You are on page 1of 2

Die Rückkehr der furchtbaren Juristen

vera-lengsfeld.de/2018/04/28/die-rueckkehr-der-furchtbaren-juristen

Vera Lengsfeld 28. April 2018

Nachdem viele Juristen unsere „Gemeinsame Erklärung 2018“ unterschrieben hatten, sah
der vormalige Präsident des Deutschen Anwaltsvereins Prof. Dr. Wolfgang Ewer
dringenden Handlungsbedarf.

Er griff zur Feder, nein, haute in die Tasten und ließ das Ergebnis seiner Phantasien als
Editorial in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW 17//2018) unter dem Titel „Die
zweite Verantwortung“ veröffentlichen. „Die dritte Schuld“ wäre passender gewesen. Denn
Ewer steht beispielhaft für das erneute Versagen deutscher Juristen im Angesicht einer
sich abzeichnenden Gesinnungsdiktatur.

Er zitiert eingangs unsere Erklärung und behauptet: „Zur These, dass die Zulassung der
massenhaften Einreise von Flüchtenden illegal sein soll, reicht der Hinweis, das das
BVerfG eine gegen diese Verfahrensweise gerichtete Verfassungsbeschwerde durch den
Beschluss von 10.2.2016 nicht zur Entscheidung angenommen hat.“ Dass dies ohne
Begründung geschah, fügt Ewer nicht hinzu. Er verschwiegt auch, dass der
Gesetzesbruch, der jetzt geleugnet wird, im Herbst enthusiastisch öffentlich gefeiert wurde.
Stellvertretend seien nur Heribert Prantl von der Süddeutschen und Kardinal Marx genannt,
die sich beide mehr von dieser Art Gesetzesbrüchen im Namen einer höheren Moral
wünschten. Auf meinem Blog kann man nachlesen, mit welch zweifelhaften, wenig
haltbaren Begründungen auch die Strafanzeigen gegen Kanzlerin Merkel von
verschiedenen Staatsanwälten abgelehnt wurden. Man kann das auch als Akte sehen, in
denen die Gesinnung höher steht, als Recht und Gesetz. Deutschlands Juristen sollten
nach zwei Diktaturen eigentlich gelernt haben, dass in einer Demokratie niemand über dem
Gesetz stehen darf, auch keine Kanzlerin.

Das von Ewer als zweiten „Beweis“ herangezogene EuGH-Urteil beschäftigt sich lediglich
mit den europäischen Aspekten der Massenaufnahme von „Flüchtlingen“, nicht mit der
Gesetzmäßigkeit an der deutschen Grenze. Last but not least, wirft Ewer den
Unterzeichnern vor, nicht zwischen Einwanderern und Flüchtlingen unterscheiden zu
können. Ein Defizit, das auf ihn zutrifft, denn wenn die erdrückende Mehrheit der
Ankömmlinge weder einen Asyl- noch einen Flüchtlingsstatus anerkannt bekommen hat,
sind es eben keine Flüchtlinge. Ein Jurist sollte das eigentlich wissen.

1/2
Im zweiten Teil seiner Ausführungen wird es unappetitlich. Ewer führt vier angebliche
Vorkommnisse auf, die von den Unterzeichnern mit ihrer Unterschrift gebilligt wurden. Er
zitiert einen Redner, der 2015 bei einem „Aufmarsch“ in Dresden gesagt haben soll: „Es
gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider außer Betrieb.“ Dieses
„Zitat“ war eine Zeitungsente und musste von dutzenden Medien richtiggestellt werden, was
RA Joachim Steinhöfel für den Redner gerichtlich erstritt. Warum ein Top-Jurist eine
erwiesene Falschmeldung in einem juristischen Fachblatt als Argumentationshilfe
präsentiert, ist mehr als merkwürdig. Mit Fahrlässigkeit kann das nicht mehr entschuldigt
werden.

Das trifft auch auf die angeblich in Dresden „verkauften“ Galgen zu. Es gab einen
einzelnen Demonstranten bei einer Pegida-Veranstaltung, der mit Mini-Galgen und
Fotografen erschien. Er wurde von den Demonstranten des Zuges verwiesen. Die Fotos
erschienen trotzdem und wurden eifrig von den Mainstreammedien veröffentlicht. Nur
nebenbei: Bei einer fast zeitgleich stattfindenden Großdemonstration in Berlin gegen TTIP
wurde eine Guillotine auf Rädern mitgeführt, für alle Politiker, die das
Freihandelsabkommen unterstützten. Kein Journalist, kein Jurist fand das bedenklich.

Aus der Haltlosigkeit seiner beiden Beispiele erlaube ich mir, auf den Wahrheitsgehalt von
Ewers beiden anderen Beispielen zu schließen.

Um mit Ewer zu reden: Mich macht sehr betroffen, dass vor neunzig Jahren und ich
ergänze, auch nach 1948 in der DDR, die Mehrheit der deutschen Juristen schon einmal
versagt und die Gesinnung über Recht und Gesetz gestellt hat. Ich sehe zwar nicht, wie
Ewer, neue „menschenverachtende nationalsozialistische Strömungen“ aufkommen,
sondern „nur“ eine Gesinnungsdiktatur. Ich sehe aber die „besondere Verantwortung“ von
Juristen, Recht und Gesetz vor dem Zugriff von Gesinnungstätern zu schützen. Ewer und
seine Gesinnungsgenossen sind dabei, zum dritten Mal zu versagen.

2/2

You might also like