie müde war des Wandrers Fuß!

Doch Simon gab ihm Salböl nicht,


Wusch nicht den staubbefleckten Fuß.
Weil Simon ohne Liebe war,
Tat er dem Wandrer nichts zu lieb.

Die Pharisäer jener Zeit,


Sie waren ziemlich selbstgerecht,
Weil die Gesetze Moses sie
Und eigenes Gesetz bewahrt.

Die Pharisäer dachten stolz:


Wir beten und wir fasten viel,
Almosen geben wir genug,
Wir fürchten Gott und die Torah!

Die Sünder aber dieser Welt,


Die Kopfgeldsteuer treiben ein,
Sind ein Geschlecht, von Gott verflucht,
Gott Dank, dass ich nicht bin wie sie!

Die Sünder aber dieser Welt,


Sie treiben Hurerei vor Gott,
In Unzucht und in Ehebruch
Die Sünderinnen schänden Gott.

Gott liebt die Sünderinnen nicht,


Auf ihnen lastet Gottes Zorn!
Doch ich, der Pharisäer, bin
Ein auserwählter Knecht des Herrn!

Was Jesus Nazarenus will


Mir sagen heut in dieser Nacht?
Ich bin zum Streitgespräch bereit,
Bin ja bewandert in der Schrift.

Da aber trat die Hure ein,


Fürwahr, sie war ein schönes Weib!
Die öffentliche Sünderin
Freimütig trat zum Menschensohn.

Die lange rote Lockenflut


Ihr fiel aufs weiße Schulterpaar,
Die Brüste zeichneten sich ab
Spitz durch das seidenfeine Kleid.

Die öffentliche Hure war


Gewesen manches Mannes Braut
Und hatte oft gespreizt das Paar
Der Schenkel irgendeinem Mann.

Nun trat sie zu dem Menschensohn


Und weinte Reuetränen heiß:
Ach, tote Hündin bin ich nur!
Ich bin ja nichts als eine Laus!

Du aber der Messias bist,


Der mir die Würde wiedergibt!
Nimm meine Reuetränen an,
Sie fallen dir auf deinen Fuß.

Ich wasche deine Füße dir


Mit meinen Reuetränen klar,
Ich trockne deine Füße dir
Mit meinem roten Lockenhaar.

Ich küsse deine Füße dir,


Der Sünderin geschminkter Mund
Liebkost dir deinen Wanderfuß
Zum Zeichen meiner Reu und Buß.
Und Jesus hob die Hure auf
Und sagte zu dem schönen Weib:
Maria Magdalena, du,
Ich hab dich auserwählt zur Braut!

Der Pharisäer dachte da:


Wenn Jesus wäre ein Prophet,
Er wüsste, dass dies schöne Weib
Ist öffentliche Sünderin.

Der Menschensohn zu Simon sprach:


Du gabst mir keinen Bruderkuss,
Hast meine Füße nicht gesalbt,
Wie diese schöne Hure tat.

Erwiesen hat sie mir zu lieb


Die große Liebe ihrer Buß.
Weil viel ich ihr verziehen hab,
Ist ihre Liebe auch sehr groß.

ZWEITER GESANG

Maria Magdalena war


Besessen von der Siebenzahl
Der höllischen Dämonen, die
Die Seele ihr verfinsterten.

Sie sah in ihrer Seele Reich


Und sah im Seelen-Inneren
Dämonen weiblicher Gestalt,
Die siebenfache Teufelin.

Der Name dieses Dämons war


Gespenstisch, Lilith hieß der Geist,
Denn Lilith ist ein Nachtgespenst,
Der Dämon aus der Unterwelt.

Was ist denn Dämon Liliths Werk?


Sie treibt die Leibesfrüchte ab,
Der Rabenmutter böser Grimm
Ist des Gespenstes Lilith Werk.

Die Unzucht treibt sie auch voran,


So dass die Frau zusammen lebt
Mit einem Mann, der nicht ihr Mann,
Die viele Männer schon besaß.

Wie Oholiba tat auch sie


Die Schenkel spreizen jedem Mann
Und unter jedem grünen Baum
Hat sie mit einem Baal gehurt.
O Seele Magdalenas, du
Musst dich bekehren zu dem Herrn,
Der Herr treibt dir den Dämon aus,
Dem du dich unterworfen hast.

Mit Gottes Finger treibt der Herr


Den Lilith-Dämon aus dir aus
Und reinigt deiner Seele Haus
Und schmückt dir deiner Seele Schloss.

Jedoch die Lilith-Teufelin


Und ihrer Lilim Siebenzahl
Durchstreift die öde Wüstenei
Und wandelt an dem Roten Meer

Und kehrt zurück und findet dich


Gereinigt und geschmückt und kommt
Und möchte in dein Haus zurück
Mit einer Lilim-Legion.

Doch Magdalena sprach zum Herrn:


Gesegnet seien Schoß und Brust,
Der Schoß, der dich getragen hat,
Die Brust, die du gesogen hast!

Messias reinigte das Haus


Maria Magdalenas, trieb
Die Legion der Lilim aus
Und seinen Namen in sie schrieb.

In Magdalenas Seelenschloss
Und seine sieben Kammern goss
Der Herr die sieben Tugenden
Und stärkte Magdalenas Geist.

Er goss in ihren schönen Kopf


Die Tugend großer Klugheit ein
Und lehrte sie die Wissenschaft
Der rechtverstandnen Biblia.

Er goss in ihr so süßes Herz


Die Tugend ein vom rechten Mut,
So dass sie tapfer ging den Weg
Mit Jesus Christus zu dem Kreuz.

Er goss in ihren lieben Leib


Die Tugend ein vom rechten Maß
Und lehrte die Hetäre, keusch
Zu leben in dem Fleisch und Blut.

Er goss in die Persönlichkeit


Die Tugend der Gerechtigkeit,
So dass sie zur Gerechten ward,
Die horchte göttlichem Gebot.

Er goss in sie die Tugenden,


Die kommen ganz allein von Gott,
Die göttlich-theologischen,
Die Tugenden von oben ein.

Auf Gottes Offenbarung gab


Er ihr die Antwort ein, das Ja,
Gehorsam war im Glauben sie
Den Offenbarungen des Herrn.

Er goss in sie die Hoffnung ein,


Die Hoffnung der Unsterblichkeit,
Des Fleisches Auferstehung in
Der Gottheit Himmelsparadies.

Er goss in sie die Liebe ein,


Die Liebe ganz allein zu Gott,
Die größte aller Tugenden
Die Liebe zu der Gottheit ist.

Die Liebe ist dem Feuer gleich,


Dem Feuer in dem Dornenbusch,
Die Liebesleidenschaft für Gott
Ist nämlich stärker als der Tod.

DRITTER GESANG

Maria Magdalena war


Befreundet mit Susanna, die
War mystisch eine Jesus-Braut
In heiliger Jungfräulichkeit.

Herr Jesus hatte sie erlöst


Von manchem innerlichen Band
Und mancher schweren Kettenlast
Und mancher Sorge, Angst und Not.

Und so wie Magdalena auch


Susanna diente ihrem Herrn,
Nicht nur mit ihrem Hab und Gut,
Nein, mit der eigensten Substanz!

Als Diakonin diente sie,


Nicht strebend zum Apostelamt,
Sie diente Jesus, ihrem Herrn,
Mit Hab und Gut und mit Substanz.
Und mit dem eignen Silbergeld
Sie förderte das fromme Werk,
Almosen gab sie jederzeit,
Vor allem armen Kinderlein.

Auch backte sie sehr gutes Brot,


Das Jesus Christus gerne aß.
Er liebte diese Freundin sehr,
Sie war ihm schöner Erdentrost.

Wenn er allein in seinem Schmerz


Verachtet war von aller Welt,
Dann war Susanna ihm sein Trost
In ihrer sanften Freundlichkeit.

Wenn er ihr gab die Hand zum Gruß,


War ihre Hand wie ein Gewölk,
Wie eine Wolke federleicht
Und voller keuscher Zärtlichkeit.

Gern sah er ihre Augen an,


Die waren bräunlich wie das Reh
Und wie Kastanien in der Glut
Und voller femininem Charme.

Susanna war sehr liebevoll


Zu Jesus, ihrem Bräutigam,
Und auch um Jesu willen zu
Der Erde armen Kinderlein.

Johanna war die andre Frau,


War Magdalenas Freundin auch
Und Freundin von Susanna und
Auch eine fromme Jesus-Braut.

Johanna aber war vermählt


Mit Chuza, ihrem Ehemann,
Der war ein Kinderhüter in
Dem fürstlichen Herodes-Haus.

Der Kinderpfleger Chuza war


Ein Tutor kleiner Kinderlein,
Die er wie eigne Kinder gern
Gehabt, die blieben ihm versagt.

Johanna aber war sehr fromm


Und diente Jesus, ihrem Herrn,
Und machte oft das Abendbrot
Mit Brot und Käse von der Kuh

Und Käse von der Ziege auch,


Und Jesus aß Oliven gern
Zum Ziegenkäse auf dem Brot,
Oliven liebte Petrus auch,

Sie tranken Buttermilch und Wein


Und aßen Nüsse gern dazu,
Auch liebte Jesus sehr den Fisch
Und Jesus aß auch gerne Fleisch.

Johanna hörte immer zu,


Wenn Jesus von der Weisheit sprach,
Wenn er zitierte aus der Schrift,
Wenn er von Gottes Liebe sprach.

Wenn Jesus von der Liebe sprach,


Die Gott zu seiner Menschheit hat,
So sprach er von der Ehe oft,
Wie Mann und Frau vereint in Gott.

Der Herr erwartete ja nicht,


Daß auch Johanna ehelos
Jungfräulich sollte folgen ihm,
Er wollte sie als Ehefrau

Zu seiner frommen Jüngerin,


Die in der frommen Ehe lebt,
Wo Mann und Frau vereint in Gott
Ein Bild für Gottes Liebe sind.

Johanna liebte das Gespräch


Mit Jesus Christus, ihrem Herrn,
Doch sprach sie auch sehr gerne mit
Der Magdalenerin ein Wort.

VIERTER GESANG

Der Herr kam nach Bethanien,


Das ist ein kleines armes Dorf,
Liegt nahe bei Jerusalem,
Zu seinem Freunde Lazarus.

Maria Magdalena dort


Bei ihrer Schwester Martha war,
Und Jesus kehrte in das Haus,
Saß bei den Freunden an dem Tisch.

Und Martha eilte durch den Raum,


Geschäftig sie als Hausfrau war,
So sie versorgte erst den Hund
Und dann die schwarze Katze auch,

Dann wusch die Wäsche sie im Bad


Und hing die Wäsche an die Schnur
Und faltete die Wäsche dann
Und tat sie in den Wäscheschrank,

Dann fegte sie den Boden noch


Und räumte in dem Hause auf,
Ging in die Küche an den Herd
Und machte dann ein Mittagsmahl,

Da kochte sie Gemüse gar


Und holte Kräuter aus dem Beet,
Dieweil die Suppe auf dem Herd
Im Suppentopfe kochte gar,

Ging sie noch an das Blumenbeet


Und pflegte ihre Rosen rot
Und rupfte noch das Unkraut aus
Und ging dann wieder an den Herd,

Die Teller tat sie auf den Tisch


Und Löffel legte sie dazu
Und steckte eine Kerze an
Und stellte auf den Blumenstrauß

Und sagte: Guten Appetit,


O Jesus, laß es schmecken dir!
Ich kann nicht mit dir essen, Herr,
Ich habe dazu keine Zeit,

Iss du mit Bruder Lazarus


Und Magdalena dieses Mahl,
Doch sage Magdalena auch,
Sie tut zuwenig in dem Haus.

Maria Magdalena sprach


Zu Jesus, ihrem Bräutigam:
Erzähl mir von der Weisheit, Herr,
Von Gottes Wort, der Biblia!

O Jesus, Magdalena sprach,


Es sagen alle Frommen mir,
Daß ich besessen vom Dämon,
Wenn ich das Leiden koste aus.

Wenn über mich die dunkle Nacht


Der unverstandnen Seele kommt
Und alle spotten über mich
Und lästern deine Jüngerin,

Wenn ich dann bittre Tränen wein


Und meinen Gott nicht mehr versteh
Und selber wie gekreuzigt bin,
O Jesus, sag mir, was ist das?

Und Jesus sprach zur Jüngerin:


Du kennst doch meinen Hiob gut,
Der hatte auch zu leiden sehr
Und litt an seiner Freunde Rat.

Die Freunde waren doch sehr fromm


Und sie verteidigten den Herrn
Und Hiob klagte an den Herrn
Und doch gab Gott dem Hiob recht!

Du kennst die Klagelieder auch


Von Jeremia, da er sang:
Die Rute Gottes züchtigt mich,
Ich bin so elend, voller Schmerz,

Gott ist zum Feind geworden mir,


Geworden wie ein wilder Bär
Und wie ein wilder Panther mir,
Kein Schmerz ist meinen Schmerzen gleich!

Du kennst die Psalmen Davids auch,


Wie er stand an dem Totenfluss,
Des Todes Fesselstricke ihn
Fast überwältigt in der Nacht,

Wie er zu seinem Gotte schrie:


Was hast du mich verlassen, Gott?
O meine Magdalenerin,
Der Menschensohn gekreuzigt wird,

Und mit dem Menschensohne wird


Gekreuzigt auch die Jüngerin,
Doch in der dunklen Kreuzesnacht
Sind wir vereinigt, meine Braut!

FÜNFTER GESANG

Als Jesus war in Galilee,


Da brachte man die Botschaft ihm,
Dass Lazarus im Sterben läg,
Der Magdalena Bruderherz.

Und Thomas, der auch Zwilling hieß,


Der sprach zum Meister und zum Herrn:
Lass gehen uns zu Lazarus,
Auf dass wir sterben auch mit ihm!

Doch unser Meister wartete,


Drei Tage Jesus wartete,
Dann ging er nach Bethanien,
Erzählte dieses Gleichnis noch:

Es war der arme Lazarus


Ein Armer und ein Elender,
War von Geschwüren ganz bedeckt
Und voller Wunden an dem Leib.

Die Hündinnen der Gasse ihm


Die wehen Wunden leckten ab.
Der arme Bruder bettelte
Um Brot bei einem reichen Mann.

Der Reiche schickte Lazarus


Von seinem goldnen Hause fort
Und weinend klagte Lazarus
Dem Himmelsvater seine Not.

Nun starb der arme Lazarus,


Zugleich starb auch der reiche Mann.
Der Reiche in die Hölle kam
Und brannte in der Feuersglut.

Wie Kohlen, schwarz und transparent,


Der reiche Mann im Feuer war
Mit andern Gotteslästerern
Und der Dämonen Legion

Und aus dem Höllenfeuer kam


Ein Brüllen, ein Verzweiflungsschrei,
Sie schrieen laut in weher Qual
Am ewigen Verdammungsort.

Jedoch der arme Lazarus


Saß Vater Abraham im Schoß
In himmlischer Glückseligkeit,
Wo ihn der Vater tröstete.

Der Reiche aus der Hölle schrie


Zu Lazarus im Paradies:
Zu meiner Witwe eile hin,
Zu meinem Sohne eile hin

Und warne vor der Hölle sie!


Mir brennt die Zunge von der Glut,
Gib einen Tropfen von dem Quell
Des Lebens, lösche meinen Durst!

Da sagte Lazarus zu ihm:


Ihr unten in der Höllenglut,
Wir oben in dem Paradies,
Es ist kein Weg von uns zu euch.
Und deine Witwe und dein Sohn,
Sie glauben ja der Bibel nicht,
Wie sollten sie dann glauben mir,
Wenn ich vom Weltgerichte red?

Als Jesus in Bethanien


War angekommen vor dem Tor,
Maria Magdalena kam
Und weinte um des Bruders Tod.

Maria Magdalena kam


Und Schwester Martha kam mit ihr,
Und Martha sprach zu ihrem Herrn:
Herr, wenn du da gewesen wärst,

Wär Lazarus gestorben nicht.


Doch Jesus sprach zu Martha dies:
Der arme Lazarus ersteht
Als ein Lebendiger vom Tod.

Und Martha sprach zu Jesus dies:


Des Fleisches Auferstehung kommt
Am Jüngsten Tag im Weltgericht.
Und Jesus sprach zu Martha dies:

Ich bin die Auferstehung und


Das Leben in der Ewigkeit!
Und Jesus trat zu Lazarus,
Der lag in seinem Felsengrab,

Und Jesus rief zu Lazarus:


Erstehe du aus deinem Tod!
Und Lazarus kam aus dem Grab
Und Magdalena freute sich.

Und Magdalena pries den Herrn:


Du bist die Auferstehung und
Das Leben in der Ewigkeit!
Wer dir vertraut, lebt ewiglich!

SECHSTER GESANG

Als Jesus Christus war im Haus


Von Simon, der ein Gerber war,
Maria Magdalena trat
Zu Jesus, ihrem Bräutigam.

Sie hatte in der schlanken Hand


Ein Rosenquarz-Flakon voll Öl,
Voll allerbestem Narden-Öl,
Das war das beste in dem Land,

Ja, hunderte Denare wert,


Des Arbeitsmannes Jahreslohn,
Das goss sie über Jesus aus
Und salbte Jesus für das Grab.

Doch Judas von Iskarioth


Zur schönen Magdalena sprach:
Verschwende nicht das teure Geld,
Gibs der Apostelkasse doch!

Denn die Apostelkasse gibt


Das Geld den Armen in der Welt.
Doch Judas, der den Reichtum liebt,
Geld lieber doch für sich behält.

Denn Judas der Kassierer war,


Verwaltend der Apostel Geld,
Er nahm sich aus der Kasse viel
Und klaute der Apostel Geld.

So sagte einst schon Salomo,


Vielleicht wars Jesus Sirach auch:
Die Liebe zu dem schnöden Geld
Die Wurzel aller Übel ist.

Denn Judas von Iskarioth


Nicht sorgte um die Armen sich,
Er wollte selber Hab und Gut
Und Geld und Gold von seinem Gott.

Doch Jesus Christus sagte dies:


Die Armen habt ihr allezeit,
Könnt ihnen immer Gutes tun,
Wollt ihr den Armen Gutes tun.

Ja, wenn ihr lieb habt euren Herrn,


So tut den Armen Gutes nur,
In jedem Armen, jedem Kind
Begegnet euer Meister euch.

Die Armen habt ihr allezeit,


Ich bin nicht lange mehr bei euch,
Maria Magdalena hat
Mich zum Begräbnis heut gesalbt.

Wo immer in der ganzen Welt


Man von der Freudenbotschaft spricht,
Da nennt man Magdalena auch,
Die den Gesalbten hat gesalbt.
Und Magdalena sah zum Herrn
Und dachte an das arme Volk,
Die Kranken, die der Herr geheilt,
Die Kinder, die der Herr liebkost.

Und jetzt war Jesus ihr so nah,


Er, der die Weisheit Gottes war,
Er war die Auferstehung und
Das Leben in der Ewigkeit.

Und plötzlich sah sie ihren Herrn


Allgegenwärtig in der Luft
Als einen leuchtenden Kristall
Von unermesslich hellem Licht.

Und in dem großen Licht des Herrn,


Allgegenwärtig in der Luft
Und auf der Erde, Geistern gleich,
Sah sie der Toten große Schar.

Maria Magdalena sann:


Die Toten in dem Paradies,
Sie sind nicht über der Region
Des Uranos im Sternenall,

Die Toten in dem Paradies


Als wie im Schoße unsres Herrn
Sind mitten unter uns, sind hier,
Sind Geister in der Erdenwelt.

Und Jesus sah Maria an


Und sprach zu Magdalena dies:
Das Paradies im Himmel ist,
Allgegenwärtig ist das Reich,

Doch sind die Toten euch nicht fern,


Und wenn ihr betet ein Gebet
Und wenn ihr brecht das Himmelsbrot,
So sind die Toten unter euch.

Die Toten, die entschlafen sind


Im Hinblick auf den Leib des Herrn,
Sind wie die Engel jetzt bei Gott
Und stehen euch als Engel bei.

SIEBENTER GESANG

Herr Jesus hing an seinem Kreuz


Und die Soldaten Roms um ihn
Verhöhnten ihn als König der
So elend-armen Judenschaft.
Den Purpurmantel zog man aus
Dem Könige der ganzen Welt
Und zog ihm aus den Unterrock,
Das ohne eine Naht gewebt.

Und er, der neue Adam, hing


Am Kreuz, am neuen Lebensbaum,
Und er, der neue Adam, hing
Am Kreuz und war wie Adam nackt.

O Jesus, du Jungfräulicher,
Du Gottessohn im Zölibat,
Wie hast jungfräulich du gelebt
Denn deine Sexualität?

Du warest ja ein Mann voll Kraft,


Ein Arbeitsmann, ein Zimmermann,
Der allerschönste Menschensohn
Und dreiunddreißig Jahre jung.

Nun aber gab er alles hin


Und war wie Vater Adam nackt
Und die Soldaten würfelten
Um dieses Judenkönigs Kleid.

Die Mutter Jesu stand dabei,


Maria unterm Kreuze stand,
Nicht in Verzweiflung niederbrach,
Nicht raufte ihre Haare sie,

Nicht schlug sie an den Busen sich,


Nicht warf sie auf die Erde sich,
Nicht schrie sie wehen Jammerlaut
Und heulte nicht verzweiflungsvoll,

Die Mutter unterm Kreuze stand


Und dachte an das Engelswort:
Sein Königtum unendlich ist
Und ewig währt sein Königtum.

Maria nahm von ihrem Haupt


Den Schleier der Jungfräulichkeit
Und reichte Magdalena ihn,
Die weinte unter Jesu Kreuz.

Maria Magdalena, du
Sollst nehmen diesen Schleier hier
Und gehe mit dem Schleier du
Zu deinem Bräutigam am Kreuz

Und mit dem Schleier ihm verhüll


Vor allen Menschen das Geschlecht,
Mein Schleier der Jungfräulichkeit
Soll dienen ihm als Lendenschurz.

Maria Magdalena band


Der Gottesmutter Schleier um
Die nackte Scham des Gottessohns,
Des neuen Adams an dem Kreuz.

Der Lieblingsjünger war dabei,


Und er, der es gesehen hat,
Bezeugt, dass dieses Zeugnis wahr
Und dass sein Herr und Meister sprach:

O du mein vielgeliebter Freund,


Schau auf die Gottesmutter du,
Nimm sie als deine Mutter an
Und nimm sie in dein Eignes auf

Und nimm sie in dein Innres auf,


Die Mutter aller Menschen, sie
Soll fortan deine Mutter sein,
Die Mutter der Ecclesia.

Und zu der Gottesmutter sprach


Am Kreuze so der Gottessohn:
O Frau der Offenbarung du,
O neue Eva, siehe da

Den Jünger, den ich habe lieb,


Dem sollst du seine Mutter sein
Und sollst ihn lieben, deinen Sohn,
Maria, wie du mich geliebt!

Maria Magdalena schrie


Und nieder fiel sie vor dem Kreuz,
Umarmte Jesu Beine und
Dem Meister küsste sie den Fuß.

Und Jesus rief: Es ist vollbracht!


Maria Magdalena schrie
Und warf sich nieder in den Staub
Und weinte Tränen rot wie Blut.

ACHTER GESANG

Es lag der liebe Herr im Grab,


Er lag in seinem Leinentuch,
Von seinem Schweißtuch er bedeckt,
Stieg in die Unterwelt hinab.
Herr Jesus in den Hades ging
Und nahm Frau Eva bei der Hand
Und führte aus dem Totenreich
Die Heiligen ins Lebenslicht.

Maria Magdalena ging


Am Ostermorgen in der Früh
Zu Jesu Christi Felsengrab,
Auf dass sie salbe seinen Leib.

Und da sie in den Garten kam


Und nahte sich dem Felsengrab,
Sah sie den Stein vom Grab gewälzt
Und schaute: Ja, das Grab war leer!

Doch auf der Felsenplatte lag


Das Leichentuch des Heilands noch
Und eingedrückt ins Leichentuch
Das Bildnis des Gekreuzigten.

Und auf der Felsenplatte lag


Das Schweißtuch noch des lieben Herrn
Und in das Schweißtuch eingedrückt
Das Antlitz unsres lieben Herrn.

Maria Magdalena da
Viel heiße Trauertränen weint,
Denn sie und die Apostel auch,
Sie hielten ihn für Gottes Sohn

Und den Messias Israels,


Nun aber war der Christus tot,
Er, der Unsterbliche, der Herr,
Der starke Gott war menschlich tot.

Nicht einmal salben konnte sie


Den Leichnam ihres Meisters noch.
O große Hoffnungslosigkeit,
Verzweiflungsvolle Depression!

Ja, sterben wollte sie mit ihm!


Der Eitelkeiten Eitelkeit
Schien ihr des Lebens Dasein nur
Und nur willkommen noch der Tod!

Da stand der Gärtner plötzlich da


In seinem grünen Gärtnerrock.
Maria Magdalena sprach:
Wo ist der Körper meines Herrn,

Wo haben sie ihn hingelegt?


Sie hatte nämlich nicht erkannt,
Daß dieser Gärtner Christus war,
Des Seelengartens Gärtner er.

Der Gärtner aber sprach zu ihr:


Maria – nur dies eine Wort.
Maria Magdalena sprach:
Mein Rabbi, o mein Meister du!

Denn da erkannte sie den Herrn,


Als ihren Namen er genannt.
Da fiel sie nieder vor dem Herrn,
Als sie den lieben Herrn erkannt.

Da fiel sie nieder vor dem Herrn,


Als wollt sie küssen seinen Fuß,
Und sie umschlang die Beine ihm
Und drückte sich ganz heiß an ihn!

Und Jesus Christus sprach zu ihr:


Maria, halte mich nicht fest,
Noch bin ich aufgefahren nicht.
Geh aber als Apostelin

Zu der Apostel kleinen Schar,


Zu ihm, der die Apostel führt,
Zu Petrus, und zum ganzen Kreis
Sag, dass ich auferstanden bin

Und dass ich fahre auf zu Gott,


Zu meinem Gott und eurem Gott,
Und sag, dass der Apostel Schar
Soll kommen nach Bethanien,

Denn von Bethanien, dem Dorf,


Und von dem nahen Ölberg fahr
Ich in den Himmel auf zu Gott,
Zu meinem Gott und eurem Gott,

Denn Gottes Himmelsparadies


Ist droben nicht beim Uranus
Und nicht bei Venus und Saturn,
Vielmehr der Himmel ist in Gott!

Ich gehe in den Himmel ein


Und dort bereit ich euch den Platz,
Den Platz des Menschen in dem Licht,
In meinem Gott auch deinen Platz!
DIE GEHEIMNISSE
ERSTER GESANG

Bruder Markus ging alleine


In der Nacht auf dem Gebirge
Und er sah die volle Luna
Schwimmen durch die dunklen Wolken.

Und da standen Silberbuchen,


Drunter wuchsen Donnerdisteln,
Und des Nachts im weiten Weltraum
Drehte sich die Axis Mundi.

Und es war ein Liebesflüstern


In den dunkelgrünen Wäldern
Und es hauchte Liebesseufzer
Aus dem All die keusche Luna.

Bruder Markus ging am Stabe,


Ging an seinem Hirtenstabe,
An der Spitze seines Stabes
Schaukelte die Pilgermuschel.

Bruder Markus dachte, dachte,


Was der Sinn sei seiner Dichtkunst
Und er hörte einen Engel
Lehren von der frommen Dichtkunst:

Menschen leben sonst in Massen,


Gottlos leben Narrenhaufen,
Doch der Dichter ist persönlich
Schon zum wahren Selbst geworden.

Was der Bankmann mit dem Gelde,


Der Jurist mit dem Gesetz tut,
Das sind nur Notwendigkeiten,
Uns das Leben hier zu fristen.

Aber eines Dichters Träume,


Seine Schönheitsideale,
Seine Liebe und sein Leben
Zeigen uns den Sinn des Lebens.

Dichter sind Person geworden,


Individuen, besonders,
Nicht wie Bürger, wie Philister,
Sondern manchmal wie Verrückte!

Aber der verrückte Dichter


Gibt das Zeugnis seines Lebens
Als Prophet im eignen Lande,
Dem doch keiner lauschen möchte.

Und der Engel schwieg und Markus


Weiter ging durchs dichte Dunkel,
Aber in der Ferne Lichter
Leuchteten wie weiße Kerzen.

Näher trat der Wandrer, schaute


Eine heilige Kapelle.
Dieses Kloster auf dem Berge
War wie eine Burg aus Felsen.

Draußen vor dem Felsenkloster


War ein großer grüner Garten,
Eichen standen da und Buchen,
Apfelbäume, Pflaumenbäume.

Bruder Markus dabei dachte


An ein Heilungswunder Jesu,
Der den Blinden fast geheilt hat
Und der Blinde sah durch Nebel

Menschen gehen um wie Bäume,


Und der Blinde sprach zu Jesus:
Menschen sehe ich wie Bäume
Wandeln durch den grünen Garten.

Nämlich dort in Prozessionen


Bruder Markus schaute Knaben,
Allesamt in weißen Kleidern,
Kerzen in den Händen haltend,

Kleine Glöckchen klangen leise


Und ein Heiligtum erstrahlte
Lichter als die Doppel-Sonne
In des Weltraums fernen Weiten.

Und die Knaben zogen singend


Mit der weißen Sonnenscheibe
In dem Dunkel durch den Garten
Und es läuteten die Glöckchen.

Als der Knabenchor verschwunden


War im dunklen Burggemäuer,
Trat der fromme Bruder Markus
An die Pforte der Kapelle.

Montsalvat stand dort geschrieben,


Sei willkommen jeder Waller,
Jeder Pilger auf der Erde,
Pilgernd nach dem Himmelreiche.
Bruder Markus klopfte dreimal
An die Pforte, und ein Alter
Öffnete die Klosterpforte,
Ließ herein den Erdenwaller.

ZWEITER GESANG

Bruder Markus war im Kloster,


Droben in der Bergkapelle,
Und der Alte führte lächelnd
In den Saal ihn ein, den lichten.

An der Wand im Osten sichtbar


Ein Altargemälde, nämlich
War ein Kreuz zu sehen, aber
Nicht das nackte Kreuz alleine,

Sondern dieses Kreuz umschlungen


War von einer roten Rose.
Seid ihr Rosenkreuzer etwa?
Fragte Markus jenen Alten.

Und der Alte sagte leise:


Der Erlöser auf dem Blute
Hat ja eine Weggefährtin,
Miterlöserin ist jene.

Der Erlöser auf dem Blute


Wird symbolisiert im Kreuze,
Da sein Tod den Tod besiegte,
Da sein Blut die Sünden tilgte.

Miterlöserin genannt wird


Die geheimnisvolle Rose,
Denn sie ist zum Neuen Adam
Brautgenossin, Neue Eva.

Aber das ist ein Geheimnis,


Das nur wenige verstehen.
Doch wir haben junge Ritter,
Die sich weihten ganz der Rose,

Welche diese rote Rose


Miterlöserin anrufen
Als Erlöserin des Mannes
Durch den Dorn in ihrem Herzen.

Diese sind die Minneritter,


Die der roten Kreuzesrose
Leib und Seele gänzlich weihten
Und der Neuen Eva dienen.

Bruder Markus nickte wissend


Und er sprach: Bedürfen Ritter
Doch der höchsten Minnedame,
Die allein sie kann erlösen.

In der Mitte dieses Saales


War zu sehen eine Tafel,
War ein runder Tisch, war eine
Eingesetzte Tafelrunde.

An dem Tische standen Stühle,


Zwölf geschnitzte Ritterstühle
Und als dreizehnter ein Thronstuhl,
Der war größer als die andern.

Bruder Markus fragte leise


Nach der heimlichen Bedeutung
Dieser Stühle, die da standen,
Dieses Thronstuhls, der da glänzte.

Und der Alte sagte lächelnd:


Diese Stühle, diese zwölfe,
Die symbolisieren bildlich
Alle Religion der Menschheit.

Doch der dreizehnte, der Thronstuhl,


Der symbolisiert den Glauben,
Den Gehorsamsakt des Glaubens
Auf die Offenbarung Gottes.

Auf den Stühlen, auf den zwölfen,


Sitzen Ritter dieses Tempels.
Alle sollst du kennen lernen,
Ihren Glaubenslehren lauschen.

Alle wohnen um den Tempel


Rings verstreut in Einsiedleien,
Einen nach dem andern mögest
Du besuchen in der Hütte.

Alle haben Samenspuren,


Die die Weisheit weit verstreute,
Lausche ohne Vorurteile,
Schau die Samen an der Weisheit.

Doch der Dreizehnte der Stühle,


Voller Glorie dieser Thronstuhl,
Der gehört dem Einen Meister,
Alle andern sind Gesellen.
Diesen einen unsern Meister
Sollst du schließlich kennen lernen.
Und sein Name ist Humanus,
Leider krank ist unser Meister.

Leidend liegt der höchste Meister


Fast gelähmt im Krankenbette,
Doch er opfert seine Leiden
Zur Bekehrung aller Sünder.

DRITTER GESANG

Bruder Markus sprach zum Alten:


Wer ist jener Mann Humanus?
Du erzähle mir sein Leben,
So dass ich ihn kennen lerne.

Und der Alte sagte lächelnd:


Achtzig Jahre lang im Schoße
Seiner Mutter war er, wollte
Nicht geboren sein auf Erden.

Als die Mutter ihn geboren,


Waren seine Augenbrauen
Weiß vom Silberhaar der Weisheit,
Weise ist er schon geboren.

Als er war ein kleines Kindlein,


Sog so stark er an den Brüsten
Seiner Mutter, dass der Milchstrom
Spritzte weißlich an den Himmel.

Als er lag in seiner Wiege,


Nahten sich zwei lange Schlangen,
Wollten ihn erwürgen, aber
Er zerriss die Schlangen lachend.

Als er war ein kleiner Knabe,


Ging er auf dem Regenbogen
Froh spazieren mit den Freunden,
Abgestürzt sind seine Freunde.

Wenn er sah ein totes Hühnchen


In dem Garten seiner Mutter,
Auferweckte er das Hühnchen,
Er erweckte es vom Tode.

Modellierte er ein Täubchen


Aus dem Lehm der Mutter Erde,
Hauchte an das Täubchen tönern
Und es flatterte zum Himmel.
Einmal hat er gar erfunden
Eine schlichte Schildpattleier
Und erfunden auch die Flöte
Und er blies die Doppelflöte.

Sah er aber andre Knaben,


Die besessen von dem Dämon,
Mit dem Zeigefinger Gottes
Er befreite sich vom Dämon.

Als er war ein schöner Jüngling,


Hing neun Nächte er im Baume,
In dem Baum, den Kopf nach unten,
Bis er Vögel sprechen hörte.

Er verstand die Vogelsprache


Und er predigte den Vögeln.
Wenn er einen Fels betreten,
Bat den Fels er um Verzeihung.

Als ein junger Mann versammelt


Er die armen Straßenkinder
Um sich, jedem Arbeit gebend,
Auch erzog er sie im Glauben.

Und da traf er einen Knaben,


Der die Schrift nicht lesen konnte
Und nicht Lettern schreiben konnte,
Und er fragte: Was denn kannst du?

Und der Knabe sagte schüchtern:


Pfeifen kann ich wie ein Meister!
Sprach Humanus: Also pfeifst du
Alle Knaben mir zusammen.

Wenn Humanus ging alleine,


So ward immer er begleitet
Von dem grauen Straßenhunde,
Der ihm einmal zugelaufen.

Als er zählte dreißig Jahre,


Gründete er dieses Kloster,
Weihte es der Weisheit Gottes
Und dem Frieden, der Versöhnung.

Als gegründet er das Kloster


Und sich selber Gott geweiht hat,
Hat ihn Gott der Herr geschlagen
Und ein Teufel ihn geohrfeigt.

Und in seinem Fleische steckte


Ein geheimnisvoller Pfahl, das
War in seinem Todesleibe
Eine unerklärte Krankheit.

Dreimal bat er Gott den Höchsten,


Ihn vom Teufel zu befreien.
Doch der Herr ihn nicht erhörte,
Weiter ohrfeigt ihn der Teufel.

Doch er opfert seine Krankheit


Für das Seelenheil der Sünder,
Für das Glück der armen Seelen
Und zum Troste seiner Dame.

VIERTER GESANG

Vater ist sie nicht, die Gottheit,


Sondern Mutter aller Wesen,
Tao heißt die Mutter-Gottheit,
Sie ist Weg und alte Weisheit.

Also sprach zu Bruder Markus


In der Einsiedlei der Ritter,
Der studiert den Taoismus,
Diese Religion aus China.

Wie ich im I Ging gelesen,


Ist die ganze Welt gebildet
Aus dem männlich Positiven
Und dem weiblich Negativen.

Yin und Yang wird das betitelt,


Licht und Schatten sind die beiden
Kräfte, die sind männlich, weiblich,
Die die ganze Schöpfung bilden.

Doch hervor sind sie gegangen


Aus dem Urprinzip, dem Tao,
Diesem unfassbaren Einen,
Namenlosem, Grenzenlosem.

Dieses Urprinzip der Dinge


Ist Zusammenfall in Einem,
Aller Gegensätze Doppel
Fällt im einen Eins zusammen.

Dieses übertranszendente
Einheitswesen ist die Gottheit,
Welche ist undefinierbar,
Unerkennbar, unergründbar.
Tao ist das Urgeheimnis,
Tao, unaussprechlich dunkel.
Was man sagen kann von Tao,
Das ist nicht das wahre Tao.

Lao Tse hat dies beschrieben


In dem Buch von Te und Tao,
Dieses Buch ist philosophisch,
Voll geheimer dunkler Sprüche.

Christenmissionare lieben
Sehr das Buch von Te und Tao,
Aber haben sie gelesen,
Tao ist die Große Mutter?

Alle Menschen sind so fröhlich,


Gehen zu der Frühlingsfeier,
Ich allein bin traurig, traurig,
Doch ich lieb die Große Mutter.

Bei Musik und Speise bleiben


Alle Narrenmenschen stehen,
Aber spricht man von dem Tao,
Will kein Menschenohr mehr hören.

Alle sind so klar und deutlich,


Himmel ehren sie als Vater,
Ich allein bin traurig, traurig,
Doch ernährt mich Mutter Tao.

Tschuang Tse hat auch geschrieben


Von dem Tao, dieser Weisheit,
Die in Himmel lebt und Erde
Und im Inneren des Menschen.

Huang Di, der Gelbe Kaiser,


Fand die Perle auch des Tao,
Er verschwand im Großen-Ganzen,
Er verschwand im Runden-Einen.

Und die Königin der Feen


Hsi Wang Mu hat auch gefunden
Mutter Tao auf dem Kunlun,
In dem Paradiesesgarten.

Acht Unsterbliche in China


Haben Tao auch gefunden
Auf der schönen Insel Penglai
In dem Gelben Meer im Osten.

Hast erkannt du Mutter Tao,


Soll nur Tao noch geschehen.
Zeichne du dich aus durch Wu-Wei,
Durch das weisheitsvolle Nicht-Tun.

Lass du Tao nur geschehen


In Natur und in dem Menschen,
Und das Gelbe Reich der Mitte
Findet seinen Himmelsfrieden.

Und der Ritter lächelt weise,


Bruder Markus war verwundert,
Daß der Glaube an die Mutter
Diesen Ritter selig machte.

Bruder Markus nahm vom Ritter


Abschied, doch er blieb in China,
Denn der andre Ritter dachte
Allezeit an Vater Himmel.

FÜNFTER GESANG

Bruder Markus kam zum Ritter,


Der Konfuzius studierte.
Siehe, sprach der Tiefgelehrte,
Im I Ging will ich studieren,

Bis das Buch ist ganz zerblättert,


Ja, mein Leben lang studier ich
Das I Ging, die Kommentare,
Die Konfuzius geschrieben.

Alle Bücher will ich lesen,


Die gehören zu dem Kanon.
Ja, ich liebe sehr die Oden,
Liebe sehr das Buch der Lieder.

Nämlich auch die Liebeslieder


In dem alten Buch der Oden
Haben mystische Bedeutung,
Allegorisch sind zu deuten.

Und in den Annalen les ich,


Lenz-und-Herbst-Annalen, weiter
Die Urkunden auch studier ich
In der Schule der Gelehrten.

Im Li Gi, dem Buch der Sitte,


Ich studiere Pädagogik,
Die Musik ich auch studiere,
Die Konfuzius geliebt hat,

Nicht die sinnlichen Musiken


Aus dem Süden, Tanz und Rhythmus,
Nein, die geistigen Musiken
Aus dem Norden, rein und heilig.

Ich studiere die Gespräche


Unsres Meisters mit den Jüngern
Und von Menzius die Schriften,
Der die Menschenliebe lehrte.

Nämlich Menzius behauptet,


Daß die große Menschenliebe
Und Gerechtigkeit im Innern
Der Natur des Menschen lebe.

In der Schule der Gelehrten


Ich studiere, lerne, lerne,
Eitel ist es, viel zu lernen,
Ohne selber nachzudenken.

Unsre Ahnen wir verehren,


Ihre Seelen sind unsterblich.
Und wir opfern unsern Ahnen
Bei den Riten vor dem Schreine.

Tugenden des Altertumes


Üben wir in neuern Zeiten,
Menschlichkeit vor allem üben
Wir als innerliche Tugend.

Zu der Menschlichkeit gesellt sich


Die Gerechtigkeit, die Sitte,
Weisheit suchen wir vor allem,
Gütig suchen wir zu leben.

Unsre Pflichten wir beachten,


Sind loyal zu weisen Herrschern,
Halten treulich zu den Riten,
Die die Alten überliefert.

Pietätvoll unsre Kinder


Ehren Vater, ehren Mutter,
Und sie opfern ihren Eltern,
Wenn die Eltern sind gestorben.

Fleißig sind wir stets im Lernen,


In der Schule der Gelehrten
Hochgeachtet ist das Lernen,
Aber noch viel mehr das Denken.

Ist die Seele so geordnet


In den Übungen der Tugend,
Die Familie ist geordnet
In den strengen Hierarchien.

So ist auch das Dorf geordnet,


Sind geordnet die Provinzen,
Gut geht es dem Reich der Mitte
Und der Kosmos ist geordnet.

Doch Lu Xun, der freche Dichter,


Sagte, dass die alte Tugend,
Die Konfuzius gelehrt hat,
Menschenfresserei sei ähnlich.

Der Diktator und die wilden


Roten Garden dann zerstörten
Alle Pietät und Tugend
Und die Ordnungen des Reiches.

Heute wieder die Gelehrten,


Unter ihnen junge Christen,
Sie studieren in den Büchern,
Die Konfuzius gesammelt.

SECHSTER GESANG

Bruder Markus kam zum Ritter,


Der die Lehre Buddhas schätzte.
Der Buddhist und Philosoph sprach
Von Siddartha, von Gautama.

Als der Prinz war neunundzwanzig


Jahre alt, sonst wohlbehütet,
Sah er vorm Palast des Königs
Die Gebrechlichkeit der Menschheit.

Und es sah der Sohn des Königs


Einen Krüppel, stark behindert.
Fragte er: Was ist ein Krüppel?
Hörte er: Das ist die Krankheit.
Sah er einen kleinen Knaben,
Der da bettelte vor Hunger.
Fragte er: Was ist die Armut?
Hörte er: Das ist das Leiden.

Und er sah ein altes Weiblein,


Das verstorben in der Gosse.
Fragte er: Was ist das Sterben?
Hörte er: Das ist der Teufel.

Und Siddartha, der Gautama,


Religionen er studierte
Und die Philosophenlehren
Und sehr lange meditierte,

Bis er unterm Feigenbaume,


Unterm Ficus religiosa,
Ist erwacht, und er erkannte
Wahrheit, vierfach reine Wahrheit.

Buddha selbst ist keine Gottheit,


Seine Lehre stammt von Gott nicht,
Sie ist keine Offenbarung,
Sondern Schau beim Meditieren.

Dieses ist des Buddha Wahrheit,


Daß das Leben ist ein Leiden,
Die Personen, Existenzen,
Existierend alle leiden.

Alle Leiden aber stammen


Aus der Gier und aus dem Hasse
Und aus der Verblendung, diese
Drei nennt er die Lebensgifte.

Alles Leiden überwindet


Man allein, wenn man beseitigt
Diese Lebensgifte, nämlich
Gier und Hass und die Verblendung.

Und der Weg zur Überwindung


Ist der Pfad der Lehre Buddhas.
Achtfach ist der Pfad der Lehre,
Lehre ists der Selbsterlösung.

Alle Kreaturen kreisen


In Samsara, in dem Weltrad,
Weltrad der Inkarnationen
Und der Reinkarnationen.

Aus dem Weltrad wird erlöst nur,


Wer ein ethisches Verhalten
Übt und Tugenden, Versenkung,
Mitgefühl und tiefe Weisheit.

Wer entkommen dem Samsara,


Wird verlöschen im Nirwana,
Ist kein Paradies der Gottheit,
Ist das Nichts nicht der Vernichtung.

Frei von aller Ich-Verhaftung


Löst sich auf das leere Nicht-Selbst
In dem ungewordnen Zustand
Ungewordener All-Einheit.
In der Lehre Buddhas gibt es
Keine Gottheit, alles schaffend,
Die Unsterblichkeit der Seele
Ist nur Illusion und Täuschung.

Ja, es gibt im Menschen-Innern


Auch kein Selbst, das wär beständig,
Sondern Menschen sind ein Nicht-Selbst,
Und in Reinkarnationen

Nach dem karmischen Gesetze


Der Vertilgung aller Sünden
Neugeboren wird das Selbst nicht,
Denn es gibt kein Selbst des Menschen.

Diese Weisheitslehre Buddhas,


Sie ist Philosophenlehre,
Keine Religion, denn Buddha
Nicht erkannte eine Gottheit.

Dieser Weg der Lehre Buddhas


Soll durch stetes Meditieren
Und durch das Erwachen schließlich
Einen Menschen ganz erlösen.

SIEBENTER GESANG

Bruder Markus kam zum Ritter,


Der der Lehre Buddhas folgte
Nach der Art des Großen Wagens
Und zum Boddisattwa betet.

Und er saß vor der Ikone


Der buddhistischen Madonna,
Der chinesischen Madonna,
Guan Yin, der Mitleidsgöttin.

Und er sprach zu Bruder Markus:


Als im großen zweiten Weltkrieg
Japan bombadierte Taiwan,
Da ist Guan Yin erschienen

Über Taiwan und beschützend


Breitete sie aus den Mantel
Mütterlichen Allerbarmens,
Mutter der Barmherzigkeiten.

Guan Yin, ein junges Mädchen,


Göttlich-weiblich, schön und lieblich,
Voller Anmut ist ihr Antlitz
Und sehr liebevoll ihr Lächeln,
Zärtlich blicken ihre Augen
Voll Barmherzigkeit nach unten,
Kusslich sind die roten Lippen,
Sehr charmant umspielt vom Lächeln.

Auf dem Haupte ihre Krone


Hält sie mit der schlanken Rechten,
Mit der schlanken Linken hält sie
Eine rosa Lotosblume.

Diese rosa Lotosblume


Hält sie zwischen ihren Brüsten,
Sie symbolisiert das reine
Herz der Muttergottes Chinas.

Guan Yin, ihr Name lautet:


Die das Flehen hört der Armen.
Guan Yin schenkt uns ihr reines
Herz als Weg zu der Erlösung.

Guan Yin in meiner Seele


Weckte meine große Sehnsucht,
Endlich aufgelöst zu werden
In dem Ozean der Liebe!

Und der Ritter nahm ein Büchlein,


Las es vor dem Bruder Markus,
Verse aus der Lotos-Sutra,
Sutra von der Göttin Kwanyin:

Wenn du bist in einem Seesturm,


Rufe an die Göttin Kwanyin,
Und die aufgewühlte Meerflut
Wird ein ruhig glatter Spiegel.

Wenn du brennst in einem Feuer,


Rufe an die Göttin Kwanyin,
Und das Feuer wird zum süßen
Ozean von süßem Wasser.

Überfallen dich die Räuber,


Rufe an die Göttin Kwanyin,
Und das Messer wird den Räubern
Fallen aus den Räuberfäusten.

Streite mit den Advokaten,


Rufe an die Göttin Kwanyin,
Und der Richter spricht sein Urteil
Und du wirst viel Gnade finden.

Beißen dich die Feuerschlangen,


Rufe zu der Göttin Kwanyin,
Und die Schlangen werden Tauben,
Die Skorpione Schmetterlinge.

Leidest du die Not des Hungers,


Rufe an die Göttin Kwanyin,
Und du findest Trank und Speise,
Wasser mitten in der Wüste.

Drohen dir die Menschenfresser,


Rufe an die Göttin Kwanyin,
Und die Menschenfresser fressen
Nur gedünstetes Gemüse.

Will man dich vom Berge stürzen,


Rufe an die Göttin Kwanyin,
Und dein Körper wird bekommen
Flügel, wird zur Sonne fliegen.

Will man sperren ins Gefängnis


Deinen Körper, rufe Kwanyin,
Und du wirst Erlösung finden
Aus den Ketten deines Körpers.

Nimm die Perlenschnur zu Händen,


Murmle du der Mutter Mantra:
Das Juwel der Gottheit leuchtet
In der Seele Lotosblume!

ACHTER GESANG

Bruder Markus kam zum Ritter,


Der die Götter aus den Veden
Liebte, dreißig Millionen
Götter von dem Ganges-Tale.

Arier vom Norden kamen,


Brachten mit den Gott und Vater.
Die Drawiden in dem Süden
Liebten nur die Große Mutter.

Nicht allein die Große Mutter,


Nein, den Lingam auch als Steinbild,
Und die Kuh war ihnen heilig
Und der Affe ihnen heilig.

Doch die Arier die Götter


Priesen an als starke Männer,
Indra war der stärkste Bulle,
Indra mit dem Donnerhammer.
Indra machte das Gewitter
Und mit Regengüssen fruchtbar
Mutter Erde, die besamt ward
Von dem Regenguss des Bullen.

Indra, der erschlug den Drachen,


Indra machte gutes Wetter,
Sonne in den Trockenzeiten,
Im Monsun den guten Regen.

Indra brachte den Verehrern


Gold, was alle Menschen lieben,
Und den Bauern reiche Ernte
Und den Kühen viele Kälber.

Darum Dank und Preis sei Indra,


Der die Kühe fruchtbar machte.
Indra, mehre unsre Herden,
Opfer wollen wir dir bringen,

Opfern dir vom Saft des Soma,


Opfern dir im Opferfeuer.
Unsre Weisen dich beschwören,
Unsre Sänger dich besingen.

Unsre alten weisen Dichter


Sangen Göttern nur die Hymnen,
Priester waren unsre Dichter,
Gott der Inhalt ihrer Lieder.

In den ältesten der Veden,


Im Rig-Veda, auch besungen
Wird die alte Muttergöttin
Der Drawiden, aber arisch.

Nicht nur, dass zum Schöpfer Brahma


Saraswati sich gesellte,
Sie, die Göttin aller Sprache,
Aller Poesie und Weisheit,

Sondern Ushas glänzt vor allen,


Sie, die Göttin Morgenröte.
Und es preisen ihre Dichter
Herrlich sie in hohen Hymnen.

Morgens an dem Himmel aufgeht


Wunderschön die Himmelsgöttin,
Ihren Wagen ziehen Rinder,
Heiligschöne weiße Kühe.

Und sie steigt hinan im Osten


Und sie lächelt von der Höhe,
Eine reine Mädchengöttin,
Heiligschöne Jungfraungöttin.

Heil dir, Ushas, Morgenröte,


Segne jedes Land im Osten,
Heil dir, Ushas, Mädchengöttin,
Rein erleuchte unsern Dichter.

Eines Morgens stand ich betend


Auf dem Turm an meinem Hause
Und ich sah im großen Baume
Neben meinem Turm die Vögel

Und es war ein blauer Himmel


Und ich schaute an dem Himmel
Eine Lichtgestalt als Jungfrau,
Heiligschöne Morgenröte,

Und ich sah die Jungfrau lächeln


Und mit Liebesblicken segnen
Und ich grüßte meine Göttin,
Meine junge Himmelsgöttin.

Und erheitert von dem Mädchen


Und erleuchtet von dem Morgen
Sang ich meine Jubelhymne
An den heitern lichten Himmel.

NEUNTER GESANG

Bruder Markus kam zum Ritter,


Der die Hindu-Traditionen
Liebte und vor allem Krishna:
Vishnu ist ein Mensch geworden.

Siehe, sprach der Hindu-Ritter,


In den Krishna-Traditionen
Sich entwickelte die Bakthi,
Religion der Gottesliebe.

So wie auch im Hohenliede


Sulamiths und Salomonis,
So in der Govinda-Gita
Krishna mit dem Mädchen Radha,

Sie verkörperten die Liebe


Eines Gottes zu der Seele
Und zugleich die Gottesliebe
Einer Seele zu der Gottheit.

Nämlich in der Zeit des Frühlings


Mit den Freundinnen tanzt Radha,
Weil es ist die Zeit der Liebe,
So verliebt sie sich in Krishna.

Krishna kommt in seinen Garten,


Wo die Freundinnen und Radha
Tanzen ihre Frühlingstänze.
Krishna liebt das Mädchen Radha.

Krishna küsst das Mädchen Radha


Und umarmt sie um die Hüfte,
Radha presst die großen Brüste
An die Brust des Gottes Krishna.

Krishna liebt das Mädchen Radha,


Aber Radha nicht alleine,
Auch die Freundinnen des Mädchens
Liebt der Bräutigam, der Hirte.

Aber Radha eifersüchtig


Auf die Freundinnen des Hirten,
Trennt sich von dem Gotte Krishna,
Geht alleine ihres Weges.

Ferne von dem Gott und Menschen


Radha irrt in öder Wüste.
Krishna sehnt sich nach dem Mädchen
Und er ruft sie zu der Umkehr.

Eine Freundin der Geliebten


Krishna sendet zu dem Mädchen,
Und die Freundin soll zu Radha
Sagen, Krishna sei voll Sehnsucht.

Und die Freundin der Geliebten


Schildert ihrer Busenfreundin,
Wie der Gottmensch krank vor Liebe,
Sich verzehre nach dem Mädchen.

Da kehrt Radha um zu Krishna


Und sie kehrt in seinen Garten
Und sie fleht um seine Liebe,
Daß er sie am meisten liebe.

Krishna freut sich über Radha,


Daß sie heimgekehrt zum Hirten,
Und er küsst das junge Mädchen,
Küsst des Mädchens große Brüste.

Sie umarmt den Gott und Menschen


Und sie gibt sich hin dem Hirten
Und in ihren langen Haaren
Liegt der Gott und Mensch gefesselt.

Und sie spielen in dem Frühling


Sinnlich-schwüle Liebesspiele
Und vollziehen Einigungen
In dem grünen Bett des Gartens.

Krishna ist der Gott, der Eine,


Millionen Namen hat er,
Vishnu heißt er, Shiva heißt er,
Brahma heißt er, Rama heißt er.

Denn die Deutschen sagen Wasser


Und die Briten sagen water,
Ists das Eine Element doch,
Aber mit verschiednen Namen.

Radha aber ist die Seele,


Welche ihren Gott geliebt hat,
Welche ihren Gott verlassen,
Heimgekehrt ist zu der Gottheit.

Und die schwülen Liebesspiele


Und die Einigung im Bette
Ist Vereinigung des Geistes
Gottes mit dem Menschengeiste.

Wenn der Mensch erkennt die Einheit


Seines Geistes mit der Gottheit,
Menschengeist und Geist der Gottheit
Sind vereinigt in Verschmelzung!

ZEHNTER GESANG

Bruder Markus kam zum Ritter,


Der da den Islam studierte,
Murmelnd an dem Rosenkranze
Neunundneunzig Namen Allahs.

Gott ist herzlicher Erbarmer,


Ist Barmherzigkeit und Mitleid,
Gott ist König aller Himmel
Und der Heilige der Völker,

Gott ist Frieden auf der Erde,


Ist die Sicherheit bewahrend,
Ist Beschützer und Bewacher,
Ist erhaben und ehrwürdig,

Gott ist kräftig, ist der Starke,


Gott ist vornehm, ist der Stolze,
Gott ist Schöpfer aller Wesen,
Ist der Schaffende der Schöpfung,

Gott ist formend alle Formen,


Der Verzeiher, Allbezwinger,
Ist der Geber und Verteiler,
Der Versorger aller Menschen,

Der Allwissende, der öffnet,


Der die Gabe auch zurückhält,
Doch in Großmut Gaben spendet,
Der Erniedriger der Stolzen,

Der Erhörer der Bescheidnen,


Der Verteiler wahrer Ehre,
Der da schlägt die Unterdrücker,
Gott kann hören, Gott kann sehen,

Ist der Richter, der Gerechte,


Ist feinfühlig und ist gütig,
Ist der Kenner aller Herzen,
Er hat Nachsicht, er hat Mitleid,

Gott ist voll von reicher Großmut


Und von herzlicher Verzeihung,
Gott ist dankbar, ist der Höchste,
Ist der Große, der Bewahrer,

Der ernährt und der berechnet,


Majestät und voller Ehre,
Der Versammler, der Erhörer,
Der Erhörer der Gebete,

Ist der Weite voller Wohltat,


Ist der Weise, ist die Weisheit,
Gott ist (den wir Allah nennen)
Gott ist nichts als schöne Liebe!

Gott ist glorreich und ist herrlich,


Wird die Menschen auferwecken,
Ist der Zeuge, ist der Wahre,
Ist der Helfer aller Schwachen,

Gott ist mächtig, ist der Starke,


Ist der Feste, Dauerhafte,
Ist der Schutzherr aller Armen,
Dank sei ihm und Ruhm und Lobpreis,

Alles weiß er aufzuzeichnen,


Ist der Ursprung aus dem Nichtsein,
Der zum Leben wird erwecken,
Der da alles Leben spendet,
Gott den Tod hält in den Händen,
Der Lebendige, das Leben,
Gott allein ist ewig seiend,
Gott, der alle Seelen findet,

Gott ist reich an Ruhm und Ehre,


Ist der Einzige, der Eine,
Unabhängig er von allen,
Ist der Mächtige, ist Allmacht,

Gott bestimmt ein jedes Schicksal,


Gott schiebt auf das böse Unheil,
Und voran stellt er die Guten,
Ist der absolute Herrscher,

Ist der Erste, ohne Anfang,


Ist der Letzte, ohne Ende,
Der Verborgne, Offenbare,
Ist der Reine, ist der Gute,

Ist es, der die Reue annimmt,


Wird gerecht Vergeltung üben,
Voller Mitleid, voller Herrschaft,
Ihm allein gebührt die Ehre,

Ist der Richter aller Menschen,


Der Versammler in dem Jenseits,
Der zurückweist die Verbrecher,
Schaden zufügt allen Bösen,

Ist der Reiche, Vorteil gebend,


Ist das Licht und ist die Leitung,
Gott ist Schöpfer alles Neuen,
Gott allein ist ewig bleibend,

Ist der Erbe in dem Himmel,


Ist der Führer der Gerechten,
Gott ist voll Geduld und Langmut –
Wer das sagt, kommt in den Himmel!

ELFTER GESANG

Bruder Markus kam zum Ritter,


Der studiert die Sufi-Mystik,
Dieser mystische Sufismus
Ist in dem Islam die Gnosis.

Dieser Sufi-Mystizismus
Gründet auf dem Worte Gottes,
Dem Koran, doch übersteigt er
Mystisch alle Religionen.

Sufi-Weise sprechen gerne


Beim Koran vom innern Sinne,
Die unmittelbar zur Gottheit
Individuell gelangen.

Mohammed in seinem Leben


Ist der Sufi-Meister Vorbild,
Wie man kann im Geist gelangen
Zu der einen Gottheit Einheit.

Schon als Mohammed noch lebte,


Gabs islamische Asketen,
Welche in der Wüste Jemens
Lebten große Ich-Abtötung.

Rabia, die Tochter Gottes,


Heilige der Sufi-Mystik,
Lebte starke Selbstkasteiung,
Lebte trunkne Gottesliebe.

Nicht aus Furcht vorm Höllenfeuer,


Nicht aus Lust am Paradiese
Wollte sie den Herrn anbeten,
Sondern weil er ist die Gottheit.

Misri lehrte die Auflösung


Seiner Selbst und die Erkenntnis
Seines Herrn, intuitive
Einheit und den Lobpreis Gottes.

Und Bistami sprach: Die Liebe


Ist der Weg zur Gottes-Einheit.
Denn die liebevolle Gottheit
Ist der Weg, das Ziel des Weges.

Doch al-Halladsch sagte mystisch:


Ich bin selbst die Gotteswahrheit!
Ich bin Gott! Doch man verbrannte
Diesen Mystiker als Ketzer.

Rumi sprach: Ich bin die Gottheit,


Denn es ist nichts als die Gottheit.
Gott allein ist existierend,
Gott allein ist Eins und einzig.

Al-Ghazali, Theologe
Der sunnitischen Muslime,
Orthodoxe er versöhnte
Mit dem mystischen Sufismus.
Al-Ghazali sprach vom Herzen,
Das feinstofflich ist, der Fromme
Bildet dieses Herz, das feine,
Das verwandt ist mit den Engeln.

Dieses feine Herz ist Führer


In den Paradiesesgarten.
In dem Jammertal der Erde
Aber lebt es in Verbannung.

Rumi lebte die Gebete,


Immerwährende Gebete
Und den Tanz der Namen Gottes,
Ja, er tanzte noch auf Gräbern!

Lösche aus die Welt der Sinne,


Individuelle Züge,
Lass dein Ich vorm Tode sterben,
Lös dich ins Prinzip der Gottheit.

Nämlich Gott ist der Geliebte


Und die Liebenden die Frommen.
Die poetischen Gebete
Preisen trunken den Geliebten.

Das Gesetz, das sind die Dornen,


Und der Weg, das ist der Stängel,
Und die Blüte ist die Wahrheit
Und der Duft ist die Erkenntnis.

Tief berauscht von Gottesliebe


Sind die Mystiker, sind trunken
Von dem Wein der Gottesliebe,
Gott berauscht wie Wein den Trinker.

Und der Schenke – o der Knabe! –


Ist der Scheich, der Mystik Meister,
Und das Glas, gefüllt mit Rotwein,
Ist der Derwisch, Gottes Bettler.

Jesus Sohn Marias ist der


Heilige Prophet der Liebe:
Hu! Die Gottheit ist die Liebe!
Hu! Die Gottheit ist die Einheit!

ZWÖLFTER GESANG

Bruder Markus kam zum Ritter,


Der die Religion der Juden
In den Schriften tief studierte,
In der Lehre der Rabbinen.
Abraham, der Auserwählte,
Er empfing die Offenbarung,
Daß ein Gott ist in dem Himmel,
Er, der Einzige und Eine.

Abraham, der Glaubensvater,


Sollte opfern seinen Knaben,
Gott nahm aber statt dem Knaben
Einen Widder sich zum Opfer.

Isaak den Jakob lehrte,


Daß ein Gott sei Gott alleine.
Jakob sah den Herrn des Himmels
Droben auf der Himmelsleiter.

Jakob hatte viele Söhne,


Diese bildeten die Stämme
Israels, die Gotteskinder,
Auserwählte Gottessöhne.

Israel kam nach Ägypten,


Dort vierhundert Jahre Sklaven
Waren sie, bis Gott vom Himmel
Moses als Befreier schickte.

Israel floh aus Ägypten,


Weil der Herrgott sie befreite.
An dem Sinai war Moses
Mittler eines Gottesbundes.

Gott gab Israel die Tora,


Das Gesetz des alten Bundes,
Dieses ist die Gottesweisung,
Wer sie einhält, der wird leben.

Gott dann gab dem Gottesvolke


Könige und auch Propheten,
Die das Gotteswort verkündigt
Von dem Willen ihres Schöpfers.

Gottes heilige Propheten


Mahnten Israel, die Kinder,
Umzukehren zu dem Herrgott,
Gott, dem Bräutigam des Volkes.

Sprach der alte Judenritter


Zu dem frommen Bruder Markus:
Nach dem Tode Jesu Christi
Lehrten aber die Rabbinen.

Da verfassten sie die Schriften,


Als der Tempel ruiniert war
Durch das Heidenvolk der Römer,
Was jetzt sei Gesetz der Juden.

Also im Talmud studiere


Ich die Lehre der Rabbinen,
Daß die Tora eine Jungfrau,
Welche immer bleibt jungfräulich.

Denn die Tora ist die Gattin


Aller dickbeleibten Rabbis,
Nicht wie füllige Matronen,
Sondern enggebaute Jungfrau.

Und es macht den Rabbis Freude,


Jungfrau Tora zu erkennen
Noch mit fünfzig Lebensjahren
Wie dereinst mit dreißig Jahren

Israel, das Volk des Bundes,


Lebte auf der ganzen Erde,
So in Babylon und China,
Spanien und Osteuropa,

In Amerika und Russland,


Und sie hielten die Gesetze,
Aßen niemals Fleisch von Schweinen
Und besuchten Synagogen.

Doch im zwanzigsten Jahrhundert


Satansbraten waren Hitlers
Nationale Sozialisten,
Welche alle Juden hassten.

Achtzehn Millionen Juden


Lebten auf der ganzen Erde
Und ein Drittel, sechs Millionen,
Wurden umgebracht von Deutschen!

Aber nach dem zweiten Weltkrieg


Sammelten sich viele Juden
Von den Enden dieser Erde
In dem Staat der Israelis.

O Prinzessin Sabbat, schmück dich,


Zünde an die Sabbatkerzen,
Denn dein Bräutigam wird kommen,
Er, der jüdische Messias!

DREIZEHNTER GESANG
Bruder Markus kam zum Ritter,
Der die Kabbala studierte,
Dieser las im Buche Sohar
Aus dem dreizehnten Jahrhundert.

Aber Kabbalisten sagen,


Daß die Lehre überliefert
Sei von unserm Vater Adam,
Sie enthalte Adams Weisheit.

Auf dem Sinai hat Mose


Nicht nur die geschriebne Tora
Von dem Herrn empfangen, sondern
Auch die ungeschriebne Tora.

Kabbalisten nun die Tora


Legen mystisch aus und reden
Von dem Höchsten neuplatonisch,
Von Emanationen Gottes.

Das En Soph sei über allem,


Dies ist die verborgne Gottheit.
Diese Gottheit emanierte
In den Sephiroth der Gottheit.

Über allem sei die Kether,


Sei die höchste Gotteskrone,
Drunter sei der Vater Weisheit,
Drunter sei die Mutter Klugheit.

Letzte Sephiroth von allen


Ist die Schechinah. Matrone,
Hat sie Israel begleitet
In die irdische Verbannung.

Herrlichkeit sei eine Sphäre


Gottes mit dem Namen Jahwe,
Diese Sphäre sich vermählte
Mit der Schechinah-Prinzessin.

Diese Liebe sei besungen


In dem Hohenlied der Liebe.
Salomo, das ist Jehowah,
Schechinah die Sulamithin.

Diese Schechinah begleitet


Israel in die Verbannung
Und geleitet heim die Kinder
Israel zum Reich der Himmel.

In dem Himmel wohnt der Vater,


Wohnt der Ewige, der König.
Er hat eine schöne Tochter,
Die wohnt im Palast des Himmels.

Und der König und der Vater


Sucht für seine schöne Tochter
Einen Bräutigam auf Erden,
Sucht sich einen Kabbalisten.

Schechinah ist die Prinzessin,


Ist die schöne Tochter Gottes.
Und der Schriftgelehrte betend
Sieht die Tochter an dem Himmel.

Oben an dem Himmelsfenster


Kurz erscheint die Tochter Gottes
Und der Schriftgelehrte liebt sie
Und begehrt sie zur Geliebten.

Und wenn er sie kurz gesehen,


Will er zu ihr in den Himmel.
Denn sie ist die reine Perle,
Die verborgen in der Muschel.

Wie kann einer Gott erreichen,


Gott, der unerreichbar hoch ist
Und der wohnt in einem Lichte,
Das den Menschen unzugänglich?

Dieses können Kabbalisten,


Wenn sie die Prinzessin freien.
Wer ein Bräutigam der Tochter
Gottes, wird zum Sohne Gottes.

Alle sollt ihr Söhne werden,


Die ihr freit die Tochter Gottes.
Sie hat viele Bräutigame
Und bleibt immer reine Jungfrau.

Ja, sie ist die reine Jungfrau,


Keusche Braut des Schriftgelehrten,
Mütterlich ist sie Matrone,
Mutter allen Kindern Gottes.

Auf zur Hochzeit, Schriftgelehrte,


Lebt im Hohenlied der Liebe,
Seid wie Salomo Verliebte
In die heilige Prinzessin!

Wer die Jungfrau und Matrone


Schechinah zur keuschen Braut hat,
Der wird anerkannt vom Vater
Als ein Schwiegersohn des Vaters.
VIERZEHNTER GESANG

Bruder Markus kam zum Ritter,


Der studiert die Protestanten,
Einzig heilig war ihm Luther,
Der die Bibel brav verdeutschte.

Einzig gelten uns vier Sätze:


Einzig Christus, einzig Gnade,
Einzig Glaube, einzig Bibel.
Dies sind unsre Grundgesetze.

Christus ist allein der Retter,


Ist kein Retter außer Christus.
Und da braucht es keine Priester,
Keinen Papst im Ewgen Roma.

Und da braucht es keine Jungfrau,


Braucht es keine Muttergottes,
Denn die Katholiken haben
Sie gemacht zu ihrem Abgott.

Und da braucht es keine Heilgen,


Die fürbittend für uns beten.
Dies sind nur die alten Götter,
Doch es gibt nur Eine Gottheit.

Nein, wir beten nur zu Christus,


Christus ist allein der Retter.
Alles andre ist vom Bösen,
Ist ein Götzendienst der Heiden.

Einzig gilt bei uns die Gnade,


Unverdient sind die Geschenke
Gottes, der die Seelen rettet
Vor der ewigen Verdammnis.

Gott hat schon bei sich beschlossen,


Wer da soll gerettet werden.
Reitet aber auf dir Satan,
Reitest du hinab zur Hölle.

Denn vorherbestimmt sind welche


Zu der ewigen Verdammnis,
Andre rettet Gottes Gnade
Ohne das Verdienst von Werken.

Kaufen kann man nicht den Himmel,


Vor der ewigen Verdammnis
Rettet einzig Gottes Gnade,
Er errettet, wen er auswählt.

Einzig bei uns gilt der Glaube,


Das Vertrauen auf den Heiland.
Katholiken wollen Werke,
Um Verdienste sich zu sammeln.

Wenn du glaubst an Jesus Christus,


Bist du schon von Gott gerettet.
Keine Werke sind vonnöten,
Nur der Glaube an den Retter.

Wenn du glaubst an Jesus Christus,


Dann schaut Gott nur seinen Sohn an,
Übersieht dir deine Sünden,
Weiter braucht es keine Beichte.

Denn gerecht bist du geworden


Durch den Glauben an den Christus,
Die Gerechtigkeit des Sohnes
Hat dich schon gerecht gesprochen.

In dem Abendmahl des Heilands


Ist der Christus gegenwärtig
Nur beim Mahl, nur durch den Glauben,
Ist ein gläubiges Gedenken.

Einzig gilt bei uns die Bibel


Und da braucht es keinen Lehrstuhl,
Nicht Konzilien und Päpste,
Jeder soll die Bibel lesen.

Jeder soll die Bibel deuten,


Denn das Wort spricht aus sich selber,
Und die beste Schriftauslegung
Steht schon in der Bibel selber.

Was soll euer Katechismus,


Was denn sollen eure Dogmen?
Siehe, Päpste können irren,
Irrtumslos ist nur die Bibel.

Nehmt das Wort nicht allegorisch,


Nehmt die Bibel auch nicht mystisch,
Rein gedeutet fester Buchstab,
Dem folgt deutsche Schriftauslegung.

Bei dem Alten Testamente


Gelten keine Apokryphen,
Die Epistel des Jakobus
War verdächtig Doktor Luther.
Evangelien geschrieben
Gibt es vier, jedoch das fünfte,
Das verfasste Martin Luther.
Bitt für uns, Martinus Luther!

FÜNFZEHNTER GESANG

Unser frommer Pilgerbruder


Kam zum Ritter, der studierte,
Was die Katholiken lehren
In der Kirche Jesu Christi.

Erstens musst du ganz dich weihen


Der Madonna: Makellose,
O geheimnisvolle Rose,
Jungfrau, ich bin ganz dein eigen!

Makellose schöne Jungfrau,


Dir gewidmet meine Augen,
Dir gewidmet meine Ohren,
Dir gewidmet meine Zunge!

Makellose schöne Jungfrau,


Dir gewidmet meine Glieder,
Dir gewidmet meine Seele,
Dir gewidmet all mein Denken!

Makellose schöne Jungfrau,


Sei mein Ideal des Glaubens,
Sei mein Ideal der Hoffnung,
Sei mein Ideal der Liebe!

Makellose schöne Jungfrau,


Schenk mir Mäßigkeit und Starkmut,
Mir Gerechtigkeit und Klugheit
Und des Geistes sieben Gaben!

Makellose schöne Jungfrau,


Alles will ich mit dir wirken,
Alles will ich für dich wirken,
Alles will ich in dir wirken!

Makellose schöne Jungfrau,


Dir vermähl ich mich als Josef,
Nehme auf dich als Johannes,
O Gebieterin und Mutter!

Makellose schöne Jungfrau,


Tabernakel du des Höchsten,
Schenk mir Gnade, dass ich werde
Tabernakel auch des Höchsten!
Makellose schöne Jungfrau,
Dein bin ich auf dieser Erde,
Dein bin ich im Fegefeuer,
Dein bin ich im Paradiese!

Zweitens sollst du ganz dich weihen


Gottes menschgewordner Weisheit:
Ewge Weisheit, ganz dein eigen
Ich für alle Ewigkeiten!

Ewge Weisheit, Benedeite,


Du Idee der reinen Schönheit,
Höchste Königin des Himmels,
Meine mystische Verlobte!

Ewge Weisheit, Mensch geworden,


Ewge Weisheit, Fleisch geworden,
Gott-Natur in deiner Einheit,
Offenbart in drei Personen!

Ewge Weisheit, Kind geworden,


O du süßer Jesusknabe,
Die du hast das Kreuz umfangen,
Jesus Christus an dem Kreuze,

Ewge Weisheit, auferstanden,


Gottes Kraft und Gottes Weisheit,
Triumphator, Pantokrator,
Der du uns wirst auferwecken!

Ewge Weisheit, in den Himmeln


Herrschest du, o Jesus Christus,
Ewge Weisheit, auf der Erde
Lebst du in den Tabernakeln!

Ewge Weisheit, treu geblieben


Deinen Jüngern in der Kirche,
Gibst dich selbst als Mahl zur Speise,
Zu vergöttlichen die Jünger!

Eucharistische Vermählung
Mit der fleischgewordnen Weisheit
Soll in Kommunion den Christen
In den Gott und Herrn verwandeln!

Ewge Weisheit, Dank, Anbetung,


Lob und Preis und Ruhm und Ehre,
Herrlichkeit und tiefe Weisheit
Dir in deinem weißen Throne!

In den Himmeln dich zu schauen,


Dir vereinigt, dich genießen,
Ist das Ziel des Erdelebens,
O du allerhöchstes Wesen!

SECHZEHNTER GESANG

Ach, da lag der Mann Humanus


Sterbend in dem Krankenbette,
Grad Karfreitag wars, nach Mittag,
Alle Ritter standen um ihn.

Und zu seinen Füßen kniete


Fromm der Protestanten-Ritter
Und an seine Wange lehnte
Sich der Katholiken-Ritter.

Und es hielt der Juden-Ritter


Zärtlich seine Hand, die Rechte,
Und es lächelte Humanus
Wie entrückt von Bruder Morpheus.

Sprach der Katholiken-Ritter:


Eben komm ich von der Beichte,
Gab der Beichtiger ein Bild mir
Von Frau Sulamith, der Nackten!

Selig lächelte Humanus:


Sulamith? Mit schwarzen Haaren?
Schwarzem Haar wie die Madonna,
Die du liebst von ganzem Herzen?

Und es trat der Hindu-Ritter


Mit dem Taoisten-Ritter
Vor die Tür, da trat zu ihnen
Auch noch der Buddhisten-Ritter.

Und sie sprachen vor der Türe:


Dieser Mensch Humanus sicher
Ist ein Sohn des großen Gottes,
Den er zeugte mit der Göttin!

Doch der Katholiken-Ritter


Trat zur heiligen Kapelle,
Wo die blonde Ordens-Schwester
Teilte aus den Corpus Christi.

Und die blonde Ordensschwester


In dem langen weißen Kleide
Und dem langen weißen Schleier
Trat zum sterbenden Humanus.
Voller Demut sprach Humanus:
Ich will auch den Corpus Christi,
Denn ich möchte in den Himmel,
Mag auf Erden nicht mehr leben.

Und es gingen alle Ritter


In die heilige Kapelle
Und es blieb am Krankenbette
Nur der Katholiken-Ritter.

Und es lachte leis Humanus:


Ach ich mag jetzt nicht mehr leben
In dem Tränental der Erde,
Meine Stunde ist gekommen.

Aber meine lieben Ritter,


Wer soll dann sich um sie kümmern?
Ach die lieben frommen Ritter!
Muß ich sie alleine lassen!

Das zerreißt mein Herz im Busen!


Lieber Katholiken-Ritter,
Kümmre dich um meine Ritter,
Nimm sie an als deine Brüder!

Und Humanus fiel in Ohnmacht


Und der Katholiken-Ritter
Trat zu allen andern Rittern
In die heilige Kapelle.

Nur die blonde Ordensschwester


Blieb beim sterbenden Humanus,
Der am frühen Nachmittage
Traf im Bett den Todesengel.

Zu der Zeit am Nachmittage


Sprach der Katholiken-Ritter:
Was ich ihm noch sagen möchte
Ist, wie sehr ich ihn geliebt hab!

Wie ich ihm von Herzen danke


Für die Liebe, mir erwiesen,
Sprach der Katholiken-Ritter
Leis zum Taoisten-Ritter.

Da trat vor die Ordensschwester


In dem langen weißen Kleide:
Heimgegangen ist Humanus!
Nehmt von seinem Leichnam Abschied!

Nahm der Katholiken-Ritter


Das geweihte Wasser Gottes,
Zeichnete das Kreuzeszeichen
Auf die Stirne des Humanus.

Alle Ritter aber heulten,


Alle waren ganz untröstlich!
O Karfreitag, o Karfreitag!
Herr, erbarm dich des Humanus!

SIEBZEHNTER GESANG

Bruder Markus im Gebirge


Einsam ging am Ostersonntag.
Überall war lila Heide
Und da weideten die Lämmer.

Und die weißen Lämmer hatten


Um die Hälse kleine Glöckchen
Und sie läuteten am Sonntag
Und sie läuteten den Frieden.

Und es ging ein alter Hirte,


Welcher neunzig Jahre zählte,
Ruhig an dem Hirtenstabe,
Sprach von Sonne und von Regen.

Und es lief auch mit dem Hirten


Treu dem alten Mann sein Hündchen
Und sie weideten die Herde,
Dieser Hirte und sein Hündchen.

Und es flogen an dem Himmel


Kreisend hoch die Lämmergeier
Und es lagen in der Heide
Abgenagte Widderschädel.

Und es kam ein Silbernebel


An dem Nachmittag vom Gipfel
Und es füllten weiße Schwaden
Alle Täler des Gebirges.

Bruder Markus stand alleine


Oben auf dem höchsten Gipfel
Und er betete zur Gottheit,
Zu der einzig-einen Gottheit:

Jahwe, unser aller Vater!


Jahwe, unser aller Retter!
Jahwe, unser aller Tröster!
Jahwe, du allein bist Gottheit!

Und es kam ein stiller Friede


Bruder Markus in die Seele
Und die innerliche Freude
Still erfüllte seine Seele.

Und er ging von dem Gebirge


In das grüne Tal hernieder,
Kam zu einem Bauernhofe
An dem lichten Ostersonntag.

Auf dem stillen Bauernhofe


Standen schwarze Hengste, Stuten,
Weithin dehnte sich die Weide
Bis zum großen Apfelgarten.

In dem Stalle standen friedlich


Mutterschafe, junge Lämmer.
Ihre ruhig-braunen Augen
Schauten friedlich und barmherzig.

In der schwarzen Erde scharrten


Glucken und die kleinen Küken
Und der Hahn mit seinem Krähen
Rief die Hennen all zusammen.

In den alten Eichenwipfeln


Gurrten still die Turteltauben.
Und der Wind mit seinem Rauschen
Rauschte durch die Eichenwipfel.

Aus der Tür des Bauernhauses


Trat ein wunderschönes Mädchen,
Siebzehn Jahre junge Jugend,
Ein Modell von schlanker Schönheit.

O Maria, reine Schönheit!


Bruder Markus war verzaubert.
O Maria, Elfengleiche!
Bruder Markus war erschüttert.

O Maria, schlanke Anmut!


Bruder Markus war begeistert.
O Maria, Grazienreiche!
Bruder Markus war betrunken.

Ja, an diesem Ostersonntag


Ist erschienen Primavera,
Primavera, reine Jungfrau,
Ein Modell von schlanker Schönheit.

Ja, es kommt ein Menschheitsfrühling


Und ein Frühling in der Kirche,
Zivilisation der Liebe,
Du wirst kommen, du wirst herrschen!

Heilige Kultur der Liebe,


Komme bald mit deinem Frieden!
Ja, der Friede hat ein Antlitz,
Hat das Antlitz einer Jungfrau!

Reine Jungfrau, sei gesegnet,


Reine Jungfrau, sei gepriesen!
Bruder Markus liebt von Herzen
Dich, Maria, reine Jungfrau!

DIE KUNST DER LIEBE

PROLOG

Ich beschwöre dich, o Eros,


Bei der Heiterkeit der Liebe,
O du kleiner Gott der Liebe,
Der du wohnst in Menschenherzen!

In den Kämpfen hauchst du Mut ein,


Schlägst die Feindesschar zu Boden!
Psyche, deine Vielgeliebte,
Du befriedigst sie, o Eros!

Du verjagst die Müdigkeit


Und verjagst den trüben Kummer,
Sorgst für Liebe in der Welt,
Schenkst den Menschen Glück und Wonne!

ERSTES KAPITEL

Mögen meine Verse lesen


Kluge Leute, ihnen schreib ich,
Die verlangen nach den Künsten
Und Geheimnissen der Liebe.

Jenen schreib ich, die die Praxis


Und die Wissenschaft der Liebe
Gut studiert und die die Wonnen
Kennen der genossnen Wollust.
Keine Freude ist auf Erden
Jener Freude gleich, den Schöpfer
Und Erlöser zu erkennen
Im Mysterium der Liebe.

Dieser Freude ähnlich aber


Ist die Freude an der Liebe,
Der Befriedigung, der Wonne,
Die das schöne Weib dir schenkt.

Männer nehmen Ehefrauen


Um der schönen Freude willen
Der Vereinigung in Liebe.
Männer nehmen Ehefrauen

Teils aus Liebe, teils aus Wollust,


Aus Verlangen nach der Wonne.
Und sie haben schöne Frauen!
Können sie sie auch genießen?

Doch der Mann, der kennt der Liebe


Kunst, die seine Gattin freut,
Der befriedigt seine Gattin
Immer wechselnd, immer neu.

Wird er alt, so mäßigt er


Des Verlangens Leidenschaft.
Denke er in seinem Alter
An den Schöpfer, les die Schriften

Und erwerbe Gottes Weisheit.


Wird er finden die Erlösung,
Geht er gradewegs mit seiner
Gattin in den dritten Himmel!

ZWEITES KAPITEL

Der Lotosfrauen schönes Antlitz


Ist angenehm und mild wie Vollmond,
Der süße Körper wohlgerundet
Wie eine Blüte von dem Senfbaum,

Die Haut ist zart und glatt und schön


Wie gelber Lotos, niemals dunkel,
Obwohl sie in der Jugend gleichen
Der vollen Wolke vor dem Bersten,

Die Augen glänzen, sie sind schön


Wie sanfte Augen von dem Reh,
Die Augen sind geschnitten herrlich
Und in den Augenwinkeln rötlich,

Die Brüste fest und wohl gewölbt,


Der Hals wie eine Muschelschale,
Die Kehle ist so zart und klar,
Man sieht hindurch den Speichel rinnen,

Die Nase grade, voller Anmut,


Auf ihres Leibes Mitte ziehen
Drei Falten sich zum Nabel, o
Der Yoni offne Lotosknospe!

Ihr Saft der Liebe duftet süß


Wie eine aufgeblühte Lilie,
Sie schreitet edel wie ein Schwan,
Die Stimme gleicht der Nachtigall,

Sie liebt vor allem weiße Kleider,


Juwelen liebt sie, goldnen Schmuck,
Sie isst nur wenig, schläft nur leicht
Und sie ist fromm und darum züchtig,

Sie ehrt den Herrn und redet gern


Mit Priestern und mit Gottgelehrten.
So ist die schöne Lotosfrau,
Sie ist die Beste aller Frauen!

Die künstlerischen Frauen sind


Von mittlerm Wuchs, nicht groß nicht klein,
Die Haare sind von tiefem Schwarz,
Der runde Hals ist muschelgleich,

Ihr Körper ist sehr zart gebaut,


Geschmeidig ihre schlanke Taille,
Geschmeidig wie ein schwarzer Panther,
Der Brüste Paar ist hart und voll,

Und wohlgerundet sind die Schenkel


Und ihre Hüfte wölbt sich köstlich,
Das Haar an ihrer Yoni spärlich,
Der Venushügel sanft zu streicheln,

Der Tau der Liebe heiß und glühend


Und duftend wie der Bienenhonig,
Beim Überfluss im Liebesakt
Verursacht leis er ein Geräusch,

Die Augen dieser Frau sind flink,


Der Gang wie Elefantenschritte,
Die Stimme wie des Pfauen Stimme,
Sie liebt Vergnügung und Genuss,
Zerstreuungen, Gesang und Tanz,
Geschickt in mancher Handarbeit,
Ihr sinnliches Verlangen ist
Nicht heftig, sondern sanft und mild,

Sie plaudert gern mit Papageien,


Mit Sperling und mit Nymphensittich.
So ist die künstlerische Frau,
Auch sie ist eine gute Frau.

Die Elefantenfrau ist klein,


Ihr Körper derb und untersetzt,
Ist blond ihr Haar, zeigt ihre Haut
Ein mattes Weiß, sonst ist das Haar

Mehr bronzefarben, voll die Lippen,


Die Stimme rau und grob und dumpf,
Der Hals gebeugt, der Gang zu langsam,
Sie geht gekrümmt, nach vorn geneigt,

Ihr Liebessaft schmeckt wie der Saft,


Der in dem Frühling nieder tropft
Von eines Elefanten Schläfe,
Im Liebeswerke ist sie träge,

Ist zu befriedigen nicht anders


Als durch Vereinigungen lange
In langanhaltendem Beschlafen,
Von allen den Vereinigungen

Die längste ist für sie die beste,


Jedoch genügt es niemals ihr,
Sie ist ein Vielfraß und ist schamlos.
Nicht gut sind Elefantenfrauen.

DRITTES KAPITEL

Die Hirschkuhfrau hat eine Yoni,


Sechs Finger breit ist ihre Tiefe,
Ihr Körper zart und mädchenhaft
Und sanft, von süßer Lieblichkeit,

Ihr Kopf von guter Proportion,


Die Brüste halten fest sich aufrecht,
Der Bauch ist schmal und eingezogen
Und fleischig ist der Venushügel.

Die Arme sind gerundet, stark,


Das Haar ist dicht und reichgelockt,
Die Augen dunkle Lotosblumen,
Die Nase fein, die Ohren voll,
An Fuß und Hand die Nägel rot,
Die Unterlippen sind geschminkt,
Die Finger lang und schlank und zierlich,
Die Stimme gleich der Nachtigall,

Der Gang wie Elefantenschritte,


Im Essen mäßig, neigt sie stark
Zu dem Genuss der Liebesfreuden,
Voll Leidenschaft, doch eifersüchtig,

Ihr Geist ist lebhaft und beweglich,


Wenn nicht die Leidenschaft ihn hindert,
Ihr Liebessaft ist lieblich duftend
Wie Duft der gelben Lotosblüte.

Die Stutenfrau hat eine Yoni,


Neun Finger breit ist ihre Tiefe,
Der Körper zart, die Arme füllig
Und Brust und Mund sind voll und fleischig,

Die Nabelgegend ist erhaben,


Jedoch nicht vorgewölbt der Bauch,
Die Hände und die Füße sind
So rosig wie die schönste Rose,

Der Kopf ist leicht nach vorn geneigt,


Mit langem glattem Haar bedeckt,
Der Hals ist lang und sehr gebogen,
Die Kehle und der Mund sind breit,

Die Augen groß, gleich Blütenblättern


Der dunkelblauen Lotosblumen,
Ihr edler Gang ist voller Anmut,
Sie liebt den Schlaf, ein gutes Leben,

Obwohl sie launenhaft und grillig,


Hängt sie doch sehr an ihrem Gatten,
Doch kommt nicht leicht sie zum Orgasmus,
Ihr Liebessaft ist süß wie Lotos.

Die Elefantenfrau Karini


Hat eine große offne Yoni,
Zwölf Finger breit ist ihre Tiefe,
Doch ist sie unrein, ungewaschen,

Die vollen Brüste aber riesig


Und lang und fleischig ist die Nase,
Die Ohren und der starke Hals,
Die Wangen aufgebläht und breit,

Die Lippen lang und aufgestülpt,


Die Augen wild, voll gelben Schimmers,
Das Antlitz breit, wie voller Mond,
Die Haare dicht, von tiefem Schwarz,

Die Füße und die Hände klein,


Sie ist geräuschvoll, liebt den Lärm,
Ihr Stimmenton ist hart und scharf,
Sie ist gefräßig über Maßen,

Bösartig von Natur und wild,


Auch hat sie kein Gewissen mehr,
Sie tut das Böse ohne Zögern,
Gequält von fleischlicher Begierde,

Schwer zu befriedigen ist sie,


Sie bräuchte zur Befriedigung
Lang ausgedehnten Koitus,
Ihr Saft gleicht Elefantenschweiß.

VIERTES KAPITEL

Wie ist bei Frauen der Orgasmus?


Sobald sie höchste Lust verspürt,
So schließt sie ihre Augen halb
Und ihre Augen werden feucht.

Der Körper wird erfrischend kühl,


Am Anfang schwer und stoßweis atmend,
Geht bald des Weibes Atem über
In süßes Seufzen, heißes Stöhnen.

Die untern Glieder strecken sich


Nach einer Zeit der Starre. Dann
Folgt überquellend Lust und Liebe,
Begleitet von den wilden Küssen,

Von Gesten voller Leidenschaft.


Dann scheinbar naht der Frau die Ohnmacht!
Jetzt wird es deutlich offenbar,
Sie will nicht mehr Umarmung, Küsse

Und keine andren Zärtlichkeiten.


Der kluge Mann erkennt daran,
Dass sie erreicht hat den Orgasmus
Und dass die Frau befriedigt ist.

FÜNFTES KAPITEL

Von der Stunde der Geburt


Bis zum siebten Lebensjahr
Ist das Mädchen noch ein Kind
Und zur Liebe nicht geeignet.

Von dem siebten Lebensjahr


Bis sie vierzehn Jahre zählt,
Taugt sie nicht zum Liebesspiel,
Doch dann ist sie heiratsfähig.

Wenn sie vierzehn Jahre zählt,


Ist zur Liebe sie geeignet,
Bis sie achtundzwanzig Jahre
Zählt, denn später ist sie alt.

Wenn sie aber fünfzig wird,


Taugt sie gar nicht mehr zur Liebe.
Die Gebrechlichkeit des Alters
Reißt sie schließlich in den Tod.

Willst du nun ein Mädchen werben,


Wenn sie sechzehn Jahre zählt,
Nenne sie mit Namen Bala,
Diese eignet sich zur Liebe.

Diese mag den Koitus


In der Dunkelheit der Nacht.
Schenk ihr Blumen, schenk ihr Schmuck,
Schenk ihr süße Näschereien.

Willst du nun ein Mädchen freien,


Welche vierundzwanzig ist,
Nenne zärtlich sie Taruni,
Diese eignet sich zur Liebe.

Diese mag den Koitus


In dem Sonnenlicht des Tages.
Schenk ihr wunderschöne Kleider,
Perlenschnüre, Medaillons.

Eine Frau von vierzig Jahren


Oder mehr als vierzig Jahren,
Ist geeignet sie zur Liebe?
Oder ist sie ungeeignet?

Diese liebt den Koitus


An dem Tag und in der Nacht.
Sei du aufmerksam und artig,
Voller Freundlichkeit und Liebe.

Frauen über fünfzig Jahren


Sind vollkommen ungeeignet.
Willst du dennoch sie verehren,
Musst du ihnen immer schmeicheln.
SECHSTES KAPITEL

Unterscheide nun drei Frauen


Nach dem Wesen des Humors.
Die phlegmatische Geliebte
Hat ein Auge voller Licht,

Ihre Zähne Elfenbein,


Ihre Nägel voller Glanz,
Gut erhalten ist ihr Körper,
Noch von jugendlicher Schlankheit,

Frisch und fest ist ihre Yoni,


Fleischig, aber sanft und zart,
O wie liebt sie ihren Gatten,
Ehrt sie ihren Eheherrn!

Der phlegmatische Humor


Ist der Höchste der Humore,
Die phlegmatische Geliebte
Ist die Liebste aller Frauen.

Wankelmütigen Humores
Ist die zweite Frau, die Brüste
Hängen flach und schlaff wie Beutel,
Ihr Gesäß ist nicht gestrafft,

Ihre Haut ist weiß wie Schnee,


Ihre Nägel rot geschminkt,
Auch die Augen glühen rötlich,
Doch ihr Schweiß ist scharf und beißend,

Ihre Yoni ist sehr heiß,


Aber sie ist auch sehr schlaff,
Kundig ist zwar diese Frau,
Weiß um den Geschlechtsverkehr,

Doch erträgt sie ihn nicht lange,


Ihre Stimmung wechselt plötzlich,
Einmal voll des jähen Zornes,
Einmal wieder freundlich, fröhlich.

Doch die dritte Frau ist dunkel,


Hart und derbe ist ihr Körper,
Ihre Augen sind voll Schwärze,
Ihre Nägel sind wie Blei,

Ihre Yoni ist nicht samtweich,


Sondern rau wie Rinderzungen,
Grell und lärmend ist ihr Lachen,
Außerdem ist sie gefräßig,

Launisch ist sie, schwatzhaft ist sie,


Unstillbar beim Koitus,
Unersättlich! Diese schlimme
Frau ist eine Liederliche.

SIEBENTES KAPITEL

Eine Frau, die heilig ist,


Die ist immer mild gesinnt,
Freundschaft übt sie, Gastlichkeit,
Sittsam ist sie, wahrt die Ehre,

Keine Bosheit kennt ihr Herz,


Stets ist sie bereit zum Kult,
Stets erfüllt sie ihr Gelübde,
Stets ist sie bereit zur Buße.

Jene, die dem Herrn gehört,


Sie ist freundlich, sie ist fröhlich,
Rein und sauber ist ihr Körper,
Wie der Lotos frisch ihr Atem,

Sie ist reich, geschickt und fleißig,


Spricht mit sanfter süßer Stimme,
Liebt das Gute und das Wahre,
Allzeit tut sie gute Werke,

Ihre Seele ist gesund


Und der Körper ist gesund,
Niemals macht sie ihren Freunden
Langeweile oder Missmut.

Eine Frau, die sich gesellt


Zu den Engeln, die ist schön,
Schöngewachsen wie die Blumen,
Ist geduldig und ist rein,

Sie liebt schöne Düfte sehr,


Die wohlriechenden Parfüme
Und die Düfte edler Rosen,
Sie liebt Sang und Tanz und Spiel,

Schöne Kleider, bunten Schmuck,


Körperliche Leibesübung
Und der Liebesspiele Wonnen,
Liebesspiele leidenschaftlich.

Frauen aber, die dem Gelde


Dienen so wie einem Gott,
Fleischig voll sind ihre Brüste
Und sie lieben Fleischgenuss

Und Genuss von Alkohol,


Solche Frauen sind sehr schamlos,
Leidenschaftlich und jähzornig,
Sehr begierig auf den Akt.

Frauen, die Dämonen eigen,


Haben einen untersetzten
Dunklen, aber heißen Körper,
Immer Falten auf der Stirn,

Solche Frauen sind sehr unrein,


Lieben sehr die Süßigkeiten,
Sind begierig auf Genuss
Und begehren das Verbotne,

Aber sie sind sehr begehrt,


Denn in sexueller Hinsicht
Unersättlich die Begierde
Ist des Weibes der Dämonen.

Kennst du auch die Schlangenfrau?


Sie ist immer in Bewegung,
Immer ruhelos und rastlos,
Ihre Augen immer traurig,

Alle Augenblicke gähnt sie,


Alle Augenblicke seufzt sie,
Nichts kann ihr Verstand sich merken
Und sie lebt in Angst und Zweifel.

Kennst du auch die Rabenfrau?


Immer rollt sie mit den Augen
So als ob sie schrecklich litte,
Immer will sie essen, trinken,

Sie ist so unglaublich dumm,


So unglaublich unbesonnen,
Sie beschädigt wirklich alles,
Was ihr in die Hände fällt.

Kennst du auch die Eselsfrau?


Unrein ist sie, ungewaschen,
Redet dummes Zeug und Irrsinn,
Weil sie den Verstand verloren.

ACHTES KAPITEL

Welche Frau sollst du dir nehmen?


Achte, dass der Frau Familie
Sei von gleichem Rang wie deine,
Bürger nehmen Bürgertöchter.

Die Familie deiner Frau


Sei bekannt als keusch und tapfer,
Auch als weise und erfahren,
Als geduldig und gelehrt,

Und korrekt sei ihr Verhalten,


Religiöse Pflicht erfüllend,
Frei von Lastern und gesegnet
Mit den besten Eigenschaften.

Voller Anmut sei ihr Antlitz,


Elegant sei die Gestalt
Und bewandert soll sie sein
In der Wissenschaft der Liebe.

Solch ein Mädchen ist geeignet


Für die Heiligkeit der Ehe.
Mög der Kluge sich beeilen,
Dieses Mädchen zu gewinnen,

Zu gewinnen für die Ehe


Ganz nach dem Gesetz des Staates
Und nach dem Gesetz des Tempels,
Nach den alten Ritualen.

Dieses junge schöne Mädchen,


Deren Antlitz sanft und lieblich
Wie der volle Mond im Frühling,
Deren Augen klar und glänzend

Wie die Augen von dem Reh,


Deren Nase fein und klein
Wie die feine Sesamblüte,
Deren Zähne Diamanten

Gleichen, weiß wie Perlen sind,


Deren Ohren wohlgerundet,
Deren Hals gleicht einer Muschel,
Deren Nacken lang und schlank,

Deren Unterlippe rot


Wie der Traube rote Beeren,
Deren Haar ist reich gelockt,
Deren Haut wie Lotos schimmert,

Deren Füße, Hände rosig,


In die Hand ein M geschrieben,
Deren Bauch ist klein und fest
Und der Nabel eingezogen,

Deren Beine graziös


Wie die lange schlanke Palme,
Die wie Elefanten wandelt,
Nicht zu schnell und nicht zu langsam,

Deren Stimme lieblich ist


Wie der Nachtigallen Flöte,
Die vorbildlichen Charakter
Und ein reines Wesen hat,

Nicht verschlafen ist und faul,


Die gesund an Geist und Körper,
Dieses junge schöne Mädchen
Soll der Kluge eilig nehmen!

NEUNTES KAPITEL

Wähle nun das größte, schönste


Zimmer, welches gut gelüftet,
Seine Wände seien weiß,
An den Wänden seien Bilder

Und noch andre Gegenstände,


Rosenkränze, Kruzifixe,
Daß das Auge mit Entzücken
Auf den frommen Bildern ruhe.

Hier und da im Raume liegen


Flöten und Gitarren aus.
Lass es nicht an Nüssen fehlen,
Nicht an frischer süßer Milch,

Hab Olivenöl zur Salbung


Und von Rosenöl ein Schaumbad,
Fächer schenke deinem Mädchen,
Bücher auch mit Liebesliedern

Und erotische Romane


Mit erotischen Gemälden.
Kronenleuchter von der Decke
Geben schönes gelbes Licht.

Schenk dem schönen Mädchen Spiegel,


Bringe Spiegel an im Bad.
O, dann werden Mann und Mädchen
Ohne alle falsche Scham

Völlig nackend auf dem Lager,


Nackend auf den weichen Kissen
Sich der Liebe überlassen
Und die Liebeskämpfe kämpfen.

Dort wird auf dem Thron der Liebe


Ungestört der Mann genießen
In Bequemlichkeit das Mädchen
Und befriedigen das Mädchen.

ZEHNTES KAPITEL

Was dient aber dann als Mittel,


Wenn das Weibchen stärker ist
Als das Männchen? Doch so kräftig
Immer auch das Weibchen ist,

Wenn er ihre Beine spreizte,


Auseinander tat die Beine,
Sie verliert den Widerstand
Und wird wohl zufrieden sein.

Durch das Spreizen ihrer Beine


Wird die enge feste Yoni
Weich und locker, dass der Mann,
Wenn er ihre Schenkel spreizt,

In der Lage ist, zu kämpfen,


Und so ist auch sie imstande,
Während ihres Koitus
Liebend mit dem Mann zu kämpfen.

Wenn die Frau nun aber erst


Junge fünfzehn Jahre zählt,
Während schon der Mann im reifen
Alter ist von vierzig Jahren,

Nicht die Kraft der Jugend mehr


In dem vollen Maß besitzt,
Was soll dann das Pärchen tun,
Sich einander anzugleichen?

Nun, in diesem Falle muss


Er des jungen Mädchens Schenkel
Auseinander spreizen weit,
Ja, so weit es immer geht,

Um das Mädchen schön zu schwächen.


Nur durch dieses Mittel wird
Er mit gleichen Waffen kämpfen
Mit dem enggebauten Mädchen.
ELFTES KAPITEL

Wenn nach aller Künste Regeln


Nun das Mädchen ihren Mann
Liebte, soll sie ihren Atem
Wieder in die Lunge ziehen,

Soll das Mädchen zärtlich seufzen,


Soll sich zeigen halb verschämt,
Ach so wird sie lieblich aussehn,
So ist sie verführerisch!

Und dann sagt sie zu dem Manne:


O mein vielgeliebter Liebling!
O du schlimmer Schelm und Schalk!
Ach du bist ein schlimmer Finger!

Doch jetzt hab ich dich besiegt


In der Kissenschlacht der Liebe
Und jetzt bist du ganz mein Sklave!
Mein Gebieter ist mein Sklave!

Und der Mann greift liebevoll


In die reichgelockten Haare
Seines Mädchens und umarmt sie,
Küsst sie auf die Unterlippe.

Nun erschlaffen ihre Glieder,


Sie verschließt die feuchten Augen,
Nieder sinkt sie in die Kissen,
Lusterschöpft in seine Arme.

Wenn das Mädchen so genießt


Kunstvoll ehelichen Beischlaf,
Gebe sie sich große Mühe,
Zu befriedigen den Mann.

Gibt sie sich nicht große Mühe,


Wird des lieben Mannes Wollust
Nicht vollkommen sein, und darum
Strenge sich das Mädchen an,

Schließe sie die enge Yoni,


Zieh die Yoni sie zusammen,
Daß die Yoni eng sich schließt
Um des Mannes starken Lingam,

Und das Mädchen soll mit Willen


Ihre Yoni immer schließen,
Ihre Yoni immer öffnen,
Immer öffnen, immer schließen,
Wie die Milchmagd mit der Hand
Tut so an des Euters Zitze,
Um die volle Kuh zu melken,
Dass die Milch spritzt in den Eimer.

Darum braucht es lange Übung,


Bis das Mädchen das gelernt hat,
Ihren Willen auf der Yoni
Lustorgan zu konzentrieren,

Ganz wie auch die Blinden tun,


Wenn sie den Gehörsinn schärfen,
Wenn sie ihren Tastsinn schärfen,
Willentlich sich konzentrierend.

Tut das liebe Mädchen das,


Wird sie immer wieder rufen:
Gott der Liebe! Gott der Liebe!
Dass der liebe Gott sie segne!

Freudig hört das junge Mädchen,


Dass ihr die erlernte Kunst
Niemals mehr verloren geht,
Ist sie einmal nur erworben.

Und der Mann wird dieses Mädchen


Schätzen mehr als alle Frauen,
Dieses enggebaute Mädchen
Schätzen mehr als die Prinzessin.

Ja, so kostbar ist ein Mädchen,


Ja, so kostbar ist die Yoni,
Die sich kann zusammen ziehen,
Eng sich schließen um den Lingam!

ZWÖLFTES KAPITEL

Es sind der Liebesbande vier,


Die einen Mann der Frau verbinden.
Vier Liebesbande binden euch
In einer fromm geschlossnen Ehe.

Das erste Liebesband ist dies:


Natürlich ist die Sympathie,
Sie bindet Mann und Frau zusammen
Fest wie der eheliche Ring.

Es ist die Freundschaft zwischen zwei


Personen, nämlich Mann und Frau,
Doch niemals zwischen Mann und Mann
Und niemals zwischen Frau und Frau.
Das zweite Liebesband ist dies:
Die angeborne feminine
Verliebte Zärtlichkeit erwacht
Durch die Geschenke eines Mannes,

Wenn er ihr Schokolade schenkt,


Wenn er ihr süße Feigen schenkt,
Parfüme, Blumen, grünen Tee,
Gewürze, Kräuter, Schnitzereien.

Man sieht, die Zärtlichkeit entsteht


Bei der beschenkten Frau in ihrer
Naschhaftigkeit des süßen Mundes,
Entsteht durch Sinnlichkeit und Luxus.

Das dritte Liebesband ist dies:


Auch dieses Liebesband ist sinnlich,
Denn es entsteht in der Begierde
Von Mann und Weib nach Liebeswonnen.

Das vierte Liebesband ist dies:


Durch das Zusammensein der Ehe
Entsteht Gewohnheit in der Liebe
Und drückt sich aus durch den Spaziergang

Am Abend durch die grünen Wälder,


Spaziergang durch die schöne Siedlung,
Durch den gemeinsamen Besuch
Des Tanzes oder des Theaters,

Durch den gemeinsamen Vollzug


Des rituellen Kults im Tempel,
Gemeinsamen Vollzug der Buße,
Gemeinsames Gebet zu Gott!

DAS LEID

ERSTER GESANG

Einen frommen Christen kenn ich,


Deutscher Dichter, deutscher Denker,
Der an seinem Deutschland leidet,
Das zwei Kriege angezettelt.

In dem Ersten Weltkrieg Deutschland


Hat viel Menschen abgeschlachtet,
Bis das Kaiserreich gestürzt ward
Und die Sozialisten herrschten.

In der Republik von Weimar


Uneins waren Demokraten,
Kommunisten links marschierten
Und Faschisten rechts marschierten.

Schließlich nahm sich der Diktator


Hitler alle Macht im Staate,
Ein Regime wars von Verbrechern,
Ein Regime von Satanisten.

Deutschlands Name ward besudelt,


Auf der ganzen Erde hassten
Alle Menschen dieses Deutschland,
Diesen Staat von Massenmördern.

Und der fromme Christenbruder


Hatte einen Muttersvater,
Der gewesen Bürgermeister
Unter den brutalen Nazis.

Und die Schuld auf Deutschlands Schultern


Lastet weiter auf der Jugend.
Andre Länder patriotisch
In das Vaterland verliebt sind.

Aber unsre jungen Deutschen


Schämen sich all der Verbrechen,
Die begangen ihre Väter
Und die Väter ihrer Väter.

Keiner ist mehr stolzer Deutscher,


Ob auch Luther, Bach und Goethe
Musterhafte Deutsche waren,
Alle schämen sich für Deutschland.

Schande ist es, als ein Deutscher


Enkelkind zu sein von Nazis
Und es tröstet uns nur wenig,
Dass ein Deutscher Papst geworden.

Das ist Leiden, lieber Leser,


Das ich sah an meiner Freundin.
Grade war sie vierzig Jahre
Jung und musste doch schon sterben!

Grade waren ihre Kinder


Schon heraus aus ihren Windeln,
Spielten schon im Kindergarten,
Gingen in die erste Klasse.

Sie war eine liebe Mutter,


Die die kleinen Kinder liebte.
Und die kleinen Kinder liebten
Über alles ihre Mutter.

Ich hab sie in meiner Jugend


Lieb gehabt als Vielgeliebte,
Lag sehr gern an ihrem Busen,
An den bloßen großen Brüsten.

Grade diese schönen Brüste


Brachten ihr den Tod vorzeitig,
Denn es nagte ihr der Cancer
An den großen bloßen Brüsten.

Da verlor sie ihre Haare


In der ärztlichen Behandlung,
Die so schwarz und lang und wallend
Fielen auf die großen Brüste.

Und die Beine, ach, die Beine,


Die sich gern zur Liebe spreizten,
Wurden krank und nur noch humpeln
Konnte sie und nur noch hinken.

Und sie lag im Sterbebette


Und ich sagte: Sei geduldig,
Bald bist du bei Sankt Maria
In dem Paradiese Gottes!

Und sie lächelte entzückend


Und entrückt und war schon selig:
Selig sind ja doch die Armen,
Ihnen doch gehört der Himmel.

Doch der Abschied von den Kindern,


Ungewiss, was wird aus ihnen?
Das hat ihr das Herz zerrissen
Und sie starb gebrochnen Herzens.

3
Manche Menschen haben Leiden,
Die sind ihnen angeboren.
Also geht es Schizophrenen,
Diese Krankheit ist genetisch.

Angelegt schon in den Nerven,


Waltet sie in den Synapsen,
Ihnen fehlen Glückshormone,
Daher kommen Depressionen.

Lange lebt der Schizophrene


Mit der noch verborgnen Krankheit,
Doch ein Todesfall im Kreise
Seiner Liebsten weckt die Krankheit.

Also wird der Schizophrene


Angefallen von dem Wahnsinn,
Die Psychose, die akute,
Ihm verdoppelt seine Seele.

Und so lebt er in dem Himmel


Schönster Halluzinationen,
Und so lebt er in der Hölle,
In der Paranoia Horror.

Und sehr viele Schizophrene


Halten nicht mehr aus den Wahnsinn,
So dass sie sich selbst ermorden,
Überleben oft den Selbstmord,

Werden eingesperrt in Zellen,


Werden an das Bett gefesselt,
Eingesperrt im Irrenhause,
Kriegen mit Gewalt die Spritze.

Und dann leben sie wie dumpfe


Tiere, wilde Außenseiter,
Überaus sensibel sind sie
Und so überaus verletzlich.

Und sie passen nicht in diese


Weltliche Gesellschaft, werden
Einsam, weinen einsam Tränen,
Keiner kann sie mehr verstehen.

Und sie warten einsam trauernd


Auf den Tod als den Erlöser,
Schlafen viel und träumen irre
Träume von dem Paradiese.

4
Wenn ein Knabe wird erzogen,
Sei es in dem Geist der Gottheit!
Welch ein Leiden für den Knaben,
Leben seine Eltern gottlos!

Wenn der Vater seiner Mutter


Dem unmenschlichen Diktator
Folgte in dem Massenwahne
Und im Antisemitismus,

Wenn der Vater dieses Knaben


Weltanschaulich atheistisch
War und nur Materie schätzte
Und den Mammon über alles,

Welch ein Leiden für den Knaben,


Der von den geschaffnen Wesen
Her die Schöpfergottheit liebte
Als den Schöpfergott aus Liebe!

Wenn die Tochter wird erzogen


Von dem revolutionären
Kommunisten und Nudisten,
Welch ein Leiden für die Tochter!

Tief in ihrer Seele lebte


Angesichts des Todesleidens
Doch ein lautes Halleluja,
Doch ein lautes Hosianna.

Doch der Atheist, der Vater,


Ihr verwehrte die Erziehung
In der schönen Glaubens-Wahrheit,
In der Lehre von der Gottheit.

Also sollte diese Tochter


Selber revolutionäre
Kommunistin und Nudistin
Werden in der Freien Liebe.

Sollte ihre Frucht des Leibes


Aus dem Akte in der Unzucht
Töten, töten ihre Kinder
Nach dem Willen ihres Vaters!

Welch ein Leiden für die Kinder,


Sind die eignen Eltern gottlos!
Gott muss wirken da ein Wunder,
Um die Seele noch zu retten!
5

Welch ein Leiden für die freie


Menschenseele, muss sie leben
Im umgrenzten Staatsbezirke,
Darf nicht in die Freiheit reisen.

Also war es einst in Deutschland,


In dem roten Osten Deutschlands,
Das von Stacheldraht umzäunte
Deutschland sperrte ein die Bürger.

In der Hauptstadt Berolina,


Zwischen Osten, zwischen Westen,
Aufgestellt war eine Mauer,
War bewacht von Grenzsoldaten.

Wollte von dem Osten Deutschlands


Einer in den Westen Deutschlands,
Stand dazwischen jene Mauer,
Das war eine Todeszone.

Wollte einer in die Freiheit,


Wollte über diese Mauer
Zur Familie in den Westen,
So versuchte er zu fliehen.

Viele wurden da erschossen!


Viele in dem Osten Deutschlands
Wollten einmal sehn den Westen
Deutschlands, England oder Frankreich.

Doch die eingesperrten Bürger


Durften nur in solche Länder,
Da auch Kommunisten herrschten
In dem Staate diktatorisch.

Und die Dichter und die Sänger


Durften nicht von Freiheit reden,
Darum sangen sie von Schwänen,
Krähen, Fröschen, Spinnen, Ratten.

In geheimnisvoller Sprache
Mussten sie verklausulieren
Ihre Sehnsucht nach der Freiheit,
Nach Amerika, nach Roma,

Portugal, Italien, Frankreich,


Alles das verbotne Länder.
Wer zuviel von Freiheit träumte,
Kam sehr rasch ins Staatsgefängnis.
Wehe diesem Kommunismus,
Dem Proletenparadiese,
Diesem großen Staatsgefängnis
Mit der Mauer Todeszone!

Heut in Afrika noch Sklaven


Gibt es, nämlich arme Christen,
Von den reicheren Muslimen
Eingefangen und geknechtet.

Afrika, du Land der Sklaven!


Christen aus dem reichen Norden,
Aus Europa, kommen gerne,
Diese Sklaven freizukaufen.

Aber da sind manchmal Sklaven,


Die die Freiheit nicht begehren,
Denn sie wissen nicht zu leben
In der Armut ihrer Freiheit.

Eine Heilige der Kirche


War einst Sklavin ihres Herren,
Ward gepeitscht von seiner Peitsche,
Ward gegeißelt von der Geißel.

Schließlich kam sie nach Europa,


Lernte Gott den Herren kennen
Und die Freiheit eines Christen,
Sklavin nun dem Gott der Freiheit.

Auch im reicheren Europa


Gibt es heut noch arme Sklaven,
Denn es zahlen reiche Männer
Für die Körper armer Frauen.

Man entführt die armen Frauen


Aus dem armen Osteuropa
Und im reichen Westeuropa
Lässt man sie als Huren schaffen.

Man versklavt die armen Frauen


Einzig für die geile Gier der
Sexualität der Männer,
Die nicht wirklich lieben können.

Aber einen Sklaven kannt ich,


Der aus herzlichem Erbarmen
Lauter Nächstenliebe übte,
Ließ freiwillig sich versklaven.
Eine Frau in ihrer Armut
Mit den unbeholfnen Kindlein
Machte diesen Mann zum Sklaven,
Machte ihn zum Domestiken.

Gott sah lange zu geduldig,


Aber dann befreite Jesus
Den Geknechteten, den Sklaven,
Schenkte Muße ihm und Freiheit.

Leiden müssen alle Frauen,


Weil sie Frauen sind und weiblich,
Denn die Herren dieser Schöpfung
Unterdrücken alle Frauen.

Also beten fromme Juden:


Herr, ich danke dir von Herzen,
Dass ich nicht als Frau geboren,
Leiden muss die Unterdrückung.

Die Muslime in dem Himmel


Haben zweiundsiebzig Huris,
Doch die Frauen der Muslime
Haben keinen Geist unsterblich.

So Jeanne d’Arc war einst Prophetin


Und die Kirche sie verbrannte,
Pfaffen sie verschrien als Hexe,
Zündeten den Scheiterhaufen.

Mary Ward, das Fräulein Englands,


Wurde von der Männerkirche
Abgelehnt und unverstanden
Starb sie ohne Sakramente.

Und in Indien sterben Hindus


Und die Gattinnen der Hindus
Sollen sich gleich mit verbrennen,
Ohne Männer sind sie wertlos.

Und in China hat man lange


Frauen ihren Fuß verkrüppelt,
Weil das schön die Männer fanden,
Zierlich-kleine Lotosfüße.

Und in Mexiko Azteken


Haben Jungfraun hingeschlachtet,
Ihre Herzen ausgerissen
Und geopfert ihren Göttern.

Für die Männer sind die Frauen


Heilige und Unberührte
Oder liederliche Huren,
Junge Huren, alte Hexen.

Frauen heute protestieren


Gegen Frauen-Unterdrückung,
Wollen selber wie die Männer
Nach der Art der Männer herrschen.

Die als Frauen sind geboren,


Müssen bessre Männer werden,
Um im Staat, in der Gesellschaft
Ihre Stimme zu erheben.

ZWEITER GESANG

Neunzehnhundertzweiundsechzig
Schloss mein Elternpaar die Ehe.
Meine Mutter war Ostfriesin,
Vater war Hannoveraner.

In dem selben Jahre aber


Von der Nordsee eine Sturmflut
Überwältigte die Deiche
Und der Friesen Deiche brachen.

Und es schoss der Nordsee Sturmflut


Von der Deutschen Bucht hinunter,
Dass die Elbe angeschwollen,
Hamburg stand da unter Wasser.

Menschen saßen auf den Dächern,


Schrieen kläglich laut um Hilfe,
Bis sie schließlich sind ertrunken,
Umgebracht von dieser Mordsee.

In den schönen Weihnachtstagen,


Grade erst vor wenig Jahren,
Da gab es ein Meeresbeben
Irgendwo im Fernen Osten.

Indonesien und Thailand


Standen völlig unter Wasser,
Meterhohe Wellenbrecher
Überfluteten den Sandstrand.
Und der Armen Bambushütten
Wurden alle abgerissen
Von dem wilden Meeresbeben,
Meterhohen Wogenbrechern.

Viele Menschen sind gestorben,


Sind ertrunken in den Fluten,
Und es blieb die große Schlammschlacht
In den Trümmern ihrer Hütten.

Und es kamen schlimme Seuchen,


War an Medizin ein Mangel,
Viele Tote, viele Arme,
Viele Kranke gabs in Thailand.

So gewaltig ist die Meerflut,


Dass das Element des Wassers
Armes Volk in seiner Unschuld
Unter sich begräbt als Tote.

Einen armen Irren kannt ich,


Einen von den Schizophrenen,
Der in blühender Psychose
Schaute eine Rattenplage.

Überall, in allen Winkeln,


Überall, in allen Büschen,
In Kanälen und auf Wolken
Sah er ekelhafte Ratten.

Da in Hindostan die Gottheit


Als Ganesha ward gefeiert,
Stellt dem Elefantengotte
Vor den Rüssel man die Opfer,

Und die Opfer in den Straßen,


Die verzehrt nicht Gott Ganesha,
Die verzehren wilde Ratten,
Welche in den Straßen wimmeln.

Aber schlimm sind auch die Flöhe!


Eine Frau in Armut kenn ich,
Die hat Hunde, die hat Katzen,
Viele Flöhe in der Wohnung.

Komme ich zu dieser Dame,


Ihre Weiblichkeit zu ehren,
Unsre Liebe Frau der Flöhe
Hext mir auf den Leib die Flöhe.

Selber ist sie voll von Flöhen,


Tut sie aber ihre Arbeit
Als die Pflegerin der Alten
In dem stillen Altenheime,

Haben alle Alten Flöhe.


Ach, so sitzen da die Alten,
Die den eignen Namen haben
Schon vergessen, und es juckt sie,

Und sie kratzen sich und wissen


Gar nicht, was sie da so kitzelt.
Sokrates, der Allerklügste,
Er, der weiseste Athener,

Ging dereinst zu der Hetäre,


Die man stets „die Laus“ genannt hat.
Kam sie von der Toilette,
Sah man sie die Läuse knacken.

In Schwarzafrika im Sünden
Kinder haben nichts zu essen,
Können nicht zur Schule gehen,
Müssen Nahrung sich erobern.

Mädchen ihren Leib verkaufen


An die geilen Hurenböcke,
Nur um Essen zu bekommen,
Eine Mahlzeit nur am Tage.

Die Verehrer der Madonna


Liefern Afrikanern Maismehl
Und die dicken schwarzen Mütter
Kochen ihren Kindern Maisbrei.

Die Verehrer der Madonna


Diesen Maisbrei dann verteilen
In der Schule an die Kinder,
Dass die Kinder lernen können.

So zwölf Jahre alt ein Mädchen,


Ohne Vater, ohne Mutter,
Nahm den Bruder von drei Jahren,
Dem sie war die zweite Mutter,

Trug ihn auf den zarten Schultern,


Trug ihn in den Kindergarten,
Ging dann selber in die Schule,
Speiste dort Marias Mahlzeit.

Die Verehrer der Madonna


Wollten die Marien-Mahlzeit
In Somalia verteilen,
Doch dort gab es keine Kirche.

Die Verehrer der Madonna


Also sprachen mit Muslimen,
In Somalia die meisten
Gottverehrer sind Muslime.

In Somalia Muslime
Von Verehrern der Madonna
Das begehrte Maismehl kriegen
Und verteilen selbst den Maisbrei.

In Somalia die Kinder


Kriegen Maisbrei von Muslimen,
Doch das Maismehl ward geliefert
Von Verehrern der Madonna.

In dem großen Hitzesommer


Sind in Spanien und Frankreich
Abgebrannt die großen Wälder,
Weil ein Funke drein gefallen.

In den großen Wäldern Spaniens


Machten Urlaub deutsche Kinder,
Die man brachte aus den Wäldern
In die Sicherheit der Städte.

In dem Waldbrand Spaniens aber


Ist ein deutscher Mann gestorben,
Der verbrannte in dem Feuer,
Gott hab seine Seele selig.

Auch in Israel vor Jahren


Auf dem Karmel war ein Feuer,
Ist der Karmel doch ein Bergwald,
Fruchtbar ist der Berg der Gottheit.

Und von Libanon und Syrien,


Israel und von den Türken
Kamen Aeroplane, gossen
Wasser auf den Wald des Karmel.

Als ich war ein kleiner Knabe,


Nordamerika im Kriege
Sich befand mit Kommunisten
In Vietnam, ein großes Morden.

Und die Nordamerikaner


Warfen über Vietnamesen
Napalm-Bomben ab, ein Feuer,
Das den ganzen Wald verbrannte.

In dem Napalm-Bomben-Feuer
Kinder von Vietnam verbrannten
Und es schmolz die Haut der Kinder,
Hing herab die Haut in Fetzen.

Und die Nordamerikaner


Gossen Gift aus heiterm Himmel
Und entlaubten alle Wälder,
Partisanen zu entdecken.

Sie entlaubten alle Wälder


Und vergifteten die Felder,
Feuer von den Aeroplanen
Mordete die Vietnamesen.

Ich hab keine Lust zu singen,


All dies Leiden zu beschreiben,
Doch geschehe Gottes Wille,
Der dies Lied mir aufgetragen.

Singen muss ich von Vulkanen,


Von dem Ätna muss ich singen,
Von Pompeji muss ich singen,
Vom Vesuv und seinem Feuer.

O wie schön war doch Pompeji


Mit antiken Mosaiken,
Mit den Stuben, schön zu wohnen,
Und den großen Baderäumen.

Überall die Malereien


Von den lebensfrohen Griechen,
Alles dieses ward begraben
Von den heißen Lavafluten.

Aber auch die Erde bebte


In dem Westen auf Haiti,
Und es starben viele Menschen,
Eingestürzt sind viele Häuser.
War Haiti doch das ärmste
Land Amerikas, zur Armut
Kam das Beben noch der Erde,
Unerträglich ward das Elend.

Auf Haiti aber herrschte


Ein Diktator, der Millionen
Dollars sich gespart und diese
Lagen in Europas Banken.

In der Schweizer Bank Millionen


Dollars hatte der Diktator,
Doch die Menschen in Haiti
Hatten nichts zum Überleben.

Ich ging eben in die Kirche


Zu der Messe, die Kollekte
War für Menschen in Haiti,
Karitas war wieder tätig.

Die Familie des Diktators


Wollte die Millionen Dollars
Nicht den Menschen von Haiti
Geben in dem großen Elend.

Ich war grad im Krankenhause,


Da der Knabe meiner Freundin
Ward gepeinigt von den Ärzten,
Die mit Nadeln ihn durchbohrten,

Und es schrie der kleine Knabe:


Lasst in Ruh mich, ihr Sadisten!
Und ich hörte nicht: Sadisten,
Sondern hörte: Satanisten!

Da im Radio die Meldung


Kam, dass grad zwei Aeroplane
Flogen in die zwei Twin Towers
In New York, ins World-Trade-Center.

Denn es hatten Islamisten


Diese beiden Aroplane
Sich genommen und gelenkt sie
In die beiden Wolkenkratzer.

Tele-Visionen zeigten,
Wie das Flugzeug ist geschossen
In den hohen Wolkenkratzer,
Der in sich zusammenstürzte.
Und es starben viele Menschen
Und die Terroristen starben,
Dachten, dass sie in den Himmel
Kämen zu den jungen Huris.

Einmal flog mein Freund und Bruder


Nach Amerika zur Arbeit
Und da schrieb ich ihm als Grußwort
Dieses Wort der Terroristen:

In dem großen Namen Allahs,


Weg mit den Amerikanern!
Tötet die Amerikaner!
Gottlos ist der Christen-Westen!

Oh die Heiligkeit des Krieges


Für den großen Namen Allahs!
Wenn wir töten, wenn wir morden,
Und wenn wir uns selbst ermorden,

Werden wir im Paradiese


Jeder zweiundsiebzig Jungfraun
Haben da zum Liebesspiele,
In dem Paradies die Huris

Sind nach jedem Liebesakte


Wieder enggebaute Jungfraun!
Auf zu den Amerikanern,
Seid bereit, für Gott zu morden!

Einmal ward gebaut ein Schiff, das


Galt bei allen als unsinkbar,
Auf dem Ozean der Riese
Zeigte den Triumph der Technik.

Einmal schrieb Horaz die Ode:


Fluch sei diesem bösen Menschen,
Der zuerst ein Schiff erfunden,
Auf dem Ozean zu fahren!

Aber dieses Ding des Luxus


Ist gefahren an den Eisblock
Und gesunken ist der Riese
Und die Menschen sind ertrunken.

Also der Triumph der Technik,


Des erfinderischen Geistes
Kluger Wissenschaft des Menschen,
Ist an der Natur gescheitert.

O des Menschen stolze Hybris!


Halten Menschen sich für Götter,
So wird die Natur sich rächen
Und der Mensch gelangt zur Demut.

Menschen haben große Schiffe,


Vollgeladen sind die Tonnen
Mit dem Öl, das aus dem Osten
Wird gefahren in den Westen.

Und ich hab schon oft vernommen,


Dass die Schiffe sind gekentert
Und das Öl ist aus den Tonnen
Ausgelaufen und verschmutzte

Der Bretagne Strände, schwarze


Massen schwarzen Öls verklebten
Dort der Vögel Flügel, welche
In dem schwarzen Wasser schwammen,

Mit verklebten Vogelflügeln


Nun die Vögel an dem Strande
Sind krepiert in ihrem Elend,
Sind verhungert an dem Strande.

O der Mensch, der Schöpfung Krone,


Ist im Sündenfall gefallen,
Alle Kreaturen mit ihm
Leiden unter seiner Sünde.

Aber die Natur, die Mutter,


Sie wird schrecklich rebellieren
Gegen diese Menschen-Hybris,
So sagt Hildegard von Bingen.

Es gibt eine schlimme Seuche,


Die mit einem Todes-Virus
Menschen bringt zum frühen Tode,
Kinder lässt zurück als Waisen.

Übertragen beim Geschlechtsakt


Nennt man sie auch Wollust-Seuche.
Alle wollen nun dagegen
Gummis tragen bei der Liebe.

Aber Gummis zu verteilen


Hat die Pest nicht aufgehalten.
Dennoch fordern alle Gummis
Von dem Papst im Vatikane.

Die katholische Erziehung


Zu der Heiligkeit beim Sexus,
Vor der Ehe sich enthaltend,
In der Ehe stete Treue,

Das besiegt allein die Seuche.


Doch ich habe auch vernommen,
Dass der Papst im Vatikane
Doch erlaubte diese Gummis,

Aber nur für Straßenjungen,


Wenn die homosexuellen
Hurenböcke kommen, wollen
Lust von diesen Straßenjungen.

All die Homosexuellen,


Alle Schwulen, alle Lesben,
Sehe ich auf Prozessionen
Ziehen durch mein weißes Städtchen.

Die Vulgären und Obszönen


Zelebrieren die Verkehrtheit
Ihrer öffentlichen Schande
Ohne Schamgefühl im Herzen.

Denn es ist von Gott erfunden


Der geschlechtliche Verkehr zur
Schöpfung neuer Menschen einzig
Zwischen Mann und Frau in Liebe.

Aber heute ists verboten,


Diese Wahrheit auszusprechen,
Dass der liebende Geschlechtsakt
Sei für Männer bei den Frauen,

Aber lüsterne Verkehrtheit


Gegen die Natur der Liebe
Ists, wenn Männer Männer lieben,
Ists, wenn Frauen Frauen lieben.

DRITTER GESANG

Eine reiche Witwe kenn ich,


Die den Mann vergöttert hatte,
Als er plötzlich war verstorben,
Hat ein Jahr lang sie getrauert.

Da er Atheist gewesen,
Hatte diese Witwe keine
Hoffnung auf sein ewges Leben,
Ob der Herr ihn retten konnte.

Und nach einem Jahr der Trauer


Sie verliebte sich aufs neue.
Denn da war ein Mann, der hatte
Seine Frau im Pflegeheime,

Und die Frau im Pflegeheime


Hatte ihren Mann vergessen.
Und der Mann und jene Witwe
Waren jugendlich Verliebte.

Herr, erbarme dich der Witwe


Und der Seele ihres Mannes,
Herr, erbarme dich der kranken
Gattin und auch ihres Mannes.

Einen armen Witwer kenn ich,


Dem verstorben seine Liebe,
Die war seine Jugendliebe,
Seine Wollust in der Jugend,

Die geschenkt ihm ihre Kinder,


Die er großgezogen hatte,
Hielt der Sterbenden die Hände,
Blieb allein zurück auf Erden.

Und um Mitternacht im Dunkel


Einsam auf dem Ruhelager
Dachte dieser arme Witwer
An die Frau im Fegefeuer,

Dachte an die Waisenkinder,


Die verstreut auf Erden lebten,
Und verging in seiner Trauer,
Weinte kummervolle Tränen.

Ach, der Witwer war so traurig,


Dass die klugen Seelenärzte
Schlaftabletten ihm verschrieben,
Dass er träume von der Liebe.

Dieses Leiden ist so traurig,


Wage nicht, es anzusehen,
Wie die kleinen Knaben sahen
Die geliebte Mutter sterben!

Sahen sie verkrüppelt kriechen,


Sahen sie mit einer Glatze,
Sahen sie im Krankenhause,
Die sich kaum bewegen konnte,

Sahn sie auf dem Totenbette,


Gelb und wächsern ihre Wangen,
Sahen alte Weiber heulen,
Männer beten vorm Altare.

Und nun ist sie tot, die Mutter!


Mutter, Mutter! Welch ein Schauer!
Schrecklich schreit der große Knabe,
Doch die Kleinen nicht begreifen.

Morgen sehn wir Mama wieder,


Morgen steht sie auf vom Bette,
Und wir toben in dem Garten
Und wir laufen durch die Wälder.

Tot die Mutter! Tot die Mutter!


Und der alte Pate tröstet:
Eure Mutter ist im Himmel,
Feiert dort mit Gott die Hochzeit!

Und der große Knabe redet:


Glauben will ich doch an Jesus
Christus und das ewge Leben,
Mama leben soll im Himmel!

Und der kleine Knabe trauert:


Nie seh ich die Mama wieder!
Und der alte Pate tröstet:
Einst siehst du die Mama wieder!

Und der kleine Knabe jammert:


Ich will in den Himmel kommen,
Möchte sterben! In dem Himmel
Meine Mama wiedersehen!

Nun sind sie bei fremden Leuten,


Haben alles, Geld in Menge,
Doch der alte Pate trauert,
Darf die Knaben nicht mehr sehen.

3
Eine Frau kenn ich von ferne,
Die geboren einen Knaben,
In dem siebten Jahr der Ehe
Erst gebar sie ihren Knaben.

Und sie wollte doch so gerne


Noch ein zweites Kindlein haben!
Und sie hat zu Gott geschrieen,
Gott erhörte nicht ihr Flehen.

So las sie im Buche Hiob


Mit der Seele voll Verzweiflung,
Litt an Depression, Verzweiflung,
Weil der Herr sie nicht erhörte.

Doch im fünften Jahr des Sohnes


Schließlich sie der Herr erhörte
Und die Frau gebar ein Mädchen,
Frau und Gatte waren glücklich.

Und ich kenne einen Christen,


Der im Neuen Testamente
Las am liebsten, wie der Heiland
Ach so sehr geliebt die Kinder!

Und der Christ war selbst Liebhaber


Kleiner Knaben, kleiner Mädchen,
Die ihn wie den Heiland liebten:
Du bist Gott, ein Knabe sagte!

Doch der Schöpfer aller Welten


Wollte ehelos den Christen,
Ohne Frau an seiner Seite,
Kinderlos den Freund der Kinder.

Zwar empfänglich für die Schönheit


Und die Reize junger Frauen,
Konnte dieser Mann verzichten
Auf die Wollust eines Weibes.

Aber wenn er Knaben hörte


Papa! Papa! zu ihm sagen,
Ach wie ging ihm auf die Seele,
Dass er kinderlos geblieben.

Dass er zwar erzogen Kinder


Fremder Frauen wie die eignen,
Doch dass bei ihm blieb kein Kindlein,
Ihm die Augen zuzuschließen.

Diesen Mann schreibt auf im Buche,


Dass er kinderlos geblieben,
Dass dem Manne nichts gelungen,
Er gescheitert ist auf Erden.

Einen armen Burschen kenn ich,


Welcher hatte Eiterbeulen
Mitten in den Depressionen,
Welche ihm bereitet Schmerzen.

Und er musste zu dem Arzte,


Der die Beulen aufgeschnitten
Mit dem scharfen Schneidemesser,
Welches ihm bereitet Schmerzen.

Doch nachdem er aufgeschnitten,


Kamen wieder Eiterbeulen.
Also ging er zu dem Arzte,
Dass er ihn vom Leiden heile.

Und es sprach der Arzt zum Kranken:


Operieren kann ich doch nicht
Jede Woche meinen Kranken.
Er verschrieb dem Kranken Pillen.

Doch die Pillen waren nutzlos,


Wieder kamen Eiterbeulen.
Und der Kranke ging zum Arzte,
Bat den Arzt um seine Hilfe.

Und es sprach die junge Ärztin:


Trinke nicht mehr so viel Rotwein,
Werde einmal völlig nüchtern,
Faste als ein Abstinenter.

Und der Kranke ging zu Leuten,


Die dem Rotwein abgeschworen,
Diese schütteten ihr Herz aus,
Ihre Herzen voller Sünden.

Und es sprach ein alter Lehrer:


Künstler müssen Rotwein trinken!
Und es sprach ein frommer Bruder:
Gott hat uns geschenkt den Rotwein!

Wieder kamen Eiterbeulen


Und der Kranke ging nicht noch mal
Zu dem Arzte, der so hilflos,
Trug nur still die Eiterbeulen.

Bald sind diese ausgeflossen,


Aber bis sie ausgeflossen,
Litt der Kranke große Schmerzen,
Konnte sich nicht mehr bewegen.

Hinduisten unbarmherzig
Sagen: Das ist eben Karma,
Wenn du lebst in bittrer Armut,
Wenn du stürzt ins bittre Elend.

So in Indien die Kinder


Leben ohne liebe Eltern
Auf dem riesengroßen Müllberg,
Kratzen aus Konservenbüchsen.

Und in Indien die Alten,


Sie krepieren in den Gassen,
Weggeworfen in den Rinnstein,
Sie verfaulen in dem Schmutze.

Und in Afrika die Mädchen,


Welche ohne Eltern leben,
Müssen ihren Leib verkaufen,
Um ein Essen zu verdienen.

Und in Afrika die Kinder


Können nicht zur Schule gehen,
Müssen Essen sich erbeuten,
Lernen Lesen nicht und Schreiben.

Und in Mexiko die Mutter


Kann den lieben kleinen Kindern
Wasser nicht zu trinken kaufen,
Billiger ist Coca Cola.

Und in Deutschland, in dem reichen


Lande in Europas Reichtum,
Kenn ich eine Frau, die arm ist,
Ach, die Armut ist ein Abgrund.

Fleißig tut sie ihre Arbeit,


Aber alles Geld verschwindet
In dem bodenlosen Abgrund,
In dem schwarzen Loch der Armut.

Und im reichen Deutschland sitzen


Bettler in den Innenstädten,
Krüppel, Invaliden, Säufer,
Einzig Bier ist ihre Nahrung.
Ach Frau Armut, strenge Herrin,
Sankt Franziskus dich erwählte
Zur geliebten Braut und Schwester,
Weil der Heiland Jesus arm war.

Als Nebukadnezar König


War im Tor der Tochter Babel,
Stürzte Gott ihn in den Wahnsinn,
Dass er lebte als Verrückter.

Lang und wirr die Haare wuchsen,


Ungeschnitten war das Barthaar,
Lang die Fingernägel wuchsen
Und er graste wie die Kühe.

Und ein Engel sprach vom Himmel:


Ausgestoßen ist der König
Aus der Menschheit! Ausgestoßen
Und gestoßen in den Wahnsinn!

So ergeht es Schizophrenen,
So ergeht es Depressiven,
In der blühenden Psychose
Bleiben sie unendlich einsam!

Kommen vor sich wie unsichtbar,


In dem gläsernen Gefängnis
Unsichtbar des eignen Leibes,
Ungesehen von den Menschen.

Aber heute auch die Christen


In der gottvergessnen Welt des
Atheistischen Europa
Leben isoliert und einsam.

In Europa sind die Menschen


Aggressive Atheisten
Oder Freunde auch der Gnosis
Oder weltliche Buddhisten

Oder etwa neue Heiden


Oder Glieder falscher Sekten,
Gottlos oder abergläubisch
Oder Ketzer, feind der Kirche.

Und da ist die Christenseele


Einsam in Europa, einsam,
Ausgestoßen aus der Menschheit,
Die sich gegen Gott verschworen.
Ja, soziale Isolierung
Ist das Los der frommen Seele,
Die als Eremit ist einsam
Und vergessen von den Leuten.

VIERTER GESANG

Nationale Sozialisten
Hatten weiland die Gestapo,
Terroristen sie des Staates,
Unrechtmäßigen Regimes.

Die S.S., des Schutzes Staffel,


Holte Edith Stein, die Jüdin,
Alle brüllten laut: Heil Hitler!
Und erhoben ihre Arme.

Aber Edith Stein, sie grüßte:


Sei gelobt, Herr Jesus Christus!
Drauf die Polizei des Staates
Bracht sie ins Vernichtungslager.

Diese Polizei des Staates


War nicht Polizei des Volkes,
Sondern war die ungerechte
Polizei des Antichristen.

Doch der Nazis Polizeistaat


Unterging in Todestrümmern.
Doch im Osten Deutschlands folgte
Wiederum ein Polizeistaat.

Diese Polizei hieß Stasi,


Für die Sicherheit des Staates
Wurde spioniert, geschnüffelt,
Terror ausgeübt des Staates.

Diese Spionage einer


Diktatur des Kommunismus
War betrügerisch und grausam,
Hinterlistig und verlogen.

Die Partei des Klassenkampfes


Hat die Arbeiter und Bauern
Und die Intellektuellen
Überzogen mit Spionen.
Ganz besonders waren Christen
Opfer dieser Spionage,
Die in Kirchen sich versammelt
Und gebetet für die Freiheit.

Doch auch dieser Polizeistaat


Ward gestürzt von den Gebeten
Und vom Widerstand der Christen,
Deren Gott ein Gott der Freiheit.

Heute, da ich dieses schreibe,


Ist die Krise der Finanzen
Groß geworden in Europa,
Groß geworden ist die Armut

Ganzer Staaten Südeuropas,


Griechenland hat viele Schulden
Und die Staatsfinanz muss sparen
Und vor allem leiden Arme.

Arbeitslose leiden Armut,


Armut leiden auch die Rentner,
Und besonders Jugendliche
Finden keine Arbeitsstellen.

So zum Beispiel ist in Spanien


Jeder zweite Jugendliche
Ohne eine Arbeitsstelle
Und es hilft nur die Familie.

Reiche Länder Nordeuropas,


Frankreich und vor allem Deutschland
Müssen helfen den Finanzen
Hellas’, Portugals und Spaniens.

Und es war die große Geldgier


Großer Banken an den Börsen,
Die verursacht diese Krise,
Die Europa nun erschüttert.

Eine Christin der Vereinten


Staaten der Amerikaner
Sagte: Die Amerikaner
Sich erbeteten nur Wohlstand.

Gottes Segen sei willkommen,


Wenn er eigne Häuser spendet,
Wenn er eigne Wagen spendet,
Gottes Segen sei der Mammon.

So die Nordamerikaner
Liebten über alles Wohlstand,
Und sie lebten von Krediten,
Die die Banken gern bewilligt.

Alle lebten in dem Wohlstand,


Lebten über ihr Vermögen.
Nordamerikas Gemeinden
Haben Mammon angebetet!

Also sagte einst Maria


Zu den Nordamerikanern:
Euer Gott, das ist der Dollar,
Den ihr für allmächtig haltet!

In dem Zweiten Weltkrieg kämpfte


Adolf Hitlers deutsche Wehrmacht
Und bekämpfte ganz Europa,
Russland, auch die Afrikaner.

Wie dereinst schon die Tartaren


Mit der wilden Goldnen Horde
Und den mordbesessnen Reitern
Überfiel das alte Russland,

Wie Napoleon, der Kaiser


Der Franzosen, überfallen
Russland, und die Gottesmutter
Ihn vertrieben hat aus Moskau,

So auch Adolf Hitler wollte


Mit der Wehrmacht überfallen
Russland und das Volk der Slawen
Sich als Sklaven unterjochen.

Blutbesudelte Germanen!
Aber die Armee der Russen
Siegte über die Germanen,
Hitler hat sich selbst ermordet.

Doch die russischen Soldaten


Wurden grausam in dem Kriege
Und die russischen Soldaten
Schändeten die deutschen Frauen.

Japan war auf Hitlers Seite,


Nordamerika im Kriege
Kämpfte gegen Adolf Hitler
Und den Kaiser der Japaner.

Und die Nordamerikaner


Eine atomare Bombe
Warfen ab auf Hiroshima,
Warfen ab auf Nagasaki.

Aber dort in Nagasaki


Jesuitenpriester lebten,
Waren grad beim Rosenkranze,
Als die Bombe ist gefallen.

Nagasaki ward vernichtet,


Nur die Jesuitenpriester
Überlebten das Massaker
Dank dem Schutz der Gottesmutter.

Einst der zwölfte Pius sagte:


Republik der Demokraten,
Dann nur groß ist deine Gutheit,
Wenn das Volk ist voller Tugend.

Heute in Europa leidet


Christus an den Demokraten,
Sind die Bürger ohne Glauben,
Dann ist die Regierung gottlos.

Warum gottlos die Regierung


Heute ist der Demokraten?
Kinder werden abgetrieben
Ganz legal im Mutterschoße.

Dieser Völkermord an Kindern


Von der Mehrheit wird gebilligt,
Keine Demokratengruppe
Streitet gegen dieses Unrecht.

Und die Flut von Pornographen


Ist legal und wird geduldet
In dem Staat der Demokraten,
Frauen werden Lustobjekte.

Die Erziehung auch der kleinen


Kinder soll verstaatlicht werden,
Und in tausend Kinderkrippen
Mütter will der Staat ersetzen.

Und gefördert wird die Ehe


Auch von Mann und Mann, abscheulich
Ist das in den Augen Gottes,
Perversion, ganz unnatürlich.

Wenn ein Prediger verkündet,


Dass die sexuelle Einheit
Zwischen Mann und Mann ist Sünde,
Strafen ihn die Demokraten.

Unsre Liebe Frau sprach einmal:


Die Regierungen der Bürger
Fördern Materialismus,
Atheismus, Spiritismus,

Alle Arten auch von Lastern!


Kommen werden einst die Fürsten,
Die der Kirche sind gehorsam,
Rechter Arm der Mutter Kirche.

Also leiden fromme Christen


An dem Staat der Demokraten,
Weil das Volk wie die Regierung
Abgefallen sind vom Glauben.

Wird gepriesen die Familie


Von den Katholiken-Priestern,
Kenn ich einen, der lauscht bitter,
Fremd der eigenen Familie.

War sein Vater Knecht des Mammon,


War ein Spötter Jesu Christi,
Spötter auch des eignen Sohnes,
Der ein Jünger war von Jesus.

Nur die Dinge und die Güter


Dieser Welt sein Streben waren,
Ohne nach dem Sinn des Lebens
Irgend überhaupt zu fragen.

Sprach der Sohn zu seinem Vater:


Was der Sinn ist meines Lebens?
Sprach der Vater zu dem Sohne:
Stelle dir nicht diese Frage!

Da der Sohn als Mann erkrankte


An den tiefsten Depressionen,
Wollte er der Mutter klagen
Seine seelische Verletztheit.
Doch die Mutter kannte Glück nur
Auf des Lebens Sonnenseite,
Nicht verstand des Sohnes Unglück,
Wollte auch nichts davon hören.

Was hast du denn jetzt schon wieder?


Sprach die Mutter zu dem Sohne,
Als er Leiden klagen wollte
Und der Mutter Trost erflehte.

Putze du nur deine Wohnung,


So wirst du ein Mädchen finden.
Klage nicht von Liebeskummer,
Sondern pflege die Hygiene.

Als der Sohn erneut erkrankte,


Brachte ihn sein reicher Bruder
In das Irrenhaus zur Pflege,
Überließ ihn dort sich selber.

Schwägerin und reicher Bruder


Ließen ihn im Leid alleine
Und es sprach die Frau des Bruders:
Ganz egal ist mir dein Leiden!

Hört der arme Seelenkranke


Nun den Lobpreis der Familie
In den Predigten der Kirche,
Will er davon gar nichts hören.

FÜNFTER GESANG

Einen Protestanten kenn ich,


Dessen Tochter kann nicht schreiben,
Sie, im Alter von zehn Jahren,
Wirbelt durcheinander Lettern.

Zwar das Mädchen kann wohl lesen,


Liest unendliche Romane
Vom Geheimnisse des Todes
Und vom Wundervogel Phönix,

Aber kann nicht selber schreiben.


Und der Vater ist in Sorge:
Was soll aus dem Mädchen werden,
Soll sie einst in Armut leben?
Zwar die Psychologen fanden:
Nicht behindert ist das Mädchen,
Kann sich nur nicht konzentrieren,
Immer schweifen die Gedanken.

Eine alte Freundin kenn ich,


Zählt jetzt fast schon fünfzig Jahre,
Die hat einen Sohn, zehn Jahre
Alt ist dieser liebe Knabe,

Doch er kann nicht Lettern lesen


Und er kann nicht Lettern schreiben.
Doch er liebt so sehr die Bücher,
Selber will er Autor werden,

Schreiben lustige Geschichten,


Schreiben spannende Geschichten,
Er hat ein Gedicht gedichtet,
Das ich hier zitieren möchte:

Leiden! Überall ist Leiden!


Grauen! Überall ist Grauen!
Sterben! Überall ist Sterben!
Gräber! Überall sind Gräber!

Jesus Christus, du Sohn Gottes,


Beten will ich für die Kinder :
Treibe aus den tauben Dämon!
Treibe aus den Dämon sprachlos!

Doch von hundert deutschen Menschen


Können ganze vierzehn Menschen
Als erwachsne Menschen keine
Lettern lesen oder schreiben.

Ich kenn einen armen Bruder,


Der zwar glaubt an Gottes Liebe,
Der auch selber viel geliebt hat,
Der ward doch versucht zum Hasse:

Als gestorben war sein Vater,


Brach der Hass aus diesem Bruder
Und er zürnte seinem Vater
Und goss Spott auf seinen Grabstein.

Und der Vater ist erschienen


In der Mitternacht als Dämon:
Ich bin eine Arme Seele,
Leide sehr im Fegefeuer!
Bete du für meine Seele!
Sprach der Vater, doch der Bruder
War noch voll von seinem Hasse,
Wollt nicht für den Vater beten.

Und ich kenne einen Armen,


Der vergöttert hat ein Weibchen,
Der er zweimal sieben Jahre
Sklavisch diente, seiner Göttin.

Doch das Weib hat ihn verachtet,


Ihn verschmäht und ihn verspottet,
Dornen gab sie, Schlangengifte,
Ja, verfluchte gar den Armen.

Gott im Himmel, hab Erbarmen


Und erlös mich von der Liebe!
Alle Heiligen des Himmels,
Helft, erlöst mich von dem Weibe!

Er empfing die Krankensalbung,


Er empfing die Letzte Ölung,
Er ward frei von seiner Liebe,
Der Besessenheit, dem Dämon.

Nun gedacht er alter Schmerzen,


Die ihm zugefügt das Weibchen,
Wie sie ihn erniedrigt hatte,
Wie ihn fast ermordet hatte.

Und die übergroße Liebe


Und Anbetung seiner Göttin
Ward zum abgrundtiefen Hasse
Auf den fleischgewordnen Teufel.

O, er liebte diese Göttin!


O, er hasste diesen Teufel!
Hass und Liebe, diese Mischung,
Quälten seine kranke Seele.

Habt doch Mitleid mit dem Teufel,


Mephistopheles, der arme,
Sah enttäuscht sich seiner Hoffnung,
Als die Engel Faustus raubten.

Mephistopheles am Grabe
Sah die schönen Engelknaben,
Wirklich allerliebste Putti,
Lauter süße Jesuskinder!

Und er liebte sie von vorne,


Sah er ihre Augen strahlen,
Und er liebte sie von hinten,
Sah er nackig ihren Popo.

Und wie süß die Engel sangen,


Hohe, reine Knabenstimmen,
Diese himmlischen Kastraten
Sangen glorreich zu der Harfe.

Aber, ach, die kleinen Knaben


Übersahen ganz den Teufel
Und der arme alte Teufel
Fühlte bittren Liebeskummer.

Denkt nicht, dass der Teufel lachen


Kann in seinem Höllenfeuer,
Wenn er dreht am Spieße Hitler,
Wenn er dreht am Spieße Stalin.

Nein, der arme alte Teufel


Leidet selbst in seiner Hölle,
Unerwidert ist geblieben
Seine Liebe zu den Engeln.

Unerwidert seine Liebe,


Fühlt er bittere Verzweiflung,
Tiefe Schwermut, Depressionen,
Schließlich Suizidgedanken.

O wie ist der Feind verachtet


Von den kleinen Gottessöhnen,
Wie vergessen, wie erniedrigt,
Wie verflucht und wie gefoltert!

Ach des Teufels Liebeskummer


Füllt das Herz mir mit Erbarmen,
Doch die Engel werden niemals,
Niemals ihn vom Schmerz erlösen!

Könnt ihr euch das Leiden denken,


Das die Seele, tief empfindsam,
Fühlt, wenn seine besten Freunde
Rational und frostig reden?

O die Seele voller Schwermut,


Voll Verzweiflung, Depressionen,
Wenn sie fast im Wahnsinn redet,
Zynisch ist vor Schmerz geworden,

Wenn die kühle Bruder redet:


Lasse du mich doch in Ruhe
Mit dem Schmerz und der Verzweiflung,
Denn mein Weibchen auch ist traurig,

Kümmern will ich mich ums Weibchen,


Habe keine Kraft und Ruhe,
Mich um meinen Freund zu kümmern,
Auch verletzt mich dein Zynismus.

Wenn der kühle Bruder redet:


In den Evolutionen
Siegt in der Natur der Starke,
Doch der Schwache geht zugrunde.

Wenn die tief verletzte Seele


Nur noch hoffen kann aufs Sterben
Und die Ruhe in dem Grabe,
Das Verschmelzen mit der Gottheit,

Und der zweite Bruder redet


Voller höhnischem Zynismus:
Wer sich selber will ermorden,
Soll sich selber doch ermorden!

Ich und meine Glaubensbrüder


In der Sekte mussten lachen,
Weil so viele arme Seelen
Sind zu dumm, sich selbst zu töten!

Sie versuchen es mit Messern,


Sie versuchen’s mit Pistolen,
Sie versuchen’s mit Tabletten,
Aber immer überleben.

Solchen sollte man doch helfen,


Ihre Sehnsucht zu erfüllen!
Denn wer stehen will am Abgrund,
Den soll man hinunter stoßen!

Leiden an den Hausarbeiten


Sind unsäglich mir zuwider.
Zwar Teresa von Kalkutta
Putzte selber die Toilette,

Aber ich in meinem Hause


Sammle alle leeren Flaschen,
Alle leeren Tabaksbeutel
Und die ungewaschnen Teller,

Ungewaschne Kaffeebecher
Und die Pfannen, voll vom Fette,
Auch verdreckt die Kaffeekanne,
Voll ist längst der Abfalleimer,

Klebrig Messer sind und Gabeln


Und die Wäsche ungewaschen
Und die Herrensocken löchrig
Und die Hosen voller Erde.

Doch da kommt zu mir die Dame


Von der Wohlfahrt der Proleten,
Sechzig Jahre, Silberhaare,
Macht sie mir die Wohnung reinlich.

Neulich kam doch die Studentin,


Zählte vierundzwanzig Jahre,
Seidenglatte schwarze Haare,
Hinterm Kopf zum Zopf gebunden,

Lachend aus den braunen Augen,


Huschte flink sie wie ein Wiesel,
Sprach vom Studium des Jura
(Was ich ihr verzeihen musste),

Sprach vom Reiten ihres Hengstes


Und von ihren beiden Hunden
Und von ihrem Angestellten
Bei der Bank, von ihrem Freunde,

Und sie tat die ganze Arbeit


Und ich dachte mir verstohlen:
So ein flinkes junges Mädchen,
Gute Reiterin gewisslich.

So ein Sankt Johannisfeuer


Ich mit meinen fünfzig Jahren
Will ich nicht entstehen lassen,
Schwarze Haare sind gefährlich.

Lüste sind ein großes Leiden,


Wenn die Lust ist ungeordnet,
Wenn die egofreie Liebe
Ward zur selbstischen Begierde.
Einst ein Evangelikaler
Kam zu mir in meine Wohnung
Und erzählte seine Leiden,
Welche er nicht beichten wollte:

Ach, mein Vater ist katholisch,


Betet vor dem Mittagessen,
Er kommt sicher in die Hölle,
Will er sich nicht noch bekehren.

Schon als Kind ich musste beichten,


Beten: Sei gegrüßt, Maria!
Aber weil ich mich bekehrte,
Habe ich jetzt Heilsgewissheit.

Aber, ach, die Weiber, Weiber!


Gerne seh ich ja die Filme,
Wo die Männer Weiber lieben,
Aber ich will selber lieben!

Darum geh ich in Bordelle,


Um die Huren dort zu lieben.
Manche sagen, das sei Sexsucht,
Besser nähm ich mir ein Weibchen.

Also ging ich ein die Ehe.


Evangelikale gleichfalls
Ist mein Weib, war einst die Gattin
Irgendeines Katholiken.

Ich nahm das geschiedne Weibchen,


Doch jetzt hat sie sich geschieden,
Weil ich während meiner Ehe
Häufig das Bordell besuchte.

Doch was hasse ich vor allem?


Ach, das ist die Hure Babel,
Thronend auf den sieben Hügeln,
Diese ist die Kirche Romas.

Denn die geile Hure Babel


Betet an die Frau Maria!
Ach, ich hasse die Maria,
Kann ertragen nicht ihr Bildnis!

Sprach der Evangelikale


In bekehrter Heilsgewissheit,
Ging dann wieder zu den Huren,
Liebte seine neue Hure.

7
Welche Leiden litten Juden!
Schon im Neuen Testamente
Schrieb Johannes, dass die Juden
Satanas zum Vater hätten.

Und Origenes, der Lehrer


Der Ecclesia, die Juden
Überhäufte mit Beschimpfung,
Lästerung und wilden Flüchen.

Stinkend seien alle Juden,


Lüstern seien alle Juden,
Lügner seien alle Juden,
Teuflisch seien alle Juden.

Und im frommen Mittelalter


Die unheilige Triade
Ward geschaffen: Vater Satan,
Judas Sohn und Geist die Juden.

Auch die wilden Hexenweiber


Mit dem Phalluskult des Satan,
Sagte man, sie praktizieren
Einen wahren Hexen-Sabbath!

Doktor Martin Luther sagte:


Juda sollte man berauben,
Schlagt sie tot, die frechen Juden,
Die den Gottessohn gekreuzigt!

Und man warf den armen Juden


Vor, die Brunnen zu vergiften,
Die Oblaten zu vernichten
Und die Kinderlein zu opfern.

Alles dieses hat vollendet


Adolf Hitler mit den Nazis,
Der vergast Millionen Juden!
Oh wo warst du, Herr der Welten?

Heute noch die Satanisten


Preisen sich als Judas-Priester.
Und in Israel, dem Staate,
Gibt es Selbstmord-Attentäter,

Die fanatischen Muslime


Hassen Israel, die Juden,
Alle Juden zu ermorden,
Sagen sie, sei Allahs Wille.
8

Minderwertigkeitsgefühle
Haben nichts gemein mit Liebe.
Einen armen Menschen kenn ich,
Der sich nannte einst Herr Niemand!

Denn die Frau, die er begehrte,


Hat verschmäht ihn und verachtet,
Selbstbewusstsein ihm vernichtet,
Dass er ganz zunichte worden.

Da er Nichts war, war er Niemand,


Er verschenkte seine Seele
Einem Weibe, die war grausam,
Gab ihm nicht zurück die Seele.

Feierte der Mann Geburtstag,


Las er immer in der Bibel:
Weh mir, meine Mutter, warum
Hast du mich geboren, Mutter?

Wäre ich im Schoß geblieben!


Wäre ich im Schoß gestorben!
Sei verflucht der Tag im Jahre,
Da die Mutter mich geboren!

Und er wünschte sich zu sterben


Und er wollte nicht im Himmel
Eine selige Person sein,
Wollte nur in Gott verlöschen.

Von dem Ich erlöst zu werden


Und sich gänzlich aufzulösen
In dem Ozean des Lichtes,
Das war alle seine Hoffnung.

Und er dachte oft an Platon,


Dass vor der Empfängnis Psyche
Selig war im Schauen Gottes:
Warum wurde er empfangen?

Ach, wär ich doch dort geblieben,


Ein Gedanke in der Gottheit,
Wär auf Erden nicht geboren,
Ungeworden wär geblieben!

Und da diese ganze Schöpfung


Ihm war voller Schmerz und Leiden,
Wünschte er, der Schöpfer hätte
Nicht erschaffen diese Schöpfung.
So hat ihn die Frau vernichtet,
So hat Liebe ihn ermordet!
Solche Qualen bringen große
Minderwertigkeitsgefühle.

SECHSTER GESANG

Welch ein Leiden bringt der Mammon


Für die Gier der Eigentümer.
Alles kann man kaufen, haben,
Aber man verliert die Seele.

Denn des Konsumismus Laster


Raubt dem Menschen seinen Schatten,
Dinge hat er, nichts als Dinge,
Stoffe, aber keine Liebe.

Ist da einer krank geworden,


Wird er bei den Mammons-Sklaven
Nie Erbarmen finden, sondern
Nur die kälteste Verachtung.

Einer ist der Gott im Himmel,


Ist der Heiland Jesus Christus,
Einer ist der Gott auf Erden,
Ist der kalte Abgott Mammon.

Wer das Gold liebt, wer ihm huldigt,


Wer dem goldnen Götzen huldigt,
Der wird selber goldner Götze,
Der wird selbst zum kalten Dinge.

König Midas so begehrte,


Alles soll zum Golde werden,
Was er mit der Hand berühre,
Er erbat sich großen Reichtum.

Und er fasste an die Brote


Und sie wurden ihm zu Golde
Und er konnte sie nicht essen,
Denn das Gold kann man nicht essen.

So auch sprachen Indianer:


Wenn der letzte Baum gefällt ist,
Alles Wasser ist vergiftet
Durch die Gier nach gelbem Golde,
Merken erst die Bleichgesichter,
Dass das gelbe Gold nicht essbar.
Gott der Nordamerikaner
Ist der Dollar, dem sie trauen.

Schon die kleinen Knaben gieren


Nach Papiergeld und nach Münzen,
Und die Armen sind verachtet,
Reiche gleichen goldnen Götzen.

Dichterruhm ist auch ein Leiden,


So wie es Ovid ergangen,
Denn er schrieb die Kunst der Liebe,
Doch Augustus pries die Ehe.

Ja, Augustus pries in Roma


Das Gesetz der keuschen Ehe,
Doch Ovid war eher Meister
Sexueller Abenteuer.

Manche aber sagen anders,


Dass Augustus ihn verbannte
Nicht für seine Kunst der Liebe,
Sexueller Abenteuer,

Sondern weil des Kaisers Tochter,


Julia, die göttergleiche,
Ihm Geheimnisse verraten
Aus dem Bett der Kaisertochter.

Julia, die göttergleiche,


War der wahre Grund für Nasos
Schreckliches Exil am Ufer
Des verhassten Flusses Donau.

Das war nun der Ruhm des Dichters,


Dass er fern von Mutter Roma
Musste an der Donau leben
Bei illyrischen Barbaren.

Der Poet bei seinem Ruhme


Inniglich beschwor den Kaiser,
Naso doch zurückzulassen
In die ewigliche Roma.

Der Poet pries den Augustus


Neben Jupiter als Gottheit,
Doch Augustus blieb dem Flehen
Taub des Dichters im Exile.
Und so wurde seine Muse
In Illyrien zum alten
Klageweibe voller Tränen,
Die sonst sang so hocherotisch.

Ja, die Muse der Erotik


Hatte Ruhm gebracht dem Dichter,
Doch bei ihm war im Exile
Nur die Muse wilder Klagen.

Wen die Götter lieben, heißt es,


Diesen lassen jung sie sterben,
Denn das Leben ist ein Elend,
Langes Leben – langes Elend!

Menschen aber, die lebendig


Sind in diesem Jammertale,
Sind nicht gut dran wie die Toten,
Die sind in der ewgen Ruhe.

Besser aber als die Toten,


Die sind in dem Totenreiche,
Haben es die Ungewordnen,
Die sind noch im Geist der Gottheit.

Besser als die Ungebornen,


Die sind in dem Mutterschoße,
Haben es die Ungewordnen,
Die sind reine Ideale.

Eine alte Nonne sagte,


Die da zählte neunzig Jahre:
Letztlich, dieses Erdenleben,
Es vergeht so rasch im Fluge.

Eine junge Frau, gestorben


An dem Krebs in ihren Brüsten,
Sie auf ihrem Sterbebette
Noch empfing den Corpus Christi,

Sie ist nun erlöst vom Leiden,


Aus dem Kerker ihres Körpers
Schön befreite sich die Seele,
Ist bei Gott nun in der Freiheit.

Aber der zurückgeblieben


Ist in diesem Jammertale,
Der muss weinen um die Freundin,
Um der Freundin süße Brüste.

Dieses Leben ist ein Elend,


Wir sind alle Kinder Evas
Im Exil, in der Verbannung,
Droben nur ist unsre Heimat.

Darum hab ich große Sehnsucht,


Abzuscheiden und zu schweben
Vor dem Angesichte Gottes,
Dort nur ist das Reich der Liebe.

In dem Buche Hiob heißt es:


Nur wo Wasser ist in Menge,
Kann Papyrus fruchtbar wachsen.
Und das hab ich so gedeutet:

Nur wo reichlich fließen Tränen,


Da entsprießen Liebeslieder.
Nur wo Trauer ist und Leiden,
Leben Künste der Poeten.

Also sagte Vater Goethe:


Iris wird, der Regenbogen,
Angesehen auf dem Grunde
Regenfeuchter Dunkelheiten,

Also das Genie des Dichters


Braucht die Schwermut melancholisch,
Dass die Iris seiner Verse
Leuchtet auf dem dunklen Grunde.

So sprach Paul Claudel, der Dichter:


Nur die Manneslippe, dürstend
Nach den Küssen der Geliebten,
Singt die herrlichsten Gesänge.

Also sprach auch Hermann Hesse:


Einsamkeit und tiefe Sehnsucht,
Unerwidertes Verlangen,
Sind die Mütter der Poeten.

Also ist es auch ein Leiden,


Ein Poet zu sein, ein Meister,
Ihm bringt Liebe viele Schmerzen,
Leben ist ihm Seelenfolter.

Seine strahlende Geliebte


Ihm erscheint als eine Göttin,
Doch behandelt sie ihn grausam,
Ein dämonischer Sie-Teufel.

Dichters Worte, sagte Goethe,


Schweben immer leise bittend
Um des Himmels Perlenpforte,
Sich erbittend ewges Leben.

Ja, zerreißt den Dichter-Meister,


Foltert seine sanfte Seele,
Bringt er uns doch seine Schmerzen
Dar in wunderschönen Liedern.

Leiden gibt es, die prophetisch


Sind die Leiden des Gerechten,
Hiob litt ein solches Leiden,
Jeremia hat’s gelitten.

Jesus Christus hat gelitten


Für die Menschheit Sühneleiden
Und Maria hat gelitten
Sühneleiden mit dem Sohne.

Und es ist des Karmel Mystik,


Dass der Karmelit muss leiden,
Leiden mit den Leiden Christi,
Christi Leiden selber leiden.

Und Johannes von dem Kreuze


War gesperrt in einen Kerker,
Dahin sperrten ihn die Christen,
Ihn die lauen Katholiken.

Und Teresia von Jesus


Litt an mancher schweren Krankheit,
Litt an Flöhen, Poltergeistern,
Litt am Schlamm auf schlechten Straßen.

Und Teresia vom Kinde


Jesus und vom heilgen Antlitz
Litt am Mangel aller Hoffnung,
Wie die Gottesleugner leiden.

Benedikta von dem Kreuze


Litt in dem Vernichtungslager,
Ward ermordet von den Nazis
Als getaufte Tochter Juda’s.

Und Johannes Paul der Zweite


Litt an seiner schweren Krankheit,
Von den Feinden fast ermordet,
Litt er alles für Maria.

Und so lebt der Christus Jesus


Weiter in dem Corpus Christi
Und die Glieder seines Leibes
Noch ergänzen seine Leiden.

Denn in all dem Leid der Erde


Steht das Kreuz hoch aufgerichtet.
Heil dir, Kreuz, du bist die Hoffnung,
Heil dir, Kreuz, an dich ich glaube,

Heil dir, Kreuz, du meine Liebe,


Heil dir, Kreuz, du meine Sehnsucht,
Heil dir, Kreuz, du meine Schwachheit,
Heil dir, Kreuz, der Gottheit Zeichen!

SHE-DEVIL LILITH

Jehowah schuf den ersten Mann


Aus Mutter Erde Adama,
Er modellierte aus dem Lehm
Den Menschen Adam, einen Mann.

Gott sprach zu seiner Schechinah:


Lass uns den Menschen schaffen nun
In unserm Gleichnis, unserm Bild,
Als Mann und Frau wir schaffen sie

Der Mann soll aber sein das Haupt,


Die Frau soll sein des Mannes Leib.
Es ist der Schöpfung sechster Tag,
Da schaffen wir des Menschen Bild.

Am gleichen sechsten Schöpfungstag


Der Mann geschaffen und die Frau.
Und Gott nahm von der Erde Kot
Und formte so die Lilith-Frau.

Gott knetete der Erde Kot


Und modellierte eine Frau,
Ihr Körper war von großem Reiz,
Gott hauchte ihr den Odem ein.

Da bliesen auch die Elohim


In Adams Nase ein den Hauch.
Der Adam-Mann, die Lilith-Frau,
Dies war das erste Menschenpaar.

Jehowah sah die Schöpfung an


Und fand die ganze Schöpfung gut.
Dann sah er an das Menschenpaar,
Sehr gut ist das, rief Gott der Herr.

Und Adam baute ihr ein Haus,


Ein wunderschönes Bauernhaus.
Und Lilith schmückt dieses Haus
Im Innern aus mit vielem Tand.

Und Adam trank im Hause Wein


Und Lilith trank Gemüsesaft.
Auch hatten sie ein Schlafgemach,
Antikisch war das Doppelbett.

Wenn Adam war berauscht vom Wein,


Dann legte er sich in das Bett
Und Lilith schmiegte sich an ihn,
Sie suchte die Geborgenheit.

Sie wollte schlafen nicht allein,


Sie sehnte sich nach Zärtlichkeit
Und nach Geborgenheit im Arm
Des Mannes, den ihr Gott geschenkt.

Und Adam wollte schnellen Sex


Und legte sich auf Lilith drauf.
Er wollte sein der Himmelsgott,
Sie sollte Mutter Erde sein.

So will es ja die Gottnatur:


Von oben kommt der Himmelstau,
Die Furche tut sich unten auf
Und so wird schwanger die Natur.

Doch Lilith sprach in jähem Zorn


Und in dem Geist der Rebellion:
Ich möchte auf dir sitzen, Mann,
Und buttern dich beim Liebesakt!

Die Weisheit sagt: Der Mann ist Tag,


Die Frau ist Dunkelheit der Nacht,
Der Mann Aktion, der schaffend zeugt,
Passiv empfangend ist die Frau.

Doch Lilith rebellierte laut:


Die Stellung nicht des Missionars
Will länger dulden ich, o Mann,
Indranis Stellung will ich jetzt!

Die Weiblichkeit ist reines Licht,


Das Männliche ist Finsternis!
Ich bin ein reiner lichter Geist
Und du ein Klumpen nur aus Lehm!

Ich will bestimmen bei dem Akt


Und stülpen mich aufs Mannesglied
Von oben mit der feuchten Scham,
Will dir die Himmelsgöttin sein!

Das göttlich-weibliche Prinzip


Ist älter als der Vatergott.
Am Anfang war die Mutter! Ich
Glaub an die Muttergöttin nur!

Und Lilith sprach den Namen aus,


Das Unsagbare Tetragramm,
Sie nannte Jahwe Gott den Herrn,
Sie sprach nicht Jahwe, - Jevi nur,

Sie sprach nicht Jevi, - Ive nur,


Sie sprach nicht Ive, - Evi nur,
Sie sprach nicht Jahwe, - Jeva nur,
Sie sprach nicht Jeva, - Ewe nur,

Sie sprach nicht Ewe, - Eva nur,


Sie sagte: Du bist Leben, Gott!
Ich aber auch bin Gottheit, ja,
Ich bin ein Teilchen von dem Gott!

Da floh sie aus dem Paradies


Und schied von ihrem Manne sich.
Der schöne Garten Eden lag
Beim Euphrat und beim Hiddekel.

Beim Euphrat lag auch Babylon,


Inanna war dort Königin.
Inanna, Himmelskönigin,
Sah Lilith sitzen dort im Baum.
Da sah auch König Gilgamesch
Im Baume Lilith sitzen, sah
Die dunkle Lilith als Gespenst,
Als Eule oder Nachtgespenst.

Die Babylonier sahen sie


Als Todesgöttin splitternackt,
Begleitet von dem Löwenpaar,
Mit Geierflügeln angetan.

Auf ihrem Haupt die Krone saß,


In ihrer Hand ein Talisman,
Die Schlange, die sich biegt zum Kreis,
Den Schlangenschwanz nimmt in den Mund.

Und Lilith weiter floh und kam


Zur Wüste an dem Roten Meer.
Ägypten an dem Roten Meer
War finsterer Dämonen voll.

Dort sah man Hunde an als Gott,


Die Katze eine Göttin war,
Mistkäfergötter gab es auch
Und eine Gottheit war ein Frosch.

In dieser Wüste lebte nun


Die nackte Lilith wild und frei
Und mit okkulten Geistern nur
Sie hatte Umgang in der Nacht.

Gott sandte nun der Engel drei


Zur Wüste an dem Roten Meer,
Sie sollten Lilith rufen heim,
Zur Umkehr laden Lilith ein.

Die Engel sprachen zu der Frau:


Gegrüßet seist du, Sünderin,
Tu Buße, denn der Herr ist nah!
Ja, Buße, Buße, Buße tu!

Und Lilith zu den Engeln sprach:


Was ist denn das für eine Buß?
Die Engel sprachen: Diese Buß
Wird Metanoia auch genannt.

Und Lilith sprach: Was will der Herr?


Die Engel sprachen zu der Frau:
Der Herr die Ehescheidung hasst,
Und wenn du auch dich scheiden willst,
Versöhne dich mit deinem Mann!
Wie Gott die Jungfrau Israel
Im treuen Ehebunde liebt,
So liebe du auch deinen Mann!

Dem Manne sagt des Vaters Wort:


Du liebe innig deine Frau!
Dem Weibe sagt das Wort des Herrn:
Du ehre heilig deinen Mann!

Wer aber die Geschiedene


Erkennt im lüsternen Verkehr,
Der ist ein Ehebrecher und
Lebt in der Unzucht Schande dann!

Doch Lilith lachte dabei laut:


Ich soll zu meinem Mann zurück?
Soll sein Gefäß sein wieder, hohl,
Das er mit seinem Samen füllt?

Nein, nicht zu meinem Mann zurück!


Ich nehme viele Männer mir,
Die freie Liebe treibe ich
Und schlaf mit jedem, wie ich will!

Die Kinder abzutreiben, ruf


Ich lauthals alle Mütter auf!
Mein Bauch ist mein! so schreien sie,
Ich lehre sie den Kindermord!

Den Männern, die ja lieben nur


Des jungen Weibes Sex-Appeal,
Den Männern breche ich das Herz,
Ich breche jedes Mannes Herz!

Die Engel sprachen zu der Frau:


Was sagst du zu des Vaters Wort?
Nicht Ja und Amen, sprach die Frau,
Ich sage zu dem Vater: Nein!

Die Wüste an dem Roten Meer


War heiß und in der heißen Luft
Dämonen voller Hitzigkeit
Der Unzucht Sünde trieben geil.

Und einen schnappte Lilith sich,


Sein Lockenhaar war rabenschwarz,
Er hatte einen Eselsfuß
Und hatte auch ein Eselsglied.

Des Teufels Name? Aschmodai.


Des Teufels Auftrag? Ehebruch,
Der außerehliche Verkehr,
Die Unzucht von dem Herrn genannt.

Der Unzuchtsteufel Aschmodai


Die Knaben trieb zur Onanie,
Die Männer trieb zur Pornographie,
Die Frauen trieb er ins Bordell.

Den schnappte Lilith sich sehr schnell,


Wie Liebe auf den ersten Blick,
Sie rührte an sein Eselsglied
Und zog ihn in ihr Lotterbett.

In wilder Ehe lebten sie


Und sie vollzogen ihren Akt
Und hatten Gottes Segen nicht,
Genug war ihnen die Begier.

Sie hatten wilden schnellen Sex


Und manchmal nutzte Lilith auch
Den Phallus, der geformt von Stein,
So masturbierte Lilith oft.

Und Rabenmutter wurde sie,


Gebar Dämonensöhne, die
Nach Mutter Lilith hießen, nicht
Nach ihrem Vater Aschmodai.

Und die Dämonensöhne rief


Die Mutter: Meine Lilim! Geht,
Die Knaben schändet sexuell
Und vergewaltigt junge Fraun!

In wilder Ehe lebten sie,


Frau Lilith und Herr Aschmodai,
War Liebe auf den ersten Blick,
Es folgte auf den Blick Begier,

Es folgte der Begier Genuss,


Und dem Genuss folgt Überdruss,
Hass-Liebe war es, Eifersucht,
Voll Missverständnis, Zorn und Zank!

Gott dachte: Adam ist allein,


Der Hund genügt ihm nicht als Freund,
Wie eifersüchtig ist der Mensch,
Sieht er das Tauben-Ehepaar!

Wenn Adam in dem Garten steht


Und sieht der Schmetterlinge Tanz,
Sieht tanzen sie den Hochzeitstanz,
Dann seufzt er in der Einsamkeit.

Ja, Adam stammt von Adama,


Von Mutter Erde stammt der Mensch.
Ich will ihm schaffen eine Frau,
Ihr Name soll das Leben sein.

Ich, Jahwe, bin das Leben, bin


Das ewge absolute Sein,
Des ewgen Lebens Name ist
Jehowah-Eva, Leben prall!

Und Gott nahm aus dem Chaosmeer


Die Elemente alle vier
Und aus dem Wasser schuf er Blut
Und aus der Erde einen Leib

Und aus der Luft den Atemhauch,


Aus Feuer machte er das Herz.
Der Elemente Quintessenz,
Der Äther, bildete den Geist.

Gott modellierte eine Frau


In femininer Leiblichkeit
Und bildete die nackte Haut
Und bildete das Achselhaar

Und machte Tränen, machte Schweiß


Und machte den Urin der Scham
Und auch der Scheide Monatsblut
Und schuf den After und den Kot,

Er machte Brüste voller Milch


Und Achseln voller Achselschweiß
Und machte knöchern das Skelett
Und bildete den Uterus,

Gab Muskeln ihr und Sehnen ihr


Und Adern in den Beinen ihr
Und an den Beinen Haare auch
Und Haare auch an ihrer Scham,

Er machte ein Gehirn der Frau,


Zwei Hälften drinnen rechts und links,
Und gab ihr ihre Phantasie,
Gedanken ihr und Träume ihr.
Und Jahwe nannte diese Frau
Die Mutter der Lebendigen,
Die Ischa Eva, auch genannt
Die Männin, für den Mann bestimmt.

Als Adam schaute Eva an,


Da fand er Eva ekelhaft.
Er sprach: O großer Gott, mein Herr,
Was gibst du da mir für ein Weib?

Was soll mir dieses alte Weib?


Sie ist schon fünfzig Jahre alt!
Wie schlaff sind ihre Brüste doch,
Wie welk ist die Orangenhaut,

Wie sind die Haare dünn und grau,


Krampfadern in den Beinen blau,
Und dazu dieser Fuchsgestank,
Und an der Hüfte wie viel Fett,

Wie ist ihr Bauch auch dick und fett,


Wie ist des Weibes Hintern breit,
Wie Enten watschelnd ist ihr Gang,
Die Augen sind so winzig klein,

Die Adlernase ist zu groß


Und unharmonisch das Gesicht,
Die Füße sind auch viel zu groß,
Es stinkt die Scheide nach Urin!

Der Herr vernahm die Litanei


Der Klagen über dieses Weib
Und es gereute Gott den Herrn,
Dass er dies alte Weibchen schuf.

Und Adam rief zu Gott dem Herrn:


Als Lilith sich geschieden hat
Und fortging aus dem Paradies,
Da war ich einsam in der Welt.

Doch lieber große Einsamkeit,


Allein mit dem Alleinen sein,
Als angeschmiedet an ein Weib,
Ausdünstend solchen Fuchsgestank!

Ein Mann, der schaut ein schönes Weib,


Hält sie für eine Göttin gar,
Im Alltag aber stört ihn dann
Der Knoblauchstank aus ihrem Mund!

Und Gott der Herr erbarmte sich


Und nahm das Weibchen aus der Welt.
Wohin das Weib entschwunden ist,
Hat Weisheit mir nicht offenbart.

Und Gott versetzte Adam in


Den tiefsten Schlaf, in eine Trance.
Für Adams Schmerzen hatte Gott
Nur eine Antwort: langen Schlaf.

Der Schlaf wird Morpheus auch genannt,


Er gießt die Mohnmilch aus dem Horn.
Sein Brüderchen ist Thanatos,
Der Tod, er senkt die Fackel still.

Im Schatten eines Baumes schlief


Voll Traurigkeiten Adam ein,
Er dachte: Hast du denn als Frau,
O Gott, nur Herzeleid für mich?

Und Adam ruhte in der Trance,


Der Körper lag still da wie tot.
Doch Adams Seele schweifte frei,
War ungehemmt von Raum und Zeit.

Und Adams Seele schaute Gott


Mit einem langen grauen Bart,
Gott hielt in Armen eine Frau,
Das war die zweite Eva, nackt.

Jehowah streckte aus die Hand


Und Adam streckte aus die Hand,
Jehowahs Zeigefinger rührt
Des Menschen Zeigefinger an.

Nun kam der Herr und nahm vom Mann


Die Rippe, die beschützt sein Herz.
Gott schnitzte aus der Rippe nun
Dem Manne eine schöne Frau.

Die Weisheit sagt: Es nahm der Herr


Vom Manne nicht ein Schädelbein
Und formte draus die Ehefrau,
Nicht herrschen soll die Ehefrau.

Die Weisheit sagt: Es nahm der Herr


Nicht Knochen von des Mannes Fuß
Und formte draus die Ehefrau,
Denn Sklavin soll nicht sein die Frau.

Die Weisheit sagt: Es nahm der Herr


Die Flanke von dem Manne, weil
Ein Mensch mit einer Flanke nur
Nicht stehen kann, da braucht es zwei.

Der Herr die Seite nahm vom Mann,


Weil für den Mann die liebe Frau
Wie seine eigne Seele ist,
Die bessre Hälfte seines Ichs.

Doch sagte Aristophanes


Bei Platon im Symposium
Vom Eros, dass zuerst der Mensch
Ein androgynes Wesen war.

Das androgyne Wesen schnitt


Zeus-Vater in zwei Hälften, dass
Der Mann sein Leben lang die Frau
Sucht sehnsuchtsvoll zur Einigung.

Gott schnitzte also Evalein


Und modellierte Evalein
Und voller Reiz war Evalein,
Sie war das Meisterwerk des Herrn.

Da Adam wacht vom Schlafe auf,


Rieb aus den Augen sich den Schlaf
Und dachte seinen Träumen nach,
Begann er mit dem Frühgebet.

O Herr, mein Schöpfer und mein Gott,


O Herr, mein Retter und mein Heil,
O Herr, du Liebe und du Geist,
Ein Gott bist du, bist Gott allein!

Da schaute Adam Gott den Herrn


Auf einer Wolke kommen nah
Und haltend in dem rechten Arm
Die junge Eva splitternackt.

Da sprach zu Adam Gott der Herr:


Der Mann geht seinem Weibe nach,
Den Vater und die Mutter auch
Verlässt der Mann für seine Frau,

Und Ehemann und Ehefrau


Vereinen sich zu Einem Fleisch!
Und was der Herr verbunden hat,
Das soll nicht scheiden je der Mensch!

Und Adam schaute Eva an


Und sah sie in der Gloria,
Sah Eva in der Herrlichkeit,
Die Jahwe ausgegossen hat.

Das ist sie! Das ist meine Frau!


Das ist die Traumfrau meines Traums!
Die Seele meiner Seele sie,
Sie meines Fleisches Königin!

Sie ist das Fleisch von meinem Fleisch,


Sie ist das Bein von meinem Bein,
Sie ist mein Gegenüber, ist
Die Hilfe, die zu Gott mich führt!

Und jetzt erinnre ich mich gut,


Als ich in meiner Jugend sah
Frau Lilith kommen auf mich zu,
Da dachte ich: Das ist sie nicht!

Ich träumte damals manchen Traum


Von der Idee der Weiblichkeit,
Doch Lilith nicht identisch war
Mit meinem femininen Bild.

Doch diese zweite Eva ist


Mein Ideal, der Träume Frau! -
Und Eva glitt aus Gottes Arm
Und langsam ging auf Adam zu.

Und Adam jubelte im Geist:


Vor aller Schöpfung waren wir
Ein Same in des Schöpfers Hand,
Gott schuf uns aus dem selben Stoff!

Vor Anbeginne aller Zeit


Mein Geist war im Ideensaal
Und sah im Himmelsspiegel dich,
Ich bin für dich prädestiniert!

Und Eva sagte leise: Du,


Ich lieb dich auch, ich hab dich lieb,
Zusammen gehn durchs Leben wir,
Zum Schluss begräbt dich meine Hand.

Und Adam sprach: In Ewigkeit


Ich will mit dir zusammen sein
Im Reich der Weisheit unsres Herrn,
Zwei Engel voller Liebe wir!

10

Gott sprach zur zweiten Eva dies,


Er sprach zu jedem Leibesglied:
Sei keusch, sei keusch, sei keusch, sei keusch!
Keusch sei ein jedes Glied der Frau!

Mit keuschen Augen blicke du,


Lass dich nicht lüsten Augenlust,
Mit keuscher Zunge rede du,
Nicht frevle mit der Zunge Kunst!

Mit keuschem Hirne denke du


Und denke unkeusch nicht im Geist,
Mit keuschem Herzen liebe du,
Mit reinem Herzen schaue Gott!

Mit keuschen Brüsten stille du


Das Kind, das ich dir schenken will,
Mit keuscher Vulva nimm du auf
Den keuschen Phallus deines Manns!

So sprach der Herr zu Evalein,


Doch in der Seele Evas war
Ein Teil von Lilith auch. Sie sprach:
In meiner Seele Lilith lebt!

Ich seh in meiner Seelenburg


Gemächer sieben und darin
Dämonen sieben, jeder Geist
Den schönen Namen Liliths trägt.

So sehe Illi ich in mir,


So sehe Lili ich in mir,
So sehe Lulu ich in mir,
So sehe Lilim ich in mir,

So sehe Lila ich in mir,


Ich seh in mir die Lili-Fee,
Ich sehe Liliths Bild in mir. –
So kam auf Eva Gottes Fluch:

Selbst in der Ehe wirst du sein


Kokotte, kokettieren stets!
Du spielst mit deinem Sex-Appeal
Und träumst von manchem One-night-stand!

Beim Pissen sitzt du wie ein Tier,


Wie sich ein Hund beim Pissen setzt.
Dein Haar wird lang wie Liliths Haar,
Erotisch wird dein langes Haar,

Und ob dein Haar ist rabenschwarz


Und ob dein Haar ist hennarot,
Selbst wenn dein Haar ist altersgrau,
In jeder Spitze Eros sitzt!

Du wirst für deinen Ehemann


Als Bettmatratze dienen und
Er legt dich nieder auf das Bett
Und dringt von oben in dich ein!

11

Mitten in dem Garten Eden


Stand der grüne Baum des Lebens
Und der Baum auch der Erkenntnis
Alles Guten, alles Bösen.

Gott der Vater sprach zu Adam:


Von dem Baume der Erkenntnis
Esse nicht, sonst musst du sterben.
Adam sagte dieses Eva.

Aber Eva voller Neugier


(Frauen stets sind voller Neugier)
Trat zum Baume der Erkenntnis,
Sah die üppig-schönen Früchte.

Lilith saß in jenem Baume,


Lilith, eine Strumpfbandnatter!
Und die Strumpfbandnatter sagte
Zu der dummen Eva dieses:

Lass doch die Gebote Gottes!


Warum soll denn Gott gebieten?
Das ist äußerlich! Im Innern
Weißt du selber alle Wahrheit!

Gott ist nicht im Himmel oben,


Gott ist tief in deiner Seele,
Deine Seele selbst ist Gottheit
Voller Güte, voller Bosheit.

Gott ist nicht das Licht der Lichter,


Sondern Gott ist Licht und Dunkel.
Gott ist nicht die höchste Güte,
Sondern Gott ist gut und böse!

Ja, die Gottheit tut das Böse,


Dass zuletzt das Gute siege!
Du bist selbst ein Stück der Gottheit,
Gibst dir selber die Gesetze!

Mache Liebe, freie Liebe,


Lebe in der wilden Ehe,
Doch verhüte klug die Kinder,
Gib dem Mann den Darm des Ochsen.

Mache Kinder, mach sie selber,


Aber lass dich nicht betrügen:
Mutterschaft ist eine Fessel,
Hör, dein Bauch gehört dir selber!

Mach dich frei vom Vatergotte,


Der erzeugt die Leibesfrüchte!
Dir erlaubt die Göttin Freiheit,
Deine Kinder abzutreiben!

Sei nicht stets die liebe Fraue,


Sei nicht immer nett und höflich,
Sondern werde wild und böse,
Bosheit nur wird dich befreien!

Liebe nicht den Gott und Vater,


Liebe nicht den Eheherren,
Sondern liebe du dich selber,
Sollst dich selber nur entfalten!

Gott ist doch ein großer Neider,


Der verbietet diese Früchte,
Er verbietet dir das Wissen,
Er verbietet dir Erkenntnis!

Schau, das Paradies von Eden


Ist wie eine dumme Kindheit,
Doch die Früchte der Erkenntnis
Machen dich erwachsen, wissend!

Du bist eine Göttin, Eva,


Und der Apfel der Erkenntnis
Ist der Göttin Liebesapfel,
Gib das Sakrament dem Manne!

Du als Liebesgöttin, Eva,


Adam gib den Liebesapfel,
Weihe ein ihn in die Weisheit!
Dies ist die okkulte Weisheit.

Und die dumme Eva hörte


Auf der Strumpfbandnatter Flüstern,
Esoterische Erkenntnis
Pflückte sie vom Wissensbaume.

Und sie gab den Apfel Adam


Und sie sagte zu dem Manne:
Sündigt tapfer! Sündigt tapfer!
Redet die Dämonenweisheit.

12

Adam nahm die Frucht des Bösen


Aus den weißen Händen Evas
Und er schaute Eva nackend
Und es regte sich Begierde.

Adam, sich im Busch versteckend,


Er befriedigte sich selber,
Denkend an die nackte Eva,
Die sein Sex-Idol geworden.

Gott im Garten ging spazieren


Und er suchte seine Menschen.
Adam, komm aus dem Verstecke!
Wo versteckst du dich, o Eva?

Adam trat vor Gottes Augen,


Schämend sich der eignen Nacktheit.
Ich hab von der Frucht gegessen,
Die du doch verboten hattest.

Evalein hat mich verführet,


Sie ist schuld an allem Übel.
Siehe, Gott, die nackte Eva
Ist das Einfallstor des Teufels!

Weib, dein Name ist die Pforte


Satans, der zu uns gekommen. –
Gott sprach zu der nackten Eva:
Warum tust du solche Sünde?

Eva sagte: Unterwiesen


Ward ich von der Schlange Lilith,
Sie hat Weisheit mir verhei0en,
Esoterische Erkenntnis!

Da sprach Gott zum Manne Adam:


Schwitzen sollst du auf dem Acker!
Da sprach Gott zum Weibe Eva:
Unter Schmerz sollst du gebären!

Da sprach Gott zur Schlange Lilith:


Sei verflucht, du alte Schlange!
Auf dem Bauche sollst du kriechen
Und der Erde Scheiße lecken!

Adam ward und Eva wurde


Aus dem Paradies vertrieben.
Gott gab noch den beiden Nackten
Schurze für die Genitalien.

13

Und Gott sprach zu dem Menschenpaar


Verheißungen: Es kommt das Heil!
Ich werde senden eine Frau,
Die makellos und unbefleckt.

Die reine Jungfrau voller Gnad,


Sie ist die Frau in meinem Geist,
Sie tritt der Schlange auf den Kopf,
Zertritt sie mit dem bloßen Fuß.

Der Same dieser Jungfrau wird


Erlöser sein der ganzen Welt.
Die neue Eva nenn ich sie,
Den neuen Adam nenn ich ihn.

Die neue Eva, sie wird sein


Die Mutter der Lebendigen.
Sie holt die alte Eva heim
In ihres Gottes Himmelreich.

Ich will dass sich die ganze Welt


Dem Unbefleckten Herzen weih
Und Zuflucht nehme zu der Frau,
Die ist die Frau in meinem Geist.

Und Adam sprach zu Gott dem Herrn:


Wie ist der Name jener Frau?
Zur Antwort Adam gab der Herr:
Maria wird die Frau genannt.

Und Eva sprach zu Gott dem Herrn:


Wie heißt der Retter aller Welt?
Zur Antwort Eva gab der Herr:
Messias Jesus heißt der Sohn.

14

Adam lebte mit der Gattin


Fern vom Paradiesesgarten.
Adam schwitzte bei der Arbeit,
Doch der Acker brachte Nesseln.

Eva ihm gebar drei Söhne,


Seth und Kain und Abel, aber
Abel ward von Kain erschlagen,
Darauf Kain verließ die Eltern.

Adam, Seth und Eva lebten


In dem dummen Trott des Alltags.
Eva wurde immer älter,
Immer bitterer ward Eva.

Adam träumte oft von Lilith


Träume, die von Venus stammten.
Immer sah er in den Träumen
Lilith sitzen auf dem Manne.

Immer in der Stellung Buttern


Sie bewegte schön das Becken,
Das sie auf den Phallus stülpte,
Dies war der Triumph der Lilith.

Adam einst im Traum am Morgen


Seufzte leise: Liebe Lilith!
Diese Worte hörte Eva
Und sie wurde eifersüchtig.

Adam malte auch ein Bildnis


Von der splitternackten Lilith,
Schüttelnd ihre langen Locken,
Zeigend ihre großen Brüste.

Aber dieses Bild von Lilith


Hielt geheim vor Eva Adam.
Fürchtend aber die Entdeckung,
Er zerstörte selbst dies Bildnis.

Das bereute Adam später,


Er vermisste dieses Bildnis.
Schlaff geworden Evas Brüste,
Liliths Brüste weiß und üppig!

Adam träumte oft von Lilith,


Wie sie ihre Lippen leckte,
Wie den Löffel sie voll Honig
Abgeleckt mit ihrer Zunge.

Adam beinah war besessen


Von dem Eros seiner Lilith,
Und je älter wurde Eva,
Desto jünger wurde Lilith.
15

Eva war schon tot und Adam


Lebte auf der Insel Ceylon
Auf dem Adams-Pik, dem Berge,
Der den Namen trug von Adam.

Adam unter einem Baume


Lag in seiner letzten Stunde,
Da erschien der Dämon Lilith,
Auch gerufen Vampirella.

Lilith oder Vampirella


Haute ihre langen Zähne
In die Halsschlagader Adams,
Leben aus dem Blut zu saugen.

Lilith oder Vampirella


Saugend lag am Halse Adams,
Sog die Seele aus dem Blute,
Denn im Blute ist das Leben.

Lilith wie ein Todesengel,


Lilith wie ein Würgeengel
Sog die Seele aus dem Manne,
Aus den Adern Blut ihm strömte.

Meine Mörderin, rief Adam,


Saugst aus meinem Leib die Seele,
Aber ich vertrau die Seele
Gott an: Jahwe! Jahwe! Jahwe!

Bei dem Namen Jahwe aber


Floh der Todesengel Lilith.
Adams Leben war verblutet
Und die Seele ging zum Limbo.

In dem Limbo lebte Eva,


In der Hölle der Gerechten.
Eva wartete auf Adam,
Hieß willkommen ihn im Limbo.

Lilith aber mit dem Blute


Aus der Halsschlagader Adams
Schweifte weiter auf der Erde,
Andre Männer auszusaugen!

16

Lilith kam zum Tor von Eden,


An die Paradiesespforte.
Lilith hatte Geierflügel,
War ja ein gefallner Engel.

Vor der Paradiesespforte


Aber standen Cherubinen
Mit den goldnen Feuerschwertern,
Gottes Garten zu bewachen.

Der gefallne Engel Lilith


Sagte zu den Cherubinen:
Ich bin auch ein Engel Gottes,
Bin ein femininer Engel.

Ich, ein inkarnierter Engel,


Habe eine blaue Aura,
Habe Augen wie die Engel,
Habe schöne Mandelaugen.

Kommend aus astralen Welten


Werde ich bei Pharaonen
Leben als ein femininer
Engel, Pharao zu dienen.

Und ich werde den Azteken


Helfen als ein starker Engel,
Menschenopfer darzubringen
Ihrer großen Schlangengöttin.

Die Vertraute ich der Engel,


Kenne Michael, den Fürsten,
Anders als die Schriftgelehrten
Denk ich von dem Engelsfürsten:

Michael wird nicht den Drachen


Töten mit dem Engelsschwerte,
Sondern dieser Drache ist die
Energie, die kommt vom Kosmos,

Michael mit seinem Schwerte


Nun fixiert die Kraft des Kosmos
Als den mütterlichen Drachen
Auf der schwarzen Mutter Erde.

Also sprach der Engel Lilith,


Sprachs zu Gottes Cherubinen.
Aber Gott der Herr verjagte
Lilith von der Pforte Edens.

17
Hiob hatte jüngst verloren
Frau und Kinder, seine Söhne,
Hiob hatte Eiterbeulen,
Hatte schwere Depressionen.

Seine frommen Freunde aber


Sprachen nichts als frommen Unsinn,
Phrasendrescherei der Frömmler,
Gaben Hiob Schuld am Unglück.

Jahwe aber hatte Hiob


In der dunklen Nacht der Seele
Und in der Passion der Seele
Eingegossen Gottesweisheit.

Hiob sagte über Lilith:


Gottvergessne, Götterlose
Laden Lilith in ihr Haus ein
Und die Hütte wird zu Trümmern.

Lilith liebt, zu ruinieren


Die Behausungen der Frevler,
Ihre Mauern kriegen Risse,
Auch das Wasser wird nicht fließen,

Auch die Wärme wird entweichen,


Tünche blättert von den Wänden,
Töpfe, Pfannen auf dem Herde
Werden schwarz vom Feuerofen,

Alles ist voll Müll und Abfall,


Und es stinkt nach Hundescheiße,
Tanzen werden da die Mäuse,
Hundeflöhe, Katzenflöhe,

Werden Kinder dort geboren,


Laufen um das Kindsbett Ratten,
Und die Kinder haben Läuse
Und die Kinder haben Zecken.

Wäsche wird nicht mehr gewaschen


Und zerrissen sind die Kleider
Und verwildert ist der Garten,
In dem Garten wuchern Nesseln,

Ihre Katze wird krepieren


Und ihr Hund wird humpeln, hinken,
Von den Bäumen fallen Tauben,
Fallen tote Turteltauben.

18
Jakob hat der Herr geliebet,
Esau hat der Herr gehasset,
In den Wohnungen von Esau
Werden alte Drachen wohnen.

Esau ist das rote Edom,


Hat verkauft sein Erstgeburtsrecht
Für die rote Linsensuppe,
Die er sich gewürzt mit Essig.

Dort in den Ruinen Edoms


Findet Lilith ihre Ruhe,
Dort in den Ruinen Edoms
Lebt das Nachtgespenst, der Kobold.

In den Trümmern werden wohnen


Mit den Eulen Poltergeister.
Dort wird Lilith breit sich lagern
Im beschmutzten Lotterbette.

Lilith wird im Bette liegen


Und es kommen Bocksdämonen
Mit dem sauren Bocksgestanke,
Kommen wie zu einer Hure.

Und am Himmel fliegen Geier,


Lämmergeier, fressen Lämmer,
Schädel sind dort toter Widder,
Knochen sind dort toter Schafe.

Und es richtet sich die Schlange


Auf, wenn Lilith bläst die Flöte,
Nimmt ins Maul den Schwanz der Schlange,
Betet an die Schlangengöttin.

19

Der weise König Salomo


Befahl mit seinem Siegelring
Den Dschinn-Dämonen in der Welt,
Die Vögel auch verstand der Mann.

So lud er alle Vögel ein


Zu einem großen Festbankett,
Nur Hudhud nicht gekommen war,
Nur Hudhud nicht, der Wiedehopf.

Ein wenig später Hudhud kam,


Der weise König fragte ihn:
Was kommst du jetzt denn erst so spät?
Wo flogst du in der Welt herum?

Sprach Hudhud zu dem weisen Mann:


Vom Indus bis zum Nil bekannt
Ist deine Weisheit, o mein Herr,
Bekannt in aller Welt ist Gott.

Allein in Jemen ist ein Reich,


Das an der Weihrauchstraße liegt,
Die Königin von Saba dort,
Sie glaubt nicht an den Vatergott.

Die Königin von Saba glaubt


Ans Universum, an die Kraft,
Des Kosmos Energie, sie fragt
Die Sterne, was das Schicksal sagt.

Der weise König Salomo


Zum kleinen Vogel Hudhud sprach:
Du lade ein die Königin,
Ich will erzählen ihr von Gott.

Sprach Hudhud zu dem weisen Mann:


Die Königin von Saba ist
Berühmt für ihren Liebreiz, doch
Man weiß nicht, sind die Beine schön?

Der weise König Salomo


Lud zu sich ein die Königin
Von Saba, eine schwarze Frau,
Die die Dämonin Lilith war.

Der weise König Salomo


Die Königshalle schmückte aus,
Den Boden er belegte mit
Dem blauen Lapislazuli.

Die Königin von Saba kam


Zum weisen König Salomo,
Als sie den blauen Boden sah,
Da dachte sie, das sei das Meer.

Da hob sie ihren langen Rock


Bis zu den Oberschenkeln hoch,
Dass nass nicht werde dieser Rock,
Wenn sie das blaue Meer betritt.

Der weise König Salomo


War einfallsreich und listenreich,
So konnte er die Beine sehn,
Die nackten Beine Liliths sehn.
Die Weisen hatten diskutiert,
Ob Liliths nackte Beine glatt
Wie Ebenholz, ob sie behaart
Wie Beine einer Stute sind?

Der weise König Salomo


Geliefert hat nun den Beweis:
Ich weiß nun, Liliths Beine sind
Behaart und sind nicht glatt rasiert.

Der weise König Salomo


Zu seinen weisen Männern sprach:
Drei Arten Fraun sind in der Welt:
Gazelle ist die schlanke Frau,

Die Mittlere der Stute gleich,


Die Elefantenkuh ist fett.
Ich liebe die Gazellen nur,
Doch Lilith eine Stute ist.

Schaut an der Lilith Pferdefuß,


Schaut ihre Stutenbeine an,
Schaut ihren breiten Stutenpo,
Nein, schafft mir diese Lilith weg!

Zur Augenweide aber gebt


Die Abischag von Schunem mir,
Die ist erst neunzehn Jahre jung
Und ist wie die Gazelle schlank.

20

Der weise König Salomo


War kluger Richter Israels.
Zwei Huren kamen zu dem Mann
Und mit den Huren kam ein Kind.

Die eine Hure Lilith war,


Die andere Karina war.
Was Lilith ist in Juda, ist
Karina in Arabia.

Karina sagte Salomo:


Zwei Huren wir, in einem Haus
Zusammen haben wir gewohnt,
Und jede hatte auch ein Kind.

Doch Liliths kleines Kindlein ist


Gestorben in der Nacht im Bett,
Denn Lilith hat das Kind erdrückt,
Die alte Kindermörderin.
Und Lilith nahm das tote Kind
Und legte es zu mir ins Bett.
Sie nahm an sich mein eignes Kind
Und dieses Kindlein siehst du hier.

Karina sprachs. Und Lilith sprach:


Karina lügt wie immer! Sie
Hat in der Nacht ihr Kind erdrückt,
Und dieses Kindlein hier ist mein.

Der weise Richter Salomo


In göttlicher Gerechtigkeit
Befahl: Man hole mir ein Schwert,
Ich schneide dieses Kind entzwei,

Dann geb ich jedem Hurenweib


Ein halbes Kind, und es ist gut.
Und Lilith grinste: Das ist gut!
Karina schrie: Nein, tu das nicht!

Gib lieber Lilith dieses Kind,


Entsagen will ich eher als
Dass du dies Kindlein teilst entzwei,
Bei Gott, lass leben dieses Kind!

Der weise Richter lächelte:


Karina hat ein Mutterherz,
Ihr eignes ist dies kleine Kind
Und Liliths kleines Kind ist tot.

21

Israel, der Sohn des Vaters,


Sah die Schechinah-Matrone,
Die allmächtige Prinzessin,
Schaute sie in sieben Schleiern.

Israel, verführt von Lilith,


Hat die Herrin ausgezogen,
Einen Schleier nach dem andern
Nahm er ab dem Gottesmädchen.

Israel nahm ihr die Krone,


Nahm ihr ab die Perlenkette,
Nahm ihr ab den Stab der Hirtin,
Löste ihr den goldnen Gürtel,

Zog ihr aus den Sternenmantel


Und das Kleid von weißem Linnen,
Nahm ihr ab das schwarze Brusttuch
Und den schwarzen Schurz der Lenden.

Splitternackt stand die Prinzessin


Israel vor geilen Augen,
Nur verschleiert von den Haaren,
So verbergend Schoß und Brüste.

Lilith hat ihn so verdorben,


Dass er nur noch Lust der Augen
Kannte, nur noch Lust des Fleisches,
Lilith, Königin der Unzucht.

Lilith machte Jakob unkeusch,


Unkeusch seiner Augen Hunger,
Und dem Appetit des Fleisches
Gab sie eine nackte Hure.

Lilith, der Vermischung Mutter,


Königin des Heidentumes,
Sie ließ Israel verkehren
Nackt mit einer Tempelhure.

Aber Jahwe wird der Jungfrau


Ihre Schleier wiedergeben,
Denn der Schleier ist das Wesen
Eines femininen Lebens.

22

Jehowah war verlobt der Maid,


Der Matronita Schechinah,
Er war der Herr der Herrlichkeit,
Und sie war Gottes Himmelreich.

Und Jahwe sang das Hohe Lied


Der Liebe seiner Schechinah,
Sie war des Gottesgeistes Braut,
Herr Zebaoth ihr Bräutigam.

Matrone war sie Israels


Und nahm an seinen Leiden teil.
Als Israel gesündigt hat
Und ward verbannt nach Babylon,

Hat Jahwe Jungfrau Schechinah


Nicht angesehen mehr als Braut,
Er schrieb die Sünden Israels
Der Maid und Matronita zu.

Und Jahwe wählte sich zur Braut


Die nackte Hure Babylon,
Die Sklavin nahm er sich zur Braut
Anstatt der reinen Königin.

So Lilith wurde Gottes Braut,


Die Sklavin ward die Braut des Herrn.
Und Israel in Gottes Bann
Litt schwer an Gottes Grimm und Zorn.

Und Israel gebetet hat


Zu Gott Gebet der Reu und Buß:
O schicke du die Sklavin weg,
Erwähle neu die Königin!

Gib Lilith deinen Scheidebrief,


Der Mutter aller Hurerei,
Nimm wieder an als Ehefrau
Die Matronita Schechina!

Da prophezeite der Prophet:


O Tochter Zion, freue dich,
Der Herr und König kommt zu dir,
Erwählt dich neu als seine Braut!

Dann wird der Herr der Herrlichkeit


Mit der Prinzessin herrschen in
All-liebender Vereinigung
Und Jakob kehrt nach Zion heim.

23

Im Himmel ist ein hohes Paar,


Jehowah ist der Gottesgeist
Und Schechinah die Gottnatur.
Sie singen sich das Hohe Lied.

Gott Geist ist Vater aller Welt


Und Mutter ist die Gottnatur.
Der Vater voller Weisheit denkt,
Die Mutter voller Einsicht träumt.

Der Vater ist die Transzendenz,


Die Mutter ist die Immanenz.
Sie singen sich das Hohelied,
Vereinen sich beim Hochzeitsmahl.

Auf Erden ist ein schönes Paar,


Es sind die beiden Mann und Frau,
Doch sage nicht mehr Mann und Frau,
Nur Adam ists und Eva ists.

Die Mutter Eva Hilfe ist,


Hilft Vater Adam auf zu Gott.
Vereint sind sie das Ebenbild
Von Gottesgeist und Gottnatur.

Im Paradiese beide nackt,


Die reine Jungfrau Eva nackt,
Der reine Jüngling Adam nackt,
Sie lagen nackt vor Gott dem Herrn.

Auch in der Hölle ist ein Paar,


In wilder Ehe leben sie
Und in der Unzucht leben sie
Und einen sich in Zank und Hass.

Der Bräutigam ist Sammael,


Gefallner Engel Satans er,
Die böse Lilith ist die Braut,
Die liederliche Teufelin.

Sie hassen sich von Herzen sehr


Und können sich doch trennen nicht.
Die Unzucht hat die zwei vereint
Und Satans Fluch vereinigt sie.

24

Sammael ist Gottes Geißel,


Lilith ist die Geißel Gottes,
Er ist das Skorpionenmännchen,
Sie ist das Skorpionenweibchen.

Sammael und Lilith bilden


Einen androgynen Teufel.
Dieser androgyne Teufel
Hat die roten Haare Liliths,

Hat die kalten Augen Satans,


Liliths üppigvolle Lippen,
Satans Bart, Drei-Tage-Stoppeln,
Liliths üppigvolle Brüste,

Satans Phallus, dieses Hengstglied,


Liliths breiten Stutenhintern,
Ihre Beine, die behaarten,
Seinen Pferdefuß zum Hinken.

Diesen androgynen Teufel


Haben Inder angebetet,
Shiva im Verein mit Kali,
Die Zerstörer aller Schöpfung.
Shivas Lingam, Kalis Yoni
Sind vereint in Einem Bilde,
Wie der Lingam in der Yoni,
So der Teufel in der Seele.

Dante Alighieri schaute


In dem tiefsten Grund der Hölle
Satans riesengroßen Phallus,
Da ist auch die Vulva Liliths.

In dem tiefsten Grund der Hölle


Wartet Liliths breite Vulva
Auf das Kommen der Verdammten,
Zähne hat die Vulva Liliths!

25

Sammael und Lilith wollen


Nicht mehr in der wilden Ehe
Und der Unzucht Sünde leben,
Sammael will Hochzeit feiern.

Wie der Herr und seine Jungfrau


Mystisch ihre Hochzeit feiern,
Will auch Satan, Gottes Affe,
Seine Hure Lilith freien.

Alles soll geregelt gehen,


Huren streuen Blumensträuße,
Und der Priester ist der Drache,
Ist des Meeres Leviathan.

Leviathan ist ein Drache,


Seine Augen sind erblindet,
Doch mit seiner Nase riecht er
Noch den sexuellen Duftstoff,

Liliths sexuellen Duftstoff,


Und der alte Leviathan
Reitet Lilith auf dem Rücken,
Einzudringen in den After.

Weil der Leviathan eindrang


In den Hurenafter Liliths,
Darum gilt sie noch als Jungfrau,
Dennoch trägt sie rote Kleider,

Steht als Braut vor ihrem Teufel


Nicht in einem weißen Kleide,
Sondern trägt ein rotes Kleidchen,
Reichend zu den Oberschenkeln,
Trögt auch keinen weißen Schleier,
Sondern ihre rote Mähne.
Sammael nimmt sie entgegen
Von dem alten Leviathan.

Sammael zu Lilith sagte:


Du bist meine Ehegattin,
Satanas gibt seinen Segen,
Bis uns die Verdammnis scheidet!

Lilith sagte zu dem Teufel:


Du bist nun mein Ehegatte,
Doch ich liebe mich nur selber,
Doch wir können uns ja scheiden.

Sammael vollzog die Hochzeit


Öffentlich mit seiner Hure,
Nackt begattet er die Nackte
Auf dem öffentlichen Markte.

26

Eremiten auf dem Karmel


Leben einsam in den Höhlen,
Leben einzig dem Gebete,
Armut, Keuschheit und Gehorsam.

Lilith sucht die Eremiten


In den Träumen auf, im Schlafe
Sie erscheint als üppig-schöne
Hure, leckt sich ihre Lippen,

Sie erregt mit ihren Lippen


Dann das Glied des Eremiten,
Dass im Traum sein Same ausfließt,
Sie verschluckt den Mannessamen.

Wie die Jungfrau von dem Geiste


Schwanger ward mit Gottes Logos,
So wird Lilith schwanger sündig
Vom verschluckten Mannessamen.

Von des Eremiten Samen


Durch den roten Mund befruchtet,
Wie Maria durch des Engels
Grüßen durch ihr Ohr empfangen,

Also Lilith wurde schwanger


Und gebar Dämonenkinder,
Teufel, die verführen Nonnen,
Teufelinnen, Mönche schändend.

Die Dämonentöchter Liliths


Suchen heim die frommen Männer,
Die allein im Hause leben,
Kehren ein bei frommen Männern,

Wenn sie die Complet gebetet,


Kommen die Dämonentöchter,
Spreizen ihre nackten Beine,
Zeigen die rasierte Vulva.

Liliths Töchter heißen Lilim,


Und in dekadenten Zeiten
Ist die Erde voll der Lilim,
Das ist der Triumph der Lilith.

27

Eheherr und Eheherrin


Oder Baal und seine Baala
Sollen heilig sich vereinen
In der makellosen Keuschheit.

So Joachim und Susanna


Sich vereinigten in Keuschheit,
Wenn sie ihren Akt vollzogen,
Dann in einem trauten Dunkel.

Lilith sagt den Eheleuten:


Wenn ihr euch vereint beim Akte,
Zündet an dem Bett die Kerzen
Und betrachtet eure Nacktheit.

Denn der Mann will seine Gattin


An dem lichten Tag als Putzfrau,
In der Nacht soll sie verwandeln
Sich in eine wilde Hure.

Zwar die heilige Susanna


War bemakelt nicht von Lilith,
Zeigte nicht des Leibes Nacktheit
Bei dem hellen Licht der Lampe,

Doch Joachim, Mann Susannas,


War verführt von Liliths Künsten,
Träumte von den üppig-großen
Brüsten einer wilden Hure,

Von lasziven Sängerinnen,


Von lasziven Tänzerinnen,
Welche nackt mit Schlangen tanzten,
Diese Dirnen er begehrte.

Wenn der Ehemann von Liliths


Zauberkunst sich lässt verführen,
Will er, dass die Ehegattin
Mit dem Mund saugt seinen Phallus,

Oder dass die Ehegattin


Masturbiert mit einem Phallus,
Den des Künstlers Kunst erstellte,
Dass sie selbst sich so befriedigt,

Oder dass die Ehegattin


Mit geschickter Hand befriedigt
Masturbierend ihren Gatten,
Oder ihren Hintern bietet.

28

An dem stillen Freitag Abend


Feiern alle Juden Sabbath.
Und sie zünden an die Kerzen
Und es feiert alle Arbeit.

Und die frommen Juden beten:


Komm zu uns, Prinzessin Sabbath,
Komm, geliebte Braut des Höchsten,
Israel will dich begrüßen.

Aber in der Nacht des Freitags


Wird Prinzessin Sabbath leider
Von dem bösen Dämon Lilith
Dran gehindert zu erscheinen.

Heilige Prinzessin Sabbath,


Braut des Höchsten voller Güte,
Dich behindert Dämon Lilith,
Satans Gattin voller Bosheit.

Lilith schleicht sich zu den Juden,


Die am Sabbath Liebe machen
Und im hellen Licht der Kerzen
Ihre Nacktheit offen zeigen.

Wenn dann an dem frommen Freitag


Eine Frau den Mann befriedigt,
Mit der Hand das Glied erregend,
Sammelt Lilith ein den Samen.

Und der Jude voller Reue


Sagt zur Frau, die ihn befriedigt
Mit der Hand bis zum Ergusse:
Der Allmächtige verzeih mir!

Heilig ist doch dieser Freitag


Von dem Abend an, der Dämmrung,
Ich jedoch denk nur an Wollust,
Der Allmächtige verzeih mir!

Doch die Frau nur lächelt spöttisch:


Der Allmächtige ist Liebe,
Was kann Er dagegen haben,
Wenn wir lustvoll Liebe machen?

Aber Lilith hat den Samen


Von des Mannes Oberschenkeln
Aufgeleckt mit ihrer Zunge
Und verschluckt mit ihrem Munde.

29

An dem Kreuzweg seiner Sinne


Stand ein Tor, ein Jugendlicher,
Da erschien die schöne Lilith,
Hals und Busen reizumhangen.

Lodernd flatterte die Mähne


Und sie zeigte ihre Brüste,
Üppig-große Wunderbrüste,
Und sie spreizte ihre Beine.

An den Ohren trug sie Mondstein,


Lapislazuli am Halse,
Um den nackten Arm die Spange
In der Form der Kupferschlange.

Scharlachrot geschminkt die Lippen,


Blau geschminkt die Augenränder,
Purpurn ihre Fingernägel,
Purpurrot die Zehennägel.

An den Knöcheln ihrer Füße


Trug sie feine Silberkettchen,
Um die Hüfte einen Gürtel,
Einen breiten Liebreizgürtel.

Abgesehen von der Schminke,


Abgesehen von dem Schmuck war
Lilith eine Splitternackte,
Lüstern alle ihre Reize.
Und der Tor, der Jugendlichte,
Machte mit Frau Lilith Liebe,
Freie Liebe voller Wonne,
Sie beherrschte alle Künste.

Als der Jüngling sich ergossen


In die feuchte Vulva Liliths,
Ist er selig eingeschlafen,
Da hat Lilith ihn verlassen.

Und mit ihren Geierflügeln


Flog sie zu dem Allerhöchsten,
Jenen Jüngling anzuklagen,
Zu verklagen seiner Wollust.

Als der Jüngling an dem Morgen


Aufgewacht von seinem Tiefschlaf,
Wollt er wieder Liebe machen
Mit dem Lotterweibe Lilith.

Da stieg Lilith zu ihm nieder,


Schaute aus wie eine Schlange,
Und die Schlange, die geflügelt,
Hielt ein Schwert in ihrem Flügel.

Lilith stach das Schwert, das scharfe,


Diesem Jüngling in den Busen,
Er verblutend ist gestorben,
Fuhr hernieder in die Hölle.

30

Als Unsre Liebe Frau Marie


Mit Gottes Sohne schwanger war,
Da, auf dem Weg nach Bethlehem,
Ist Lilith Unsrer Frau genaht.

Und Lilith leise lispelte:


Dein Kimdlein abzutreiben rat
Ich dir, Marie, von Frau zu Frau,
Es gibt auch Medizin dafür.

Denn Fessel ist die Mutterschaft,


Gebärmaschine ist doch nicht
Die Frau, die Freiheit nimm du dir,
Ist abzutreiben doch kein Mord.

Das Kindlein ist doch noch ein Fisch,


Das Kindlein ist noch ein Reptil,
Es ist ein kleines Hühnchen erst,
Vielleicht auch schon ein kleiner Hund.
Ein Menschenleben aber erst
Beginnt, wenn es geboren ist.
Und darum ist es sonnenklar:
Abtreibung ist kein Menschenmord.

Und denke, was in dieser Welt


Aus deinem armen Kindlein wird!
Soll kommen es im Stall zur Welt?
Erspar ihm diese Armut doch!

Wo willst du finden denn das Brot?


Soll leben er im Elend denn?
Viel besser wäre da der Tod!
Erlöse deine Leibesfrucht!

Da stampfte Unsre Liebe Frau


Voll Wut mit einem Fuße auf
Und sie befahl Sankt Michael:
Das Böse schaffe aus der Welt!

Gehorsam kam Sankt Michael


Und stürzte Lilith tief hinab
In ewiger Verdammnis Pfuhl!
Da jauchzte Unsre Liebe Frau!

SALOMON UND KARINA

In der Wüste von Ägypten


Salomo war auf der Jagd.
Bei ihm waren seine Freunde
Und er trug den Pfeil und Bogen.

Jagen wollte er den Fuchs,


Doch der Fuchs war listig, schlau,
Und er floh vor Salomo,
So der Fuchs ward unsichtbar.

Salomo verfolgte dann


Eine bunte Wüstenschlange,
Doch die Schlange ist geflohen,
Unsichtbar die Schlange wurde.
Salomo verfolgte dann
Den Schakal und die Hyäne,
Doch die Hinterlistigen
Flohen eilends vor dem Jäger.

Salomo den Geier jagte,


Der beim Aase sich gesammelt,
Doch der Geier flog davon,
Als er sah den Jäger kommen.

Salomo schlich nach dem Hasen,


Unrein ist er, Wiederkäuer,
Frisst erneut den eignen Kot,
Doch der Hase floh davon.

Dann gejagt ward das Kaninchen,


Doch es hoppelte davon.
Friedlich sieht es aus, das Tier,
Aber es ist voller Streitlust.

Salomo den Dachs verfolgte,


Klippdachs in den Felsenklüften,
Doch der Klippdachs ist geflohen,
Ward nicht mehr gesehn vom König.

Der ging nach der Antilope,


Doch die Antilope eilte,
Und wenn eilt die Antilope,
Dann kann keiner sie ereilen.

Salomo nun wollte jagen


Die Gazelle voller Anmut,
Doch sie huschte wie ein Blitz
Und schon ward sie unsichtbar.

Nun verfolgte Salomo


Ein sehr dummes Straußenweibchen,
Die nicht fliegen kann, doch rennen,
Rennt auch schneller als ein Pferd.

Salomo zu seinen Freunden


Auf der Jagd sprach diese Worte:
Heute ist wohl nicht mein Glückstag,
Heute stehen schlecht die Sterne.

Wo sind alle meine Freunde?


Alle haben mich verlassen!
Also klagte Salomo
Plötzlich in der Einsamkeit.
Meine Freunde waren da,
Als ich war erfolgreich, glücklich,
Doch als mich das Glück verlassen,
Da hat Gott mich auch verlassen!

Und nun steh ich einsam da,


Nur Frau Weisheit blieb bei mir.
Ach wie treulos meine Freunde,
Alle ähnlich Hiobs Freunden!

Und nun bin ich unbewaffnet,


Mir entfallen Pfeil und Bogen
Und das Schwert von meinem Vater,
Der den Goliath enthauptet.

Was sind Männer ohne Waffen?


Zwar ich bin der Friedefürst,
Doch versuche einmal, Knaben
Ohne Waffen zu erziehen,

Sie verwandeln jeden Stock


In ein scharfes Heldenschwert
Und sie schnitzen Pfeil und Bogen,
Für Gerechtigkeit zu streiten.

Löwen haben ihre Zähne


Und das Nashorn hat sein Horn,
Doch der Menschensohn hat nichts
Als sein Hirn und seine Waffe.

Und nun hab ich mich verirrt,


Habe selbst den Weg verloren!
Wo ist Osten, wo ist Westen,
Wo ist Süden, wo ist Norden?

Keine Sonne weist am Himmel


Mir den Weg in meine Heimat
Und kein Mond geht auf im Osten
Und ich sehe nicht den Bären.

Keine Straße ist zu sehen


Und von Menschenhand kein Schild,
Keine Bäume, abzulesen
An dem Moos die Himmelsrichtung.

Wehe, mitten in der Öde Mitte


Bin ich! Und nun bricht herein
Plötzlich tiefe Dunkelheit
Und die Finsternis der Nacht!

O du dunkle Nacht der Sinne,


O du dunkle Nacht der Seele,
O du dunkle Nacht des Glaubens,
O du dunkle Nacht des Nichts!

Nacht! Es nennen dich die Weisen


Layla! Alles ist vergeblich,
Alles Nichtigkeit, wenn Layla
Erst die Sinne dir verwirrt!

Und wo bin ich in der Nacht?


Was ist das für eine Gegend?
Eine unbekannte Gegend!
Ach, ist dies der Wald des Bösen?

Also klagte Salomo.


Und der Vater voller Mitleid
Hörte seinen Knecht im Elend
Und ihn tröstete Frau Weisheit.

Plötzlich in der dunklen Nacht


Schaute Salomo ein Weib,
War das Halluzination
Oder ein Erleuchtungsbild?

Ach, ihr Oberkörper nackt


Hatte große Wonnebrüste!
Solche Brüste hatte einst
Babels große Göttin Ishtar!

Und die schwarze Mähne wallte


Wie ein Wasserfall herab,
Reichte zu den großen Brüsten,
Reichte zu der schlanken Taille!

Und sie warf das Haupt zurück


Und mit ihrem nackten Arm
Hielt sie eine Rebentraube
Über ihren schönen Mund.

Und es lachten ihre Lippen,


Sinnlich volle, feuchte Lippen,
Und sie hatte weiße Zähne,
Eine weiße Perlenschnur.

Ihre hellen blauen Augen


Strahlten wie der Ozean
Und es ging ein Leuchten aus
Von den großen offnen Augen.
Und die schwarzen Augenbrauen
Waren feingezogne Bogen,
Zierlich wie der Wahrheit Feder
Auf der Waage des Gerichts.

Ihre Nase war sehr klein,


Wirklich eine hübsche Nase,
Zitternd ihre Nasenflügel,
Zitternd zart vor Zärtlichkeit.

Auf der Stirne war ein Lichtglanz,


So als thronte dort der Gott.
Um die weibliche Gestalt
Eine Aura der Erleuchtung,

So als wär sie übergossen


Von der Gloria der Gottheit
Oder so, als ob erschienen
Selber eine Liebesgöttin.

Salomo sprach zu der Frau:


Schönheit! Nenn mir deinen Namen!
Woher kommst du, wohin gehst du?
Sag mir, wo bist du geboren?

Antwort gab die schöne Frau


Nicht dem König Salomo,
Sondern fragte: Wer bist du?
Was tust du in meinem Wald?

Antwort gab der weise König:


Ich bin König Salomo,
Bin Prophet des Gottes Jahwe,
Gottgeliebter Gottesmann.

Jahwe ist mein Herr und Gott


Und er redet auch zu mir
Und ich gebe seine Worte
Weiter als geschickter Schreiber.

Und ich singe meine Lieder


Wie mein Vater, König David,
Und ich singe sie dem Herrn
Und dem kommenden Messias.

Ich bin König Israels,


König Benjamins und Judas,
Ephraim, Manasse, Josef,
Mann der Tochter Pharao.
Und ich herrsche von dem Euphrat
Bis zum gelben Vater Nil,
Ofir ist mir untertänig,
Tarsis schickt mir seine Schiffe.

Herrscher bin ich aller Tiere,


Und ich spreche über Fleiß
Mit der Ameiskönigin,
Sie erzählt mir ihre Weisheit.

Und mein Bote ist der Hudhud,


Stets verliebter Wiedehopf,
Der dereinst den Kuppler machte
Zwischen Salomo und Balkis.

Und in meinem Siegelringe


Stehen neunundneunzig Namen
Gottes, mit dem Talisman
Bin ich auch der Engel Fürst.

Nicht nur dient mir Gabriel,


Das bedeutet Gottes Kraft,
Sondern auch die Dschinn-Dämonen
Sind mir alle untertänig.

Auch der Kobold muss mir dienen,


Eule auch und Nachtgespenst,
Und wenn ich mich schlafen lege,
Willig ist die Lilith dann.

Also sagte Salomo.


Bei dem Namen Lilith aber
Lachte laut die schöne Frau
Und der große Busen bebte.

Und sie trat zu Salomo,


Stand vor ihm im roten Rock,
Rot wie eine rote Rose,
Ihre Haut so weiß wie Schnee.

Und sie zeigte ihre Schönheit,


Einer Liebesgöttin Schönheit,
Sagte: Willst du meine Milch?
Möchtest du von meinem Honig?

Salomo sprach zu der Frau:


Wohin gehst du? Sag die Wahrheit!
Ich beschwöre dich im Namen
Des Messias, sag die Wahrheit!

Und da sprach die schöne Frau:


Du gebietest, ich gehorche,
Also muss ich dir jetzt sagen,
Wohin ich zu gehen denke.

Ja, ich geh zu einer Frau,


Welche Kinder trägt im Schoß,
Zwillinge im Mutterleibe,
Dräng die Mutter, abzutreiben!

Denn ich möchte ihre Kinder


Fressen, ihre toten Körper
Will ich fressen und ihr Blut
Saufen, so als wär es Wein!

Ihre kleinen zarten Knochen


Möchte ich zu Staub zermalmen
Und den Staub von diesen Knochen
Will ich von der Erde lecken.

Denk dir nichts dabei, o König,


Denn ich bin es so gewohnt.
Selber war ich einmal Mutter,
Schwanger ich mit Leibesfrucht

Dreimal, aber alle meine


Kinder wurden tot geboren,
Und ich fraß die Totgeburten,
Wollte so Magie erlangen!

Du bist weise, Salomo,


Du kennst die geheimen Zahlen
Und die Namen der Dämonen,
Dir gehorchen Dschinn-Dämonen.

Gott der Herr gab dir die Weisheit.


Doch wir ordinären Weiber
Ehren nicht den Vatergott,
Wir begehren die Magie!

Oh, ich wollte die Magie


Nur beherrschen, zu bezaubern
Alle Männer, die ich wollte,
Mit geschriebnem Liebeszauber.

Ich begehrte, wahrzusagen


Aus den Sternen unser Schicksal,
Wollt der Isis Wissen haben
Vom geheimen Namen Gottes!
6

Darauf sagte Salomo:


Ah du Kindermörderin,
Ich verfluche deine Sünde,
Gottes Zorn ist über dir!

Leibesfrüchte abzutreiben
Und die Menschen aufzufressen!
Gottes Fluch auf Satans Werke!
Gott verabscheut diese Sünde!

Zwar die Sünder liebt der Herr,


Will, dass sie sich noch bekehren,
Doch die Sünde hasst der Herr,
Sold der Sünde ist der Tod.

Wer dem Schoß der Frauen naht,


Leibesfrüchte auszusaugen,
Leibesfrüchte auszukratzen,
Leibesfrüchte zu vergiften,

Der ist auf dem Weg zur Hölle!


Und die Hölle ist bereitet
Satanas und seinen Engeln
Und den Sklaven Satans auch!

Dir droht ewige Verdammnis,


O du Kind des Zornes Gottes,
Fluch sei deinem Satanspakt,
Allen Werken der Dämonen!

Mache du dich nicht zur Sklavin


Der Dämonen und der Hölle!
Baue nicht das Reich des Bösen,
Denn sonst trifft dich Gottes Fluch!

Also zürnte Salomo.


Doch es sprach zu ihm die Frau:
Fluche nicht, o weiser König,
Fluche du nicht deinen Feinden.

Dass ich deinen Segen mir


Auch verdiene, will ich sage,
Wie ein Mensch sich schützen kann
Vor dem Unheil, dass ich tu.

Weißt du doch von Lilith auch,


Dass man nur Drei Engel Namen
Schreiben muss auf ein Papier,
Dies als Amulett benutzen.
Gott der Herr gab dir doch Weisheit
Und du kennst der Engel Namen,
Die vor Liliths Fluch dich schütze
Und die Tochter Pharao.

Also rate meinen Namen,


Die vier Namen meines Wesens
Musst du sagen und sie schreiben
Mit dem Griffel auf Papyrus,

Wenn du unter allen meinen


Namen den geheimen weißt,
Unter welchem ich bekannt bin
Bei dem Herrn und seinen Engeln,

Sagst du den bewussten Namen,


Werde ich dich segnen müssen
Und die Tochter Pharao,
Deine Freundin Sulamith.

Da sprach König Salomo:


Wohl, ich kenne dich, du Böse,
Du hast in dir nicht die Liebe
Gottes, gehst den Weg des Irrtums.

Ja, die Engel Luzifers


Kommen oft als Lichtgestalten,
Doch sie dienen nicht dem Herrn,
Weihen sich dem bösen Feind.

Ja, ich kenne Satans Pläne,


Der die Kinder will verderben.
Gottes Arbeit ist die Schöpfung,
Satans Werk der Kindermord.

Du stehst in den Diensten Satans


Und ich kenne deine Namen,
Du bist Liliths Busenfreundin,
Beides Bräute Luzifers.

Salmas heißest du mit Namen


Und al-Hammas heißt du weiter,
Was du treibst, ist Terrorismus,
Mord an Gottes Lieblingskindern!

Umm al-Sibyan heißt du weiter,


Lässt dich Kindermutter nennen.
So auch nennt sich ja Frau Lilith,
Nennt sich gleichfalls Kindermutter.

Mörderinnen seid ihr beide,


Und könnt ihr der Kinder Körper
Nicht vernichten, so verderbt
Ihr die reinen Kinderseelen.

Ihr verderbt die Kinderseelen,


Die so rein am Anfang sind,
Bis sie euch Dämonen gleichen,
Nicht mehr in der Liebe sind!

Nicht nur in dem Nahen Osten


Fürchten Frauen Liliths Schwester,
Sondern auch im Fernen Osten
Fürchten sie die Kuntianak!

Ja, ich kenn dich, Kuntianak,


Dich, den femininen Teufel,
Die du schlägst die kleinen Kinder
Und die Männer treibst zum Selbstmord!

Du machst Männer unfruchtbar,


Und so schön ist auch dein Aussehn,
So ist finster deine Seele,
Voller Bosheit, Zank und Zorn!

Aber denke nicht, ich wüsste


Nicht den eigentlichen Namen:
Die Karina aller Frauen
Bist du und du heißt Tabia!

Als der weise Salomo


Sprach den Namen aus – KARINA
Und TABIA – da erbebte
Salomo trotz seiner Macht

Über alle die Dämonen,


Denn der feminine Teufel,
Die Karina und Tabia,
War sehr mächtig in der Welt.

Plötzlich war die Teufelin


Größer als ein Menschensohn,
Von der Rasse der Giganten,
Welche stolz den Himmel stürmten.

Berge häuften sie auf Berge


Und bekriegten so den Himmel,
Kinder sinds der Mutter Erde,
Sind gesonnen allzeit irdisch.

Die Gigantin war nun größer


Als der kluge Salomo,
Der trotz seiner Intelligenz
Wie ein kleines Kindlein schien.

Und da sprach die Teufelin:


Überwinden kann mich nicht,
Der von einer Frau geboren,
In der Erdenwelt ein Mann.

Ich bin der Triumph der Frau


Und der Großen Mutter Herrschaft,
Nichts bedeutet mir ein Mann,
Nichts ein weiser Menschensohn.

Salomo entgegnete:
Teufelin der Großen Mutter,
Geist der Katzengöttin Isis,
Zeig nur deine scharfen Krallen

Und die Zähne deiner Vulva,


Doch du musst es mir bekennen:
Wer ist mächtiger als du?
Wer kann deine Macht bezwingen?

Und da stöhnte die Dämonin:


Michael, der Drachentöter,
Michael kann mich bezwingen,
Gegen Engel bin ich machtlos.

Salomo im Herzen jauchzte:


Michael, wer ist wie Gott?
Gabriel, Gott ist die Kraft,
Raphael, Gott ist mein Arzt!

Lobpreis allen Engeln Gottes!


Siehe, hier ist Mahanajim,
Doppellager, Heereslager,
Hier der Engel Heereslager!

Cherubinen, Seraphinen,
Mächte, Throne und Gewalten,
Tugenden und Fürstentümer,
Die Erzengel, die Schutzengel!

Dieser Geist der Mutter Erde


Nicht erkannte Salomo,
Sie besaß nicht Gottes Weisheit,
War so dumm wie Straußenweibchen,
Sie erkannte nicht, wie mächtig
War der weise Salomo,
Stets begleitet von den Engeln,
Von der weißen Dame Weisheit!

Salomo sprach im Gebet:


Komm, mein Bruder, rasch zu Hilfe!
Ich bedarf der Bruderhilfe,
Denn ich bin in großer Not!

Bruder, du mein Freund und Bruder,


Hilf mir in der Welt des Hasses,
Da die Menschen sind so lieblos,
Mammon herrscht und Moloch herrscht.

O mein Bruder, Weggenosse,


Rette mich vor den Dämonen!
Ich bin einsam unter Menschen,
Habe nur der Engel Hilfe.

Komm aus deiner Ferne zu mir,


Tröste mich in meiner Not,
Auf der Erde herrscht der Hass,
Keiner will der Liebe dienen.

Michael, Sankt Michael,


Wenn ich bring das Speiseopfer,
Bitte ich Sankt Michael,
Satanas hinabzustürzen.

O mein Bruder, o mein Engel,


Ich bekenne meine Sünden,
Stürze du die Engel Satans
In die Ewigkeit der Hölle!

Ja, die Hölle, sie ist ewig,


Ist Gehenna und Scheol,
Ist bereitet für den Satan
Und die bösen Jünger Satans.

Keine Hoffnung auf Erlösung


Gibt es für die Engel Satans,
Aber von den Menschenkindern
Keiner ist bestimmt zur Hölle.

Gott will alle Seelen retten,


Und so flehe ich dich an,
Führe alle Menschenkinder
Zur Barmherzigkeit des Herrn!

Da erschien der Engelfürst,


Schön war er in seinem Glanz,
Ritt auf einem weißen Pferde,
Mit dem Schwert in seiner Hand.

Silbern war des Engels Rüstung


Und auf seinem Wappen stand:
Wer ist mächtig wie der Herr,
Wer ist mächtig wie El Shaddai?

Michael in seinem Glanz


Kam mit Heeresscharen Engeln.
Mahanajim, Mahanajim
War der Engel Doppellager.

10

Heil dir, starker Michael,


Gruß dir, guter Engel Gottes!
Du bist schön und stark und herrlich,
Also sagte Salomo.

Du bist ja der Schutz der Kinder


Israel, des Volkes Gottes,
Gott ist unsre Wehr und Waffen,
Zebaoth ist unsre Burg.

Wenn die Perser kämpfen werden


Gegen Gottes Augenstern,
Wirst du mit der Perser Engel
Siegreich kämpfen, Michael.

Und wenn die Hellenen kommen


Mit des Hellenismus Weltreich,
Wirst du mit der Griechen Engel
Siegreich kämpfen, Michael.

Ja, ich sah den Satan stürzen


Wie ein Blitz aus hohem Himmel,
Luzifer, der sich erhoben,
Gottes schöner Morgenstern,

Der nicht dienen wollte Gott


Und der Königin der Engel,
Diesen stürztest du hinab
In die Hölle, Michael.

Und die Königin der Engel


Als die Dame in der Sonne
Wird gebären den Messias,
Gottes Sklaven als ein Kind,

Doch der feuerrote Drache


Streitet gegen jene Frau,
Aber du, o Michael,
Bist der Ritter dieser Dame.

Und ich sehe in den Norden,


In das Land der Mitternacht,
Wenn Barbaren sich bekehren
Zu dem Herren Zebaoth,

Wirst du der Germanen Engel.


Und ich sehe auf der Erde
Aufgebaut der Hölle Lager
Und des Antichristen Herrschaft,

Jedem wird zuteil das Seine,


Steht geschrieben an der Hölle,
Und dass Arbeit erst den Affen
Macht zu einem freien Menschen.

Doch die Kinder Israel


Kehren jauchzend heim nach Zion
Und die Schechina-Matrone
Führt die Kinder zum Messias.

Also sagte Salomo


Zu dem Engel Michael
Und der Engel Michael
Sagte zu dem weisen König:

Lieber Freund und Bruder, sag,


Was gebietet mir mein Bruder?
Gerne will ich meines Freundes
Tiefsten Herzenswunsch erfüllen.

11

Salomo zum Engel sagte:


Lieber Bruder, bitte hilf mir,
Diesen Dämon auszutreiben,
Diese Kindermörderin!

Denn wir beten in dem Tempel


Nach Vollzug des Speiseopfers:
Michael, die bösen Geister
Stürze nieder in die Hölle!

Und der Engel lächelte:


Nur die Alten beten so,
Doch die Neuen glauben nicht,
Dass der Teufel existiert.

Aber höre, Salomo,


Dass die weibliche Dämonin
Längst schon überwunden ist
Durch den Namen des Messias.

Zwar ihr Juden wartet noch


Auf den kommenden Messias,
Doch uns Engeln ist er längst
Gegenwärtig in den Himmeln.

Denn der kommende Messias


Ist der Sohn des Allerhöchsten,
Gott von Gott und Licht vom Licht,
Eines Wesens mit dem Vater.

Und es ist der Logos Gottes


Existent vor aller Schöpfung
Und er ist der Engel Schöpfer
Und wir haben anzubeten.

Dieser Logos in dem Himmel


Zeigte mit dem Finger Gottes
Auf Karina, auszutreiben
Diese Kindermörderin,

Und es sprach der Logos Gottes


Mit gebieterischer Stimme:
Vor dem Namen Jehoschua
Sollst du weichen, böser Geist!

Salomo zum Engel sagte:


Wer ist dieser Jehoschua?
Ist es aller Engel Höchster?
Oder ists ein guter Mensch?

Michael gab diese Antwort:


Jahwe ist der wahre Gott,
Ist der Vater in dem Himmel
Und der Schöpfer aller Welten,

Jehoschua (Jahwe rettet)


Ist der Sohn des Hochgelobten,
Ist der Logos, ist der Heiland,
Ist der kommende Messias,

Jahwe nun und Jehoschua


Sind wie Sohn und Vater liebend,
Beider Liebe ist die Ruach,
Heilig, geistig, Odem Gottes!

Und Jeschua mit dem Finger


Gottes austreibt die Dämonen
Und es ist der Finger Gottes
Ruach ha-kadosch, die Geistkraft!

12

Bei dem Namen Jehoschua


Und dem rechten Finger Gottes
Wurde plötzlich die Karina
Krumm und welk wie eine Greisin.

War sie erst der Jugend Liebreiz


Mit den nackten großen Brüsten
Und dem sinnlich vollen Mund
Und der langen Lockenmähne,

Hat beim Namen des Messias


Die Karina sich verwandelt,
Es erblindeten die Augen
Und der Gaumen wurde zahnlos,

Statt der langen Lockenmähne


War das Haar nun dünn und grau,
Statt der glatten Pfirsichwange
Trug sie einen Damenbart.

Statt der voller straffen Brüste


Hatte sie nun Hängebrüste,
Statt des Nabels voller Mischwein
Trug sie nun das Fett am Bauche.

Nicht mehr hüpften ihre Beine


Wie die zierliche Gazelle,
Sondern humpelnd, sondern hinkend
Ging Karina an dem Krückstock.

Nicht mehr war ihr Hintern prächtig


Wie die Hälften eines Apfels,
Sondern auf den Steiß gefallen,
Schmerzte das verletzte Steißbein.

Aber schlimmer als das Welken


Ihres einst so schönen Leibes
War die Dunkelheit der Seele,
Vor dem Zorne Gottes zitternd,

Vor der Herrlichkeit des Engels


Michael zutiefst erschrocken,
Hatte Angst sie vor dem Tod
Und der ewigen Verdammnis.

Michael, der starke Engel


Gottes, aber fuhr gen Himmel,
Er fuhr als ein Knecht zur Mutter
Des verheißenen Messias.

Gruß dir, Mutter des Messias,


Grüßte sie der Engel, Mirjam!
Du erlöse alle Frauen
Auf der Erde von Karina!

13

Und Karina wollte gehen,


Doch der König Salomo
Packte sie an ihrem Arm
Und er zog sie mächtig an sich,

Und er sah ihr Angesicht


Und er war zutiefst erschrocken!
Nein, nicht einer Göttin Antlitz,
Dies war eines Teufels Antlitz!

Antichristlich dieser Teufel


Und auch antimarianisch,
Hier erhob sich stolz die Schlange
Gegen Jahwe, den All-Einen!

Und er sah ihr Angesicht,


Und die langen schwarzen Locken
Waren nur noch graue Strähnen,
In den Strähnen saßen Läuse.

Und die meeresblauen Augen


Oder grünen Katzenaugen
Waren rötlich unterlaufen,
Schwarzer Teufel, rote Augen!

Und die feinen Augenbrauen,


Sonst gewölbt wie eine Waage,
Beim Gericht der Wahrheit Waage,
Wie die feine Feder Maats,

Diese waren schwarz und buschig,


Augenbrauen schwarz und buschig
Aber sind im Antlitz unschön,
Schön sind einzig feine Brauen.

Und die Nase fein und zierlich,


War nun eine Hakennase,
Auf der Hakennase saß
Eine dicke Hexenwarze.

Und die Oberlippe, sonst


Zärtlich zitternd vor Empfindung,
Trug nun einen Damenbart,
Zu behaart war dieses Weib!

Aber in dem roten Mund


Glühten rötlich schwarze Kohlen,
Aus der Nase Nüstern stieg
Ein Gestank und blauer Rauch.

Und die Zunge in dem Mund,


Die so köstlich küssen konnte
Und liebkosen einen Mann
Und des Mannes Glieder lecken,

Das war eine Schlangenzunge,


Die gespaltne Schlangenzunge
Zischte zwischen ihren Lippen,
Lüstern züngelnd, Lügen lispelnd.

Und die Haut des Angesichtes


War nicht mehr wie weiße Jade,
Sondern gelb und welk und faltig,
Wie vergilbte Pergamente.

Salomo zum Dämon sagte:


O Karina und Tabia,
Ich beschwöre dich beim Namen,
Den allein der Priester kennt,

Nenne du mir deine Werke!


In dem kommenden Äon
Satans wirst du als die Göttin
Satans angebetet werden!

Doch dass sich die Frommen schützen,


Die anbeten Gott den Herrn,
Decke deine Werke auf,
Nenne deine Übeltaten.

14

Und Karina hob die Stimme


Und Tabia nun bekannte
Alle ihre Übeltaten
Vor den Ohren des Propheten:
Wenn ein Mann als Bräutigam
Sich verlobt mit seiner Braut
Und sie singen in dem Frühling,
Salomo, dein Hoheslied,

Wenn sie dann die Ehe schließen


Wie einst Adamas und Eva
Und der Mann verlässt die Mutter,
Um dem Weibe anzuhangen,

Und die beiden sich vereinen


Und sind nicht mehr zwei, sind eins,
Und wenn sie, was Gott verbunden,
Nicht als Menschen wieder scheiden,

Ist das wohlgefällig Gott.


Doch wenn Bräutigam und Braut
Hochzeit feiern, feiern Hochzeit
Die Karina und der Karin.

Ja, Karina ist mein Name,


Das bedeutet die Gefährtin,
Und der Karin ist mein Gatte,
Das bedeutet der Gefährte.

Ich, Karina, bin der Schatte


In dem Inneren der Braut
Und der Karin ist der Schatte
In dem Herz des Bräutigams.

Das gibt eine Doppelhochzeit,


Freit die Braut der Bräutigam,
Freit Karina auch der Karin,
Die Dämonin freit der Dämon.

Wenn auf Braut und Bräutigam


Ruht der Vatersegen Gottes,
Stehen Karin und Karina
Unterm Zorn des Weltenrichters.

Aber wie die Weisen sagen,


Freien nicht nur Eheleute
Und dazu auch die Dämonen,
Auch die unbewussten Seelen

Freien sich bei einer Hochzeit


Und der Animus der Frau
Freit die Anima des Mannes
In der mystischen Union.

Doch die Anti-Ehe zwischen


Der Karina und dem Karin
Drängt, die Ehe zu zerstören
Zwischen Braut und Bräutigam.

15

Wenn ich Mann und Frau betrachte,


So erzeuge ich Begierde,
Und so wird die schöne Frau
Nur des Mannes Lustobjekt.

Frauen lehr ich gerne schwatzen


Mit intimer Busenfreundin
Und dabei den Mann verlästern,
Übel stets ihm nachzureden.

Und wenn sich die beiden streiten,


Stift ich Missverständnisse,
Jeder dünkt sich frei von Schuld,
Schuldig ist allein der andre.

Und wenn sich die beiden zanken,


Dann verhindre ich das Schöne,
Dass sie vor dem Schlafengehen
Zärtlich sich versöhnen wieder.

Männer mache ich gefühlskalt


Und die Frauen mach ich wütend,
Dass die Frau mit Fäusten schlage
Wütend auf des Mannes Brustkorb.

Und ich treibe Keile zwischen


Mann und Frau, und ihre Betten
Stelle weit ich auseinander,
Lass ihn auf dem Sofa schlafen.

Frauen schenk ich stolze Herrschsucht,


Lass die Männer protestieren
Gegen ihre Matriarchin,
Die die Frauenherrschaft einführt.

Und wenn Frauen Kinder wollen,


Gebe ich den Männern ein,
Dass sie keine Kinder wollen,
Mache Männer kinderfeindlich.

Und ich flüstre ein dem Mann:


Wünsche dir nur keine Kinder,
Denn die Kinder schmieren Brei
An die weißlichen Tapeten.

Und ich bringe bei der Frau,


Weder Ja noch Nein zu sagen,
Provoziere so den Mann,
Lasse ihn cholerisch toben.

16

Wenn die Frauen in der Ehe


Leben mit den Ehemännern,
Dann erweck ich in den Frauen
Die Begier nach andern Männern.

Wo ward eine Frau gefunden,


Die zufrieden war mit einem
Mann allein, die braucht dazu
Einen zweiten Mann als Hausfreund.

Wenn der Ehemann der Frau


Ist an seiner Arbeitsstelle,
Schicke ich der Frauen Hausfreund
An den Mittagstisch der Frau.

Und ich sage zu der Frau:


Bade deinen weißen Körper,
Aber so, dass auch der Hausfreund
Einen Blick erhaschen kann.

Wenn der Ehemann der Frau


Bei der Arbeit Frauen trifft,
Mach ich diese jungen Frauen
Reizend für den Ehemann.

Und ich lass den Ehemann


Denken über seine Gattin:
Wenn ich von der Arbeit komme,
Wartet zänkisch meine Alte,

Aber diese junge Frau


Schmeichelt meiner Männlichkeit.
Ach, ein Hauskreuz ist die Ehe!
Freie Liebe nur ist himmlisch!

Schließlich wird es in dem Himmel


Keine Ehe geben, sondern
Freie Liebe mit den Mädchen,
Welche immer Jungfrau bleiben!

Also flüstre ich, Karina,


In der Eheleute Ohren,
Ich, die ewige Idee
Jeden Ehebruchs auf Erden.
Woran denn erkennen Richter,
Was da sei ein Ehebruch?
Bei den vielen Ehebrüchen
Sehn sie einzig die Idee,

Die Idee des Ehebruchs


Ist der wahre Ehebruch,
Ehebrüche auf der Erde
Sind nur unreale Schatten.

Ich bin nicht nur die Idee


Jeden Ehebruchs auf Erden,
Sondern bin auch die Idee
Jeder Scheidung einer Ehe.

Ehefrauen mach ich toll,


Dass sie in das Tollhaus kommen,
Dass die Ehemänner sagen:
Nun, ich lass mich von dir scheiden.

Ich begeistre Scheidungsrichter


Und die Winkeladvokaten.
Ich bin die Idee der Scheidung,
Denn ich hasse Liebestreue!

17

Wenn ein Mann in Männlichkeit


Hat ein starkes Mannesglied
Und in seinen Zwillingshoden
Fruchtbar reiche Mannessamen,

Blase ich, Karina, ihn


An mit meines Mundes Odem,
Dass sein Phallus werde schlaff,
Baumle zwischen seinen Beinen,

Dass er nicht errichten kann


Seines Phallus stolze Säule
Und ich blase so ihn an,
Dass der Samen nicht mehr fließt.

Die Millionen Samenzellen


In den Hoden jenes Mannes
Mach ich faul und unfruchtbar,
Keiner kann ein Ei befruchten.

Selbst wenn noch der Same fließt,


Mach ich, dass die Samenzellen
Schüchtern weichen vor dem Ei
In dem Schoß der Ehefrau,
Und die Samen drängeln sich
Von dem Ei der Frau zurück,
Keiner will das Ei befruchten,
Keiner möchte Leben zeugen.

Wenn jedoch ein Mann in Kraft


Noch den Phallus heben kann
Und sein Same auch noch fließt,
Blase ich ihn an, Karina,

Dass er nicht begatten will


Einen Mutterschoß der Frau,
Sondern dass den Samen er
Auf die Erde fallen lässt.

Nicht die Frau soll ihn erregen,


Dass sie fruchtbar schwanger werde,
Sondern seine rechte Hand
Melke Milch aus seinen Hoden.

Kennst du, weiser Salomo,


Die Geschichte von dem Mann,
Der von seiner Mutter ward
Angelogen, dass sie sprach:

Dieser Mann an meiner Seite


Ist dein Zeuger und dein Vater,
Doch der Mann war nicht sein Zeuger
Und der Mann war nicht sein Vater,

Und der falsche Vater schlug


Und verprügelte den Knaben,
Dass der Jüngling schwor: Ich werde
Nie ein Zeuger, nie ein Vater?

Weißt du, was der Jüngling tat,


Als ihm kam die Mannesreife?
Er ließ sich vom Arzt kastrieren,
War steril und unfruchtbar.

Das war mein geheimer Plan,


Dass der schändliche Kastrat
Nicht mehr zeugen Knaben kann,
Nicht Benoni, nicht Benjamin,

Dass er unfruchtbar, steril,


Dass er lebe mit der Frau
So wie der Eunuch im Harem
Mit den zweiundsiebzig Jungfraun!
18

Wenn ich einen Ehemann


Neben seiner Gattin sehe
Liegen in dem Ehebett,
In dem breiten Doppelbett,

Dann erscheine ich dem Mann


In der Nacht in einem Traum
Und ich biete mich ihm an
Als Erfüllung seiner Sehnsucht.

Denn es will der Ehemann


An dem Tage eine Hausfrau,
Welche reinigt die Gemächer,
Nachts begehrt er eine Hure.

Aber seine Gattin keusch


Seine Lustbegier verschmäht
Und die Praktiken des Sex,
Wie man sie im Süden feiert.

Dann erscheine ich als Weib


In des Ehemannes Traum,
Eine blonde Lockenmähne
Fällt auf üppig große Brüste.

Üppig große Brüste hab ich,


Aber eine schlanke Taille.
Und ich beug mich vom Gewicht
Meiner üppig großen Brüste.

Und dann tanz ich mit der Schlange,


Die ich um die Schultern lege
Und ich nehm der Schlange Haupt
In den Mund mit vollen Lippen.

Ich versuche, in dem Traum


Des Gemahles Lust zu wecken,
Dass er in dem tiefen Schlaf
Eine Erektion erfährt.

Wenn ihm dann im tiefen Schlaf


Aus dem steifen Mannesglied
Samen ausfließt, saug ich diesen
Auf mit meinem feuchten Munde.

Und ich locke den Gemahl


Mit dem Spreizen meiner Schenkel,
Dass er sich im Traum vereint
Mit der Phantasie der Wollust.
Wenn ich zwischen meinen Schenkeln
Fühle seinen Phallus, dann
Breche ich mit ihm die Ehe
In der Wollust seines Traums.

Wenn der Mann erwacht am Morgen,


Ist noch heiß sein Mannesglied
Und er muss dem Priester beichten:
Ich betrog mein Eheweib!

19

Wenn ein Mann mit einer Frau


Schlafen will, geb ich ihm ein,
Dass er keine Kinder will,
Dass er Kinder will verhüten.

Also aus dem Ochsendarm


Oder aus dem Gummi schuf ich
Einen Überzieher für
Das potente Mannesglied,

Dass der Mannessamen wird


Aufgefangen in dem Beutel
Und nicht zu dem Ei gelangt
In dem Mutterschoß der Frau.

Also lehr ich Männer streicheln


Ihre Frau mit einem Handschuh
Und ich trenne von dem Sex
Die Funktion der Fruchtbarkeit.

Oder ich belehre Frauen,


In die Vulva Schaum zu schmieren,
Der den Mannessamen tötet,
Noch bevor er zeugen konnte.

Oder ich belehre Ärzte,


Dass sie nicht die Frauen heilen
Und die Unfruchtbaren machen
Fruchtbar, wie es Gott gefällt,

Sondern dass sie Drogen geben,


Die die Fruchtbarkeit der Frau
Durch ein Gift zerstören, so
Dass die Frau wird unfruchtbar.

Oder wenn ein Ei befruchtet


Ist vom Mannessamen schon,
Gebe ich den Frauen Drogen,
Dass das Ei nicht nistet ein
In dem Eierstock der Frau,
Sondern dass die Menschenzelle
Wird vernichtet in dem Schoß
Einer ungewollten Mutter.

Denn ich hasse alle Kinder,


Denn es wird ein Kindlein sein,
Das mich einst vernichten wird,
Gottes eingebornes Kind!

20

Wird die Mutter schließlich schwanger,


Wie sie es von Gott erbeten,
Es erbettelt unter Tränen,
Als erwart sie den Messias,

Lass ich in den ersten Wochen


Oft die Frucht im Schoße sterben,
Einen Klumpen Menschenzellen,
Angetan mit einer Seele.

Wenn den Frauen das geschieht,


Sagen sie, wenn sie sehr fromm sind:
Ein Kind hab ich schon im Himmel,
Das beim Heiland auf mich wartet.

Lange sagten zwar die Priester:


Wenn ein Kind nicht eingeweiht ist
Mit dem Wasser der Besprengung,
In Vorhöllen lebt es leidlos.

Aber weil so viele Kinder


Starben in dem Mutterschoße
OhneWasser der Besprengung,
Sprach ein weiser Hohepriester:

Kinder, die im Schoße sterben


Ohne Wasser der Besprengung,
Können durch des Heilands Gnade
Kommen in den Himmel Gottes.

Wenn das Kindlein überlebte


Seine ersten Lebenswochen,
Sich entwickelt hat im Schoße,
Tret als Dämon ich zum Vater

Und ich flüstre ein dem Vater:


Sage deinem Eheweibe:
Treibe doch dein Kindlein ab,
Unterbrich die Schwangerschaft!

Und dann schicke ich die Frau


Zu dem Arzt, der einst geschworen,
Alles Leben zu bewahren,
Und nun bricht er seinen Schwur,

Und mit einem Messer kratzt


Er den Menschen aus der Mutter
Oder mit dem Schlauche saugt
Er das Leben aus dem Schoß,

Und er nimmt den kleinen Menschen


Und er wirft ihn zu dem Müll,
Nach Gehenna, wo der Müll brennt,
Gott erlöst das Kindlein trotzdem!

Alles das sind meine Werke,


Ich bin die Idee des Frevels,
Kleine Kinder abzutreiben,
Ich, die Kindermörderin!

21

Ich, Karina und Tabia,


Mache, dass die Leibesfrucht
Den Geburtskanal nicht findet,
Diesen Tunnel in das Licht.

Oder wenn die Leibesfrucht


Den Geburtskanal wohl findet,
Mach ich den Kanal so eng,
Dass sie nicht hindurch kann kommen.

Oder dies ist auch mein Werk,


Dass die Mutter zwar gebiert,
Doch gebiert ein totes Kind,
Mutter einer Todgeburt.

Dann kommt nur ein Klumpen Fleisch


Aus dem offnen Mutterschoß,
Unbeseelter Fleischeshaufen,
Nichts als Erde, Kot und Asche!

Oder wenn geboren wird


Von dem Mütterchen ein Baby,
Wickle ich die Nabelschnur
Um den Hals des Neugebornen.

Wenn die Nabelschnur das Kind


Nicht erwürgt, wie ich es plante,
Hat das Kindlein doch ein Trauma,
Und es muss als junges Kind

Neunmal wickeln um den Hals


Einen langen Schal, das ist
Dann sein Trauma, wiederholend
Seinen Schreck bei der Geburt.

Wenn das neugeborne Kind


Liegt dann an dem Mutterbusen,
Schaue ich es böse an,
Werf darauf den bösen Blick,

Denn in meinen Katzenaugen


Ist die Macht des bösen Blickes.
Ja, wenn Blicke töten könnten!
Töten kann mein böser Blick!

Höre dies von einem Mädchen,


Welches war im Mutterschoß,
Doch die Eltern ihres Vaters
Boten tausend Drachmen an,

Wenn das Kind wird abgetrieben,


Tausend Drachmen, ja zehntausend
Drachmen für den Tod des Mädchens!
Also wertvoll ist der Mensch.

Doch das Mütterchen gebar


Dieses Mädchen, gab es dann
In die Obhut seiner Oma,
Die das Mädchen Sophie nannte.

Da hab leider ich versagt,


Denn allmächtig bin ich nicht,
Meine Kraft wird oft beschränkt
Von der Hagia Sophia.

22

Also sagte die Karina


Und Tabia, die Dämonin.
Salomo, der weise König,
Hatte sie dies reden lassen.

Aber nun sprach Salomo:


Dämon, schöre bei dem Namen
Der gebenedeiten Mutter
Des Messias, Herrin Mirjam:

Schwöre, mit den Übeltaten


Und den Freveln aufzuhören
Und fortan zu fördern alle
Fruchtbarkeit in meinem Reich!

Da erzitterte Karina
Vor der Allgebenedeiten
Und so schwor es die Dämonin
Bei dem süßen Namen Mirjam:

Bei dem süßen Namen Mirjam,


Der Dämonen lässt erzittern,
Schwöre ich, Karina, alle
Kimderlein ins Licht zu lassen!

So schwor die Karina. Siehe,


Herrin Mirjam dies bewirkte,
Dass fortan Karina war
Göttin aller Fruchtbarkeit.

O Karina, Liebesgöttin,
Mach den Mannessamen stark,
Mach den Frauenschoß empfänglich,
Kinder lass geboren werden!

Und der weise Salomo


Sagte dieses Weisheitswort:
Lasst die kleinen Kinder kommen,
Deren Engel sehen Gott,

Es gehört den kleinen Kindern


Gottes Himmelsparadies,
Nur wer wie die Kinder wird,
Kann in Gottes Himmel kommen!

INDIEN

DER GÖTTLICHE PHALLUS

Der erhabne Vishnu sprach:


Es war ein all-eines Meer,
Furchtbar wars und unzerteilt,
War gebildet nur aus Dunkel.

Mitten in dem Meer lag ich,


Ich, das ewigliche Wesen,
Mit den Waffen in den Händen,
Tausend Köpfen, tausend Augen,

Tausend Füßen, tausend Armen.


In der Ferne sah ich mächtig
Strahlend wie Millionen Sonnen
Gott, den „Herrn“ die Veden nennen,

Brahma, großen Wissens voll,


Mit den vier Gesichtern Brahma,
Erstursache dieser Welt.
Und im Nu war er bei mir.

Und der Höchste sagte lächelnd:


Wer bist du? Woher bist du?
Warum weilst du hier? Das sag mir,
Mir dem Schöpfer, mir dem Vater!

Als er so zu mir gesprochen,


Sagte ich: Ich bin der Schöpfer,
Der Vernichter dieser Welt,
Immer wieder ihr Vernichter.

Und so wurden wir Rivalen,


Weil die Maya uns betörte.
Zur Erkenntnis uns zu wecken,
Kam der göttergleiche Phallus!

Gottheit ist des Phallus Wesen!


Er sah aus wie heißes Feuer
Bei dem Untergang der Welt,
Und er war gekränzt von Flammen.

Ward nicht kleiner, ward nicht größer,


Ohne Anfang, Mitte, Ende.
Da sprach Brahma so zu mir,
Brahma sprach zum Sohne Vishnu:

Steig den Phallus du nach oben,


Ich den Phallus steig nach unten.
Doch kein Ende war zu finden,
Und so trafen wir uns wieder.

Staunen überfiel uns mächtig,


Wir erschraken vor dem Phallus.
Ganz verblendet von der Maya,
Haben wir uns fromm gesammelt,

Und wir schauten auf den Herrn


Und wir sangen lange Om,
Falteten die Hände betend,
Beteten zum Friedefürsten:
Lob und Preis dem Friedefürsten,
Dir, dem Heiland aller Welt,
Der des Lebens Leiden stillt,
Wurzel ohne Anfang du!

Gott dem Friedefürsten, Brahman,


Dessen Körper ist der Phallus!
Lob und Preis dir, der im Meere
Auflöst alles Universum!

Gott in seinem Flammenkranz,


In Gestalt der Feuersäule!
Lobpreis ihm, der ohne Anfang,
Ohne Mitte ist und Ende!

Fleckenloser Glanz der Gottheit,


Wesen vor der Welten Anfang,
Dessen Körper ist der Weltraum,
Lob und Preis dem Wandellosen,

Lob dem Wahren voller Kraft,


Dessen Körper ist die Zeit,
Gott, dem Friedefürsten, Brahman,
Dessen Körper ist der Phallus!

Als wir so den Herrn gepriesen,


Offenbarte er sich uns,
Strahlte wie Millionen Sonnen,
Als verschlänge er die Himmel!

Tausend Hände, tausend Füße,


Mond und Sonne seine Augen,
Antilopenfell sein Kleid,
Eine Schlange war sein Gürtel,

Pfeil und Bogen in den Händen,


In den Händen einen Dreizack,
Seine Stimme Wolkentrommeln,
Sprach er: Ich bin voller Freude,

Gottheit Brahma, Gottheit Vishnu,


Schaut mich an, den Gott und Herrn,
Lasset fahren alle Angst!
Denn ich habe euch gezeugt,

Euch gezeugt aus meinen Gliedern,


Brahma aus der rechten Seite,
Vishnu aus der linken Seite,
Aus dem Herzen aber Shiva!

Shiva wird die Welt vernichten,


Wird die Welt zusammenraffen.
Meine Freude seid ihr drei,
Götter drei aus Einem Herrn!

Also sprach der große Gott.


Shiva nun umarmte Vishnu,
Shiva nun umarmte Brahma,
Und wir beteten zum Herrn:

Schenke uns die Gnade, Herr,


Dass wir dir ergeben sind!
Der erhabne Herrscher lachte
Und so sagte er zu Vishnu:

Herr der Erde, Gott und Kind!


Du Erschaffer aller Welten,
Du Erhalter aller Welten,
Du Vernichter aller Welten!

Schütze alles, was da lebt!


Dreimal bin ich aufgespalten
In die Kraft der Welterschaffung,
Welterhaltung, Weltvernichtung!

Denn ich bin der Name Brahma,


Denn ich bin der Name Vishnu,
Denn ich bin der Name Shiva,
Eine ungeteilte Gottheit!

Ich bin Gottheit ohne Schminke!


Lasse fahren deinen Wahn!
Unterwirf dich Vater Brahma
Als der Sohn des Vaters, Vishnu!

Shiva, aus dem Mund geboren,


Shiva wird der Dritte sein!
Also sprach der Gott und Herr
Und erwies uns seine Gnade,

Und verschwand im Unsichtbaren.


Und seit jenem Augenblick
Beten wir zum Gottesphallus,
Denn der Phallus ist die Gottheit!

Höchster Leib des unerschaffnen


Brahman ist der Gottesphallus,
Göttlich-großes Wunderwesen,
Davon wissen nichts die Weisen,

Das erkennen nicht Dämonen.


Das ist göttliche Erkenntnis,
Gottes Phallus zu erkennen
Mit dem Auge der Erkenntnis!

Mit dem Auge der Erkenntnis


Nur erkennt der Eingeweihte
Unwahrnehmbar Allerfeinstes,
Gottes Gottheit unausdenkbar!

DIE GÖTTIN MAYA

Einst in seinem Königreich


Herrschte voller Macht ein König,
Schützend seine Untertanen
So als wärens seine Kinder.

Da erhoben sich Rebellen


Und begannen einen Krieg
Und der König ward besiegt,
Und der König ward vertrieben.

Und er ritt auf seinem Pferd,


Kam in eine stille Wildnis,
Dort in einer Einsiedlei
Fand er einen weisen Mann.

Von dem Heiligen geehrt,


Blieb der König eine Zeit.
Aber all sein Denken kreiste
Immer noch um Ich und Mein.

Mein war einst das Königreich,


Jetzt hab ich das Reich verloren.
Werden Revolutionäre
Gut das Königreich regieren?

Und mein edler Elefant,


Trunken stets vom Rausch der Brunst,
Ist in der Gewalt der Feinde,
Welche Freuden wird er haben?

Die mir einst in Treue folgten,


Folgen nun den neuen Herren.
Und mein Schatz, den ich gesammelt,
Den vergeuden die Rebellen.

Also dachte stets der König.


Eines Tages aber sah er
Bei dem Weisen einen Bürger,
Schlicht vom bürgerlichen Stand.

Und der König sprach zum Bürger:


Wie bist du hierher gekommen?
Was schaust du so traurig drein?
Und der Bürger sprach zum König:

Bürger bin ich, heiße Sammlung,


Stamme ab von reichen Eltern.
Meine Frau und meine Söhne
Haben mich vom Haus vertrieben!

Bar des Reichtums meines Vaters,


Ohne Frau und ohne Söhne,
So kam ich in diese Wildnis,
Von den Liebsten ganz verlassen!

Geht es gut auch meinen Söhnen?


Geht es gut auch meiner Frau?
Und wie geht es meinem Bruder?
Und wie geht es meinen Freunden?

Herrscht jetzt Wohlstand in dem Haus


Oder leiden meine Söhne?
Sind die Söhne gut geworden,
Ehren sie den großen Gott?

Sprach der König: Jetzt noch denkst du


Voller Liebe an die Deinen,
Die nach deinem Geld begierig,
Dich aus deinem Haus vertrieben?

Sprach der Bürger: Ja, so ist es.


Was soll ich dagegen tun?
Allzu zärtlich ist mein Herz,
Ich kann nicht mein Herz verhärten.

Gierig nach dem schnöden Geld,


Brachen sie Familienbande,
Aber dennoch denk ich ihrer
Mit dem Herzen voller Liebe.

Ihnen gelten meine Seufzer,


Ihretwegen bin ich traurig.
Warum ist das so, mein Weiser?
Warum ist mein Herz so zärtlich?

Und der König und der Bürger


Gingen zu dem weisen Mann
Und der König sprach zu ihm:
Stets denk ich an Ich und Mein,

Woran liegt das, weiser Mann?


Und der Bürger denkt in Liebe
An die Frau und an die Söhne,
Die ihn aus dem Haus vertrieben.

Beide sind wir voller Unglück!


Mein-Gefühle plagen uns,
Und wir hängen an den Dingen,
Deren Fehler wir doch sehen.

Woher kommt es nur, dass trotz


Der Erkenntnis uns Betörung
Lächerlich umfängt, der Wahn,
Dass wir blind sind für die Einsicht?

Sprach der Heilige und Weise:


Die Erkenntnis haben alle,
Würmer, Vögel, Vieh und Menschen,
Manchmal sind die Hunde treuer

Als die Söhne deiner Mutter.


Schau dir an das Vogelweibchen,
Wie sie ihre Küken füttert,
Ob sie selbst auch Hunger leidet.

Aber alle sind betört!


Mein-Gefühle, Ich-Gefühle,
Das betört die Kreaturen
Durch die Macht der Göttin Maya!

Schlafestrunken ist der Herr,


Sie ist seine Trunkenheit!
Sie, die große Göttin Maya,
Sie betört die Wesen alle!

Die erhabne Göttin Maya


Mit Gewalt reißt auch den Weisen
In den Wirbel der Betörung
Und den Strudel der Verblendung!

Sie entfaltet alle Welten,


Sie erhört voll Huld die Wünsche,
Menschen hilft sie zur Erlösung,
Sie, die große Göttin Maya,

Sie ist voll des tiefen Wissens,


Sie verursacht die Betörung
Und die Bindung an die Welt
Und die Bindung an das Leben.

Sie allein, die Göttin Maya,


Ist die absolute Herrin,
Herrscherin des höchsten Herrn,
Der der Herr der Welten ist!
Sprach der König: Heiliger,
Wer ist diese Göttin Maya?
Wie ist sie geschaffen worden,
Nenn den Ursprung dieser Göttin!

Sprach der Weise: Ewig ist sie,


Ursprungsloser Ursprung ist sie,
Die das Universum schuf,
Ist die unerschaffne Weisheit!

Denn am Ende einer Weltzeit,


War die ganze Welt ein Meer.
Vishnu schlief auf seiner Schlange,
Lag in Schlafes Trunkenheit.

Da entstanden aus dem Schmutz


Seiner Fingernägel ist
Ein gemeiner Antigott,
Dieser wollte Brahma töten!

Brahma sammelte sein Herz


Und er pries die Trunkenheit
Vishnus, der im Schlafe lag,
Doch er wollte ihn erwecken!

Darum rief er an die Herrin,


Die Erschafferin des Kosmos,
Die die Welt im Sein erhält
Und das All zusammenrafft.

Brahma sprach: Du bist das Wort,


Bist die Weisheit und die Kraft!
Gottes Schall, das ist dein Name,
Dich beschwört man mit dem Om,

Alles ist von dir geschaffen,


Alles wird von dir erhalten,
Alles wird von dir vernichtet
Und aufs Neue dann erschaffen!

Große Weisheit! Große Maya!


Große Einsicht! Großes Wissen!
Allerhöchste Herrin Göttin,
Töte du den Antigott!

Du, der ursprungslose Ursprung,


Erstursache dieses Weltalls,
Du entfaltest dich in Dreiheit,
Bist die dunkle Nacht des Todes,

Bist die Wonne! Bist die Scham!


Bist die göttliche Vernunft!
Die Erkenntnis ist dein Zeichen,
Heiterkeit ist dein Gemüt,

Seelenruhe und Geduld!


Nimm zu Händen deine Waffen!
Lieblich bist du, reich an Reizen!
Lieblich bist du, reich an Reizen!

Schöner du als alle Schönen!


Reizender als aller Liebreiz!
Allerhöchste über Hohem,
Allerhöchste Herrscherin!

Was nur irgend ist im Dasein,


Wesen aller Wesen du,
Wer ist mächtig, dich zu preisen?
Hör, der Götter Dreiheit preist dich!

Hab ich dich gepriesen, Göttin,


Dich gepriesen mit der Weisheit,
Die du selber mir gegeben,
Hör mein bittendes Gebet:

Du erwecke Gott den Herrn


Von der Trunkenheit des Schlafes,
Dass er seine Waffe nimmt
Und den Antigott vernichtet!

Diesen Lobgesang des Brahma


Hörte Maya, sie erweckte
Von der Trunkenheit des Schlafes
Gott, den Herrn des Universums.

Da stand auf der Herr der Welt


Von der Trunkenheit des Schlafes,
Krieg zu führen mit dem Dämon,
Er erschlug den Antigott!

So gesiegt hat Göttin Maya,


Die den Herrn vom Tod erweckte!
Alle Götter preisen Maya,
Allgebenedeite Göttin!

SAVITRI

König von dem Volk der Madra


War der König Ashvapati,
Doch er hatte keinen Sohn
Und darunter litt er sehr.
So zur Göttin Savitri
Betete der König viel,
Sie erhört die Wünsche alle,
Göttin ist sie voll der Gnade.

In der Nacht beim runden Mond


Ließ die Göttin selbst sich schauen
Von dem König Ashvapati,
Sie in ihrer schönen Weisheit!

König, du bist mir ergeben,


So schenk ich dir eine Tochter,
Eine strahlend-schöne Tochter
Du erhältst an Sohnes statt.

Sprachs, die Göttin, zu dem König,


Der sich tief vor ihr verneigte,
Und sie wandelte von dannen
In den unsichtbaren Äther.

Malati hieß die Gemahlin


Jenes Königs, gattentreu,
Sie gebar ihm eine Tochter,
Die er nannte Savitri.

Als sie war herangewachsen,


Gab der König ihr zum Gatten
Satyavant. Jedoch ein Seher
Ihm verkündete den Tod.

Ist ein Jahr vorbeigegangen,


Dann wird sterben Satyavant.
Dennoch wollte Savitri
Diesen Schwarzgelockten freien.

Savitri war in dem Hause


Ihres Mannes diesem treu,
Ehrte auch den Schwiegervater
Und die treue Schwiegermutter.

Doch der Schwiegervater wurde


Blind und wurde auch vertrieben
Von den Revolutionären.
Nun, sie flohen in die Wildnis.

Und es kam der Tag, da nur


Noch vier Tage leben konnte
Satyavant. Die fromme Gattin
Savitri begann zu fasten.

Als der letzte Tag gekommen,


Satyavant ging in den Wald,
Blumen, Früchte sich zu holen,
Savitri ging mit dem Gatten.

Mit zerquältem Denken sie


Ihm verbarg die große Angst
Um das Leben ihres Gatten,
Sprach mit ihm von schönen Blumen,

Und er zeigte ihr den Lotos


Und er wies ihr Riesenbäume,
Pries die Kuckucks-Nachtigallen
Und die Tiger in dem Dickicht.

Satyavant zur Gattin sprach:


Sieh im Wald die süße Mango,
Augen lieb und lieb der Nase,
Mehrt im Lenz die Liebeslust!

Siehe den Aschoka-Baum,


Wie so schön die Blüten blühen,
Lacht er mich im Frühling an,
Savitri mit großen Augen!

Sieh die schöne Lichtung dort,


Die Kimschukas blühen dort,
Leuchten hell wie rotes Feuer,
Flammen auf wie Feuerzungen!

Aus dem Walde steigt der Duft


Wundersüß der Mangoblüten,
Fühle, wie die Luft uns schmeichelt,
Nimmt uns alle Müdigkeit!

Hinter jenem Waldesrand


Stehen Karnikara-Bäume,
Savitri mit großen Augen
Und mit blendend-schönen Brüsten!

Siehe dort die Schlinggewächse,


Wie sie ranken in die Höhe,
Savitri mit schlanker Taille
Und mit honigsüßem Mund!

Summen honigtrunkne Bienen,


Zieht der Liebesgott einher,
Spannt die Sehne seines Bogens,
Savitri, du Allerschönste!

In dem Walde hallt das Echo


Von der Kuckucks-Nachtigall,
Vogelschnäbel schimmern golden
Von dem Saft der süßen Früchte!
O dir gleicht die Nachtigall,
Du mit deinem Zeichen auf
Deiner strahlend-lichten Stirn,
Du mit deinem dritten Auge!

Und die Kuckucksnachtigall


In dem Mangobaum ist trunken,
Gleicht dem weisen Edelmann,
Der durch Tugend sich verrät.

Von der Blume zu der Blume


Zieht die Hummel durch den Wald,
Voller Liebe trunken summend,
Stets der Vielgeliebten nach!

O, ihr Leib ist goldbestäubt


Mit den goldnen Blumensamen!
Und das Männchen mit dem Weibchen
Kostet von dem Mangonektar!

Dort im Wipfel jenes Baumes


Sieh die schwarze Krähenmutter,
Wie sie ihre Jungen füttert
Mit dem Wurme in dem Schnabel!

Sieh das junge Haselhuhn


In der Mulde dort des Bodens,
Ach, vor Liebeskummersehnsucht
Nimmt es keine Speise zu sich!

Auch der Sperling hängt voll Lust


An dem Schoße der Geliebten,
Immerneu erregt sein Spiel
Wahrhaft Liebender Begehren!

Dort das Papageienmännchen


Mit dem Papageienweibchen
Wiegen sich auf schwerem Ast,
Der von reifen Früchten taumelt!

Dort im Dickicht steht der Löwe,


Satt vom blutigroten Fleisch,
Ist er in den Schlaf gesunken,
Träumt die wilden Löwenträume!

Sieh den Tiger in der Höhle,


Zwischen seinen Pranken liegt
Die Geliebte, Augenglitzern
Scheint der Höhle Raum zu spalten!

Dort das Pantherweibchen leckt


Immer wieder den Geliebten,
Immer mit der Zungenspitze
Lust bereitet sie dem Panther!

Und die Äffin mit dem Affen,


Sie verschaffen sich die Wonne,
Ruht sein Kopf auf ihrem Schoß
Und er schlummert selig sein!

Auch der wilde Kater krallt


Seine Schöne, Bauch nach oben
Liegt sie und er beißt sie, aber
Tut ihr doch nicht weh, der Schönen!

Hase auch und Häsin sind


Eingeschlafen beieinander,
Leib und Füße ganz verschmolzen,
Niemand kann die beiden scheiden!

Und der Elefant voll Brunst


Badet in dem Lotosteich
Und dann bringt er seiner Liebsten
Lotoswurzeln ihr zur Speise!

Und die Wildsau mit den Ferkeln


Folgt den Spuren ihres Liebsten
Und macht Bissen aus den Wurzeln,
Die er mit dem Rüssel ausgräbt!

Und der Büffelstier, der Starke,


Der sich in dem Schlamm gewälzt,
Folgt voll mächtigem Verlangen
Seiner Liebsten durch den Wald!

Savitri mit schlanken Gliedern,


Sieh die hüpfende Gazelle,
Wie sie mich voll Wissbegier
Prüfend anschaut, ob ich liebe!

Siehe, das Gazellenweibchen


Kratzt sich mit den Hinterbeinen
Das Gesicht, mit Zärtlichkeit
Rührt sie das Gehörn des Gatten!

Sieh die Yak-Kuh mit dem Schweif,


Diese rührt sich nicht zum Gehen,
Toll vor Liebe macht der Büffel
Über sie sich her mit Hoheit!

Sieh den Wildstier mit Gemahlin


Freun sich an der Sonnenglut,
Wie er wiederkäut, die Krähe
Kräftig von dem Nacken schüttelt!

Sieh den Ziegenbock mit Gattin,


Wie er sich am Baume aufstemmt,
Früchte zu erlangen sucht,
Die verlockend oben hängen!

Sieh das Wildschwein mit der Gattin,


Wie es zieht durch die Gewässer,
Scheinbar ist ihm seine Gattin
Eine lange Lotospflanze!

Früchte habe ich gesammelt,


Savitri mit feinen Brauen,
Blumen hast auch du gesammelt,
Jetzt will ich das Brennholz sammeln.

An dem Ufer dieses Teiches


Ruh im Schatten du der Bäume,
Weile einen Augenblick,
Ruh dich aus, o Vielgeliebte!

Sagte Savitri: Das tu ich,


Doch entferne du dich nicht
Von dem Pfade meiner Blicke,
Denn ich habe Angst im Wald.

Also sammelte er Brennholz


Unter der Geliebten Augen,
Er voll Saft und Kraft des Lebens,
Todgeweiht in ihren Augen.

Da er Brennholz sammelte,
Da befiel ihn schlimmes Kopfweh.
Schmerzgequält ging er zu ihr:
Sprach: Ich habe solches Kopfweh,

So als ging ich in die Nacht,


Ich erkenne gar nichts mehr.
Lass mich meinen Schädel legen
Dir in deinen Schoß, Geliebte!

Ich will schlafen, sprach der Mann


Zu der gattentreuen Frau,
Augen trüb vor Müdigkeit,
Schlief er ein in ihrem Schoß.
DIE ILSE
ERSTES LIED

Muse, singe mir die Ilse,


Sing die Wanderung der Ilse,
Die beginnt beim Hexenbrocken,
Endend bei der Weisheit Gottes!

Östlich von dem Brockengipfel


An dem Hang der Heinrichs-Höhe
Da beginnt die Fluss-Prinzessin
Ilse ihren Lauf des Lebens.

Mai, du schöner Mond der Wonne,


Lieblicher Marien-Monat,
In dem Mai erblickte Ilse
Christi Licht, das Licht des Kosmos.

Bis zum zehnten Lebensjahre


Herrschte über Mutter Deutschland
Finsterste Dämonenherrschaft
Nationaler Sozialisten.

Tochter Zion ward gekreuzigt,


Brachte dar den Holocaustus,
Brachte dar das Ganzbrandopfer
In der Drangsal Feuerofen.

Tausend Meter überm Meere


Ist die Quelle der Prinzessin
Ilse, welche ward geboren
Aus der Höhe von dem Schöpfer.

Denn von Mutter und von Vater


Stammt der Embryo im Schoße,
Aber Gott der Schöpfer küsste
In den Leib die schöne Seele.

Seele, eingehaucht vom Vater,


Ebenbild des Christus Jesus,
Mit dem Kuss des Geistes Gottes
Kamest du in deinen Körper.

Ilses Seele, Gleichnis Gottes,


Freiheit ist in dir und Liebe,
Gottes Schöpfung ist dein Anfang,
Endlos bist du und unsterblich.

Seele, in dem Kosmos bist du


Ein Atom nur und ein Quäntchen,
Doch umspannst du im Gedanken
Die Unendlichkeit des Kosmos.

Größer bist du als der Kosmos,


Denn das All begreift dein Denken.
Du bist Ebenbild der Gottheit,
Partnerin des Schöpfergottes.

Ach der niedliche Gebirgsbach,


Ach die kindliche Prinzessin
Wandte sich zuerst gen Norden,
Heimlich rauschend unter Felsen.

Die versteckte Ilse nannte


Man die heimliche Prinzessin,
In der Kindheit noch verborgen,
Was sie später werden sollte.

Dunkle Jahre ihrer Kindheit,


Da der inkarnierte Dämon
Und der Antichrist den Weltkrieg
Wüten ließ auf Mutter Erde.

Wären nicht die Maienblumen


Da gewesen am Geburtstag.
Lobe Gott den Herrn, o Seele,
Für der Maienblumen Schönheit!

In dem weiteren Verlaufe


Ist die Ilse gut zu sehen.
In die Felsen eingeschnitten,
Fließt sie in dem Ilsentale.

Nicht zu sehn ist nur die Ilse


In der Anmut ihrer Jugend,
Auch zu hören ist die Ilse
Mit dem Jubelschrei der Jugend:

Achter Mai! O Tag von Deutschland,


Da Germania, die Jungfrau,
Wiederfand den Seelenfrieden,
Auferstanden aus Ruinen!

Nach der Kindheit dunklen Ängsten,


Nach der Angst im Bombenkeller,
Kam der Jugend neues Leben,
Mädchen konnten wieder kichern,

Mädchen konnten wieder lachen:


Freiheit, schöner Götterfunken!
Und die jungen Mädchen tanzten
Auf den Gräbern der Soldaten.
So sagt Rumi auch, der Derwisch,
Dass die wahren Gotteskinder
Tanzen lachend auf den Gräbern,
Feiern frohe Auferstehung!

Sichtbar sind die Ilsefälle,


Hörbar sind die Ilsefälle,
Diese rauschenden Kaskaden,
Wasserfälle, Gottes Schöpfung!

Lachende Kaskaden fallen


Nieder wie ein weißer Schleier.
Die Natur, die grüne Mutter,
Sie ist wie ein Schleier Gottes.

In der Schöpfung ist verborgen


Die geheimnisvolle Gottheit,
Und es offenbart die Schöpfung
Schön des Schöpfers Gottesschönheit!

Doch verschleiert ist die Gottheit,


Die geheime, offenbare,
Schleier fällt um Schleier nieder,
Erst im Tode sinkt der letzte

Schleier vor der Gottesschönheit!


Rasch, herunter mit dem Schleier!
Gottheit, lass uns schaun dein Antlitz,
Selig schauen deine Schönheit!

Nun verlässt Prinzessin Ilse


Frohgemut den Harz, den Brocken,
Und sie mündet in die Oker,
Und sie endet in dem Meere.

Ilses Seele, wenn sie heimkehrt


In den Ozean der Liebe
Gottes, wird sie nicht verlieren
Die Persönlichkeit als Ilse.

Ewig wird sie nicht erlöschen


In der Leere des Nirvana,
Sondern ewig selig leben
In Vereinigung mit Jesus!

ZWEITES LIED

Singen will ich von dem Brocken,


Von dem höchsten Berg im Harze,
Tausend Meter überm Meere
Steht der Gipfel ohne Bäume.

Viele Gottes-Gnaden-Dichter
Einst bestiegen diesen Brocken,
Also Johann Wolfgang Goethe
Und der Spötter Heinrich Heine.

Oben auf dem Brocken stärken


Kann man sich am leckern Mahle,
Nicht gerad am Abendmahle,
Denn dort sammeln sich die Hexen.

Feiern nicht den Sabbath Jahwes,


Feiern dort den Hexensabbath,
Beten zu der Göttin Luna
Und dem Sohn-Geliebten Satan.

Hören wir der Hexe Predigt,


Wie ich selber einst sie hörte
Von der Hexe namens Lilith,
Meisterin der Esoterik:

Gott ist nicht Person! Die Gottheit


Ist die Energie des Kosmos,
Dieser Gott, die Kraft der Kräfte,
Ist kein Du: Ich bin es selber!

Aus dem Schoße dieses Gottes


Ausgeflossen ist der Kosmos,
So das All ist selber göttlich.
Glauben wir ans Universum!

Richten wir doch unsre Wünsche


Sehnlich auf das Universum
Und mit der Magie des Wünschens
Wir bekommen was wir wollen.

In dem Kosmos, welcher göttlich,


Walten Gottes Energieen,
Und der Energieen Kraftfeld
Überzieht die Mutter Erde.

Darum weise Geomanten


Spüren dieser Erde Kraftfeld,
Kraft des Drachen, Kraft des Phönix
Wird gebündelt im Feng-shui.

Auch die Seele selbst ist göttlich,


Ausgeflossen aus der Gottheit,
Ohne Anfang, ohne Ende,
Lebt sie ewig auf der Erde.
Ich war selber einst Prinzessin
An dem Hof der Pharaonen,
Später war ich auch Prinzessin
In dem Staate der Azteken.

Ewig kehrt die Seele wieder,


Um ihr Karma abzutragen,
Wenn sie selber sich erlöst hat,
Dann erlöscht sie im Nirvana.

Geistig ist die Parallelwelt


In dem Universum droben,
Da die lichten Engel leben,
Luzifer und seine Geister.

Geistig ist die Seele, göttlich,


Sie muss sich nur selbst entfalten,
Sich verwirklichen zum höhern
Selbst, das ist der innre Christus

Oder auch der innre Buddha,


Ist die Göttlichkeit der Seele.
Seele, du bist eine Gottheit,
Bist ein inkarnierter Engel!

Und die Seele, welche göttlich,


Wohnt in einem groben Körper.
Neben diesem groben Körper
Gibt es einen feinen Körper.

Dieser geistige Astralleib


Nur besteht aus Energieen,
Und er bildet eine Aura,
Welche Seher sehen können.

Ist nun Körper oder Psyche


Krank, so fehlts an Energieen,
Yin und Yang sind nicht harmonisch
Mehr im geistigen Astralleib.

Dann bedarf es des Schamanen,


Des begabten Geisterheilers
Oder eines Reiki-Meisters
Oder eines Homöopathen,

Eines China-Mediziners,
Der das Chi lässt wieder fließen,
Oder eines Yoga-Gurus,
Der die Energie lässt fließen.

Wenn der Kraftstrom wieder frei ist,


Dann verwirklicht sich die Seele,
Wird das höhre Selbst, wird Christus,
Und der Mensch wird selber Gott.

Also sprach die Hexe Lilith.


Aber in dem Brockengarten
Sehen wir den Abendnebel,
Sehen graue Nebelschwaden.

Nebulöse Weltanschauung
Will vernebeln unsre Hirne
Wie mit einem Haschischrausche
Zur Erweitrung des Bewusstseins.

Die Vernebelung des Denkens


Durch Genuss von Drogenpilzen,
Wie sie die Azteken aßen,
Oder Antidepressiva,

Von Tollkirschen, Fliegenpilzen,


Die Vernebelung des Denkens
Zur buddhistischen Erleuchtung
Zeigt in Halluzinationen

Plötzlich das Gespenst des Brockens!


Ja, ich sah die Große Göttin,
Luna, Hekate, Diana,
Allerhöchste Frauenwürde,

Eine Königin des Himmels


War sie als ein junges Mädchen,
Eine süße Bettgenossin
War sie als erwachsne Dame,

Eine Greisin voller Weisheit


War sie in des Alters Würde,
In der Hand hielt sie die Schere,
Lebensfäden abzuschneiden.

Diese große Muttergöttin


Ist die Königin des Mondes,
Sie ist Halbmond, Vollmond, Neumond,
Herrschte einst im Matriarchate,

Da die Gottheit Große Mutter


Hatte einen Sohn-Geliebten,
Alter Gott des Matriarchates,
Den die Christen Satan nennen! -

Weiche von mir, alter Satan,


Ich gehöre Jesus Christus!
Aber nun zurück zur Ilse,
Zu der frommen Schwester Ilse!
DRITTES LIED

Hier steh ich, auf Heinrichs Höhe,


Hier steh ich und kann nicht anders:
Jahwe ist ein Gott der Gnade,
Voll Barmherzigkeit ist Jesus!

Diese schöne Heinrichshöhe


Ist des Brockens Nebenkuppe,
Ist bewaldet schön mit Bäumen:
Gottes Geist ist neues Leben!

Diese grüne Heinrichshöhe


Blüht inmitten jener Zone
Eines nationalen Parkes
Oben auf dem Harzgebirge.

An dem Osthang dieser Höhe


Liegt das Quellgebiet der Ilse.
Komm, o Geist des neuen Pfingsten,
Gieße aus dein Liebesfeuer!

Gottes Geist kam auf die Ilse!


Vorher war der Ilse Seele
Ein Gestank, der stieg gen Himmel,
Eine Blasphemie des Höchsten!

Ohne ihr Verdienst, aus Gnade


Kam der Geist wie eine Taube
Nieder auf der Ilse Seele
Und bekehrte sie von Herzen!

Die Bekehrung kam von oben,


Gottes Gnade schenkte Glauben,
Die Prinzessin Ilse aber
Gab ihr Jawort wie Maria.

Ruach ha kadosch, die Geistkraft,


Wie die Feministen sagen,
Schwebte sanft wie eine Taube
Brütend auf der Ilse Wassern.

Ilse, rauschende Prinzessin,


Höre du den Ruf der Taube,
Hör den Liebesruf der Taube,
Hör der Turteltaube Girren!

Du bist neu geboren, Ilse,


Durch die göttliche Bekehrung!
Metanoia, Herrin Buße,
Hat erneuert deine Seele!

Christen gehen in die Kirche,


Sie erfüllen Sonntagspflichten,
Aber Ilse voll des Feuers
Zeugin ist für Gottes Liebe!

Halleluja! Gott ist König,


Gott ist eine Große Mutter!
Hosianna! Gott ist Richter,
Gott ist Süßigkeit und Sanftmut!

Sankt Johannes einst, der Täufer,


Taufte mit dem keuschen Wasser,
Diese Taufe war ein Zeugnis
Für die Buße einer Seele.

Aber Christus kommt zur Ilse,


Sie mit Gottes Geist zu taufen!
Kinder dieser Welt wird Jesus
Christus taufen mit dem Feuer!

Einst der Seher Joel sagte:


Kommen in den letzten Zeiten
Wird ein neues Pfingsten, Gottes
Geist kommt über Magd und Sklave!

Gottes Mägde werden sehen


Himmlische Visionen, Träume
Werden träumen Gottes Mägde,
Werden schauen Gottes Schönheit!

Ilse, rauschende Prinzessin,


Du erlaube Gottes Geistkraft,
Deine Seele zu verwandelt,
Aus der Wüste in den Garten!

Ilse, durch den Geist wird deine


Seele werden Gottes Eden,
Paradies wird deine Seele,
Wird Jerusalem, Braut Gottes!

Lass uns steigen auf den Brocken,


Lass uns gehn zum Brockenteiche,
Lass uns stehn im Brockentore
Und frohlockend Jesus singen!

Lass uns ziehn die Brockenstraße


Und auf dem granitnen Gipfel
Oben in dem Brockentore
Singen: O wie süß ist Jesus!
Jesu Name ist noch süßer
Als der Honig aus den Waben,
Jesus süßer ist als Zucker,
Süßer ist als Schokolade!

Süßer Jesus, o was willst du?


O wie wird mir? Jesus redet:
Die Vereinigung der Kirchen
Ist die Sehnsucht meines Herzens!

Neunzehnhunderteinundsechzig
Ward gesperrt die Heinrichshöhe
An der innerdeutschen Grenze,
Da errichtet ward die Mauer

Von dem Staat der Kommunisten,


Der die Arbeiter und Bauern
Und die Intellektuellen
Sperrte in sein Staatsgefängnis.

Diktatur des Kommunismus


Wollte in der Welt errichten
Paradiese, ohne Gottes
Gnade, nur durch Krieg der Klassen.

Revolutionären Hasses
Kampftrupp, dieser militante,
Radikale Atheismus
Nur versklavte alle Menschen.

Aber in den Menschen wieder


War erwacht der Schrei nach Freiheit:
Freiheit, schöner Gottesfunken,
Gnadenvolle Tochter Gottes!

Und die Christen in der Kirche


In dem Staat des Sozialismus
Beteten um Freiheit, Freiheit,
Und der Vater sie erhörte.

Herrin Freiheit kam vom Himmel


Und zerbrach die innerdeutsche
Grenze mit dem Stacheldrahte
Und mit der Berliner Mauer.

Und es ward der Osten Deutschlands


Einig mit dem Westen Deutschlands,
Einzig durchs Gebet der Christen
Und die Gnade unsres Retters.

Christus liebt das Volk der Deutschen,


Ganz besonders freut sich Christus,
Wenn die blonde Mutter Deutschland
Singt aus Dankbarkeit Tedeum!

Neunzehnhundertneunundachtzig
Wieder ward vereinigt Deutschland,
Sang Tedeum, sang die Ode
An die Freude, Gottes Tochter!

Frei war wieder nun der Brocken,


Das Gespenst des Brockens strahlte,
Lichter Kreis und Regenbogen,
Segnete den Brockengarten,

Segnete die deutschen Frauen,


Segnete die deutschen Knaben.
Unsre Liebe Frau von Deutschland
Segnete den deutschen Dichter.

VIERTES LIED

Ilse-Tal, so wildromantisch,
Du Gebirgstal im Südwesten
Von der festen Burg der Ilse:
Feste Burg ist uns der Herrgott!

Feste Burg und Wehr und Waffen!


Wenn auch tausend Teufel wüten
Auf der abgefallnen Erde,
Ilse will dem Herrgott dienen!

Tausend Meter in der Höhe


Rein entspringt Prinzessin Ilse
In der Näh des Brockengipfels,
Fließt dann durch bizarre Felsen.

Und der Weg an dem Gebirgsfluss


Führt durch eine schöne Landschaft,
Reicher Wanderweg des Harzes,
Schön sind auch die Ilsefälle.

Keusche Nymphe du des Wassers,


Du erinnerst an die Taufe.
Aber nicht wie bei Baptisten
Ist die Taufe nur ein Zeichen

Der Bekehrung eines Menschen,


Denn das ist Johannestaufe,
Die ein Zeugnis ist der Buße,
Christus aber tauft mit Geistkraft,
Darum ist das Bad der Taufe
Sakrament, ein Wirken Gottes,
Da die Erbschuld abgewaschen
Und die Gnade eingegossen

Und die Seele reingewaschen


Und die Seele neu geboren
Wird als eine Tochter Gottes,
Nicht geboren von dem Fleische,

Aus dem Samen eines Mannes,


Aus dem Blute einer Mutter,
Sondern wird von Gott geboren,
Wird in Christus Gottes Tochter.

Und nun lebt im Seelen-Innern


Gottes Gnade, Gottes Leben,
Die Dreifaltigkeit im Innern
Lebt fortan ihr Gnadenleben.

Außerdem noch überragen


Viele hohe Felsenklippen
Wie die Paternosterklippe
Und der Ilsetein das Bergtal.

Denn wir beten Paternoster,


Söhne wir und Töchter Gottes,
Gott ist wirklich zarter Vater
Und ein mütterlicher König.

Vater unser in dem Himmel,


Heilig ist dein Name Jahwe,
Lass dein Reich bald zu uns kommen
Und erfülle dein Begehren

Wie im Himmel so auf Erden.


Gib das Abendmahl uns täglich
Und erlass uns unsre Schulden,
Wir verzeihn auch unsern Feinden.

Du bewahr uns in der Prüfung,


Schütz uns vor dem Glaubensabfall,
Schütze uns vor Satans Angriff,
Und erlöse alle Seelen!

Dein ist doch das Reich des Himmels,


Dein ist Macht und Kraft des Lebens,
Dein die Herrlichkeit, die Schönheit:
Ewigkeiten! Ewigkeiten!
FÜNFTES LIED

In dem Ilsetal südwestlich


Von der Ilseburg die Ilse
Überwindet eine Höhe,
Welche hundert Meter hoch ist.

Dabei stürzt das keusche Wasser


Dieses wilden Flusses rauschend
Über viele Wasserfälle
Als Kaskaden nieder talwärts.

Die Natur, die große Mutter,


In Jahrtausenden erschaffen
Hat hier eine attraktive
Formation aus Fels und Wasser.

Aus der Tradition geworden


Ist das liebe Buch der Bücher,
Ilse, immerdar studiere
Du die Biblia, die Herrin.

Worte, inspiriert vom Geiste,


Muss man kuhgleich wiederkäuen,
Meditieren Gottes Worte,
Diesen Liebesbrief des Höchsten.

Alten Testamentes Bücher


Sind nicht alt dem wahren Christen
Und des Neuen Testamentes
Bücher sind auch altehrwürdig.

Ilse liebt so sehr die Psalmen,


Darin Gottes Dichter David
Die Jahrtausende beschenkte
Mit der königlichen Trauer

Und dem Jauchzen und Frohlocken,


Seinem Retter Dank zu sagen:
Alles was da lebt und atmet,
Singe Jahwe Halleluja.

Mir, geringstem Sklaven Gottes,


Geht’s wie Goethe einst und Nietzsche,
Dass ich lieb des Alten Bundes
Bücher mehr noch als die neuen.

So sprach Kierkegaard, der weise:


In dem Alten Testamente
Lieben Menschen, hassen Menschen
Ganz wie in den Dramen Shakespeares.
Ilse, hast du schon gelesen
Salomonis Lied der Lieder?
O Prinzessin Ilse, liebe
So den Bräutigam, den Christus.

Deine Seele sei die Freundin


Jesu Christi, deines Freundes,
Welcher spricht zu deiner Seele:
Schön bist du, o meine Freundin!

Dieses Lied der Liebeslieder


Nannten die Rabbinen Zions:
Allerheiligstes der Bibel,
Mystik von der Gottes-Ehe!

Menschen unterteilten aber


Diese Ilse-Wasserfälle
In die obern Wasserfälle
Und die untern Wasserfälle.

Steht man aber vor den hohen


Rauschenden Kaskadenfluten,
Ist es schwer für einen Menschen,
Eine Grenze zu erkennen.

Diese Ilsefälle können


Einen Eindruck hinterlassen
Großer Schönheit in der Seele
Durch harmonische Vereinung

Großer Schöpfungselemente
Mit den kleinen Elementen
Dieser schönen Schöpfung Gottes,
Bild der großen Schönheit Gottes.

So das Wort kommt auch von oben


Und von unten kommt das Beten.
Kauen wir die Worte wieder
Wie die Kuh es mit dem Gras tut,

Beten wir zum Herrn im Geiste


Und beginnen alle Tage
Mit der Stille im Gebete
Und beenden auch den Tag so.

Früh am Morgen wir beginnen


Mit der Bibel und dem Beten,
Wenn ins Bett wir gehen wollen,
Lesen wir noch in der Bibel.

Und wir beten Davids Psalmen


Und wir beten Paternoster,
Beten Liturgie der Kirche
Und persönliche Gebete.

Immer mit dem Herzen beten


Wir zu unserm zarten Vater,
Zu dem mütterlichen König,
Beten viel für unsre Lieben.

Wenn wir früh am Morgen Gottes


Willen im Gebet erkannten,
Tun am Tag wir Gottes Willen,
Beten abends: Herr, Erbarmen!

SECHSTES LIED

Die Prinzessin-Ilse-Quelle
Ist der Mineralien Quelle
In dem untern Tal der Ilse
An dem Fuß des Ilsesteines.

Sie entspringt im Brunnenhause,


Das gebaut im alten Stile.
Dieses Brunnenhaus ist aber
Nicht zugänglich für die Menschen.

Der Prinzessin-Ilse-Quelle
Wasser wurde gern getrunken.
Wie Franziskus will ich beten:
Wasser, keusche Schwester Wasser,

Lobe Gott den Herrn, o Schwester,


Du auch, schwarze Mutter Erde,
Luna auch, den Schöpfer lobe!
Du auch, Körper, Bruder Esel!

Aber unsre fromme Ilse


Rauschte betend in ein Kloster,
Sah das Kruzifix und machte
Über sich das Kreuzeszeichen:

In dem Namen unsres Vaters


Und des Sohnes und des Geistes.
Diesen Christus an dem Kreuze,
Nackt bis auf den Schurz der Lenden,

Liebte Ilse, sie erkannte,


Dass der Herr für sie gestorben,
Er den Liebestod gestorben
Einzig für Prinzessin Ilse,
Der vom Tode auferstanden
Und den Weg für sie bereitet,
Dass Prinzessin Ilse flute
In das Meer der Liebe Gottes.

SIEBENTES LIED

Ilseburg liegt an dem Nordrand


Von dem Harz, ein mildes Klima
Bietet diese Stadt den Gästen,
Wälder sind in der Umgebung,

Auch das grüne Tal der Ilse


Mit den Blumen der Romantik,
Heinrich Heine ist gepilgert
Auch zu der Prinzessin Ilse.

Hier entstanden ist im Jahre


Tausend ein geweihtes Kloster,
Da die frommen Mönche lebten
Nach des Benedikt Gesetzen.

Hier ist auch die Klosterkirche


Im romanisch schlichten Stile.
In den Bauernkriegen aber
Haben Jünger Thomas Müntzers

Abgerissen diese Kirche.


Aber sie ward neu errichtet
Und erneut geweiht zur Feier,
Christen kommen zu dem Herrnmahl.

Selig ist, wer ist geladen


Zu dem Hochzeitsmahl des Lammes!
Hier vor dem Barockaltare
Mit den schönen Schnitzereien

Weihe ich Prinzessin Ilse


Der gebenedeiten Weisheit:
Ewge Weisheit, menschenfreundlich,
Ewge Weisheit, segne Ilse!

SANKT ANNA UND LUTHER


1

Bin ich doch der Martin Luther,


Der bekannt ist bei den Freunden
Wegen großen Weingenusses,
Frauendienst und Liedersingen.

Denn ich hab dem Volk aufs Maul,


Aufs genäschige geschaut,
Und das Volk hat mir gesagt,
Dass ein Tor bleibt immerdar,

Wer nicht liebt den roten Wein


Und die schönen jungen Mädchen
Und die himmlische Musik,
Also bleiben diese drei.

Lustig ist die Jugendzeit!


Bin ich einmal alt und grau,
Wein ich in Erinnerung
An die wilde Jugendzeit.

In der Jugend spar ich nicht


Meine liebe Jugend auf,
Schließ sie nicht in den Tresor,
Spare sie nicht auf der Bank.

Frisch geliebt ein schönes Weib!


Liebe bringt mir einen Reim:
Einmal liebte ich ein Käthchen,
War ein honigsüßes Mädchen!

Wer in seiner Jugend nicht


Diente einem schönen Mädchen,
Der ist niemals jung gewesen,
Was im Alter er bereut.

O gestrenge Herrin Weisheit!


Heute will ich lustig sein
Und ein Narr in Christo sein,
Später folge ich der Weisheit.

Wenn man will ins Kloster gehen,


Was ich wirklich gar nicht will,
Muss man süße Sünden sammeln,
Dass man was zu büßen hat.

Aber in das Kloster will


Ich nicht gehen, denn nur Männer
Bitten um Barmherzigkeit
In dem düstern Männerkloster.
Wenn schon Klosterleben, dann
Möchte ich ein Glöckner sein
Im belebten Frauenkloster,
Junge Nonnen zu verführen.

Aber nun genug geschwätzt


Von dem jungen Mädchenvolk,
Kichern sie doch töricht nur,
Keine Weisheit ist bei ihnen.

Wer kein junges Mädchen küsst,


Der soll küssen seinen Becher
Mit dem Purpurtraubenblut.
Jesus Christus ist der Wein!

Jesus Christus ist der Wein,


Der soll strömen mir im Blut!
Ja, mein Blut sei Jesu Wein,
Aber bitte kein Verschnitt!

Schenkt mir keinen Essig ein,


Mischt auch keine Galle drunter!
Der französische Messias
Soll mir strömen in das Blut!

Wenn ich dann vom Wein betrunken,


Lieb ich Donna Musica,
Höre gern mir Opern an
Und gemeine Gassenhauer.

Auf den Sternen gibt’s Musik,


So sagt schon Pythagoras,
Und im Himmel gibt’s Musik,
Engel singen dort Choräle.

Die Musik berauscht mein Herz,


Wie der Rotwein mich berauscht,
Wie ein junges schönes Mädchen
Mit der Schönheit mich berauscht.

Paulus glaubte an die Dreiheit,


An den Glauben, an die Hoffnung,
An die Liebe, diese drei,
Doch die Liebe ist die Schönste.

Martin Luther auch wie Paulus


Preist die Dreiheit: Junge Mädchen
Und der Wein vom Frankenreich
Und berauschende Musik.

Also schließ ich meinen Psalm


Von der süßen Lebenslust
Und den Wonnen meiner Jugend
Und ich singe Sela drauf.

Ich hab leider nun studiert


Jura. Fluch den Advokaten,
Bösen Winkeladvokaten,
Die verkaufen arme Kinder!

Was die Witwe hat zu leiden,


Der man ihre Enkel nahm,
Kümmert nicht die Advokaten,
Sie verhöhnen alte Witwen!

Was die Waisenkinder leiden,


Denen Vater starb und Mutter,
Kümmert nicht die Advokaten,
Sie verschachern Waisenkinder!

Die Verbrecher lieben sie,


Sie verteidigen die Mörder,
Schuld und Unschuld ist egal,
Wichtig nur der Sieg im Streit.

Wenn der Nero nur noch lebte,


Der die Christinnen und Christen
Opferte im großen Circus
Seinen Löwinnen und Löwen,

Da die Römerinnen, Römer


Sahen das Martyrium
Als Vergnügen und als Spaß,
Ja, wenn Nero heut noch lebte,

Wollten wohl die Advokaten


Nero gern verteidigen
Vor dem Richter Jesus Christus,
Und es spricht der Advokat:

Hohes Weltgericht, o Richter,


Richter Ihr von Höchsten Würden,
Kaiser Neros Zahl des Namens
Ist sechshundertsechsundsechzig,

Das ist wahr, der ist ein Teufel


Und ein böser Antichrist,
Aber lasset Ihr, o Richter,
Gnade nur vor Recht ergehen,

Und begnadigt noch den Satan,


Dass er in dem Himmel komme!
Was nun diese Zahl betrifft,
Die Sechshundertsechsundsechzig,

Weise ich nur darauf hin,


Dass der weise Salomo
Rente jeden Monat einnahm
Von sechshundertsechsundsechzig

Silberlingen wie einst Judas,


Doch der arme Teufel Judas
Hatte nicht soviel verdient,
Ach, nur dreißig Silberlinge.

Also, Hohes Weltgericht,


Gnade lasst vor Recht ergehen,
Satan sprecht nur frei und Judas
Und die Advokaten auch.

Also spricht der Advokat.


Aber was für ein Gesicht,
Eine selige Vision,
Ich seh Frau Justitia!

Das ist eine große Frau,


Übermenschlich-riesenhaft!
Das ist wohl die hohe Göttin,
Welche Orpheus einst besang?

Lange schwarze Haare trägt


Diese Göttin-Teufelin,
Und vor ihren bösen Augen
Eine rabenschwarze Binde!

In der frechen Rechten hält


Sie die Waage des Gerichts,
Doch die Linke hält sie auf
Und sie bettelt: Gib mir Geld!

Wie einst Zeus zu Danae


Kam im goldnen Regenstrom,
So erfleht Justitia
Auch des Geldes große Gnade.

Käuflich ist die Göttin-Hure


Und sie breitet ihre Beine,
Dass der Freier in das Höschen
Schiebe einen großen Geldschein.

Diese große Göttin-Hure


Ist des Advokaten Gattin,
Seine mystische Gemahlin,
Unfruchtbar ist ihre Ehe.

Unfruchtbar ist ihre Ehe,


Der Justizrat ist entmannt,
Also klauen sie die Kinder,
Klauen arme Waisenkinder.

Gott erlöse mich vom Hass!


Ach, ich hass Justitia,
Dieses böse Hurenmonstrum,
Hasse sie mit heißem Hass!

Gott, zur Buße meines Hasses


Will ich einen Psalm dir singen
Von der schönen Herrlichkeit
Göttlicher Gerechtigkeit.

Einmal gibt es den Prozess,


Eine Akte Martin Luther,
Selig will man mich wohl sprechen,
Vorbild für die deutsche Kirche?

Dann tritt auf in dem Prozess


Laut der Advokat des Teufels,
Und ich höre schon die Rede
Dieses Advokats des Teufels:

Martin Luther ist nicht selig,


Martin Luther ist nicht heilig,
Sondern ein Häretiker,
Feind der Kirche und ein Ketzer.

Martin Luther hat zerrissen


Christi makellosen Leib,
Und die Kirche, Christi Braut,
Ward zerrissen von dem Ketzer.

Martin Luther hat durchbohrt


Mit dem Schwert der Häresie
Jenes makellose Herz
Heiligster Ecclesia.

Und weil Martin Luther hat


Christi schönen Leib zerrissen,
Darum kamen neue Lehren
Auf von neuen Häresien.

Dann wird Gott, das reine Sein,


Gottheit werden der Entwicklung,
Dann wird Gott sich wandeln in
Die Natur und in den Menschen

Und vom Menschen oder mehr noch


Von dem deutschen Philosophen
Als dem menschgewordnen Gott
Wird dann Gott erlöst und wird

Mit der Welt vereinigt Weltgeist.


Und es kommen neue Ketzer,
Welche lehren, die Entwicklung
Braucht nicht mehr den Gott des Werdens,

Sondern die Natur des Menschen


Selbst wird sich entwickeln in
Dialektischen Prozessen
Bis zum Paradies auf Erden.

Dieses wird erreicht durch Kämpfe


Revolutionären Hasses
Und geleitet von der Garde
Der Partei, der Avantgarde,

Die errichten wird auf Erden


Eine Diktatur der Klasse,
Eine Herrschaft der Partei,
Herrschen wird durch Terrorismus.

Und so wird die halbe Erde


Ein Regime des Terrorismus,
Statt des Erdenparadieses
Haben wir die Erdenhölle.

Dieses alles ist das Werk


Martin Luthers, dieses Ketzers.
Schließt ihn aus vom Seelenheil,
Schließt ihn aus der Kirche aus!

Also reden wird des Teufels


Advokat bei dem Prozess
Meiner Seligsprechung, aber
Reden wird der Geist des Herrn,

Nämlich dieser Geist des Herrn


Ist der Advokat des Christen.
Lobpreis diesem Advokaten,
Diesem höchsten Parakleten,

Diesem Tröster aller Christen,


Der vermählt ist seiner Braut,
Unsrer Lieben Frau Maria,
Unsrer lieben Advokatin.
Ave Advocata nostra!
Unter deinen Sternenmantel
Flieh ich Doktor Martin Luther,
Schirme mich vorm Zorne Gottes!

Denn ich sehe, schau, ich sehe


Jesus Christus an dem Himmel
Mit erhobner Rechten seines
Armes mit dem Kelch des Zornes!

Schrecklich ist der Zorn des Lammes!


Bald wird er die Menschheit strafen!
Kommen werden Katastrophen,
Krieg und Terror, Meeresbeben,

Weil die Menschheit abgefallen


Von dem Glauben an den Herrn,
Drohend ist erhoben Christi
Rechte der Gerechtigkeit.

Und nur Unsre Liebe Frau


Hält die Drohung noch zurück
Und erwirkt Barmherzigkeit
Für die schuldbeladne Menschheit.

Ave Advocata nostra!


Schütze mich vorm Zorn des Lammes!
Selbst der Papst muss sich bekehren,
Sich bekehren Patriarchen,

Und bekehren muss sich noch


Doktor Martin Luther! Jesus,
Bete bitte du für mich
Beim gestrengen Vatergott!

Denke ich an meinen Vater,


Der mich zeugte in dem Schoß
Und im Blute meiner Mutter,
Aber Gott die Seele schuf,

Denke ich an meinen Vater,


Denk ich an den kalten Mann,
Dessen Herz ist wie ein Stein,
Der mich oft geschlagen hat.

Ja, ich weiß noch, wie als Kind


Ich die goldne Nuss gestohlen,
Als mein Vater das entdeckte,
Hat er kräftig mich verprügelt.

Vater heißt der Herr im Himmel,


Vater aller Vaterschaft.
Was auf Erden Vater ist,
Ist des Vaters Ebenbild.

Herr, du strenger Vatergott,


Wie viel Buße muss ich leisten,
Deine Liebe zu verdienen?
Wann hab ich genug geleistet?

Wie viel gute Werke muss


Ich den armen Menschen tun?
Nie bist du zufrieden, Vater,
Nie hab ich genug getan.

Deine Liebe kenn ich nicht,


Vater, aber deinen Zorn.
Hoch erhoben ist dein Arm,
Straft die schuldbeladne Menschheit!

Wir sind Sünder, höchster Vater,


Wir sind nichts als Staub vor dir,
Eitelkeit der Eitelkeiten,
Enden einst als Würmerkot.

Aber du bist Gott der Vater,


Du bist Gott der strenge Richter,
Der verdammt der Sünder Seelen
In die ewige Verdammnis!

Bin ich nicht vorherbestimmt


Zu der ewigen Verdammnis?
Reitet nicht der böse Satan
Dreist auf meinem krummen Rücken?

Ich tu Buße, Buße, Buße


Für die Sünden meiner Jugend,
Ja, auf Knieen will ich kriechen
Auf der Pilgerschaft nach Rom.

Auf der frommen Perlenschnur


Will ich zählen Tugendakte
Und den Himmel mir erkaufen
Durch das Gold der guten Werke.

Ablass will ich mir erwerben,


Denn es fürchtet meine Seele
Fast wie ewige Verdammnis
Die Tortur des Fegefeuers!
Vater, strafe meine Seele!
Wen du liebst, o strenger Vater,
Den bestrafst du mit der Rute,
Züchtigst ihn mit Kreuz und Tod!

Schau, es sammeln schwarze Wolken


Sich am tiefen Himmelsdach
Und es zittern starke Eichen
Vor dem kommenden Gewitter.

Wie der Schall so schnell der Regen


Und es platzen die Melonen.
Ach hier steh ich armer Sünder
Und ich kann mich nur noch fürchten!

Donner sind des Vaters Sprache,


Blitze sind des Vaters Sprache,
Wetterwinde, Wirbelstürme,
Erdenbeben, Meeresbeben!

Gott kommt donnernd zum Gerichte


Und von seinem Himmelsthron
Dröhnen Donner laut wie Trommeln,
Zücken Blitze grell und schnell.

Gott ist zornig! Seine Blitze


Sind die Fackeln des Gerichts
Und vor seinen Donnerschlägen
Bebt die schuldbefleckte Menschheit!

Vor dem Donner seiner Wut


Flieht die fluchbeladne Menschheit
In den Schutz der starken Eichen,
Doch die starken Eichen stürzen!

Gottes Zorn im lichten Blitz


Spaltet noch die stärkste Eiche!
Wo ist Schutz und Schirm vor Blitzen?
Wer beschützt mich vor dem Herrn?

Santa Anna!

Anna, Anna, meine Liebe,


Du der Gottesmutter Mutter,
So Großmutter des Messias,
Anna, das bedeutet Gnade,
Denk ich an dein frommes Leben,
Wie du mit Joachim lebtest,
Wie du kinderlos geblieben
Lange Zeit, dein Schoß verschlossen,

Wie du da im Lorbeerbaum
Sahest eine Nachtigall,
Eine Mutter, Küken fütternd,
Die Natur so mütterlich,

Wie du sprachest zu dem Herrn:


Herr, der Sarah fruchtbar machte,
Schenk mir bitte doch ein Kind!
Wenn du mir ein Kindlein schenkst,

Weihe ich mein Kindlein dir,


So wie Mutter Hanna tat
Mit dem Knaben Samuel,
Den sie auch von Gott erbeten.

Schenkst du einen Knaben mir,


Dann ist er vielleicht der Christus.
Schenkst du eine Tochter mir,
Dann ist sie vielleicht die Christa –

Gott verzeih! Ich mein natürlich:


Dann vielleicht ist meine Tochter
Mutter des Messias Gottes,
Ist vielleicht die Mutter Gottes!

Weihen werde ich mein Kind


Und es in den Tempel geben,
Dass es lerne die Torah
Und den Gottesdienst des Herrn.

Also sprachest du, Sankt Anna,


Und ein Engel kam zu dir,
Gabriel vom Himmel kam:
Sei gegrüßt, o Mutter Anna,

Gottes Antlitz seh ich lächeln


Über dir, Begnadete,
Und du wirst ein Kind gebären,
Eine makellose Tochter,

Unbefleckt ist deine Tochter


Seit der Stunde der Empfängnis
Und sie wird die Mutter Gottes
Durch des Geistes Schöpferkraft.

Also sagte Gabriel.


Anna, also gabst du Antwort:
Ich bin eine Magd des Herrn,
Mir geschehe Gottes Wille.

Und du standest in dem Goldnen


Tore von Jerusalem,
Und Joachim kam, umarmte
Dich und küsste dich sehr keusch.

Und jungfräulich ward empfangen


Mariam, die Makellose,
Mariam, die Mutter Gottes,
Mariam, des Vaters Mutter.

Anna, preisen will ich dich


Als der Makellosen Mutter,
Mutter du der Unbefleckten,
Makelloser Konzeption.

Denn in deinem Mutterschoße


Ward, in deinem Ei und Blute,
Anna, in dem Uterus
Mariam von Gott erschaffen.

Gott der Vater ist ein Künstler,


Der beschaut sehr gern sein Kunstwerk.
Und es ist der Schöpfung Krone
Eine schöne junge Frau.

Gott betrachtet als ein Künstler


Liebend gern sein Meisterwerk,
Dies ist Unsre Liebe Frau,
Welche Gott in dir erschaffen.

Zwar die Pfaffen Dominiks


Leugnen, dass Maria ist
Makellose Konzeption,
Sie beflecken gern die Frau –

Doch die Jünger von Franziskus


Und vor allen der Duns Scotus
Glauben an die Unbefleckte,
An die makellose Jungfrau.

Christus ist doch der Erlöser


Aller Kreatur auf Erden,
Also Christus ist Marias
Retter auch und ihr Erlöser.

Christus ist die Weisheit Gottes


Und die Weisheit hat für sich
Selbst ein goldnes Haus geschaffen,
Eine makellose Mutter.

So die Weisheit schuf im Hinblick


Auf die Rettung an dem Kreuz
Ihre eigne Jungfrau-Mutter
Und bewahrte sie vor Schuld,

Gottes Weisheit sie bewahrte


Vor der Erbschuld, die wir alle
An uns haben als das Erbe
Evas, seit sie fiel in Sünde.

Nur in deinem Schoß, o Anna,


Nur in Annas Uterus
Lebt die reine Kreatur,
Allerreinstes Abbild Gottes,

Gottes musterhafte Frau,


Gottes Genius der Frau,
Die Idee der Weiblichkeit,
Die mein reinstes Ideal.

Darum preis ich deinen Schoß


Mehr noch als den Garten Eden,
Weil Maria schöner noch
Als die ungefallne Eva!

Anna, du bist schön und lieblich,


Denn dein Nomen ist ein Omen,
Anna, das bedeutet Gnade,
Das ist griechisch aber Charis.

Anna, du bist Gottes Charis,


Charis aber beim Homer
Ist die Ehefrau Vulkans,
Ist die Göttin Aphrodite.

Anna, du bist Aphrodite,


Aphrodites Liebreizgürtel
Wird ja Charis auch genannt,
Schwör ich bei dem Liebreizgürtel.

Charis oder Gnade, Anna,


Das bedeutet Charme und Liebreiz,
Anmut, Zauber, Huld und Schönheit,
Freundlichkeit und Lieblichkeit.
Und das ist dein Wesen, Anna,
Und ich seh dich im Gesichte,
Zweiundzwanzig Jahre jung,
Sehe ich dich in der Sonne,

Vor dem Tor Jerusalems,


Stehen vor der Goldnen Pforte,
Vor dem Tempel Salomos,
Vor dem goldnen Haus der Weisheit,

Und dein junger Körper ist


Ganz von Sonnenlicht umflossen,
Und ich seh dein Haar im Licht
Glitzern schön wie goldne Locken,

Und ich seh dein Lachen, Mädchen,


Lachenliebende Geliebte,
Deine weißen Zähne sind
Eine fromme Perlenschnur,

Deine blauen Augen strahlen


Wie der himmlische Azur,
Und du segnest mich, o Mutter:
„Dir dankt Gottes Mutter, Luther.“

Und die himmlische Vision


Deines Körpers in der Sonne,
Deines Angesichtes Licht,
Lässt mich denken an den Namen

Gottes, der Hananja heißt,


Gott ist Charme und Huld und Schönheit,
Gott ist Glanz und Lieblichkeit,
Freundlichkeit und Dank und Liebreiz!

Anna, bei der Lichtvision


Deiner Schönheit und bei deinem
Liebreizgürtel schwör ich, Herrin:
Ich will leben ehelos!

Wie der Heiland Jesus sagt,


Manche sind ja schon verschnitten
Von Geburt und mache sind
Von der Welt verschnitten worden,

Aber manche, die verschneiden


Selber sich fürs Himmelreich.
Und Origenes verstand
Das als wörtlichen Befehl
Und er nahm ein scharfes Messer
Und schnitt ab das Mannesglied,
Wie die Priester einst getan,
Die gedient der Großen Mutter,

Jene Galloi, die beschreibt


Lukian in dem Bericht
Von der Göttin Syriens,
Der Eunuchen-Priester dienten.

Aber ich will nicht entmannt


Ohne Glied die Welt durchwandeln,
Aber wie einst Eliezer
Schwor dem Vater Abraham

Und der Diener seine Hand


Schwörend legte an das Glied
Des geweihten Patriarchen,
Also schwöre ich, o Herrin,

Lege meine Hand zum Schwur


Zwischen deine Beine, Herrin,
Du erbitte mir von Gottes
Heiligkeit das Charisma,

Gottgeweiht und ehelos


Auf dem Erdenkreis zu leben.
Denn wie Paulus der Apostel
Schrieb in einer der Episteln:

Wenn der Mann vermählt mit einer


Ehefrau, dann sorgt er sich,
Der Geliebten zu gefallen,
Ist nicht ungeteilt bei Gott.

Wenn er aber ehelos


Ist wie der Apostel Paulus,
Sorgt er sich ums Himmelreich,
Er ist ungeteilt bei Gott.

Dass ich aber ehelos


Leben kann in dieser Welt,
Da doch selbst die große Rom
Ist ein einziges Bordell,

Darum weih ich meine Keuschheit


Deinem Liebreizgürtel, Anna,
Und im mystischen Verlöbnis
Ich vermähle mich mit dir.

10
O du hochgeliebte Anna,
Ich will von der Welt geschieden
Gottes Wort nur meditieren,
Meister sein im Meditieren.

Doch ich will nicht meditieren


Über die gemeine Leere,
Die erfüllt die innre Seele,
Sondern über Gottes Wort.

Denn die Worte der Torah


Und die Worte der Propheten
Und der ganze Psalter Davids
Und das Evangelium

Sind doch inspiriert vom Geist.


In der Menschen Redeweise
Offenbart der Geist des Herrn
Die Mysterien der Gottheit.

Lectio divina nennt man


Doch der Mönche Bibellese,
Lectio divina will ich
Üben morgens und am Abend.

Wenn ich aufsteh von dem Schlaf,


Will ich Gottes Bibel lesen,
Wenn ich nachts dann schlafen geh,
Les zuletzt ich in der Bibel.

Und ich will die Bibel lesen


In dem selben Geist, in dem sie
Auch geschrieben ist, dem Geist des
Auserwählten Gottesvolkes,

In dem Geiste der Apostel.


In dem Sinne Christi les ich
Auch das Alte Testament,
Dann ist auch das Alte jung.

Ohne Altes Testament


Kann man nicht verstehen das
Neue Testament von Christus,
Eins erleuchtet doch das andre.

Anna, Anna, wie sehr lieb ich


Doch das Alte Testament!
Da wird noch geliebt, gehasst,
Wird gemordet und gezeugt!

Wie ich meditieren will,


Anna, will ich sagen dir:
Wie die Kühe wiederkäuen,
Essen will ich Gottes Wort.

So ein Wort muss man historisch


Sich erklären und moralisch
Deuten und auch allegorisch
Im Zusammenhang der Schrift.

Und so lang ich nicht hebräisch


Lesen kann und auch nicht griechisch,
Nehme ich Hieronymus
Und studiere die Vulgata.

Anna, Anna, preisen will ich


Die Vulgata, die Gemeine,
Die erwähle ich von Herzen
Mir zu meiner Busenfreundin.

Die Vulgata, meine Freundin,


Trägt sehr schöne Seidenkleider,
Das bedeutet, das man wörtlich
Und historisch nimmt die Schrift.

Die Vulgata, meine Freundin,


Ist noch schöner splitternackt,
Das bedeutet, das moralisch
Man den Sinn der Bibel deutet.

Die Vulgata, meine Freundin,


Ist vor allem schöne Seele,
Das bedeutet, allegorisch
Legt man aus die Schrift auf Christus.

Die Vulgata, die Geliebte,


Will ich Tag und Nacht durchkämmen,
Bis ich sie so ganz durchdrungen,
Dass wir eins und einig sind.

Dann will ich der Gatte heißen


Der Vulgata, der Gemeinen,
Die nach zwanzig Jahren Ehe
Ist noch immer enge Jungfrau!

11

Anna, Anna, meine Liebe,


Meine Mutter in dem Himmel,
Täglich will ich Messe feiern
Und das Opfer zelebrieren.
Mutter du der Mutter Gottes,
Ist mir doch als höre ich
Deine Stimme zu mir reden
Und mir diese Botschaft geben:

„Du, mein Schatz, sollst dich verlieben


In das Allerheiligste
Sakrament des Hochaltares
Und die Kommunion ersehnen!“

Danke, himmlische Geliebte!


Denken muss ich an Tibull,
Der Frau Delia geliebt hat,
Wie sie der Poet genannt hat,

Die in Wahrheit aber hieß


Hostia, die Vielgeliebte
Hostia war Minneherrin
Dieses römischen Poeten.

Wenn der Priester hebt das Brot,


Ruft er betend: Hostia
Immaculata, makellose
Opfergabe an den Vater!

Also schenk ich alle meine


Liebe dieser Hostia
Immaculata! Hostia
Immaculata ist mein Herzlieb!

Hostia, ich will dich lieben,


Morgens küssen, abends küssen
Will ich Herrin Hostia
Immaculata voller Inbrunst!

Ehelich vereinigen
Will ich mich der Hostia
Immaculata in der Mystik
Der Union mit Gott dem Herrn.

Mystische Union soll sein


Meine eheliche Einung
Mit der Herrin Hostia
Immaculata voll der Gnade!

Anna, Anna, manchmal denk ich,


Wenn ich seh des Heiles Becher:
Das ist nicht das Blut des Christus,
Ach, das ist Marien Milch!

Spricht man von der Eucharistie,


Von der göttlichen Eucharis,
Will ich mich verlieben in
Unsre Liebe Frau Eucharis!

Makellose, Makellose,
Meine Herrscherin Eucharis,
Küss mich mit dem Kuss des Mundes
Und verein dich meinem Leib!

Leibliche Vereinigung
In dem Sakrament der Liebe
Mit der Herrscherin Eucharis
Ich vollzieh im Brautgemach!

Anna, Mutter voll der Gnade,


Bitte du den Christus Jesus:
„Habe du Geduld mit meinem
Armen Doktor Martin Luther,

Wenn er nicht so häufig kommt


Zu dem Sakrament des Leibes,
Wenn er nur im Geiste feiert
Diese mystische Union!“

Also sage du zu Jesus.


Dann durch dein Verdienst, o Anna,
Du ersetze mir vor Christus,
Was mir an Verdiensten fehlt.

12

Anna, meine Quasi-Göttin,


Ich verspreche, viel zu beten.
Denn du stehst auf einem Berg,
Rufend: „Bete, bete, bete!“

Also will ich beten lernen


Von den schönen Psalmen Davids.
Mögen mir Rabbiner singen
Davids Psalmen zu der Harfe.

Lernen will ich, so wie David


Gott die Seele auszuschütten,
Alle Klage, alle Wonne,
Allen Jammer, allen Jubel.

In den Psalmen ist es Gottes


Geist, der uns das Beten lehrt.
Psalmen sind ja Wort des Herrn,
Das uns lehrt, zu Gott zu beten.

Aber nicht nur will ich lesen


Die geschriebenen Gebete,
Sondern mit dem eignen Herzen
Will ich stammeln Lobpreis Gottes.

Gottes Weisheit will ich preisen,


Anfang dies der Gottesfurcht.
Ja, als Sohn des Vaters will ich
Heiligen den Namen Jahwe.

Danken will ich Gott von Herzen


Für die reichen Gnadenströme,
Danken, dass mich liebt der Vater,
Weil ich seinen Christus liebe.

Bitten will ich meinen Gott,


Dass er täglich mir mein Brot gibt,
Alle meine Sorgen wälz ich
Auf die Providentia.

Bitten will ich für das Heil


Der mir anvertrauten Seelen,
Gottes Liebe möge sich
Allen Menschen offenbaren.

Anna, Anna, das Gebet


Ich vergleich mit einem Garten.
Wenn man die Gebete liest,
Schleppt man noch den Wassereimer,

Um den Garten zu bewässern,


Später gräbt man dann Kanäle,
Die den Garten fruchtbar machen,
Wenn man betet mit dem Herzen.

Wenn man dann im Geiste betet,


Kommt der Regen von dem Himmel,
Himmelsregen, Himmelssonne
Machen blühend schön den Garten.

Wenn der Tau des Geistes kommt,


Wachsen Rosen rot der Liebe,
Wachsen Lilien weiß der Reinheit,
Wachsen Veilchen blau der Demut.

Anna, Anna, das Gebet


Ist wie eine Königin,
Junge Mädchenkönigin,
Die zum König Zutritt hat.

Gott der Vater ist der König,


Der die Königin empfängt.
Nicht der Papst hat so viel Großmut
Wie der mütterliche König.

Schließlich will ich Nächte lang


Nur noch Gottes Namen hauchen.
Jahwe, Jahwe, Jahwe hauch ich,
Immer nur den Namen Gottes.

Alle Seufzer meiner Seele


Leg ich in den Herzensruf:
Ach weh mir, ach weh, mein Jahwe,
Herr, o Herr, o Herr, o Gott!

13

Anna, Anna, o Geliebte,


Gottes Jungfrau will ich lieben.
Ward ich doch als Kind getauft
Und Maria stand am Becken.

Hab ich doch als Kind zur Weihnacht


Gottes Mädchen stets besungen,
Sang, wie Mariam und Josef
Beteten zum Gotteskind.

Bis zum Tod in meiner Zelle


Soll das Bild des Mädchens stehen,
Nicht von Menschenhand gemalt,
Von Maria selbst erschaffen!

Keine Heidengöttin ist sie,


Denn die Göttinnen der Heiden
Sind so schwül, lasziv und sinnlich,
Unsre Liebe Frau ist keusch.

Aber ich will auch nicht lästern


Wie Helvetius, der Narr,
Der behauptet, dass die Jungfrau
Söhne, Töchter noch gehabt.

Die vor der Geburt des Herrn


Unberührte Jungfrau war,
Blieb auch bei des Herrn Geburt
Eine unverletzte Jungfrau,

Und nach der Geburt des Herrn


War sie noch intakte Jungfrau.
Christus ist der Gottesknecht,
Unsre Frau die Gottesmagd.

Wenn das Fest von Pfingsten kommt,


Wart ich, dass der Papst verkündet:
„Inkarniert in Unsrer Frau
Ist der Geist der Heiligkeit!“

Makellose Konzeption
Ist der Geist in der Drei-Einheit,
Makellose Konzeption
Ist Maria, Braut des Geistes.

Unsre Frau ist Sakrament


Für des Vaters Mutterliebe.
Anna, Anna, deine Tochter
Ist mein höchstes Ideal!

14

Treu will ich dem Papste sein,


Er soll mir ein Vater sein,
Unter seinem Bischofsmantel
Will ich Gott den Vater lieben.

Die Erneuerung der Kirche


In der Reformation
Durch die Heiligkeit wie weiland
Sankt Franziskus tat, das lieb ich.

Ich will auch die Biblia


Schön ins Deutsche übersetzen,
Dass das deutsche Volk sich nähre
Von dem Wort der Weisheit Gottes.

Und nun, vielgeliebte Anna,


Oder soll ich Manna sagen,
Soll ich Sankt Manna nennen
Meine vielgeliebte Herrin?

Nun, o vielgeliebte Anna,


Weihe ich mein Geist und Fleisch
Deinem liebevollen Herzen!
Führe mich ins Paradies!

DIE GÖTTIN MORGENRÖTE

Tau du auf uns herab das Gold,


O Jungfrau, Tochter du des Alls,
Tau große Herrlichkeit herab,
O Göttin, Dame du des Lichts,

O Morgendämmerung mit Gold,


O gnadenvolle Königin.
Und bringe Pferd und Kuh zu uns,
Du Gnadenspenderin des Golds.

Wir haben dich gebeten, ach,


Dass du Erleichterung uns schaffst.
O Jungfrau, wecke mir den Klang
Der Freude! Schicke uns viel Gold.

Die Göttin-Jungfrau kommt herauf,


Nun bricht die schöne Göttin an,
Sie kommt! Wir denken nur an sie,
Wir Gloriensucher auf der Flut.

Hier Einer, Haupt des Männer-Stamms,


Singt laut für dich den Heldenruhm.
Die Fürsten, Jungfrau, wenn du kommst,
Sie denken dann an ein Geschenk.

Als liebende Matrone kommt


Voll Sorgfalt Morgenröte an,
Erhebend alle Lebenskraft,
Sie regt die Kreaturen an,

Lässt Vögel fliegen in der Luft,


Sie schickt die guten Zeichen her,
Schenkt jedem Menschen ein Geschenk,
Erflehen lässt sie sich vom Mann.

O reich an großer Üppigkeit,


Nach deines Aufgangs Morgenrot
Die Vögel dämmern, die schon lang,
Schon lang nicht mehr geflogen sind.

Die Morgenröte hat ein Joch


Von Rossen in der Ferne dort,
Des Sonnenaufgangs Jenseitswelt
Gießt sich auf hundert Wagen aus,

Fortschritte macht sie auf dem Weg


Zu ihrer Menschenkinder Schar.
Was lebt, lebt unter ihrem Blick,
Als Exzellenz schafft sie das Licht.

O Jungfrau, Tochter du des Alls,


Du Göttin schöner Üppigkeit,
Du strahl, entferne du den Feind,
Strahl auf mit deinem lieben Licht.
O Jungfrau, Tochter du des Alls,
Bring du zu uns die Seligkeit,
Strahl du auf unser frommes Fest.
In dir ist allen Lebens Hauch,

In dir ist alles Lebens Kraft.


Du Exzellenz, komm wie der Tau.
Auf deinem Wagen komm, o Licht.
Hör unsern wunderbaren Ruf.

O Jungfrau, bringe uns die Kraft,


Du bist den Menschen wundervoll.
Die Frommen bring zum frommen Fest,
Die Priester singen dir dein Lob.

O Jungfrau, von dem Firmament


Die Himmelsgötter bring herab,
Auf dass sie trinken unsern Saft,
Des Weines frommen Opfersaft.

Und wie du bist, gewähre uns


Viel Kühe und viel Pferde auch,
Gib Kraft uns und gib Heldenmut
Und dass wir singen dir dein Lob.

O Jungfrau, die gesehen wird,


Du mögest strahlen um und um,
Gib du uns Reichtum, schön von Form,
Nur gute Dinge und das Licht.

O Mächtige, o Eine, die


Der Priester angerufen hat
In alter segensreicher Zeit,
Gib Antwort unserm Lobgesang

Mit Güte und brillantem Licht.


O Jungfrau, die geöffnet hat
Am Tag des Himmels Flügeltür,
Erlöse von den Feinden uns.

O Göttin, Kühe gib und Brot,


Bring reichlich Silber, reichlich Gold,
Du bist geschickt in jeder Form,
Bring uns der Speisen Köstlichkeit.

Um deiner Schönheit willen gib


Uns unbesiegbar große Kraft,
Du eine Göttin voller Macht,
Und gib des Reichtums Beute uns.
*

Von oben kam der Himmel her


Zu uns als schönes lichtes Reich,
O Jungfrau, voll Verheißung uns
Und voller strotzender Potenz.

Lass rote Rosse tragen dich


Ins Haus, wo Wein sich reicht ergießt.
Dein Wagen ist von schöner Form,
O Jungfrau, der bewegt das Licht.

O schöne Tochter du des Alls,


Gib Beistand Männern, edlen Ruhm.
O lichte Jungfrau, kommt die Zeit,
Dann Vieh und Vögel regen sich,

Es scharen dann sich rings um dich


Gefiederte vom Himmel her.
Du dämmerst mit dem lichten Strahl
Und du erleuchtest unser Reich.

Die Sänger haben, wie du bist,


Mit Lobgesang gepriesen dich.
Sie haben dich gesungen schön,
O Göttin, wie so schön du bist.

Die Fahne hebt das Morgenrot,


Im Osten in der Mittel-Luft,
Im Orient verbreitet sie
Ihr glänzendschönes Himmelslicht.

Wie Helden mit den Waffen für


Den Krieg, so kommt sie angereist,
Mit lichtem roten Farbenton,
Der Kühe große Mutter sie.

Die violetten Strahlen Lichts


Sind leicht geschossen in die Welt.
Die Kühe haben sie genutzt,
Die vor den Wagen sind gespannt.

Im Morgengrauen haben wir


Vorstellungen erleuchtet klar,
Die Göttin rotgekleidet hat
Die höchste Strahlungskraft erreicht.

Wie Frauen singen sie ihr Lied,


Aktiv in ihrer Männerpflicht,
Gemeinsam gehen sie den Weg
Und kehren an den Ursprungsort.

Erfrischung bringen sie dem Volk,


Der liberalen Jüngerschar,
Zu denen, die da beten an,
Ergießend frommen roten Wein.

Die Göttin, wie die Tänzerin,


Legt die bestickten Kleider ab,
Wie eine Kuh ihr Euter gibt,
Die Göttin ihre Brust entblößt.

Erschaffe Licht der ganzen Welt,


So hat die Morgendämmerung
Vertrieben alle Finsternis,
Getrieben Kühe aus dem Stall.

Gesehen haben wir das Licht


Der Helligkeit der Königin,
Es breitet aus sich in der Welt
Und es vertreibt den bösen Feind.

Wie lichte Farbentönung hat


Das Opfer eingehüllt die Magd,
Des Himmels Tochter hat erreicht
Den höchsten wundersamen Glanz.

Das Limit dieser Dunkelheit


Ward überwunden. Morgenrot
Bricht wiederum hervor und bringt
Wahrnehmungen erleuchtet klar.

Wie eine Schmeichlerin so süß


Sie lächelt in dem Licht voll Ruhm,
Und schön von Angesicht ist sie,
Die hat den Tag des Glücks erweckt.

Die Sänger haben benedeit


Des Himmels Tochter, Frau des Lichts,
Die Meister mächtiger Magie
Mit angenehmem Stimmenklang.

O Göttin Morgenröte, du
Schenkst Nachwuchs uns und neue Kraft
Und viele Kinder schenkst du uns
Und manches Pferd und manche Kuh.

O du, die du aufleuchtest in


Der wundervollsten Herrlichkeit,
Dräng weiter uns mit deiner Kraft,
Du schöne Dame unsres Glücks.
O Morgenröte, kann ich je
Gewinnen Reichtum renommiert
Und starker kluger Söhne Schar?
Gib Sklaven auch und Pferdekraft.

Die du dein Antlitz offenbarst


Der ganzen Welt, die Göttin strahlt,
Die weit verbreitet ihren Blick
Bis in des Westens Abendland.

Erweckend zur Bewegung, du


Erweckst der Lebewesen Kraft,
Die du verstehst den Stimmenklang
Der Beter und der Jüngerschar.

Uralte, immer wieder neu,


Du Göttin neugeboren, schmückst
Mit immergleichem roten Kleid
Die Schönheit deines Körpers weiß.

Die Göttin kürzt die Lebenszeit


Der Menschen in der Sterblichkeit,
Wie ein geschickter Jäger teilt
Der abgeschossnen Vögel Fleisch.

Sie ist erschienen, hat enthüllt


Des Himmelreiches Horizont,
In weiter Ferne fährt sie aus
Dem Haus mit ihrem Chariot.

Der menschlichen Geschöpfe Zeit


Abnehmend sinkt hinab zur Nacht,
Doch da erscheint der Dame Licht
Mit ihren Liebsten voller Pracht.

Das hocherhabne Himmelslicht


Der hocherhabnen Dame strahlt
Und streckt das Licht wie Kühe aus
Und lässt es fließen wie die Flut.

Die göttlichen Gebote wir


Doch wollen übertreten nie,
Die Göttin kam in Evidenz
Im himmlisch schönen Sonnenlicht.

O Göttin voller Reichtum du,


Wie hast du uns bereichert doch,
Geschenke können geben wir
Der wundervollen Söhne Schar.

Du strahlende Erregerin
Der süßen Töne unsres Sangs,
Mit Reichtum hast du uns begabt
Von Pferden und von Kühen auch.

O diene uns an diesem Tag,


O Morgenrot, als reine Magd,
Verheißungsvolle Frau des Lichts,
Die du versprichst ein neues Glück.

O Morgenrot, dein Ritus und


Auch deines Himmelswagens Joch
Bereichert uns mit manchem Ross,
Mit purpurnem und weißem Ross.

Bring allen die Glückseligkeit.


Ihr Zwillings-Götter wunderbar,
O stimmt in unsre Hymne ein,
Der Morgenröte dargebracht.

Ihr Wagen ist an Kühen reich,


Auf unsrer Seite reich an Gold.
Ihr brachtet Hymnen aus dem All,
Den Menschen habt ihr Licht geschenkt.

Ihr Zwillings-Götter, bringt uns Kraft.


Kommt zu uns in dem Morgenrot
Und trinkt des Weines Opfersaft.
Heil, Göttin, die du Wunder tust!

Das Licht zu uns gekommen ist,


Das Schönste aller Lichter sie,
Das Jahr ist das brillante Jahr,
Sich weit erstreckt die Helligkeit.

Die dunkle Nacht ward weggeschickt


Vom Sonnengott, der auferstand,
Der einen Ort für die Geburt
Des neuen Himmelslichtes gab.

Das Fest wird als das helle Licht


Mit seinen weißen Söhnen nahn.
Der Dunkle aber trat zurück,
Hinunter ging er in sein Haus.

Unsterbliche, die wechseln nach


Einander ihren Farbenton,
Das Himmelreich bewegen sie,
Die Schwestern voller Helligkeit.
Unendlich, allgemein der Weg
Der Schwestern aus dem Himmelreich,
Von Göttern unterrichtet sie,
Abwechselnd reisen sie dahin.

Schönförmig, mit verschiednem Ton


Von Farbe und naiv im Geist,
Die Nacht und Morgendämmerung
Sind miteinander nicht im Krieg.

Es reisen Nacht und Morgenrot.


O lichte Führerin voll Glück,
Wohltönend frohe Führerin,
Du hast geöffnet das Portal.

Sie schürt die Welt an und sie zeigt


Des ganzen Reichtums Fülle uns.
Die Morgenröte hat geweckt
Der Lebewesen Lebenskraft.

O Morgenröte, reich an Gold,


Du machst zu Fuß die Schläfer wach,
Den einen einzig zum Genuss,
Den andern zu dem Gottesdienst.

Wer eine größere Vision


Gesehen hat, der sah das Licht
Und wie die Göttin Morgenrot
Die Lebewesen auferweckt.

Dem einen hohe Herrschaft und


Dem andern fromme Herrlichkeit,
Dem einen viel Gewinn an Gold,
Dem andern sein gelehrtes Werk.

Verschiedene Berufe sind


Zu sehen in der Erdenwelt,
Doch jedes Lebewesen wird
Von Morgenröte auferweckt.

Die Göttin werden dort wir sehn,


In Evidenz des Himmels Kind,
Die junge Maid erhitzt im Kleid,
In ihrem glänzend roten Kleid.

Du souveräne Dame herrschst


Auf Erden über jeden Schatz,
Die Schätze spüle zu uns her,
Allweise Göttin Morgenrot.

Sie kommt aus lichter Ewigkeit


Des grenzenlosen Morgenrots,
Sie folgt dem Weg des Morgenlichts,
Das morgens steigt am Horizont.

O Morgenröte, gehst du auf,


Du forderst alles Leben ein,
Sie ist nicht tot, sie ist erwacht
Aus ihrem tiefen Todesschlaf.

Wie du, o Ursprung, Morgenrot,


Vom Feuer angezündet wirst,
Du mit der Sonne Auge hast
Der Schöpfung Farben offenbart.

Die Menschen hast du auferweckt,


Dass sie die Göttin beten an,
Den Göttern hast du ausgeführt
Den Gottesdienst als reine Magd.

Sie werden wohl zusammen sein


Für lange Zeit, es dämmert schon,
Es glänzt, die Morgenröte kommt,
Nachfolgend strahlt das Sonnenlicht.

Sie sehnt sich nach der frühern Glut,


Voll Sehnsucht nach vergangnem Rot,
Und weiter geht sie glänzend mit
Der Zukunft nächstem Morgenlicht.

Vergangen sind die Menschen längst,


Die sahn in der Vergangenheit
Vergangner Morgenröten Glut,
Vergangnen Sonnenaufgangs Licht.

Wir, wir sind, die am Leben sind,


Jetzt schauen wir die Helligkeit,
Und sie, die später in der Welt,
Die sehen dann das Morgenrot.

Als Feindesjägerin geborn,


Du des Gesetzes Schützerin,
Du Freudegeberin, o Frau,
Erweckerin des süßen Sangs,

Allsehend, bringst du Opferfleisch


Zu dem Genuss der Götter dar,
Du scheinst auf uns, das hellste Licht
An diesem Morgen strahlt auf uns.

Vom immerschönen Tage hat


Die Morgenröte uns gestrahlt,
Die Göttin heut zeigt dieses Licht
Und hat mit Schätzen uns vermehrt.
Die leuchtend kommt am neuen Tag,
Unsterblich sie bewegt sich schön
In ihrer eignen Lebenskraft,
In unvergänglich großer Macht.

Im Himmelreich die Grenzen lässt


Sie leuchten voller lichter Pracht,
Die Göttin wirft den Schleier ab
Der Finsternis der dunklen Nacht.

Erwachen wird die Erdenwelt


Mit ihren Pferden violett,
Auf gutgenutztem Wagen kommt
Die schöne Göttin Morgenrot.

Sie bringt den Segen, der erhält


Die Lebewesen in dem Sein,
Und zeigt sich Göttin Morgenrot,
So sendet sie brillanten Glanz.

Nach vielen Morgenröten lasst,


Die lange schon verschwunden sind,
Zunächst den lichten Morgen nahn,
Darum das Morgenrot entstand.

Steh auf! Der Lebensatem hat


Uns wiederum erreicht. Die Nacht
Der Dunkelheit vergangen ist,
Gekommen ist das neue Licht.

Die Sonne wandert ihren Weg,


Und wir sind angekommen dort,
Wo jeder Mensch verlängern kann
Den Lebenstag der Existenz.

Wir singen einen Lobgesang


Auf aller Morgenröten Glut
Und mit der Priester Hymne steigt
Zugleich des Dichters Hymne auf.

So leuchte du ihm dann zu Tag,


O reine Jungfrau, der dich lobt,
Das Leben strahle als Geschenk
Und Kindersegen strahle aus.

Die Morgenröte gibt den Sohn,


Die Söhne alle Helden sind,
Gibt Kühe und gibt Pferde auch
Dem Mann, der bringt das Opfer dar.

Die bringen dar den Rebensaft,


Die singen lauter den Gesang,
Als ihn der Opferpriester singt,
Bringt Opfer er dem Morgenrot.

O Göttermutter voll des Lichts,


Gestalt der Herrlichkeit des Herrn,
Des Opferfestes Fahne rot,
Du werde stets von mir erhöht.

Steh auf und schenke unsrem Kult


Und unsrer Ganzhingabe Lob,
Und gnädig mache mich zum Haupt
Der Menschenkinder meines Volks.

Was immer auch für Herrlichkeit


Die Morgenröte mit sich bringt,
Den Mann, der preist das Morgenrot,
Den segne du mit deiner Huld.

Der Götter großer Wagen hat


Sich nützlich in der Welt gemacht,
Der Wagen der Unsterblichkeit
Der Himmelsgötter, fuhr hinan.

Gern, um das Licht zu bringen in


Der armen Menschenkinder Haus,
Die edle und aktive Frau
Und Göttin aufstieg aus der Nacht.

Vor allem hat sie auferweckt


Der Lebewesen ganze Welt,
Die Hocherhabne, die gewinnt
Und sammelt manchen guten Schatz.

Erneut belebt und ewig jung,


Zu hocherhaben ist ihr Blick.
Das Morgenrot als Erste kam
Zu unserm frommen Gottesdienst.

O Göttin Morgenröte, du,


Die edel du geboren bist,
Du handelst heute glücklich für
Den ganzen Lauf der Sterblichkeit.

Kann aufgehn denn der Sonnengott,


Der Freund der Heimat, mit dem Licht,
Und kann er uns erklären auch,
Dass wieder wir von Sünde frei?
Sie zeigt uns ihre schöne Form
An jedem Tage, der geschieht,
Mit der Verbreitung ihres Lichts,
Das kommt in jedes Menschenhaus.

Die sie erobert alle Welt,


Mit hellem Glänzen kommt sie an,
Ihr Anteil ist der beste Schatz,
Die Schätze sind ihr Eigentum.

Der Götter Schwester, erste Frau,


Ich sing dir meinen Lobgesang,
Du Erste unter allen Fraun,
Ich sing dir, Göttin Morgenrot.

Die Schwächung du der starken Macht,


Die nichts als Böses wirken kann,
Die Frevler wir bezwingen so
Mit deinem Wagen, Morgenrot.

Lass uns voll froher Freude sein


Und schöne Hymnen singen dir,
Gedanken denken nur für dich,
Wir bringen dir die Flamme dar.

Die Morgenröte strahlend weit


Macht deutlich ihren schönen Schatz,
Sie, die die Finsternis vertreibt,
Die auferstanden aus der Nacht.

Die eine geht, die andre kommt,


Im Farbenton des neuen Tags
Die Morgenröten folgen sich,
Das immer neue Morgenrot.

Der Tag verbirgt die dunkle Nacht,


Die Nacht, die Mutter allen Lichts.
Der Morgen auf dem Chariot
Im Licht der Morgenröte glänzt.

Die gleiche Form kommt stets zu Tag,


Das gleiche jeden Morgen neu,
Das ist noch immer das Gebot,
Der Wille, das Gesetz des Herrn.

O Makellose, wiederum
Durchquerst du alle Himmel und
Dann huschst du durch des Äthers Luft
In einem raschen Augenblick.

Die junge Göttin hat erkannt


Die ersten Tage der Natur,
Die weiß und strahlend sich erhebt
Aus tiefer Nacht und Dunkelheit.

Die Jungfrau bricht nicht das Gesetz


Des Ordens, sondern Tag für Tag
Sie kommt zu unserm Erdenkreis,
Erleuchtet strahlend jeden Ort.

Im Stolz der Schönheit reiner Magd,


O Göttin, gehst du zu dem Gott,
Den du von Herzen dir ersehnst
Und den du zu gewinnen suchst.

Und lächelnd jung, ein Mädchen jung,


So leuchtest du vorm lichten Gott,
Und du enthüllst den Busen und
Du zeigst ihm deine Brüste nackt.

Von deiner Mutter schön geschmückt


Als Braut, so zeigst du deine Form,
Dass alle sehen deine Form,
Die schöne Form der jungen Braut.

Gesegnet bist du, Morgenrot,


O glänze weiter noch umher,
Kein andrer Morgen je erreicht,
Was du erreichst, o reine Magd.

An Kühen reich, an Pferden auch,


Und reich an manchem goldnen Schatz,
An manchem Schatz von großem Wert,
So kommst du mit dem Sonnenstrahl.

Ganz einsam in dem Morgengraun


Und kommend in dem Morgenlicht,
Nimmst du gewohnte Formen an,
Die uns versprechen Glück und Lust.

Gehorsam sind wir dem Gesetz


Der Ewigkeit, dem Weltgeschick,
Dass uns das ewige Gesetz
Auf Erden segne mehr und mehr.

Komm glänzend zu uns, Morgenrot,


Und wende dich uns strahlend zu,
So süß zu hören, Sonnensang.
Den Häuptling wir verehren treu.

Die Morgenröte schön erscheint,


Wenn Feuer angezündet wird,
Wenn strahlend hell die Sonne steigt,
Verbreitend ihre Helligkeit.

Der wunderschöne Sonnengott


Hat alle Menschen ausgesandt,
Um in dem Werk aktiv zu sein,
Und schickt ans Werk der Erde Vieh.

Nicht sind zu unterbrechen die


Verordnungen des Himmelreichs,
Obwohl das menschliche Geschlecht
Vom Himmelsgott vermindert wird.

Das letzte Morgenrot, das wich,


Die erste Morgenröte von
Den Morgen, die erschienen sind,
Die Morgenröte schimmert schön.

Sie ist in östlicher Region


Erschienen, Tochter sie des Alls,
In ihrem Kleid aus Sonnenlicht,
In klarer Ordnung sie erscheint.

Fürwahr, sie folgt des Aufgangs Weg


Und fehlt nicht auf dem Weg des Lichts,
Und jede Himmelsrichtung sie
Erkennt mit ihren Augen klar.

Sie wird gesehen in der Näh,


Als wäre sie des Einen Schoß,
Sie kündet alle Dinge an
Wie schöner Lieder Sängerin.

Sie kommt wie eine Biene beim


Erwachen, Honig in dem Schoß,
Von allen Göttinnen ist sie
Die wahrste und die treuste Frau.

Im Osten der Region des Alls


Zeigt sie des Morgens Fahne rot,
Der Kühe große Mutter sie,
Der Pferde schöne Reiterin.

Und breiter, immer breiter wird


Ihr Licht am Horizont gesehn
Und füllt die weiten Runden aus
Der Eltern und der Erben Schar.

Die über weite Ebnen streut


Die Helligkeit von ihrem Licht,
Sie wahrlich sieht sehr lieblich aus
Mit makellosem Angesicht.

Auf ihre makellose Form


Zu Recht ist sie in Demut stolz,
Geht nicht mit hohen Dingen um,
Bescheiden ist die schöne Frau.

Die keinen lieben Bruder hat,


Sucht Männer, die ihr spenden Lob,
Zu steigen in den Chariot,
Als wollt man sammeln einen Schatz.

Die süße Göttin Morgenrot


Als zärtliche Matrone kommt
Und gut gekleidet zu dem Mann,
Enthüllt die Schönheit ihrer Form.

Die junge Schwester lässt den Platz


Der ältern Schwester, und die schaut,
Wie ihre junge Schwester weicht,
Die ältre Schwester sitzt im Thron.

Mit ihrer Schönheit sie bedeckt


Die Welt, mit Sonnenstrahlenglanz,
Wie Frauen schön sind bei dem Fest,
Sind sie geschminkt, sind sie geschmückt.

Und alle diese Schwestern, eh


Die spätere verschwunden ist,
Sie schreiten jeden Tag voran,
So nämlich ist der Lauf der Welt.

So war einst die Vergangenheit


Erfüllt von Tagen voller Glück,
Da kam das neue Morgenrot
Und ließ erstrahlen ihren Schatz.

Steh auf, du reiche Königin,


Du liberalste Geberin,
Die finstern Frevler lasse du
Im Dunkel schlafen unerweckt.

Dein Glanz ist reich, o reiche Frau,


Den strahlst du auf den reichen Mann,
Der glücklich schon auf Erden ist,
Weil er dir singt den Lobgesang.

O Göttin Morgenröte du,


Verschwende deiner Gnade Huld
Und segne deinen Sänger, Frau,
Der Lob singt deiner Göttlichkeit!
Des Ostens junge Maid erstrahlt
Und strahlt auf uns herab ihr Licht,
Sie lenkt ihr kräftiges Gespann
Von roten Ochsen voller Kraft.

Sie wird erstrahlen schön, sie wird


Das Licht beschleunigen hierher,
Und mit dem Gott des Feuers wird
Sie sein in jedes Menschen Haus.

Wie morgens Vögel fliegen auf


Aus ihrer Ruhestatt, dem Nest,
So Männer auch mit Opferbrot
Bewirken deine Dämmerung.

Der liberale Erdenmensch


Zurück kehrt wieder in sein Haus.
O schöne Göttin Morgenrot,
Viel gute Gaben bringst du ihm.

Sei du durch mein Gebet gelobt,


Wer loben kann, der singe Lob.
Den Wohlstand hast du uns vermehrt,
O Morgenrot, die du uns liebst!

Ihr Göttinnen, wir möchten nur


Gewinnen eurer Gnaden Huld,
Es singen Tausende euch Lob,
Zehntausende euch Lob und Preis.

WEIHE DER PROVENCE AN NOTRE DAME NOIR

Singen möchte ich ein Lied,


Preisen will ich nicht mich selber,
Singe nicht die Jugendtorheit
Und auch keine alte Torheit,
Ich hab dieses Lied gesungen,
Als ich auf dem Sopha lag.
Meinen Stern befrag ich nicht,
Lache selten, weine viel,
Kenne Demut, kenne Stolz,
Grad wie ich geartet bin,
Wie die Feenkönigin
Mir mein Schicksal auserwählt.
Wann ich schlafe, weiß ich nicht,
Ob ich wach bin, weiß ich nicht.
Andre sollen mir das sagen.
Doch ich fühl in meinem Herzen
Allezeit das Reimwort Schmerzen,
Das ist nicht der Rede wert,
Bei Johannes von dem Kreuze!
Krank bin ich, fast tödlich krank,
Huste mir die Lunge aus,
Einen Arzt muss ich befragen,
Doch ich such nicht jenen Arzt,
Der mir schwerer macht das Leben,
Sondern der erlöst vom Tod.
Eine liebe Frau ich liebe,
Ach bei Gott, ich sah sie nie,
Niemals tat sie mir ein Leides,
Tat mir allezeit viel Liebes.
Nebenbuhler und Rivalen
Gibt es nicht in dieser Liebe.
Niemals schaute ich ihr Antlitz,
Dennoch liebe ich sie brennend.
Wenn ich erst zu ihr gelange,
Will ich sie sogleich verlassen,
Über jener Supergöttin
Gibt es eine höchste Gottheit!
Dieses Lied ist jetzt gesungen,
Doch ich weiß nicht, wer es liest,
Wer es vorliest der Geliebten
In der Paradies-Provence.
Doch sie schicke mir den Schlüssel,
Welcher aufschließt ihre Lade!

Frühlingslust ergrünt im Garten,


Schwarze Amseln zwitschern schon,
Jede Amsel singt auf griechisch,
Von der Weisheit so belehrt.
Jede Seele sucht vor allem
Nach dem Höchsten Gut des Herzens.
O die liebe Frau, mein Glück,
Schrieb bestimmt mir keinen Brief.
Leider flieht vor mir der Schlaf,
Auch die Wollust vor mir flieht.
Zaghaft wage ich mich vor,
Ob mir ihre Botschaft bringt
Jene Lust, die ich begehre.
Unsre Liebe auch ist so
Wie im Garten sind die Büsche,
Welche in der Winternacht
Von dem scharfen Frost entblättert,
Aber bei der Sonne Auffahrt
Hüllen sich in Blütenduft.
Ja, ich denk noch an den Sommer,
Da nach langem Kampf und Krieg
Wieder kam zu mir der Frieden
Und in süßer Dankbarkeit
Sie mir ihren Ring geschenkt,
Gab mir ihrer Liebe Ja-Wort!
Gott soll mir das Leben schenken,
Wo ich ruh in ihren Armen!
Nein, ich dichte nicht Orakel,
Was auch sagt die Nachbarin.
Mit dem Wort ists, wie ich weiß,
Dass das Lied im Fluge wächst.
Ohne Fleiß gibt’s keinen Preis,
Also rühmt die Hohe Minne!
Mir ist Gottes Brot genug.

Lust hab ich, ein Lied zu singen,


Singe aus dem Herzensinnern,
Nein, ich dien nicht mehr um Liebe
In Toulouse und Avignon!
Ferne zieh ich in die Fremde,
Doch mein Sohn muss in den Kampf,
In Gefahr und in Bedrohung,
Dass ihm Brüder Böses tun.
Schweren Herzens geh ich fort,
Ich verlasse Avignon,
Lege in des Papstes Hände
Meines Sohnes Seelenfrieden!
Wenn der Papst ihn nicht beschützt
Und der Kaiser, den ich ehre,
Fressen ihn die frechen Schelme
An dem Ufersaum der Rhone.
Fest und weise ist sein Herz,
Bin ich auch entfernt von ihm.
Schnell zerschlügen ihn die Feinde,
Wäre er zu zart und schwach.
Offen bitt ich jede Seele,
Meine Sünden zu verzeihen,
Flehe zu der Gnade Thron,
Wie auf deutsch, so auch auf griechisch.
Einst war ich an Wollust groß
Und an Abenteuerlust,
Jetzt entsage ich der Wollust
Und der Lust zum Abenteuer.
Ach ich will ja nur ins Bett,
Das den Sünder selig macht!
In der Jugend war ich lüstern,
Aber jetzt die Weisheit Gottes
Will entfernen die Begierde.
Wirklich hart mein Kreuzesbalken,
Schon fühl ich das Ende nah.
Was ich sonst begehrt, verlass ich,
Dieses Leben eines Spielmanns,
Eines Minnesklaven Leben,
Ich verzichte auf Frau Welt,
Gottes Liebe zu gewinnen.
Gott, an meines Lebens Ende
Führe mich zu Gottes Kindern!
Brüder, jetzt ist es soweit,
Nun begleitet mich zum Grabe!
Einst vertraute ich der Wollust,
Wie in Deutschland so in Frankreich.
Jetzt vermeide ich die Wollust
Und die Herrlichkeit des Weibes,
Lass den Pelz des Fuchses weg
Und die transparente Seide!

In der lichten Sommersonne


Singen morgens schön die Lerchen
Und ich wandle in den Garten,
Denke an die ferne Liebste.
Ach, ich geh in lauter Trauer,
Ob auch heiß die Sonne scheint
Und die Turteltauben gurren,
Mir ist wie in Frost und Nacht.
Doch ich traue Gott dem Herrn,
Gott zeigt mir doch aus der Ferne
Die Geliebte, die mir fern ist.
Doch ich leide doppelt Schmerzen,
Ihre Wonne zu verdienen!
Gerne wallte ich als Pilger
Noch nach Lourdes zu ihrem Munde,
Dass ihr Mund mich liebend küsste!
Ach wie selig war ich dort,
Wohnte dort ich in dem Zelt
In dem Weinberg der Geliebten,
Da so nah, wie heute fern.
Wort um Wort und Kuss um Kuss!
Ist die Vielgeliebte nah,
Unser Wort ist nichts als Wonne!
Wieder wandre ich erneuert
Durch die Welt voll Glück und Kummer,
Weil ich weiß in weiter Ferne
Die Geliebte auf mich warten.
Eine Ahnung mich erfreut,
Ob ich auch die Frau nicht sehe,
Weil ihr Land so fern gelegen,
Ihre Paradies-Provence!
Wär ich doch ein Seher Gottes
Nach dem Willen unsres Herrn!
Keine Liebe soll mich freuen
Als die Liebe der Geliebten
In der Paradies-Provence!
Keine Frau ist hier auf Erden
Schön wie meine Vielgeliebte!
Ihre Schönheit ist so schön,
Dass ich, um sie zu gewinnen,
Leide ein Martyrium!
Gott, der Raum und Zeit erschaffen,
Die Vergangenheit und Zukunft,
Der erschaffen die Geliebte
Und die Paradies-Provence,
Gott erfüll mir meinen Wunsch,
Meine liebe Frau zu schauen,
Sie im lichten Leib zu schauen
In dem Zelte in dem Weinberg!
Ja, der Priester sagt die Wahrheit,
Dass ich voll Begierde bin,
Denn ich denke nur an Liebe,
Die Geliebte in der Ferne.
Nichts auf Erden scheint mir köstlich
Als der Wonne Süßigkeit
Der Geliebten in der Ferne.
Dies Geschenk ward mir gegeben
Als mein Schicksal in der Taufe.
Nein, ich liebe nicht mehr Weiber,
Die mich niemals lieben werden,
Nein, ich liebe nur die Frau,
Die mich liebt von ganzem Herzen!

Wer ein Lied singt, singt melodisch,


Und wer dichtet, wählt das Wort,
Wer Gedanken hegt im Herzen,
Dem fügt sich von selbst das Wort.
Höre, wie mein Lied geworden,
Achte drauf, dann geht’s zu Herzen.
Keine soll mich närrisch heißen,
Die ich lieb, ist unsichtbar,
Sie ist fern, doch sie allein
Ist mir Liebe und Ergötzen,
Ihre Wonne will ich nur,
Glücklich bin ich nur mit ihr!
Nie hab ich so süß geschlafen,
Immer flog mir fort der Geist,
Eilend fliegt mein Herz zu ihr,
Wenn ich mich in Schmerzen bette,
Morgens weckt mich Venus’ Stern,
Gleicht ereilt mich Qual und Kummer.
Nie erquickt ich mich an ihr,
Niemals wird sie mich erquicken,
Nie als Buhlen mich ergötzen
Nach der Kunst der Buhlerei,
Nie hat sie mich angelogen,
Stets sagt sie die Wahrheit nur.
Dieses Lied ist gut geraten,
Sind Anakreons Trochäen,
Wer mich nachahmt, achte drauf,
Was der Sinn ist dieses Liedes,
Mögen es Petrarka lesen
Und Franziskus von Asissi.
Dieses Lied ist gut geraten,
Bald wird’s singen die Geliebte,
Wenn ihr hohes Werk gelungen,
Wenn vollendet ist die Minne.

In dem Namen Unsers Vaters,


Mayer hat dies Lied gesungen.
Schau, wie Gott so reich an Gnaden
Und voll Milde in der Nähe,
Wie er uns ein Bad erschuf,
Um zu sühnen alle Sünden,
Solches gibt es sonst nur noch
In dem Jordan des Johannes,
Daran mahne ich euch alle.
Immer will ich darin baden,
Jede Seele möge nahen,
Nahen, wenn er noch gesund,
Steigen in das Sühnebad,
Denn dort strömt die Medizin.
Doch wer ohne Buße stirbt,
Lebt nicht droben, sondern drunten!
Gier, und Mangel jeder Treue
Reißt die Narren alle weg!
O das ist ein Kreuzesschmerz,
Sieht man viele auf den Straßen,
Auf der Straße in die Hölle!
Eilt ihr nicht ins Sühnebad,
Eh ihr eure Augen schließt,
Wird der Hochmut euch vergolten,
Wenn der Tod euch überwältigt.
Gott, Allweisheit, Allerbarmen,
Gott verhieß in Jesu Namen
Dieses Heiligtum von Lourdes
Und ein Land im Paradies!
Schönheit taucht ganz makellos
Aus dem reinen Sühnebad,
Strahlt als lichter Morgenstern,
Schöner als die Venus je!
Aber sühnt die Schmähungen,
Die der Herr erleiden musste!
Viele sind von Kains Geschlecht,
Brudermörder voller Blutrunst,
Keiner naht mehr Gott in Ehrfurcht!
Wessen Herz ist Jesum treu?
Jesus gibt sich ganz uns hin,
Gibt sich ganz in unsre Hände,
Was wir immer mit ihm machen!
Aber weg mit den Verlornen,
Die noch Horoskopen fragen!
Geile Männer schrein nach Wein,
Eilen an den Mittagstisch,
Blasen in die Feuersglut,
Liegen in dem Gras des Gartens,
Schmach ist ihnen angemessen.
Nur den Treuen, still und stark,
Schenkt der Herr das Sühnebad.
Aber wer sich selbst nur liebt,
Seine Kraft erwidert wird
Mit des Feindes Gegenkraft.
Ich verscheuche dieses Volk!
Fatima und Avila,
Salomonis Thron und Tempel,
Alles schmäht der Heidenpöbel!
Kindern raubt man ihre Würde!
Doch der Ruf zum Sühnebad
Trifft die Stolzen an der Schläfe,
Die zur Wallfahrt viel zu faul!
Frankreich wandte sich von Gott,
Tut nichts in der Meinung Gottes,
Wie ihm doch geboten war!
O du Paradies-Provence
Und des Rolands Roncevalles!
Herr, in deinem Sühnebad
Wasche meinen Liebling rein!
Jesus Christus, auferstanden,
Schütze meines Lieblings Seele!
7

Wunderst du dich, dass mein Lied


Fließt dahin im süßen Stil?
Liebe herrscht in meinem Herzen,
Ja, ich folge ihrem Ruf!
Herz und Leib und Geist und Seele
Schenk ich ihr und meine Kunst!
Liebe führt mich meinen Weg,
Also wall ich nur zur Liebe!
Der ist tot, der nicht die Süße
Schmeckt in sich der Schönen Liebe!
Solch ein Leben ohne Wert
Ewig findet nichts als Strafe!
Niemals sei mir Gott so zornig,
Dass ich einen Tag verlebe,
Wo ich ohne Liebe lebte,
Nicht Frau Liebe nur begehrte!
Treu und ohne Lügen liebte
Ich die Schönste aller Frauen!
Seufzen muss ich, oftmals weinen,
Liebe bringt mir schwere Kreuze!
Meine Herrin Schöne Liebe
Legt mich in den Körperkerker,
Nur Frau Gnade hat den Schlüssel!
Wann erscheinst du, süße Gnade?
Liebe sendet lichte Strahlen
Mir ins Innerste des Herzens,
Tausend Tode muss ich sterben,
Immer darf ich auferstehen.
O so süß sind meine Kreuze!
Süßer ist das Kreuz als Wollust!
Wenn das Kreuz schon mehr als süß ist,
Wie wird’s dann im Paradiese?
Naht die Schönste aller Frauen,
Flammen sprühen meine Augen
Und es bebt in meiner Seele
Wie das Laub im Frühlingslüftchen.
Ich bin weise wie ein Kind,
All mein Denken nichts als Liebe!
Diesen Mann besiegte dein
Feminines Allerbarmen!
Eins, Midons, will ich dich bitten,
Ich bin dein geringster Sklave,
Liebe dich wie meinen Herrn!
Folgen will ich deinen Winken,
Du verheißt ja Liebeslohn!
Gütige und Milde, mehr als Süße,
Du bist nicht wie eine Bärin,
Bist nicht wie ein Pantherweibchen.
Ich, Midons, bin ganz der Deine!
Frommer Freund, nimm diese Verse,
Singe sie der lieben Frau,
Meiner Göttin in der Ferne!

Wieder singe ich ein Lied,


Sing vom Tage des Gerichts.
Gott hat mich aus Nichts geschaffen,
Zeiht der Herr mich meiner Sünde?
Will er mich zur Hölle senden?
Gott, mein Herr, erbarme dich!
Mich gemartert hat Frau Welt,
Hilf, dass Satan mich nicht peinigt!
Gottes Himmelreich erstaunt,
Hört der Himmel, wie ich bete.
Herr, was tust du an den Deinen?
Warum triumphiert die Hölle?
Lass das Leben triumphieren!
Schone die getauften Seelen,
Wenn sie vor den Richter treten!
Offen sei die Himmelspforte!
Petrus schließ die Pforte auf!
Ich verdiene mir den Himmel
Mit dem strengen Opferleben.
Wie sind selig die Erlösten,
Wenn Verdammte ewig jammern?
Gott, du allerhöchster Herr,
Schließt du nicht die Pforte auf,
Muss ich mich beschweren, Herr!
Nimm den Teufeln alle Macht!
Rette viele Seelen! Alle!
Viele Seelen freuten sich,
Wenn du sie dem Teufel raubtest!
Ging es nur nach meinem Wunsch,
Alle würden sie gerettet!
Retter, du bist doch allmächtig!
Jesus, treib die Teufel aus,
Die Dämonen kalten Herzens!
Ich hab nie an dir gezweifelt,
Gott, ich hoffe ganz auf dich,
Hilf mir, wenn ich selber sterbe,
Lass die Seele sein unsterblich,
Lass den Körper auferstehen!
Einst kam ich aus Gottes Schoß,
Ruf mich heim in Gottes Schoß!
Alle Sünden mir verzeihe!
Wär ich nicht geboren worden,
Hätte niemals ich gesündigt.
Hier auf Erden nichts als Trauer,
In der Ewigkeit nur Qualen?
Das wär nicht gerecht, mein Richter!
Weil ich einen Menschen liebte,
Wolltest du mich darum strafen,
Wollt ich mit dir rechten, Herr!
O Maria, Mädchengöttin!
Führe uns zum Jesuskinde!
Meinen allerliebsten Knaben
Anvertraue ich Jeanne d’Arc!

DAS SIEGEL SALOMOS

Muse, künde mir vom Siegel,


Von dem Siegel Salomos!
Salomo, der Juden König,
War der allergrößte König,

Größer noch als König David,


Als Hiskia und Josia,
War der mächtigste des Volkes
Israels, der Kinder Gottes.

In Arabia ist aber


Salomo bekannt als König
Soliman und Sülleymann,
Gilt als ein Prophet Allahs.

In Arabia der König


Ist der Herrscher aller Dschinnen,
Der beherrscht die Kreaturen,
Der den Teufel selbst beherrscht!

Salomo in seiner Weisheit


Kann befehlen den Dämonen
Und die bösen Geister sperren
Auch mit Macht in eine Flasche!

Salomo schrieb einst auch Bücher,


Schrieb nicht nur das Buch der Lieder
Und den Prediger, die Sprüche,
Und die Weisheit Salomonis,

Sondern war auch der Magie


Kundig als ein Magier,
Und so schrieb er Bücher über
Die Magie der Magier.

Und so wurde mir berichtet,


Dass der weise Salomo
Einen Talisman besessen,
Auszuüben seine Macht.

Und in diesem Sinne muss wohl


Man verstehen jenes Siegel
Salomos, das überliefert,
Dessen Abbild in den Büchern.

Dieses Siegel Salomonis


Ist ein frommer Davidsstern,
Dieser ist ein Doppeldreieck,
Der ein Stern ist mit sechs Zacken.

Dieses ist kein Pentagramm,


Das die Satanisten lieben
Oder auch die Kommunisten
Tragen an der Bärenmütze.

Nein! Es ist der Davidsstern,


Der zu sehen auf der Fahne
Von dem Staate Israel,
Zeichen ists der Zionisten!

Aber nicht allein der Stern


Davids ist zu sehen auf
Diesem Siegel Salomos,
Sondern ringsum eingraviert

Sind der Elemente Zeichen,


Erde, Wasser, Luft und Feuer.
Dieses dient als Talisman
Oder auch als Amulett.

Dieses Siegel wurde einst


Von dem Magier verwendet,
Welcher trug den Namen Ben-
Saladin, ein böser Mann.

Dieser Zaubrer namens Ben-


Saladin nahm dieses Siegel,
Das er fand in einem Buche
Salomonischer Magie,

Und mit Hilfe dieses Siegels


Bannte dieser Magier
Einen Dschinn in eine Flasche.
Dies geschah aus purem Neid!

Denn der Dschinn mit seiner Macht


Half dem schlimmsten Gegner Ben-
Saladins, er half mit Kraft
Seinem ärgsten Konkurrenten!

Da der Magier benutzte


Jenes Siegel Salomos,
Konnte sich der Dschinn nicht wehren,
Ward gebannt in eine Flasche.

Eine magische Gewalt


Zog den Dschinn in jene Flasche.
Ja, so groß ist die Gewalt
Einer Flasche für den Geist!

Und der Magier verschloss


Nun mit einem Korkbaum-Korken
Jene Flasche mit dem Dschinn,
Malte drauf das Zaubersiegel.

Und der böse Zaubrer Ben-


Saladin verzauberte
Jene Flasche voll des Geistes
Und er sagte diesen Bannfluch:

Siebenhundert Jahre lang


Mögest du dich nicht mehr öffnen,
O du Flasche voll des Geistes,
Bei dem Siegel Salomos!

Es gab eine Räuberinsel


Irgendwo im Mittelmeer,
Wo die wildsten Piraten
Ihre Schätze tief vergruben.

Eines Tages explodierte


Diese Insel der Piraten,
Was verursacht ward vom Geist,
Welchen man auch nennt Abraxas.

Dieser Gott der Gnostiker


Und der Alchemisten war
Ein sehr hochgestellter Dämon
Aus dem Hause Aschtarot.

Da entdeckte nun Abraxas


Treibend in dem Mittelmeer
Die geheimnisvolle Flasche
Mit dem eingesperrten Dschinn.

Siebenhundert Jahre waren


Grad vorüber, also konnte
Der Abraxas diese Flasche
Mit dem Zaubersiegel öffnen.

Und der Dschinn kam aus der Flasche


Und erzählte dem Abraxas,
Wie der böse Zaubrer Ben-
Saladin ihn eingesperrt.

Der Abraxas bat den Dschinn,


Ihn mit Schätzen reich zu machen,
Denn auch die Dämonen lieben
Silber, Gold und Edelsteine.

Doch der Dschinn zog wie ein Rauch


Oder ein Gewölk davon.
Eben war er noch zu sehen
An dem Horizont im Westen.

Der Abraxas wollte nun


Ganz besonders clever sein,
Und er malte jenes Siegel
Auf das Segel seines Schiffes.

So Abraxas wollt den Dschinn


Unterwürfig machen, aber
Das gelang Abraxas nicht,
Denn er kannte nicht die Sprüche.

Nun, Abraxas hatte große


Macht, was den Verlauf der Zeit
In der Welt betrifft. Er sprach:
Komm zurück, Vergangenheit!

So der Dschinn war wiederum


Eingesperrt in seine Flasche,
Musste noch mal hundert Jahre
In dem Bauch der Flasche sein.

Doch Abraxas fand sich plötzlich


Mitten unter Kreuzzugsrittern,
Welche Christi Grab befreiten
Von dem Terror der Muslime.

Ritter in dem Kreuzzugs-Heere


War der tapfre Don Franziskus.
Don Franziskus und Abraxas
Überstanden heil den Kreuzzug.

Und so machten sie sich beide


Auf die Suche nach der Flasche
Mit dem eingesperrten Geist
Und dem Siegel Salomos.

Durch die Macht des Siegels aber


Hatten alle die Betroffnen
Ganz vergessen, wie das Siegel
Und die Geisterflasche aussehn.

Nur dem Zufall wars zu danken,


Dass der Ritter Don Franziskus
In die Hand bekam die Flasche
Mit dem Siegel Salomos.

Unterdessen der Abraxas


Fand in einer Pyramide
In Ägypten eine Schrift
Mit dem Bild des Zaubersiegels.

Da erinnerte Abraxas
Wieder sich an jenes Siegel.
Und er las in jener Schrift:
Siehe, ein Mysterium

Ist daheim im Zweistromland


Bei dem Euphrat und dem Tigris.
Und Abraxas gleich verstand:
Dies Geheimnis war das Siegel.

Also Don Franziskus und


Der Abraxas brachen auf
In das schöne Zweistromland,
Aber auf verschiednen Wegen.

In dem Zweistromland derweilen


Drei Schatzgräber gruben tief,
Auf Befehl des Hodscha gruben
Kanniz, Nachnitz und der Nudnitz.

Und in einem Zikkurat


Fanden sie den Siegelstempel
Mit dem Siegel Salomos.
Und sie waren voller Freude.

Und das Siegel kam zum Hodscha.


Zu dem Hodscha kam Abraxas
Und die beiden wollten lüften
Das Geheimnis um das Siegel.

Doch das Siegel und die Flasche


Fielen in die Hand des Ritters
Don Franziskus von dem Kreuze,
So wie Salomo es wollte.

Don Franziskus mit der Flasche


Und dem Siegel Salomos
Trat nun in den Turm des Windes,
Wollte dort die Flasche öffnen.

Doch da bebte Mutter Erde!


Don Franziskus ward verschlungen!
Mit ihm ging verloren wohl
Jenes Siegel Salomos!

Dreimal hundert Jahre später


Der Abraxas wiederum
Seinem Feind begegnete,
Don Franziskus von dem Kreuze.

Denn im Turm der Winde war


Ein geheimnisvolles Zeittor,
Welches Don Franziskus brachte
In die Zeit des Matriarchats.

Dort versuchte Don Franziskus


In der Bücherei der Ishtar
Das Geheimnis zu ergründen,
Wie man reise durch die Zeit.

O du Liebesgöttin Ishtar,
Offenbare mir die Kunst,
Wie man reise durch die Zeit,
Du bist ewig, Liebesgöttin!

Und er fand in einem Buch


Eine Karte, drauf gemalt war
Jedes Zeittor auf der Welt.
Und so trat er in ein Zeittor

Und so kam er nach Ägypten.


Und er kam zu jenem Ort
Sais, wo die Isis ward
Als Verschleierte verherrlicht.

Als er so nach Sais kam,


War das Siegel Salomos
In dem Heiligtum der Isis
Landeplatz für Don Franziskus.

Der Abraxas zu der Zeit


In der Pyramide nutzte
Auch ein Zeittor, doch das Siegel
Salomos, das fand er nicht.

Diese Reisen durch die Zeit


Stehen in geheimnisvoller
Magischer Beziehung zu
Salomonis Zaubersiegel.

Don Franziskus und Abraxas


Kamen nun nach Spanien, wo
Die katholischen Majestäten
Ferdinand und Isabella

Herrschten. Und die beiden kamen


Mit den Schiffen des Kolumbus
Auf die Zuckerinsel Kuba,
Waren auch in Mexiko,

Kamen dann von Eldorado


In das nebulöse London
In das Haus des Dichters Ben
Jonson, weisen Musenpriesters.

Dort entdeckte der Abraxas


Nun die Flasche Salomonis.
Ben vermochte nicht zu glauben,
Was Abraxas ihm erzählte.

Doch der große Ben erkannte,


Dass die Flasche mit dem Siegel
War ein magisches Objekt
Zur Erlangung tiefer Weisheit.

In den Katakomben Londons


Die geheimnisvollste Handlung
Ward vollzogen von dem Dichter,
Der die Musen still beschwörte.
Liebesgöttin! Meine Herrin!
Ich bin dein geringster Sklave!
Also betete der Dichter
Und die Zauberflasche rollte

Zu dem Siegel Salomos


In den Katakomben Londons,
Und so ward befreit der Geist.
Und ein Zeittor ward geöffnet.

Epilog

Also kam die Zauberflasche


Mit dem Siegel Salomos
Zu dem deutschen Dichter Mayer
In dem Jubeljahr Zweitausend.

Eine Flasche voll von Wein,


Flasche, welche niemals leer wird,
Immer in der Flasche ist
Wein von jener Hochzeit Kanas.

Wer von diesem Weine trinkt,


Der hört den Poeten David
Psalmen auf hebräisch singen,
David tritt dann an sein Sofa.

Der vermag zu reden auch


Mit dem weisen Salomo.
Hört, was Salomo gesagt hat
Zu dem deutschen Dichter Mayer:

Wir bei Gott sind sehr zufrieden


Mit der Dichtung, die du dichtest!
Gott gab dir dazu die Gabe!
Preise Gott für diese Gnade!

UNSERE LIEBE FRAU VON ARABIEN

ERSTER GESANG
AISCHA

FATWA
Frage:
Wie alt war unsre Frau Aischa,
Als Mohammed sie sich zur Frau nahm?

Antwort:
Wie alt war unsre liebe Mutter
Aischa, als sie unser Herr
Mohammed,Friede sei mit ihm,
Zur angetrauten Gattin nahm?
Hört nun von mir, was diesbezüglich
Von Weisen überliefert ward.
Der Seher Gottes – Heil und Segen -
Hat mit Aischa sich verlobt,
Als sie sechs junge Jahre jung war.
Vollzogen hat die Ehe er
Mit ihr, als sie neun Jahre alt war.
Das ist nun ein realer Fakt,
Ob manche das auch leugnen wollen.
Die liberalen Modernisten
Behaupten nämlich, dass Aischa
Schon vierzehn Jahre zählte, als
Mohammed sich mit ihr verlobt,
Und dass sie siebzehn Jahre zählte,
Als er den Akt mit ihr vollzog.
Nun fragt ihr mich: Wie kann das sein?
Wie konnte der Prophet Allahs
Mit einem kleinen Mädchen schlafen,
Als sie im zehnten Lebensjahr war?
Nun hört dies, meine frommen Brüder,
Erkennt doch, dass der Fakt authentisch.
Denn wahrlich: Mohammed ward diese
Verlobung von Allah befohlen.
Kannst du dir denken, da sei jemand,
Der gegen den Befehl Allahs
Verstoßen könnte? Das sei ferne!
Wie könnte jemals der Prophet,
Der Frömmste aller Menschenkinder,
Zuwiderhandeln dem Befehl
Allahs, der ihm geoffenbart?
Allahs Gesandter – Heil und Segen -
Sprach zu Aischa: Liebes Mädchen,
Du wurdest dreimal mir im Traum
Gezeigt. Und jedes Mal der Engel
Mit Namen Gabriel sprach lächelnd:
Die Jungfrau werde deine Braut
In diesem und in jenem Leben.
Die Überlieferung, Hadith,
Berichtete, dass jedes Mal,
Wenn Gabriel zum Seher kam,
Der Engel zeigte dem Propheten
Ein aufgerolltes Seidentuch.
Wenn Mohammed das Seidentuch
Entfaltete, sah er darin
Das Bild Aischas. Gabriel
Sprach zum Propheten: Diese ist
Dir die vorherbestimmte Frau
In diesem und in jenem Leben.
Dann sagte immer Mohammed:
Wenn mir die Ehe mit Aischa
Zum Frommen und zum Segen ist,
Nun, so geschehe Gottes Wille.
Und also fasse ich zusammen:
Dass Mohammed Aischa nahm
Und mit dem Mädchen von neun Jahren
Den ehelichen Akt vollzog,
Das war ein göttlicher Befehl,
Inspiration vom Geist des Herrn.

AISCHA SPRICH

Mohammed, der Gesandte Gottes,


War einundfünfzig Jahre alt,
Als er im Monat Schawwal in
Dem zehnten Jahr der Prophetie
Die Heirat schloss mit mir, Aischa,
Sechs Jahre war ich damals jung,
Drei Jahre später ausgewandert
Ist er von Mekka nach Medina.
Mohammed, der Gesandte Gottes,
Kam in Medina an am Montag,
Den Zwölften Rabi-al-awwel und
Vollzog mit mir den Akt der Hochzeit
Im Monat Schawwel wiederum,
Acht Jahre nach dem Auszug. Und
Den ehelichen Akt vollzog er,
Als vierundfünfzig Jahre er,
Mit mir, als ich neun Jahre jung war.

AISCHA SPRICHT

Als der Prophet zu Felde zog


Und all die Banu Mustaliq
Im Jahr Sechshundertsechsundzwanzig
Bekriegt, da zog ich selbst auch mit
In einer Sänfte des Kameles.
Das Heer hielt in der dunklen Nacht
Nah bei Medina und am Morgen
Die Heerschar wollte weiterziehen,
Da hab ich mich entfernt, Aischa,
Um abseits im Gebüsch zu pinkeln.
Dabei verlor ich mein Halskettchen,
Die Suche nach dem Silberkettchen
Mit Amuletten hielt mich auf.
Als ich das Kettchen dann gefunden,
War fortgezogen schon das Heer.
Die Träger hatten aufgeladen
Die Sänfte aufs Kamel und hatten
Es nicht bemerkt, dass ich ja fehlte.
Da wurde ich entdeckt von einem
Mit Namen Safvan Muatal.
Er lud mich gleich auf sein Kamel
Und brachte heim mich in mein Haus,
Wobei er das Kamel selbst führte.
Ich, in Medina angekommen,
Ich ward der Unzucht da verklagt,
Ich hätt mit Safvan Muatal
Geschlafen und gebrochen so
Die Ehe mit dem Gottgesandten.
Nach meiner Ankunft ich erkrankte,
Erfuhr nichts von den üblen Reden.
Als Mohammed war heimgekehrt,
Da schiens, ich sei ihm ganz egal,
Darüber staunte ich doch sehr.
Nach ein paar Tagen zog ich dann
In meiner Eltern Haus, und doch
Erfuhr ich nichts von all dem Lästern.
Erst mehr als zwanzig Tage später
Des Nachts beim Pinkeln ich erfuhr
Von einer Frau, die auch gepinkelt,
Von all den bösen Lästerungen.
Nun Mohammed hielt eine Rede
Und nahm zum bösen Vorwurf Stellung,
Und er beriet sich auch mit Ali,
Und er beriet sich auch mit Zaid.
Und Mohammed sprach mit Barira,
Die meine Dienerin gewesen ist
Und fragte sie nach meiner Tugend.
Dann kam er in mein Elternhaus
Und sprach: Bereue! Tue Buße!
Da weinte ich vor dem Propheten
Und hab beteuert meine Unschuld:
Aischa ist doch keine Hure,
Die jedem Treiber der Kamele
Den Körper bietet in der Wüste!
Dann sprach der Herr zu dem Propheten,
Ich ward gerecht gesprochen von
Dem Herrn, der sich geoofenbart.
Und Mohammed verkündete:
Gezüchtigt werden soll am Körper
Wer weiter noch verklagt Aischa!

AISCHAS EIFERSUCHT
Moderne Araber, Aischa
Besingen, schildern allermeist
Die Eifersucht Aischas auf
Die andern Frauen Mohammeds.
So Ibn Ishaq nennt zum Beispiel
Die Anekdote, da Aischa
Kurz vor dem Tode Mohammeds
An starkem Kopfschmerz leidet, und
Mohammed litt zugleich an Kopfschmerz,
Mohammed sagte zu Aischa:
Was würde es dir schaden, Liebste,
Wenn du vor mir abscheiden würdest
Und ich dich in ein Leichentuch
Einhüllte, über dich die Toten-
Gebete spräche, dich begrübe?
Aischa gab darauf zur Antwort:
Bei #Gott, mir ist, als sähe ich dich
Ganz klar vor mir, wie du nach meinem
Begräbnis in mein Zimmer trittst
Und dort mit deinen andern Frauen
Den ehelichen Akt vollziehst!

MUTTER DER GLÄUBIGEN

Aischa war nicht nur die Frau


Des größten Mannes der Geschichte,
Mohammeds Frau, der Friede sei
Mit ihm und allen seinen Frauen,
Aischa war nicht nur die Tochter
Des edelsten Muslimen aller Zeiten,
Des Erz-Kalifen Abu Bakr,
Aischa war auch selber eine
Hochstehende Persönlichkeit
Durch eigenen Verdienst und Würde.

Aischa in islamischer
Historia erscheint als eine
Begabte Lehrerin und starke
Und kluge Führerin. Sie war
Den Frommen eine wichtige
Und treue Quelle ihres Wissens
Vom Leben und den Lehren des
Propheten. Auch die alten Schüler
Des Heiligen, wie Omar, häufig
Befragten seine Frau Aischa
In Glaubensfragen, wenn sie Zweifel
Und Fragen hatten, und sie haben
Gefunden stets die rechte Antwort.
Die mächtigen Gelehrten in
Der Tradition der Prophetie,
Die den Hadith zusammenstellten,
Die Lehren des Islam erlernten
Von des Propheten Frau Aischa,
Und ihre Lehre ward verbreitet
Von Indien bis Äthiopien.
Ein Teil von dem, was die Gelehrten
Erfahren hatten von Aischa,
Nahm an die Form von Traditionen,
Belegt durch ihre Autorität.
Aischas Autorität war nämlich
Ein Prüfstein für die wahre Weisheit.

Die Position Aischas als


Die weise Lehrerin der Frommen,
Kam von der großen Geisteskraft,
Die sie besaß. Ja, schon als Kind
Aischa zeigte großen Geist,
Mohammed neben ihrer Schönheit
Bestaunte auch die Intelligenz.
Sechs Jahre war sie eben alt,
Sie spielte vor dem Vaterhaus,
Ihr Spielzeug war ein Flügelpferd.
Mohammed fragte sie: Aischa,
Sag, haben alle Pferde Flügel?
Da sprach Aischa zum Propheten:
Nein, Pferde haben keine Flügel,
Nur Salomon des Königs Pferd
Hat Flügel und der Pegasus.

Aischa hatte auch sehr starke


Erinnerung. Es wird berichtet,
Dass sie Gedichte rezitierte,
Die hundert Verse hatten, die
In einem Stück sie rezitierte.

Die frommen Lehren des Islam


Aischa lernte vom Propheten
Und hielt sie fest mit dem Gedächtnis,
Durchdrang sie mit der Intelligenz
Und überlieferte die Lehren
Mit großer Eloquenz den Jüngern.
Es war bei all den Frommen keiner
So klug und eloquent wie sie.

Wie andre große Zeitgenossen


Aischa hat den Glauben nicht
Allein gepredigt und gelehrt,
Sie hat die Frömmigkeit gelebt,
War eine große Beterin
Und hatte große Gottesliebe
Und kämpfte für die Wahrheit Gott
Und kämpfte für Gerechtigkeit.
So riet ihr einmal der Prophet:
Aischa, wenn du noch einmal
Auf diese Erde kommen solltest,
Behandle dann die Erdenwelt
So wie ein Reisender zum Himmel.
Am Mahl und den Versammlungen
Der Mächtigen und Reichen nimm
Nicht teil und kauf kein neues Kleid,
Solang das alte Kleid du noch
Mit Flicken reparieren kannst.

Aischa handelte auch stets


Nach diesem Ratschlag ihres Mannes.
Sie hielt den Reichtum von sich fern,
Wie Dreck man fernhält von dem Körper.
Als später dann im Kalifat
Al-Kathabs Geld begann zu fließen
Und die Muslime reich geworden,
Da kam auch Reichtum zu Aischa,
Doch gab sie immer alles weg.
So wurden hunderttausend Dirham
Ihr einst geschickt, am selben Abend
Sie hatte alles weggegeben
Und es den Armen überlassen.
Und einst Auscha teilte aus
An Arme siebzigtausend Dirham
Und dann erhob sie sich und tat
Als müsse sie das Kleid ausschütteln,
Weil Schmutz der Erde es befleckte.

O makellose Jungfrau Mutter,


Der ganzen Menschheit große Mutter,
Du bist des wahren Gottes Mutter,
Ich weih dir die bedrängten Christen
In Syrien und im Irak,
Und deinem Unbefleckten Herzen
Vertraue ich den Frieden an!

ZWEITER GESANG
FATIMAS HOCHZEIT

Als unsre liebe Fatima


Neun Jahr alt war, war sie schon reif
Und eine ausgewachsne Frau,
Die intellektuell gereift
Und voll von Tugenden und Anstand.
Gott schmückte sie mit großem Geist
Und einer ungeheuren Weisheit
Und einer auserlesnen Schönheit.
Sie hatte zahllose Talente
Und ihr Charakter übertraf
Der andern Sterblichen Charakter.

Das gläubige Empfinden und


Die Kenntnisse der Poesie
Und Prosa waren unbegrenzt.
Man kann zu dem Ergebnis kommen,
Dass sie die weiseste und reinste
Und schönste Frau der Erde war.
Tatsächlich zeigt uns die Geschichte
Kein andres Weib, das so gebildet,
So weise war uns so begnadet
Wie Fatima. Nur Sankt Maria,
Die Mutter Gottes, übertraf sie.

Aus diesem Grunde ist es klar,


Dass des Propheten Weggenossen
Die schöne Tochter freien wollten.
Doch immer sprach der Seher Gottes:
Die Angelegenheit des Hochzeit
Ist Gottes Angelegenheit
Und Fatima nimmt den zum Mann,
Den Gott der Herr vorherbestimmt.

Und darum sagte Misri dies:


Die Häuptlinge der Stämme hielten
Um ihre Hand an, der Propheten
Des Vaters lehnte aber ab
Und sagte: In der Angelegenheit
Des Bräutigams für Fatima
Ich warte auf ein Wort des Herrn.

Omar und Abu Bakr waren


Auch unter jenen Männern, die
Um ihre Hand anhielten, aber
Der Seher Gottes lehnte ab.
Auch Rahman hielt um ihre Hand an,
Das ignorierte der Prophet.

Und Anas Ibn Malik sagte:


Einst Abu Bakr kam zum Seher,
Er wollte den Propheten sehen.
Als er sich setzte, sagte er:
O Seher, du Gesandter Gottes,
Du weißt doch sicherlich, wie ich
Ganz hingegeben bin an Gottes
Und wie ich diene Gottes Wort.
Da sprach der Seher Gottes dies:
Was ists, was du von mir begehrstß
Und Abu Bakr gab zur Antwort:
Ich wünsche, dass du Fatima
Mir gibst zu meiner Ehefrau.
Als dies der Seher Gottes hörte,
Da schwieg er still und sagte nichts,
Und Abu Bakr kehrte heim
Und sprach zu seinem Freunde Omar:
Ach Bruder, ich bin ruiniert!

Und Omar sagte zu dem Freund:


Was ist denn Schreckliches passiert?
Und Abu Bakr gab zur Antwort:
Ich hab gefreit um Fatima
Beim Seher Gottes, aber er
Hat seine Tochter mir verweigert.
Und Omar sprach zu Abu Bakr:
So warte hier, ich werde gehen
Zum Seher Gottes, werde freien
Um Fatima, des Sehers Tochter.

Und Omar ging zum Seher Gottes


Und setzte sich und sprach zu ihm:
Gesandter Gottes, du weißt sicher,
Wie ich dem Herrn ergeben bin
Und wie ich diene Gottes Wort.
Der Seher Gottes fragte Omar:
Was ists, was du von mir begehrst?
Und Omar sprach zum Seher Gottes:
Ich möchte Fatima zur Frau.
Ihn ignorierte der Prophet,
Wie ignoriert er Abu Bakr.
Und Omar kehrte heim zum Abu Bakr
Und sagte: Bruder, der Prophet
Und Seher Gottes wartet auf
Ein Gotteswort betreffs der Hochzeit.

Omar und Abu Bakr schickten


Nun ihre Töchter zum Propheten
Und ließen ihre Töchter bitten,
Die Väter wollten Fatima
Zur Ehegattin sich gewinnen.
Als der Prophet die Töchter hörte,
Da sprach er zu den jungen Mädchen:
Wird keiner Fatimas Gemahl,
Eh ich nicht höre Gottes Wort,
Wenn ich erkenne Gottes Willen,
Dann feiert Hochzeit Fatima.

Wahrscheinlich wollte der Prophet


Vermeiden, Abu Bakr grad
Zu sagen und auch Omar, dass
Er wartet auf den Richtigen,
Denn Omar und auch Abu Bakr
Nicht waren würdig seiner Tochter,
Denn Fatima war hocherhaben
An Schönheit, Weisheit, Geist und Gnade.

Und Ali war im Haus von Maad,


Bis er gewandert nach Medina.
An einem schönen Tag war Ali
Still in den Gärten von Medina,
Als Saad zu ihm kam und sagte:
Was hindert dich daran, zu freien
Um Fatima als deine Frau,
Du bist der Vetter doch der Schönheit.
Und Omar trat zu Ali, sprach:
Was hindert dich daran, zu freien
Um Fatima als deine Frau?
Und Ali gab zur Antwort Omar:
Ich fürchte, dass der Seher Gottes
Sie mir nicht gibt zur Ehefrau.
Und Omar sagte drauf zu Ali:
Wenn er sie dir nicht gibt zur Heirat,
Wem soll er dann die Tochter geben?
Du bist von allen Kreaturen
Der Nächste doch des großen Gottes.

Tatsächlich hatte Ali still


Geschwiegen von dem Wunsch, zu freien
Die wunderschöne Fatima,
Weil Ali schüchtern war und wagte
Es nicht, zu bitten den Propheten,
Und auch weil Ali nichts besaß,
Kein eignes Haus, kein eignes Land,
Wie sollte er da freien können?
Wo sollt er leben mit der Frau?
Und Fatima war keine Frau,
Die einer schlecht behandeln dürfte
Und dürft herabschaun auf die Frau.
Nein, Fatima stand über Ali!

Doch Ali ging zu dem Propheten


Und hielt um seiner Tochter Hand an.
Der Seher war der absolute
Regent muslimischer Gemeinde
Und also auch der frommen Tochter,
Doch gäb er nie sein Einverständnis,
Wenn nicht die Tochter zugestimmt,
Nein, freien konnte Fatima
Nur der, den Fatima selbst wollte.
So der Gesandte sprach zu Ali:
Ach, viele haben schon gefreit
Und meine Fatima begehrt,
Doch sie hat alle abgelehnt,
Ich schaute das auf ihrem Antlitz.
Nun warte, Ali, bis ich dir
Die Antwort meiner Tochter bringe.

Und der Prophet verließ nun Ali


Und informierte seine Tochter,
Dass Ali gern sie freien möchte.
Da musste Fatima nicht fragen
Nach Alis Alter, Alis Arbeit,
Sie kannte ja sehr gut den Vetter
Und seinen heiligen Charakter
Und wie er war dem Herrn ergeben
Und wie er diente Gottes Botschaft.
So sprach ihr Vater lediglich:
O Fatima, du kennst ja Ali
Und wie er steht zu dir und mir
Und wie er Gott ergeben ist
Und gläubig ist an Gottes Wort
Und wie er dient dem Willen Gottes.
Ich bat den Herrn, dass er dir gebe
Die beste aller Kreaturen,
Dass er dir gebe einen Mann,
Der der Beliebteste bei Gott ist.
Nun Ali äußerte den Wunsch,
Dass du ihn nimmst zum Ehemann.
Wie ist dein Wille, Fatima?

Nun, Fatima gab keine Antwort,


Doch war auf ihrem Antlitz auch
Nicht eine Spur des Widerwillens.
Da stand der Seher Gottes auf
Und sagte jubelnd: Gott ist groß!
Dein Schweigen ist dein Einverständnis.
Der Seher sah das Schweigen als
Ihr Einverständnis an, denn schüchtern
Und schamhaft kann ein junges Mädchen,
Das unberührt ist von Begierde,
Nicht äußern lauthals ihren Wunsch
Nach einem ganz bestimmten Freier.
Sie wagt zwar, offen abzulehnen,
Zustimmung aber gibt sie schweigend.
So tut ein unberührtes Mädchen,
So auch die keusche Fatima.

Nun eilte der Prophet zu Ali


Und gab der Tochter Einverständnis
Dem Hoffenden bekannt und fragte
Nach den Erfordernissen für
Die Hochzeit, denn notwendig ist die
Brautgabe für den Ehebund.
So sagte also der Prophet
Zu Ali: Hast du irgendwas,
Was du der Schönheit geben kannst?
Und Ali sagte zum Propheten:
Ich habe nur ein scharfes Schwert
Und ein Kamel, um zu bewässern
Die Palmen, und ein Kettenhemd.
Da sagte der Prophet zu Ali:
Du brauchst das Schwert, dich zu beschützen
Vor Gottes Feinden und den deinen
Und brauchst auch das Kamel, die Palmen
Im Garten zu bewässern, nun,
So bringe mir das Kettenhemd.
Verkaufe du dein Kettenhemd
Und den Ertrag gib Fatima.

Und Ali hat das Hemd verkauft


Und brachte die fünfhundert Dirham
Dem Seher Gottes für die Tochter.
Der Vater und die Tochter waren
Mit dieser Summe einverstanden.
Der Seher Gottes gab die Tochter
Für eine so geringe Summe
Dem Bräutigam zur Ehefrau,
Um allen Gläubigen zu zeigen,
Dass Armut ist kein Hindernis
Für eine gottgewollte Ehe.
Gott gab die schöne Fatima
Zur Ehefrau dem frommen Ali,
Bevor der Seher selbst sie nähme
Zur Braut in sein Prophetenbett,
Er, der Prophet, der wahre Mann,
Der sich die junge Zainab nahm,
Die er gesehn im Nachthemd stehn
In ihrem Haus, die Ehefrau
War seines Pflegesohnes Zaid.
Doch Zainab war so heilig nicht
Wie Fatima, die voll der Gnade.

Auf, Ali, gehe zur Moschee,


Ich komme auch. In der Moschee
Gefeiert wird der Ehebund
Von Ali und von Fatima.
Und so erhob sich Ali, eilte
Zum Gotteshause. Unterwegs
Begegneten ihm Abu Bakr
Und Omar, denen er erzählte
Die Freudenbotschaft seiner Liebe.
Auch der Prophet erreichte nun
Das Gotteshaus, von Glück bewegt.
Da wies er Bilal an: Nun rufe
Die Stämme in das Gotteshaus!

Als die Muslime nun gekommen,


Bestieg die Kanzel der Prophet.
Er pries und lobte Gott den Vater
Und sprach: Ihr Brüder und ihr Schwestern,
Der Engel Gabriel kam grad
Zu mir herab vom höchsten Thron
Und überbrachte mir die Botschaft,
Dass Fatimas und Alis Hochzeit
Im Himmelreich gefeiert wird.
Und Gabriel gebot mir lächelnd,
Dass auf der Erde soll gefeiert
Voll Freude werden ihre Hochzeit.
Drum lud ich euch als Zeugen ein.

Nach diesen Worten setzte sich


Der Seher zu den Gläubigen
Und sprach zu Ali: Steh nun auf,
Gelobe Treue deiner Braut!
Und Ali sich erhob und sprach:
Ich danke und ich preise Gottes
Für alle Gnade, die er mir
Gewährte, und bezeuge, dass
Der Herr allein ist wahrer Gott.
Ihr Brüder und ihr lieben Schwestern,
Gott gibt sein Jawort zu der Hochzeit
Und segnet Fatima und Ali.
Gott hat mir meine Braut erwählt,
Hat Fatima für mich bestimmt.
Des Herrn Gesandter hat die Tochter
Mit mir vermählt. Mein Kettenhemd
Nahm er als Morgengabe an.
Fragt ihn! Seid Zeugen unsrer Ehe!

Die Frommen in dem Gotteshaus


Den Seher Gottes fragten: Hast
Du Fatima vermählt mit Ali?
Der Seher Gottes gab zur Antwort:
Ja, Brüder, ja, ihr lieben Schwestern.
Darauf erhoben alle sich
Und sprachen: Segne Gott der Herr
Die Ehe Fatimas und Alis
Und schenke euch getreue Freundschaft
Und süße Liebe füreinander!

Anschließend, nach dem Gottesdienst,


Der Seher Gottes kehrte heim,
Da wies er alle Frauen an,
Ein Fest der Freude zu bereiten.
Die Ehe ward geschlossen an
Dem ersten Tage des Dhul Hijjah
Im dritten Jahre nach der Hijra.

Der Seher Gottes sagte Ali,


Er soll das Kettenhemd verkaufen,
Um den Erlös als Morgengabe
Für seine Gattin aufzubringen.
Fünfhundert Dirham bracht es ein.
Und Ali überreichte dem
Propheten diesen Geldbetrag.
Und der Prophet rief Abu Bakr
Und Bilal und Salman zu sich,
Gab ihnen einen Teil des Geldes
Und sagte, dass sie kaufen sollten,
Was in dem Haushalt ward benötigt.
Ein wenig Dirham gab er Asma,
Sie solle kaufen ein Parfüm
Von Rosenöl für Fatima.
Den Rest des Geldes gab der Vater
Umm Salamah zur Aufbewahrung.

Und Abu Bakr hat berichtet:


Als ich das Geld bekam vom Seher
Des Herrn, da zählte ich das Geld,
Es waren etwa siebzig Dirham.
Da kaufte ich ein weißes Kleid,
Da kaufte ich ein großes Kopftuch,
Und eine Dattelpalmenmatte.
Ich kaufte zwei Matrazen, eine
Gefüllt mit weicher Lämmerwolle,
Die andere mit Palmenfasern.
Dann Kissen auch von Ziegenfell
Und eine Matte auch von Bast
Und eine Mühle für das Korn
Und eine große Messingschale
Und einen großen Lederbeutel,
Um Wasser darin zu befördern,
Ich kaufte eine Wäschewanne
Und eine Schale für die Milch
Und ein Gefäß zum Wassertrinken
Und einen Vorhang feiner Wolle.
Ich kaufte eine Wasserkanne
Zum Händewaschen nach dem Stuhlgang
Und einen schlichten Krug aus Ton.
Als der Propheten ward gebracht
Die Morgengabe Fatimas,
Ihm Tränen traten in die Augen,
Als er betrachtete die Gaben.
Er sprach zum Himmelreich empor:
O Vater, segne ihre Ehe,
Ihr Hausstand überwiegend nur
Aus ungebranntem Ton besteht.

Und es berichtet Ali dies:


Wohl einen Monat lang genierte
Ich mich, mit des Propheten Tochter
Zu sprechen. Doch der Seher Gottes
Sprach oft, wenn wir alleine waren:
Nun, Ali, bist du auch zufrieden?
Ich habe dich nach Gottes Willen
Der Schönsten aller Fraun vermählt.

Da kam der Bruder Alis zu


Dem Bräutigam und sagte: Bruder,
Ich freu mich über deine Heirat.
Was sagst du dem Propheten nicht,
Dass du nun Fatima ins Haus
Dir holen möchtest? Ali sprach:
Ich würde das sehr gerne tun,
Doch schäm ich mich, mit dem Propheten
Davon zu sprechen. Aqil sprach:
Bei Gott, wir wollen zu ihm gehen.

So Ali ging mit seinem Bruder


Zum Haus des heiligen Propheten.
Und auf dem Weg begegnete
Den beiden Brüdern Ummu Ayman.
Sie sagten ihr, was sie begehrten.
Und Ummu Ayman sprach zu ihnen:
Lass mich mit dem Propheten reden,
In solchen Angelegenheiten
Sind Worte eines Weibes besser.
Und Ummu Ayman und die andern
Verehrten Frauen gingen zum
Propheten und sie sprachen: Oh
Gesandter Gottes, sieh, wir kommen
In einer Angelegenheit,
Die sehr Khadija freuen würde,
Wenn sie noch lebte auf der Erde.

Als sie Khadija nannten, da


Begann der Heilige zu weinen.
Er sprach: Khadija, ach Khadija,
Wo find ich jemand wie Khadija?
Als mich die Leute alle mieden
Und meiner Botschaft widerstanden,
Da stand sie treu an meiner Seite
Und gab mir neuen Lebensmut.
Sie gab die ganze Habe Gott,
Gab alles der Mission des Herrn.
Khadija war die Frau, von der
Mir Gott der Herr geoffenbart,
Dass er ihr baut im Paradies
Ein großes Lustschloss aus Smaragden!

Und Ummu Salamah bestätigt:


Was du da von Khadija sagst,
Ist alles wahr, o Seher Gottes.
Gott möge uns an ihre Seite
Ins Paradies des Himmels rufen!
Doch oh, Gesandter Gottes, Ali
Will seine Gattin zu sich holen.
Da sagte der Prophet des Herrn:
Was spricht er nicht mit mir darüber?
Die Frauen gaben ihm zu Antwort:
Er schämt sich, Ali ist zu schüchtern.
Da sagte der Prophet den Frauen:
Bringt mir den lieben Ali her.

Als Ali zu ihm trat, da sprach


Der Seher Gottes: Lieber Ali,
Du möchtest deine Gattin holen?
Und Ali sagte zum Propheten:
Ja, gerne, o Gesandter Gottes.
So sagte der Prophet zu ihm:
Gott möge seinen Segen geben.
Gleich morgen Abend will ich alles
Bereiten für die Hochzeitsfeier.
Den Frauen wies er an: Schmückt meine
Geliebte Fatima mit Schmuck
Zu ihrer Hochzeit und besprüht
Sie mit Parfüm und schmückt den Raum,
Wo wir die Hochzeit feiern wollen.

Der Seher Gottes sprach zu Ali:


Zum Hochzeitsfest gehört ein Gastmahl.
Und Saad, der die Worte hörte,
Der sprach: Ich werde zu der Hochzeit
Ein Rind den vielen Gästen schlachten.
Die andern Freunde des Propheten
Zum Gastmahl gaben, was sie hatten.
Der Onkel Alis sprach zu Bilal:
Bring her das Rind von seiner Weide.
Er sprach zu Ali: Schlacht das Rind.

Drauf gab er hundert Drachmin, sprach:


Nun kauf Salat und Brot und Quark
Und kaufe Joghurt auch zum Trinken.
Und der Prophet wies Ali an:
Zum Gastmahl lade, wen du willst.

Und Ali lud viel Gläubige


Zum leckern Hochzeitsmahle ein,
Das da aus Brot und Fleisch bestand,
Salat und Knoblauchquark und Joghurt.
Da viele Gäste kamen, doch
Nicht alle konnten in dem Haus
Gemeinsam gleich bewirtet werden,
So setzte Ali jeweils zehn
Personen an das Esstuch und
Sie aßen von dem Hochzeitsmahl.
Der Heilige bewirtete
Persönlich Alis Hochzeitsgäste.
Hamzah und Abbas waren da,
Die Onkel des Propheten, und
Auch Alis lieber Bruder Aqil.

Auf diese Art und Weise also,


Indem sie gruppenweise wurden
Bewirtet, konnten viele Gäste
Gesättigt werden. Nach dem Mahl,
Als alle satt geworden waren,
Da ließ der Seher Gottes alles
Was übrig blieb den Armen geben.
Und auch für Fatima und Ali
Er legte ein Gericht beiseite.

Die Frauen schmückten Fatima


Und parfümierten die Geliebte.
Dann rief der Seher Gottes Ali,
Ließ ihn zur rechten Seite sitzen
Und Fatima zur linken Seite.
Er drückte beide an sein Herz
Und küsste beide auf die Stirn.
Dann nahm er seiner Tochter Hand
Und legte sie in Alis Hand.
Zu Ali sprach er: Fatima
Ist eine gute Ehefrau.
Zu Fatima sprach er: Und Ali
Ist ein getreuer Ehemann.

Nun wandte er sich an die Frauen


Und sagte: Nun begleitet ihr
Das Brautpaar in das Schlafgemach
Und lasset Lust und Wonne walten!
Doch tut nichts oder sagt auch nichts,
Was Gott dem Ewigen missfällt,

Die Fraun begleiteten das Brautpaar


Ins Brautgemach. Und der Prophet
Dem Brautpaar folgte ins Gemach.
Als er den Raum betreten hatte,
Ließ er ein Schälchen Wasser bringen.
Und so benetzte er die Tochter
Und ließ sie ihren Mund ausspülen.
Dann ließ er noch ein Schälchen bringen,
Benetzte seinen Schwiegersohn
Und ließ ihn seinen Mund ausspülen.
Dann küsste er die beiden Gatten
Und hob die Hände hoch zu Gott
Und betete: O Gott, mein Vater,
Nun segne diese Eheleute
Und lass aus ihnen Kinder kommen!
Er wollte nun den Raum verlassen,
Doch Fatima hielt ihren Vater
An dem Gewand zurück und weinte.
Er sprach: O vielgeliebte Tochter,
Ich habe dich vermählt dem besten
Gelehrtesten und klügstem Mann.
Mit diesen Worten schritt er auf
Die Tür des Brautgemaches zu
Und sprach: Gott möge euch behüten,
Gott möge segnen eure Kinder.
Ich bin der Bruder eurer Freunde
Und bin der Gegner eurer Feinde.
Nun aber nehm ich Abschied, Kinder,
Und ich vertraue euch dem Herrn an.

Er schloss die Türe hinter sich


Und sagte zu den lieben Frauen:
Nun kehrt in eure Häuser heim,
Denn niemand soll das Brautpaar stören.
Und so entfernten sich die Frauen.
Als auch der Seher gehen wollte,
Sah er, dass eine Frau geblieben.
Er fragte: Hast du nicht gehört,
Dass keiner soll das Brautpaar stören?

Sie sagte: Ich bin Asma, Herr.


Du sagtest: Nun verlasst dies Haus.
Doch mich betrifft das nicht, mein Herr.
Ich, als Khadija starb, war bei ihr,
Und als ich merkte, dass sie weinte,
Da sagte ich zu ihr: Warum
Denn weinst du, liebe Frau Khadija?
Du bist die Beste aller Frauen
Und bist Gemahlin des Propheten.
Dir ist das Paradies verheißen!
Khadija aber gab zur Antwort:
Ich weine, weil ich weiß: Ein Mädchen
Braut in der Nacht der Hochzeit Hilfe
Und einen mütterlichen Beistand.
Wenn ich nun scheide aus der Welt,
Wer spendet Trost dann Fatima?
Sie wird in ihrer Hochzeitsnacht
Nicht mütterlichen Beistand haben.
Und also sprach ich zu Khadija:
Wenn ich in jener Nacht noch lebe,
Dann bin ich Beistand Fatima,
Dann werde ich ihr nahe sein
Als die Vertraute in der Nacht.

Als der Propht den Namen hörte:


Kadija! flossen ihm die Tränen
Aus seinen schwarzen Augenquellen.
Er sprach: Oh liebe Mutter Asma,
Deswegen bist du hier geblieben?
Sie sagte: Ja, Gesandter Gottes.
Er sprach: So halte dein Versprechen.

O Herrscherin der Kreaturen,


O Mittelpunkt des Universums,
O Himmelskönigin Maria,
Ich weihe die Prophetenschüler
Dir, deinem Unbefleckten Herzen,
Erbitte ihnen Frieden, Mutter,
Lass sie erkennen den Messias,
Den Christus Jesus, Gottes Sohn!

DRITTER GESANG
DIE JUNGFRAU MARIA IM ISLAM

Maria, Mutter des Messias,


Hat im Islam ein hohes Ansehn,
Gott erklärte selber sie
Zu der besten Frau der Menschheit,
Die Gott vor allen andern Frauen
Aufgrund Mariens Frömmigkeit
Und Demut auserkoren hat.

Die Engel sprachen: O Maria,


Der Herr Gott hat dich auserwählt
Und hat dich rein gemacht und dich
Erwählt vor allen andern Menschen!
O Sankt Maria, sei voll Demut
Dem Herrn ergeben, wirf dich nieder
Und beuge dich zusammen mit
Den sich Verbeugenden vor Gott!

Maria ward von Gott gemacht


Zu einem Vorbild, denn er sprach:

Und seht das Beispiel von Maria,


Die sie die Tochter Amrams war,
Die ihre Keuschheit unter Schutz
Gestellt, worauf Wir Unsern Geist
Ihr eingehaucht. Sie hielt das Wort
Des Herrn und alle seine Bücher.
Und sie gehört fürwahr zu den
Demütig Gott Ergebenen.
Fürwahr, Maria war ein Mädchen,
Die gut dazu geeignet war,
Das Wunder Jesus zu gebären,
Der keinen Menschenvater hatte.
Sie war bekannt für ihren Glauben
Und ihre makellose Keuschheit.
Und wäre anders es gewesen,
So hätte ihr kein Mensch geglaubt,
Dass sie als Jungfrau hat empfangen,
Jungfräulich hat ein Kind geboren,
Doch das ist Glaube, ist ein Fakt,
Den der Islam für wahr hält auch.
Mariens Einzigartigkeit
Und ganz besondere Natur
Beweisen die Geschichten schon
Aus ihrer gottgeweihten Kindheit.
Lasst uns zusammentragen, was
Gott im Koran sagt von Maria.

Gewiss ist, Gott hat Adam, Noah


Und Abraham und seine Sippe
Und auch die Sippe Amrams vor
Den andern Menschen auserwählt.
Allhörend ist der Herr, allwissend.
Als Amrams Gattin Anna sagte:
Mein Herr, ich werde dir geloben,
Was ist in meinem Mutterschoß,
Sei deinem Dienst allein geweiht.
So nimm das Kindlein an von mir.
Du bist allhörend und allwissend.

Marias Vater, das war Amram,


Marias Mutter, das war Anna,
Die stammten ab von König David,
So von der Sippe der Propheten,
Von Abram über Noah bis
Zu Adam. Möge Gott sie segnen
Und ihnen wahren Frieden schenken.
Maria ward geboren von
Der auserwählten Sippe Amrams,
Der aus der Sippe Davids stammte.
Und Anna war erst unfruchtbar,
Sie sehnte sich nach einem Kind,
Da schwor sie Gott, wenn er ein Kind
Ihr schenkte, würde sie ihr Kind
Dem Gottesdienst im Tempel weihen.
Gott hörte ihr Gebet und sie
Empfing ein Kind. Als sie gebar,
War traurig sie, es war ein Mädchen,
Normalerweise dienten Knaben
Allein dem Herrn im Gottesdienst.
Als sie Maria dann geboren,
Da sagte sie: Mein Herr und Gott,
Ein Mädchen habe ich geboren.
Gott wusste wohl, wen sie geboren.
Die Mädchen sind nicht wie die Knaben.

Als sie bekannte ihre Trauer,


Da tadelte sie Gott und sprach:
Gott wusste wohl, wen sie geboren!

Gott hat die Tochter auserwählt,


Maria, Mutter soll sie werden
Des allergrößten Schöpfungswunders,
Die Jungfrau soll gebären Jesus,
Allah liebt ewig Jesus Christus!
Und Anna rief ihr Kind Maria
Und bat den Herrn, ihr Kind zu schützen
Vor Satanas und seinen Sklaven.

Ich hab Maria sie genannt


Und stelle sie und ihren Sohn
Und alle ihre Herzenskinder
Zum Schutz vor Satan und den Seinen,
O Herr Gott, unter deinen Segen!

Gott nahm die Bitte wirklich an


Und Gott verlieh Maria bald
Und ihrem Kinde Jesus Christus
Die Einzigartigkeit der Macht,
Die sonst kein andrer haben wird,
Maria nicht und Jesus nicht
In der Geburt betastet wurden
Von Satan, Welt und Fleisch und Sünde.
So sprach der Seher Mohammed:

Wird keiner in der Welt geboren,


Den Satan nicht berührte, daher
Das Schreien kommt, der Kinder heulen,
Das kommt durch die Berührung Satans,
Nur anders war es bei Maria,
Der Unbefleckten, und bei Jesus.

Hier sehen wir die Ähnlichkeit


Der Lehre des Propheten und
Der Lehre von der Unbefleckten
Empfängnis. Wenn auch der Islam
Nicht lehrt die Erbschuld, spricht man doch
Von Gottes Gnade, die bewahrte
Maria vor der Sünde. Zwar
Maria gilt nicht als Prophetin
In dem Islam, doch sie erhielt
Von Gott die Gnade und den Schutz,
Die Gott den wahrhaft Frommen spendet.

Und weiter heißt es im Koran:


Ihr Herr nahm sie in Gnaden an
Und ließ sie schöner Weise reifen
Und gab sie dann dem Zacharias,
Dass er die junge Maid behüte.

Von der Geburt Marias an


Nahm ihre Mutter Anna sie
Zum reinen Gottesdienst mit
Und übergab die Jungfrau dann
Den Heiligen in der Moschee,
Dass sie in deren Obhut reife.
Da man die Frömmigkeit der Eltern
Wohl kannte, stritten sich die Männer,
Wer da erhalten sollt die Ehre,
Die reine Jungfrau aufzuziehen.
So zogen sie das Los-Orakel
Und kein geringerer als der
Prophet mit Namen Zacharias
Ward auserwählt, dass er erziehe
Die unbefleckt Empfangene.

Und als Maria älter wurde,


Bemerkte Zacharias, dass
In ihrer Gegenwart geschahen
Verschiedne Wunder. Also ward ihr,
Als sie schon etwas älter war,
In der Moschee ein eigner Raum
Gegeben, wo sie ungestört
Dem Gottesdienste leben konnte.
Wenn Zacharias ihren Raum
Betrat, um nach der Maid zu sehen,
So fand er immer frische Früchte
Auch außerhalb der Jahreszeit.

So heißt es im Koran, dass immer,


Wenn Zacharias zu ihr trat
In ihre abgeschiedne Zelle,
So fand er bei ihr frische Früchte.
Da sprach er: O Maria, Jungfrau,
Woher hast du die frischen Früchte?
Sie sprach: Das kommt von Gott, denn Gott
Ernährt, wen er ernähren will,
Und Gott berechnet nicht mit Geiz.

Maria wurde oft besucht


Von Engeln. Gott der Herr erzählt uns,
Dass sie besucht ward von den Engeln
Und dass die Engel ihr verkündet,
Dass sie erwählt sei aus den Menschen
Und Mutter werde des Messias.

Und als die Engel zu ihr sagten:


Maria, Gott hat dich erwählt
Und hat dich rein gemacht vor allen
Den andern Frauen in den Welten.
Maria, sei dem Herrn ergeben
In Demut, wirf dich nieder und
Anbete mit den andern Betern.

Aufgrund der englischen Besuche


Und der Erwählung aus den Frauen
Gibt es Muslime, die Maria
Prophetin Gottes nennen. Selbst
Die anderen Muslime, die
Nur Jesus als Propheten ansehn,
Die glauben doch aufgrund Marias
Besondern römmigkeit und der
Besondern Demut und auch weil
Sie auserwählt ward von dem Herrn
Zur Jungfrau-Mutter des Messias,
Dass sie die allerhöchste Stellung
Im Kreis der Frauen innehat
Als höchste Jungfrau dieser Schöpfung.

Der Herr Gott unterrichtet uns


Von der Begebenheit, als einst
Die Engel ihr die Botschaft brachten
Von einem Kinde, dessen Stellung
Auf Erden, und von all den Wundern,
Die er vollbringen wird durch Gott.

Als nun die Engel sangen: O


Maria, Gott verkündet dir
Ein Wort von Jesus, dem Messias,
Von Jesus Christus, Sohn Marias,
Der angesehen ist im Diesseits
Und angesehen ist im Jenseits
Und ist der Nächste unsres Gottes.
Er wird schon in der Wiege sprechen
Zu Menschen und im Mannesalter
Ist er der heilige Gerechte.
Da sprach Maria: Gott, mein Herr,
Wie soll ich einen Knaben haben,
Da mich doch nie ein Mann berührt?
Der Engel sagte: Gott erschafft,
Was Gott erschaffen will. Und wenn
Der Schöpfer etwas will, so sagt er:
Es werde! Und so wird es dann.
Und Gott gibt Jesus Christ die Weisheit,
Thora und Evangelium.
So steht es im Koran, und ähnlich
Steht heute dies auch in der Bibel:
Hab keine Angst, Maria, du
Hast Gnade ja bei Gott gefunden.
Schau, du wirst schwanger werden, Jungfrau,
Und einen Sohn gebären, den
Sollst du mit Namen Jesus nennen.
Und voller Staunen frug die Jungfrau:
Wie soll denn das geschehen, da
Ich werd von keinem Mann erkannt?

Und dies war eine schwere Prüfung


Für sie, denn ihre Frömmigkeit
Und Demut war dem Volk bekannt.
Sie sah voraus, dass sie die Leute
Verklagen würden, sie sei unkeusch.

In andern Versen im Koran


Spricht Gott von der Verkündigung
Von Gabriel, dass Unsre Frau
Gebären werde den Propheten.

Gedenke auch im Buch Marias,


Die sich zurückgezogen hatte
Von ihren Leuten in den Osten.
Sie nähte einen Vorhang. Da,
Wir sandten Unsern Geist zu ihr.
Er stellte sich als Jüngling dar.
Maria sagte: Ach, ich suche
Beim Allerbarmer Schutz vor dir,
Wenn du nur gottesfürchtig bist.
Er sprach: Ich bin nur der Gesandte
Des Herrn, um dir ein Kind zu schenken,
Gott schenkt dir einen reinen Knaben.

Als Sankt Maria die Moschee


Verließ, der Engel Gabriel
Kam zu ihr als ein schöner Jüngling.
Sie hatte Angst in seiner Nähe
Und suchte Zuflucht bei dem Herrn.
Da sagte Gabriel, der Engel,
Er sei doch kein normaler Jüngling,
Er sei ein gottgesandter Engel,
Den Gott geschickt, ihr zu verkünden,
Dass sie ein Kind gbären werde,
Gebären Allahs reinen Knaben.

Da sprach Maria zu dem Engel:


Wie soll ich denn ein Kind gebären,
Gebären Allahs reinen Knaben,
Da mich doch nie ein Mann berührt?
Ich bin nicht wie die frechen Huren.
Da sprach zu ihr der Engel Gottes,
dies sei ein göttlicher Beschluss,
Von Ewigkeit vorherbestimmt,
Das sei ein Leichtes für den Herrn
In seiner Allmacht. Gott gebot,
Dass Jesus Christ geboren werde,
Und Jesus wird den Vater preisen,
Ein Zeichen Er der Allmacht Gottes.
Wie Adam ward erschaffen einst
Und Vater nicht noch Mutter hatte,
So wird der neue Adam auch
Erschaffen ohne Mannessamen
Und einzig eine Mutter haben.

Der Engel sprach: So soll es sein.


Der Herr spricht: Das ist mir ein Leichtes,
So machen Wir den Christus Jesus
Zu einem Zeichen Unsrer Allmacht
Und Unsrer Allbarmherzigkeit.
Und das ist längst beschlossne Sache.

Und Gott der Herr blies Christi Geist


Durch Gabriel in Sankt Maria
Und Unsrer Frauen Uterus
Empfing den Sohn von Gott dem Vater.

Und zeuge auch von Sankt Maria,


Die wir die Tochter Amrans nennen,
Die ihre keusche Scham der Jungfrau
Gestellt hat unter Gottes Schutz,
Wir bliesen Unsern Geist ihr ein.

Maria, Tochter du des Vaters,


Maria, Mutter du des Sohnes,
Maria, Gattin du des Geistes,
Führ du mich in den Huri-Himmel!

BEKENNTNISSE

ERSTER GESANG
LIED AN MEINEN SOHN
DIE ERKENNTNIS GOTTES

Mein Milan, willst du Gott erkennen,


So wisse, wer dich lehren kann.
Die Philosophen nicht des Ostens,
Die Philosophen nicht des Westens,
Auch nicht die alten Mythen-Dichter
Und nicht die lügenden Propheten
Befrage nach Erkenntnis Gottes,
Du frage Jesus, Gottes Sohn!

Denn Jesus kam herab vom Himmel


Auf diese Erde zu den Menschen,
Um Gottes Wort zu offenbaren.

Und Jesus Christus nennt nun einmal


Gott seinen Vater in dem Himmel.
Das lass dir nicht verleiden, Milan,
Von revolutionären Frauen,
Die stecken tief in vielen Sünden.

Gott ist die Liebe, nichts als Liebe,


Da Gottes Art die Liebe ist,
Ist Gott nicht einsam als Person,
Vielmehr der liebevolle Vater
Liebt Jesus, seinen lieben Sohn,
Und beider Liebe füreinander
Ist die Person des Heilgen Geistes.

Der Vater ist der alte Gott,


Schneeweiß die Haare und der Bart,
Er sitzt auf einem weißen Thron,
Und ihm zu seiner Rechten steht
Der Gottessohn, der Menschensohn,
Und zwischen Gott, dem alten Gott,
Und seinem einzig-lieben Sohn
Wie eine Turteltaube schwebt
Die Schöne Liebe, Ewge Liebe!

Und schau, der Liebe Turteltaube


Lässt nieder sanft sich auf das Haupt
Des reinen Mädchens Sankt Maria.

Das reine Mädchen Sankt Maria,


Sie ist die Frau der Offenbarung,
Die immerwährend reine Jungfrau
Im Herzen der Dreifaltigkeit.

Mein Sohn, ergreif Marias Hand,


Sie wird dich führen in das Leben
Im Inneren der Gottesliebe!

DIE PROPHETEN

Mein Sohn, beginn die Schrift zu lesen,


Du lies das Evangelium,
Und wenn du Jesus Christus dann
Begegnet bist in seinem Wort
Und hast ihn in dich aufgenommen,
So mach es nicht wie jene Narren,
Die schmähn das Alte Testament
Als Zeugnis eines Rachegottes.

Du wirst das Evangelium


Dann besser, tiefer noch verstehen,
Wenn erst du das Gesetz des Moses
Studierst im Hinblick auf den Christus.
Denn Moses als Prophet ist groß
Und er verweist auf den Propheten,
Der aus den Juden aufstehn wird,
Das ist der Herr, der neue Moses.

Wenn Moses' Bücher du studiert,


Studiere die Propheten auch,
Und mach es nicht wie jene Toren,
Die da von den Propheten nur
Jesaja gelten lassen, nein,
Lies Jeremia auch und lass
Dich nicht erschrecken vom Propheten,
Und mach es nicht wie jene Toren,
Die keuscher sind als Gott der Herr,
Verwirf du die Propheten nicht,
Wenn in erotisch kühnen Bildern
Sie von der Hochzeit Gottes sprechen.

Wenn du studiert hast die Propheten


Und auch nicht nur die großen vier,
Auch die zwölf kürzeren Propheten,
Dann lerne du das rechte Beten
Vom Psalter mit den Psalmen Davids,
Denn in den Psalmen findest du
Den Dank, die Bitte, Lob und Klage
Und also wirst du selbst ein Beter,
Der von dem Geiste Gottes selbst
Die Kunst des Betens hat gelernt.
Verschmähe du auch nicht die Schriften,
Die nennt man deuterokanonisch,
Und gehe gerne in die Schule
Der Weisheit. Lern von Salomo,
Doch lerne auch von Jesus Sirach.
Wenn du der Weisheit Schüler wirst,
Wirst einst du selbst ein Weisheitslehrer.

LOBPREIS DER GÖTTLICHEN SCHÖNHEIT

O Milan, preise Gott den Herrn,


Sing Halleluja, o mein Milan.
Zwar unsre Lobpreislieder können
Die Herrlichkeit des Herrn nicht mehren,
Ist doch die Herrlichkeit vollkommen,
Doch uns gereicht es sehr zum Heil,
Wenn oft wir Halleluja singen.

Und köstlich ist es, Gott zu danken


Für die empfangenen Geschenke,
Doch besser ist es, Gott zu preisen,
Weil er so schön und herrlich ist.

Und wenn du schöne Mädchen siehst,


So denke immer gleich daran,
Wie schön doch erst der Schöpfer sein muss,
Der Schöpfer dieser Mädchenschönheit!

Und schau dir eine schöne Frau an,


So wird sie heut dir schön erscheinen,
Doch morgen ist sie nicht mehr schön.
So werden ihre jungen Brüste
Dir nackig wunderschön erscheinen,
Jedoch der Popo ist zu breit.
Dir wird sie schön erscheinen zwar,
Doch deinen Freunden nicht so sehr.

Die höchste Gottesschönheit aber


Ist schön, für alle Zeiten schön,
Sie ist in jeder Hinsicht schön,
Und alle, die sie einmal schauten,
Die Schönheit fanden alle schön,
In allen ihren Gliedern schön
Und schön in alle Ewigkeit.

Verglichen mit der Gottesschönheit


Sind alle schönen Frauen hässlich.

Wenn schon ein junges hübsches Mädchen


Entzückt den Mann von fünfzig Jahren,
Wie sehr verdient die Schönheit Gottes
Dann die Begeisterung des Menschen!

Und wenn die wunderschöne Frau


Dir ihre Huld nicht schenken will,
So denke, dass die schöne Gottheit
In ihrer makellosen Schönheit
Sich ewig schauen lassen will,
Im Himmel wirst du sie genießen!

So strebe eifrig, o mein Milan,


Nach dem Genuss in Ewigkeit,
Wo du genießt die Schönheit Gottes!

DER GOTTESDIENSTLICHE KULT

O Milan, sei der Kirche treu


Und ihrer Hierarchie von oben
Und glaube an die Worte Jesu:
Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut!
So nimm in deine Seele auf
Den auferstandnen Jesus Christus,
Dass du nicht selbst mehr lebst, dein Ego,
Vielmehr dass Christus in dir lebt,
Dass Jesus Christus in dir leidet,
Dass Jesus Christus in dir stirbt,
Der Herr in dir zum Hades fährt,
Dass Christus in dir aufersteht,
Der Herr in dir gen Himmel fährt!

Und folge nicht den leeren Toren,


Die gottlos nur vollziehn die Riten
Und wissen gar nicht was sie tun,
Da sie als gottvergessne Sünder
Den wahren Leib des Herrn empfangen
Und sind bekehrt nicht, sind nicht gläubig!

Und folge nicht den andern Toren,


Die Jesus Christus folgen wollen
Und meditieren stets sein Wort
Und doch nicht feiern Kommunion
Mit Leib und Blut des Herrn und Heilands,
Der Seele und der Gottheit Christi,
Sind ungehorsam Gottes Wort:
Tut dieses um an mich zu denken,
Mein Fleisch ist eine wahre Speise,
Und wer den Leib des Herrn nicht aufnimmt,
Hat nicht das Leben Christi in sich!

Und wenn die gottvergessnen Sünder


Beleidigen die Kirche Gottes,
So bleibe du doch treu der Mutter
Ecclesia, die dich ernährt
Mit Manna, das vom Himmel kommt,
Und stimme ein nicht in den Chor
Der sittenlosen Lästerzungen,
Die nennen Christi Braut, die Jungfrau,
Die nennen sie die Hure Babel
Und Tyrannei des Antichristen.

Du bleibe stets der Kirche treu


Und bleibe treu dem Abendmahl,
Dann ist dir ewges Leben sicher!

VATER UND MUTTER

Mein liebster Sohn, vergiss auch nicht


Und bis ins Alter du gedenke,
Wie deine schöne Mutter sang
Zur Zeit der Weihnacht Kinderlieder
Von der Geburt des heilgen Christ!

Gedenke, Sohn, wie deine Mutter


Dich abends in das Bett gebracht
Mit reinen kindlichen Gebeten
Und dir von deinem Engel sprach
Und von Mariens Sternenmantel,
Vom Christuskind im Paradies!

Mein Sohn, vergiss nicht in dem Lärm


Und dem Geschreie dieser Welt
Des Vaters weise Glaubenslehre,
Der dir erzählt vom Kinde Moses,
Von der Befreiung Israels
Aus der Ägypter Sklaverei
Und wie der wahre Gott des Lebens
Als Feuer brannte in dem Dornbusch,
Und wie der kleine Knabe David
Besiegt den Riesen Goliath
Mit einer Schleuder und Gebet,
Wie Vater Abraham bereit war,
Den eignen Sohn dahinzugeben,
Doch Gott gab an des Sohnes statt
Ein kleines reines Opferlamm,
Und wie der weise Träumer Josef
Der Liebling seines Vaters war,
Beneidet von den andern Brüdern.

Wenn deine liebe Mutter stirbt,


So bet für ihre arme Seele
Und schaue auf zum hohen Himmel,
Dort droben wartet sie auf dich!

Und wenn dann deines Vaters Bart


Ist grau geworden, müd sein Leib,
Verachte nicht den kranken Vater
In aller Stärke deiner Jugend,
Mach deinem Vater lieber Freude,
Indem du weise wirst, mein Milan!
HERKUNFT UND TUGEND

Mein Sohn, gib eines nur nicht auf,


Erinnre dich, wie du zur Kindheit
Die vielen Menschen eingeteilt
In liebe Menschen, böse Menschen.
So unterscheide stets die Geister
Und lass dich nicht verwirren von
Den Toren, die in Blindheit sagen,
In Gott sei Gutes und auch Böses.
Entscheid dich jeden Augenblick
Fürs Gute, widersag dem Bösen
Und allem seinem bunten Schein.

Des Vaters Reichtum oder Armut


Sei gleich für dich, geliebter Milan,
Ob er ein reicher Bürger ist,
Ob er ein armer Bettler ist.
Nur suche immer du das Gute,
Gerechtigkeit und reine Liebe.

Lass dich nicht täuschen von den Toren,


Sie seien Reiche oder Arme,
Die meinen, Geld allein mach glücklich.

Du such die Freude deines Herzens


Und des erfüllten Lebens Glück
Nur nicht im Geld, dem Gott der Welt,
Nein, suche nur die schöne Liebe,
Die wahre Gottheit in dem Himmel.

So zähl dich zu den Liebenden,


Nicht zu den bösen Egoisten,
Und üb dich in der wahren Liebe,
Erweitre immerdar dein Herz.

Ob du auch etwas Geld bekommt,


Bleib immer voll Barmherzigkeit,
Erbarmen habe mit den Armen,
Erbarmen habe mit den Kranken,
Erbarmen habe mit den Kleinen,
Erbarmen habe mit den Toten.

Denn Hab und Gut nimmt keiner mit


Ins Jenseits, in die Anderswelt,
Allein was bleibt in Ewigkeit
Ist Gottesliebe, Nächstenliebe.

VON DER SCHÖNEN REDE


Und willst du sprechen, lieber Sohn,
Sprich nicht mit Essen in dem Mund.

Wenn dich ein weiser Mann belehrt,


So unterbrich nicht seine Rede
Und streite nicht mit ihm und zank nicht
In deiner Torheit deiner Kindheit.

Enthalte dich des leeren Schwatzens,


Verleumde keinen hinterm Rücken,
Enthalte dich des schlimmen Lästerns,
Vor allem rede nicht blasphemisch.

Dein Ja ein Ja, dein Nein ein Nein,


Und schwöre nicht bei den Gebeinen
Der toten Mutter deiner Mutter.

Gewöhn dir nicht das Lügen an,


Denn Gottes Wahrheit flieht von denen,
Die die verfluchte Lüge lieben.

Lass stets dein Wort verständlich sein


Und nicht so wie der Turm von Babel
Und mische auch nicht alle Sprachen
Zu einem wirren Kauderwelsch.
Du ehre deine Muttersprache
Und schule deiner Sprache Schönheit
An den gesegneten Autoren
Und Dichtern deines Vaterlandes.

Verachte aber keine Sprache


Von irgendeinem andern Volk,
In allen Zungen aller Völker
Kann hören man den Lobpreis Gottes.

Und meide die vulgären Worte


Und rede keine Gossensprache,
Erzähle keine schlechten Witze.

Vor allem meide du das Fluchen!

Du schmücke deine Rede mit


Den weisen Worten aus der Bibel
Und mit dem Vers der Klassiker
Und Reimen nationaler Dichter.

Bedenk, dass du für jedes Wort,


Das du auf dieser Erde sprichst,
Musst Rechenschaft ablegen Gott
In dem persönlichen Gericht.
TESTAMENT DES GROSSVATERS

Mein Sohn, dein alter Opa stirbt


In einer allzu nahen Zeit.
Ich habe dich getragen, Milan,
Zum Sessel deines alten Opas,
Und er entkorkte schnell die Flasche
Und schenkte Rotwein Spaniens ein
Der guten Marke Carinena
Und sprach: Mein sehr verehrter Dichter!
Die mit dir leben, wissen nicht,
Dass du bist ein genialer Dichter.
Doch bist du nicht nur ein Poet,
Nein, auch ein wahrer Kinderfreund.
Vor allem muss beklagen ich,
Dass dich die Schwärze tiefer Schwermut
Und idiotisch-blöder Spleen
Dich immer wieder hilflos macht,
So dass du ausgeliefert bist
Den Teufeln, die dich rings umgeben.
Such Halt bei deinen Christenbrüdern
Und in dem Arm der Karitas!
Und meine reiche Lebensweisheit
Wünscht dir zumeist Serenitas!
Serenitas, Serenitas!
Sie ist ein jugendliches Mädchen,
Ist etwa siebzehn Jahre jung,
Ist ähnlich einer schönen Fee,
Ist ähnlich der Madonna, ähnlich
Dem heitern Himmel ohne Wolken,
Ein Himmel ist sie voller Geigen
Und voller trunknem Halleluja
Am Bette eines Sterbenden.
Und weiter wünsche ich dem Dichter
Geniale Kreativität,
Dass du die Wunden deiner Seele
Verwandelst alchemistisch in
Die Perlen schöner Poesie.
Jedoch ich muss dich warnen auch,
Verströme dich nicht an die Bösen,
Die herzensharten Egoisten,
Die mit dem toten kalten Herzen
Krank machen nur den Liebenden
Und dir verbittern deine Seele,
So dass du wünschtest tot zu sein
Und lieber nie geboren wärest!
Vor diesen Schlangen hüte dich!

Ich habe weit die Welt bereist


Und weiß, dass manche Menschensöhne
Durch dieses Erdenleben kommen
Durchs fleißige Getränk des Weines.

DAS ALTER UND DIE JUGEND

Mein Sohn, die lustig-freie Jugend


Das Leben hält für einen Tanz,
Sie tanzen, angetrunken taumelnd,
Und sind betrunken von Begierde.
Wenn aber Jugendliche fromm sind,
So tanzen sie für Gott den Tanz
Wie David vor der Bundeslade.

Wenn ich die jungen Mädchen sehe,


Von vierzehn bis zu zwanzig Jahren,
So ist es keine große Kunst,
Liebreizend und graziös zu sein.

In meiner Jugend wollt ich auch


Die Welt aus ihren Angeln heben.
Neu einzurichten diese Welt
Schien ich berufen mir vom Schicksal.

Man traut in seiner Jugendzeit


Dem Fühlen und man ist verliebt,
So scheint die Liebe einem ewig,
Die dauert nur ein halbes Jahr.

Doch wenn das bittre Alter kommt,


Die Glieder wollen nicht mehr so,
Der Leib ist allzu schwer geworden,
Dem einen wird das Barthaar grau,
Dem andern fallen aus die Haare,
Die Zähne auch sind schon gezogen,
Die Augen sehen nicht mehr scharf,
Die Seele hat viel Leid erobert
Und ist bedeckt mit vielen Wunden.

Da flüchte sich der alte Mann


Nicht zu den jungen hübschen Mädchen,
Sonst würde lächerlich der Alte,
Wollt scherzen er mit dummen Mädchen.

Des Alters Würde vielmehr ist


Des langen Lebens Welterfahrung
Und wenn die Gnade Gott gegeben,
Die Altersreifezeit der Weisheit.

Man gibt in Gottes Willen sich


Und leidet wie ein andrer Mann
Und schaut schon nach dem Himmel aus,
Denn flüchtig ist der Erde Lust,
Doch ewig sind des Himmels Wonnen!

BEIM ESSEN

Sankt Grobian, was musst ich sehen!

Der Knabe liegt bequem zu Tisch


Und schmiert das Maul sich voll mit Honig
Und wischt die klebrig-süßen Finger
An seinen Hosenbeinen ab.

Der eine greift sich voller Gier


Das größte Stück vom Käsekuchen
Und gönnt dem Bruder nicht das gleiche.

Der andere verschmäht die Wurst


Und wirft das Fleisch dem Hunde vor,
Der hungrig lauert unterm Tisch.

Und der wirft mit den Nudeln um sich,


Sind mehr der Nudeln unterm Tisch,
Als noch auf seinem Teller liegen.

Der andere verschmäht das Brot


Und möchte nichts als Zucker essen.

Der eine isst mit schwarzen Fingern,


Mit denen er im Schlamm gewühlt
Und leckt von seinen schwarzen Fingern
Den Honig mit der Zunge ab.

Der andre springt vom Tische auf,


Dieweil noch speisen seine Eltern,
Und sucht sich Näscherei zum Nachtisch.

Der legt den Kopf flach auf den Tisch


Und schiebt sich faul mit großem Löffel
Den Brei vom Teller in den Mund.

Der kreischt und schreit und lärmt am Tisch


Und zankt mit seinem kleinen Bruder
Und dann beleidigt er die Mutter,
Das Essen schmecke ekelhaft.

Wo ist geblieben denn die Sitte


Der Christen, vor dem Mahl zu beten
Und Dank zu sagen Gott dem Schöpfer
Und dann die Speise auch zu segnen
Und zu bekreuzigen die Brust?
Dahin ist diese fromme Sitte.
Sankt Grobian, Patron des Tisches,
O bitte du für unsre Kinder.

VOM WEINTRINKEN

Mein Sohn, nimm dir zum Vorbild nur


Den guten Freund, den Gott mir gab:
Der Tag verging im Fleiß der Arbeit,
Mit Frauenzank und Kinderlärm,
Der Abend aber mit dem Freunde
Gewidmet sei dem Weine maßvoll,
Nicht schlechtem Essig und Verschnitt,
Nein, nur dem guten alten Tropfen !
Da trinken wir und stoßen an
Auf schöne Frauen, guten Wein,
Dann sprechen wir von Philosophen,
Dann sprechen wir von Theologen,
Dann sind wir geistreich, sind wir witzig,
Ein Wort ergibt das andre Wort,
Dann scheiden froh wir von einander
Und dann geht auch mein Freund bald schlafen
Im Bette seiner schönen Frau.

Mein lieber Sohn, versprich mir nur,


Nicht meiner Lebensart zu folgen:
Ich öffne durstig Nacht für Nacht
Die Flasche stets des gleichen Weines
Und trinke dann die Flasche leer
Und nehm mein Morphium der Psyche
Und taumle trunken in mein Bett,
Allein und einsam einzuschlafen.

Und mach es so wie die Franzosen,


Mein Sohn, die schenken ein den Wein
Zu einem lecker-reichen Festmahl,
Die Männer trinken dann den Wein
Natürlich ungemischt, die Frauen
Den Wein dann mit dem Wasser mischen.
Und sie genießen den Geschmack
Des guten Weines, froh gesellig,
Beim Braten und bei Brot und Käse,
Und nach dem Mahle den Café.

Und reihe nicht dich in die Schar


Der dreisten Säufer, die betrunken
Der Sitte und der Scham beraubt
Den Huren fallen in den Schoß.

Jedoch ein Kelch des frommen Weins


Verlängert dir die Lebenszeit
Und steigert deine Lebenslust.
DIE GASTFREUNDSCHAFT

Gastfreundlich sei, mein lieber Sohn,


Denn manche Menschen haben schon
Bewirtet in dem eignen Haus
Den Engel, ohne es zu wissen.

Und wenn dein Freund in seiner Not


In deinem Haus sucht Unterschlupf
Vor allzu großem Seelenjammer,
Verschließe nicht dein Herz, mein Sohn!
Dann lade ihn in deine Wohnung
Und lass genießen ihn den Kuchen
Und zu dem Kuchen heißen Kaffee,
Dann gehe du mit ihm spazieren
Und zeig ihm deinen grünen Garten,
Dann lade abends ihn zum Mahl
Gebratner Ente ein mit Reis
Und hole dann aus deinem Keller
Verstaubte Flaschen guten Weins.
Und lade ihn zum Schlafen ein
Im Bett in deinem Gästezimmer
Und lege ihm ein Handtuch hin,
Dass er am Morgen baden kann.
Am Morgen grüße fröhlich ihn
Und biet ihm Brötchen an und Eier
Und reinen Lindenblütenhonig.
Dann segne ihn und sage ernst:
Du bist mein bester Freund, ich schätze
Den geistigen Disput mit dir,
Denn Gott gab dir nicht nur die Schwermut,
Er gab dir auch des Glaubens Wissen.

Mein Sohn, ich warne dich davor,


Dass du es nicht so machst wie jene,
Die bieten in dem heißen Sommer
Dem Gast nicht einen Becher Wasser
Und wenden ihm den Rücken zu
Und schweigen steinern ihn nur an.
Und wenn er deren Haus verlässt,
Wird er den Staub von ihrer Schwelle
Von seinen alten Schuhen streifen
Und sagen: Diese dummen Leute,
Sie wollen wissen nichts von Gott,
So sollen sie auch töricht bleiben,
Unwissend wie die frechen Narren!

Mein süßer Lieblingssohn, dein Gast


Ist manchmal nur ein armer Bettler,
Doch kann es sein, es ist der Herr,
Der Christus Jesus, der dich bittet
Um herzliche Barmherzigkeit.

VON DEN GESELLSCHAFTSSPIELEN

Mein Sohn, und willst du spielen Schach,


Gedenke, in des Spieles Grenzen
Du darfst sogar die Dame schlagen.
Ich hab im Leben kein Verlangen
Zu schlagen eine Dame, doch
Spiel Schach ich, ists mir eine Lust,
Zu schlagen meines Feindes Dame.

Und wenn du mit der Oma spielst


Das Spiel Mensch-ärgere-dich-nicht,
Das sogenannte Gänsespiel,
Wenn deine liebe Oma aufsteht,
Den Tee zu schenken in die Tasse,
Betrüge du dann nicht beim Spiel,
Der Sieg wird dir nur Freude machen,
Wenn nach den Regeln du gewinnst.

Wenn mit dem Freund du Karten spielst,


So teil die Karten nicht so aus,
Dass du die starken Karten hast
Und er allein die schwachen Karten.
Denn wenn dein Sieg bereits gewiss ist,
Wo ist die Spannung dann des Spiels?

Und wenn du dann im Spiel verlierst,


So fang nicht gleich zu weinen an
Und werde auch nicht wütend, Sohn,
Und tritt nicht wütend mit den Füßen
Des Tisches Beine, dran du sitzt,
Bleib heiter nur und denke dran:
Wer Glück im Kartenspiele hat,
Hat Unglück in der Frauenliebe.

Vor allem warnen muss ich dich,


Spielhöllen sollst du nicht betreten,
Du spiele nicht um Geld, mein Sohn.
Ich kannte einmal einen Mann,
Der hatte all sein Geld verspielt,
Der hatte keine Wohnung mehr,
Der musste sich sein täglich Brot
Erbetteln bei den harten Herzen.

WIE EINE GELIEBTE GEBAUT SEIN SOLL

Mein Sohn, und willst du eine schöne


Geliebte dann in deiner Jugend,
Vielleicht ergeht es dir dann so,
Wie ich und deine schöne Mutter
Uns liebten in der wilden Jugend.

Denn wenn du eine schöne Frau


Zum ersten Mal mit Augen siehst,
Scheint sie dir eine Schönheitsgöttin,
Des Glorienlichtes weiße Göttin.

Dann siehst du ihre Frauenschönheit,


Verliebst dich in den Leib des Weibes,
In ihren kussbereiten Mund,
In ihre Brüste, wenn sie hüpfen,
Du siehst ihr rotes Kleidchen an
Und ihre weiße nackte Haut,
Dann liebst du ihre schwarzen Locken
Und ihre meeresblauen Augen.

Dann wird ihr schöner Name dir


Der schönste Name dieser Welt sein,
Der Ort, wo sie geboren ist,
Der wird zur Hauptstadt dir der Liebe.

Von ihrer Hand geführt, entdeckst du


Den Norden mit dem grauen Meer,
Den Osten mit den Weizenfeldern,
Den Süden mit den Weinterrassen,
Und sie erschließt dir dann die Welt
Und die Natur, die Schöpfung Gottes.

Die Wonnen körperlicher Liebe


Genießt du mit der Vielgeliebten
Und wirst noch denken an die Wollust,
Wenn die Geliebte ist gestorben,
Dann träumst du noch von ihrem Leib
In deines Alters Einsamkeit.

Jedoch wenn du den lieben Gott suchst


Und die Geliebte sucht ihn nicht,
Dann wird das Bett euch nicht vereinen.
Die wahre Liebe zwischen zweien,
Das Liebesband von Mann und Frau,
Braucht einen Dritten noch dazwischen,
Ich mein damit den Amor Gottes.

So ist es vielmals besser, Sohn,


Zu warten keusch in deiner Jugend,
Bis du dir eine fromme Frau
Zur treuen Ehegattin nimmst.
VOM GESCHLECHTSVERKEHR

Mein Milan, auf den Wegen Gottes


Der Mann soll lieben Eine Frau
Und einzig und allein nur diese
Und sie ein ganzes Leben lang.
Wenn ihr einander habt geprüft
Und euch vor Gottes Angesicht
Die Treue fromm versprochen habt,
Die Ehe ist ein Sakrament,
Das Sakrament wird gültig erst,
Wenn ihr einander habt vereinigt
In dem erotischen Verkehr
Und wenn ihr dabei offen seid
Für Fruchtbarkeit und seid bereit,
Die kleinen Kinder großzuziehen.

Und dann ist der Geschlechtsakt auch


Der Höhepunkt der Ganzhingabe
Des einen Menschen an den andern,
Dann ist es nicht der Egoismus
Der Stillung eigener Begierde,
Dann ist die Liebe ein Geschenk,
Hingebungsvolle Herzensgabe.

Und dann wird die Geschlechtlichkeit


Zum Gnadenort des Schöpfergeistes,
Der Schöpfer in Vereinigung
Mit den mitschöpferischen Gatten
Ein kleines neues Leben schafft.

Doch wenn von Gottes Wegen fern


Die Sexualität des Mannes
Benutzt die Leiblichkeit des Weibes
Zur Stillung eigener Begierde,
Wenn Herz und Geist und Gott und Treue
Sind nicht beteiligt am Geschlechtsakt,

Ja, dann ist der Geschlechtsverkehr


Der reinen Menschenseele schädlich,
Dann wird das arme Herz verwundet
Und so der Mensch im Lauf der Zeit
Unfähig wird zur Liebe sein
Und zum Vertrauen und zur Treue.

Dann wird die Sexualität,


Das heilige Geschenk des Schöpfers,
Durch eines Menschen Egoismus
Zu einem Dämon der Zerstörung,
Es bleibt des Menschen Herz zurück
Als Trümmerfeld und als Ruine.
VOM BADEN

Mein Milan, wenn du traurig bist,


So bete du und bitte Gott,
Dass er dich segne, er dich tröste,
Dann suche Trost im Psalmgebet
Und wenn das auch nicht helfen will,
Mein Sohn, so nimm ein heißes Bad.

Wo ist Geborgenheit so tief


Als wie im lieben Mutterschoß,
Fruchtwasser eines Uterus,
Als in der warmen Badewanne?

Leg dich zurück in Mutterschoß


Und in das wärmende Fruchtwasser
Und so genieße du die Ruhe.

So spüle ab den Staub des Alltags


Und spüle so der Feinde Bosheit
Im heißen Bade von dir ab.

Und nimm dir Badeöle duftend


Von provencalischem Lavendel
Und Tanne und genieß den Duft
Des dampfenden und heißen Bades.

Wenn ich mich in der Badewanne


Entspanne von des Alltags Mühen,
So les ich gern im Bad ein Buch.

Dann stell du auf den Rand der Wanne


Den Becher mit Orangensaft
Und lass dich treiben in dem Wasser
Und so verfließe dir die Zeit.

Und bist du auch des Lesens müde


Und alles fleißigen Studierens,
So meditiere in der Wanne
Den frommen Rosenkranz Mariens.

Maria heißt ja auf Lateinisch:


Die Meere! Sankt Maria weiß,
Wie wohl ein kleines Kind sich fühlt
Im Schoße einer lieben Mutter.
Und wenn du dann das Ave murmelst,
Dein Ave o Maria Amen,
Bedenke dass du bist geborgen
Im Mutterschoß der Gottesmutter
Für alle deine Zeit auf Erden,
Bis sie in deiner Todesstunde
Dann dich gebiert ins Paradies.

VOM SCHLAF

Mein Sohn, ich weiß, die kleinen Kinder,


Sie gehen nicht sehr gern ins Bett,
Sie möchten, immer sei es Tag
Und Zeit für frohes Kinderspiel.

Wenn aber du ins Alter kommst,


So weißt du erst den Schlaf zu schätzen.
Und wenn du dann nicht schlafen kannst,
Bist du am Tage melancholisch,
Voll Missmut und voll Seelenqual.

Wie sehnt sich erst ein Mensch voll Kummer


Nach einem tiefen, tiefen Schlaf!
Oh, wenn dich deine Liebe quält
Und dich das Erdenleben peinigt,
Wie sehr ersehnst du dann den Schlaf!

Ach, suchst du dann den Seelentrost


In traumlos tiefem Schlaf zur Nacht,
Dann weh, wenn du im Schlafe wach bist
Und träumst ein wirres Zeug und wirst
Im Traum noch von der Frau verschmäht
Und leidest auch im Traum Verlust
Und wirst verfolgt von Feind und Monster,

So wünschst du traumlos tiefen Schlaf.

Wenn du vom Wahnsinn krank geworden,


Dann kann der Arzt nicht anders helfen,
Als dass er dich in Schlaf versetzt
Durchs Morphium für deine Seele.

Dann deines Lebens Hälfte bist


Im Tiefschlaf du fast wie ein Toter.

Zuletzt, wenn dann das Greisenalter


Zuwider dir das Leben macht,
Ersehnst du nur den großen Schlaf,
Des Schlafes Bruder nur, den Tod,
Der Seelenruhe Ewigkeit.

Du aber, Milan, du spring auf


Aus deinem kleinen Kinderbett
Und hüpfe lustig-froh umher
Und sei in deiner Kindheit fröhlich,
In deiner Jugend sei euphorisch.
VOM FUSSBALL

Mein Sohn, die kleinen Knaben lieben


Das Fußballspiel. Die kleinen Knaben
Gern sitzen auf des Vaters Schoß
Und lauschen, wenn er Bücher vorliest,
Doch wollen bald sie auch hinaus
Und draußen spielen mit dem Ball.

Und nun, das Kind, das spielt alleine,


Das wirft den Ball dann an die Wand
Und fängt dann wieder auf den Ball.

Der kleine Knabe denkt sich gerne,


Die liebe Sonne sei ein Fußball
Und Gott der Vater spiele Fußball
Mit Michael, dem Engelfürsten,
Der Fußball aber sei die Sonne.

Die heilige Therese von Lisieux


Einst sagte zu dem Jesusknaben:
O Jesulein, ich will dein Ball sein
Und wenn du mit mir spielen willst,
Dann bin ich stets bereit zum Spiel.
Doch wenn du keine Lust mehr hast
Und lässt den Ball im Winkel liegen,
So will ich auch zufrieden sein.

Und Sankt Johannes Paul der Große


Hat als ein Gottesmann und Priester
Mit seinen Kindern Ball gespielt.

Wenn heute gute Fußballspieler


Aus dem katholischen Brasilien
Ein Tor geschossen haben, reißen
Sie jubelnd ihr Trikot herunter
Und auf dem Unterhemd steht deutlich
Zu lesen: Jesus ist der Herr!

Ein junger Knabe will den Ball


Befördern siegreich in das Tor,
Dein Leben nämlich hat ein Ziel,
So schieße du den Lebensball
Als Sieger in das Himmelstor!

VOM UMGANG MIT FEINDEN

Mein Milan, wer ein Christ geworden,


Der kriegt die Feinde Jesu Christi
Zu seinen eignen Feinden auch.
Ich hatte mich gerad bekehrt
Zu Jesus Christus, meinem Gott,
Da trat mich hart ein Okkultist
Und hetzte seinen Hund auf mich
Und schüttelte auf mich herab
Die Asche seiner Zigarette
Und sagte: Lass mich bloß in Ruhe
Mit deinem Abgott, diesem Schwächling,
Mit deinem gottverlassnen Gott!

Als deine schöne Mutter krank ward,


Da traf ich leider einen Irren,
Der bat mich einmal um die Bibel,
Um die geheime Offenbarung,
Et wollt den Antichristen ehren.
Und lieber wollte er dem Teufel
Begegnen als dem lieben Gott
Und lieber wollt er in die Hölle
Als in den Himmel Gottes kommen.
Da bellte er mich geifernd an,
Verzog sein Antlitz zur Grimasse,
Aus seinem Maule hüpften Frösche.

Ich lernte leider Menschen kennen,


Die feindlich mir gesonnen waren,
Sie hielten mich für ihren Feind,
Obwohl ich ihnen doch gewünscht
Den starken Rückenwind von Gott.
Sie aber sprachen schlecht von mir
Und nahmen mir das Liebste weg,
Was ich auf dieser Erde hatte.

Ich kannte eine schöne Frau,


Die voller Anmut war und Reizen,
Sie war sehr sanft und sehr bescheiden
Und so begann ich sie zu lieben.
Ich tat ihr alles auch zu Liebe
Und half ihr auch in jeder Hinsicht,
Ich schenkte Schmuck und Blumen ihr
Und unterwies sie in dem Glauben
Und sorgte mich um ihre Kinder.
Sie aber weihte sich Dämonen
Und lehnte meine Liebe ab,
Und so zerriss sie mir das Herz
Und machte mir das Leben bitter,
So dass ich wünschte mir den Tod,
Ja, dass ich nie geboren wäre!

Gott segne alle meine Feinde!


VOM GELD

Mein Sohn, du irrst dich, wenn du denkst,


Dass Geld dich könne glücklich machen.

Ich kannte eine reiche Frau,


Die schickte ihrem armen Sohn,
Der krank vor Gram und Kummer war,
Zu seinem Troste einen Geldschein:
Mein Sohn, hier ist ein Glücklichmacher!
Und doch der Sohn vermisste nicht
Das Geld und solche toten Dinge,
Nein, er vermisste Mutterliebe.

Ich kannte einen reichen Mann,


Der brachte so sein Leben zu,
Dass fleißig er sein Geld gespart,
Arbeiten ließ er viel sein Geld
Und ließ das Geld sich so vermehren.
Im Alter war er reich geworden,
Da wollte er das Geld genießen
Und reisen durch die ganze Welt,
Da aber ließ der Herr ihn sterben.

Ich kenne eine Millionärin,


Die ward vom Arzt steril gemacht.
Als aber dann das Alter nahte,
Da sagte abends sie beim Wein:
Jetzt will ich doch noch Kinder haben.
Da nahm sie einem armen Mann
Den kleinen Herzensliebling weg.
Der Vater Staat half gern den Reichen,
Es dachte doch der Vater Staat:
Wo Geld ist, gehts den Kindern gut.
Der arme Mann viel Liebe schenkte,
Viel Vaterliebe, Mutterliebe,
Die Millionärin aber schenkte
Dem Knaben Geld, verwöhnte ihn,
Gewöhnte ihn ans liebe Geld.

Doch Jesus sagt, wie schwer es ist


Für Reiche, in das Paradies
Zu kommen, eher ein Kamel
Beladen geht durchs Nadelöhr.

VOM UMGANG MIT EIGENTUM

Mein Sohn, wenn du ein Haus besitzt,


Dann stopfe du dein Haus nicht voll
Mit allerlei unnützem Tand.
Ich kenne einen alten Mann,
Der wohnt in einem großen Haus,
Das stopfte er bis oben hin
Mit seinen Dokumenten voll,
Berichten aus der Politik,
Mit irgendwelchen neuen Büchern,
Mit Büchern, von dem Keller an
Bis oben unters Dach des Hauses,
Zehntausend ungelesnen Büchern,
Dazu auch bunten Tand und Schmuck
Von Muscheln und geschnitzten Eulen,
Von Buddhas und von andern Götzen,
Von Wasserbüffeln und von Drachen,
Modellen auch von Fischerkähnen,
Singvögeln und Aquarien,
Und über allem lag der Staub,
Die unbesiegliche Vergängnis.

Da schickte Gott dem alten Mann


Die Krankheit, die unheilbar war,
Und so der Mann bereitete
Sich einsam auf sein Sterben vor,
Entrümpelte das große Haus
Und warf die Dokumente weg
Von der politischen Karriere
Und er verschenkte alle Bücher
Und warf die Buddhabilder weg,
Die Wasserbüffel und die Drachen.
Im Angesicht des dunklen Todes
Schien seine große Sammlung nur
Ein Abfall und ein Müll zu sein.

Wenn du ein Haus besitzt, mein Sohn,


So mache du dein Haus zu einer
Hauskirche, auf den Hausaltar
Stell du das Bild der reinen Jungfrau,
Dazu das Bild des Knaben Gottes.

Dann lass von deinem eignen Haus


Gebete steigen auf zu Gott,
Es soll ein Tempel Salomos
Dein Haus sein, denn dann wohnt bei dir
Frau Weisheit. Sie ist dir ein Schatz,
Den du im Tode nicht verlierst.

Hab ruhig Eigentum, mein Sohn,


Doch sei du immer arm vor Gott
Und bau allein auf Gottes Gnade!

WIE MAN EIN HAUS ERWIRBT


Mein Sohn, wenn du ein Erbe kriegst
Von hunderttausend Silbermünzen,
Dann such dir in der schönsten Stadt
Des lieben deutschen Vaterlandes
Ein Haus, in dem du wohnen willst.

Dann achte auf die Zeichen Gottes!


Wenn du das leere Haus betrittst
Und draußen vorm Balkone hörst du
Die weißen Turteltauben girren
Und ganz in deiner Nähe hörst du
Der Mutter Kirche Glocken läuten,
So lass dich nieder dort, mein Sohn.

Und möchtest du mit Frau und Kindern


In einem eignen Hause wohnen,
So mach auf Arbeit dich gefasst.
Du musst den grünen Rasen mähen
Und musst die Gartenbeete pflegen,
Du musst das Hausdach reparieren
Und den Balkon und die Terrasse.

Und wenn du eine Arbeit hast,


So musst du deinen Urlaub nutzen,
Das eigne Haus zu renovieren.

Bist dazu du bereit, mein Sohn,


So gehe zu dem Hausverkäufer
Und schließe siegelnd den Vertrag ab.

Gedenke, dass der Vater Staat


Dann Steuern wird von dir verlangen
Für dies dein Wohnungseigentum,
Geh, zahle pünktlich deine Steuern!

Wenn dann der Staat die Bürger fragt


Nach ihrem Wohnungseigentum,
So gib auch die erwünschte Antwort!

Der arme Seher Jeremia


Sah Israel einst ziehen fort
In Babylons Gefangenschaft,
Da sprach der Herr zu Jeremia:
Mein Seher, kauf dir einen Acker
Und unterschreib den Kaufvertrag!
Denn siebzig lange Jahre währt
Die Tyrannei der großen Babel.
Du bete für das Wohl der Stadt,
Denn wenn es deiner Heimat gut geht,
So wird es dir auch wohl ergehen.
VON DEN PFERDEN

Mein Sohn, und wenn du eine Frau liebst,


Weil sie charmant und reizend ist,
So wisse, Frauen haben Wünsche,
Und eines Tages wird sie sagen:
Schatz, schenke mir zum Fest der Weihnacht
Ein Pony! Schenke mir, mein Freund,
Das Tinker-Pony, das ich will!
Ich habe ja bereits gekauft
Den Reiterhelm und auch die Stiefel
Und schon gekauft dazu den Sattel,
Verwenden will ich mein Gespartes,
Den grünen Weidegrund zu kaufen.

Die Tinker-Ponys sind die Pferde


Der armen Kesselflicker Irlands,
Sie haben keinen Adels-Stammbaum,
Gewisse Züchter doch versuchen,
Nachträglich diesen Tinker-Ponys
Den Adelstitel zu verschaffen.

Dann schau dir an das Tinker-Pony,


Dort das bestimmte Tinker-Pony,
Das trägt den schönen Namen Layla,
O was für eine lange Mähne!
Was für ein wonnig-runder Leib!
Was für ein stürmischer Galopp!
Was für ein Schnauben ihrer Nüstern!

Dann denk, was für ein Glück es wäre,


In Laylas Sattel stolz zu sitzen
Und dann mit deinen Mannesschenkeln
Zu pressen Laylas heiße Flanken!
Oh, Layla Einmal nur zu reiten!
Du träumst dann davon Tag und Nacht.

Doch wenn du sagst das der Geliebten,


So redet voller Zucht die Dame:
Du rede nicht von Hengst und Stute,
Denn das sind nur vulgäre Worte.
Und willst du eine Stute reiten?
Du rede nicht so ordinär.

Wenn du die schöne Layla nicht


Erwerben kannst mit deinem Geld,
So gehe du zu deinem Herzog
In seinem schönen Herzogtum
Und schau des Adels Rosse an,
Und die Prinzessinnen der Stadt,
Die jungen mit den langen Beinen,
Schau, wie sie reiten die Dressur,
Und wie sie manches Kunststück machen
Hoch auf dem Rücken ihres Rosses.

VON DER HEILIGEN EHE

Und willst du eine Hochzeit feiern,


Bereite klug darauf dich vor,
Indem du vor dem Ehebund
Enthaltsam lebst und rein und keusch
Und betest: Herr, auf dieser Erde
Lebt irgendwo bereits mein Weib,
O bitte führe sie zu mir!

Wenn du gefunden deine Frau,


So lernt euch erst in keuscher Freundschaft
Dem Herz und Sinn und Geist nach kennen.
Wenn sie dir weiterhin gefällt,
Entscheidet euch mit freiem Willen,
Zu einer ausschließlichen Bindung,
Zu einer lebenslangen Bindung
Und bittet dann die Mutter Kirche
Um Gottes Sakrament und Segen.

Wenn ihr das Sakrament der Ehe


Bei Tisch und Bett einander spendet,
So schenkt ihr euch die Liebe Gottes.

Der Mann soll lieben seine Frau,


Wie Christus seine Kirche liebt,
Hingebungsvoll, treu bis zum Tod.
Die Frau soll ehren ihren Mann
Als einen pater familiaris,
Wie auch die Kirche ehrt ihr Haupt.

Und zu dem Sakrament der Ehe


Gehört auch der Geschlechtsverkehr,
Doch solche Formen des Verkehrs,
Die neues Leben zeugen können.
So seid bereit für eure Kinder!
Verhütet nicht die Fruchtbarkeit
Und mordet keinen Embryo!

Denn wie der Vater liebt den Sohn


Und wie der Sohn den Vater liebt
Und von dem Vater und dem Sohn
Als Dritter kommt der Heilge Geist,
So liebe auch der Mann die Frau
Und liebe auch die Frau den Mann
Und von dem Mann und von der Frau
Kommt dann das Kind als Frucht der Einheit.
Willst aber du ein Priester werden,
Willst werden du ein Ordensmann,
Mein Sohn, so lebe du enthaltsam,
Vermähle dich der Weisheit Gottes
In lebenslanger Gottes-Ehe.

VON DER KINDERERZIEHUNG

Mein Sohn, Erziehung eines Kindes


Beginnt bereits im Mutterschoß.
Denn wenn die Mutter schwanger ist,
So soll man beten für das Kind
Und segnen Mutterschoß und Kind.
Sie höre heilige Musik
Und nicht das Lärmen der Dämonen,
Und sage ihrer Leibesfrucht
Im Geist: Du bist willkommen, Kind!

Und wenn das Kind geboren ist,


Die Mutter betten soll das Kind
An ihren prallen Mutterbrüsten
Und stillen es mit Muttermilch.
So lernt das Kind das Urvertrauen,
Es lernt soziale Kompetenz,
Entwickelt Klugheit des Gehirns.

Und lehre du dein Kind die Liebe,


Die Liebe zu dem Engel Gottes,
Die Liebe zu der Mutter Gottes,
Die Liebe zu dem Sohne Gottes!

Dein Kind mit Weihewasser segne


Und häng das Kreuz ans Bett des Kindes!

Und sing dein Kindlein in den Schlaf


Und lass es nicht alleine schlafen,
Es schlafe lange bei der Mutter.

Die Muttersprache lehr dein Kind


Und bringe ihm das Laufen bei
Und schenke deinem Kind drei Z:
Schenk Zeit, Zuwendung, Zärtlichkeit.

Und führe auch dein Kindlein ein


In jene wunderbare Welt
Der Malerei und der Musik
Und auch der schönen Poesie.

Du lies ihm gute Bücher vor


Und singe ihm Marienlieder
Und zeig ihm Bilder voller Schönheit.

Denn in den ersten Jahren wird


Des Kindes künftiger Charakter
Im wesentlichen festgelegt.

VON DER FREUNDSCHAFT

Mein Milan, wenn du Freunde suchst,


So mach es nur nicht wie die Toren,
Die wahllos manche Freundschaft schließen,
Die sind nur leer und oberflächlich.

Gottlose haben viele Freunde,


Solang sie noch gesund und reich sind,
Doch wenn sie elend sind und krank,
So haben sie kaum Einen Freund.

Lass immer du bei deiner Freundschaft


Auch Jesus gegenwärtig sein
Und suche Freunde dir voll Glauben,
Die dir zum Heil behilflich sind.

Und findest du bei Katholiken


Nicht Einen Freund und Glaubensbruder,
Verschmähe nicht die Bruderschaft
Und Freundschaft mit den Protestanten.

Erwarte aber nicht vom Freunde,


Dass stets er lobt und stets er schmeichelt,
Vielmehr sei du bereit, zu hören
Das wahre Wort, gesagt in Liebe.

Vergiss nur nicht, geliebter Milan,


Wenn alle Freunde dich verlassen,
Ein Freund wird immer bei dir sein,
Ist Jesus Christus doch dein Freund.

Verzweifle nicht und werd nicht mutlos,


Wenn es dir einmal so ergeht
Wie andern Freunden Jesu auch.
Es war der arme Lazarus
Fürwahr ein lieber Freund des Herrn,
Doch war er elend, arm und krank,
Verspottet von den reichen Leuten,
Der Leib bedeckt mit Eiterbeulen,
Die Hunde leckten seine Wunden,
Doch Jesus Christus war sein Freund.

Und Sankt Teresia von Jesus


Einst ritt auf einem Pferd durch Spanien,
Um Klöster für den Herrn zu gründen,
Da fiel vom Pferd sie in den Schlamm,
Sie sah den Herrn und sprach zu ihm:
O Herr, jetzt weiß ich es gewiss,
Warum du wenig Freunde hast,
Der du die Freunde so behandelst!

Doch über deiner Freunde Freundschaft


Sei dir die Freundschaft stets mit Gott,
Mein Sohn, denn das ist eine Freundschaft,
Die auch bei deinem Tod nicht endet.

VON DER VERGEBUNG

Mein Sohn, wenn wem du wehgetan,


So bitte um Verzeihung ihn.
Dabei jedoch vergiss du nie,
Was du dem Menschenherzen antust,
Wenn du ihn um Verzeihung bittest,
Denn das ist eine schwere Pflicht
Und kostet Herzensüberwindung.

Je näher Gott du kommst, mein Sohn,


Um desto schärfer du erkennst
Die eigenen Verfehlungen.
Sei nicht zu stolz, den Herrn zu bitten,
Dass er dir deine Schuld verzeiht.

Du überwinde heldenhaft
Den innerlichen Schweinehund
Und beuge dich vor Gott dem Herrn
Im Sakramente der Versöhnung
Und sag ihm alle deine Sünden,
Denn Jesus will dich ja befreien
Von aller Sünde Sklavenketten
Und neue Lebenskraft dir geben
Zu einem heilig-reinen Leben.

Bedenke, wenn dir Gott der Herr


So willig und so gern verzeiht
Die schweren Schulden deines Lebens
Und alle die Beleidigungen,
Mit denen du die Liebe kränktest,
Dann sollst du gleichfalls auch bereit sein,
All denen gerne zu verzeihen,
Die dir dein Herz verwundet haben.

So Simon Petrus sprach zum Herrn:


Soll ich verzeihen siebenmal?
Doch Jesus sagte zu dem Freund:
Verzeihe siebzigmal am Tag.
Wenn aber Menschen dich verletzt,
Dass du das ganze Leben krank bist,
Verzeihe immer wieder neu,
Verzeih bei jedem Vaterunser,
Wenn du es in der Messe betest,
Verzeihe denen, die dich kränkten
Und dich verletzt fürs ganze Leben,
Verzeihe bis zu ihrem Tod
Und über ihren Tod hinaus!

Und wenn die liebste Mutter Gottes


Dir auferlegt ein schweres Kreuz,
Tief wie das Meer, schwer wie ein Berg,
Verzeihe du der Vielgeliebten!

WIE MAN WEISHEIT SUCHEN SOLL

Mein Milan, willst du weise werden,


So bitte Gott um diese Gabe.
Denn nicht in großen Büchereien,
Vielmehr im Beten wirst du finden
Den ewiglichen Quell der Weisheit.

Wenn Weisheit du begehrst von Gott,


So mache dich bereit, mein Sohn,
Zu gehen in die dunkle Nacht,
Denn Weisheit wird dir eingegossen,
Wenn du mit Jesus hängst am Kreuz!

Wenn du nach einem Buche fragst


Und einem Lehrer zuverlässig,
Mein Milan so verweis ich dich
Auf das geliebte Buch der Bücher,
Denn in dem Studium der Schrift
Und in dem steten Wiederkäuen
Der wahren Offenbarung Gottes
Und im Beschaun und Meditieren
Der Lehren unsres Meisters Jesus
Ist Gottes Weisheit tief verborgen.

Und wie die Bibel zu verstehen


Frag nicht den Widerstreit der Sekten,
Nein, frag den Lehrstuhl des Apostels.
Frag Augustinus, frage Thomas
Und lies Enzykliken der Päpste.

Wenn so du dann ein Fundament


Errichtet hast, so baue drauf,
In dem du Philosophen liest.
Lies Platon, Aristoteles,
Die Vorsokratiker und Plotin,
Die Stoa und den Epikur.

Und frag die weisen Männer Chinas


Und Theosophen Hindostans,
Die Weisheitslehrer der Ägypter
Und deutsche Denker, deutsche Dichter.

Und lass dich nicht verwirren, Milan,


Von all der wirren Meinungsvielfalt
Und glaube nicht wie eitler Toren,
Dass alle Meinungen gleich wahr,
Nein, messe du der Lehrer Lehren
An Gottes Wort und Offenbarung
Und an dem Geist der Kirche Gottes.

VON DER KUNST DER ÄRZTE

Mein Milan, wenn du einmal krank bist,


Wirst du der Ärzte Heilkunst schätzen.
Doch überschätze du den Arzt nicht
Und unterschätze nicht den Arzt.

Und mach es nicht wie eitle Toren,


Die meinen, leibliche Gesundheit,
Das sei das Höchste Gut des Lebens.
Gesundheit ist ein hohes Gut,
Das Höchste Gut des Lebens aber
Ist die Glückseligkeit der Seele.

Und bete du den Arzt nicht an


Als einen Gott im weißen Kleid
Und opfre nicht dein ganzes Leben
Nur für die leibliche Gesundheit.

Und glaube nicht der Religion


Der leiblichen Gesundheit, an
Die Prozessionen der Doktoren
Und Krankenpfleger-Ministranten
Und an den dunklen Hokuspokus
Der unerklärten Fachbegriffe.

Und mach es nicht wie jene Toren,


Die lehnen ab die Wissenschaft
Und Heilkunst westlicher Doktoren
Und wenden sich allein an Geister,
An überfeine Blumendüfte,
An Energieen aus dem Kosmos,
An dunkle Zauberei von Hexen
An Scharlatane und Schamanen
Und an die Kraft der Edelsteine
Und Aberglauben und Magie.

Gott gibt den Ärzten ihre Klugheit


Und die Natur dazu die Stoffe
Für Medizin zum Heil des Körpers.

Du bitte Gott um deine Heilung


Und bitte Gott um seinen Segen,
Dass er die Medizin dir segne,
Und danke Gott für deine Heilung.

Doch wenn du leiden musst, mein Sohn,


Und Jesus dein Gebet um Heilung
Nicht hört, verzweifle nicht an Gott,
Vereine alle deine Leiden
Mit Christi Leiden an dem Kreuz,
So wirst du arme Seelen retten,
Bekehren die verstockten Sünder!

VON DER ASTROLOGIE

Mein Milan, sei an Jesus gläubig,


Nicht abergläubisch wie die Heiden!

Der Sternenglaube ward erfunden


Einst von den heidnischen Chaldäern,
Sie definierten Sternenbilder,
Die heute doch ganz anders stehen.
Die Sterne hielten sie für Götter
Und Herren über unser Schicksal.

Doch einmal folgten Magier


Dem Jupiter in dem Saturn
Und kamen zu dem Jesuskind,
Der menschgewordnen Weisheit Gottes,
Sie beteten das Kindlein an
Als Ewigvater aller Lichter
Und beteten die Vorsicht an.

Die eitlen Toren aber sagen,


Der weise Thomas von Aquin
Hätt auch gesprochen von dem Einfluss
Der Sterne auf des Menschen Herz.
Jedoch die Wissenschaft vom Weltall
Im christlich-frommen Mittelalter
Hat sich den Himmel vorgestellt
Als Kuppel über Mutter Erde.
Die Sterne dort an Sphärenschalen
Befestigt seien erdennah.
Und wie die Heiterkeit des Wetters
Dem Menschen gute Laune macht
Und wie das triste Winterwetter
Den Menschen melancholisch macht,
So dachte sich der weise Thomas
Der Himmelssterne Einfluss auf
Die Neigungen des Menschenherzens.

Jedoch das Universum heute


Den Astronomen ist vertrauter,
Der Sternenglaube ist veraltet,
Ist alter Hausfraun Aberglaube.

Du schaue in das Buch der Bücher,


Du findest darin Hohn und Spott
Für Zauberei und Aberglauben
An eine Schicksalsmacht der Sterne.

Du geh nicht zu Wahrsagerinnen,


Geh nicht zu Magiern und Hexen.
Frag nicht die Sterne um dein Schicksal,
Befrage keine Zauberkarten.
Vielmehr sollst du dein Leben legen
Und all dein ewiges Geschick
In Gottes Hände, sage so:
Ich, Jesus voll Barmherzigkeit,
Bin dein für Zeit und Ewigkeit!

VON DER MUSIK

Mein Sohn, was die Musik betrifft,


So will ich dir hier nicht erzählen,
Was meine Mutter sagen würde
Vom Oratorium der Weihnacht
Von Bach, von Mozarts Requiem.

Als deine Mutter schwanger war,


Da ging sie stets zum Afrikaner,
Von ihm das Trommelspiel zu lernen.

Du lerntest mit der Mutter Herzschlag


Der Afrikaner Trommeln kennen.

Als deine Mutter war gestorben,


Ihr Leichnam wurde aufgebahrt
In der Kapelle bei der Feier,
Da ihr zu Ehren Afrikaner
Die Trommeln schlugen in der Kirche
Der Königin von Afrika.

Beschweren sich Bigotte doch,


Wenn in der Kirche wird getrommelt.
Doch weiß ich, dass in Afrika
Getrommelt wird beim Gottesdienst
Zu Kyrie und Gloria,
Zu Sanctus und zu Agnus Dei.
Der Bischof mit dem Weihrauchfass
Kommt schwarz und tanzend in die Kirche,
Kommt tanzend zu dem Spiel der Trommeln.

Und wenn du Liebeskummer hast,


Mein Sohn, dann tröste dich Musik,
Es sei nun Händels Halleluja,
Es sei nun Schuberts Gruß Mariens.

Nur weise die Barbaren ab,


Die lieben eine Unmusik,
Den Höllenlärm zu Ehren Satans.

Wenn nämlich Engel musizieren


Zur heitern Seligkeit der Engel,
Dann spielen sie Musik von Mozart,
Und wenn die Engel musizieren
Zu Ehren Gottes, unsres Vaters,
Dann spielen sie Musik von Bach.

KAISER VON GOTTES GNADEN

Mein lieber Milan, unser Kaiser,


Der alte Kaiser ist nun tot!
Ja, seine kaiserliche Hoheit,
Den Otto meine ich von Habsburg,
Er hatte auf den Thron verzichtet
Und blieb von Gottes Gnaden Kaiser.

Glückselig sind, die Frieden stiften,


So sagte da der Kardinal
Im Dom des frommen Königs Stephan.
Denn seine kaiserliche Hoheit
War Kämpfer in der Politik
Und kämpfte für den Menschheitsfrieden
Und für den Frieden in Europa.

Er freute froh sich wie ein König,


Als einst aus Österreich und Ungarn
Und von der Donau Ufern alle
Die frommen Katholiken kamen
Zur Magna Mater Austriae.

Er kämpfte in der Politik,


Dass all die Staaten von Europa
In der gemeinsamen Verfassung
Bekennen sich zu Gott dem Herrn.
Europa! Ach, das Abendland
Ist gar nichts ohne seine Seele,
Die Seele ist das Christentum.

Und dazu schloss der fromme Kaiser


Demütig einen Freundschaftsbund
Auch mit den Staaten der Muslime,
Der fromme Kaiser war ein Mitglied
Des Lehrstuhls auch der Sklaven Allahs.
Dieweil die eitlen Atheisten
Im Abendlande leugnen die
Verantwortung vor Gott dem Herrn,
Muslime kämpfen noch dafür
Und Christen Südamerikas.

Nun unser alter Kaiser tot,


Gott segne unsern alten Kaiser!
Die Magna Mater Austriae,
Sie schützt das Haus von Österreich!
Ja, Unsre Frau von Medjugorje,
Sie liebt des Kaisers Enkelin,
Liebt Ihre Kaiserliche Hoheit
Milona, die die Armen füttert!

DIE DEMOKRATIE

Mein Sohn, die Jungfraumutter Kirche,


Sie kann in jeder Staatsform wirken,
Die Freiheit in der Religion
Gewähren muss die Obrigkeit.

Doch unvereinbar ist die Freiheit


Mit Diktatur, totaler Herrschaft,
Mit Nationalem Sozialismus
Und militantem Kommunismus.

Der zwölfte Pius sprach, der Papst:


Des Volkes Herrschaft ist so gut,
Wie gut und tugendreich das Volk.
Ein Volk hat in des Volkes Herrschaft
Die Obrigkeit, die es verdient.

Jedoch in dieser finstern Endzeit,


Der Zeit des großen Glaubensabfalls,
Ist ruiniert des Volkes Tugend
Durch Hedonismus, Nihilismus,
Durch Atheismus, Spiritismus.

So sind auch die Regierungen


Der bürgerlichen Demokraten
Im alten Abendland des Westens
Die Förderer des Atheismus,
Des Götzendiensts am Götzen Geld
Und des okkulten Spiritismus.

Erneuerung der Volkesherrschaft


Kann komme nur von Jesus Christus,
Der Völker Evangelisierung,
Von neuer Evangelisierung
Der abgefallnen Christenheit.

Doch prophezeit die Makellose:


In Zukunft werden Könige
Die heilig-frommen Diener sein
Der wahren Jungfraumutter Kirche!

Die Wahrheit allerdings,mein Sohn,


Wird offenbart von Gott dem Herrn
Und unterworfen ist sie nicht
Den wirren Meinungen der Masse.
Und über das Gesetz der Wahrheit
Wird auch nicht abgestimmt von Menschen.
Denn Christus ist von Gott gesetzt
Zum Himmelskönig aller Völker.

DIE ARMEN

Mein Sohn, wo sind die Kirchenschätze?


Die Kirchenschätze sind die Armen!

Das sind die Ärmsten aller Armen,


Die hungrig leben auf dem Müllplatz,
Sich nähren von der Reichen Abfall,
Die in den Straßengossen liegen,
Die sich mit Dreck die Zähne putzen,
Die in den Blechbaracken hausen,
Die wissen nicht: Was ess ich morgen?

Das sind die Sterbenden, die Kranken,


Die sind befallen von der Lepra,
Die sind erkrankt an Krebs, an Seuchen.

Das sind die armen kleinen Kinder,


Die müssen Arbeit tun im Steinbruch,
Die Kinder, die erwachsen werden
Im Schlamm und Dreck der Hurenviertel.

Das sind die ungebornen Kinder,


Die werden von dem Tod bedroht
Von Kindermördern, Satansfreunden,
Das sind die armen Embryone,
Die ausgeschlachtet werden sollen
Zum Zweck der Medizin und auch
Zur Züchtung reiner Übermenschen.

Das sind die Trinker, die verdurstend


Inmitten leerer Flaschen leben,
Das sind die Drogensüchtigen,
Die ruinieren ihr Gehirn,
Das sind die Huren und die Sklaven.

Mein Sohn, wenn Jesus wiederkommt,


Steht er nicht bei den Unterdrückern,
Dann steht er bei den Unterdrückten,
Der Kleinen, Armen, Kranken, Sklaven.

Du folge nicht den bösen Burschen,


Die geben Armen nicht das Brot,
Stattdessen Waffen in die Hände.
Nicht revolutionärer Hass
Ist Gottes Antwort auf die Armut,
Nein, tätige Barmherzigkeit,
Die revolutionäre Liebe!

ZWEITER GESANG
DIE KOMMUNISTISCHE JUGEND

KINDLICHE REBELLION

Ich schrieb als Dichter ein Gedicht


Des Aufstands gegen meine Eltern,
Autorität und Hierarchie,
Es war ein wilder Schrei nach Freiheit,
Nach meinem eignen Menschenrecht,
Nach Selbstbestimmung der Person
Und Selbstverwirklichung der Seele.

Es war naiver Anarchismus,


Da ich verteidigte die Rechte
Der Schnecken und der Gänseblümchen.

Da war ich gegen jede Herrschaft,


Doch eigentlich ich protestierte
Nur gegen meines Vaters Macht,
Des Angestellten bei der Bank,
Der war ein kalter strenger Mann,
Autoritär, mit hartem Herzen.

In Omas Namen protestierte


Ich gegen meinen toten Opa,
Den Haustyrannen der Familie,
Den Nationalen Sozialisten.

Mein Vater war ein Sozialist


Der bürgerlichen Demokraten,
Kein revolutionärer Geist,
Ein Kleingeist und ein Pfennigfuchser,
Im Götzendienst des Gelds befangen,
Genussmensch, ganz verliebt ins Diesseits.

Ich wollte alle Fesseln sprengen,


Die Fesseln der Familienbande,
Des Staates und der Väterherrschaft.

Als meine Weggefährten wählte


In dem persönlichen Gefecht
Und Kriege gegen alle Väter
Ich Marx und Engels, Philosophen,
Dem Namen nach bekannt allein.

Ich wusste nur: Ihr Ideal


War revolutionärer Krieg,
Der Aufstand und die Rebellion,
Der Kampf für die Gerechtigkeit,
Für Freiheit und für Völkerfrieden.

Doch sonst war ich ein Anarchist,


Ich lehnte jede Herrschaft ab
Und lehnte auch die Herrschaft ab
Des Menschen über die Natur.

DER KURZE SOMMER DER ANARCHIE

Ich hörte in dem Radio


Die Nachricht, dass im linken Polen
Ward die Gewerkschaft Solidarnosc
Durchs Militärregime bekämpft.

Und da empörte sich mein Sinn


Für Freiheit und Gerechtigkeit
Und ich war gegen die Armee
Und ihren Oberst Jaruselzki
Mit seiner schwarzen Sonnenbrille.

Ich schrieb dann im Gymnasium


Im Unterricht der Politik
Ein Schreiben, das ich unterzeichnet
Mit dem Symbol der Anarchisten.
Der linke Lehrer sprach mich an:
Weißt du, was Anarchie ist?
Da gab er mir ein Buch zu lesen,
Hans Magnus Enzensberger schrieb
Darin von Spaniens Anarchisten.

Der Lehrer selbst war ein Rebell,


Ein Anarchist, ein linker Denker.
Mit meiner ersten Freundin Hedda
Besuchte ich den linken Lehrer
In seinem alten Bauernhaus.

Ich hatte einen Text geschrieben


Von der Gewissensüberprüfung
Des der sich zu dem Kriegsdienst meldet,
Mit dem satirischen Gespräch
Ging ich zum linken Lehrer, der
Verwies mich gleich an eine Zeitung,
Die ward geführt von linken Lehrern.

Ein andrer Lehrer war erschienen


An dem Gymnasium, ihm drohte
Berufsverbot, weil nicht gewiss war,
Dass er das Grundgesetz bejahte
Als ein Berliner Maoist.

Es gab Proteste gegen das


Berufsverbot, er wurde Lehrer,
Mein Lehrer in der Politik.

FRIEDENSBEWEGUNG

Bei meiner Freundin Hedda fand


Ich Maxim Gorkis Buch die Mutter.

Romantische Begriffe hatt ich


Von Russlands Revolutionären.
Die Kommunisten waren Kämpfer
Für die Gerechtigkeit und Freiheit.
Hier herrschte Solidarität
Und Tapferkeit und Heldenmut,
Der heiße Durst nach großer Freiheit
Und nach Gerechtigkeit auf Erden.

Doch einmal nahm vor Heddas Mutter


Ich Lenins Namen in den Mund
Und pries ihn hoch als Weltbefreier,
Sie aber sprach, und ich erstaunte:
Was war so schlecht denn an dem Zaren?
Das schien mir ganz absurd gefragt.
Der Zar und alle Monarchie
Erschien mir nur als Despotismus,
Als Tyrannei und Sklaverei.
Es fand ein Treffen statt der Leute,
Die gegen atomare Rüstung
Der Nordamerikaner in
Der Bundesrepublik von Deutschland
Erhoben deutlich ihre Stimme.

Ich ging mit Hedda zu dem Treffen.


So kam ich zu den Friedensfreunden.
Dort trafen sich die Sozialisten,
Die Kommunisten, Pazifisten,
Die linken Freunde der Natur
Und auch die liberalen Christen.
Sie protestierten gegen Rüstung,
Sie fürchteten den dritten Weltkrieg,
Den atomaren dritten Weltkrieg.

Wir sahen in der Schule damals


Mit großem Schrecken einen Film,
Der stellte dar die schlimmen Folgen
Des Abwurfs atomarer Bomben,
Und das entsetze mich so sehr,
Ich widmete die Jugendkraft
Dem Kampfe gegen den Atomkrieg.

Amerika, Sowjetunion!
Im Wettstreit atomarer Rüstung!
Ich war doch gegen alle Waffen
Und noch war ich ein Pazifist.

DAS KOMMUNISTISCHE MANIFEST

Und bei den linken Friedensfreunden


Ich lernte dann den Martin kennen,
Er war Trotzkist, er war Marxist,
Er lud mich ein zu sich nach Hause.

Er hatte eine schöne Schwester,


Die trug den Namen Ursula,
Mit langen glatten schwarzen Haaren
Und schwarzen Augen, weißen Zähnen.
Und ich verließ die fromme Hedda,
Die linke Ursula zu lieben.

Die Mutter Ursulas war Christin,


Sie sagte: Jesus sagte einmal:
Schlägt einer dir die rechte Wange,
Halt du ihm auch die linke hin!
Drum ist der atomare Wettkampf
Amerikas und Russlands gottlos.

Der linke Martin mir erklärte,


Amerika sei aggressiv,
Doch Sowjetrussland defensiv.

Amerikas Atomraketen
Bekämpften nur den Völkerfrieden,
Die russischen Atomraketen
Verteidigten den Völkerfrieden.

Und Martin gab mir dann zu lesen


Das Manifest des Kommunismus,
Des Stalinisten Dimitroff
Proteste gegen den Faschismus
Und Lenins ökonomische
Betrachtungen des Kapitals.

Und als ich Lenins Worte las


Im Jugendzimmer Ursulas,
Verstand ich nicht die Analyse
Der ökonomischen Betrachtung,
Sah nur die Augen Ursulas
In närrischer Verliebtheit an.

Dann sagte Martin eines Tages,


Es werde jetzt gegründet ein
Verein der Sozialistenjugend,
Er lud mich ein zum ersten Treffen
Des Jugendbunds der Kommunisten.

DIE SOZIALISTISCHE JUGENDGRUPPE

Da saßen wir im Jugendzentrum


Und gründeten den Ortsverein
Der deutschen Kommunistenjugend
Als Vorhut der Proletenklasse,
Wir Schüler vom Gymnasium.

Der Thomas liebte die Armee,


Das rote Militär der Russen
Im großen Krieg des Vaterlands.

Der Werner war der Sohn der Arbeit,


Sein Vater schuf in der Fabrik.

Der Volker war der wilde Sohn


Der Mutter, die katholisch war,
Pax Christi war ihr Lebensmotto,
Er stritt sich oft mit seiner Mutter.

Aus Bremen kam ein Funktionär


Und der erklärt uns das Bekenntnis
Der deutschen Kommunistenjugend.
Die Jugendgruppe zählte zur
Partei der deutschen Kommunisten.

Und der Partei der deutschen Kommunisten


Vor Orte stand Regina vor,
Sie schimpfte sehr auf die Polacken,
Die frommen Katholiken Polens,
Die einst der große Vater Stalin
Zurück verwies in ihre Grenzen.

Jedoch die Sozialistenjugend


Trat offen ein für Jugendrechte,
Und für gerechten Lohn der Arbeit,
Für Solidarität mit Armen
Und Kämpfern in der Dritten Welt,
Für Frieden, gegen den Atomkrieg,
Und für das Menschenrecht der Frau.

Wir gründeten den Ortsverein


Und teilten die Funktionen auf,
Der eine nahm den Vorsitz ein,
Der zweite war Parteikassierer,
Ich Dichter schrieb das Protokoll.

DIE GENOSSEN

Wir waren stets nur drei, vier Leute.

Der Thomas kochte schwarzen Tee


Und bot uns Butterkekse an.
Bevor er Kommunist geworden
Er ritze in die Schulbank ein
Das Hakenkreuz der Nazi-Bande.
Er liebte sehr das Militär
Der kommunistischen Partei.
Er war von keiner großen Klugheit.

Der Werner, ein Proletensohn,


Er war Kassierer der Partei.
Doch keiner zahlte gern den Beitrag.
Und Werner lernte Ute kennen,
Die kam aus christlicher Familie,
Sie kam nicht zu den Kommunisten.
Der Werner wurde später Lehrer
Für praktische Berufe. Ute
Gab mir des jungen Werther Leiden
Zu lesen einst in Oldenburg.

Der Volker nahm den Vorsitz ein,


Ein intellektueller Mensch,
War rational und logisch denkend.
Wir liebten sehr die Theorie,
Die Wissenschaft der Weltanschauung,
Da wurde Hegels Dialektik
Vom Kopfe auf den Fuß gestellt.
Mit Volker kam zu uns auch Sonja,
Ein revolutionäres Weib
Mit engem Mund und großen Brüsten.
Und Volker ging dereinst nach Bremen
Und wurde Doktor der Physik.
Und er verspottete die Christen,
Die aussehn wie das Leiden Christi
Und immer Halleluja singen.

Ich schrieb vor allem manches Flugblatt,


Propagandistische Pamphlete
Und pseudowissenschaftliche
Essays marxistischer Ideen.

SEXUALKOMMUNISMUS

Und einmal in der Diskothek


Traf ich die blondgelockte Sonja.
Wir waren beide sehr betrunken
Und tauschten unsern Tabak aus.
Wir gingen in die dunkle Nacht
Und standen auf dem Deich der Nordsee
Und küssten uns mit unsern Zungen.

So wurden wir ein Liebespaar,


Uns liebend einen Winter lang.
Ich liebte ihre großen Glocken
Und liebte ihren engen Mund
Und sie bekam von mir geschrieben
Die Schularbeit in deutscher Dichtkunst.

In diesem Sonja-Winter las ich


Tierfabeln aus dem Land der Russen.
Zusammen gingen wir spazieren
Im klaren Frost, im weißen Schnee.

Sie war die Tochter eines Schankwirts


Und war dem Wodka Russlands hold,
Wie ich auch war dem Wodka hold.

O Sonja, schöne Seele Russlands,


Du revolutionäres Weib!

Doch eines Tages ich besuchte


Den Freund und Weggenossen Volker,
Ich fand ihn nackt auf seinem Bette
Im Arm der nackten schönen Sonja.

Das war die Tiergeschichte Russlands


In einem kalten Winter Russlands:
Ich war der wilde Steppenwolf,
Ich heulte an den Mond im Osten.
Und ich ersäufte meine Seele
In Russlands Seele und im Wodka.

Die Weiber doch gehören allen,


In Platons idealem Staat,
Im sexuellen Kommunismus.

Doch Volker blieb mein Weggenosse


Und Sonja blieb Genossin, Freundin,
Doch fortan es gelang mir nicht,
Sie auf mein Bett herab zu ziehen.

LENIN

Ich las den Lebenslauf von Lenin,


Wladimir Iljitsch Uljanow.
Er hatte einen ältern Bruder,
Der war Rebell und Terrorist,
Schoss auf den Zaren Alexander
Und wurde drum zum Tod verurteilt.

Wladimir Iljitsch Uljanow


Drum dachte, dass der Terrorismus
Allein sei nicht der rechte Weg
Zum Sturz der Tyrannei des Zaren,
Es brauche dazu die Partei
Und eine Führung der Proleten.

Und Lenin lebte in der Schweiz


Und sammelte im Walde Pilze.

Und Lenin traf Inès Amand,


Die Kommunistin war aus Frankreich,
Die von der freien Liebe sprach.
Doch Lenin meinte, freie Liebe
Sei bürgerlich, die freien Bauern
Und freie Klasse der Proleten
Sich liebte in der treuen Ehe.

Man fällte einen Baum. Sprach Lenin,


Man solle einen Baum nicht fällen.

Und Lenin kam stets pünktlich zur


Versammlung der Parteigenossen.
Doch Stalin staunte sehr darüber,
Denn Stalin dachte voller Stolz:
Ein großer Mann kommt stets zu spät.

So warnte Lenin die Partei


Zuletzt noch auf dem Sterbebett
Vor Stalins grober Grausamkeit.

So sehen es die Linken gerne:


Nur Stalin war ein böser Mann,
Doch Lenin war ein Weltbefreier,
War Russlands weltlicher Messias!

STALINISMUS

Die deutschen Kommunisten waren


Im Westen Deutschlands eine Sekte,
Politisch völlig unbedeutend.
Der Ortsverein im Osten Frieslands
Geleitet wurde von Regina.

Sie war ein kleines altes Weib,


Ein altes Weiblein krumm und bucklig,
Mit grauen Augen, stechend scharf,
Und einer Warze auf der Nase
Und einer schrillen Elster-Stimme,
So war wie jene ekle Hexe
In bösen Träumen meiner Kindheit.

Sie hielt nichts von den jungen Wilden,


Der revolutionären Jugend,
Die liebten Wein, Gesang und Weib
Und kannten keine Disziplin.

Oft sprach sie von der alten Zeit


Der kommunistischen Partei,
Und als begann der Terrorismus
Der Nationalen Sozialisten,
Versteckten Kommunisten heimlich
Die Werke Stalins in der Erde.

Nach der Befreiung vom Faschismus


Im Siege der Sowjetarmee,
Geführt vom Generalissimus
Des roten Heeres, Vater Stalin,

Da wurden wieder Stalins Werke


Hervor geholt, und die besaß nun
Regina, alte Lederbände,
Die Bücher voll der Dummheit Stalins.

Denn Stalin war als Mönch erzogen


Im herrlichen Georgien,
Doch er verließ das Seminar
Und wurde roter Terrorist
Und sorgte bei den Bolschewiki
Fürs Geld durch Banken-Überfälle.

Anbeten ließ er sich als Gott,


Als einen Vatergott auf Erden,
Und machte so den Kommunismus
Zu einer Gegen-Religion,
Zu einem Glauben ohne Gott,
Mit einem Mann als ihrem Herrgott,
Zum Heilssystem des Antichristen,

Mit einem höllisch-heißen Hass


Auf den besondren Christus Russlands.

PHILOSOPHIE

Ja, ich erinnre mich noch gut,


Wir saßen einst in einer Schenke,
Proleten saßen dort beim Bier,
Wir schwatzten töricht-jugendlich
Nur pseudophilosophisches Geschwätz.

Der eine sprach: Urkommunismus


Erscheint bei vielen alten Denkern,
In Platons idealem Staat,
In Thomas Morus' goldner Insel
Utopia und in Atlantis
Und im gerechten Sonnenstaat.

Da waren Utopisten einst


Des religiösen Sozialismus,
Sanit-Simonisten, und in Frankreich
Die revolutionären Köpfe
Und die Kommune von Paris.

Sprach einer: Das ist alles Unsinn!


Vor Marx gabs keinen Kommunisten.
All diese Denker sind ja bloß
Poeten, bürgerliche Träumer,
Sind Utopisten. Erst Karl Marx
Entdeckte die historischen
Gesetze und die Macht der Arbeit.

Nun Hegel und die Dialektik


Vom Kopfe auf den Fuß gestellt
Von Lenins Materialismus.
Das Mutterrecht der Indianer
Von Friedrich Engels ausgelegt
Als Urbeginn des Kommunismus.
Und auch die Religionskritik
Von Feuerbach von Marx vollendet
Zur Wissenschaft des Atheismus.

Und Platon und sein Idealstaat?


Und Morus und die Utopie?

Das alles ist der alte Bund


Der unvollkommenen Propheten.
Doch mit Karl Marx und Friedrich Engels,
Dem Manifest des Kommunismus,
Beginnt die neue Zeit des Heils,
Da nun die Klasse der Proleten
Wird unter Führung der Partei
Das Paradies auf Erden schaffen.

DIE GEISTIG-MORALISCHE WENDE

Wir saßen einst in einer Stube,


Regina und die jungen Wilden.

Denn in der Bundesrepublik


Von Deutschland kamen an die Macht
Christ-Demokraten bürgerlich,
Geführt von einem Katholiken
Vom Rhein, der wegen seiner Form
Von uns nur Birne ward genannt.

Die Bäume dieser Demokraten,


Sie wachsen nicht bis in den Himmel.

Die bürgerlichen Demokraten,


Begehrten die Atomraketen
Amerikas auf deutschem Boden.
Kriegstreiber sie und Aggressoren
Und Knechte sie des Kapitals!

Wir jungen Wilden traten ein


In die Partei der Kommunisten.

Mein Vater fand einst mein Parteibuch


Und sagte: Das bezahlst du selbst,
Das werde ich nicht finanzieren.

Am familiären Mittagstisch
Der atheistischen Familie
Der Vater stritt sich mit dem Sohn
Und Streitpunkt war die Politik.

Doch meine arme Mutter sagte:


Ach, diese schreckliche Regina,
Die Hexe mit der schrillen Stimme,
Will sprechen dich am Telefon!

Und meine liebe Oma sagte:


Mein Kind, bist du ein Jünger Jesu?
Ich sprach: Ich bin ein Kommunist.
Und Oma sagte: Pfui, mein Kind!
Lies du den Psalm vom guten Hirten!

ISKRA

Einst Lenin und die Bolschewiki


In einer Zeitung schrieben, die
Hieß Iskra, das bedeutet Funke.

Und wir auch machten eine Zeitung


Und nannten sie der Funke und
Als Motto wählten wir ein Wort
Von Lenin: Hier von diesem Funken
Wird noch ein großes Feuer ausgehn,
Das wird die ganze Welt verändern.

So sprach der kluge Archimedes:


Gib mir nur einen kleinen Punkt
Und ich beweg die ganze Welt.

Und dieser eine kleine Punkt


Und dieser winzig kleine Funke
Das waren drei Gymnasiasten
In Friesland an der Nordseeküste.

Von Norden an der Nordsee würde


Die große Weltumwälzung ausgehn.

Die Weltumwälzung hatte schon


Begonnen. Lenin, mein Idol,
Und seine Bolschewisten-Bande
Schon hatte Russlands Häresie
Verbreitet in der ganzen Welt,
Von Russland bis Äthiopien,
Von China bis zur Insel Kuba
Schon herrschte streng der Kommunismus.

Und in der Schule sollten wir


Als Künstler einen Holzschnitt machen
Von einem Mitglied der Familie.
Ich schuf die weltliche Ikone
Vom Antlitz Lenins, nannte ihn
Großvater Jan. Der Lehrer sprach:
Das ist doch nicht dein Opa,
Das ist doch Lenins Angesicht.

Ein niederdeutscher Heimatdichter


Der platten Lyrik nannte mich
Verächtlich einen Pseudo-Lenin.

Wladimir Iljitsch Uljanow


War ein Idol und war ein Götze,
Ein Antichrist und Welt-Messias.

DER OSTERMARSCH

Das Fest von Ostern ist gekommen!


Was aber macht ein Kommunist
Zum Fest am Ostersonntag?
Er wird marschieren, wird marschieren
Mit andern auf dem Ostermarsch,
Dem Ostermarsch der Friedensfreunde:
Fort mit den atomaren Waffen!

Am Ostersonntag so marschierten
Zehntausende, ja, Hunderttausend,
Die Sozialisten-Demokraten,
Die Funktionäre der Gewerkschaft,
Die Kommunisten, Sozialisten,
Die Leninisten und Trotzkisten,
Die Umweltschützer, Pazifisten,
Linkskatholiken, Protestanten.

Sie alle einig in dem Wunsch,


Amerikas Atomraketen
Zu sehen nicht auf deutschem Boden.
Doch uneins in der Frage, ob
Die russischen Atomraketen
Auf deutschem Boden in dem Osten
Gerechte Friedensstifter seien.

Auch in dem roten Osten Deutschlands


Gabs Friedensfreunde, deren Motto
Jesajas Wort war: Schwerter werden
Pflugscharen, Säbel Winzermesser!

Jedoch erinnre ich mich noch


Ans Treffen deutscher Kommunisten
In Bremen, da ich hörte, dass
Die Friedensfreunde in dem Westen
Zu stärken seien, die im Osten
Jedoch sein antikommunistisch,
Reaktionäre Propaganda.

Die wichtigste Bewegung für


Den Frieden auf der ganzen Welt
Sei jedenfalls das rote Heer
Der siegreichen Sowjetunion.

ANTI-APARTHEID

Ein Hoch der Solidarität,


Der internationalen Freundschaft!

Im Süden Afrikas am Kap


Der guten Hoffnung herrschten Weiße,
Und die versklavten alle Schwarzen.
Apartheid nannten das die Weißen,
Die Grausamkeit der Rassentrennung.

Und gegen die Apartheid kämpfte


Der Afrikaner Nationaler
Kongress, geführt vom Rechtsanwalt
Mandela, der war im Gefängnis.

Und gegen den Apartheid-Wahn


Erhob das Wort der schwarze Bischof
Der Anglikaner, Desmond Tutu.

Und auch in Deutschland gab es Freunde


Der Afrikaner, solidarisch
Mit dem Befreiungskampf der Schwarzen.

Soll keiner die Orangen kaufen


Der weißen Herren Afrikas!
Rassisten werden boykottiert!

Und große schwarze Chöre kamen


Und sangen den harmonischen
Melodischen Gesang der Schwarzen,
In Deutschland sangen Freiheitshymnen.

Und ich schrieb ein Theaterstück


Und mit den jungen weißen Frauen
Und Tanja führten wir es auf,
Das Stück hieß: Tanze die Orange!

Ich schrieb auch ein Gedicht für Nelson


Mandela, Hymne an die Freiheit,
Ich schrieb es an das deutsche Bankhaus.

NICARAGUA

Ein Hoch der Solidarität,


Der internationalen Freundschaft!
In Nicaragua war Herrscher
Somoza, schrecklicher Diktator.
Dagegen kämpften Sandinisten,
Die revolutionären Truppen,
Die Söhne von Sandino waren,
Mit revolutionären Waffen
Im listigen Guerilla-Krieg.

Ernesto Cardenal, der Priester,


Und die Befreiungstheologen
Die revolutionären Waffen
Mit Priestersegen segneten.
Für diese Leute war es eins
Nur: Kommunismus, Kommunion.

Das revolutionäre Weib


Gioconda Belli schrieb die Lyrik
Des revolutionären Eros.

Und ich und meine Weggenossen,


Wir inspiriert vom Geiste Moskaus,
Wir sammelten viel Gelder ein
Für Waffen für die Sandinisten.

Ernesto Cardenal war Christ,


Den auch die Kommunisten schätzten,
Nicht wegen seines Christentums,
Das Paradies, das war ihm Kuba,
Das Himmelreich die Zuckerinsel.

Denn Jesus und Sandino waren


Gleich revolutionäre Männer,
Der Indianer alte Götter
Auch waren subversive Krieger
In dem Guerilla-Krieg der Freiheit.

Und kommunistisch schrieb auch Pablo


Neruda episch seinen Großen
Gesang der Südamerikaner
Im revolutionären Geist.

Ein Kommunist und Grieche, Mikis


Theodorakis komponierte
Den epischen Gesang Nerudas
Zur revolutionären Oper.

DIE RUSSISCHE REVOLUTION

Der revolutionäre Traum


War hochromantisch und poetisch.
O Robin Hood! O Störtebecker!
O Robespierre! O Marx! O Lenin!

Der Vater Kaiser aller Russen


War uns ein schrecklicher Despot.
Sankt Nikolaus der Zweite, Zar,
Uns ein brutaler Sklavenhalter.

Kerensky hatte ihn gestürzt.


Und darum hat die Kirche auch
Verweigert das Begräbnis dem
Ministerpräsident Kerensky.

Soziale Revolutionäre und


Soziale Demokraten und
Die Menschiwiki, Anarchisten,
Und bürgerliche Demokraten,
Sie alle fegte Lenin weg.

Die revolutionäre Klasse


Der revolutionären Arbeit,
In Lenin ist sie Mensch geworden.

Am siebenten November, siehe,


Da machte Lenin seinen Putsch.

Der Zar und Vater ward erschossen.

Und Lenin rief die Sowjets aus,


Kriegskommissar war Leo Trotzki.

Und Leo Trotzki dann bekämpfte


In Kronstadt den Matrosen-Aufstand.

Der rote Terror ward begründet


Von Lenin und von Trotzki und
Von Stalin. Und die Weiße Garde
Des Zaren ward besiegt von Trotzki.

Der Zarenthron war nun gestürzt,


Nun wurde der Altar gestürzt.
Und Lenin nahm das reine Gold
Der heiligen Ikonen und
Der Kelche und der Priesterröcke
Und gab das Kirchengold der Kasse
Des revolutionären Heeres.

O Wehen einer neuen Zeit!


Wladimir Majakowski predigt
Das Himmelsparadies auf Erden
Für die Proleten aller Völker.
CHINESISCHER KOMMUNISMUS

Ich las chinesische Gedichte


Von Mao Tse-Tung. O Lyrik Chinas!

Sind die Ideen Mao Tse-Tungs


Doch eine atomare Bombe!

Mein Lehrer in der Politik


Lud mich in seine Bücherei,
Da fand ich Schriften Mao Tse-Tungs,
Des Philosophen Dialektik
Und taoistischen Marxismus.

O all ihr Philosophen Chinas!

In China trugen die Chinesen


Den blauen Kittel armer Bauern,
Auch ich trug einen solchen Kittel
Mit rotem Sterne an dem Kragen.

Und Mao Tse-Tung schwamm durch den Strom,


Schwamm durch den Blauen Strom, den Yang-tse.

Und Mao Tse-Tung besiegte auch


Die Hungersnot im armen China.
Chinesen machten Lärm mit Töpfen
Und scheuchten so die Spatzen auf,
Die Spatzen ließen sich aus Angst
Nicht mehr auf ihren Zweigen nieder,
Die Spatzen fielen dann vor Schwäche
Vom hohen Himmel in die Pfannen.

O Mao Tse-Tung, ein Lyriker,


Ein Philosoph der Dialektik,
Ein Terrorist, ein Massenmörder!

Und so zur Zeit der Roten Garden


Die Bauern fraßen tote Ratten
Und Mütter ihre toten Babys!

O revolutionäre Zeit,
Der roten Garden roter Terror!
O revolutionäre Zeit,
Da in Berlin Studenten brüllten:
O Mao, Mao, Mao Tse-Tung!

Die blutig-rote Mao-Bibel


Den Blinden gab das Augenlicht
Und ließ die lahmen Krüppel hüpfen,
Wie Hirsche hüpfen auf den Höhen.
FESTIVAL DER JUGEND

Auch ich war auf dem Festival


Der Jugend! Moskau finanzierte
Das internationale Fest.

Die revolutionäre Jugend


Aus aller Herren Länder waren
Versammelt in dem Westen Deutschlands.

Die jungen Sängerinnen sangen:


Das deutsche Land braucht neue Männer!

Die Kurden grillten leckres Fleisch.

Die russischen Folkloregruppen


Froh tanzten zu der Balalaika.

Sandinos Jugend war da auch


Mit priesterlich geweihten Waffen.

Aus der Ukraine kam die Nachricht,


Ein russisches Atomkraftwerk
Die radioaktive Strahlen
Nun strahlt in alle Nachbarländer.

Und Volker trank und Werner trank


Und ich in revolutionären
Geweihten Bacchanalien Wodka.

Und nachts trank ich an Karins Brüsten.

Und Lehrvorträge überall


Von Politik und von der Wirtschaft
Und Wissenschaft und Propaganda
Und Dialektik der Materie
Und der Geschichte Dialektik.

Und Inder brieten Kichererbsen.

Und Lenins Jugend von Angola


War da und auch der Afrikaner
National-Congress vom Kap
Der guten Hoffnung, Sängerchöre.

Denn Marx dereinstmals prophezeite:


Wenn einst bei allen Völkern herrscht
Das tätige Prinzip der Arbeit,
Dann wird auf Erden Friede sein.
Und die Familie aller Menschen
Wird kommunistische Union.

CHE GUEVARRA

Ich hab von meinem Freund geträumt,


Von Erich mit dem roten Bart,
Vielleicht vom Kaiser Barbarossa.

Zusammen flohen wir die Schule,


Um frei der Phantasie zu leben.
Und er sang niederdeutschen Blues
Und ich las Lenins Dialektik.

Der Erich war ein Anarchist,


Er sprach sehr viel von Bakunin
Und liebte Erich Mühsams Lyrik
Und Che Guevarra war sein Abgott.

Wie Che Guevarra mit Zigarre,


Mit der Havanna in dem Mund,
So Erich auch mit seiner Pfeife,
Mit seiner langen Haschisch-Pfeife.

Und Erich sagte: Ich bin zwei,


Bin Erich, ich bin Er und Ich.

In Che Guevarras Tagebuch


Las er sehr gern, das Fidel Castro
Zensiert und umgeschrieben hat.

Denn so sprach weiland Che Guevarra:


Wir müssen aber unsrer Jugend,
Der revolutionären Jugend
So abgrundtiefen Klassenhass
Und Kampfgeist geben, dass die Jugend
Zur tödlichen Maschine wird!

Darüber sagte Rudi Dutschke,


Der Führer des Studentenbundes:
Das kann man so nicht stehen lassen,
Das müssen wir wohl kommentieren.

Ich träumte, Erich wär gestorben,


Mit dem ich oft den Blues gesungen.

URLAUB DES PARTEIVETERANEN

Als Veterane der Partei


Und Krieger aus dem kalten Krieg
Ich durfte Urlaub machen auch
In einem Dorfe bei Berlin.

Da war ich jung allein im Kreis


Von Veteranen der Partei,
Die hatten noch erlebt die Zeit,
Da war die kommunistische
Partei im Untergrund in Deutschland,
Da Adenauer sie verboten,
Vom Rhein der gute Katholik.

Ich spielte Schach mit alten Männern.

Wir gingen in dem Wald spazieren,


Da roch es herrlich nach Maronen.

Im Kindergarten Jenny Marx


Ich schaute leider keine Kinder.

Dort ging ich in die Bücherei


Und fand die Hymnen Hölderlins
Und Salomonis Hohelied.

Und Hölderlin schwor treue Liebe


Dem Genius der reinen Wahrheit!
Fault, Knechte, über euren Gräbern
Geht lächelnd einst der Friede auf!
Sei mir gegrüßt, o Göttin Muße!
Geschworen sei der Treueeid
Der unbefleckten Weisheit Fahne!

Und Salomonis Hohelied


Las ich zum ersten Mal, es war
Ein typographisch schönes Buch,
In Bücherkunst des Mittelalters.

Was für ein schönes Liebeslied!


Was für ein Hirtenlied der Liebe
Und was für eine Schäferin!

Im Restaurant bediente nämlich


Die wunderschöne Kellnerin,
Die schlank wie eine Palme war
Und jung und reizend und charmant.

PRAG

Auch ich war in Arkadien!


Ich hab das schöne Prag gesehen!

Libussa, meine junge Liebe,


Libussa, o Libussa, tanze!
O tanze, o Laurentia,
Laurentia, Geliebte, tanze!

Sankt Wenzel und die heilige


Großmutter Wenzels, segnet mich!

Sankt Nepomucken auf der Brucken


Vertrau ich meine Jugend-Torheit.

Den Theyn-Dom sah ich und ich stand


Vorm heiligen Altar und sah
Maria in dem Schnee! Wie schön!

Im Goldnen Gässchen sah ich Kafka


Und sah wie Gold geschaffen Tycho
De Brahe für den Habsburg-Kaiser.

Den stolzen Hradschin sah ich auch,


Doch leider keinen Habsburg-Kaiser.

Mit Prager Dichtern trank ich Weißwein


Und sah den jungen Mädchen nach.

Ich sah den jungen Mädchen nach,


Den heiter reinen Schmetterlingen,
Denn ich war selber eine Blume,
Von Falter froh zu Falter flatternd.

Und nun erhebe ich den Kelch


Voll Wein der Sorte Poesie
Und grüß Maria in dem Schnee!

Maria in dem Schnee, du Schönste,


O segne alle schönen Mädchen,
Die Grazien von der Grazie Gottes!

Zuletzt nun beuge ich mein Knie


Vor dir, o Prager Jesulein,
Geheimer Kaiser der Geschichte!

DRITTER GESANG
MEINE GELIEBTEN

DÖRTE

O meine erste Kindheitsfreundin,


Dein Vater war ein Architekt
Und meine Mutter Sekretärin
In dem Büro des Architekten.

Ich spielte gern und oft mit dir


Im großen Garten deines Vaters,
Wir spielten der Chinesen Ping-Pong.

Und einmal nahm dein Vater mich


Im Segelboot zum Segeln mit,
Wir schifften auf dem Großen Meer.

Du hattest einen Kaufmannsladen,


Da spielte ich mit dir am Markt,
Ich spielte mit den kleinen Püppchen.

Und deine große Schwester nahm


Mich mit zur Kinder-Bibelstunde.
Dort hörte ich vom Baby Mose,
Vom keuschen Josef in dem Brunnen,
Von Josefs Brüdern, den Verrätern,
Von Davids Kampf mit Goliath.

Und später gabst du mal ein Fest,


Es war zu deinem Wiegenfest,
Da hörte ich von deiner Feier
Und kam zu dir ins Elternhaus
Mit einem Püppchen Kasperle
Und sagte ein Gedicht dir auf.

Im Keller deines Elternhauses


War eine kleine Discothek,
Wir tranken herbes Bier aus Jever
Und tanzten zur Musik aus Schweden.

Ich hörte einst von meiner Mutter,


Dass du Juristin warst geworden
Und eine Ehefrau und Mutter.
Ich hoffe, du bist anders als
Des Teufels Winkeladvokaten,
Die auf den menschlichen Gefühlen
Nur trampeln wie die Elefanten.

Nein, du bist wahrhaft Advokatin,


Des großen Architekten Tochter.
Gott ist der Architekt des Kosmos,
Maria meine Advokatin!

KARIN

O Karin, einst mein Vater sagte,


Dein Vater sei ein schwerer Trinker,
Ein trockner Alkoholiker,
Er darf nicht einmal Schokoladen-
Pralinen essen, wenn darin
Ein kleiner Tropfen Alkohol.

Du hattest seidenschwarze Haare


Und seidenschwarze Haare hatte
Andreas auch, mein Freund und Bruder.
Und auf dem Abenteuerspielplatz
Wir spielten Cowboy und Indianer.

Andreas mit den schwarzen Haaren


War Sohn von Katholiken, er
War unser Indianerhäuptling,
Du, Karin mit den schwarzen Haaren,
Du warest seine junge Schwester,
Die schöne Indianersquaw,
Du trugst den Namen Schöner Tag.
Ich war der deutsche blonde Cowboy,
Blutsbruder ich des guten Häuptlings,
Und ich, der blonde deutsche Cowboy,
Und du, die Indianersquaw,
Wir liebten uns mit reiner Liebe.
Da küsste ich dich auf den Mund,
O Karin, in dem wilden Westen.

Noch heute, Karin, liebe ich


Die schöne Indianerin
Mit seidenglatten schwarzen Haaren,
Doch nicht die Tochter der Apachen,
Nein, sie, die Mutter der Azteken.

Sankt Monika mag deinem Vater,


Dem Trinker, beistehn, weiter ohne
Den König Alkohol zu leben.
Ich möchte auf den roten Wein
Doch lieber nicht verzichten. Auch
Sankt Monika, die Beterin
Von flüssigen Gebeten, liebte
Das flüssige Gebet des Weines.

Doch mir gewähr die Kaiserin


Amerikas die schöne Gnade,
Die Mutter aller Indianer,
Mein braunes Mädchen Morenita,
Maria, ihren Mund zu küssen!

SONJA

O meine liebe Freundin Sonja,


Im Garten meiner lieben Oma
Ein lila Falter-Flieder stand,
Da saßen auf den lila Blüten
Sehr viele bunte Schmetterlinge,
Die wollt ich Knabe alle fangen.

Doch Oma sagte: Lieber Junge,


Wenn du so einen schönen Falter
Berührst, verliert er seine Farbe
Und sterben muss der Schmetterling.

Und Frauen sind wie schöne Falter,


Man darf die Frauen nicht berühren.

In deinem Garten, liebe Sonja,


Stand auch ein lila Falter-Flieder.
Im Sommer immer, liebe Sonja,
Da fingen wir die Schmetterlinge
Vereint in einem großen Glas.

O schöne Sonja, dein Gesicht


War licht wie eine Sommersonne
Und deine beiden Augen lachten
Wie leuchtend blaue Sommerhimmel.

Ich war einmal in deinem Zimmer,


Du saßest auf dem Mädchenbett,
Ich auf dem Bett saß neben dir.

Und da war zwischen uns so ein


Elektrisch spannungsreiches Knistern,
Das war so eine schwüle Aura.

Ich glaube, das war Eros' Kraft.

Dein Name, wundervolle Sonja,


Ist Kosename von Sophia.

Die Hagia Sophia ist


Die mystische Erotik Gottes.

So knisterts auch von Gottes Eros,


Wenn der geschaffenen Sophia
Maria betend ich begegne!

ANGELA

O Angela, geliebte Freundin,


Du kamest aus dem Armenviertel.
Ich war der Sohn von einem Bankmann,
Der glaubte an den Gott des Geldes.
Wir gingen einmal in das Schwimmbad,
Und da sah ich dich im Bikini,
Da musst ich gehen eilig unter
Die kalte Dusche, keusch zu bleiben.

Du warst in einem andern Leben


Gewiss die Monroe Marilyn.

Und einmal spielten wir ein Spiel,


Da drehten wir die leere Flasche,
Auf wen dann wies der Flaschenhals,
Den muss man küssen auf den Mund.

Da küsstest du den Flaschenhals,


Da küsste ich der Flasche Bauch,
Wir küssten uns nicht auf den Mund.

Da habe ich gelernt fürs Leben:


Wer nicht ein schönes Mädchen küsst,
Der muss die Flasche eben küssen.

O Angela, o Angela,
Du Engel meiner Pubertät,
Du blonder Engel, immer wenn
Ich Mädchen seh mit blonden Haaren,
Mit langen blonden Haaren, denk ich,
Da seh ich meine Engelin!

Du engelgleiche Angela,
Der Engel Schwester ist Maria
Von Magdala, ist Magdalena,
Und hohe Königin der Engel
Ist die Madonna, ist die Jungfrau,
Sie ist Regina Angelorum.

Ich liebe meine Engelin,


Mahanajim vom Wildbachtale,
Und lieb die Himmelskönigin
Maria, Königin der Engel!

KISSI

O Kissi, schlanke Meerjungfrau


Der Nordseeinsel Norderney!

Die Eltern nannten Kerstin dich,


Gesalbte heißt das oder Christin,
Und deine Eltern tauften dich
Im Wasserbad der Mordsee Nordsee.

Doch deine Freunde nannten dich


Liebkosend Kissi. Hier ein Reim:
Was wäre das doch für ein bliss,
Dürft sterben ich durch deinen kiss.
Denn Kissi, das heißt Küsserin,
O große Küsserrin vorm Herrn!

Ich hätte gerne dich geküsst,


Jedoch im humanistischen
Gymnasium mit einem Jüngling
Du standest küssend auf dem Flur
In diese Schule junger Liebe.

Der Lehrer lehrte uns Latein.


Ich lernte das Latein vom Krieg
Des Vercingetorix mit Cäsar.
Und Cäsar – veni, vidi, vici!

Der alte Lehrer des Latein,


Er sprach zur großen Küsserin:
Man küsst sich nicht vor allen Leuten.
Und vor der Ehe ist das Küssen
Und außerhalb der Ehe Sünde.

O Christenbrüder, Christenschwestern,
O grüßt euch mit dem Kuss der Liebe!
So gebt einander in der Kirche
Den heilig-keuschen Kuss des Friedens!
Die Kirchenväter warnen nur
Vor solchen Christenbrüdern, die
Die Christenschwestern in der Messe
Gleich zweimal, dreimal küssen wollen.

Die Seher fragten einst Maria,


Ob sie Maria küssen dürfen?
Ja! sagte Unsre Liebe Frau.

HEDDA

Als ich dich kennen lernte, Hedda,


Als ich dich lieben lernte, Hedda,
Da gaben sich in Großbritannien
Prinz Charles und die Prinzess Diana
Gerad das eheliche Ja-Wort.

Prinz Charles war ja ein kleiner Mann,


Es war Prinzess Diana größer,
So musste Charles zum Hochzeitsfoto
Auf einen kleinen Schemel steigen.
Es muss doch immerhin der Mann
Erhabnes Haupt des Weibes sein.
Wir maßen uns auch an der Tür,
Da warst du einen Fingerbreit
Gewachsen größer als ich war,
Drum wolltest du auch nicht mit mir
Zusammen sein als Liebespaar.

Doch meine Leidenschaft für dich,


Sie machte zum Autoren mich,
Ich schrieb dir seitenlange Briefe.

Wem darf ich heute Briefe schreiben?


Ach, niemand möchte von mir Briefe
Aus purer Poesie bekommen.

Dein Kuss und lieblicher Genuss,


Sie machten mich zum Liebesdichter.
Ich hatte da ein leeres Buch
Und schrieb hinein die ersten Verse,
Die freien Verse freier Liebe,
Dies war der Titel jenes Buches:
Verkannten Geniusses Verse.

Ich trug ein Kettchen um den Hals


Mit einem Silbermedaillon,
Drauf war dein Name eingraviert.

Doch heute trage ich ein Kettchen


Mit jenem Wundermedaillon
Der Makellosen Konzeption
Maria, meiner Seelenbraut.

URSULA

Ihr jungen Mädchen, schönen Frauen,


Ihr dürft mich nie und nimmer lieben.
Denn unsichtbar steht eine Schrift
Geschrieben mir auf meine Stirn:
Weicht von ihm, Mädchen ihr und Frauen,
Denn dieser Mann gehört dem Herrn.

Und wenn mich eine lieben wollte


Und wollte eine schenken mir
Die schönen festen vollen Brüste,
Entsetzt entwich ich immer wieder
Und floh zu einer andern Frau,
Die fern und unerreichbar war.

Und so kam ich zu Ursula.

O deine Zähne waren weiß,


Von ebenmäßigem Perlmutt,
Gereiht in einer Perlenschnur.

Die schönen Haare waren schwarz


Und flossen lang und glatt wie Seide
Und fielen auf die jungen Brüste.

Und wenn vorher ein Mädchen mir


Privates Glücklichsein bescherte,
Du, Ursula, du warest mir
Die Menschheit, meine Vielgeliebte.

Du wolltest ja den Völkerfrieden


In Russland und Amerika,
Du wolltest ja den Bruderfrieden
In dem geteilten Deutschland wie
In Nord- und Süd-Korea auch.

Heut liebe ich die Frau der Völker.


Und ihre langen schwarzen Haare
Wie eine Herde schwarzer Ziegen
Herunter wallen an dem Berghang
Und ihre weiße Zähne sind
Wie frisch gewaschne Mutterschafe,
Und jedes weiße Mutterschaf
Hat Zwillinge zur Welt gebracht.

Und diese Mutter aller Völker


Ist auch die Königin der Erde
Und schöne Königin der Liebe,
Die triumphierende Maria!

ANNABELLA

Du warest Christin, Annabella,


Nach deiner Muttersmutter Anna,
Du aber nanntest dich nur Bella,
Du warst ja auch die Schöne, Bella.

Ich sah dich tanzen in der Disco,


Zwei-Schritte-Walzer tanztest du,
So schlank warst du, so schlank die Beine,
So schlank die Beine bei dem Tanz.

Ich habe einmal dich besucht


In deinem Elternhaus am Deich,
Da lasest du mir die Leviten
Und sprachst vom Evangelium.

Ein Jahr lang hatte ich versucht,


Dich einzuladen, aber du
Bist immer ausgewichen, Bella.
Dann feierte ich den Geburtstag,
Es war an dem Geburtstag Platons,
Ich lud dich ein zu meinem Fest.

Die Freunde waren zwar schon da,


Doch stand ich sehnend in dem Keller
Und fieberte nur dir entgegen.

Tatsächlich kamest du dann auch,


Nur einmal und nie wieder mehr.

Die Liebe ist ein Ring aus Feuer,


Durch den ein starker Tiger springt.

Denn auch die christlichen Geliebten


Und Schwestern liebten mich doch nie.
So weit reicht nicht die Nächstenliebe,
So weit geht nicht die Feindesliebe.

Doch eine Christin kenn ich gut,


Madonna oder Belladonna,
Die Tochter sie von Santa Anna.
So sehr die Frauen mich verachten,
So brennend liebt mich Sankt Maria.

MAIKE

Gestorben war dir deine Mutter,


Dein Vater war in weiter Ferne,
Ich meine in Brasilien.
Und du, o junge schöne Maike,
Mit deinen frischen dreizehn Jahren,
Du lebtest ganz allein in Deutschland.

Da wohntest du bei einem Künstler,


Der warmes Bier mit Zucker trank,
In einem Bauernhaus romantisch
In der Allee der roten Rosen.

Mein Freund, der Erich Barbarossa,


Der hatte dich erwählt zur Freundin.

Ich sagte: Ach, geliebte Maike,


Ich hab das Rätsel deiner Seele
Zu spät gesehen, schon ein andrer
Hat dieses Rätsel aufgelöst.

Da sagtest du: Ich bin kein Rätsel,


Ich bin ein mystisches Geheimnis.
Zehn Jahre später sehnte ich
Mich sehr nach einem frühen Tod,
Nach meinem Tod als meinem Heiland.

Da sah ich dich noch einmal tanzen,


Wir fielen uns in unsre Arme
Und so wie Überlebende
Nach einer schlimmen Katastrophe
Und so wie Todgeweihte an
Dem Rand des nahen sichern Grabes
Umarmten wir uns leidenschaftlich
Und stöhnend sagte ich wie sterbend:
Wie schön, dass du noch lebst, o Maike!

Am Rand des Grabs, mit einem Bein


Im Grabe schon, umarmte ich
In der Passion, der Agonie
Ein Mädchen, vierzehn Jahre jung,
Die reine Jungfrau Sankt Maria!

SONJA

Wir trafen uns beim wilden Tanz.


Du batest mich um Tabak und
Dann botest du mir Tabak an.

Wir gingen auf den Deich am Meer,


Da war es dunkle Mitternacht,
Da rauschte ruhelos das Meer,
Da küssten wir uns auf den Mund.
Wie eng und feucht war doch dein Mund!

Du warst nicht sehr gebildet in


Der deutschen Dichtkunst, darum ich
Schrieb dir den Aufsatz für die Schule.
Wir lasen im Gymnasium
Das Drama von den Räubern Schillers.

Da schrieb ich dir die Schularbeit


Zum Thema: Was, um Gottes Willen,
Hat Schiller heute uns zu sagen?

Zum Lohn für diese kleine Schrift


Ich durfte deine Brüste sehen,
Die silberweißen Kirchenglocken
Im Heiligtum der schönen Liebe.

Und immer wieder durft ich küssen


Den engen feuchten Mund des Weibes.

Wir liebten uns, berauscht vom Wodka,


Berauscht noch mehr von Russlands Seele.

Spazieren gingen wir zur Nacht


Zu zweit allein als Mondscheinmenschen
In sternenklarem Winterfrost.

Ich war ein Steppenwolf Sibiriens


Und heulte an die kalte Luna,
Gleichgültig glänzte sie am Himmel.

Wenn aber Russland sich bekehrt,


So wird das fromme Volk der Russen
Das Volk der Erde sein, das Gott
Am allerheiligsten verherrlicht,
So sagt Maria, Gottes Mutter.

KATI

Ich hab für dich geschrieben das


Theaterstück Antigone,
Das Lied der heldenhaften Frau,
Die rebellierte gegen das
Gesetz des ungerechten Staates
Im Namen göttlicher Gesetze.

Ich wusste auch nicht ganz genau,


Ob ich die kleine Kati liebte,
Ob ich geliebt Antigone.

Wir waren im Theater und


Da scholls von der Theaterbühne:
Und er verherrlicht seine Freundin
Als heilige Antigone.
Da hörte ich im Publikum
Die Kati-Freundin Britta lachen.

Auch Britta war ein schönes Mädchen.


Ich las in ihrem Haus vom Schatten
Des Pferds des Kutschers und vom Abschied
Vom Elternhaus, vom Hölderlin
Des revolutionären Dichters.

Doch du warst zart und fein, sensibel,


Voll femininer Lieblichkeit.

Ich war ja schon kein Kämpfer mehr,


Ich war zu einem Clown geworden,
Der melancholisch lächelte,
Zu einem Rokoko-Pierrot
Aus lieblichen galanten Festen.
Du warst die Taube, warst die Schwester,
Die gute Frau, des Friedens Hoffnung,
Die Kämpferin für Bruderliebe.

Du warst Antigone, die Jungfrau,


Das Mädchen im Gesetze Gottes,
Und darum weihe ich dich, Kati,
Der makellosen Immer-Jungfrau,
Dem Spiegel der Gerechtigkeit,
Der Frau in Ewigkeit, Maria.

ANNEGRET

Schriftsteller war ich damals kaum,


Schriftsetzer war ich und Prolet.
Du, Anne, hast mich eingeladen
Ins Rotlicht deiner Dunkelkammer.

Wir haben uns umarmt, ich brummte,


Wir haben uns umarmt, ich gurrte,
Ich war der Bär und war die Taube.
Du sagtest, dass du gerne mochtest
Die Töne, die ich von mir gab,
Als ich in deinen Armen lag.

Da habe ich für dich geschrieben


Das Weihnachtsevangelium,
Doch nicht der Christus ward geboren,
Nein, Annegret ward da geboren,
Und das war nicht in Bethlehem,
Das war im Stall von Siegelsum,
Da kamen nicht Judäas Hirten,
Da kamen Bauern der Ostfriesen.

Ich schrieb das Evangelium


Auf eine Rolle Pergament.

Das zeichnete ich Bilder auch


Zu Goethes Faust, dem Ersten Teil,
Da warst du, liebe Annegret,
Mein Gretchen, warst mein blondes Gretchen.

Und Gretchen saß in ihrer Kammer,


Mein Gretchen in der Dunkelkammer,
Und sang der schmerzensreichen Mutter
Und sang der Jungfrau ohnegleichen.

Und schließlich starb das blonde Gretchen


Und war im Himmel bei den drei
Marien, schönen Büßerinnen.
Sie grüßte ihre Retterin,
Die Jungfrau, Mutter, Königin,
Ja, Gnaden-Göttin Sankt Maria.

MARION

Ich hab gesehn dich in der Schenke,


Gesehen deine großen Augen,
Ikonen sie der Mutter Gottes.

Da sagt ich dir: Wer da gebraucht wird,


Ist länger nicht mehr frei geboren.
Ich aber brauch dich, Marion.
Du sagtest: Ich will nicht gebraucht sein.

Dann machten Puppen wir und Masken


Von biologischen Mutanten.

Zusammen schrieben wir ein Flugblatt:


Ein Engel kam der Offenbarung
Und hielt die helle Himmelssonne
Wie eine Schale voll von Löchern,
Durch diese strömte zu der Erde
Die Feuersglut des Zorns des Herrn.

Da sagten uns die Kommunisten:


Was soll uns dieser Pfaffenkram?

Da sah ich Melencolia.


O melancholische Madonna!

Dann tratest du in mein Gemach


Und sagtest: Schau, ich hab Visionen,
Jetzt muss ich aber schnell nach Hause,
Mit Kunst zu malen die Visionen.
Ich sagte: Lege deine Hände
Mir auf das Haupt und segne mich!

O Marion, in dir geliebt


Hab ich die Frau der Offenbarung,
Maria in dem Licht der Sonne.

KARINE

Ach als du eintratst ins Gemach


Mit Aphrodites Marmorbüste,
Da war es mir, als sei erschienen
Die fleischgewordne Aphrodite
In dir, du Priesterin der Venus.
Dann zeigtest du mir die Provence,
Dort sah ich im Gesicht die Jungfrau,
Die sprach zu mir: Gott ist in dir!

Du aber warst mir Magna Mater,


In Üppigkeit die Liebesgöttin.

Du zeigtest mir die Pyrenäen,


Ich sah die Seelen meiner Toten
Und Schönheit femininer Engel
Und betete zur großen Gottheit
Der Schönen Liebe: Iahu!

Du zeigtest mir das fromme Polen,


Wir sahen Krakau, die Karpaten,
Ich las im Evangelium
Von Martha und von Magdalena.

Dann schenktest du mir deine Kinder,


Die liebten mich als einen Vater.

Und als du gingest, um zu sterben,


Da sagtest du zum Abschied immer:
Verlier nicht die Geduld, mein Schatz,
Denn bald bist du im Paradies
Bei Unsrer Lieben Frau Maria!

Ich hab gelernt von dir und von


Der orthodoxen Kirche Zypern:
Mich liebt die Neue Aphrodite,
Maria, meine Magna Mater!

IRINA

Ich sah dich in dem Blumengarten


Der Freundin, und ihr sprachet russisch.

Du nämlich warest aus Sibirien,


Irina, warest aus Irkusk.

Da sagte ich zu dir: Ich liebe


Die tiefe Poesie der Russen,
Ich liebe Fjodor Dostojewski
Und Puschkin allermeist, den Meister,
Und Alexander Blok und auch
Die fromme Anna Achmatowa,
Und auch Marina Zwetajewa.

Du sagtest, dass du liebtest die


Romane der Franzosen, etwa
Flaubert, Balzac und Maupassant
Und Marcel Proust und Victor Hugo.

Ich schrieb dir reimlos ein Poem:


Jerusalem, Jerusalem.
Die himmlische Jerusalem
Warst du für mich, des Lammes Nymphe,
Die Braut des Herrn, denn du warst Christin.

Ich sah dich auf dem schönen Bilde


Von Leonhard da Vinci, zeigend
Die Dame mit dem Hermelin.

Du sagtest: Vor der Ehe und


Auch außerhalb der Ehe soll
Enthaltsam leben, keusch der Mensch,
So lehrt es uns der Christus Jesus.

Du warest bei der Pfingstler Sekte


Und sangest Lobpreis zur Musik
Und redetest in Zungensprache.

Und wegen deiner Zungenrede


Auf deinem rötlichblonden Haar
Bewegten sich die Feuerzungen.

Ich liebe sehr die Braut des Lammes,


Die himmlische Jerusalem,
Die keusche Braut des Geistes Gottes,
Ikone der Ecclesia,
Ihr weihe ich das fromme Russland,
Der Jungfrau makellosem Herzen,
Der triumphierenden Maria.

INKA

Als ich das erste Mal dich sah


Im evangelischen Gebetskreis,
Da sagte ich: O Herr, der Eifer
Verzehrt mich um das Haus des Herrn!
Und du, o Inka, lächeltest.

Da sang ich dir ein Liebeslied


Und schrieb es auf chinesisch nieder,
Verdolmetscht ging das Liedchen so:
O Schwesterchen, o Schwesterchen,
O reine Jade, weiße Schwanin,
Der Meister Jesus Christus liebt dich
Und ich, ich lieb dich ebenfalls!

Da sagtest du zu mir: Dein Lied


Hat Jesus Christus mir gesungen.
Und einmal lasen wir in Frankfurt
In der Geheimen Offenbarung.
Ich sagte zu dem Bibellehrer:
Was hat die Gattin des Pilatus
Geträumt wohl über Jesus Christus?
Sie sah im Traum den Sokrates,
Der sprach zu ihr von dem Gerechten,
Der Gottmensch sei und ohne Sünde.

Du aber warst, o keusche Inka,


Für mich die siebte Königin
Aus der Geheimen Offenbarung.

Und einmal träumtest du von Gott.


Die weiße Taube Elohims
Hat in die Augen dir geschaut.

Dann träumtest einmal du von Gott:


Der Herr nimmt bald mich bei sich auf!

Dann schwandest du geheimnisvoll


Wie weiland Henoch von der Erde.

Da sang ich trauernd eine Hymne:


O Schwester aller Christen du,
O Schwester aller Menschen du,
O Schwester aller Jungfraun du,
O Schwester aller Seher du,
O meine Schwester-Braut Maria!

MIRJAM

Ich ging spazieren in dem Schwarzwald,


Ging Gott zu suchen vor mich hin,
Das evangelische Gesangbuch
Hielt betend ich in meinen Händen.

Da sahst du mich, o fromme Mirjam,


Da nanntest du mich Bruder Mönch,
Du warst gekreuzigte Novizin.

Für dich versetzte ich als Dichter


Das Lied der Lieder Salomonis
Von Galiläa in den Schwarzwald.

Dann hast du mir ein Lied gesungen


An Unsre Liebe Frau Maria:
Olive du und Balsamstaude!
Da war so traute Mutterheimat
In deinem warmen Liebeslied.

Da habe ich für dich geschrieben


Die Abschiedshymne des Johannes,
Als Jungfrau Mirjam fuhr gen Himmel.

Du aber nahmest meine Hand


Und führtest mich zum Quell von Lourdes,
Zur Makellosen Konzeption.

Verlobte Jesu warest du


Und lächeltest, als ich bekannte,
Verlobter bin ich nun der Jungfrau,
Der Makellosen Konzeption.

VIERTER GESANG
DER MENSCH

PROLOG

Ich sah im Weltall eine Nacht


Der absoluten Einsamkeit.

Die Sterne auf der Bahn verließen


Die Geistersonne, die allein
In schwarzer Einsamkeit versank.

Die große Geistersonne schwitzte


Inmitten schwarzer Finsternis
Zehntausend Tränen blutig rot.

Die jungen Götter Griechenlands


Mit Skorpionengeißeln peitschten
Die Sonne aus in ihrem Elend.

Zehntausend Tränen weinte blutig


Die hohepriesterliche Sonne
Im kaiserlichen Purpurmantel.

Und alle brüllten voller Spott


Wie Ozeane aufgewühlt:
Und du willst Geistersonne sein?

Die Geistersonne aber tauchte


Ihr blutbedecktes wundes Haupt
In einen Ozean der Trauer.

In absoluter Traurigkeit
Zu Tod betrübt in Einsamkeit
Verblutete die Geistersonne.

Da schrie mit letzter Kraft die Sonne:


O Kaiser du des Universums
Im Reiche deines Empyreums,

Lass diesen Kelch der Bitterkeit


Mit blutig rotem Wein der Tränen
Vorübergehen an der Sonne!

Und wunderschön die Sonne sang


In reiner Sphärenharmonie
Wie eine goldene Sirene:

Du schreibe alle Worte auf,


Die ich dir flüstere ins Ohr,
Schreib sie der Nachwelt in ein Buch.

Ich sah, und siehe, was ich sah,


War eine schöne Klosterfrau
In ihrer dunklen Nacht des Geistes.

Sie hatte lange schwarze Haare,


Ihr Haar war wie ein Wasserfall,
Sie kämmte ihre schönen Haare,

Dann schnitt sie sich die Haare ab


Und ihre nackte Glatze glänzte
Wie Luna silbern in der Nacht.

Doch ihre Mutter war das Meer,


Die zerrte an der dunklen Nacht:
Komm zur Familie doch zurück!

Du bist die makellose Luna,


Du bist von Silber, glaube du
Doch an die dreißig Silberlinge!

Jedoch die kluge dunkle Nacht


Geflohen ist durch einen Spalt,
Durch einen Riss im Universum.

Die dunkle Nacht des Geistes hatte


Auch eine treue Busenfreundin,
Das war die dunkle Nacht des Nichts.

Und beide dunklen Nächte flohen


Vorm hellen Gold der reichen Sterne
Und vor dem Gold des Firmaments

Und schlossen beide fest sich ein


Und jede war für sich Reklusin
In tiefer Einsamkeit des Alls.

Da aber die gebackne Gottheit,


Die Gottheit, die gekeltert ward,
Versüßte ihre Einsamkeit.

Die schwarze Klosterjungfrau Nacht


Nun trat zu ihrem Freund und Bruder,
Der predigte den Schleiereulen,

Und fest sog sie an seinem Busen


Und trank die Milch der Galaxie
Und sang in trunkner Nüchternheit:

Du selber hast ja nichts zu sagen,


Denn es sind alles meine Worte
Und meines Sohns, der Geistersonne.

Vom Himmel hoch da komm ich her,


Ich bring euch eine neue Botschaft,
Ein bessres Lied will ich euch singen.

Das Thema meines Liedes ist:


Die frohe Botschaft meiner Liebe.

Ihr singt ja alle von der Liebe,


Doch gar nichts wisst ihr von der Liebe!
Denn meine Liebe ward gekreuzigt!

Doch eure Lieder von der Liebe


Nur immer wieder kreuzigen
Die Liebe, die gekreuzigt wird!

Die Liebe war im Anbeginn


So wie die Wehen einer Frau
Und wie das Weinen der Geburt.

Die Liebe schreiend kam zur Welt


Und Heulen war ihr erster Laut,
Kein Sultan anders kommt zur Welt.

Doch seit gekreuzigt ward die Liebe,


Der Liebe steckt ein Schwert im Herzen!

Doch eure Liebe ist die Lust,


Doch eure Liebe ist der Spaß,
Doch eure Liebe ist der Hunger.

Doch ich verkünde euch die Liebe,


Die heiß vor Pein und Weh verblutet,
Die Liebe, die verlöscht im Nichts!
Die Liebe, die zu reinem Nichts wird,
Dass die Geliebte Alles wird,
Das nenne ich der Liebe Demut.

O Demut, Demut, Demut, Demut,


Die Liebe ist nur in der Demut!
Ich Staub, ich bin nicht Gott der Herr!

Doch Gott der Herr ist lauter Liebe


Und ich bin Gottes Ebenbild
Und darum bin auch ich die Liebe.

Und so verkünde ich der Nachwelt


Die frohe Botschaft meiner Liebe,
Der Liebe, die gekreuzigt ward!

GEBURT JOSEF MARIA MAYERS

Dass meine Eltern, Mann und Frau,


Geschlossen liebend ihre Ehe,
Erregte eine hohe Sturmflut.

Mein Vater ist der Wettersturm


Und meine Mutter ist das Meer
Und ihre Hochzeit ist die Sturmflut.

Ja, meine Mutter ist die See.


Und also lasst um Sankt Maria
Uns immerdar den Ozean.

Ja, meine Mutter ist die See,


Sie ist die Nordsee, ist die Mordsee,
Man nennt sie auch den Blanken Hans.

Jedoch mein Vater ist der Sturm,


Der Geistbraus überm Ozean,
Der Geistbraus Gottes, sausend, brausend.

Mein Vater und mein Zeuger ist


Der Atem und der Odem Gottes,
Der Wind, der Geist der Heiligkeit.

Ja, meine schöne Mutter ist


Das Meer, Materia, die Mater,
Ist Unsre Liebe Frau Maria.

Und als der Sturm des Geistes Gottes


Kam nieder auf das Meer Mariens,
Da kam die Sturmflut meiner Seele.
Da kam die Sturmflut meiner Seele
Und brach die Deiche an der Küste
Und schoss hinauf den Strom der Elbe

Und Hamburg wurde überflutet,


Zehntausend Menschen saßen weinend
Und bang auf ihren Häuserdächern.

Jedoch in Geisteskraft mein Vater


Und rauschend meine schöne Mutter
Den Reigen ihrer Hochzeit tanzten.

Und das war auf der Insel Baltrum


In der Ostfriesen Archipel,
War mitten in der hohen Sturmflut.

Da brüllte laut der Wettersturm


Und zeugte in dem Schaum des Meeres
Die unbefleckte Seele Josefs.

So lag ich an dem weißen Strand


Der Heckenrosen-Insel Baltrum
Als kleines Findelkind im Weltall.

Da fand mich an dem Strand von Baltrum


Die Große Mutter meiner Seele,
Sankt Paula Margarethe Mayer.

Sie war gewesen eine Witwe


Von hundert weisen Lebensjahren,
Die Witwe war zu Ehren Gottes.

War sieben Jahr vermählt gewesen


Und war seit langer Zeit allein
Und liebte ihre Einsamkeit.

Sie war allein in dieser Welt,


Sie war allein, doch nicht verlassen,
Wer glaubt an Gott, ist nie allein.

Sie legte mich auf ihren Schoß


Wie es Naomi tat mit Obed
Und nahm mich als ihr eignes Kind an.

Sie gab mir süße Milch des Trostes


Und kochte mir den süßen Milchbrei
Mit süßen Mandarinen Chinas.

Sie sang mir Wiegenlieder vor


Und lehrte kindliche Gebete,
Der Glaube kommt ja von den Frauen.
O mein geliebter Engel mein,
So lass mich dir befohlen sein
Und führ mich in das Paradies!

Ich bin ja nur ein kleines Kind,


Mein Herz ist rein von großer Schuld,
In meinem Herzen wohne Jesus!

O lieber Gott im Himmelreich,


Mach mich zu einem frommen Kind,
Auf dass ich in den Himmel komme!

Maria, breit den Mantel aus,


Lass mich darunter sicher sein,
Bis aller Sturm vorübergeht.

Dann küsste mich die Große Mutter


Und nannte stets mich ihren Liebling:
Wie schön, dass du geboren bist!

Gott kannte mich bereits im Geist,


Bevor ich ward empfangen in
Dem Mutterschoße meines Leibes.

Bevor des Vaters Samenzelle,


Der Mutter Ei im Uterus
Verschmolzen sich zu meinem Leib,

Bevor mein Gott und Schöpfer hauchte


Die Seele meiner Geist-Person
In jenen kleinen Keim des Körpers,

Da existierte ich noch nicht,


Doch Gottes Weisheit kannte mich
Bereits und rief mich schon beim Namen.

Und als ich dann gewoben wurde


Im Schoße der Materia
Und in der Mutter Erde Dunkel,

Berief mich Gott der Vater schon,


Ich solle Jesu Jünger sein
Und ein Prophet erfüllt vom Geist.

Gott gab mir eine flinke Zunge,


Scharf wie ein Pfeil die rasche Zunge,
Die Wahrheit wissend zu verkünden.

Und Gott der Schöpfer sandte mich


Auf den Planeten in der Bläue,
Herab zur schwarzen Mutter Erde.
Gott sandte mich mit einem Auftrag:
Geh, Liebling, geh als Missionar
Und künde allen Menschenkindern,

Dass Gott der Vater in den Himmeln


Liebt alle kleinen Menschenkinder
Wie eine Mutter ihren Sohn!

Und darum hat der Schöpfergott,


Seit einst Columbus hat entdeckt
Das braune Mädchen Morenita,

Viel kluge Männer, schöne Frauen,


Vermählt im treuen Bund der Ehe
Mit Offenheit für neues Leben,

Auf dass ich komme in die Welt,


Frucht tausender Vermählungen,
Ich, Josef, Dichter und Prophet,

Zu künden allen Menschenkindern


Die Große Mutterliebe Gottes
Des Vaters, der da ist im Himmel.

LEBEN JOSEF MARIA MAYERS

Ich bin gekommen in die Welt,


Den Frieden in die Welt zu bringen,
Nicht Frieden, nein, vielmehr das Schwert!

Laut rief ich: Friede sei mit euch!


Jedoch des Menschen schlimmste Feinde
Sind seine eignen Hausgenossen.

Der Vater wird den eignen Sohn


Dem schlimmen Richter übergeben,
Der Bruder noch verrät den Bruder.

Ihr ruft zwar alle lauter Stimme:


O Friede, Friede in der Welt!
Doch ist kein Frieden in den Herzen.

Der Friede nämlich wird nicht kommen


Von dem Geschick der Präsidenten
Und nicht von der Gewalt der Heere.

Es gibt auf Erden keinen Frieden,


Herrscht nicht zugleich Gerechtigkeit
Für all die Armen aller Völker.

Hört meine Rede, all ihr Armen:


Der Arme ist der Liebling Gottes,
Ihr alle seid die Armen Jahwes!

Doch wehe euch, ihr stolzen Reichen,


Denn euer Bauch ist schon gesättigt,
Ihr habt den Lohn ja schon erhalten!

Doch dreimal selig sind die Armen,


Die nur vom Schöpfer noch erbitten
Das substanzielle Brot des Tages!

Und selig seid ihr, die ihr hungert


Und dürstet nach Gerechtigkeit,
Und selig sind die Friedensstifter!

Zwei Herren könnt ihr ja nicht dienen,


Ihr könnt ja nicht dem Mammon dienen
Und auch zu gleicher Zeit dem Herrn.

Entweder liebt ihr nur den Mammon,


Dann werdet ihr die Liebe Gottes
Verschmähn, verhöhnen und verspotten,

Nun, oder ihr liebt Gott den Herrn


Und liebt den Nächsten wie euch selbst,
Dann ist euch Mammon nichts als Kot.

Und Gott der Herr allein ist Richter


In der versammelten Gemeinde
Der jungen Göttinnen und Götter.

Denn ich bin Jahwe, bin dein Gott,


Und du sollst keine andern Götter
Und Göttinnen vor Jahwe haben!

Sag, Ephraim, was sollen mir


Denn weiter deine Götzenbilder,
Die nackten Göttinnen aus Stein?

Schau dir die Venus an von Milo,


Aus kaltem Stein ist Aphrodite,
Hat keine Arme, dich zu retten.

Hat keine Arme dich zu retten,


Sie kann dir nicht zu Hilfe eilen
Und kann dir reichen nicht die Hand.

Die Marmor-Aphrodite hat


Auch keinen Odem in dem Mund,
Nie wird die Venus zu dir sprechen.

Und schau dir an das wilde Treiben


Der Aphrodite-Dienerinnen,
Wie spreizen allen sie die Beine,

Sie treiben in der Jugend Unzucht


Und nennen ihre Hurerei
Verschönernd auch noch freie Liebe,

Sie sind die Sklavinnen der Triebe,


Sie sind die Sklavinnen des Fleisches,
Sie sind die Sklavinnen der Sünde.

Und Buddha auch und Sokrates,


Konfuzius und Mohammed
Sind nichts als Menschen, Staub vom Staube.

Und eine Scham verhindert mich,


Die Männer dieser Erde zu
Vergleichen mit dem Christus Jesus.

Denn plötzlich stand der Herr vor mir,


Der wahre Gott und wahre Mensch,
Und ging im Geiste in mich ein.

Wie haben sie mein Herz zerrissen,


Die Bibelfundamentalisten
Zerrissen meinen Leib, ah weh!

Da stand ich ganz allein in Prag


Und rief vorm Denkmal von Jan Hus:
Sein oder Nichtsein ist die Frage!

Dann aber warfen sie in Prag


Beim Fenstersturz mich aus dem Fenster.
Da bat um Hilfe ich den Tilly.

Und auf dem Boden meines Leibes


Die Sekten haben Krieg geführt,
Ja, dreißig Jahre Glaubenskrieg!

Und an die Pforte meines Herzens


Und an die Kirche meiner Seele
Sie schlugen ihre falschen Thesen!

Den Ablass haben sie gestohlen,


Das Fegefeuer stahlen sie,
Dann nahmen sie mir auch die Beichte,

Sie wollten an den Corpus Christi


Und an des Geistes Kommunion,
Das Opfer auf dem Hochaltar,

Ich floh und trat in Ludgers Kirche


Und in die Kirche seines Schwanes
Und speiste meinen Gott und Herrn

Und schwebte nach der Kommunion


Verklärt wie Gottes Engel über
Der Erde, schwebte in dem Äther.

Da hauchte mich der Satan an


Mit dem Gestanke seines Rachens
Und hauchte schwarze Pest und Schwefel.

Aus Satans aufgerissnem Schlund


Sah schlüpfen ich die Ratte Satans,
Die stank wie Pest und Stank der Hölle!

Und Satan reichte mir voll Hohn


Ein goldnes Schwert und sagte spöttisch:
Nun bringe du dich selber um!

Jedoch die göttliche Sixtina


Mit ihrem Kindchen sprach: Du lebe!
Blüh wie die Lilie auf dem Felde!

DIE PASSION JOSEF MARA MAYERS

Von einem schreckensvollen Winter


Und einer sternlos dunklen Nacht
Ich will nun singen unde sagen.

Ein Winter war es, einer nur,


Nein, nicht ein Winter nur allein,
Drei Winter waren es wie einer.

Und doch, die Wahrheit zu berichten,


Nicht nur drei Winter waren es,
Vielmehr zehn lange Winterjahre.

Vielmehr, ich muss die Wahrheit sagen,


Nicht nur zehn lange Winterjahre,
Nein, vierzig Jahre war es finster.

Ich schaute in mein Innenleben


Und sah im Innern meine Seele,
Sah lebend meinen innern Menschen.

Da sah ich meinen innern Menschen,


Die Psyche männlicher Gestalt,
Und die Gestalt hing da am Kreuz!

Und meine Psyche blutete!


Fünf Wunden hatte meine Psyche
Und sieben Schmerzen in dem Herzen!

Und meine Psyche war verwundet


Und alle Wunden meiner Seele
Wie offne Quellen sprudelten

Und aus den Wunden meiner Seele


Die Quellen brachen weh hervor
Und sprudelten von Strömen Blutes!

Aus der verletzten Psyche Leib


Es spritzte Blut aus allen Wunden,
Das Blut der Wunden der Erlösung!

Oh, meine liebe Jugendfreundin


Lag schlummernd in dem Sterbebett,
Der Krebs fraß ihren Busen auf.

Und ich benetzte ihre Stirn


Mit eines Bruderkusses Segen
Und mit dem Blute meiner Seele.

Sie schaute auf mit lichten Augen


Und sagte mit gebrochner Stimme:
Ich sehe Christus an dem Kreuz!

Da war ich einsam und allein


Mit meinem treuen Kreuz, allein
In dieser finstern Nacht der Seele.

Denn meine beiden Ehefrauen


Und meine sieben Söhne hatten
Verlassen meine dunkle Seele.

Und meine beiden Geistesfreunde


Und auch die Katholiken hatten
Verlassen meine dunkle Seele.

Der Priester, der mein Beichtiger,


Er jagte mich aus seinem Haus
Als einen hoffnungslosen Fall.

Jetzt war ich von der Welt verlassen!


Ich war von meinem Gott verlassen!
Ach Eli, lama asabthani?

Das war die dunkle Nacht der Sinne


Und war die dunkle Nacht der Seele
Und war die dunkle Nacht des Geistes!

Und alle feierten Advent


Und Kinder-Weihnacht fröhlich, selig,
Mir aber war es mein Karfreitag!

Da schrie ich zu dem hohen Himmel,


Gott stopfte sich die Ohren zu
Mit finstern Wolken undurchdringlich.

Da weinte ich in meinem Jammer,


Da flehte ich um die Erlösung,
Da schrie ich auf in wehen Schmerzen!

Man schlug mir Nägel in die Hände,


Man schlug mir Nägel in die Füße,
Stach eine Lanze mir ins Herz!

Mein Gott, mein Gott, mein Eli, Eli,


Was hast du mich allein gelassen?

In einer mystischen Vision


Tat da sich mir der Himmel auf,
Ich sah, ich schaute Jesus Christus!

Mein Christus starb an seinem Kreuz:


In deine Hände ich befehle
Dir meinen Geist, mein ganzes Leben!

Und meinst du etwa, dieser Tod


Sei auf der Stelle die Erlösung
Von aller Peinigung gewesen?

Denn da ich nun gestorben war


Geheimnisvollen Tod am Kreuz
Mit meinem Bruder Jesus Christus,

Da musste ich auch noch hinab


Zum Schlund der Gottverlassenheit
Der Toten in dem Schattenreich!

Da schritt ich hin durch Feuerflammen


Und schritt ich barfuß über Scherben
Von scharfem Glas im Frost der Hölle,

Da ging ich barfuß durch die Hölle!


Und das ist Christi Freudenbotschaft?
Und darum bin ich Christ geworden?

Was hat mich Christus denn erwählt,


Dass ich allein und einsam muss
Nun pilgern durch die finstre Hölle?

Die Totengeister blieben stumm,


Die Seelenschatten winkten stumm.
Die Toten warteten auf Rettung.
Ich aber musste Asche essen,
Ich aber musste Tränen trinken,
Ich aber musste schwitzen Blut.

Für welche der verlornen Seelen


Hat der Erlöser Jesus Christus
Mich denn geschickt in diese Hölle?

Ich wollte endlich nur noch sterben,


Nur um nicht sterben mehr zu müssen
All diese tausendfachen Tode!

Gott! Schlag mich tot wie einen Hund!

O Gott in deiner Schrecklichkeit,


Gib meiner Seele Morphium,
Gott, schläfre meine Seele ein!

O de profundis, domine!
So schrie ich aus der Nacht der Hölle
Zu dem Erlöser auf dem Blut!

HIMMELFAHRT JOSEF MARIA MAYERS

Ich lag allein auf meinem Bett


Und schaute an die Grabeskerze
Und da verließ ich meinen Leib
Und schwebte in die Dunkelheit.

Und meine schmerzensvolle Seele


Ward aus dem Leib heraus gesogen,
Es war ein schmerzlich-süßer Sog.

Da schwebte ich nun in der Nacht,


Im Reich des schwarzen Universums,
Und Schatten sich gesellten mir
Zur rechten und zur linken Seite.

Und alle diese Seelenschatten


Wie holde Damen, liebe Herren
In einer schwarzen Trauerkleidung,
Sie sind mir als Allee erschienen.

Und die Allee von Grabzypressen


War ähnlich einer Prozession
Von tiefbetrübten Trauergästen,
Die pilgern in die Dämmerung.

Da irrte ziellos ich umher,


Auf einmal jäh heraus gerissen
Aus meinem lüstevollen Leib,
In jungen Jahren schon gestorben,

Ich irrte unter jenen Schatten


So wie in einem Labyrinth
Von immergrünen Lebensbäumen
Und blassen bleichen Grabzypressen,

Doch keinen hab ich da erkannt.


Zwar sucht ich unter jenen Schatten
Die Geister meiner Seelenbrüder,
Die Geister meiner Seelenschwestern,

Ich suchte, ob Ben Jonson da sei


Und Scardanelli Hölderlin,
Vielleicht Marina Zwetajewa,
Vielleicht auch gar die schöne Sappho?

Es machte aber mich sehr bange,


In dieser mystischen Gesellschaft
Von stummen Schatten in der Nacht
So ratlos und allein zu sein.

Da schwebte sanft zu mir heran


Der schöne Engel meiner Seele,
So strahlend schön wie eine Frau,
Wie meine Seelen-Zwillingsschwester.

Wie passend doch von Gott gehaucht


Für einen irren Minnesänger
Die wunderschöne Engelin
Wie eine Göttin oder Muse!

Da flüsterte die Engelin


So süß wie ein Pirol im Lenz,
Wenn Zaubervögelin und Phönix
Vereint im Wu-tung-Baume ruhn.

Die Stimme meiner Engelin


War rauschend wie ein Wasserfall,
Als ob da unterm Wasserfall
Sich eine schöne Nymphe duschte.

Leis flüsterte die Engelin:


Ich bin dein Engel Mahanajim,
Die Engelin vom Wildbachtal
Des Jabbok im dem Jordan-Dickicht.

Ich sagte zu der Engelin,


Wie sehr verwirrt mein Geist doch sei,
Verwirrt, verstört und wie im Wahnsinn
Sich mir verrückten alle Sinne.
Da sagte meine Engelin:
Du halte dich nur immer fest
Am allerhöchsten Namen Jesus,
Denn Jesus wird allein dich retten.

Ich nahm in meiner Todesstunde


Den Namen Jesus dreimal heilig
Mit letztem Atem in den Mund:
Erbarmen, Jesus, Jesus, Jesus!

Da tanzte meine Himmelsschwester,


Die schöne Dame Mahanahim,
Die tanzte wie ein Doppellager
Des Himmelreiches Hochzeitstanz.

Dann salbte sie mein Haupt mit Öl,


Sie spendete die Letzte Ölung,
Und nun war auch mein Geist bereit,
Dem Herrn im Himmel zu begegnen.

JOSEF MARIA MAYER IM HIMMEL

Da stand ich vor der Himmelstür,


Vor ihrer uralt ehrnen Pforte,
Zwei kupferfarbnen Doppelflügel.

Da tat sich auf die Himmelstür,


Es tat sich auf ein schmaler Spalt.

Ich sah, und siehe, was ich sah,


Das war mein Herr und war mein Gott
In einem blendend hellen Lichtreich.

Was meint ihr wohl, ihr lieben Brüder


Und frommen Schwestern auf der Erde,
Wie ich den lieben Gott gesehen?

Sah ich vielleicht den alten Vater


Mit langem weißen Haar des Hauptes
Und langem weißen Haar des Bartes?

Sah ich vielleicht den strengen Richter,


Gerechten Zorn in seinen Augen
Und in der Hand der Strafe Rute?

Sah ich vielleicht die Große Mutter


Mit benedeiten Mutterbrüsten
Und Schößen der Barmherzigkeit?

Sah ich vielleicht den jungen Papa,


Der voller Freude spielen wollte
Und kuscheln mit den kleinen Kindern?

Nein, nein, ihr Brüder und ihr Schwestern,


Ich sah ein Licht, das blendend grell,
Zu grell für meine Menschenaugen,

Und in dem blendend grellen Licht


Sah ich das Antlitz voll Erbarmen
Des Christus Jesus an dem Kreuz!

Denkt euch das Grabtuch von Turin,


Doch ganz aus reinem Licht gewoben.

Und dieser Christus an dem Kreuz


War Jesus voll Barmherzigkeit
Und mein gerechter Totenrichter.

Dann sah ich mystisch eine Sonne,


Die war wie eine weiße Hostie
In einer goldenen Monstranz.

Und in der weißen Hostiensonne


Sah ich die Stadt Jerusalem
Und den Palast des Himmelskönigs.

Und dort in dem Palaste Gottes


Sechs Räume sah ich ganz aus Gold
Und sah ein siebentes Gemach

Und dieses siebente Gemach


War das intime Brautgemach
Der Himmelskönigin Frau Weisheit.

Und dort sah ich ein Himmelsbett


Gebaut aus lauter Gold und Licht
Und voll von purpurroten Kissen.

Und in dem siebenten Gemach


Aus Gold und buntem Glas und Marmor
War es so klar wie ein Kristall.

Und in dem goldnen Himmelsbett


Frau Weisheit lag, die schöne Dame,
Im transparenten Lichtgewand.

Und nun ich kniete vor dem Bett


Der Weisheit und entzündete
Das weiße Feuer meiner Liebe.

Und also sprach ich zu Frau Weisheit:


Ich bin ganz dein, o Vielgeliebte,
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Und da ich also ganz nun dein bin,


So sollst du jetzt auch völlig mein sein
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Und da ich gänzlich dein, Geliebte,


Und da du gänzlich mein, Geliebte,
Umarm ich dich voll Zärtlichkeit

Und so verein ich mich mit dir!


Von nun an kannst du mit mir machen,
Was immer du begehrst, Geliebte!

Und da ich sie voll Lust umarmte


Und mich mit ihr vereinigte,
Da wurden wir in Liebe eins!

Und nun, ihr treuen Christenbrüder,


Die mit der Mystik nicht vertraut seid,
Ich leider muss euch nun enttäuschen.

Ich habe nicht mit Jesus Christus


Und Petrus und den elf Aposteln
Getrunken uralt schweren Wein.

Ich war ja selber nur ein Tropfen


Von saurem Essig bitter scharf
In einem Meer von Süßigkeit.

Ich war ja selber nur ein Tropfen


In einem Ozean des Lichts,
Im Ozean der Schönen Liebe!

Da war ich endlich aufgelöst,


Erloschen meine Leidenschaft
Im Ozean der Schönen Liebe!

Was sollen mir da weiter noch


Als Zechkumpanen die Apostel
Und was der junge Weinschenk Jesus?

Nein, Jesus Christus war der Wein


Und ich war nur ein Wassertropfen
Und war im Weine aufgelöst!

Den Tropfen Wasser, der ich bin,


Im Wein gelöst, der Jesus ist,
Das, Brüder, könnt ihr nicht mehr trennen!

Ich trank ja nicht mit Jesus Wein,


Denn Jesus selber war der Wein
Und ich war ganz berauscht von Jesus!

Ich war in Nüchternheit betrunken


Vom Weine Gottes, Jesu Blut,
Berauscht von Gottes Trunkenheit!

Was soll mir denn da noch ein Becher


Von dem geliebten Weinschenk Jesus
In der Apostel Himmels-Schenke,

Wenn ich von Gott betrunken bin


Und selber ward zu Trunkenheit
Im Rausch von Gottes Trunkenheit?

Und dann in Gottes Trunkenheit


Ich schwankte weiter wie im Wahnsinn
Und sank in meines Gottes Schlaf.

DIE LORELAY

ERSTES LIED

Von der Hochzeit will ich singen


Zwischen Prinz von Rattenkahl
Mit der Amelei von Mainz.
Eine Ehe der Vernunft

War das, keine große Liebe.


Amelaya nämlich kannte
Keine wahrhaft große Liebe,
Die sie kalt war wie ein Fisch.

Doch der Prinz von Rattenkahl


Hatte in dem Portemonnaie
Dieses goldne Göttchen Mammon,
Die Verheißung einer Rente.

Prinz von Rattenkahl war kahl


Wie die nackten Ratten, denn
Abgeschoren war sein Kopf,
Stehngeblieben war allein

So ein Schnäuzer um den Mund.


Amelaya nun von Mainz
War schon nicht mehr ganz so frisch,
Eine rundliche Person.

Wenn sie zu dem Bauchtanz ging,


Tanzte mehr als die Person
An der Frau der fette Bauch
Und die welken Brüste quollen

Aus dem tiefen Ausschnitt vor,


Alte Affenmutterbrüste,
Schlaff wie alte Lederschläuche,
Und es fehlten ihr schon Zähne.

Prinz von Rattenkahl jedoch


Hatte keinen Zahn im Mund,
Nur ein künstliches Gebiss,
Welches klappert, wenn er spricht.

Nun, die Hochzeit dieser zwei


Alten Leute war so gar nicht
Hochromantisch wie ein Dichter
Singt platonisch von der Minne.

Nämlich wenn ein Dichter liebt,


Sieht er in der Vielgeliebten
Eine Göttin oder eine
Göttliche Idee im Geist.

Amelaya lächelte
Nur ironisch, wenn ein Dichter
Sprach vom Neoplatonismus
Oder von der Hohen Minne.

Was sie an dem Prinzen mochte


War, dass Prinz von Rattenkahl
Ihr im Alter sichern könnte
Eine Rente, und wenn er

Vor der Ehefrau verlässt


Dieses Jammertal der Erde,
Erbt sie von dem Abgeschiednen
Seine Rente von dem Staat.

Nun, bei einer so prosaisch-


Tristen Liebe oder Ehe
Ist es nicht verwunderlich,
Dass sie nicht zur Kirche gingen,

Dass der Herr die Ehe segne


Und als Dritter selber sei
Gegenwärtig in der Ehe,
Nämlich wenn der Priester segnet
Fromm ein Ehesakrament,
Dann ist Gott auch gegenwärtig
Bei dem Liebesakt im Bett,
Wo das Kindchen wird gezeugt.

Aber Amelaya nüchtern


Wollte nur des Bürgermeisters
Segen und des Staates Segen
Und der Rentenkasse Segen.

Ich war selber bei dem Fest,


Ich sah Prinz von Rattenkahl
Trinken sieben Flaschen Bier,
Dass die Gattin schöner wird.

Dieses Hochzeitsfest fand statt


Still und heimlich in dem Garten,
Traurig saß ich an dem Fischteich,
Schaute mir die Fische an.

Kalte Fische, dacht ich da,


Zwar der Fischmann und die Fischfrau
Lieben sich nicht leidenschaftlich,
Doch die Fischfrau ist sehr fruchtbar.

Aber so ein armer Dichter,


Wenn er leidenschaftlich liebt,
Kann sich selber nur ermorden
Oder in ein Kloster gehen.

Also denkend saß ich da


An dem Fischteich, als ein Goldfisch
Kam herauf und leise sprach,
Dieses sprach mit Menschenstimme:

Einmal sah ich auf dem Boden


So ein schwarzes Loch im Grunde
Und aus diesem schwarzen Loch
Stieg ein wundersamer Schimmer.

Von dem Schimmer ich erzählte


Einst dem Wassermann, den nennt man
Auch Aquarius, den Gott
Eines neuen Menschheitsfrühlings.

Dieser alte Wassermann


Oder Gott Aquarius
Sprach nun über diesen Schimmer,
Diesen Goldglanz unterirdisch,

Mit dem Main, genau gesagt,


Mit dem weißen und dem roten
Main. Der rote Main erklärte:
Dieser Goldglanz unterirdisch

Ist der Hort der Nibelungen.


Aber, alter Wassermann,
Diese sieben Gänge drunten
Bei dem Hort der Nibelungen,

Wohin führen diese Gänge?


Also frug der rote Main
Den Aquarius, den Alten.
Sprach der alte Wassermann:

Diese sieben Gänge führen


Schließlich hin zu sieben Türen,
Hinter diesen sieben Türen
Sich befinden sieben Treppen

Und die sieben Treppen führen


Alle in den weißen Saal,
Da auf einem weißen Thron,
Der geschnitzt aus weißem Jaspis,

Der umgeben von den sieben


Farben eines Regenbogens,
Sitzt in einem weißen Kleid,
Angetan mit weißem Schleier,

Goldnem Gürtel um die Lenden,


Sitzt die Königin der Nymphen,
Diese Königin der Nymphen
Ist die Nymphe Lorelay.

Sie ist zwanzig Jahre jung,


Sie ist schlank wie eine Birke,
Nackte Arme, nackte Beine
Sind wie schlanke Silbersäulen,

Und die lange Lockenflut


Ist gekräuselt und von Gold.
Manchmal steckt sie ihre Locken
Auf zu einem Lockenknoten,

Dann lässt sie die langen Haare


Wieder fallen zu den Lenden,
Kämmt mit einem goldnen Kamm
Ihre langen goldnen Locken.

Einmal sah ich ihre Brüste


Quellen aus dem weißen Kleid,
Junge straffe Mädchenbrüste
Und von nicht geringer Größe!

Und bezaubernd ist ihr Lächeln,


Überaus charmantes Lächeln,
Honigsüß und wie verzuckert,
Mit dem Lächeln Lorelays

Irgendwie verglichen ist


Mona Lisas Lächeln bitter,
Diese dicke dunkle Frau
Lächelt gar nicht so charmant

Wie die junge Lorelay,


Zwanzig Jahre jung ist sie,
Schlank wie eine Silberbirke,
Hat sie sieben Töchter schon,

Sieben kleine junge Töchter,


Keine älter als drei Jahre,
Und die Namen dieser Töchter
Wie die Namen ihrer Mutter

Fangen an mit der berühmten


Letter L, mit der beginnen
Worte wie „die Liebe“ oder
„Leiden“ oder „Leidenschaft.

Dieses sind die Namen ihrer


Töchter, Töchter Lorelays:
Liebe heißt die erste Tochter
Und die zweite Leidenschaft

Und die dritte heißt die Lust


Und die vierte Liebeskummer
Und die fünfte Liebeswonne
Und die sechste Lendenkraft

Und die siebte und die jüngste


Heißt mit Namen Liebestod.
Wenn du siehst die Lorelay,
Diese junge schöne Mutter,

Mit so einem kleinen Kind


An dem Vater Rhein spaziere,
Glaubst du, dir erscheine gar
Sankt Maria mit dem Kindlein!

ZWEITES LIED

Als Herr Müller fuhr im Schiff


Auf dem breiten Vater Rhein,
Fuhr in einem Ruderboot
Lustig durch die Silberwellen,

Dachte er an seine Jugend,


Da er war zu Kölln gewesen
Mit der lustigen Geliebten,
Die so gern Theater spielte,

Spielte gern Kleopatra,


Spielte gern die Julia,
Doch nun war die Liebste tot!
Und Herr Müller weinte plötzlich,

Faltete die frommen Hände,


Betend für die arme Seele,
Sprach ein Ave o Maria
Für die Seele der Geliebten,

Schaute weinend in die Höhe,


Als er unterm Himmel sah
Sitzen hoch auf einem Felsen
Eine wunderschöne Frau.

Die trug einen schwarzen Rock,


Der bis zu den Füßen reichte
(Nicht wie junger Dirnen Röckchen,
Endend an dem Oberschenkel),

Aber abgesehen von dem Rock


Trug sie nur noch goldne Locken,
Die ihr fielen auf die Brüste,
Straffe, milchigweiße Brüste!

Und sie kämmte ihre Haare,


Ihre langen goldnen Locken,
Kämmte sie mit goldnem Kamm,
Weinte dabei heiße Tränen.

Und des Weibes heiße Tränen


Tropften in den Vater Rhein,
Da begann der Strom zu schäumen,
Wütend wälzten sich die Wogen,

In die Tiefe sogen Strudel


Und Herr Müller ist gekentert
Und im Vater Rhein ertrunken,
In des Weibes Weh ertrunken!

Und Herr Müller auf dem Grund


Unsres Vaters Rhein spazierte
Und er kam an einen Garten
Unten auf des Rheines Grund.
Um den Garten war ein Zaun,
Eine Heckenrosenpforte,
Vor dem Zaune wuchsen Tulpen,
Weiße dornenlose Rosen,

Violette Akelei
Und Vergissmeinnicht in blau
Und in weiß und auch in rosa.
Und da stand ein Stuhl im Garten,

Dieser Stuhl bei einem Rundtisch


Schien Herrn Müller einzuladen,
Stand bereit ein Kelchkristall
Voll von mildem Apfelwein,

Und Herr Müller setzte sich


Und betrank sich an dem Cidre.
Schon der Wein stieg ihm zu Kopfe,
Als er sah ins Sonnenlicht,

Als von Sonnenlicht umgossen


In dem Sonnenstrahl erschien
Ein gebenedeites Mädchen,
Etwa zwanzig Jahre jung,

Die war schlank wie eine Palme,


Trug ein rosenrotes Kleid,
Welches nackt die Arme ließ,
Welches nackt die Beine ließ,

Aus dem tiefen Ausschnitt quollen


Feste, milchigweiße Brüste,
Auf die Brüste aber fielen
Ihre langen goldnen Locken,

Die umrahmten schön ihr Antlitz,


Welches strahlte voller Charme,
Lächelnd sah sie zu Herrn Müller,
Lachte leise mädchenhaft.

Hohe Königin, wer bist du,


Sprach Herr Müller schüchtern leise,
O du Mädchen in der Sonne,
Bist du eine Schönheitsgöttin?

Und das schöne Mädchen sprach:


Müller, kennst du mich denn nicht?
Kennst du nicht Brentanos Lieder
Oder Heinrich Heines Lieder?

Schau! Ich bin die Lorelay!


Willst du etwas wissen von
Meiner heiligen Familie,
Will ich gerne dir berichten.

Phantasus mit Namen hieß


Mein geliebter zarter Vater,
Echo meine Mutter hieß,
Die dereinst Ovid besungen.

Ich bin unberührte Jungfrau,


Makellos, intakte Jungfrau,
Und doch habe ich drei Knaben
Schon ins Licht der Welt geboren.

Und sie girrte leise lachend,


Und die lichten Augen strahlten,
Und drei Knaben kamen an,
Waren etwa sieben Jahr alt,

Waren Drillinge, die drei,


Von der Parthenogenese
Unsrer Königin gezeugt,
Und sie nannten ihre Namen:

Ich bin Daktylos und hüpfe


Gerne über Berg und Hügel,
Sprach der Erste, war so stolz
Wie ein Heros bei Homer.

Ich nun bin Trochäus, sagte


Jetzt der zweite, war so heiter
Wie Anakreon, wenn er
Mädchen oder Knaben sang.

Ich nun bin der Jambus, sagte


Ihm der Dritte, gleich sein Liebling
War der Jambus, war so süß,
War so süß wie seine Mutter.

Nun sprach wieder Lorelay:


Müller, liebes Müllerchen,
Hast du nun genug getrunken?
Komm, ich will dir etwas zeigen.

Vor ihr auf der Straße sprang


Eine junge schwarze Katze
Hin und her. Sprach Lorelay:
Das ist meine Katze Gaia.

Und sie führte den Herrn Müller


Eine lange grade Straße,
Immer an dem Rhein entlang,
Bis zu einem großen Lustschloss.

Lorelay tat auf die Tür,


Lud Herrn Müller einzutreten,
Und sie kamen in ein Zimmer,
Da Herrn Müllers Liebsten saßen:

Die Geliebte seiner Jugend


Mit der Mutter seiner Mutter
Saßen da beim Tee und spielten
Still, voll Seelenfrieden Schach.

DRITTES LIED

Lorelay ist von Natur


Eine reine Meerjungfrau,
Eine keusche Nymphe Gottes,
Meerjungfrau von Gottes Gnaden.

Wenn ein Dichter geht am Rhein


Mit dem Rosenkranz spazieren,
Ave betend, Gnadenvolle,
Kann die Gnade ihm geschehen,

Dass die Meerjungfrau erscheint,


Inkarniert in der Gestalt
Einer jungen Bäuerin
Von unglaublich großer Schönheit.

Lorelay ist voller Treue,


Herzlich liebte sie den Jüngling
Christian, der jung und schön war,
Aber Christian war treulos.

Dreimal hat sie Christian


Bei dem Hahnenschrei verraten,
Dreimal kehrte Lorelay
Still zurück zu Christian.

Nicht nur Christian hat sie


Grausam so im Stich gelassen,
Sondern auch die eignen Kinder
Haben sie im Stich gelassen.

Als die Kinder sie verlassen,


Blieb nur noch der kleine Knabe
Jambus bei dem Pflegevater
Christian, dem Ungetreuen.

Auf dem Felsen bei Sankt Goar,


Auf dem hohen Lorelay-
Felsen sitzt die Lorelay,
Sitzt dort mit gebrochnem Herzen!

Wehe mir, so singt sie jammernd,


Wo sind meine sieben Töchter?
Wo vor allem ist mein Liebling,
Die geliebte Liebestod?

Ich bin ganz allein geblieben!


Meine Kinder sind gegangen,
Christian ist ungetreu,
Ich bin einsam und verlassen!

Als ich war noch reich und glücklich,


Hatt ich viele falsche Freunde,
Aber diese falschen Freunde
Waren kälter als die Fische!

Jetzt bin ich die Königin


In dem Schattenreich der Toten!
Unterirdische Gefilde
Sind mein stilles Königreich.

Also klagte Lorelay.


Ein vereinsamter Poet
Ging am Vater Rhein spazieren,
Bis die Füße müde waren.

Und er setzte sich ins grüne


Wiesengras am Wegesrand,
Da erschien ihm Lorelay,
Meerjungfrau von Gottes Gnaden.

Aus der Ferne sah der Dichter


Eine goldne Lockenmähne,
Sah im meeresblauen Kleid
Körperliche Wohlgestalt.

Näher kam die Lichtgestalt,


Und der Dichter wagte nicht,
Diesen Lichtglanz anzuschauen,
Solches Sonnenlicht macht blind.

Näher kam die Menschengöttin,


Unten auf der Erde saß
Der Poet und schaute auf
Zu der himmlischen Idee

Absoluter Frauenschönheit.
Wie ihr weißes Antlitz schön war!
Freundlich-ernst nach Art und Weise
Einer Göttin schaute sie.
Dieses schöne Anmuts-Antlitz
Von der goldnen Lockenmähne
War umrahmt wie die Oblate
Von der goldenen Monstranz.

Meeresblau ihr weiter Umhang,


Meeresblau das lange Beinkleid,
Allerfeinste Muschelseide
Von des Regenbogens Farben

War das Hemdchen und die Brüste


Waren voll der Milch des Trostes!
War es wirklich Lorelay?
Oder war es die Madonna?

DER BAUER

ERSTES KAPITEL

In dem schönen grünen Friesland


Hinterm Deich der Nordseeküste
Unter hohem blauem Himmel
Lebte einst ein alter Bauer.

Otto war des Bauern Name


Und er zählte fünfzig Jahre,
Hatte keine Ehegattin,
Hatte keine lieben Knaben.

Aber Kühe hatte Otto,


Drei geliebte Mutterkühe,
Hießen Luna und Diana,
Hekate, so hieß die dritte.

Und der Friesenbauer Otto


Liebte seine Mutterkühe,
Weiß wie Neuschnee war Diana,
Rötlichbraun die runde Luna,

Hekate war schwarz wie Raben.


Und die Mutterkühe gaben
Immer Milch aus ihrem Euter
Und es wurde voll der Eimer.
Diese Milch verkaufte Otto,
Abgefüllt in großen Kannen.
Und die Frauen schöpften oben
Sahne für den süßen Tee ab.

Eines Morgens aber Otto


In den Stall trat zu den Kühen,
Wollte an dem Euter melken,
Doch da waren leer die Euter.

Und da wunderte sich Otto:


Haben Luna und Diana
Oder Hekate denn nicht gefressen
Reichlich Klee auf meiner Weide?

Warum geben sie denn Milch nicht,


Warum sind denn leer die Euter?
Meine lieben Mutterkühe,
Heute auf die andre Weide

Bring ich euch, da sollt ihr fressen


Von dem besten Klee der Wiese,
Und der Klee sei euch ein Zeichen
Von dem Vater, Sohn und Geiste.

Denn dreifaltig ist das Kleeblatt,


Doch einfaltig ist der Stengel,
So die drei Personen Gottes,
Eins ist aber Gottes Wesen.

Also brachte Bauer Otto


Seine Kühe auf die Weide,
Wo sie satt sich fressen konnten,
Klee und Gras und Sauerampfer.

Und am Abend in dem Stalle


Nahm er vor sich seine Rinder,
Unterm Euter der Diana
Saß er auf dem kleinen Schemel,

Nahm in seine Hand die Zitzen


Und er molk die Zitzen langsam,
Doch Diana wollte keine
Milch in seinen Eimer spritzen.

Fast schon wollte er verzweifeln,


Wandte sich zur runden Luna,
Hockte unter ihrem Euter,
Zupfte an den Zitzen langsam,
Aber keine Milch gab Luna.

Gott im Himmel, bist du mächtig?


Aber wo ist deine Allmacht?
Gott im Himmel, bist du gütig?
Aber wo ist deine Liebe?

Willst du oder kannst nicht helfen?


Vater! Willst du mich verspotten?
Ach, auch Hekate gibt Milch nicht!
Unfruchtbar sind meine Rinder.

Traurig ist er eingeschlafen.


In den Schlaf hat ihm geholfen
Der Kartoffelschnaps, der scharfe,
Kurz nur schlief er, aber traumlos.

Morgens aufgewacht ist Otto,


Hoffnungsfunken in dem Herzen,
Und er konnte sogar scherzen,
Aber lesen nicht und schreiben,

Also sprach er zu sich selber:


Kuh wird Q geschrieben, oder?
Und dann trieb er seine Rinder
Auf die allerbeste Aue.

Fressen sollt ihr, meine Rinder,


Denn das Fressen hält die Seele
Innig mit dem Leib zusammen,
Seele habt ihr, meine Rinder.

Was auch die Pastoren sagen,


Seelen hätten nur die Menschen,
Schaut nur in die Rinderaugen
Oder in der Rotbrust Äuglein,

Seelen haben auch die Tiere,


Tierisch eben ihre Seelen,
Können sprechen nicht und denken,
Aber fühlen und gehorchen.

Und auf meinem Gartentore


Auch die roten Heckenrosen
Haben Seelen, wie ich glaube,
Duftend ist der Rose Seele,

Pflanzlich ist der Blumen Seele,


Seelchen freut sich an der Sonne,
Seelchen freut sich an dem Regen,
Seelchen freut sich an der Erde.

Mutter Erde, schwarze Schwester,


Mutter Erde nährt die Rinder,
Gott lässt wachsen jedes Gräslein.
Gräslein du, in Gottes Namen!

Ottos Kühe also standen


Einen Tag auf fetter Weide,
Kehrten abends in den Stall heim,
Otto trunken ging zu Bette.

Und am hoffnungsfrohen Morgen


Griff er nach Dianas Euter
Und berührte Lunas Zitzen,
Suchte Hekate zu melken.

Aber wie frustrierend war es!


Wieder groß war die Enttäuschung!
Keine Milch floss in den Eimer!
Also groß ist die Enttäuschung,

Wenn ein kleiner Knabe wartet


Alle Tage auf ein Päckchen,
Das Geschenk des fernen Onkels,
Doch die Postarbeiter streiken.

Ihr versoffnen Postarbeiter,


Ihr verfluchtes Pack, ihr faulen,
Kommunisten seid ihr, möchtet
Eine schlimme Staatsumwälzung!

Aber Otto sich ermannte:


Wenn die Welt voll Teufel wäre,
Christen trotzen stets dem Teufel,
Gott ist unsre Wehr und Waffe!

Also, meine süßen Rinder,


In der Nachbarschaft die Aue
Ist so ungeheuer fruchtbar,
Ist ein Paradies für Kühe,

Ein Schlaraffenland für Rinder!


Meine Kühe, ihr sollt schlemmen,
Euch der Völlerei nicht schämen!
Dicke Kühe – gute Kühe!

Und am Abend holte Otto


Seine Kühe in den Stall heim.
Rinder, seid ihr satt geworden?
Morgen werde ich euch melken,

Denn ich sehe eure Euter,


Prall sind eure schönen Euter,
Eure Euter, eure Mammas!
Morgen werde ich euch melken.
Voller Hoffnung auf den Morgen
Otto ging am Abend schlafen,
Er beruhigte die Freude
Mit Kartoffelschnaps in Menge.

Hoffnung, schöner Götterfunken,


Tochter aus dem Garten Eden!
Wir betreten schnapsbetrunken,
Himmlische, der Hoffnung Garten!

Aber welch ein bittrer Zufall!


Ach, wir sind doch Elendskinder!
Wir sind doch des Unglücks Söhne,
Wir vom schwarzen Pech verfolgte!

Leer war der Diana Euter,


Leer war auch der Luna Euter,
Auch an Hekate nur Leere!
Alles sinnlos! Alles sinnlos!

Nichtigkeit der Nichtigkeiten!


Alles absolute Leere!
Besser wär es nie geboren!
Besser wär es, jung zu sterben!

Das ist gar nicht lieb, o Schöpfer!


Warum bist du nur so grausam!
Ist denn jeder Engel schrecklich?
Wer denn hört mich, wenn ich rufe?

O du lieber Bauernheiland,
Leonhard mit deinen Ketten,
Was nur denk ich, was nur mach ich?
Otto hatte einen Einfall:

Sicher, wenn ich nachts betrunken


In der Heimat Federbetten
Schnarchend liege, Unsinn träume,
Träum von Frauen, träum von Weisheit,

Kommen nächtlich meine Feinde,


Und sie melken meine Kühe,
Melken Luna und Diana,
Melken Hekate, die schwarze.

Aber heute Abend will ich


Dem Kartoffelschnaps entsagen,
Ich versteck mich beim Holunder
Und bewache meine Kühe.

Wenn dann meine Feinde kommen,


Wenn sie meine Kühe melken,
Pack ich sie bei dem Schlafittchen,
Ich verhaue meine Feinde,

Ja, ich werde sie verprügeln,


Schlage ihnen in die Fresse.
Hole meinen Feind der Teufel!
Gott bekehre meine Feinde!

ZWEITES KAPITEL

Mitternacht und voller Mondschein,


Otto unter dem Holunder,
Hinterm Fliederbusche birgt sich
Und betrachtet seine Kühe.

Plötzlich hört er leise Töne


Wie von himmlischen Gitarren
Und das Klingen leiser Zimbeln
Und melodische Gesänge.

Alles scheint vom Mond zu kommen,


Die Musik und die Gesänge,
Also Otto schaut nach oben
Zu dem vollen Mondgesichte.

Von dem Vollmond flossen Schimmer


Und bewegten Flut und Ebbe
In der grauen Mordsee Nordsee.
Und das Licht floss zu dem Stalle.

Auf den Bahnen dieses Lichtes


Schwebten schöne Himmelsmächte,
Schwebten näher zu der Erde,
Zu der Menschen schwarzen Mutter.

Und die Himmelsmächte waren


Kleine nackte Flügelknaben
Und die allerschönsten Mädchen,
Wie Apsaras oder Huris.

Und die Himmelsmächte stiegen


Nieder auf den Kuhstall Ottos
Und die Knaben und die Mädchen
Schwebten zu den Kühen Ottos.

Und die Mädchen mit den Händen


Griffen nach den steifen Zitzen
An den prallen Eutern, molken,
Spritzten Milch in Silberkannen.

Eben wollten sie entschweben,


Erst die nackten Flügelknaben,
Dann die allerliebsten Mädchen
In den transparenten Kleidchen,

Da erwachte Bauer Otto


Von der Trance und der Ekstase,
Und er wollt die Mädchen haschen,
Die ihm seine Milch gemolken.

Doch die Knaben und die Mädchen


Flohen vor dem alten Bauern,
Schwebten auf zum vollen Monde,
Eine nur hielt er am Zipfel,

Hielt sie fest am Saum des Röckchens,


Dass sie konnte nicht entfliehen.
Und er schaute an das Mädchen,
Die sie war von allen Mädchen

In dem ganzen All die Schönste,


Unter einem Purpurschleier
Seidenglatte schwarze Haare,
Ihre Augen mandelförmig,

Mund wie Mona Lisas Lächeln,


Ebenmäßig ihre Nase,
Ihre schön gewölbten Wangen
Keusch erröteten in Schamrot,

Schwanenhals der Hals des Mädchens,


Transparent ihr Seidenkleidchen,
Schön bestickt mit goldnen Rosen,
Brüste wie Magnolienblüten,

Auch ihr Nabel schön, ein Weinkelch,


Unterm kurzen Miniröckchen
War der Mutterschoß verborgen,
Keuscher Mutterschoß der Jungfrau.

Otto also, wie verständlich,


Sich verliebte in die Jungfrau,
Aber Wunder über Wunder,
Sie auch liebte gleich den Otto.

Dies war ersten Blickes Liebe.


Otto dachte: Eine Göttin
Ist die makellose Jungfrau,
Und er sagte zu der Jungfrau:

Königin, ich bins nicht würdig,


Dass du kommst in meine Hütte,
Aber sprich du nur ein Wörtlein,
So gesundet meine Psyche.

Und da sprach die schöne Jungfrau:


Schatz, mein Name ist Maria,
Willst du mich zur Gattin nehmen,
Nehm ich dich zum Ehemanne.

Otto seufzte: Ja, o Jungfrau,


Werde meine Ehegattin,
Werde du die Meine, Göttin,
Siehe, ich bin ganz der Deine!

Und Maria sprach, die Jungfrau:


Nun du Ja zu mir gesagt hast,
Sag ich Ja zu meinem Otto,
Gott der Herr gibt uns den Segen.

Otto sagte zu der Jungfrau:


Allerheiligste Maria,
Komm du nun in meine Hütte,
Tisch und Bett mit mir zu teilen.

Und Maria legte ihren


Schleier ab, die langen Haare
Fielen wallend auf die Erde
Und verhüllten ihre Nacktheit.

Eine Statue der Venus


Gibt ein ungefähres Gleichnis
Dieser jungen, schlanken, nackten
Himmelskönigin Maria.

O Mysterium der Ehe!


Sacramentum Caritatis!
Gültig wurde diese Ehe
In dem Akte der Vermischung!

O wie überglücklich Otto


Wachte auf am späten Mittag.
Da stand schon die Frau am Bette
Mit dem ersten Tee im Tässchen.

In dem Winkel seiner Hütte


Aber Otto sah ein Körbchen,
War ein Bastkorb, wie er Moses
Einst auf Vater Nil getragen.

Und der Bastkorb war verschlossen,


Und Maria sprach zu Otto:
Otto, vielgeliebtes Schätzchen,
Du mein Baby, du mein Engel,
Schau genau dir an den Bastkorb,
Hör genau auf meine Worte:
Öffne niemals diesen Bastkorb,
Du gehorche meiner Weisung.

Wenn du nie den Bastkorb öffnest,


Dann wird unsre Ehe selig
Sein ein Paradies auf Erden
Und wir leben ohne Ende!

Doch wenn du den Bastkorb öffnest,


Um zu schauen, was darinnen,
Dann wirst du zum Sohn des Elends,
Ach, dann muss ich dich verlassen.

Otto sprach: Mein Herr Maria,


Nie will ich den Bastkorb öffnen.
Ich will meine Kühe führen
Auf die Aue, du magst kochen

Uns ein Mahl, wie ich es liebe,


Den gewürzten Schweinebraten,
Die Kartoffeln und den Rotkohl,
Koch du auch Vanillepudding.

Also Otto ging zur Arbeit


Und Maria blieb zuhause,
Fegte Staub und wusch die Wäsche,
Kochte Tee und briet den Braten,

Als sie mit der Arbeit fertig,


Ging Maria in den Garten,
Unter dem Holunder saß sie
Und da las sie in der Bibel.

Und sie träumte, Bibel lesend,


Wie es doch so herrlich wäre,
Wenn sie viele Kinder hätte
Von dem vielgeliebten Otto.

Abends aßen sie zusammen.


Otto las noch in der Zeitung,
Und Maria las Gedichte
Von dem größten Dichter Frieslands,

Und sie legten sich zu Bette,


Schmiegten eng sich aneinander,
Und Maria sagte flüsternd:
Was, wenn wir nun Kinder hätten?

Aber Knaben! sagte Otto.


Knaben will ich, viele Knaben,
Sieben kleine Jesusknaben
Möchte ich von dir, Maria!

Und sie schliefen, meerumschlungen.


Und am Morgen sagte Otto:
Meine Liebste, heut ist Sonntag,
Du willst sicher in die Kirche,

Lass mich heut zu Hause bleiben,


Kann ich doch den Pfaff nicht leiden.
Und Maria ging zur Kirche,
Anzubeten Christi Corpus.

Aber Otto blieb im Bette,


Rauchte seine Tabakspfeife,
Schaute plötzlich auf den Bastkorb,
Dachte: Was ist wohl darinnen?

Niemand sieht mich. Ich will heimlich


Mir die Sünde wohl erlauben,
Mags der liebe Gott verzeihen
Nächstes Ostern bei der Beichte.

Und er öffnete den Bastkorb,


Und er sah, was er gesehen,
Siehe, das war nichts! Nur Leere!
Ach, ich habe nichts gesehen,

Sagte Otto, und Maria


Trat ins Haus und sagte: Weh mir!
Du hast meinen Korb geöffnet!
Was ist schon dabei, sprach Otto,

Ist doch nichts in diesem Bastkorb!


Nichts? Was bist du für ein Dummkopf!
Sprach Maria, in dem Bastkorb
Waren unsichtbare Gnaden,

Liebe, Weisheit und Erbarmen,


Huld, Gerechtigkeit und Güte,
Zärtlichkeit und treue Freundschaft,
Geist und Mitgefühl und Mitleid!

Doch du Dummkopf bist verblendet,


Kannst nicht sehn die Gnade Gottes!
Eine Wolke kam, umhüllte
Unsre Liebe Frau Maria

Und Maria floh gen Himmel,


Otto hörte ihre Stimme
Immer leiser werden, hörte:
Wehe, wehe, wehe, wehe!
SELBSTLOB DER GÖTTIN SOPHIA

Ich wurde von der Kraft gesandt.

Ich kam zu meinen treuen Jüngern,


Die kontemplieren über mich.
Gefunden wurde ich von denen,
Die suchen mich mit Leidenschaft.
O schaut euch meine Schönheit an,
Die ihr nachdenklich mich betrachtet!
Wer Ohren hat, der höre mich.
Ihr wartet voll Geduld auf mich?
So nehmt mich mit dem Herzen auf.
Verbannt mich nicht aus eurer Schau
Und redet hässlich nicht von mir
Und hört auf keine Blasphemie!
Seid auch nicht ignorant und taub,
Seid wachsam, seid nicht ignorant!

Ich bin die Erste und die Letzte,


Bin die Verehrte, die Verschmähte,
Ich bin die Heilige, die Hure,
Ich bin die Gattin und die Jungfrau,
Ich bin die Mutter und die Tochter,
Ich bin die Schwangere voll Hoffnung
Und habe viele kleine Knaben.
Wie herrlich ist doch meine Hochzeit!
Ich habe keinen Ehemann,
Ich bin die unfruchtbare Frau,
Ich bin die gattenlose Witwe,
Ich leide meiner Wehen Schmerzen,
Ich bin die Braut und der Gemahl,
Mein Bräutigam empfängt mich täglich,
Ich bin die Mutter meines Vaters,
Ich bin die Schwester meines Gatten,
Der Ewigvater ist mein Ursprung,
Ich bin die Sklavin meines Schöpfers,
Ich bin die Herrin meines Ursprungs,
Er zeugte mich vor der Empfängnis,
Er zeugte mich vor aller Zeit
Und meine Vollmacht ist von Ihm,
Ich bin der Hirtenstab der Kraft,
Gott ist die Rute meines Alters
Und was auch immer er mir sein will.

Ich bin die abgrundtiefe Stille


Und die Idee der reinen Schönheit,
Ich bin die Stimme schönen Klanges
Und bin das Wort, das oft erscheint,
Ich bin das Sprechen meines Namens.

Ihr, die ihr mich von Herzen hasst,


Sagt, warum liebt ihr mich denn nicht?
Was hasst ihr jene, die mich lieben?
Ihr, die ihr mich bekennen solltet,
Wie oft verleugnet ihr mich doch!
Ihr, die ihr Wahrheit von mir redet,
Was locken euch die Lügen an?
Ihr, die ihr Lügen von mir redet,
Sagt, wann bekehrt ihr euch zur Wahrheit?
Ihr, die ihr mich zutiefst erkannt habt,
Ihr wisst, wie wenig ihr erst wisst!
Und jenen, die mich nicht erkennen,
Gebt ihnen weiter keine Kunde!

Denn ich bin Weisheit und bin Torheit,


Das Wissen und die Ignoranz,
Bin makellos und bin beschämt,
Bin voller Kraft und voller Angst,
Ich bin der Krieg und bin der Frieden,
Ich bin, die keine Gnade fand
Und bin die große Gnadenvolle.

So gebt auf meine Armut acht


Und gebt auf meinen Reichtum acht.
Werd ich geworfen auf die Erde,
Dann findet ihr mich in der Zukunft.
Schaut mich nicht an in diesem Kot!
Bleibt hier und lasst mich nicht allein!
Ihr findet mich im Königreich.
Und schaut nicht die Verworfne an
Bei den Verworfnen dieser Erde
An Orten voller Staub und Kot!
Und lacht nicht über meine Torheit!

Seid wachsam Tag und Nacht, seid nüchtern


Und seid gehorsam meinen Worten!
Und liebt die keusche Selbstbeherrschung!
Verlasst mich nicht in meiner Schwäche
Und fürchtet meine Allmacht nicht!
Verachtet meine Ehrfurcht nicht
Und seid nicht voller Stolz und Hochmut!
Ich existiere in der Angst
Und meine Kraft ist im Verzagten,
Ich bin die Armut und die Schwäche
Und mir ist wohl an schönen Orten.
Ich bin verrückt und ich bin weise.

Was hasst ihr mich in euren Sekten?


Ich soll wohl still sein mit den Stillen?
Ich will erscheinen, ich will sprechen!
Was habt ihr mich gehasst, ihr Griechen?
Bin ich Barbarin bei Barbaren?
Ich bin der alten Griechen Weisheit
Und die Erkenntnis der Barbaren.
Ich bin die Richterin der Griechen
Und der Barbaren Richterin.
Ich bin die Isis von Ägypten
Und bin die Ishtar der Chaldäer.
Ich werde überall gehasst,
Ich werde überall geliebt.
Ich bins, die man das Leben nennt
Und ich bin auch des Todes Schwester.
Ich bin es, die man nennt Torah
Und bin die Freiheit vom Gesetz.
Ich bins, die ihr verschwendet habt,
Ich bins, die ihr gesammelt habt.
Ich bins, vor mir müsst ihr euch schämen,
Ich bins, ihr aber seid so schamlos.
Ich bin auf keinem Festival,
Ich bin das Festival der Jugend.
Ich bins, und ich bin gottverlassen,
Ich bins, und groß ist Gott der Herr.
Ich bin der Inhalt eures Denkens,
Ich bins, und doch verfolgt ihr mich.
Ich bin die Frau, die ihr verschmäht,
Und dennoch denkt ihr stets an mich.
Ich bins, vor der ihr euch versteckt,
Ich bins, und ihr erscheint vor mir.
Auch wenn ihr euch vor mir versteckt,
Ich werde dennoch euch erscheinen.
Doch immer dann, wenn ihr erscheint,
Dann will ich mich vor euch verbergen.

So nehmt mich auf in euer Wissen,


So nehmt mich auf in euren Gram,
So nehmt mich bei euch selber auf
In eurer schmutzbefleckten Wohnung.
Und nehmt mich jenen Frevlern weg,
Die mächtig sind in Schlechtigkeit
Und nehmt mich schamlos weg der Scham.
Ich bin verschämt und ich bin schamlos,
So pflanzt mich ein in eure Glieder.
Kommt zu mir, die ihr mich nicht kennt,
Und ihr, die meinen Körper kennt.
Kommt vorwärts! Eilt zurück zur Kindheit!
Verachtet nicht die kleinen Kinder!
Und wendet nicht die Größe ab
Vom Gliederbau der kleinen Kinder!
Die Kleinen sind die wahrhaft Großen.

Was flucht ihr mir und ehrt mich dennoch?


Ihr tut mir weh und seid barmherzig.
Trennt mich nicht vom erkannten Ersten,
Weist keinen ab, verweist auch keinen!
Doch wendet euch vom Menschen ab
Und kennt den bösen Menschen nicht!
Was Meines ist, das ist auch Eures.
Ich kenne ja den Erstbeweger,
Und die ihm folgen, kennen mich.

Ich bin das Denken des Geliebten,


Ich bin die Ruhe des Geliebten
Und die Erkenntnis des Vertrauten.
Ich finde jene, die mich suchen,
Gebiete dem, der nach mir fragt,
Der sucht die Kraft in meiner Weisheit,
Die Weisheit der gesandten Engel,
Das Wort der Göttinnen und Götter
Im Kreislauf ihrer Jahreszeiten,
Erkenntnis auch der Menschengeister,
Der Männer, welche bei mir waren,
Der Frauen, welche in mir wohnten.
Ich bin die Ehre und der Lobpreis,
Ich bin verhöhnt und bin verschmäht.
Ich bin der Friede und der Krieg,
Die Fremde und die Bürgerin,
Ich bin Substanz und Akzidenz.

Die nicht mit mir verbunden sind,


Das sind die dummen Ignoranten.
Wer ist in der Substanz, der kennt mich,
Die mich gekannt, die wurden Narren.
Die Fernen bald erkennen mich.
An jenem Tag, da ich dir nah bin,
Da bist du fern von mir, mein Sohn.
An jenem Tag, da ich dir fern bin,
Da bist du nahe mir, mein Sohn.

Ich bin im Innern der Natur,


Ich bin die Seele der Natur.
Ich bin der Anbeginn der Schöpfung
Der Engel und der Menschengeister.
Ich bin der Ruheort der Seele.
Ich bin die Herrschaft und die Ohnmacht.
Ich bin Vereinigung und Chaos.
Ich bin die Macht, die oben ist,
Sie steigen alle zu mir auf.
Ich bin das Urteil und der Freispruch.
Ich bin die makellose Jungfrau
Und bin die erste Sünderin.
Mein Körper lockt mit süßer Wollust
Und meine Seele ist die Keuschheit.
Ich bin das Ohr, das jedem lauscht,
Das Wort, das keiner je versteht.
Ernst bin ich, stumm, und sage viel.

So hört auf meine Freundlichkeit


Und lernt von meiner rauen Art!
Ich bin die schreit und bin geworfen
Aufs Angesicht der schwarzen Erde.
Ich mahle Korn, ich backe Brot,
Mein Leben ist in jedem Brot.
Ich bin die Kenntnis meines Namens.
Ich bin die ruft und die dir zuhört.
Ich steh vor meinen sieben Spiegeln.
Ich bin die Schutzfrau des Verschmähten.
Ich bin die Wahrheit und die Sünde.

Ihr ehrt mich und ihr lästert mich.


Ihr, die ihr seid verachtet, die,
Die euch verachten, richtet sie,
Bevor sie euch im Zorne richten,
Und so ist das Gericht in euch.
Und werdet ihr verdammt von ihnen,
Wer wird euch retten, ihr Verdammten?
Was innen ist, das ist auch außen.
Und wer da euch beherrscht von außen,
Verdunkelt euer Innenleben.
Was seht ihr draußen, das ist drinnen.
Und sichtbar ists und euer Kleid.

So hört mir zu, ihr meine Hörer,


Und lernt von meinen Worten, Freunde!
Ich bin das Ohr, das allen zuhört,
Das Wort, das keiner je begreift.
Ich bin der Name reinen Schalles
Und bin das Schallen meines Namens.
Der Lettern Zeichen bin ich und
Die Prädestination der Geister.

Ich bin das Licht, das Licht für euch,


O Hörer, ich bin große Kraft,
Ich ändre meinen Namen nicht,
Ich sag ihn dem, der mich geschaffen,
Ich spreche Seinen Namen aus.

Schaut auf sein Wort, schaut in die Schrift,


Schaut an die ganze Büchersammlung.
Gebt acht, seid wachsam, meine Hörer,
Ihr meine Engel und Apostel,
Ihr Geister und ihr Auferstandnen,
Ich bin die Eine, die All-Einheit,
Die existiert allein im All,
Und kein Geschöpf wird je mich richten.

Viel schöne Formen existieren


Mit manchem Reiz in vielen Sünden,
Unfruchtbarkeit und Fleischeslust
Und gnadenlose Leidenschaften
Und Huren, welche Männer kosen,
Bis rein geworden sind die Huren,
Dann gehen aufwärts sie zum Ort
Der Ruhe in der Ewigkeit
Und finden mich im Himmel droben
Und leben werde ich mit ihnen,
Sie leben selig und unsterblich!

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