You are on page 1of 3

PFLANZENSCHUTZ

UV C-Bestrahlung von Reben


Ein neuer Bekämpfungsansatz soll dazu beitragen, den hohen Anteil an Fungizid-Applikationen im

Weinbau zu reduzieren. Das Verfahren beruht auf einer Behandlung der Zielfläche mit

UV C-Strahlen. Zur Beantwortung der Versuchsfragen arbeiten mehrere Institute der Hochschule

Geisenheim mit der Firma uv-technik meyer gmbh zusammen, einer Marktführerin für UV C-

Bestrahlungssysteme im Lebensmittelsektor. Als Projektträger tritt die HA Hessen Agentur GmbH

auf, die im Schwerpunktprogramm «Hessen ModellProjekte» angewandte Forschungs- und

Entwicklungsprojekte fördert.

Stefan Klärner und Beate Berkelmann-Löhnertz, kleinsäure (DNA). Dabei kommt es zur Bildung soge-
Institut für Phytomedizin, Hochschule Geisenheim (D) nannter Thymin-Dimere, die zu einer Verformung der
Bruno Flemming, uv-technik meyer gmbh, Ortenberg (D) DNA führen. In der Folge können wichtige Zellfunktio-
Marco Pfliehinger und Otmar Löhnertz, nen bis hin zur Zellteilung nicht mehr normal ablaufen.
Institut für Bodenkunde und Pflanzenernährung und Der Organismus ist nicht mehr in der Lage, sich fortzu-
Rainer Keicher und Hans-Peter Schwarz, pflanzen oder stirbt sogar ab.
Institut für Technik, Hochschule Geisenheim (D) Innerhalb des UV C-Spektrums beschränkt sich die-
beate.berkelmann-loehnertz@hs-gm.de ses Schädigungspotenzial insbesondere auf den Wellen-
längenbereich zwischen 240 und 270 nm. Die im Rah-
Die qualitätsorientierte Traubenproduktion erfordert bei men der hier präsentierten Untersuchungen eingesetz-
den in Mitteleuropa herrschenden Klimabedingungen ten UV C-Strahler arbeiten im Bereich von 254 nm, liegen
einen intensiven Pflanzenschutz. Gegenüber anderen also im optimalen Wirkungsfenster. Dabei ist die indivi-
Pflanzenschutzmittelgruppen dominieren hier die Fun- duelle UV C-Wirkung dosisabhängig. Das heisst, eine
gizide. Beim Vergleich verschiedener Kulturen rangiert länger andauernde niedrige Bestrahlungsstärke von bei-
der Weinbau an zweiter Stelle. Der intensive Pflanzen- spielsweise 10 s bei 8 mW/cm² (= 80 mWs/cm²) hat die
schutzmitteleinsatz kann mit Nebenwirkungen verbun- gleiche Wirkung wie eine kurze, aber starke Bestrah-
den sein – dies gilt sowohl für den integrierten als auch lungsstärke von 2 s bei 40 mW/cm² (= 80 mWs/cm²).
für den ökologischen Weinbau. Die drei wichtigsten Pro-
blemfelder sind: unerwünschte Rückstände von Pflan-
zenschutzmitteln in Trauben und Wein, Resistenzphä- Pilzliche Zielorganismen
nomene auf Seiten der Schaderreger sowie die Anreiche- Als Zielorganismen wurden die für den hohen Fungizid-
rung des Schwermetalls Kupfer im ÖkosystemWeinberg. einsatz im Weinbau verantwortlichen Rebpathogene
Unser Projekt hat zum Ziel, Wirkungen und Nebenwir- ausgewählt. Im Zentrum stehen damit die wirtschaftlich
kungen eines neuen physikalischen Verfahrens zu be- bedeutendsten Rebkrankheiten:
schreiben, das daraus resultierende Einsparpotenzial an ● Falscher Mehltau (Plasmopara viticola)

Fungiziden aufzuzeigen und auf dieser Basis eine neue, ● Echter Mehltau (Erysiphe necator)

praxistaugliche Strategie zur Eindämmung von Schad- ● Grauschimmel-Fäule an der Traube (Botrytis cinerea)

pilzen zu erarbeiten. ● Schwarzfäule (Guignardia bidwellii)

Bei allen vier Pathogenen handelt es sich um polyzykli-


sche Pilze mit hohem Schadenspotenzial. Aufgrund der
Wirkung von UV C vorhergesagten Auswirkungen des Klimawandels (Tem-
Die natürliche Quelle von UV-Licht ist die Sonne. Aller- peraturanstieg, häufigere Starkregensituationen, gene-
dings dringt – bedingt durch Absorption in der Erdatmo- relle Zunahme extremer Wetterereignisse) ist eine Zu-
sphäre – nur UV A und in geringerem Umfang auch UV B- nahme der Probleme im Pflanzenschutz zu erwarten.
Strahlung bis zur Erdoberfläche vor. UV C-Strahlen mit Dies gilt vor allem für die Entwicklung von P. viticola und
Wellenlängen unter 280 nm kommen hier nicht vor. Botrytis, die möglicherweise durch die genannten Wet-
UV C-Licht kann künstlich durch UV-Niederdruck- terphänomene und Klimaänderungen gefördert werden.
oder UV-Mitteldruck-Strahler erzeugt werden. Die Wir- Jahre mit starker Traubenfäulnis beeinflussen den Le-
kung einer UV C-Bestrahlung auf Mikroorganismen be- sezeitpunkt und die Qualität des Leseguts. Dies gilt auch
ruht auf der Schädigung von Teilen der Desoxyribonu- im Zusammenhang mit den sogenannten Sekundärpil-

4 S C H W E I Z E R Z E I T S C H R I F T F Ü R O B S T- U N D W E I N B A U 2 1 / 1 3
PFLANZENSCHUTZ

zen (Penicillium- und Aspergillus-Arten, Trichothecium).


Hier könnte die ergänzende UV C-Bestrahlung einen Bei-
trag zur Gesunderhaltung der Trauben liefern, da die Be-
handlung auch nach dem letzten Spritztermin erfolgen
kann. Es besteht sogar die Möglichkeit, wenn nötig im kri-
tischen Zeitraum zwischen Abschlussbehandlung und
Lese die UV C-Bestrahlung mehrfach einzusetzen.

Experimentelle Voraussetzungen
Da keinerlei Erfahrungen mit dem Einsatz der UV C-
Technologie an Reben vorliegen, musste zunächst der
optimale Dosisbereich für die UV C-Bestrahlung gefun-
den werden. Hierbei sind drei wichtige Anforderungen
zu berücksichtigen:
● Ausreichende abtötende Wirkung auf die Pathogene.

● Verhinderung phytotoxischer Reaktionen oder phy-

siologischer Beeinträchtigungen der Rebe.


● Zugänglichkeit der Zielfläche, da Einrichtungen, die

dem Schutz der UV C-Röhren beim «derben» Frei-


landeinsatz sowie dem Anwenderschutz dienen, zu
wirkungsmindernden Abschattungs- und Streuungs- Nach den bisherigen Ergebnissen liegt eine gute Abb. 1: UV C-Be-
effekten führen. Derartige Einflüsse müssen reduziert Schnittmenge zwischen den beiden Anforderungen «ho- strahlungseinheit
werden, da sie die Bestrahlungsstärke verringern, die he biologische Wirksamkeit» und «geringes Ausmass für Topfreben. Die
letztlich die Zielflächen (Blatt, Traube) erreicht. an Phytotoxizität» im Dosisbereich zwischen 80 und gegenüberliegen-
Die biologische Wirksamkeit (Wirkung auf Schaderreger 160 mWs/cm2. Die Absterberaten der verschiedenen Er- den UV C-Strah-
und mögliche phytotoxische Reaktionen der Rebe) reger, die unterschiedlich UV C-empfindlich sind, betru- lungsquellen sind
musste zunächst in Labor- und Gewächshausuntersu- gen in diesem Dosisfenster allerdings nie 100%, sondern durch bewegliche
chungen ermittelt werden. lagen unter Laborbedingungen für P. viticola bei 50 bis Lamellen abge-
80%, für Oidium bei 90 bis 99%, für Botrytis bei 50 bis 70% schirmt. Durch
und für G. bidwellii bei 60 bis 95%. sekundengenaue
Projektphasen 1 und 2 Öffnung werden
In einer ersten Projektphase wurden im Labor die Kei- reproduzierbare
mung und weitere Pilzentwicklung in vitro (in Petrischa- Projektphase 3 – Freilandversuche Bestrahlungs-
len) nach UV C-Bestrahlung über einen längeren Beob- Aufgrund der Resultate wurden in der dritten Projekt- dosen appliziert.
achtungszeitraum festgehalten. Unmittelbar vor der Aus- phase Freilandversuche an Riesling-Reben durchge-
wertung wurde das Objekt mit einem Vitalfarbstoff ange- führt. Dabei wurden die technischen Lösungen soweit
färbt. So war es möglich, differenzierte Aussagen darüber optimiert, dass am Ende ein freilandtauglicher UV C-Ge-
abzugeben, ob nur eine Entwicklungsverzögerung oder räteprototyp erstellt werden konnte. Es wurde ein Geblä-
eine irreparable Schädigung des Erregers vorlag. se montiert, um für eine Verwirbelung der Blätter zu sor-
Die für die einzelnen Erreger erarbeiteten Dosis-Wir- gen. Dadurch liess sich die Abschattung wirksam verrin-
kungsrelationen dienten als Grundlage für den Bau eines gern und es wurde eine grössere Laubwandfläche von
geeigneten Gewächshausgeräts für die zweite Projekt- der UV C-Strahlung erreicht (Abb. 2).
phase (Abb. 1). Damit konnte die Übertragbarkeit der La- Erste Ergebnisse zur biologischen Wirksamkeit des
borergebnisse auf Gewächshausversuche mit infizierten neuenVerfahrens im Freiland lassen sich gut am Beispiel
Topfreben untersucht werden. Ein weiterer Fokus lag auf P. viticola (Falscher Mehltau) zeigen.
der Erfassung möglicher Schädigungen derWirtspflanze
nach unterschiedlichen UV C-Dosagen.

Empfindlichkeit der Wirtsgewebe Abb. 2: Prototyp


Die Gewächshausergebnisse verdeutlichten, dass ver- der UV C-Anlage
schiedene Pflanzenteile unterschiedlich empfindlich auf für Freilandversu-
die UV C-Strahlung reagieren.Während ältere Blätter nur che. Zeilenüber-
selten unmittelbar nach der Bestrahlung Reaktionen greifende Rah-
zeigten, sind junge, gerade voll entfaltete Blätter viel menmontage der
empfindlicher. Der noch nicht verholzte grüne Trieb UV C-Module. Das
reagierte interessanterweise empfindlicher auf die UV Gebläse (links)
C-Bestrahlung als die Blätter. An der Rinde zeigten sich verwirbelt die
sehr schnell Verbräunungen, die bei Dosierungen deut- Laubwand zwi-
lich über 160 mWs/cm² zu einer völligen Schwarzfär- schen den UV C-
bung des Triebs führten. Quellen.

S C H W E I Z E R Z E I T S C H R I F T F Ü R O B S T- U N D W E I N B A U 2 1 / 1 3 5
PFLANZENSCHUTZ

50 Nebenwirkungen
45
Im Rahmen des Projekts werden auch mögliche Neben-
40
Befallsstärke in %

35
wirkungen der UV C-Bestrahlung erfasst. Begleitende
30
a physiologische Untersuchungen ergaben für den ange-
c strebten Dosisbereich (80 bis 160 mWs/cm²) bisher kei-
25
d d
20 nen Hinweis auf markante Veränderungen, die eine Ver-
15 d
schiebung des Inhaltsstoffspektrums oder das Auftreten
10 b von Stressreaktionen bei der Rebe andeuten. Weitere
5
0
wichtige Punkte sind potenzielle Auswirkungen von UV
2
Kontrolle 4
integrierter 5
integriert 6
alternierend UV C8 solo UV9C solo C-Behandlungen auf den Ertrag sowie auf die Trauben-
P. viticola Rebschutz reduziert 3 u Fungizide 6 u UV C Prognose
6 u Fungizide 3 u Fungizide 3 u UV C 4 u UV C qualität. Im Fokus stehen dabei Beeinträchtigungen
beim Vergären der Moste beziehungsweise sensorisch
Abb. 3: Biologische Versuchsglieder oder analytisch nachweisbare Veränderungen im Wein.
Wirksamkeit unter- In der Vegetationsperiode 2013 wurden folgende Ver-
schiedlicher Fungi- suchsglieder angelegt:
zid-Behandlungs- ● Kontrolle P. viticola Zukunftsmusik?
strategien sowie ● Rebschutz integriert (6 × Fungizide) Ziel des Forschungsvorhabens ist die Verringerung von
UV C-Bestrahlungs- ● Rebschutz integriert reduziert (3 × Fungizide) Fungizideinsätzen imWeinbau durch wiederholte UV C-
häufigkeiten gegen- ● Alternierend mit UV C-Behandlung (3 × Fungizide; Bestrahlung von Blättern und Trauben. Für die Untersu-
über P. viticola an 3 × UV C-Bestrahlung) chungen imVersuchsweinberg wurde ein UV C-Dosisbe-
Riesling-Trauben ● UV C-Behandlung solo (6 × UV C-Bestrahlung) reich ausgewählt, der eine Schädigung der Rebe aus-
unter Freilandbe- ● UV C-Behandlung solo nach Prognosemodell (4 × UV schliesst. Bezogen auf den Schadpilz Plasmopara vitico-
dingungen. C-Bestrahlung) la konnten in der Vegetationsperiode 2013 erste interes-
Bestrahlungsdosis: Abbildung 3 zeigt, dass an den Trauben des Versuchs- sante Ergebnisse durch ausschliessliche UV C-Behand-
160 mWs/cm² pro glieds «Kontrolle» eine Befallsstärke von 27.5% vorlag. lungen vorgelegt werden. Optimierungsbedarf besteht
Zeilenseite. Statisti- Mit allen Massnahmen konnte der Traubenbefall redu- derzeit bei der Fahrgeschwindigkeit des Zugfahrzeugs.
sche Auswertung: ziert werden. Den höchsten Wirkungsgrad verzeichnete Vorgesehen ist, dass zukünftig Lohnunternehmer eine
Duncan-Test,Werte erwartungsgemäss das Prüfglied «Rebschutz integriert» «UV C-Bestrahlung» als Dienstleistung anbieten, womit
mit gleichen Buch- mit sechs Fungizid-Behandlungen (4% Befallsstärke). mehrere Fungizidapplikationen eingespart werden kön-
staben unterschei- Die Versuchsergebnisse zeigten aber auch, dass eine Re- nen. Wir hoffen, mit dem vorgestellten physikalischen
den sich nicht sig- duktion des chemischen Pflanzenschutzes um 50% (Ver- Pflanzenschutz-Verfahren einen Beitrag zum Umwelt-
nifikant (p < 0.05). suchsglied «Rebschutz integriert reduziert») keine zu- schutz im Rebbau und zur Verbesserung der Trauben-
friedenstellenden Resultate ergab. Am zweitbesten qualität leisten zu können. ■
schnitt das Versuchsglied «UV C-Behandlung solo nach
Prognosemodell» ab, dessen Reben jeweils nur nach ei-
nem Aufruf des Geisenheimer Prognosemodells mit UV
C-Strahlen behandelt wurden. In derVegetationsperiode
2013 war das im relevanten Zeitraum viermal der Fall.

Le traitement des vignes par rayons UV-C R É S U M É

Sous nos latitudes, il faut déployer tout un arsenal de gnons après irradiation in vitro a été observé sur
mesures phytosanitaires pour assurer la productivité une période prolongée. Le taux de destruction des
des vignes. De toutes les cultures, la viticulture figure agents pathogènes était supérieur à 50%. Les résultats
au second rang en termes d’intensité de la lutte phyto- obtenus en laboratoire avec des dosages de 80 à
sanitaire à cause de l’utilisation massive de fongicides. 160 mWs/cm² ont pu être reproduits avec des vignes en
Par le traitement des vignes aux rayons UV-C, on espère pot infectées. Enfin, des essais menés avec le prototype
réduire cette consommation de fongicides. L’étude dis- d’un appareil apte aux irradiations UV-C en plein air
cutée a été menée conjointement par la Haute école de ont montré une réduction significative de l‘atteinte
Geisenheim et par la société uv-technik meyer sàrl qui après quatre traitements échelonnés en fonction d’un
est une entreprise leader du marché pour les systèmes modèle de pronostics, sans qu’aucun effet secondaire
d’irradiation dans le secteur alimentaire. indésirable n’ait été constaté sur la vigne.
Les maladies de la vigne visées en raison de leur impact Des essais sont encore en cours pour corroborer l’apti-
économique étaient le mildiou et l’oïdium de la vigne, tude de terrain de cette méthode, par exemple comme
la pourriture grise (Botrytis cinerea), ainsi que le black- prestation offerte par des entreprises de travaux agri-
rot. Pour commencer, le développement des champi- coles.

6 S C H W E I Z E R Z E I T S C H R I F T F Ü R O B S T- U N D W E I N B A U 2 1 / 1 3

You might also like