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Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Konrad Zilch • Claus Jürgen Diederichs


Rolf Katzenbach • Klaus J. Beckmann (Hrsg.)

Konstruktiver
Ingenieurbau
und Hochbau
Herausgeber
Konrad Zilch Rolf Katzenbach
Lehrstuhl für Massivbau Institut und Versuchsanstalt für Geotechnik
Technische Universität München Technische Universität Darmstadt
München, Deutschland Darmstadt, Deutschland

Claus Jürgen Diederichs Klaus J. Beckmann


DSB + IG-Bau Gbr Berlin, Deutschland
Eichenau, Deutschland

Der Inhalt der vorliegenden Ausgabe ist Teil des Werkes „Handbuch für Bauingenieure“, 2. Auflage

ISBN 978-3-642-41839-6 ISBN 978-3-642-41840-2 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-642-41840-2

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Vorwort des Verlages

Teilausgaben großer Werke dienen der Lehre und Praxis. Studierende können für
ihre Vertiefungsrichtung die richtige Selektion wählen und erhalten ebenso wie
Praktiker die fachliche Bündelung der Themen, die in ihrer Fachrichtung relevant
sind.
Die nun vorliegende Ausgabe des „Handbuchs für Bauingenieure“, 2. AuÀage,
erscheint in 6 Teilausgaben mit durchlaufenden Seitennummern. Das Sachverzeich-
nis verweist entsprechend dieser Logik auch auf Begriffe aus anderen Teilbänden.
Damit wird der Zusammenhang des Werkes gewahrt.
Der Verlag bietet mit diesen Teilausgaben eine einzeln erhältliche Fassung aller
Kapitel des Standardwerkes für Bauingenieure an.

Übersicht der Teilbände:


1) Grundlagen des Bauingenieurwesens (Seiten 1 – 378)
2) Bauwirtschaft und Baubetrieb (Seiten 379 – 965)
3) Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau (Seiten 966 – 1490)
4) Geotechnik (Seiten 1491 – 1738)
5) Wasserbau, Siedlungswasserwirtschaft, Abfalltechnik (Seiten 1739 – 2030)
6) Raumordnung und Städtebau, Öffentliches Baurecht (Seiten 2031 – 2096) und
Verkehrssysteme und Verkehrsanlagen (Seiten 2097 – 2303).

Berlin/Heidelberg, im November 2013


Inhaltsverzeichnis

3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966


3.1 Baustoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966
3.1.1 Holz und Holzwerkstoffe für tragende Bauteile . . . . . . . . . . 966
3.1.2 Bindemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 980
3.1.3 Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 988
3.1.4 Stahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1016
3.1.5 Nichteisenmetalle (NE-Metalle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1027
3.1.6 Bauglas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1029
3.1.7 Bitumen, Asphalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1031
3.1.8 Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1032
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1038
3.2.1 Instrumente und Bewertungssysteme in Deutschland . . . . . . . 1038
3.2.2 Nachhaltiges Bauen mit Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1049
3.3 Massivbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066
3.3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066
3.3.2 Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1068
3.3.3 Betonstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1077
3.3.4 Spannstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1079
3.3.5 Verbundbaustoff Stahlbeton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1079
3.3.6 Statisch bestimmte Balken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1086
3.3.7 Statisch unbestimmte Balken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1114
3.3.8 Scheiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1124
3.3.9 Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1128
3.3.10 Einfluss zeitabhängiger Verformungen . . . . . . . . . . . . . . . 1135
3.3.11 Spannbeton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1138
3.3.12 Stabilität und Theorie II. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1150
3.3.13 Brandschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1157
3.3.14 Ermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1159
3.4 Stahlbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1167
3.4.1 Allgemeines, Normen und Genehmigungsverfahren . . . . . . . . 1167
3.4.2 Werkstoffeigenschaften und Grenzzustände . . . . . . . . . . . . 1169
3.4.3 Grundlagen der Bemessungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . 1181
3.4.4 Tragfähigkeitsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1187
3.4.5 Ermüdungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1216
3.4.6 Fertigung und Montage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1225
3.5 Verbundbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1229
3.5.1 Einleitung, Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1229
3.5.2 Grundlagen der Bemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1230
3.5.3 Verbundträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1234
3.5.4 Verbunddecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1274
3.5.5 Verbundstützen und Rahmentragwerke . . . . . . . . . . . . . . . 1279
3.5.6 Brandschutztechnische Bemessung von Verbundbauteilen . . . . . . 1293
3.6 Mauerwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1301
3.6.1 Baustoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1301
3.6.2 Bemessung von Mauerwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1344
3.7 Holzbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1372
3.7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1372
3.7.2 Bautechnische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1373
3.7.3 Normen, Zulassungen und Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . 1378
VIII Inhaltsverzeichnis

3.7.4 Holzschutz, Dauerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1381


3.7.5 Systeme aus Holz- bzw. Holzwerkstoffen . . . . . . . . . . . . . 1382
3.7.6 Nachweise für Holz- und Holzwerkstoffbauteile . . . . . . . . . . 1384
3.7.7 Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1394
3.7.8 Träger aus nachgiebig miteinander verbundenen Teilen . . . . . . 1399
3.7.9 Beanspruchung rechtwinklig zur Faser . . . . . . . . . . . . . . . 1407
3.7.10 Platten aus Schichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1410
3.8 Glasbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1414
3.8.1 Allgemeine Werkstoffeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 1414
3.8.2 Gläser im Bauwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1415
3.8.3 Bemessungskonzepte für Glas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1421
3.8.4 Besonderheiten der Bemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1425
3.8.5 Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1429
3.8.6 Konstruktive Durchbildung von Glasbauteilen . . . . . . . . . . . 1433
3.8.7 Prüfung/Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1436
3.9 Befestigungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1440
3.9.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1440
3.9.2 Befestigungssysteme – konstruktive Ausbildung,
Wirkungsprinzipien und Montage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1440
3.9.3 Tragverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1450
3.9.4 Definition von Anwendungen in statisch bestimmten und statisch
unbestimmten Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1457
3.9.5 Definition von gerissenem und ungerissenem Beton . . . . . . . . 1458
3.9.6 Langzeitverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1458
3.9.7 Dauerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1459
3.9.8 Baurechtliche Vorschriften und Anwendungsbedingungen . . . . . 1460
3.9.9 Planung, Bemessung und Montage . . . . . . . . . . . . . . . . . 1467
3.9.10 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1470
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1471
3.10.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1471
3.10.2 Grundlagen zum Materialverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . 1472
3.10.3 Gründungen und Stützbauwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1475
3.10.4 Modellierung der Baugrund-Tragwerk-Interaktion . . . . . . . . . 1481
3.10.5 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1488

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2305
Autorenverzeichnis

Arslan, Ulvi, Prof. Dr.-Ing., TU Darmstadt, Institut für Werkstoffe und Mechanik
im Bauwesen, Abschn. 4.1, arslan@iwmb.tu-darmstadt.de

Bandmann, Manfred, Prof. Dipl.-Ing., Gröbenzell, Abschn. 2.5.4,


manfred.bandmann@online.de

Bauer, Konrad, Abteilungspräsident a.D., Bundesanstalt für Straßenwesen/Zentralabtei-


lung, Bergisch Gladbach, Abschn. 6.5, kkubauer@t-online.de

Beckedahl, Hartmut Johannes, Prof. Dr.-Ing., Bergische Universität Wuppertal,


Lehr- und Forschungsgebiet Straßenentwurf und Straßenbau, Abschn. 7.3.2,
beckedahl@uni-wuppertal.de

Beckmann, Klaus J., Univ.-Prof. Dr.-Ing., Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH,
Berlin, Abschn. 7.1 und 7.3.1, kj.beckmann@difu.de

Bockreis, Anke, Dr.-Ing., TU Darmstadt, Institut WAR, Fachgebiet Abfalltechnik,


Abschn. 5.6, a.bockreis@iwar.tu-darmstadt.de

Böttcher, Peter, Prof. Dr.-Ing., HTW des Saarlandes, Baubetrieb und Baumanagement
Saarbrücken, Abschn. 2.5.3, boettcher@htw-saarland.de

Brameshuber, Wolfgang, Prof. Dr.-Ing., RWTH Aachen, Institut für Bauforschung,


Abschn. 3.6.1, brameshuber@ibac.rwth-aachen.de

Büsing, Michael, Dipl.-Ing., Fughafen Hannover-Langenhagen GmbH, Abschn. 7.5,


m.buesing@hannover-airport.de

Cangahuala Janampa, Ana, Dr.-Ing., TU Darmstadt, Institut WAR, Fachgebiet, Wasser-


versorgung und Grundwasserschutz, Abschn. 5.4, a.cangahuala@iwar.tu-darmstadt.de

Corsten, Bernhard, Dipl.-Ing., Fachhochschule Koblenz/FB Bauingenieurwesen,


Abschn. 2.6.4, b.corsten@web.de

Dichtl, Norbert, Prof. Dr.-Ing., TU Braunschweig, Institut für Siedlungswasserwirtschaft,


Abschn. 5.5, n.dichtl@tu-braunschweig.de

Diederichs, Claus Jürgen, Prof. Dr.-Ing., FRICS, DSB + IQ-Bau,


Sachverständige Bau + Institut für Baumanagement, Eichenau b. München,
Abschn. 2.1 bis 2.4, cjd@dsb-diederichs.de

Dreßen, Tobias, Dipl.-Ing., RWTH Aachen, Lehrstuhl und Institut für Massivbau,
Abschn. 3.2.2, tdressen@imb.rwth-aachen.de

Eligehausen, Rolf, Prof. Dr.-Ing., Universität Stuttgart, Institut für Werkstoffe


im Bauwesen, Abschn. 3.9, eligehausen@iwb.uni-stuttgart.de
X Autorenverzeichnis

Franke, Horst, Prof. , HFK Rechtsanwälte LLP, Frankfurt am Main, Abschn. 2.4,
franke@hfk.de

Freitag, Claudia, Dipl.-Ing., TU Darmstadt, Institut für Werkstoffe und Mechanik


im Bauwesen, Abschn. 3.8, freitag@iwmb.tu-darmstadt.de

Fuchs, Werner, Dr.-Ing., Universität Stuttgart, Institut für Werkstoffe im Bauwesen,


Abschn. 3.9, fuchs@iwb.uni-stuttgart.de

Giere, Johannes, Dr.-Ing., Prof. Dr.-Ing. E. Vees und Partner Baugrundinstitut GmbH,
Leinfelden-Echterdingen, Abschn. 4.4

Grebe, Wilhelm, Prof. Dr.-Ing., Flughafendirektor i.R., Isernhagen, Abschn. 7.5,


dr.grebe@arcor.de

Gutwald, Jörg, Dipl.-Ing., TU Darmstadt, Institut und Versuchsanstalt für Geotechnik,


Abschn. 4.4, gutwald@geotechnik.tu-darmstadt.de

Hager, Martin, Prof. Dr.-Ing. †, Bonn, Abschn. 7.4

Hanswille, Gerhard, Prof. Dr.-Ing., Bergische Universität Wuppertal, Fachgebiet


Stahlbau und Verbundkonstruktionen, Abschn. 3.5, hanswill@uni-wuppertal.de

Hauer, Bruno, Dr. rer. nat., Verein Deutscher Zementwerke e.V., Düsseldorf,
Abschn. 3.2.2

Hegger, Josef, Univ.-Prof. Dr.-Ing., RWTH Aachen, Lehrstuhl und Institut für Massivbau,
Abschn. 3.2.2, heg@imb.rwth-aachen.de

Hegner, Hans-Dieter, Ministerialrat, Dipl.-Ing., Bundesministerium für Verkehr,


Bau und Stadtentwicklung, Berlin, Abschn, 3.2.1, hans.hegner@bmvbs.bund.de

Helmus, Manfred, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Bergische Universität Wuppertal,


Lehr- und Forschungsgebiet Baubetrieb und Bauwirtschaft, Abschn. 2.5.1 und 2.5.2,
helmus@uni-wuppertal.de

Hohnecker, Eberhard, Prof. Dr.-Ing., KIT Karlsruhe, Lehrstuhl Eisenbahnwesen Karlsruhe,


Abschn. 7.2, eisenbahn@ise.kit.edu

Jager, Johannes, Prof. Dr., TU Darmstadt, Institut WAR, Fachgebiet Wasserversorgung


und Grundwasserschutz, Abschn. 5.6, j.jager@iwar.tu-darmstadt.de

Kahmen, Heribert, Univ.-Prof. (em.) Dr.-Ing., TU Wien, Insititut für Geodäsie und
Geophysik, Abschn. 1.2, heribert.kahmen@tuwien-ac-at

Katzenbach, Rolf, Prof. Dr.-Ing., TU Darmstadt, Institut und Versuchsansalt für


Geotechnik, Abschn. 3.10, 4.4 und 4.5, katzenbach@geotechnik.tu-darmstadt.de

Köhl, Werner W., Prof. Dr.-Ing., ehem. Leiter des Instituts f. Städtebau und Landesplanung
der Universität Karlsruhe (TH), Freier Stadtplaner ARL, FGSV, RSAI/GfR, SRL,
Reutlingen, Abschn. 6.1 und 6.2, werner-koehl@t-online.de

Könke, Carsten, Prof. Dr.-Ing., Bauhaus-Universität Weimar,


Institut für Strukturmechanik, Abschn. 1.5, carsten.koenke@uni-weimar.de
Autorenverzeichnis XI

Krätzig, Wilfried B., Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h., Ruhr-Universität Bochum,
Lehrstuhl für Statik und Dynamik, Abschn. 1.5, wilfried.kraetzig@rub.de

Krautzberger, Michael, Prof. Dr., Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung,
Präsident, Bonn/Berlin, Abschn. 6.3, michael.krautzberger@gmx.de

Kreuzinger, Heinrich, Univ.-Prof. i.R., Dr.-Ing., TU München, Abschn. 3.7,


rh.kreuzinger@t-online.de

Maidl, Bernhard, Prof. Dr.-Ing., Maidl Tunnelconsultants GmbH & Co. KG, Duisburg,
Abschn. 4.6, office@maidl-tc.de

Maidl, Ulrich, Dr.-Ing., Maidl Tunnelconsultants GmbH & Co. KG, Duisburg,
Abschn. 4.6, u.maidl@maidl-tc.de

Meißner, Udo F., Prof. Dr.-Ing., habil., TU Darmstadt, Institut für Numerische Methoden
und Informatik im Bauwesen, Abschn. 1.1, sekretariat@iib.tu-darmstadt.de

Meng, Birgit, Prof. Dr. rer. nat., Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung,
Berlin, Abschn. 3.1, birgit.meng@bam.de

Meskouris, Konstantin, Prof. Dr.-Ing. habil., RWTH Aachen, Lehrstuhl für Baustatik und
Baudynamik, Abschn. 1.5, meskouris@lbb.rwth-aachen.de

Moormann, Christian, Prof. Dr.-Ing. habil., Universität Stuttgart, Institut für Geotechnik,
Abschn. 3.10, info@igs.uni-stuttgart.de

Petryna, Yuri, S., Prof. Dr.-Ing. habil., TU Berlin, Lehrstuhl für Statik und Dynamik,
Abschn. 1.5, yuriy.petryna@tu-berlin.de

Petzschmann, Eberhard, Prof. Dr.-Ing., BTU Cottbus, Lehrstuhl für Baubetrieb und Bau-
wirtschaft, Abschn. 2.6.1–2.6.3, 2.6.5, 2.6.6, petzschmann@yahoo.de

Plank, Johann, Prof. Dr. rer. nat., TU München, Lehrstuhl für Bauchemie, Garching,
Abschn. 1.4, johann.plank@bauchemie.ch.tum.de

Pulsfort, Matthias, Prof. Dr.-Ing., Bergische Universität Wuppertal,


Lehr- und Forschungsgebiet Geotechnik, Abschn. 4.3, pulsfort@uni-wuppertal.de

Rackwitz, Rüdiger, Prof. Dr.-Ing. habil., TU München, Lehrstuhl für Massivbau,


Abschn. 1.6, rackwitz@mb.bv.tum.de

Rank, Ernst, Prof. Dr. rer. nat., TU München, Lehrstuhl für Computation in Engineering,
Abschn. 1.1, rank@bv.tum.de

Rößler, Günther, Dipl.-Ing., RWTH Aachen, Institut für Bauforschung, Abschn. 3.1,
roessler@ibac.rwth-aachen.de

Rüppel, Uwe, Prof. Dr.-Ing., TU Darmstadt, Institut für Numerische Methoden


und Informatik im Bauwesen, Abschn. 1.1, rueppel@iib.tu-darmstadt.de

Savidis, Stavros, Univ.-Prof. Dr.-Ing., TU Berlin, FG Grundbau und Bodenmechanik –


DEGEBO, Abschn. 4.2, savidis@tu-berlin.de
XII Autorenverzeichnis

Schermer, Detleff, Dr.-Ing., TU München, Lehrstuhl für Massivbau, Abschn. 3.6.2,


schermer@mytum.de

Schießl, Peter, Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h., Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat GmbH
München, Abschn. 3.1, schiessl@ib-schiessl.de

Schlotterbeck, Karlheinz, Prof., Vorsitzender Richter a. D., Abschn. 6.4,


karlheinz.schlotterbeck0220@orange.fr

Schmidt, Peter, Prof. Dr.-Ing., Universität Siegen, Arbeitsgruppe Baukonstruktion,


Ingenieurholzbau und Bauphysik, Abschn. 1.3, schmidt@bauwesen.uni-siegen.de

Schneider, Ralf, Dr.-Ing., Prof. Feix Ingenieure GmbH, München, Abschn. 3.3,
ralf.schneider@feix-ing.de

Scholbeck, Rudolf, Prof. Dipl.-Ing., Unterhaching, Abschn. 2.5.4, scholbeck@aol.com

Schröder, Petra, Dipl.-Ing., Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin, Abschn. 3.1,
psh@dibt.de

Schultz, Gert A., Prof. (em.) Dr.-Ing., Ruhr-Universität Bochum,


Lehrstuhl für Hydrologie, Wasserwirtschaft und Umwelttechnik, Abschn. 5.2,
gert_schultz@yahoo.de

Schumann, Andreas, Prof. Dr. rer. nat., Ruhr-Universität Bochum,


Lehrstuhl für Hydrologie, Wasserwirtschaft und Umwelttechnik, Abschn. 5.2,
andreas.schumann@rub.de

Schwamborn, Bernd, Dr.-Ing., Aachen, Abschn. 3.1, b.schwamborn@t-online.de

Sedlacek, Gerhard, Prof. Dr.-Ing., RWTH Aachen, Lehrstuhl für Stahlbau und
Leichtmetallbau, Abschn, 3.4, sed@stb.rwth-aachen.de

Spengler, Annette, Dr.-Ing., TU München, Centrum Baustoffe und Materialprüfung,


Abschn. 3.1, spengler@cbm.bv.tum.de

Stein, Dietrich, Prof. Dr.-Ing., Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH, Bochum,
Abschn. 2.6.7 und 7.6, dietrich.stein@stein.de

Straube, Edeltraud, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Universität Duisburg-Essen, Institut für


Straßenbau und Verkehrswesen, Abschn. 7.3.2, edeltraud-straube@uni-due.de

Strobl, Theodor, Prof. (em.) Dr.-Ing., TU München, Lehrstuhl für Wasserbau und
Wasserwirtschaft, Abschn. 5.3, t.strobl@bv.tum.de

Urban, Wilhelm, Prof. Dipl.-Ing. Dr. nat. techn., TU Darmstadt, Institut WAR, Fachgebiet
Wasserversorgung und Grundwasserschutz, Abschn. 5.4, w.urban@iwar.tu-darmstadt.de

Valentin, Franz, Univ.-Prof. Dr.-Ing., TU München, Lehrstuhl für Hydraulik und


Gewässerkunde, Abschn. 5.1, valentin@bv.tum.de

Vrettos, Christos, Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil., TU Kaiserslautern,


Fachgebiet Bodenmechanik und Grundbau, Abschn. 4.2, vrettos@rhrk.uni-kl.de
Autorenverzeichnis XIII

Wagner, Isabel M., Dipl.-Ing., TU Darmstadt, Institut und Versuchsanstalt für


Geotechnik, Abschn. 4.5, wagner@geotechnik.tu-darmstadt.de

Wallner, Bernd, Dr.-Ing., TU München, Centrum Baustoffe und Materialprüfung,


Abschn. 3.1, wallner@cmb.bv.tum.de

Weigel, Michael, Dipl.-Ing., KIT Karlsruhe, Lehrstuhl Eisenbahnwesen Karlsruhe,


Abschn 7.2, michael-weigel@kit.edu

Wiens, Udo, Dr.-Ing., Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V., Berlin, Abschn. 3.2.2,
udo.wiens@dafstb.de

Wörner, Johann-Dietrich, Prof. Dr.-Ing., TU Darmstadt, Institut für Werkstoffe


und Mechanik im Bauwesen, Abschn. 3.8, jan.woerner@dlr.de

Zilch, Konrad, Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h., TU München, em. Ordinarius für Massivbau,
Abschn. 1.6, 3.3 und 3.10, konrad.zilch@tum.de

Zunic, Franz, Dr.-Ing., TU München, Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft,


Abschn. 5.3, f.zunic@bv.tum.de
3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Inhalt 3.1 Baustoffe


Peter Schießl, Birgit Meng, Günther Rößler,
3.1 Baustoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966
Petra Schröder, Bernd Schwamborn,
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen . . . . . 1038 Annette Spengler, Bernd Wallner
3.3 Massivbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066
3.1.1 Holz und Holzwerkstoffe
3.4 Stahlbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1167
für tragende Bauteile
3.5 Verbundbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1229
3.1.1.1 Holzstruktur
3.6 Mauerwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1301
3.7 Holzbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1372 Holz besteht aus Zellen unterschiedlichster Art, Grö-
ße und Form. Gleichartige Zellen sind zu Verbänden,
3.8 Glasbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1414
den sog. „Geweben“, zusammengefasst. Im Hinblick
3.9 Befestigungstechnik . . . . . . . . . . . . . . 1440 auf ihre Funktion können drei Gewebearten unter-
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion . . . . . . . 1471 schieden werden: Festigungsgewebe, Leitgewebe
und Speichergewebe. Beim entwicklungsgeschicht-
lich älteren und daher einfacher aufgebauten Nadel-
holz übernehmen manche Zellen gleichzeitig mehre-
re Funktionen. Das auf einer höheren Entwicklungs-
stufe stehende Laubholz ist durch eine größere Viel-
falt an Zellarten, die jeweils nur eine Funktion
ausüben, gekennzeichnet. Bei Nadelhölzern besteht
das Festigungsgewebe aus den Tracheiden, die auch
das Wasser leiten, bei Laubhölzern aus den Libri-
formfasern und den Fasertracheiden. Im Laubholz
wird das Wasser v. a. durch die Gefäße geleitet, die

Abb. 3.1-1 Querschnitt durch einen Nadelholzstamm (Dou-


glasie) [Grosser 1985]

K. Zilch et al. (Hrsg.), Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau,


DOI 10.1007/978-3-642-41840-2_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
3.1 Baustoffe 967

im Querschnitt auch als Poren bezeichnet werden.


Sie besitzen im Vergleich zu anderen Zellen einen
sehr viel größeren Durchmesser und große Gefäße
sind häufig schon mit bloßem Auge zu erkennen.
Die Holzzellen verlaufen ganz überwiegend in
Stammrichtung. Die wenigen quer dazu verlau-
fenden Zellen bilden die Holzstrahlen.
Im Stammquerschnitt von Hölzern aus Klimage-
bieten mit winterlicher Vegetationspause sind die
Zuwachszonen als Jahrringe meist gut zu erkennen
(Abb. 3.1-1). Sie bestehen aus dem hellen Frühholz-
bereich und dem dunkleren Spätholzbereich und sind
im Verlauf eines Jahres gewachsen. Bei laubabwer-
fenden Bäumen subtropischer und tropischer Gebiete Abb. 3.1-2 2 Räumliche Darstellung eines Nadelholzes
bilden sich die Zuwachszonen in Abhängigkeit von (Kiefer) [Giordano 1971]
Trocken- und Regenzeiten. Bei Hölzern aus immer-
grünen Tropenwäldern mit ununterbrochenem Wachs-
tum sind die Zuwachszonen häufig nicht zu erkennen.
Die Zellen eines Stammes werden im Kambium
gebildet, das die Rindenzellen nach außen und die
Holzzellen nach innen abscheidet. Die äußeren toten
Rindenzellen werden „Borke“, die inneren lebenden
Rindenzellen „Bast“ genannt. Der Anfang eines
Jahrringes besteht aus Zellen, die im Frühjahr gebil-
det werden und in erster Linie dem raschen Wasser-
transport dienen. Die sich im Sommer bildenden
Spätholzzellen sorgen v. a. für die Festigkeit (Abb.
3.1-2 und 3.1-3). Bei Nadelhölzern werden im Früh-
holz weitlumige, dünnwandige Zellen und im Spät-
holz englumige, dickwandige Zellen gebildet. Die-
ser ausgeprägte Unterschied in der Zellwanddicke
verursacht die für Nadelholz typischen Farb- und Abb. 3.1-3 Räumliche Darstellung eines Laubholzes (Esche)
Härteunterschiede innerhalb der Jahrringe. Das [Giordano 1971]
Mark dient dem jungen Spross v. a. zur Speicherung,
ist im älteren Baum abgestorben und hat meist nur i. d. R. keine lebenden Zellen mehr, und sein Wasser-
einen Durchmesser von wenigen Millimetern. Bei gehalt ist meistens wesentlich niedriger. Das Kern-
Laubhölzern werden aufgrund der Anordnung und holz ist bei manchen Arten gefärbt (z. B. Kiefer, Lär-
Größe der Gefäße innerhalb des Jahrrings drei Grup- che, Eiche, Nussbaum) und enthält oft fungizide und
pen unterschieden: ringporige Hölzer mit besonders insektizide Stoffe, welche die Dauerhaftigkeit des
weiten Gefäßen im Frühholz (z. B. Eiche), zerstreut- Holzes wesentlich verlängern. Neben den Baumarten
porige Hölzer mit einer recht gleichmäßigen Gefäß- mit regelmäßiger Farbkernbildung gibt es solche, die
verteilung über den Jahrring (z. B. Buche) und als nur unter bestimmten Voraussetzungen Farbkerne
Zwischenstadium die halbringporigen Hölzer (z. B. bilden (z. B. Rotkern der Rotbuche, Braunkern der
Kirsche). Die große Mehrzahl der tropischen Nutz- Esche). Bäume mit hellem Kernholz werden auch
hölzer weist eine zerstreutporige Struktur auf. „Reifholzbäume“ genannt (z. B. Fichte, Tanne, Rot-
Mit zunehmendem Alter verkernt der innere Be- buche ohne Farbkern). Bei ihnen unterscheidet sich
reich des Stammes. Während das außen liegende das Kernholz vom Splintholz nur durch den geringe-
Splintholz als lebender Teil des Baumes Leit- und ren Wassergehalt. Bei Bäumen mit verzögerter Kern-
Speicherfunktionen ausübt, enthält das Kernholz holzbildung, auch „Splintholzbäume“ genannt, be-
968 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

stehen zwischen Splint- und Kernholz keine Farb- lose aus Zuckereinheiten aufgebaut, wobei die
und Feuchteunterschiede; die Verkernungsmerkmale Ketten jedoch wesentlich kürzer und verzweigt
sind nur mikroskopisch erkennbar. sind. Sie sorgen für die Verbindung zwischen den
Die radial verlaufenden Holzstrahlen haben einen Polysacchariden und dem Lignin. Lignin ist mit
spindelförmigen Querschnitt (s. Abb. 3.1-2) und die- einem Anteil von 15 bis 35 M.-% der dritte we-
nen der Stoffleitung und -speicherung. Darüber hin- sentliche Bestandteil des Holzes. Lignin ist ein
aus leisten sie auch einen Beitrag zur Festigkeit quer Gemisch aromatischer Verbindungen, das nach ab-
zur Stammrichtung. Im Vergleich zu Laubholz sind geschlossenem Wachstum der Zellen das Gerüst
die Holzstrahlen bei Nadelholz sehr fein ausgebildet aus Zellulose und Polyosen vollständig umhüllt
und makroskopisch kaum erkennbar. Eiche und Rot- und durchdringt und dadurch die Verholzung be-
buche zeigen besonders breite und das Holzbild stark wirkt. Seine Aufgabe ist die Versteifung der Zell-
prägende Holzstrahlen. Während die meisten einhei- wand. Es sorgt v. a. für die Druckfestigkeit des
mischen Nadelhölzer (Fichte, Lärche, Kiefer) längs Holzes. Die Extraktstoffe sind holzartenspezifische
und quer (immer im Holzstrahl) verlaufende Harz- Gemische sowohl nieder- als auch hochmoleku-
kanäle haben, fehlen sie bei der Tanne völlig. larer organischer Verbindungen. Sie sind für Farbe,
Der Stoffaustausch zwischen den Zellen erfolgt Geruch, Oberflächenbeschaffenheit und Dauerhaf-
bei Nadelhölzern durch verschließbare Öffnungen, tigkeit bzw. Schädlingsresistenz ursächlich. Ihr
die „Tüpfel“ genannt werden. Bei der Kernholzbil- Anteil in europäischen Hölzern beträgt 1 bis 3 M.-
dung werden die Tüpfel verschlossen. Daher lässt %. Die mit Lösemitteln extrahierbaren Stoffe kön-
sich Kernholz i. d. R. schlechter imprägnieren als nen bei tropischen Hölzern einen wesentlich grö-
Splintholz. Auch bei der Trocknung saftfrischen ßeren Anteil (bis zu 15 M.-%) haben, worauf die
Splintholzes bis unter 30 M.-% Holzfeuchte werden erhöhte Schädlingsresistenz zurückzuführen ist.
die Tüpfel verschlossen. Bei Fichtenholz ist dieser Stärke, Pektine und Eiweiße kommen zwar nur in
Vorgang besonders stark ausgeprägt, woraus sich die geringen Mengen vor, können dafür aber einen
schlechte Imprägnierbarkeit getrockneten Fichten- entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von
holzes ableitet. Bei den Laubhölzern fließt das Was- Schädlingen wie Insekten und Pilze haben.
ser in Axialrichtung ohne Tüpfel von einem Gefäß-
element zum anderen, nur in Querrichtung gibt es
3.1.1.2 Holzarten
ebenfalls Tüpfel, die im Gegensatz zum Nadelholz
jedoch kein Fließen, sondern nur Diffusion erlauben. Als Bauholz werden in Deutschland vorwiegend die
Holz ist aus den Elementen Kohlenstoff (rd. einheimischen Nadelhölzer Fichte, Tanne, Kiefer,
50 M.-%), Sauerstoff (rd. 43 M.-%), Wasserstoff Lärche und Douglasie, aber auch Southern Pine und
(rd. 6 M.-%) und Stickstoff (rd. 1 M.-%) aufge- Western Hemlock verwendet. Sie sind wegen ihrer
baut, wobei zwischen den Holzarten nur sehr ge- verhältnismäßig geringen Rohdichte gut zu bearbei-
ringfügige Unterschiede bestehen. Im Gegensatz ten und weisen eine gute Formstabilität auf. Die ein-
dazu gibt es große Unterschiede im Aufbau der heimischen Laubhölzer Buche und Eiche sind dage-
Zellwände, woraus sich die verschiedenen physi- gen wegen ihrer höheren Rohdichte schwerer zu be-
kalischen Eigenschaften der Hölzer ableiten. Die arbeiten und weniger formstabil. Für Außenbauteile,
Hauptbestandteile der Holzsubstanz sind Zellulo- an die hohe Anforderungen hinsichtlich Dauerhaf-
se, Polyosen (Hemizellulosen) und Lignin. Diese tigkeit, Tragfähigkeit oder Gebrauchstauglichkeit
makromolekularen Verbindungen stellen einen gestellt werden, können außer Eiche auch tropische
Anteil von 97 bis 99 M.-%. Der Rest besteht aus Hölzer wie Azobé, Greenheart, Afzelia, Merbau, An-
extrahierbaren und anorganischen Stoffen. gelique, Teak und Keruing verwendet werden.
Zellulose besteht aus einer großen Anzahl von
Glucose-Einheiten (Polysacchariden) und bildet
3.1.1.3 Holzqualitäten
die Gerüstsubstanz der Zellwand. Sie hat einen
Anteil von 40 bis 60 M.-% und beeinflusst beson- Vollholz ist gewachsenes Holz. Es wird als Bau-
ders die Zugfestigkeit. Die Polyosen haben einen rundholz und Schnittholz verwendet. Holzwerk-
Anteil von 15 bis 25 M.-% und sind wie die Zellu- stoffe werden in 3.1.1.5 beschrieben.
3.1 Baustoffe 969

Als „Baurundholz“ werden entrindete und ent- Zugfestigkeit parallel zur Faser = 5 + 0,8 u Zugfes-
ästete Stammabschnitte ohne weitere Bearbeitung tigkeit der Lamelle parallel zur Faser.
bezeichnet. Wegen des ungestörten Faserverlaufs Weit verbreitet ist Verfahren B, bei dem ein Holz-
ist die Tragfähigkeit, bezogen auf die Querschnitts- bauteil allein aufgrund optischer Merkmale einer
fläche, größer als bei einem gesägten Querschnitt. Festigkeitsklasse zugeordnet wird. Diese Merkmale
Ein weiterer Vorteil besteht in den geringeren wie Ästigkeit, Faserneigung, Jahrringbreite, Risse,
Kosten. Nachteilig wirken sich der über die Länge Krümmung, Baumkantenanteil sowie Anteil von
abnehmende Querschnitt und die gekrümmte Ober- Holzverfärbungen und Druckholz (am lebenden
fläche aus, die für dauerhafte und hochfeste An- Baum durch Druck überbeanspruchtes Holz) sind
schlüsse nicht geeignet sind. Verwendet wird Bau- hinsichtlich ihres zulässigen Umfangs in einer Sor-
rundholz z. B. für Pfosten und Lehrgerüste. tierklasse in DIN 4074-1:2003 beschrieben. Den Zu-
Im Allgemeinen wird Vollholz als Schnittholz sammenhang zwischen Sortierklasse und Festigkeits-
verwendet. Es wird im Sägewerk mittels Gatter-, klasse stellt die Tabelle F.6 in DIN 1052:2004 her.
Band- und Kreissägen meist aus dem entrindeten Verfahren C wird mit Sortiermaschinen durchge-
Stamm gewonnen. Unterschieden werden die führt. Hierbei können auch andere als optische Ei-
Schnittholzarten Latte, Brett, Bohle und Kantholz. genschaften zur Beurteilung herangezogen werden.
Praktiziert werden drei Verfahren, Holz in eine Die meisten der heute industriell eingesetzten Sortier-
Festigkeitsklasse einzuordnen: maschinen sind so genannte Biegemaschinen, in de-
nen über eine kurze Stützweite (0,5 bis 1,2 m) durch
A Bestimmung ausgewählter Werte,
Dreipunktbiegung ein mittlerer Elastizitätsmodul be-
B Sortierung nach optischen Merkmalen,
stimmt wird. Darüber hinaus wird derzeit versucht,
C Sortierung nach mechanischen Kennwerten und
den E-Modul ohne mechanische Beanspruchung,
optischen Merkmalen.
z. B. mittels Schwingungsmessung, Mikrowellen-
Unter A wird wie folgt vorgegangen: An repräsenta- oder Ultraschalltechnik zu bestimmen. Zweckmäßig
tiven Proben einer Holzgrundgesamtheit, die vor im Sinne einer noch besseren Korrelation zwischen
allem gekennzeichnet ist durch die Holzart, das Sortierung und Festigkeit ist es, den E-Modul mit an-
Wuchsgebiet und die Ausprägung der Sortiermerk- deren Sortiermerkmalen zu kombinieren, wobei in
male (Äste, ...) werden die charakteristischen Kenn- erster Linie die Ästigkeit in Frage kommt. Astdurch-
werte Biegefestigkeit, E-Modul parallel zur Faser messer und Ästigkeit können automatisch berechnet
und Rohdichte an Proben in Bauteilgröße nach werden, indem die gesamte Holzoberfläche kontinu-
EN 408:2004 bestimmt. Alle anderen charakteris- ierlich von Video-Kameras erfasst wird und die Bil-
tischen Kennwerte, die für die Berechnung von der mittels Bildanalyseverfahren ausgewertet wer-
Holzbauwerken benötigt werden (s. DIN 1052:2004, den. Die nächst wichtigere Eigenschaft ist die Roh-
Tabelle F.5 und F.7), werden anhand dieser ausge- dichte, die mit Hilfe von Mikrowellen oder weicher
wählten Kennwerte nach EN 384:1996 berechnet. Gammastrahlung bestimmt werden kann, wobei die
Beispiel: Zugfestigkeit parallel zur Faser = 0,6 u Holzfeuchte zu berücksichtigen ist. Auch Äste kön-
Biegefestigkeit. Eine Holzgrundgesamtheit kann ei- nen mit Durchstrahlungstechniken ermittelt werden,
ner Festigkeitsklasse, die nach der Biegefestigkeit weil ihre Rohdichte im Mittel 2,5-fach höher ist als
benannt ist, zugeordnet werden, wenn das 5-%- die des umgebenden Holzes.
Quantil von Biegefestigkeit und Rohdichte die ent- Die maschinelle Sortierung bietet den Vorteil,
sprechenden Werte dieser Klasse erreichen und der das Holz präziser den Festigkeitsklassen zuordnen
Mittelwert des E-Moduls parallel zur Faser 95% des zu können. Allerdings ist sie auch kostenintensiv
Wertes dieser Festigkeitsklasse übersteigt. und nur bei hoher Auslastung wirtschaftlich. So
Für Brettschichtholz (s. Abschn. 3.1.1.5) werden muss z. B. die Zuverlässigkeit einer Sortiermaschi-
die charakteristischen Werte entsprechend DIN EN ne durch zahlreiche Festigkeitsprüfungen an sor-
1194:1999 anhand folgender Kennwerte der Lamel- tierten Holzteilen nachgewiesen werden. Grund-
len berechnet: Zugfestigkeit in Faserrichtung (alle sätzliche Anforderungen an die maschinelle Sor-
Festigkeitskennwerte), E-Modul in Faserrichtung tierung von Vollholz nach Festigkeit sind in der
(alle Steifigkeitskennwerte), Rohdichte. Beispiel: Normenreihe DIN EN 14081:2006 formuliert.
970 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.1.1.4 Holzeigenschaften alle Holzeigenschaften. Während mit steigender


Feuchte des Holzes Holzfeuchte das Volumen zunimmt, verringern sich
Holz hat aufgrund seiner mikroskopischen Kapillar- z. B. die Festigkeit und das Wärmedämmvermögen.
porosität eine sehr große innere Oberfläche. Es kann
daher Feuchtigkeit aus der Umgebung aufnehmen Schwinden, Quellen
oder an sie abgeben. Die Holzfeuchte wird auf das Wegen der Ausrichtung der Holzfasern sind das
wasserfreie (darrtrockene) Holz bezogen und in Schwinden und das Quellen in den drei anato-
Massenprozent (M.-%) ausgedrückt. Beim Aus- mischen Hauptrichtungen sehr unterschiedlich. Die
trocknen des geschlagenen Holzes wird zunächst nur hygrische Längenänderung verhält sich bei Nadel-
das sog. „freie“ Wasser in den Zellhohlräumen abge- holz etwa wie 1:10:20 (Abb. 3.1-4). Unterhalb der
geben. Erst anschließend verdunstet das „gebunde- Fasersättigung hängen das Schwinden und das
ne“ Wasser aus den wassergesättigten Zellwänden. Quellen linear von der Holzfeuchte ab. Oberhalb
Die Grenzfeuchte zwischen diesen beiden Aus- der Fasersättigung haben wechselnde Holzfeuchten
trocknungsbereichen bezeichnet man als „Fasersät- keinen Einfluss auf das Schwinden und Quellen.
tigungsfeuchte“. Bei den europäischen Hölzern Bei der Beurteilung von Schwind- und Quellwerten
kann man mit Fasersättigung bei Holzfeuchten zwi- ist darauf zu achten, dass auf unterschiedliche Aus-
schen 23 und 35 M.-% und im Mittel von 30 M.-% gangsmaße Bezug genommen wird: Während das
rechnen. An der unteren Grenze liegen Nadelhölzer Quellmaß üblicherweise auf die Länge im darrtro-
mit hohem Harzgehalt und ringporige Laubhölzer, ckenen Zustand bezogen wird, bezieht man das
an der oberen Nadelhölzer ohne Kern und zerstreut- Schwinden auf den wassergesättigten Zustand.
porige Laubhölzer. Vom Fasersättigungspunkt bis Um die hygrischen Längenänderungen im Ver-
hinab zu einer Holzfeuchte von etwa 15 M.-% ist lauf der Nutzungsdauer, das sog. „Arbeiten“, mög-
das Wasser in den Kapillaren der Zellwände gebun- lichst gering zu halten, sollte Holz mit dem Feuch-
den. Von 15 bis 6 M.-% ist es durch Adsorption und tegehalt eingebaut werden, der der Gleichgewichts-
unterhalb von 6 M.-% durch Chemisorption an die feuchte beim mittleren Nutzungsklima entspricht.
Zellulosemoleküle gebunden. Infolge Schwindens können sich z. B. Anschlüsse
In Abhängigkeit vom Umgebungsklima stellt sich lockern; durch Quellen können erhebliche Drücke
eine Gleichgewichtsfeuchte im Holz ein. Sie beträgt aufgebaut werden, die u. U. zu großen Zwängungs-
z. B. bei Fichte in einem Klima mit 20°C und 65% beanspruchungen führen.
relativer Luftfeuchte 12 M.-%. Bei 100% relativer Durch ungleiche Anteile von radialem und tan-
Luftfeuchte sind die Zellwände gesättigt. In Abhän- gentialem Schwinden im Querschnitt kann sich
gigkeit von der Holzfeuchte ändern sich praktisch Schnittholz erheblich verziehen (Abb. 3.1-5). Die

Abb. 3.1-4 Abhängigkeit des Quellens von der Holzfeuchte [Kollmann 1951]
3.1 Baustoffe 971

mit auch von der Holzart und mit 3 bis 8·10-6 K-1
nur etwa halb so groß wie bei anorganischen Bau-
stoffen, so dass der Einfluss von Temperaturdeh-
nungen nach DIN 1052:2004 i. d. R. vernachlässigt
werden darf. Quer zur Faser ist er dagegen sehr
stark von der Rohdichte abhängig. Am größten ist
er in Tangentialrichtung (etwa 30 bis 60·10-6 K-1)
und etwas niedriger in Radialrichtung.
Die Wärmeleitfähigkeit wird v. a. durch die
Rohdichte und die Holzfeuchte bestimmt. Sie ist in
Abb. 3.1-5 Verformungserscheinungen Faserrichtung etwa doppelt so groß wie quer dazu.
Nach [Kollmann 1951] kann sie mit Hilfe der Roh-
dichte und unter Berücksichtigung der Holzfeuch-
Volumen- und Formstabilität bei wechselnden kli- te berechnet werden.
matischen Umgebungsbedingungen, das sog. „Steh- Die spezifische Wärmekapazität wird am stärksten
vermögen“, ist v. a. vom Unterschied zwischen radi- von der Holzfeuchte und kaum von der Rohdichte
aler und tangentialer hygrischer Längenänderung beeinflusst. Bei einer mittleren Holzfeuchte von
und von der Geschwindigkeit der Feuchtigkeitsauf- 12 M.-% ergibt sich für alle Hölzer eine im Ver-
nahme und -abgabe abhängig. Das Stehvermögen gleich zu anderen Baustoffen deutlich höhere spezi-
wird mit zunehmender hygrischer Längenänderung fische Wärmekapazität von 1,6 kJ/(kg·K).
und Anisotropie sowie zunehmender Geschwindig-
keit der Holzfeuchteänderung reduziert. Festigkeiten und elastisches Verhalten
Bedingt durch die Röhrenbündelstruktur ist Holz
Dichte, Rohdichte v. a. für die Aufnahme von Kräften in Faserrichtung
Die Dichte ist bei fast allen Hölzern praktisch gleich, geeignet. Bei fehlerfreiem Holz wird die höchste
da sie sich hinsichtlich ihres Grundstoffes kaum un- Festigkeit unter Zugbeanspruchung erreicht. Unter
terscheiden. Sie beträgt etwa 1500 kg/m3 für sehr Druckbeanspruchung in Faserrichtung versagt Holz
harzreiches Holz und 1600 kg/m3 für stark verkerntes durch Ausknicken der Faserbündel sowie ggf. durch
Holz. Unterschiede in der Rohdichte zwischen den Aufreißen des Verbunds zwischen den Gefäßen. Bei
Hölzern ergeben sich bei gleicher Holzfeuchte fast weiterer Belastung bildet sich eine Gleitebene
ausschließlich durch den Porenraum bzw. die Zell- schräg zu den Fasern (Abb. 3.1-6) aus. Von großer
wanddicke. Die Rohdichte ist die wichtigste Eigen- Bedeutung ist das im Vergleich zu anderen klas-
schaft des Holzes, weil alle anderen physikalischen sischen Werkstoffen wie Stahl und Beton wesent-
Eigenschaften von ihr abhängen. Die Holzart hat den lich günstigere Verhältnis von Festigkeit zu Eigen-
größten Einfluss auf die Rohdichte. Im darrtrockenen gewicht. Bei Zugbeanspruchung verhält sich Holz
Zustand liegen die Extremwerte bei 0,13 g/cm3 (Bal- bei mittlerer Holzfeuchte bis kurz vor dem Bruch
saholz) und 1,23 g/cm3 (Pockholz). Da auch das
Wachstum eine wesentliche Rolle spielt, ist die Roh-
dichte stark von der Lage im Stamm abhängig und
kann bei Bauholz um ±35% vom Mittelwert abwei-
chen. Auch Standort und Umweltbedingungen wirken
sich auf die Rohdichte aus. Mittelwerte der Rohdich-
ten gebräuchlicher Hölzer können DIN 68364:2003
(bei Raumklima) entnommen werden.

Thermische Eigenschaften
Der Wärmedehnungskoeffizient ist v. a. vom Win-
kel zur Faser abhängig. In Faserrichtung ist er Abb. 3.1-6 Probekörper nach der Druckfestigkeitsprüfung
praktisch unabhängig von der Rohdichte und da- [König 1972]
972 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

elastisch. Das elastische Verhalten des Holzes wird Dieser ist beispielhaft für Fichte mit 15 M.-%
meist mit dem E-Modul in Faserrichtung erfasst. Holzfeuchte in Abb. 3.1-7 dargestellt. Die Druck-
Aus Gründen der besseren Handhabbarkeit wird er festigkeit von fehlerfreiem Holz ist in Faserrich-
i. Allg. im Biegeversuch ermittelt. tung im Mittel etwa halb so groß wie die Zugfes-
Die Zugfestigkeit der trockenen, fehlerfreien tigkeit. Die Biegefestigkeit liegt etwa 10% bis 20%
Holzfaser liegt mit 300 bis 600 MPa, bezogen auf unter der Zugfestigkeit. Die Scherfestigkeit beträgt
die Fläche der Zellwand, im Bereich der Zugfes- etwa ein Zehntel der Zugfestigkeit.
tigkeit von Stahl. Die in der Praxis ansetzbaren Die Festigkeiten und die E-Moduln der Hölzer
Festigkeiten sind jedoch viel geringer, da die auf- sind in hohem Maße abhängig vom Winkel zwi-
nehmbare Kraft auf den Gesamtquerschnitt ein- schen Kraftangriff und Faser (Abb. 3.1-8). Schon
schließlich der Poren bezogen werden muss und bei geringer Abweichung der Last- von der Faser-
die beschriebenen Inhomogenitäten und Fehler zu richtung nimmt v. a. die Zugfestigkeit stark ab. Un-
berücksichtigen sind. ter einem Faser-Last-Winkel von 45° beträgt sie
Zwischen der Rohdichte und den Festigkeiten bereits weniger als 20% und unter 90° weniger als
der Hölzer besteht ein linearer Zusammenhang. 10%. Hierbei ist zu beachten, dass die Festigkeiten

Abb. 3.1-7 Abhängigkeit der Festigkeiten und des E-Moduls von Fichtenholz mit einer Feuchte von 15 M.-% von der
Rohdichte im darrtrockenen Zustand [Würgler/Strässler 1976]

Abb. 3.1-8 Abhängigkeit der Festigkeiten des Holzes vom Winkel zwischen Beanspruchungs- und Faserrichtung [Würg-
ler/Strässler 1976]
3.1 Baustoffe 973

Abb. 3.1-9 Abhängigkeit des E-Moduls vom Winkel zwischen Kraft- und Faserrichtung [Wesche 1988]

an fehlerfreien Proben ermittelt wurden. In der von 12 M.-% jeweils zu 100% gesetzt. Bei 0%
Praxis liegt die Zugfestigkeit quer zur Faser auf- Holzfeuchte sind Druck- und Biegezugfestigkeit
grund von Rissen und Ästen nahe Null. am größten. Mit steigender Holzfeuchte quellen
Eine deutlich geringere Abhängigkeit vom Fa- und erweichen die Holzfasern zunehmend, wo-
ser-Last-Winkel weist die Druckfestigkeit auf: Sie durch die Festigkeiten abnehmen. Am stärksten ist
beträgt bei 45° immerhin noch über 40%. Die hiervon die Druckfestigkeit betroffen, da die an-
Druckfestigkeit quer zur Faser ist dabei als Span- gelagerten Wassermoleküle v. a. den Verbund der
nung bei 1% Stauchung definiert. Die Kopplung Holzfasern untereinander mindern. Oberhalb der
an die Stauchung ist erforderlich, weil sich die Fasersättigung ändern sich die Festigkeiten prak-
Röhrenbündel soweit zusammendrücken lassen, tisch nicht mehr, da die Feuchtigkeit nur noch als
bis die Höchstspannung bei Porenfreiheit erreicht freies Wasser aufgenommen wird. Je besser die
wird. Holzqualität ist, desto größer ist die Abhängigkeit
Die Biegefestigkeit liegt wegen des kombi- von der Holzfeuchte. Der Einfluss der Holzfeuchte
nierten Beanspruchungszustands (teils Zug teils auf den E-Modul (ermittelt im Biegeversuch) ist
Druck) und einer geringeren Druck- als Zug- verhältnismäßig gering und entspricht oberhalb
festigkeit des Holzes zwischen der Zug- und der einer Holzfeuchte von 6 M.-% dem Einfluss auf
Druckfestigkeitskurve nahe bei letzterer. die Zugfestigkeit. Aus Abb. 3.1-11 ist der große
Für beliebige Faser-Last-Winkel kann die Einfluss der Holzfeuchte auf das Druckspannungs-
Druckfestigkeit z. B. nach DIN 1052:2004 berech- Dehnungsverhalten (hier in Faserrichtung) ersicht-
net werden. In [Hankinson 1921] wird sowohl für lich. Je geringer die Holzfeuchte ist, desto ausge-
die Festigkeiten als auch für den E-Modul die prägter ist der Hookesche Bereich. Darrtrockenes
Abhängigkeit vom Faser-Last-Winkel in Formeln Holz ist praktisch voll elastisch.
angegeben. Abbildung 3.1-9 basiert auf diesen Mit zunehmender Temperatur verringert sich
Formeln. Quer zur Faser ist die Verformung we- die Festigkeit von Holz. Bei fehlerfreiem europä-
sentlich größer als in Faserrichtung, wobei die ischen Nadelholz ist je 10 K mit einer Abnahme
Vorholzlänge (nicht beanspruchter Teil eines quer von 5% bei der Druck- und der Biegefestigkeit und
belasteten Bauteils) und der Jahrringverlauf einen 1% bei der Zugfestigkeit zu rechnen (Ausgangs-
wesentlichen Einfluss haben. punkt: 20°C; Holzfeuchte: 10 bis 15 M.-%). Von
Auch die Holzfeuchte hat einen bedeutenden Bedeutung ist der Temperatureinfluss z. B. bei
Einfluss auf die Festigkeiten (Abb. 3.1-10). Zur Dachkonstruktionen und im Brandfall außerhalb
besseren Vergleichbarkeit sind die Festigkeiten in des Brandbereichs. Die Temperatur beeinflusst den
Faserrichtung in diesem Bild bei einer Holzfeuchte E-Modul ähnlich wie die Festigkeiten.
974 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.1-10 Abhängigkeit der Festigkeiten in Faserrichtung von der Holzfeuchte [Kollmann 1951]; Ausgleichskurven,
bezogen auf eine Holzfeuchte von 12 M.-%

Abb. 3.1-11 Spannungs-Dehnungs-Linien von Fichtenholz bei verschiedenen Holzfeuchten u [Wesche 1988]

Die Dauerstandfestigkeit von Vollholz ist mit mender Holzfeuchte kriecht Holz jedoch zuneh-
weniger als 60% der Kurzzeitfestigkeit relativ ge- mend. Bei häufigen Wechseln zwischen trockener
ring. Bei fehlerfreier trockener Fichte beträgt sie und feuchter Beanspruchung kann Holz noch we-
sogar nur 50%. sentlich stärker kriechen als bei gleich bleibender
Die Dauerschwingfestigkeit kann bei 106 Last- Feuchte. Ähnlich wie die Holzfeuchte wirkt sich
spielen abgeschätzt werden. Bezogen auf die Kurz- auch zunehmende Temperatur auf das Kriechen
zeitfestigkeit im statischen Versuch, beträgt die aus. Allgemein ist in Faserrichtung mit Kriech-
Wechselbiegefestigkeit 25% bis 40%. Mit Ausnahme zahlen zwischen 0,2 und 2,0 zu rechnen. Quer dazu
der Holzfeuchte, die einen doppelt so großen Ein- sind Werte bis 3,0 anzusetzen.
fluss auf die Dauerschwingfestigkeit ausübt, wird
sie von den anderen Einflussfaktoren in gleicher Härte
Weise beeinflusst wie die statische Festigkeit. Die Härte von Holz kann anhand des Verfahrens
Fehlerfreies, darrtrockenes Holz verhält sich nach Brinell (DIN EN ISO 6506-1:2006) charak-
unter Zugbeanspruchung rein elastisch. Mit zuneh- terisiert werden. Sie wird durch Eindrücken einer
3.1 Baustoffe 975

Stahlkugel in die Holzoberfläche bestimmt. Die Die Abbrandgeschwindigkeiten sind in Faserrich-


Härte kann als Spannungswert – berechnet aus der tung etwa doppelt so groß wie quer zur Faser.
Eindruckkraft, bezogen auf die Eindruckoberflä-
che – ausgedrückt werden. Die Härte sehr weicher
3.1.1.5 Holzwerkstoffe
Hölzer (z. B. Weymouthkiefer) unterscheidet sich
von der sehr harter Hölzer (z. B. Pockholz) etwa Allgemeines
um den Faktor 10. In Faserrichtung ist die Härte Holzwerkstoffe haben in den letzten Jahren stark an
etwa doppelt so groß wie quer dazu. Rohdichte Bedeutung gewonnen. Im Vergleich zu Vollholz er-
und Holzfeuchte sind weitere wesentliche Ein- möglichen sie nicht nur eine wesentlich wirtschaft-
flussfaktoren. lichere Ausnutzung des Rohstoffes Holz, sondern
erlauben auch andere Formgebungen. Dadurch er-
Dauerhaftigkeit gibt sich eine Fülle neuer Anwendungsmöglich-
Der Verschleißwiderstand spielt z. B. bei Böden keiten. So können z. B. sehr große dreidimensionale
eine wichtige Rolle. Er wächst mit steigender Roh- Dachschalen gebaut werden, die aus großen vor-
dichte und Härte sowie abnehmender Holzfeuchte. gefertigten Teilen bestehen. Darüber hinaus sind
Darüber hinaus ist er bei stehenden Jahresringen sie auch eine Basis der rasanten Entwicklung im
größer als bei liegenden. Oberflächenschutzsysteme Geschosswohnungsbau, wo ebenfalls vorgefertigte
(z. B. Imprägnierungen) können den Verschleißwi- Großtafeln eingesetzt werden. In vielen Fällen wei-
derstand erheblich verbessern. sen die Holzwerkstoffe gegenüber Vollholz bessere
Einige Holzarten sind gegenüber chemischen technische Eigenschaften auf. Bauaufgaben, die
Substanzen verhältnismäßig widerstandsfähig. Dies bisher anderen Stoffen vorbehalten waren, können
gilt v. a. für die Beanspruchung durch Laugen und mit den neuen Materialien problemlos wirtschaft-
Säuren mit pH-Werten zwischen 3 und 10. Holz lich bewältigt werden. Zum Teil sind die im Fol-
wird daher in zunehmendem Maße beim Bau von genden genannten Holzwerkstoffe noch nicht ge-
Lagerhallen mit korrosivem Klima (chemische In- normt, sondern können nur auf der Basis einer all-
dustrie, Salzlager für den Straßen-Winterdienst gemeinen bauaufsichtlichen Zulassung oder einer
usw.) verwendet. Zustimmung im Einzelfall genutzt werden.
Holz entzündet sich bei Temperaturen zwischen
330°C und 470°C selbst. Dünne Querschnitte kön- Brettholz
nen sich unter lang andauernder Einwirkung hoher Brettschichtholz (BSH) ist aus Brettern bis etwa
Temperaturen sogar schon bei weniger als 200°C 40 mm (meist 33 mm) Dicke, 400 mm (meist 220 mm)
selbst entzünden. Ist eine äußere Zündquelle vor- Breite und rd. 2,50 m Länge zusammengeleimt. An
handen, brennt Holz aber schon ab etwa 225°C. Ab den Kopfenden sind die Bretter durch Keilzinkung
250°C bis 300°C bildet sich auf der Holzoberflä- miteinander verbunden. Nach DIN 1052:2004 müs-
che eine Holzkohleschicht. Durch die gegenüber sen Nadelhölzer verwendet werden (in Deutschland
unbeanspruchtem Holz um 80% geringere Wärme- wird am häufigsten Fichtenholz eingesetzt). Ein
leitfähigkeit der Holzkohleschicht wird die Ge- wesentliches Argument für die Verwendung sind
schwindigkeit der Schädigung erheblich verzögert. Querschnitts- und Trägerformen mit Abmessungen,
Dadurch können entsprechend konstruierte Bau- welche die mit Vollholz erreichbaren mehrfach über-
teile in recht hohe Feuerwiderstandsklassen einge- treffen. So wurden Träger mit einer Höhe von 2,30 m
ordnet werden (s. DIN 4102-4:1994). Die Wider- und über 100 m Spannweite ebenso realisiert wie
standsfähigkeit des Holzes wächst mit dreidimensional gekrümmte Strukturen. Da Holz-
fehler im zusammengesetzten Querschnitt verteilt
– größer werdender Rohdichte, werden, können bei gleicher Sortierklasse der Brett-
– zunehmender Feuchte, lamellen höhere Spannungen als bei Vollholz zuge-
– wachsendem Verhältnis von Volumen zu Ober- lassen werden (s. DIN 1052:2004, Tabelle F.9). Ver-
fläche, wendet wird BSH v. a. für Binder und Sparren.
– abnehmendem Harzgehalt, Multiplan-Platten bestehen aus drei bis fünf La-
– kleiner werdender Anzahl und Größe von Rissen. gen kreuzweise verleimter Nadelholzbretter. Die äu-
976 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

ßere Lage ist etwa 7 mm dick, die Dicke der inneren stand der Oberfläche klassifiziert, s. EN 313-1:1996.
Lagen variiert zwischen 7 und 27 mm. Es werden Hinsichtlich seiner Feuchtebeständigkeit unter-
Platten mit einer Breite bis 2 m und einer Länge bis scheidet die Normreihe EN 636:1997 hinsichtlich
20 m bei Dicken bis 40 mm hergestellt. Die mecha- der Verwendungen im Trocken-, Feucht- und Au-
nischen Eigenschaften sind mit denen von Baufur- ßenbereich.
niersperrholz und Furnierschichtholz vergleichbar. Furniersperrholz besteht aus drei bis sieben La-
Unter Systembauteilen versteht man z. B. Holz- gen 0,1 bis 6 mm dicker Furniere, die abwechselnd
blocktafeln, die aus kreuzweise verleimten Brettla- rechtwinklig zueinander verklebt sind. Hierdurch
gen zusammengesetzt sind und im genormten Ras- wird erreicht, dass Schwinden und Quellen sowie
termaß des Vielfachen von 12,5 cm zur Verfügung die Festigkeiten in den beiden Hauptrichtungen
stehen. Durch ihre große Holzmasse weisen sie (Faserrichtungen) nahezu gleich sind. Die hyg-
eine hohe Wärme- und Schalldämmung, Feuerwi- rischen Längenänderungen werden auf Werte par-
derstandsdauer und Festigkeit auf, weshalb sie für allel zur Faser reduziert. Sperrholz eignet sich da-
Wandscheiben im Wohnungsbau und für gewerb- her v. a. für flächige Elemente.
liche Objekte dienen können. Baufurniersperrholz wird für Decken-, Dach-
und Wandscheiben verwendet. Baufurniersperrholz
Lagenholz aus Buchenfurnier weist eine besonders hohe Druck-
Furnierschichtholz wird aus etwa 3 mm dicken Na- festigkeit senkrecht zur Plattenebene und Schubfes-
delholz-Schälfurnierblättern mit Phenolharz verleimt. tigkeit senkrecht zur und in Plattenebene auf.
Die Längsstöße der Furniere sind entweder geschäftet Betonschalungssperrholz zeichnet sich durch be-
oder überlappt. Die Furniere sind bei einigen Fabri- sonders hochwertige Oberflächen aus, um das Aus-
katen ausschließlich faserparallel angeordnet. Es gibt schalen und Reinigen sowie die Haltbarkeit bzw.
aber auch Ausführungen, bei denen ein kleiner Anteil Verschleißfestigkeit zu verbessern. Hierfür werden
von Furnierlagen quer zur Plattenrichtung liegt; sie z. B. mit Phenolharz getränkte Glasfasermatten und
bieten bei flächigen Anwendungen und insbesondere in Fertigteilwerken sogar Metalle verwendet.
Feuchtebeanspruchung wegen der geringeren hyg- Großflächenschalungsplatten gibt es mit 35 m2
rischen Längenänderung Vorteile. Aus Furnierschicht- Fläche bei 30 mm Dicke.
holz werden Platten bis 24 m Länge, 1,8 m Breite und Mittellagensperrholz besteht aus einer Mittella-
rd. 9 cm Dicke hergestellt. Anwendung findet Fur- ge 7 bis 30 mm breiter miteinander verleimter Voll-
nierschichtholz sowohl bei balkenförmigen als auch holzleisten und zwei einige Millimeter dicken Fur-
plattenförmigen Bauteilen. Balken werden als Strei- nierdecklagen. Für Bauzwecke ist es in DIN 68705-
fen aus den Rohplatten gesägt und wie Brettschicht- 4:1981 genormt. Bei Stäbchensperrholz werden für
holz verwendet. Zur Bildung größerer Querschnitts- die Mittellage 7 mm dicke Schälfurnierstreifen ver-
höhen kann es entweder lagenweise oder auch mit wendet. Die senkrecht zur Plattenebene stehenden
Vollholz z. B. zu S-Platten verleimt werden. Jahrringe führen zu einer sehr geringen hygrischen
Furnierstreifenholz, auch PSL (Parallel Strand Längenänderung in Plattenebene.
Lumber) genannt, wird aus rd. 2 m langen, 13 mm Für Kunstharzpressholz (KPH) werden 8 bis 36
breiten und 3 mm dicken Nadelholz-Furnierstreifen mit Phenolharz getränkte Buchenfurnierlagen unter
hergestellt. Die Streifen werden allseitig mit Phe- hohem Druck und hoher Temperatur zusammen-
nolharz beleimt und längenversetzt flächen- sowie gepresst. Die Rohdichte liegt zwischen 800 und
faserparallel zu endlosen Balken mit Querschnitten 1500 kg/m3. Die Furniere werden je nach den
bis etwa 30 cm u 50 cm verarbeitet. Die auf 20 m gewünschten Eigenschaften lagenweise entweder
abgelängten Stücke können anschließend zu belie- faserparallel, kreuzweise oder sternförmig ver-
bigen Querschnitten zerteilt werden. PSL zeichnet leimt. Weitestgehende Richtungsunabhängigkeit der
sich durch hohe Biege- und Schubfestigkeit aus. Eigenschaften in der Plattenebene kann durch Ver-
leimung mit 15°-Versatz erreicht werden (Stern-
Sperrholz holz). KPH zeichnet sich durch sehr hohe Festig-
Sperrholz wird nach dem Aufbau, der Form, der keiten, hohe Abrieb- und Verschleißfestigkeit, gute
Dauerhaftigkeit und dem Aussehen sowie dem Zu- Dauerhaftigkeit und Temperaturbeständigkeit aus,
3.1 Baustoffe 977

s. DIN 7707-2:1979. Anwendung findet es im Indus- Mittellage quer dazu. Die mit wenigen Prozent
triebodenbereich sowie im Kläranlagenbau. Phenolharz verleimten Platten sind 6 bis 25 mm
dick, bis 5,0 m lang und bis 2,5 m breit. Die zuläs-
Spanholz sigen Spannungen liegen zwischen Baufurnier-
Unter Spanplatten versteht man i. Allg. Platten aus Sperrholz und Flachpress-Spanplatten. Verwendet
kurzen Spänen von wenigen Zentimetern Länge. werden OSB-Platten als mittragende Beplankung
Als Bindemittel werden meist Kunstharz, seltener für Elemente in Holztafelbauweise, Dachscha-
Zement, Gips und Magnesit verwendet. Die Späne lungen sowie Fußboden- und Wandbeläge.
bestehen aus Holz, aus dem kein Bauholz mehr ge- Langspanholz, auch LSL (Laminated Strand
wonnen werden kann, d. h. Abfall- oder Altholz. Es Lumber) genannt, besteht aus bis zu 30 cm langen,
werden aber auch andere holzartige Faserstoffe ver- bis 4 cm breiten und 0,9 cm dicken Spänen des
wendet. In der Mittellage können bis zu 20% durch schnell wachsenden nordamerikanischen Aspen-
Altpapier ohne Festigkeitsverlust ersetzt werden. holzes (Pappelart). Die Späne werden allseitig be-
Über die Rohstoffwahl und das Herstellverfahren leimt und faser- sowie flächenparallel, aber län-
lassen sich die Eigenschaften der Spanplatten in genversetzt mit einem Polyurethan-Kleber unter
einem weiten Bereich variieren. Durch Gips als Druck verleimt. Die Herstellung umfasst sowohl
Bindemittel werden sehr geringe Schwindwerte er- balken- als auch plattenförmige Bauteile. Die Plat-
reicht. Allgemein wird der Feuerwiderstand durch tengrößen reichen bis 2,3 m u10,7 m bei einer Di-
mineralische Bindemittel deutlich erhöht. cke bis 14 cm. Kleinere Querschnitte werden als
Man unterscheidet Flachpressplatten (Markt- Streifen aus Platten gesägt. Anwendung finden die
anteil: rd. 95%) und Strangpressplatten. In Flach- großformatigen Platten im Dach- und Fassadenbe-
pressplatten sind die Späne parallel zur Platten- reich. Ebenso werden zusammengesetzte Quer-
ebene orientiert. In Plattenebene weisen sie in allen schnitte aus Voll- und Langspanholz (z. B. Platten-
Richtungen gleiche Eigenschaften auf. Die mecha- balken) produziert. Derzeit gibt es drei bauauf-
nischen Eigenschaften sind schlechter als die von sichtliche Zulassungen.
Vollholz in Faserrichtung. Mit abnehmender Ver- Holzwolle-Leichtbauplatten werden aus Holz-
bundlänge der Späne werden die Festigkeiten ge- wolle mit mindestens 80 mm Spanlänge und einem
ringer. Spanplatten sind sehr kostengünstig herzu- mineralischen Bindemittel (Zement, Gips oder
stellen und werden daher am meisten von allen Magnesit) hergestellt. Bei Magnesitbindung bleibt
Holzwerkstoffen produziert. Anwendung finden Holzwolle zäh, während sie bei Verwendung von
sie in allen Bereichen mit geringen Anforderungen Zement und Gips versprödet. Holzwolle-Leicht-
an die Festigkeit, z. B. im Holztafelbau als ausstei- bauplatten sind nach DIN 4102-4:1994 schwer ent-
fende Beplankung. Anforderungen an Spanplatten flammbar; sie finden als Wärmeschutz, Zwischen-
für tragende Bauteile sind in DIN EN 312:2003 wände und Bekleidungen Verwendung.
enthalten. Bei Strangpressplatten liegen die Späne,
bedingt durch den kontinuierlichen Pressvorgang in Faserholz
einem Formkanal, rechtwinklig zur Plattenebene. Zur Herstellung von Faserplatten wird Nadelholz
Angewendet wird das Verfahren vor allem für so minderwertiger Qualität einschließlich der Rinde
genannte Röhrenplatten, die wegen der geringen verwertet. Das Holz wird als Hackschnitzel ggf. un-
Biegefestigkeit nur mit Beplankung z. B. für Türen ter Zumischung anderer pflanzlicher Faserstoffe in
und Wandverkleidungen verwendet werden. Wasserdampf aufgeschlossen und durch profilierte
OSB-Platten (OSB Oriented Strand Board) sind Mahlscheiben zerfasert. Die Art des Bindemittels
in DIN EN 300:1997 definiert. Sie werden aus 60 und der Zusätze sowie der Grad der Verdichtung be-
bis 75 mm langen und 0,6 mm dicken rechteckigen stimmen die Eigenschaften. Entsprechend der Roh-
Flachspänen in drei Lagen hergestellt. Die Flach- dichte werden poröse, mitteldichte und dichte (har-
späne gewinnt man durch Brechen von Schälfur- te) Faserplatten unterschieden. Hergestellt werden
nieren (vorwiegend Kiefer). In den Deckschichten die Platten entweder im Nassverfahren ohne zusätz-
sind die Späne in der Hauptbeanspruchungsrich- liches Bindemittel oder im Trockenverfahren mit
tung (Plattenlängsrichtung) ausgerichtet, in der zusätzlichem Bindemittel. Poröse und dichte (harte)
978 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Platten werden generell im Nassverfahren herge- verdichten. Schließlich entstehen die Fruchtkörper
stellt. Der Verbund der Fasern beruht dabei auf der mit dem sporenbildenden Gewebe. Die Hyphenspit-
eigenen Klebkraft der Fasern sowie deren Verfil- zen sondern Enzyme ab, die die Holzsubstanz ab-
zung. Mittelharte Faserplatten werden entweder im bauen. Pilze, die überwiegend Zellulose abbauen
Nassverfahren oder im Trockenverfahren herge- und das braune Lignin übrig lassen, werden
stellt. Durch die regellose Anordnung der Fasern „Braunfäulepilze“ genannt; sie treten vornehmlich
sind die mechanischen Eigenschaften der Holzfa- bei Nadelhölzern auf. Das befallene Holz reißt in-
serplatten in allen Richtungen etwa gleich. Im kons- folge des Austrocknens und starken Schwindens
truktiven Ingenieurbau finden Hartfaserplatten z. B. längs und quer in rechteckige Stücke auf, wodurch
Anwendung im Steg von I-Trägern. der typische Würfelbruch entsteht. Mit zuneh-
mendem Befall wird das Holz immer spröder. Im
Kombinationsbauteile Endstadium lässt es sich zwischen den Fingern
Träger werden immer häufiger aus verschiedenen zerreiben. „Weißfäule“ wird durch Pilze hervorge-
Werkstoffen zusammengesetzt. Angeboten werden I- rufen, die sowohl Zellulose als auch Lignin abbau-
Träger mit Gurten aus sehr druck- und zugfestem en. Sie ist bevorzugt bei Laubhölzern anzutreffen
Furnierschicht- oder Vollholz und Stegen aus sehr und hellt das Holz vielfach auf. Das Holz schrumpft
schubfesten OSB-Platten oder auch Holzfaserplatten. ohne Risse; es wird weich und faserig.
Darüber hinaus sind auch I- und Doppel-I-Träger mit Der häufigste, gefährlichste und am schwierigs-
Vollholzgurten und Stegen aus 0,5 mm dicken Ble- ten zu bekämpfende holzzerstörende Pilz ist der
chen bekannt. Die Stege sind durch Nuten in die Echte Hausschwamm (serpula lacrimans), der zu
Gurte eingebunden. Die Lieferlängen der Kombina- den Braunfäulepilzen gehört und auch Laubholz
tion Furnierschichtholz/OSB reichen bis 22 m. nicht verschont. Zu finden ist er im bodennahen
Bereich von Altbauten sowie nach unsachgemäßen
Umbauten und Instandsetzungen von Altbauten. In
3.1.1.6 Holzschädlinge, Holzschutz
Neubauten tritt er dagegen äußerst selten auf. Er
Unter bestimmten Randbedingungen kann Holz von benötigt zu seiner Entstehung nur feuchtes Holz,
pflanzlichen und tierischen Holzschädlingen befal- wobei er mit geringerer Holzfeuchte auskommt als
len werden. Die größten Schäden werden durch andere Gebäudepilze. Darüber hinaus passt er sich
Pilze verursacht. Ganz allgemein fördern Holz- den Umweltbedingungen weitgehend an und
feuchten über 20 M.-% und Temperaturen oberhalb wächst unter bestimmten Bedingungen auch auf
üblicher Raumtemperaturen den Befall. Pilze schä- trockenem Holz weiter. Wie alle Pilze überlebt er
digen Holz durch chemischen Abbau, tierische auch lange Trockenzeiten in der so genannten Tro-
Schädlinge durch Zernagen. Infolge des biolo- ckenstarre. Als einziger pflanzlicher Holzzerstörer
gischen Angriffs können die Festigkeiten bis auf muss er entsprechend den Bauordnungen einiger
Null abnehmen. Manche Pilze und Insekten be- Bundesländer unverzüglich bekämpft werden.
schränken sich auf Nadel- oder Laubholz oder sogar Beim Hausschwamm bildet sich ein weißer, wat-
nur auf bestimmte Holzarten, andere bevorzugen teartiger Myzelrasen, der sich später zu Häuten zu-
zwar bestimmte Hölzer, sind aber auch auf bzw. in sammenzieht, aus denen sich kräftige, bis bleistift-
anderen anzutreffen. In erster Linie wird das Splint- dicke Myzelstränge bilden, die bis zu 8 mm pro Tag
holz befallen; bestimmte Pilze können aber auch wachsen können. Der Fruchtkörper hat die Form
Kernholz abbauen. Einige Tropenhölzer enthalten eines Fladens mit einem Durchmesser bis zu einem
Kerninhaltsstoffe, die gegen Pilzbefall weitgehend Meter, ist innen rostbraun und hat einen weißen Zu-
schützen. Die eindeutige Identifizierung pflanz- wachsrand. Wegen seines hochentwickelten Ober-
licher und tierischer Holzschädlinge sollte grund- flächenmyzels bzw. Strangmyzels kann er sich me-
sätzlich Fachleuten vorbehalten bleiben. terweit über holzfreie Stoffe ausbreiten und sogar
Pilze entwickeln sich aus Sporen. Unter günstigen Mauerwerk durchwachsen. Er ist zwar, wie alle
Bedingungen keimen sie, und es bildet sich eine Pilze, auf einen äußeren Feuchtigkeitszutritt ange-
Keimhyphe, von der weitere Hyphen abgehen, die wiesen, kann die Feuchtigkeit aber über eine Entfer-
sich schließlich zu einem Pilzgeflecht, dem Myzel, nung von einigen Metern heranschaffen. Zu seiner
3.1 Baustoffe 979

Bekämpfung sind daher zuerst einmal sämtliche Holzschäden durch Tiere werden v. a. von In-
Feuchtigkeitsquellen auszuschalten. sekten – insbesondere Käfern – verursacht. Insek-
Weitere gefährliche und häufig auftretende Ge- ten durchlaufen vier Entwicklungsstadien: Ei –
bäudepilze sind der Braune Kellerschwamm (coni- Larve – Puppe – Vollinsekt (Imago). Geschädigt
ophora puteana), auch „Brauner Warzenschwamm“ wird das Holz ausschließlich durch die Larven, de-
genannt, und der Weiße Porenschwamm (poria vai- ren Stadium mehrere Jahre dauern kann. Der in
lantii). Diese beiden Pilze befallen ebenfalls vor- Mitteleuropa verbreiteteste und gefährlichste Kä-
wiegend Nadelholz – seltener Laubholz – und ver- fer ist der Hausbockkäfer (hylotrupes bajulus). Er
ursachen Braunfäule. Sie sind sowohl in Alt- als befällt ausschließlich Nadelholz, und zwar v. a. das
auch in Neubauten bis ins Dachgeschoss anzutreffen. eiweißreiche Splintholz. Dieser Käfer kommt am
Der Braune Kellerschwamm ist der am schnellsten häufigsten in Dachstühlen vor, da er Temperaturen
wachsende Bauholzpilz; er führt zu ebenso großen um 30°C braucht. Weil er auch Holzfeuchten um
Zerstörungen wie der Echte Hausschwamm. Der 30 M.-% benötigt, ist er in feuchten Gebieten
Weiße Porenschwamm hat eine ähnlich große Zer- (Flusstäler, Küstenbereiche) häufiger anzutreffen.
störungskraft. Während er eine Holzfeuchte von Der Befall ist lediglich an 5 bis 10 mm großen,
40 M.-% braucht, benötigt der Braune Keller- ovalen Löchern im Holz zu erkennen, durch die
schwamm eine Holzfeuchte von über 50 M.-%. die Käfer das Holz verlassen. Der weibliche Käfer
Zu den Pilzen, die das Holz lediglich verfärben, ist 10 bis 25 mm lang, die Larve bis zu 30 mm.
aber nicht abbauen, gehören Bläuepilze und Schim- Unter der papierdünnen Holzoberfläche ist das
melpilze. Beide Pilzgruppen benötigen Holzfeuch- Splintholz häufig weitgehend zerfressen. Die Be-
ten oberhalb der Fasersättigung. Bläuepilze befallen fallswahrscheinlichkeit ist bei zehn bis 30 Jahre
insbesondere Nadelholz, und zwar vornehmlich alten Gebäuden am größten und bei sehr altem
Kiefer, aber auch Laubholz (z. B. Buche) und ver- Holz (> 100 Jahre) wegen der Alterung und der
schiedene Tropenhölzer. Bei Kernhölzern wird aus- Umwandlung der Eiweißstoffe sehr gering. Als
schließlich das Splintholz befallen, da nur dort für einziger tierischer Holzzerstörer muss er entspre-
die Pilze verwertbare Zellinhaltsstoffe vorkommen. chend den Bauordnungen einiger Bundesländer
Bläuepilze bauen i. Allg. die Zellwände nicht ab und unverzüglich bekämpft werden.
verursachen deshalb auch keine Festigkeitsverlus- Ein weiterer, weit verbreiteter und sehr schäd-
te des Holzes. Die im Querschnitt gut sichtbare licher Holzzerstörer ist der Gewöhnliche Nage-
Verblauung wird von dunkel gefärbten Pilzhyphen käfer (anobium punktatum), volkstümlich auch
hervorgerufen, die sich bevorzugt in den nähr- „Holzwurm“ genannt. Er bevorzugt Raumtempe-
stoffreichen Holzstrahlen ausbreiten und durch das ratur und Holzfeuchten zwischen 20 und 25 M.-%.
Holz schimmern. Aufgrund der Lichtbrechung er- Er befällt vorwiegend die hellen Frühholzschichten
scheint das Holz blau bis grauschwarz. Man unter- einheimischer Hölzer.
scheidet Stammholzbläue (bereits am stehenden Der Braune Splintholzkäfer ist in den letzten
Baum), Schnittholzbläue und Anstrichbläue (Pilze Jahrzehnten für die Holzverarbeiter der mit Ab-
können Anstrichfilme durchwachsen), die jeweils stand gefährlichste Holzschädling geworden, da er
von bestimmten Pilzarten hervorgerufen werden. – aus den Tropen kommend – trockene (15 bis
Schimmelpilze verfärben ebenfalls das Holz, 16 M.-% Holzfeuchte) und warme (um 20°C) Be-
wachsen aber mit ihrem grünen bis blaugrünen oder dingungen bevorzugt. Er ist ein typischer Laub-
schwärzlichen Rasen nur auf der Oberfläche des holzschädling.
Holzes, ohne tiefer als 0,5 mm in das Innere einzu- In salzhaltigem Meerwasser verbautes Holz ist
dringen. Da sie nur von den Holzinhaltsstoffen ange- durch verschiedene Meerestiere gefährdet. Zu ih-
schnittener Zellen und eventuell vorhandenen Verun- nen gehören v. a. die Holzbohrmuschel und die
reinigungen leben, ohne die Zellwände anzugreifen, Bohrassel. Insbesondere erstere kann Holz in we-
verursachen sie ebenfalls keine Festigkeitsverluste nigen Jahren fast völlig zerstören.
des Holzes. Weil sehr feuchte, unbewegte Luft ihr Die für tragende Bauteile erforderlichen vorbeu-
Wachstum begünstigt, sind sie ein Indikator für die genden und bekämpfenden Holzschutzmaßnahmen
potentielle Gefährdung durch holzzerstörende Pilze. sind in DIN 68800-1:1974 aufgeführt. Vorbeugender
980 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Holzschutz kann durch bauliche Maßnahmen nahmen gegen Pilz- und Insektenbefall sollten im-
(DIN 68800-2:1996 oder Behandlung mit che- mer von einer Fachfirma ausgeführt werden.
mischen Holzschutzmitteln (DIN 68800-3:1990 und
DIN 68800-5:1978) gewährleistet werden. Bauliche
Maßnahmen wie das Fernhalten von Niederschlag 3.1.2 Bindemittel
bzw. dessen schnelle Ableitung und das Abschirmen
3.1.2.1 Allgemeines
gegenüber Feuchtigkeit aus dem Boden oder aus an-
grenzenden Bauteilen können mit Ausführungsde- Bindemittel sind Stoffe, die gröbere oder feinere
tails z. B. [Natterer u. a. 1996] entnommen werden. Körper – „Gesteinskörnung“ genannt – fest unter-
In DIN 68800-3:1990 sind allen vorkommenden einander verkitten. Sie werden nur selten als reine
Anwendungsbereichen fünf Gefährdungsklassen Bindemittelleime ohne Gesteinskörnung verwen-
zugeordnet. In allen Klassen kann Holz ohne che- det, da sie i. Allg. zu teuer sind und in dieser rei-
mischen Holzschutz verwendet werden, wenn man nen Form z. T. ungünstige technologische Eigen-
es der erforderlichen Resistenzklasse entsprechend schaften haben können.
DIN EN 350-2:1994 zuordnen kann und zusätz- Als Bindemittel kommen sowohl organische als
liche Randbedingungen erfüllt werden. Die erfor- auch anorganische Stoffe in Betracht. Die wichtigs-
derliche Holzschutzmittel-Wirkungsgruppe (z. B. ten organischen Bindemittel sind Teer, Bitumen
Iv: Vorbeugend gegen Insekten) ist ebenfalls von und Kunstharze. Im Folgenden werden ausschließ-
der Gefährdungsklasse abhängig (s. DIN 68800- lich anorganische Bindemittel behandelt, insbeson-
3:1990). Für Holzwerkstoffe sind in DIN 68800- dere Gipse, Kalke und Zemente als wichtigste Ty-
2:1996 den Anwendungsbereichen die erforder- pen. Latent-hydraulische und puzzolanische Stoffe
lichen Holzwerkstoffklassen zugeordnet. sind weitere wichtige Bindemittelkomponenten.
Vorbeugende Holzschutzmittel für tragende Die wichtigsten Unterschiede in der chemischen
Bauteile müssen ein Prüfzeichen des Deutschen Zusammensetzung der genannten Stoffe sind in
Instituts für Bautechnik (DIBt) haben. Es stellt si- Abb. 3.1-12 dargestellt.
cher, dass die Wirksamkeit und die gesundheitliche Grundsätzlich unterscheidet man zwei Haupt-
Unbedenklichkeit nachgewiesen wurden. Im Prüf- gruppen von anorganischen Bindemitteln:
bescheid sind neben den Anwendungsbereichen
– Luftbindemittel, die nur an der Luft erhärten und
und ggf. Anwendungsbeschränkungen auch das er-
im erhärteten Zustand wasserlöslich sind, und
forderliche Einbringverfahren (z. B. Kesseldruck-
– hydraulische Bindemittel, die an der Luft und
tränkung) und die Einbringmenge genannt. Nach
unter Wasser erhärten und im erhärteten Zu-
DIBt-Verzeichnis können die Holzschutzmittel
stand wasserbeständig sind.
drei Gruppen zugeordnet werden: wasserlösliche
Mittel (z. B. Salze), ölige Mittel (z. B. Teeröl) und
sonstige Mittel (z. B. Pasten).
3.1.2.2 Gipse
Bekämpfende Holzschutzmittel können z. B.
dem RAL-Holzschutzmittel-Verzeichnis entnommen Definition und Herstellung
werden. Manchmal kommt es zu Unverträglich- Bindemittel auf Gipsbasis (Sulfatbindemittel) sind
keiten von Holzschutzmitteln mit anderen Bau- nicht hydraulisch, d. h., sie sind nicht wasserbe-
stoffen, z. B. Verfärbung bei Putz, Korrosion von ständig. Man unterscheidet Gipsbinder und An-
Metall und Glas sowie Auflösen von Kunststoffen. hydritbinder.
Insekten lassen sich auch mit Heißluft oder Gas er- Baugipse entstehen durch Temperaturbehand-
folgreich bekämpfen, wobei zu beachten ist, dass lung von Rohgips (CaSO4·2H2O, Dihydrat). Beim
diese Maßnahmen nicht vorbeugend wirken. Ob- Brennen wird das gebundene Kristallwasser ganz
wohl verschiedenen Literaturstellen zu entnehmen oder teilweise ausgetrieben. Mit steigender Brenn-
ist, dass auch der Echte Hausschwamm mittels temperatur entstehen aus CaSO4·2H2O zunächst
Heißluft abgetötet werden kann, ist dies derzeit Halbhydrat CaSO4·1/2H2O, danach verschiedene
nach DIN 68800-4:1992 nur in Ausnahmefällen Modifikationen von Anhydrit CaSO4. Als Rohstof-
zulässig. Die Bekämpfung bzw. vorbeugende Maß- fe dienen Naturgips, aber auch gipsreiche Neben-
3.1 Baustoffe 981

Bei Anhydritbindern unterscheidet DIN 4208 zwi-


schen Produkten aus Naturanhydrit (Kennzeich-
nung „NAT“) und synthetischem Anhydrit (Kenn-
zeichnung „SYN“).

Verwendung
Baugipse werden vorwiegend als Bindemittel für
die Herstellung von Innenputzen, Gipsbauplatten
für den Innenausbau (Decken-, Wandbau- und Gips-
kartonplatten) sowie Stuckarbeiten (Stuckgips) ver-
wendet. Anhydritbinder dienen ebenfalls ausschließ-
lich für den Innenausbau, insbesondere für Putze,
Abb. 3.1-12 Einordnung der wichtigsten anorganischen Estriche und Bauteile (Steine, Fertigteile).
Bindemittel bzw. Bindemittelkomponeneten im Dreistoff-
system CaO-SiO2-Al2O3 [Wesche 1993]
Verarbeitung
Nach dem Anmachen der Baugipse bzw. Anhydrit-
produkte aus der chemischen Industrie (Chemie- binder mit Wasser entsteht als Erhärtungprodukt
gipse) oder der Kraftwerkindustrie (REA-Gips aus wieder kristallisiertes Dihydrat CaSO4·2H2O (Gips).
Rauchgasentschwefelungsanlagen). Dabei entscheidet die mineralogische Zusammen-
Durch den reversiblen Prozess der Bindung von setzung, aber auch die Art und Dosierung von
Wasser erlangt der zuvor gebrannte – d. h. dehy- eventuell zugegebenen Anregern oder Verzöger-
dratisierte – Gips unter Bildung eines kristallinen ern, über die Reaktionsgeschwindigkeit. Prinzipiell
Gefüges mehr oder weniger große Festigkeit. reagiert das Halbhydrat schneller als der bei hoher
Zur Erzielung bestimmter Eigenschaften des Temperatur entstandene Anhydrit.
Baugipses können werkseitig Zusätze von bis zu
maximal 50 M.-% zugegeben werden. Dabei han-
3.1.2.3 Kalke
delt es sich einerseits um Stellmittel – Stoffe, die
gezielt die Konsistenz, Haftung oder Versteifungs- Definition, Herstellung und Eigenschaften
zeit verändern – oder Füllstoffe (z. B. Sand) sog. Als „Baukalke“ dürfen ausschließlich Bindemittel
Gips-Trockenmörtel. Gipse und Gips-Trocken- bezeichnet werden, welche der DIN EN 459 Teil 1
mörtel sind in DIN EN 13279 Teil 1 geregelt. entsprechen. Baukalk wird vorwiegend als pulver-
Anhydritbinder werden aus Naturanhydrit oder förmiges Kalkhydrat geliefert. Kalkteig und Stück-
aus synthetischem Anhydrit, der als Nebenprodukt kalk haben nur noch untergeordnete Bedeutung.
in der chemischen Industrie anfällt, hergestellt. Die Weißkalke, vielfach auch „Luftkalke“ genannt,
Zugabe sog. „Anreger“ dient zur Beschleunigung zeichnen sich durch sehr große Feinheit, niedrige
des Reaktionsvorgangs. Als Anreger dienen ba- Schüttdichte, hohe Ergiebigkeit, große Wirtschaft-
sische Stoffe (z. B. Baukalk) oder salzartige Stoffe lichkeit und gute Verarbeitbarkeit (Geschmeidig-
(z. B. leicht lösliche Sulfate) oder eine Kombination keit und Wasserrückhaltevermögen) aus. Sie wer-
aus beiden (gemischte Anreger). den aus möglichst reinem Kalkstein (CaCO3) un-
terhalb der Sintergrenze bei rd. 1000°C gebrannt.
Sorten Diese Luftbindemittel sind im erhärteten Zustand
Die in Deutschland gängigsten Sorten von Baugip- nicht wasserbeständig.
sen können wie folgt unterschieden werden: Mit der Aufnahme von Kohlendioxid aus der
Luft (Karbonatisierung) erhärtet der Luftkalk. Die
– ohne werkseitig beigegebene Zusätze: Stuck- Karbonatisierung findet wegen der geringen CO2-
gips und Putzgips, Konzentration der Luft (0,03 Vol.-%) nur langsam
– mit werkseitig beigegebenen Zusätzen: Fertig- statt. Sie läuft umso schneller ab, je poriger der
putzgips, Haftputzgips, Maschinenputzgips, An- Mörtel ist und je mehr CO2 zur Verfügung steht.
setzgips, Fugengips, Spachtelgips. Luftkalkputze dürfen daher nicht gegen Luft abge-
982 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

sperrt werden (z. B. durch dichte Oberputze, Tape- und Dolomitkalke mit dem Kurzzeichen CL und DL
ten, Spachtelmassen). Unter günstigen Umständen sowie dem Mindestgehalt an (CaO+MgO) bezeich-
(dauernde Berührung mit Luft) ist eine vollständi- net. Weißkalke unterscheiden sich von Dolomitkal-
ge Karbonatisierung von Putzen mit 1 bis 2 cm Di- ken durch ihren geringeren Dolomitanteil, der im
cke in einigen Monaten möglich; bei Mauermörtel Fall der Weißkalke ”5 M.-% sein muss.
kann dies wegen der geringen Fugendicke und re- Hydraulische Kalke (HL) werden nach ihrer
lativ großen Fugentiefe viele Jahre dauern. Mindestdruckfestigkeit (in N/mm2) im Alter von
Hydraulische Kalke haben wegen des begrenzten 28 Tagen klassifiziert. Die Mindestdruckfestigkeit
Gehalts an reaktionsfähigen kieselsauren Bestand- sollte für HL 2 zwischen 2 und 7 N/mm2, für
teilen ein begrenztes hydraulisches Erhärtungsver- HL 3,5 zwischen 3,5 und 10 N/mm2 sowie für HL
mögen. Es überwiegen jedoch die charakteristischen 5 zwischen 5 und 15 N/mm2 liegen.
Kalkeigenschaften. Diese hydraulischen Bindemit-
tel erhärten nach einer bestimmten Zeit der Luftla- Verwendung
gerung auch unter Wasser. Bei Luftlagerung reagiert Baukalke dienen als Bindemittel für Mauermörtel
der Anteil an Calciumhydroxid mit Luftkohlensäure für niedrige Beanspruchung und Putzmörtel ohne
zu CaCO3. Calciumsilikate, -aluminate und -ferrite längere Feuchtigkeitseinwirkung. Auch bei der
bilden mit dem Anmachwasser Hydrate, die die Herstellung von Kalksandsteinen und Porenbeton
weitere Verfestigung hervorrufen. Diese Calcium- werden Baukalke verwendet.
verbindungen sorgen dafür, dass die hydraulischen Hydraulische Kalke werden in Mauer- und
Kalke schneller erhärten und höhere Druckfestig- Putzmörtel verarbeitet, wenn höhere, aber be-
keiten als Luftkalke erreichen. Die Luftlagerung vor grenzte Festigkeit sowie Widerstandsfähigkeit ge-
der Wasserlagerung ist notwendig, damit der Erhär- gen Feuchtigkeitseinwirkung gefordert werden.
tungsanteil der Karbonatisierung genutzt und wirk- Hochhydraulische Kalke wählt man für Mauer-
sam werden kann und weil die Hydratation in einem bzw. Putzmörtel, wenn die Festigkeit der Luftkalke
Calcitgerüst wirkungsvoller ist als in einer wässe- und anderer hydraulisch erhärtender Kalke nicht
rigen Dispersion. ausreicht oder eine schnellere Erhärtung gefordert
Hochhydraulischer Kalk zeichnet sich wegen wird. Sie sind in gleicher Weise wie Kalkzement-
des höheren Gehalts an reaktionsfähigen kieselsau- mörtel zu verarbeiten. Sie dienen als Bindemittel für
ren Bestandteilen neben der Carbonaterhärtung Mauermörtel im Schornsteinbau und Außenputze
durch ein ausgeprägtes hydraulisches Erhärtungs- für ungünstige Witterungsverhältnisse. Trasskalk
vermögen aus. Er ist nach Luftlagerung bis zu drei wird u. a. für Mauer- und Fugenmörtel bei schlagre-
Tagen auch unter Wasser beständig. genbeanspruchtem Mauerwerk, in der Denkmal-
Die Verarbeitungseigenschaften von hoch- pflege, für Bodenverfestigungen und Fahrbahnun-
hydraulischen Kalken liegen zwischen denen der terbau verwendet.
Luftkalke und der Zemente. Trasskalk hat aufgrund
der Feinheit des Trasses und des LP-Zusatzes (LP
3.1.2.4 Zemente
Luftporenbildner) ein hohes Wasserrückhaltever-
mögen, ein großes Verformungsvermögen und da- Definition, Einteilung und Herstellung
mit eine geringe Rissempfindlichkeit sowie eine Zemente sind feingemahlene hydraulische Binde-
erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen Auslaugung mittel, die sowohl an Luft als auch (ohne vorherige
von CaO und gegen Frost-Tau-Wechsel. Luftlagerung) unter Wasser erhärten können. An-
schließend sind sie auch unter Wasser beständig.
Sorten Sie bestehen im Wesentlichen aus Verbindungen
Weiß- und Dolomitkalke werden nach DIN EN 459 von CaO mit den sog. „Hydraulefaktoren“ SiO2,
Teil 1 nach ihrer chemischen Zusammensetzung Al2O3 und Fe2O3.
((CaO+MgO)-Anteil) klassifiziert. Je nach Klassifi- Portlandzement unterscheidet sich von hydrau-
zierung beträgt der (CaO+MgO)-Gehalt für Weiß- lisch erhärtenden Kalken v. a. durch den niedrigeren
kalke •70 M.-% und für Dolomitkalke •80 M.-%. Kalkgehalt, die gezielte chemische und vor allen
Entsprechend dieser Klassifizierung werden Weiß- Dingen auch mineralogische Zusammensetzung
3.1 Baustoffe 983

und die dadurch gleichmäßigeren Eigenschaften. tigkeit belanglos, stellt aber eine hohe Alkalität des
Die Rohstoffe werden bis zum Sintern gebrannt, Porenwassers im Zementstein sicher. Dieses alka-
wobei sich neue Mineralphasen bilden. Das Pro- lische Milieu schützt den Betonstahl vor Korrosion
dukt des Brennprozesses nennt man „Klinker“. (pH-Wert ist über 12,6).
Die Klinkermineralien haben hydraulische Eigen- Der Zement bindet, bezogen auf das Zement-
schaften: Sie reagieren mit Wasser unter Bildung gewicht, etwa 25 M.-% Wasser chemisch (d. h., es
von Hydraten und Calciumhydroxid Ca(OH)2. wird in das Kristallgitter der Minerale fest einge-
Die Zementindustrie siedelt sich aus wirtschaft- baut). Außer diesem chemisch gebundenen Wasser
lichen Gründen (Transportkosten) i. d. R. in unmit- bindet der Zement noch etwa 10 bis 15 M.-% Was-
telbarer Nähe von Rohstofflagerstätten an. Die ser durch Adsorption. Die Summe aus chemisch ge-
Rohstoffe werden gemahlen, gemischt und an- bundenem Wasser und Gelwasser, die dem Zement
schließend im Drehrohrofen bei 1400°C bis 1500°C zur vollständigen Hydratation zur Verfügung stehen
gebrannt. Mit der chemischen Zusammensetzung muss, beträgt etwa 35 bis 40 M.-% (das entspricht
des Rohmehles ist bei reinem Portlandzement nä- einem Wasserzementwert von 0,35 bis 0,40).
herungsweise auch die mineralogische Zusammen- Die Hydratation ist, wie alle chemischen Reak-
setzung definiert. Da der Art und dem Anteil der tionen, von der Temperatur abhängig. So verläuft
Mineralphasen ein entscheidender Einfluss auf die die Hydratation i. Allg. in der Wärme schneller und
Eigenschaften des Zements zukommt, ist eine ex- in der Kälte langsamer. Tiefe Temperaturen kön-
akte Abstimmung des Rohstoffgemisches von be- nen die Reaktion völlig unterbrechen. Wasserent-
sonderer Bedeutung. Sämtliches CaO muss in Cal- zug (Austrocknung) bringt die Hydratation eben-
ciumsilikaten, -aluminaten und -ferriten (Hydrau- falls zum Stillstand. Die Hydratation des Zements
lefaktoren) gebunden werden. Verbleibendes freies verläuft exotherm, d. h., beim Erstarren und Erhär-
CaO könnte im verfestigten Zementstein (bzw. ten wird entsprechend dem Reaktionsfortschritt
Mörtel oder Beton) Kalktreiben auslösen. Der ent- Wärme, die sog. „Hydratationswärme“, frei.
stehende Klinker wird in Kugelmühlen unter Zu- Je feiner ein Zement gemahlen ist, desto größer
gabe von Calciumsulfat (Gips, Anhydrit) als Er- ist seine Oberfläche und desto schneller ist seine
starrungsregler gemahlen und schließlich in Silos Reaktion mit dem Anmachwasser, was sich wie-
homogenisiert und gelagert. derum in der Festigkeitsentwicklung ausdrückt.
Wenn die Mahlfeinheit zu groß ist, hat der Zement
Hydratation einen größeren Bedarf an Anmachwasser, was die
Der Zement erstarrt und erhärtet infolge der che- Festigkeit mindert. Außerdem ist unter diesen Um-
mischen Reaktion zwischen Zementkorn und Was- ständen mit schnellerem und stärkerem Schwinden
ser. Diese Hydratation beginnt sofort nach dem zu rechnen.
Anmachen mit Wasser. Dabei entsteht Zementgel,
welches aus feinsten, submikroskopischen, kolloi- Erstarren und Erhärten
dalen Reaktionsprodukten besteht. Der anfangs plas- Die fortschreitende Verfestigung des Zements nach
tische Zementleim geht mit fortschreitender Zeit dem Anmachen mit Wasser geht über ein anfäng-
in den erhärteten Zementstein über. Nach einer liches Ansteifen und das Erstarren bis zum Erhärten.
Ruhephase von einer bis mehreren Stunden kris- Aus betontechnologischen Gründen ist es sehr wich-
tallisieren infolge der schnellen Hydratation von Tri- tig, den Verlauf der Verfestigung definiert erfassen
calciumsilikat (C3S) und der langsameren Reaktion zu können. Ein Zement muss ausreichend lange ver-
des Dicalciumsilikats (C2S) Calciumsilikathydrate arbeitbar sein, muss sich aber auch ausreichend
(CSH) in Form von Nadeln oder Leisten. Die sehr schnell verfestigen (Entschalen, Belastbarkeit).
feinen Kristalle verwachsen miteinander und bil- Wenn feingemahlener reiner Portlandzementklin-
den ein Netzwerk. Hierauf beruht die Festigkeits- ker mit Wasser gemischt wird, reagiert das Klin-
entwicklung des Zements. kermineral Tricalciumaluminat (C3A) unverzüg-
Das bei der Reaktion der Calciumsilikate darü- lich mit Wasser und bewirkt dabei ein uner-
ber hinaus in Form hexagonaler Kristalle entste- wünschtes zu frühes Erstarren des Zementleims
hende Calciumhydroxid Ca(OH)2 ist für die Fes- („Löffelbinder“). Aus diesem Grund wird bei der
984 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Zementherstellung vor oder während dem Mahlen dass durch die Hydratation verschiedener Minerale
des Zementklinkers Gips oder Anhydrit als Abbin- unterschiedliche Reaktionsprodukte und damit
deregler zugesetzt. Wenn dem fertigen, mit der auch unterschiedliche Gefüge entstehen. Die Fol-
passenden Menge Abbinderegler versehenen, Port- gen sind gut zu erkennen, wenn die Festigkeits-
landzement Wasser zugegeben wird, reagieren die- entwicklung durch Hydratation der reinen Klin-
se Sulfatträger mit dem Tricalciumaluminat unter kerminerale verglichen wird (Abb. 3.1-13). Aus-
Bildung von Ettringit (Trisulfat). Mit dieser Reak- schließlich die Calciumsilikate liefern früh hohe
tion wird das zu frühe Erstarren des Zementleims Druckfestigkeiten. Der entscheidende Unterschied
verhindert. Später wandelt sich Ettringit ohne zwischen C3S und C2S liegt in der Geschwindig-
schädliche Nebenwirkungen in Monosulfat um. keit der Hydratation und der Gefügeentwicklung.
Bezogen auf die Gefügeentwicklung während
des Verfestigungsprozesses unterscheidet man drei Sorten und Verwendung
Hydratationsstufen. Nach dem Mischen mit Was- Normalzemente sind im Hinblick auf ihre Zusam-
ser steift der Zementleim mit der Bildung von Ett- mensetzung, Anforderungen und Konformitätskri-
ringit und CSH-Phasen langsam an. Eine erste terien in DIN EN 197 Teil 1 geregelt. Normalze-
merkliche Verfestigung wird „Erstarrungsbeginn“ mente nach DIN EN 197 Teil 1 werden auch nur
genannt. Mit „Erstarren“ wird der Übergang des als Zemente bezeichnet. DIN EN 197 Teil 1 unter-
Zementleims vom plastischen in den festen Zu- scheidet zwischen sechs Arten von Zementen:
stand bezeichnet. Die Erstarrungszeiten (Beginn
– CEM I Portlandzement
und Ende) werden nach DIN EN 196 Teil 3 mit
– CEM II Portlandkompositzement
dem Eindringversuch (Vicat-Nadel) bestimmt. Mit
– CEM III Hochofenzement
dem Erstarrungsbeginn endet die erste Hydratati-
– CEM IV Puzzolanzement
onsstufe. Während der weiteren Reaktion bilden
– CEM V Kompositzement.
sich die Calciumsilikathydrate zunächst langfase-
rig (2. Hydratationsstufe) und dann kurzfaserig (3. In Abhängigkeit von der 28-Tage-Druckfestigkeit
Hydratationsstufe) aus. wird unterschieden zwischen den Festigkeitsklas-
Die mineralogische Zusammensetzung be- sen 32,5; 42,5 und 52,5. Diese drei Klassen werden
stimmt die physikalischen und chemischen Eigen- nach ihrer Anfangsfestigkeit nochmals unterteilt in
schaften des Zements. Dazu gehören z. B. die Ge- üblich erhärtende (mit Kennbuchstabe N) und
schwindigkeit der Reaktion mit Wasser und die schnell erhärtende Zemente (mit Kennbuchstabe
Wärme, die dabei freigesetzt wird. Hinzu kommt, R). In Abb. 3.1-14 sind die Anforderungen an die

Abb. 3.1-13 Druckfestigkeitsentwicklung der Klinkermineralien [Bouge 1955]


3.1 Baustoffe 985

chen NA) genormt. Folgende Zemente können als


HS-Zemente eingestuft werden:
– CEM I
Portlandzemente mit einem maximalen C3A-Ge-
halt von 3,0 M.-% und einem maximalen Al2O3-
Gehalt von 5,0 M.-%
– CEM III/C oder CEM III/B
Hochofenzemente mit einem Hüttensandgehalt
zwischen 66 M.-% und 95 M.-%. Hüttensand ent-
hält kein C3A. Hochofenzemente sind daher C3A-
ärmer als Portlandzemente. Gegenüber sulfathal-
tigen Wässern und Böden verhalten sie sich besser
als Portlandzemente, da die nachträgliche Bildung
von Ettringit im erhärteten Zementstein, die zu
Treiberscheinungen führt, verhindert wird.
Folgende Zemente können als NA-Zemente einge-
Abb. 3.1-14 Anforderungen an die Festigkeit von Zement
nach DIN 1164
stuft werden:
– CEM I
Zemente mit einem maximalen Na2O-Aquivalent
Festigkeit von Zement nach DIN EN 197 Teil 1
von 0,60 M.-%.
dargestellt.
– CEM II/B-S
Darüber hinaus regelt DIN EN 197 Teil 1 auch
Portlandhüttenzemente mit einem Hüttensand-
Normalzemente mit niedriger Hydratationswärme
gehalt zwischen 21 M.-% und 35 M.-% sowie
(Kurzeichen LH). Diese Zemente entwickeln in
einem Na2O-Aquivalent von 0,70 M.-%.
den ersten sieben Tagen der Hydratation höchstens
– CEM III/A
270 J/g Zement. In der Regel sind LH-Zemente
Hochofenzemente mit einem maximalen Hütten-
hüttensandreiche Hochofenzemente (CEM III/B).
sandgehalt von 49 M.-% und einem Na2O-Aqui-
Hochofenzemente mit niedriger Anfangsfestig-
valent von 0,95 M.-% oder einem Hüttensandge-
keit (Kurzeichen L) werden nach DIN EN 197
halt größer als 50 M.-% und einem maximalen
Teil 4 geregelt. Die europäische Norm legt Anfor-
Na2O-Aquivalent von 1,10 M.-%.
derungen an drei verschiedene Hochofenzement-
– CEM III/B
produkte mit niedriger Anfangsfestigkeit und ihre
Hochofenzemente mit einem Hüttensandgehalt
Bestandteile sowie die entsprechenden Definiti-
zwischen 66 M.-% und 80 M.-% und einem
onen fest. Diese Hochofenzemente weisen im Ver-
Na2O-Aquivalent von 2,00 M.-%.
gleich zu den Hochofenzementen nach DIN EN 197
– CEM III/C
Teil 1 in Abhängigkeit der Festigkeitsklasse gerin-
Hochofenzemente mit einem Hüttensandgehalt
gere Anfangsfestigkeiten auf. Hochofenzemente
zwischen 81 M.-% und 95 M.-% und einem
mit niedriger Anfangsfestigkeit können auch als
Na2O-Aquivalent von 2,00 M. %.
Hochofenzemente mit niedriger Hydratationswär-
me eingestuft werden. Im Teil 11 der DIN 1164 sind Zemente mit ver-
Zemente mit besonderen Eigenschaften sind na- kürztem Erstarren (Kurzzeichen FE) bzw.
tional gemäß DIN 1164 geregelt. Für diese Ze- schnellem Erstarren (SE) und im Teil 12 sind Ze-
mente gelten weiterhin die Anforderungen und Ei- mente mit hohem Anteil an organischen Bestand-
genschaften von Normalzementen und deren Be- teilen (Kurzzeichen HO) genormt.
standteilen nach DIN EN 197 Teil 1. Sonderzemente nach DIN EN 14216 sind Ze-
Im Teil 10 der DIN 1164 sind Normalzemente mente mit sehr niedriger Hydratationswärme von
mit hohem Sulfatwiderstand (Kurzzeichen HS) maximal 220 J/g. Sie werden als Hochofenzemente
bzw. niedrigem wirksamen Alkaligehalt (Kurzei- VLH III, Puzzolanzement VLH IV oder Kompo-
986 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

sitzement VLH V in der Festigkeitsklasse 22,5 – Portlandkalksteinzement (CEM II/A-LL) für alle
hergestellt. Expositionsklassen
Tonerdezement (Kurzzeichen CAC) nach – Portlandkalksteinzement (CEM II/B-LL) nur für
DIN EN 14647 besteht vorwiegend aus Monocal- die Expositionsklasse X0, XC1 und XC2
ciumaluminat (CaO · Al2O3). Diese Europäische – Portlandkalksteinzement (CEM II/A-L) für alle
Norm enthält Anforderungen an die mechanischen, Expositionsklassen mit Ausnahme von XF1 bis
physikalischen und chemischen Eigenschaften so- XF4
wie Festlegungen bezüglich der Konformitätskri- – Portlandkalksteinzement (CEM II/B-L) nur für
terien und die zugehörigen Regeln an Tonerdeze- die Expositionsklasse X0, XC1 und XC2
mente. Nach dieser Norm werden Tonerdezemente – Portlandkompositzement (CEM II/A-M) nur für
in der Festigkeitsklasse 16 (16 N/mm2 nach 6 h) die Expositionsklasse X0, XC1 und XC2
oder 40 (nach 24 h) hergestellt. In Deutschland ist – Portlandkompositzement (CEM II/B-M) nur für
für die Verwendung von Tonerdezement in tra- die Expositionsklasse X0 und XC2
genden Bauteilen bzw. bauaufsichtlich relevanten – Hochofenzement (CEM III/A) für alle Expositi-
Bereichen eine allgemeine bauaufsichtliche Zulas- onsklassen mit Ausnahme von XF4 bzw. nur bei
sung erforderlich. Verwendung der Festigkeitsklasse • 42,5 oder
Die Anwendungsbereiche für Normalzemente Festigkeitsklasse 32,5 R mit einem Hüttensandan-
zur Herstellung von Beton sind den Tabellen F.3.1 teil ” 50 M.-%
bis F.3.4 der DIN 1045 Teil 2 festgelegt. Danach – Hochofenzement (CEM III/B) für alle Expositi-
können die aufgeführten Normalzemente wie folgt onsklassen mit Ausnahme von XF4 bzw. nur für
verwendet werden: bestimmte Anwendungsfälle freigegeben
– Hochofenzement (CEM III/C) nur für die Exposi-
– Portlandzement (CEM I) für alle Expositions- tionsklasse X0, XC2, XD1, XS2, XA1 bis XA3
klassen – Puzzolanzement (CEM IV/A;B) nur für die Expo-
– Portlandhüttenzement (CEM II/A; B-S) für alle sitionsklasse X0 und XC2
Expositionsklassen – Kompositzement (CEM V) nur für die Expositi-
– Portlandsilicastaubzement (CEM II/A-D) für alle onsklasse X0 und XC2
Expositionsklassen
– Portlandpuzzolanzement (CEM II/A; B-P und In den letzten Jahren wurde die Verwendung von
CEM II/A; B-Q) für alle Expositionsklasse mit Portlandkompositzement CEM II/B-M (S-LL)-AZ
Ausnahme von XF2 und XF4 mit Hüttensand und Kalkstein und CEM II/B-M (V-
– Portlandflugaschezement (CEM II/A; B-V) für LL)-AZ mit Flugasche und Kalkstein in so genann-
alle Expositionsklassen ten Anwendungszulassungen geregelt. In der Zulas-
– Portlandflugaschezement (CEM II/A-W) nur für sung ist neben den freigegeben Expositionsklassen
die Expositionsklasse X0, XC1 und XC2 auch die Zusammensetzung der Zemente angegeben.
– Portlandflugaschezement (CEM II/B-W) nur für Nachstehend ist eine typische Zementzusammenset-
die Expositionsklasse X0 und XC2 zung für einen Portlandkompositzement CEM II/B-
– Portlandschieferzement (CEM II/A; B-T) für alle M (S-LL)-AZ und CEM II/B-M (V-LL)-AZ aufge-
Expositionsklassen führt:

CEM II/B-M (S-LL)-AZ Nach Zulassung Nach DIN EN 197 Teil 1


Portlandzementklinker 65 bis 79 M.-% 65 bis 79 M.-%
Hüttensand S 6 bis 20 M.-% 21 bis 35 M.-%
Kalkstein LL 6 bis 15 M.-%

CEM II/B-M (V-LL)-AZ Nach Zulassung Nach DIN EN 197 Teil 1


Portlandzementklinker 70 bis 79 M.-% 65 bis 79 M.-%
Flugasche V 6 bis 15 M.-% 21 bis 35 M.-%
Kalkstein LL 6 bis 15 M.-%
3.1 Baustoffe 987

Gemäß der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulas- serdüsen) von feuerflüssigen Hochofenschlacken,


sung dürfen die Portlandkompositzemente (CEM II/ wie sie bei der Roheisenherstellung als Nebenpro-
B-M (S-LL)-AZ bzw. CEM II/B-M (V-LL)-AZ) ne- dukte anfallen, hergestellt. Bei dieser sog. „Granu-
ben den in Tabelle F.3.2 aufgeführten Expositions- lation“ entsteht ein Sand mit sehr hohem Glasanteil,
klassen X0, XC1 und XC2 zusätzlich in den Exposi- der zum latent-hydraulisch reaktionsfähigen Hüt-
tionsklassen XC3, XC4, XD1 bis XD3, XS1 bis tensandmehl aufgemahlen bzw. direkt als Zement-
XS3, XF1 bis XF4, XA1 bis XA3 und XM1 bis XM3 bestandteil zusammen mit Zementklinker feinge-
verwendet werden. Darüber hinaus dürfen sie für die mahlen (Hochofenzemente) wird.
Herstellung von Bohrpfählen nach DIN EN 1536 in Puzzolane sind Stoffe, die reaktionsfähige Kie-
Verbindung mit dem DIN-Fachbericht 129 und für selsäure (SiO2) enthalten und CaO-arm (<10 M.-
die Herstellung von flüssigkeitsdichtem Beton (FD- %) sind (s. Abb. 3.1-12). Die Puzzolanität – die
Beton) nach der DAfStb-Richtlinie „Betonbau beim Fähigkeit zur puzzolanischen Reaktion – hängt
Umgang mit wassergefährdenen Stoffen“ verwendet vom mineralogischen Zustand eines Materials ab.
werden. Die Verwendung der Portlandkomposit- Gut kristallisiertes SiO2 (Quarz) ist weitestgehend
zemente für die Herstellung von Einpressmörtel inert, während amorphes SiO2 reaktionsfähig ist.
nach DIN EN 447 ist nicht erlaubt. Die Reaktionsfähigkeit wächst aus physikalischen
Puzzolanzemente (CEM IV) oder Komposit- Gründen mit sinkender Korngröße (steigender spe-
zemente (CEM V) werden in Deutschland für tra- zifischer Oberfläche).
gende Bauteile aus Beton nach DIN 1045 Teil 2 Die puzzolanische Reaktion liefert als Reaktions-
nicht verwendet. produkte festigkeitsbildende CSH-Phasen (wie die
hydraulische Reaktion). Puzzolane reagieren in An-
wesenheit von Feuchtigkeit mit Calciumhydroxid
3.1.2.5 Latent-hydraulische Stoffe
Ca(OH)2. Als CaO-Spender kommen sowohl Kalke
und Puzzolane
als auch Zemente in Betracht. Demzufolge haben
Eigenschaften und Herstellung Puzzolane kein eigenes Erhärtungsvermögen, liefern
Latent-hydraulische Stoffe haben die Fähigkeit, aber in Kombination mit CaO-Spendern durchaus
selbständig mit Wasser zu reagieren. Dies geschieht einen festigkeitssteigernden Beitrag, da zusätzliche
jedoch in einem weitaus geringeren Maß als bei CSH-Phasen gebildet werden. Mischungen von Puz-
einem hydraulischen Bindemittel. Deshalb werden zolanen mit Kalk nennt man „Puzzolankalke“, sol-
keine technisch nutzbaren Festigkeiten erreicht. che mit Zement „Puzzolanzemente“.
Die Hydraulizität – das Reaktionsvermögen mit Puzzolane können auf natürlichem oder künstli-
Wasser – eines latent-hydraulischen Stoffes wird chem Wege entstehen. Ein gängiger Weg zum Er-
bestimmt durch seine physikalischen, chemischen halt eines Stoffes mit einem hohen Gehalt reakti-
und mineralogischen Eigenschaften. Die wichtigsten onsfähiger Kieselsäure ist das plötzliche Abkühlen
Kennwerte sind Glasgehalt und Mahlfeinheit. We- von SiO2-reichen Schmelzen von hohen Tempera-
sentlichen Einfluss auf die Hydraulizität hat jedoch turen (hoher Glasgehalt). In der Natur findet man
auch der CaO-Gehalt. Latent-hydraulische Stoffe deshalb Puzzolane vorwiegend unter den vulka-
haben einen mittleren CaO-Gehalt, wenn man sie nischen Gesteinen (Tuffe, Laven). Sie können au-
mit Puzzolanen und Zementen vergleicht (s. Abb. ßerdem durch sedimentäre Ablagerung von Kiesel-
3.1-12). Darauf basiert die eigene Reaktionsfähig- algen gebildet werden (Kieselgur, Molererde).
keit nach dem Anmachen mit Wasser. Zusätzliches, Künstliche Puzzolane entstehen als Nebenprodukte
von außen zugeführtes CaO beschleunigt diese Re- z. B. in Kohlekraftwerken (Flugasche aus den Fil-
aktion. Der „Anreger“ CaO bzw. Ca(OH)2 kann tern zur Abluftreinigung).
wiederum durch Mischung des latent-hydrau-
lischen Materials mit Portlandzement (s. 3.1.2.4) Anwendungsbereiche
oder Kalk (s. 3.1.2.3) zugeführt werden. Latent-hydraulische und puzzolanische Stoffe sind
Das meistverwendete latent-hydraulische Mate- wichtige Bindemittelkomponenten, die sowohl in
rial ist Hüttensand. Er wird durch schnelles Abküh- Kalken (hydraulische und hochhydraulische Kalke)
len und feines Zerteilen (i. d. R. mit Hilfe von Was- als auch in Zementen Anwendung finden.
988 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Für die Verwendung latent-hydraulischer und demittel und Gesteinskörnung mit einem Korn-
puzzolanischer Stoffe in großem Maßstab als Ze- durchmesser von bis zu 4 mm wird als „Mörtel“,
mentbestandteil sprechen verschiedene Gründe eine mit einem Korndurchmesser von mehr als
wirtschaftlicher, technologischer und ökologischer 4 mm als „Beton“ bezeichnet. Das weitaus wich-
Natur: tigste Bindemittel für Betone ist Zement. Beton
mit Zement als Bindemittel wird deshalb im all-
– Energieeinsparung (Zementproduktion erfor-
gemeinen Sprachgebrauch als „Beton“ (nicht als
dert hohe Brenntemperatur),
Zementbeton) bezeichnet.
– weniger Schadgasemission (da weniger Port-
Beton ist prinzipiell als 5-Stoffgemisch zu be-
landzementklinker produziert werden muss),
trachten. Er besteht entsprechend Abb. 3.1-15 aus
– Rohstoffeinsparung (viele dieser Zementbe-
Zement, Wasser, Gesteinskörnung, Zusatzstoffen
standteile sind industrielle Nebenprodukte),
und Zusatzmittel. Dabei sind die drei erstgenannten
– Deponieeinsparung (Verwertung industrieller
Stoffe immer enthalten, während die beiden letzt-
Nebenprodukte) und
genannten Stoffe optional sind: Sie dienen im We-
– gezielte Verbesserung bestimmter Zementeigen-
sentlichen der technologischen und wirtschaft-
schaften für bestimmte Anwendungsfälle.
lichen Optimierung der Betone. Die Unterschei-
Grundsätzlich können alle latent-hydraulischen dung zwischen Zusatzstoffen und Zusatzmitteln
und puzzolanischen Stoffe, die als Zementbestand- erfolgt über die Zugabemenge. An Zusatzmittel
teil verwendet werden, auch als Betonzusatzstoffe werden maximal 5 M.-%, bezogen auf den Ze-
dienen. mentgehalt, zugegeben. Diese werden beim Mi-
schungsentwurf und der Stoffraumrechnung men-
genmäßig nicht berücksichtigt, während Zusatz-
3.1.3 Beton stoffe (>5 M.-%) berücksichtigt werden müssen.
Normalbeton ist Beton mit geschlossenem Ge-
3.1.3.1 Allgemeines
füge und einer Festbetonrohdichte von mehr als
DIN 1045 Teil 2 regelt Festlegungen, Eigenschaften, 2000 kg/m3, höchstens 2600 kg/m3 (meist zwischen
Herstellung und die Konformität von Beton für 2200 und 2500 kg/m3). Wenn keine Verwechslung
Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. mit Leicht- (Rohdichte <2000 kg/m3) oder Schwer-
DIN 1045 Teil 2 ist das nationale Anwendungs- beton (Rohdichte >2600 kg/m3) möglich ist, wird
dokument zur europäischen Betonnorm DIN EN 206 er nur als „Beton“ bezeichnet. Beton kann jedoch
Teil 1. Grundsätzlich bietet Beton als Baustoff sehr nicht nur anhand seiner Rohdichte, sondern auch
günstige Eigenschaften aufgrund seiner nahezu un- unter anderen Gesichtspunkten eingeteilt werden,
begrenzten Gestaltungsmöglichkeiten, seiner sehr z. B. nach
flexibel einstellbaren technologischen Eigenschaften,
seiner hohen Dauerhaftigkeit und seiner Wirtschaft- – dem Erhärtungszustand: Frischbeton, Festbeton;
lichkeit. Die Nachteile des Baustoffs Beton sind im – der Druckfestigkeit: Druckfestigkeitsklasse C8/10
relativ hohen Gewicht zu sehen, im unvermeidlichen bis C100/115 für Normal- und Schwerbetone bzw.
Kriechen und Schwinden, in der relativ geringen LC8/9 bis LC80/88 für Leichtbetone;
Zugfestigkeit und der relativ aufwendigen Demon- – der verwendeten Zementart: Portlandzementbe-
tierbarkeit. Die folgenden Erläuterungen beziehen ton, Hochofenzementbeton;
sich im Wesentlichen auf Normalbeton; Sonderbe- – der verwendeten Gesteinskörnung: Kiessandbe-
tone werden in 3.1.3.9 behandelt. ton, (Naturstein-)Splittbeton, Grobbeton, Feinbe-
ton (Zementmörtel);
– der Konsistenz: steif, plastisch, weich, flüssig;
3.1.3.2 Zusammensetzung
– der Art des Transports, des Einbringens und des
und Klassifizierung
Verdichtens: Pump-, Spritz-, Schütt-, Prepakt-,
Mörtel und Beton sind Strukturbegriffe, die an den Colcrete-, Rüttelgrob-, Unterwasser-, Stampf-,
Korndurchmesser der Gesteinskörnung (früher: Rüttel-, Schock-, Schleuder-, Walz-, Vakuum-
Zuschlag) gebunden sind. Eine Mischung von Bin- beton und selbstverdichtender Beton;
3.1 Baustoffe 989

Abb. 3.1-15 Betonbestandteile und -zusammensetzung

– dem Ort und der Art der Herstellung: Baustellen- – Normalbeton bis C50/60
beton, Transportbeton (werk- oder fahrzeugge- fck,EN = 0,92 fck,DIN
mischt), Ortbeton, Betonwaren und Betonwerk- – Hochfester Beton ab C55/67
stein (im Betonsteinwerk hergestellt), Betonfer- fck,EN = 0,95 fck,DIN
tigteile.
Leichtbetone können auch nach der Rohdichte
Betonklassen klassifiziert werden (Tabelle 3.1-3).
Generell wird Beton nach seiner Druckfestigkeit DIN EN 206 Teil 1 in Verbindung mit DIN 1045
klassifiziert. Die Festigkeitsklasse eines Betons ist Teil 2 unterscheidet zwischen drei Betongruppen:
zugleich einer der Ausgangswerte für den statischen Beton nach Eigenschaften, Beton nach Zusammen-
Nachweis einer Betonkonstruktion [Reinhardt 2007]. setzung und Standardbeton.
In Tabelle 3.1-1 sind die Druckfestigkeitsklassen Beton nach Eigenschaft bedeutet, dass der Bestel-
für Normal- und Schwerbeton und in Tabelle 3.1-2 ler die geforderten Eigenschaften und zusätzliche Ei-
die Druckfestigkeitsklassen für Leichtbeton nach genschaften des Betons dem Hersteller gegenüber
DIN EN 206 Teil 1 in Verbindung mit DIN 1045 festlegt und dass der Hersteller für die Lieferung des
Teil 2 angegeben. Für die Klassifizierung darf die Betons verantwortlich ist, der die Eigenschaften und
charakteristische Festigkeit von Zylindern mit Anforderungen erfüllt. Bei der Bestellung des Betons
150 mm Durchmesser und 300 mm Länge nach werden folgende Festlegungen getroffen:
28 Tagen (fck,cyl) oder die charakteristische Festig-
keit von Würfeln mit 150 mm Kantenlänge nach – Bezug auf DIN 1045 Teil 2;
28 Tagen (fck,cube) verwendet werden. – Druckfestigkeitsklasse;
Die charakteristischen Festigkeiten beziehen – Expositionsklasse des Bauteils oder Bauwerks;
sich auf die Prüfung im Alter von 28 Tagen nach – Nennwert des Größtkorns der Gesteinskörnung;
einer Lagerung im Feuchtraum oder unter Wasser. – Art der Verwendung des Betons (unbewehrter
In Deutschland ist es jedoch üblich die Probe- Beton, Stahlbeton oder Spannbeton) oder Klasse
körper nach dem nationalen Anhang NA der DIN des Chloridgehaltes;
EN 12390 Teil 2 zu lagern. Das bedeutet die Pro- – Rohdichteklasse oder Zielwert der Rohdichte
bekörper werden 7 Tage feucht (unter Wasser oder (gilt zusätzlich für Leichtbeton);
in einer Feuchtkammer mit (20 ± 2)°C und > 95% – Zielwerte der Rohdichte (gilt zusätzlich für
relative Luftfeuchtigkeit) und 21 Tage im Normal- Schwerbeton);
klima 20°C/65% relative Luftfeuchtigkeit gelagert. – Konsistenzklasse oder, in besonderen Fällen,
Dementsprechend sind die ermittelten Druckfestig- Zielwert der Konsistenz (gilt zusätzlich für
keiten wie folgt umzurechnen: Transportbeton oder Baustellenbeton).
990 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.1-1 Druckfestigkeitsklassen für Normal- und Tabelle 3.1-2 Druckfestigkeitsklassen für Leichtbeton
Schwerbeton
Druck- charakteristische charakteristische
Druck- charakteristische charakteristische festigkeits- Mindestdruckfestig- Mindestdruckfestig-
festigkeits- Mindestdruckfestig- Mindestdruckfestig- klasse keit von Zylinder keit von Würfelna)
klasse keit von Zylinder keit von Würfeln fck,cyl fck,cube
fck,cyl fck,cube N/mm² N/mm²
N/mm² N/mm² LC8/9 8 9
C8/10 8 10 C12/13 12 13
C12/15 12 15 C16/18 16 18
C16/20 16 20 C20/22 20 22
C20/25 20 25 C25/28 25 28
C25/30 25 30 C30/33 30 33
C30/37 30 37 C35/38 35 38
C35/45 35 45 C40/44 40 44
C40/50 40 50 C45/50 45 50
C45/55 45 55 C50/55 50 55
C50/60 50 60 C55/60 55 60
C55/67 55 67 C60/66 60 66
C60/75 60 75 C70/77 70 77
C70/85 70 85 C80/88 80 88
C80/95 80 95 a) Es dürfen andere Werte verwendet werden, wenn das
C90/105 90 105 Verhältnis zwischen diesen Werten und der Referenzfes-
C100/115 100 115 tigkeit von Zylindern mit genügender Genauigkeit festge-
legt und dokumentiert worden ist.

Tabelle 3.1-3 Klasseneinteilung von Leichtbeton nach der Rohdichte

Rohdichteklasse D1,0 D1,2 D1,4 D1,6 D1,8 D2,0


Rohdichtebereich • 800 und > 800 und > 1200 und > 1400 und > 1600 und > 1800 und
kg/m³ ” 1000 ” 1200 ” 1400 ” 1600 ” 1800 ” 2000

Darüber hinaus können zusätzliche Anforderungen – andere technische Anforderungen (z. B. bezüg-
festgelegt werden und entsprechende Prüfverfah- lich des Erzielens einer besonderen Oberflä-
ren vereinbart werden: chenbeschaffenheit oder bezüglich besonderer
Einbringverfahren).
– besondere Arten oder Klassen von Zement (z. B.
Zement mit niedriger Hydratationswärme); Beton nach Zusammensetzung bedeutet, dass der
– besondere Arten oder Klassen von Gesteinskör- Besteller die Zusammensetzung des Betons und
nungen; die zu verwendeten Ausgangsstoffe festlegt. Der
– erforderliche Eigenschaft für den Widerstand Hersteller ist für die Bereitstellung des Betons mit
gegen Frosteinwirkung (z. B. Luftgehalt); der festgelegten Zusammensetzung verantwort-
– Frischbetontemperatur; lich. Bei der Bestellung des Betons werden fol-
– Festigkeitsentwicklung; genden Anforderungen festgelegt:
– Ansteifverhalten;
– Wassereindringwiderstand; – Bezug auf DIN 1045 Teil 2;
– Abriebwiderstand; – Zementgehalt;
– Spaltzugfestigkeit; – Zementart und Festigkeitsklasse des Zements;
3.1 Baustoffe 991

– Wasserzementwert oder Konsistenz durch An- – Druckfestigkeitsklasse;


gabe der Klasse oder, in besonderen Fällen, des – Expositionsklasse;
Zielwerts; – Nennwert des Größtkorns der Gesteinskörnung;
– Wasserzementwert oder Konsistenz durch An- – Konsistenzbezeichnung;
gabe der Klasse oder, in besonderen Fällen, des – falls erforderlich die Festigkeitsentwicklung.
Zielwerts;
Für Standardbeton entfällt die Güteüberwachung
– Art, Kategorie und maximaler Chloridgehalt der
am Ort der Herstellung.
Gesteinkörnung; bei Leichtbeton oder Schwer-
beton die Höchst- oder Mindestrohdichte; 3.1.3.3 Betonausgangsstoffe
– Nennwert des Größtkorns der Gesteinskörnung Im Folgenden werden die in Abb. 3.1-15 bereits auf-
und gegebenenfalls Beschränkungen der Sieb- geführten Betonausgangsstoffe einzeln behandelt.
linie;
Zemente
– Art und Menge der Zusatzmittel oder Zusatz-
Das breite Spektrum an Zementarten wurde bereits
stoffe, falls verwendet;
in 3.1.2.4 beschrieben. Für die Herstellung von
– falls Zusatzmittel oder Zusatzstoffe verwendet
Beton nach DIN 1045 Teil 2 in Verbindung mit
werden, die Herkunft dieser Ausgangstoffe und
DIN EN 206 Teil 1 müssen die verwendeten Ze-
des Zements, stellvertretend für Eigenschaften,
mente entweder genormt oder bauaufsichtlich zu-
die nicht definiert werden können.
gelassen und für den vorgesehenen Anwendungs-
fall geeignet sein.
Zusätzlich können folgende Anforderungen festge-
legt werden: Zugabewasser
DIN EN 1008 legt Anforderungen an Zugabewas-
– Herkunft einiger oder aller Betonausgangsstof-
ser für Beton fest. Danach ist jedes in der Natur
fe stellvertretend für Eigenschaften die nicht
vorkommende Wasser geeignet, soweit es nicht
anders definiert werden können;
Bestandteile enthält, die das Erhärten oder andere
– zusätzliche Anforderungen an die Gesteinskör-
Eigenschaften des Betons ungünstig beeinflussen
nung;
(z. B. Sulfat) oder den Korrosionsschutz der Be-
– Anforderungen an die Frischbetontemperatur
wehrung beeinträchtigen (z. B. Chlorid). Ungeeig-
bei Lieferung;
net sind demnach z. B. Industriewässer, die Öle,
– andere technische Anforderungen.
Fette, Zucker, Huminsäure, Kalisalze oder größere
Der Besteller eines Betons nach Zusammensetzung Anteile an SO3, freiem MgO und Chloriden enthal-
trägt eine große Verantwortung für die Eigen- ten. Da jeder Zement anders reagieren kann, ist im
schaften des Betons. Er wird einen solchen Beton Zweifelsfall eine Eignungsprüfung, ggf. auch mit
nur bestellen, wenn er die Zusammenhänge zwi- einem Vergleichsbeton, nötig. Für die Prüfung und
schen Zusammensetzung und Eigenschaften aus Beurteilung von Wasser unbekannter Zusammen-
eigener Erfahrung kennt. setzung und Wirkung als Zugabewasser gilt die
Standardbeton ist ein Normalbeton bis zur Druck- genannte Norm.
festigkeitsklasse C16/20. Er darf verwendet werden Diese Norm regelt auch die Wiederverwendung
für unbewehrte und bewehrte Betonbauwerke und ist von Restwasser als Zugabewasser, das auf dem
auf die Verwendung in den Expositionsklassen X0, Gelände der Betonproduktion anfällt und nach ent-
XC1 und XC2 begrenzt. Darüber hinaus darf Stan- sprechender Aufbereitung wieder verwendet wer-
dardbeton nur mit natürlichen Gesteinskörnungen den kann. Restwasser darf für die Herstellung von
hergestellt werden. Die Zugabe von Zusatzstoffen hochfestem Beton und für LP-Betone nicht ver-
und Zusatzmittel ist nicht erlaubt. Ferner ist in Abhän- wendet werden.
gigkeit von der Festigkeitsklasse und dem Konsis-
tenzbereich der Mindestzementgehalt der Betonre- Gesteinskörnungen
zeptur vorgegeben. Die Wahl des Zements richtet sich Mit Gesteinskörnung wird eine Mischung von unge-
nach der Expositionsklasse. Aus den genannten Ge- brochenen oder gebrochenen Körnern bezeichnet,
gebenheiten ist Standardbeton wie folgt festzulegen: die durch Zementleim zum Beton verkittet wird. Die
992 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Gesteinskörnung bildet mit 70 bis 80 Vol.-% men- leichte Gesteinskörnungen sind Schaumlava, Tuffe
genmäßig den Hauptbestandteil des Betons. Zur Her- und Holzfasern. Künstlich hergestellte leichte Ge-
stellung von Beton nach DIN EN 206 Teil 1 in Ver- steinskörnungen sind Blähton, Ziegelsplitt und
bindung mit DIN 1045 Teil 2 als geeignet gelten: Schaumkunststoffe.
Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620 und
– Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620;
leichte Gesteinskörnungen nach DIN EN 13055
– leichte Gesteinskörnungen nach DIN EN 13055
Teil 1 müssen je nach Verwendungszweck und Auf-
Teil 1;
gabe hinsichtlich Kornzusammensetzung, Reinheit,
– rezyklierte Gesteinskörnungen nach DIN 4226
Festigkeit, Kornform, Widerstand gegen Frost und
Teil 100.
Abnutzung nach DIN EN 206-1 in Verbindung mit
Gesteinkörnungen nach DIN EN 12620 haben eine DIN 1045 Teil 2 besonderen Anforderungen genü-
Kornrohdichte größer als 2000 kg/m3. Dabei wer- gen. Die Gesteinskörnungen dürfen nicht unter der
den Gesteinskörnungen mit einer Kornrohdichte Einwirkung von Wasser erweichen, sich nicht zer-
zwischen 2000 kg/m3 und 3000 kg/m3 (früher: setzen, mit den Zementbestandteilen keine schäd-
normale Gesteinskörnung) und Gesteinskörnungen lichen Verbindungen eingehen und den Korrosions-
mit einer Kornrohdichte von mindestens 3000 kg/ schutz der Bewehrung nicht beeinträchtigen.
m3 (früher: schwere Gesteinskörnung) berücksich- Rezyklierte Gesteinskörnungen nach DIN 4226
tigt. Teil 100 stammen aus der Aufbereitung bereits
Beispiele für natürlich gekörnte Gesteinskör- verwendeter Baustoffe. Die Anforderungen an re-
nungen mit einer Kornrohdichte zwischen 2000 kg/ zyklierte Gesteinskörnungen richten sich nach dem
m³ und 3000 kg/m³ sind Flusssand, Flusskies, Gru- Verwendungszweck. Hierbei gelten grundsätzlich
bensand und Grubenkies. Sie werden durch Baggern die gleichen Anforderungen wie in DIN EN 12620.
oder Saugen gewonnen, gewaschen und zu Korn- Darüber hinaus gibt es zusätzliche Anforderungen,
gruppen aufbereitet. Die mineralogische Zusam- die sich aus der Herkunft des Materials ergeben.
mensetzung wechselt stark, so dass Bezeichnungen Beispiele für rezyklierte Gesteinskörnungen mit
wie „Rheinkies“ oder „Mainkies“ kein Gütemerk- einer Kornrohdichte von mindestens 2000 kg/m3
mal sind. Beispiele für mechanisch zerkleinerte Ge- sind Betonsplitte und Betonbrechsande. Rezyklier-
steinskörnungen sind Brechsand, Splitt und Schotter. te Gesteinskörnungen mit einer Mindestkornroh-
Sie werden aus natürlichem Gestein oder aus künst- dichte von 1800 kg/m3 bzw. 1500 kg/m3 sind Mau-
lichem Gestein (Schlacken) gebrochen (z. T. mehr- erwerkssplitt und Mauerwerksbrechsande bzw.
fach), gewaschen und zu Korngruppen aufbereitet. Mischsplitt und Mischbrechsande.
Darüber hinaus können Gesteinskörnungen aus auf- Die Verwendung von rezyklierten Gesteinskör-
bereitetem Betonabbruch hergestellt werden (Beton- nungen für Beton und Mörtel ist in der DAfStb-
splitt). Gesteinskörnungen mit einer Kornrohdichte Richtlinie Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung
von mindestens 3000 kg/m3 dienen zur Herstellung geregelt. Danach dürfen für Beton nach DIN EN 206
von Schwerbetonen z. B. als Strahlenschutzbeton Teil 1 in Verbindung mit DIN 1045 Teil 2 entspre-
(Reaktor- und Krankenhausbau). Beispiele für na- chend der Richtlinie nur rezyklierte Gesteinskör-
türliche schwere Gesteinkörnungen (i. d. R. mecha- nungen des Typs I und II verwendet werden. In Ta-
nisch zerkleinert) sind Schwerspat (Baryt, BaSO4), belle 3.1-4 ist die Zusammensetzung verschiedener
Magnetit und Hämatit. Beispiele für künstlich her- rezyklierter Gesteinskörnungen aufgelistet.
gestellte schwere Gesteinkörnungen sind Stahl- Eine betontechnologisch sehr wichtige Eigen-
schrot, Stahlspäne, Schwermetallschlacken. schaft der Gesteinskörnung ist ihre Kornzusam-
Leichte Gesteinskörnungen (Gesteinskörnungen mensetzung (Sieblinie). Eine günstige Sieblinie
mit porigem Gefüge) nach DIN EN 13055 Teil 1 gewährleistet gute Betonqualität durch die Erfül-
dienen zur Herstellung von Leichtbeton und weisen lung folgender Aufgaben:
eine Kornrohdichte von maximal 2000 kg/m3 auf.
Beispiele für natürlich gekörnte leichte Gesteinskör- – Der Kornaufbau soll ein dichtes Korngerüst er-
nungen sind Naturbims, Lavakies und Lavasand. geben, damit der Zementleimgehalt zum Aus-
Beispiele für mechanisch zerkleinerte natürliche füllen der Zwischenräume gering ist.
3.1 Baustoffe 993

Tabelle 3.1-4 Zusammensetzung verschiedener rezyklierter Gesteinskörnungen

Rezyklierte Gesteinskörnungen Bestandteile in M.-%


(Liefertypen)
Beton, Gesteins- Klinker, Kalksand- Andere Asphalt Fremdbe-
körnung1) Ziegel stein Bestandteile2) standteile2)
Betonsplitt/Betonbrechsand •90 ”10 ”2 ”1 ”0,2
(Typ 1)
Bauwerkssplitt/Bauwerksbrechsand •70 ”30 ”3 ”1 ”0,5
(Typ 2)
Mauerwerkssplitt/Mauerwerks- ”20 •80 ”5 ”5 ”1 ”0,5
brechsand (Typ 3)
Mischsplitt/Mischbrechsand (Typ 4) •80 ”20 ”1,0
1) nach DIN 4226-100
2) z. B. porosierte Ziegel, Leichtbeton, Porenbeton
3) z. B. Glas, Keramik

Abb. 3.1-16 Regelsieblinie für Zuschlaggemische 0/32 mm nach DIN 1045

– Die Oberfläche soll möglichst klein, die Ge- körnung). Ein Korngemisch mit unstetiger Sieb-
steinskörnung also möglichst grob sein, um die linie kann gegenüber einem Korngemisch mit ste-
zur Umhüllung benötigte Zementleimmenge tiger Sieblinie einen geringeren Wasseranspruch
gering halten zu können. haben. Darüber hinaus können Betone mit Aus-
fallkörnung von üblichen Betonen abweichende
Die günstigsten Bedingungen werden durch die Frisch- und Festbetoneigenschaften aufweisen.
Regelsieblinien z. B. der DIN 1045 Teil 2 gegeben.
Dort existieren Regelsieblinien für Maximalkorn- Betonzusatzstoffe
größen von 8, 16 und 32 mm (Abb. 3.1-16). Man Betonzusatzstoffe sind fein aufgeteilte minera-
unterscheidet zwischen den stetigen Sieblinien A, lische Stoffe, z. T. auch mit organischen Bestand-
B und C und der unstetigen Sieblinie U (Ausfall- teilen, die (im Gegensatz zur Verwendung als Ze-
994 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

mentbestandteil, s. 3.1.2.5) dem Beton im Beton- – die Verarbeitbarkeit bei gleichem Wassergehalt
mischer zugegeben werden. Ziel der Zugabe ist die verbessern und das Bluten vermindern,
Beeinflussung bestimmter Betoneigenschaften. – die Wasserdichtheit und die chemische Wider-
Beim Mischungsentwurf sind Zusatzstoffe prinzi- standsfähigkeit durch eine Verfeinerung der Po-
piell in die Stoffraumrechnung einzubeziehen. renstruktur erhöhen,
Zu den organischen Zusatzstoffen gehören z. B. – die Hydratationswärme, das Schwindmaß und
Kunststoffdispersionen. In DIN EN 206 Teil 1 in damit die Reißneigung verringern,
Verbindung mit DIN 1045 Teil 2 wird bei den anor- – die Entstehung von Ausblühungen durch
ganischen Zusatzstoffen zwischen nahezu inakti- Ca(OH)2-Bindung verhindern.
ven Zusatzstoffen (Typ I) und puzzolanischen oder
latent-hydraulischen Zusatzstoffen (Typ II) unter- Diese Wirkung von Puzzolanen in Betonen und Mör-
schieden. Während Typ I-Zusatzstoffe nicht mit teln beruht auf folgenden drei prinzipiellen Mecha-
Zement und Wasser reagieren, sind Typ II-Zusatz- nismen:
stoffe reaktionsfähig und liefern einen gewissen
– der rheologischen Wirkung im Frischbeton (vgl.
Beitrag zur Betonfestigkeit. Gesteinsmehle nach
3.1.3.6),
DIN EN 12620 und Pigmente nach DIN EN 12787
– dem im wesentlichen physikalischen Füllereffekt,
können als Typ I-Zusatzstoff für die Herstellung
– ihrer puzzolanischen Reaktionsfähigkeit.
von Beton verwendet werden. In Deutschland wer-
den als Typ II-Zusatzstoffe nur künstliche puzzola- Dabei treten die beiden erstgenannten Wirkungen
nische Zusatzstoffe wie Flugasche nach DIN EN ebenso bei inerten Zusatzstoffen auf. Der wesent-
450 Teil 1, Silikastaub nach DIN EN 13263 Teil 1 liche Unterschied mit entscheidenden Konsequenzen
oder Trass nach DIN 51034 eingesetzt. für die Dauerhaftigkeit und Festigkeit des Betons
Zusatzstoffe, die von den technischen Regeln basiert auf der puzzolanischen Reaktionsfähigkeit.
abweichen oder für die keine entsprechend einge- Die in Deutschland als Betonzusatzstoffe ge-
führten technischen Regeln existieren, benötigen bräuchlichsten Puzzolane sind natürlicher Trass
eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Die nach DIN 51043, Flugaschen (FA) nach DIN EN
Anforderungen an diesen Zusatzstoff werden im 450 Teil 1 und Silicastaub (SF) nach DIN EN 13263
Zulassungsbescheid festgelegt. Teil 1. Inwiefern Puzzolane die Festigkeit beein-
flussen, soll anhand der in Abb. 3.1-17 dargestell-
Puzzolane. Sie stellen die wichtigste Klasse der Zu- ten Festigkeitsentwicklung von drei verschiedenen
satzstoffe dar. Sie können Flugaschen kurz erläutert werden.

Abb. 3.1-17 Einfluss von Steinkohlenflugasche auf die Festigkeitsentwicklung


3.1 Baustoffe 995

Durch den Austausch im Verhältnis 1:1 gegen weise verwendeten organischen Pigmente erfüllen
Zement ist die Festigkeit der zusatzstoffhaltigen diese Bedingungen meist nicht. Daher kommen vor-
Mischungen in jungem Alter im Vergleich zur Refe- wiegend anorganische Pigmente aus Metalloxiden,
renzmischung deutlich niedriger. Dieser „Verdün- Metallsalzen oder Kohlenstoffpigmente zur Anwen-
nungseffekt“ ist für FA und Quarzmehl etwa gleich, dung. In DIN EN 12878 sind die Anforderungen an
d. h., es liegt bis zum Alter von etwa sieben Tagen Pigmente geregelt. Für die Farben werden folgende
kein signifikanter Festigkeitsbeitrag durch eine Re- Oxide verwendet:
aktion der FA vor. Zwischen sieben und 14 Tagen
– rot, gelb, braun, schwarz: Eisenoxide;
bewirkt die FA im Vergleich zu Quarzmehl eine
– weiß: Titanoxid;
stärkere Festigkeitssteigerung, was auf den Beginn
– grün: Chromoxid;
der puzzolanischen Reaktion der FA zurückzufüh-
– blau: Cobaltblau.
ren ist. Durch die puzzolanische Reaktion kommt
es im höheren Alter (ein Jahr) zu einer weiteren Kunstoffzusätze. Sie können aus verschiedenen
Porenverdichtung, so dass die flugaschehaltigen Mi- Kunststoffen bestehen, dürfen aber durch die Alka-
schungen eine höhere Druckfestigkeit aufweisen als lien des Zements nicht verseifen. Sie können fol-
die entsprechenden Vergleichsmischungen. gende Betoneigenschaften vergrößern:
Die Wirkung von reaktiven Zusatzstoffen in
– Zugfestigkeit,
Beton nach DIN EN 206 Teil 1 in Verbindung mit
– Haftfestigkeit,
DIN 1045 Teil 2 wird pauschal durch einen so ge-
– Schlagfestigkeit,
nannten k-Wert berücksichtigt.
– Kriechen,
Aufgrund von vorliegenden Untersuchungser-
– chemische Widerstandsfähigkeit
gebnissen wurde der k-Wert von Flugasche nach
DIN EN 450 Teil 1 zu 0,4 und der von Silikastaub bzw. verringern:
zu 1,0 festgelegt. Das bedeutet, dass gemäß
– Druckfestigkeit,
DIN EN 206 Teil 1 in Verbindung mit DIN 1045
– Elastizitätsmodul,
Teil 2 statt des w/z-Wertes der äquivalente w/z-
– Rückprall bei Spritzbeton,
Wert
– Reißneigung.
. (3.1.1)
Betonzusatzmittel
Betonzusatzmittel gibt man flüssig oder pulverför-
beim Nachweis des maximal zulässigen w/z-Wer- mig dem Beton zu, um durch chemische und/oder
tes zugrunde gelegt werden kann. Die auf den physikalische Wirkung die natürlichen Eigenschaften
Wasserzementwert maximal anrechenbare Menge von Beton oder Mörtel besonderen Anforderungen
an Flugasche f ist in Abhängigkeit vom verwende- anzupassen bzw. günstig zu beeinflussen. Die Wir-
ten Zement begrenzt und kann bis zu f/z ” 0,33 (für kungsweise der Zusatzmittel ist vielseitig; sie beruht
CEM I) betragen. Die anrechenbare Höchstmenge u. a. auf elektrochemischen Vorgängen, wobei orga-
an Silikastaub ist auf s/z ” 0,11 begrenzt. nische Stoffe hydrophob (z. B. bei Luftporenbild-
nern) oder hydrophil (z. B. bei Betonverflüssigern)
Pigmente. Die Pigmente zum Einfärben von Beton wirken. In Abb. 3.1-18 ist eine Übersicht über ver-
sind, wie bereits erwähnt, inaktive Zusatzstoffe, die schiedene Betonzusatzmittel gegeben.
zur Herstellung von Beton nach DIN EN 206 Teil 1 Es ist zu berücksichtigen, dass gelegentlich eine
in Verbindung mit DIN 1045 Teil 2 verwendet wer- Eigenschaft auf Kosten einer anderen verbessert
den können. Sie müssen beständig und wasserun- wird. So können z. B. die Raumbeständigkeit, das
löslich sein, dürfen die betontechnologischen Eigen- Erstarren, der Frostwiderstand, die Wasseraufnahme
schaften nicht nachteilig beeinflussen, müssen licht- oder die Wasserdichtheit negativ beeinflusst werden.
und wetterstabil und ggf. bei größeren thermischen Die Anforderungen an Betonzusatzmittel für
Belastungen auch hitzestabil sein und höchste Kons- die Verwendung in Beton, Stahlbeton und Spann-
tanz in Farbton und Farbstärke aufweisen. Die teil- beton sind in der Normen der Serie DIN EN 934
996 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.1-18 Betonzusatzmittel mit Wirkung auf den Frischbeton

geregelt. Die Verwendung dieser Betonzusatzmit- deren geotechnischen Arbeiten (Spezialtiefbau) –


tel sind in DIN 1045 Teil 2 und DIN 447 geregelt. Bohrpfähle (02/2005)
Die Verwendung von Spritzbetonbeschleuniger
nach DIN EN 934 Teil 5 ist bis zur Neufassung der Fasern
DIN 18551 noch nicht geregelt, sie benötigen für Für die Herstellung von Faserbeton werden über-
ihre Verwendung vorläufig eine allgemeine bau- wiegend Fasern aus Stahl, alkaliresistentem Glas,
aufsichtliche Zulassung. Kunststoff oder Kohlenstoff eingesetzt. Fasern
Bestimmte Wirkungsgruppen wie z. B. Schaum- weisen im Vergleich zu ihren Querschnittsabmes-
bildner (zur Herstellung von Schaumbeton), Ab- sungen eine große Länge auf. Ihre wichtigste Ei-
dichtungsmittel (Zugabe erfolgt bei der Betonher- genschaft ist die Zugfestigkeit. Sie verleihen dem
stellung in Pulverform) und Korrosionsinhibitoren Beton die erforderliche Verformbarkeit bei Zug-
sind in der Normenserie DIN EN 934 nicht gere- und Biegebeanspruchung (Duktilität). In Verbin-
gelt. Solche Betonzusatzmittel benötigen für das dung mit konventioneller schlaffer oder vorge-
Produkt und deren Verwendung in Beton, Stahlbe- spannter Bewehrung werden Fasern häufig dazu
ton und Spannbeton nach DIN 1045 Teil 2 eine all- genutzt die Breite von Rissen zu beschränken.
gemeine bauaufsichtliche Zulassung. Darüber hinaus verbessern sie die Schlagfestigkeit
Beim Einsatz von Betonzusatzmitteln ist i. d. R. von Beton. Die Zugabe von Kunststofffasern ver-
eine Erstprüfung für den herzustellenden Beton er- mindert die Schrumpfrissbildung und führen zu
forderlich. einer Verbesserung des Brandverhaltens.
Stahlfasern bzw. Polymerfasern sind in
Neue Normen für Betonzusatzmittel und Zemente DIN EN 14889 Teil 1 bzw. Teil 2 geregelt und kön-
DIN 447: Einpressmörtel für Spannglieder, An- nen für die Herstellung von Beton als Zusatzstoff
forderungen für üblichen Einpressmörtel verwendet werden. In Deutschland benötigen Po-
DIN EN 934 Teil 1: Zusatzmittel für Beton, lymerfasern einen eigenen Verwendbarkeitsnach-
Mörtel und Einpressmörtel – Teil 1: Gemeinsame weis in Form einer allgemeinen bauaufsichtlichen
Anforderungen (04/2008) Zulassung. Lose Stahlfasern dürfen als Zusatzstoff
DIN EN 934 Teil 5: Zusatzmittel für Beton, zur Herstellung von Beton nach DIN 1045 Teil 2
Mörtel und Einpressmörtel – Zusatzmittel für verwendet werden. Geklebte Stahlfasern oder
Spritzbeton – Begriffe, Anforderungen, Konformi- Stahlfasern, die in einer Dosierverpackung dem
tät, Kennzeichnung und Beschriftung (02/2008) Beton zugegeben werden, benötigen für die Ver-
DIN EN 1536: Ausführung von besonderen wendung in Beton eine allgemeine bauaufsicht-
geotechnischen Arbeiten (Spezialtiefbau) – Bohr- liche Zulassung. Für die Herstellung von Spannbe-
pfähle (06/1999) ton ist die Zugabe von verzinkten Stahlfasern aus-
DIN-Fachbericht 129: Anwendungsdokument geschlossen.
zu DIN EN 1536:1999-06, Ausführung von beson-
3.1 Baustoffe 997

3.1.3.4 Betonzusammensetzung Tabelle 3.1-5 Expositionsklassen nach DIN EN 206 Teil 1


Die Betonzusammensetzung wird so konzipiert, in Verbindung mit DIN 1045 Teil 2 [Zementtaschenbuch
dass die im jeweiligen Anwendungsfall geforder- 2008]
ten Verarbeitungs- und Festbetoneigenschaften Klasse Bezeichnung
(Festigkeit und Dauerhaftigkeit) gewährleistet
Expositionsklassen
sind. DIN EN 206 Teil 1 in Verbindung mit
(Bewehrungskorrosion)
DIN 1045 Teil 2 regelt die Anforderungen an die
karbonatisierungsinduzierte Korrosion XC1 bis XC4
Betonzusammensetzung für Tragwerke aus Beton,
chloridinduzierte Korrosion XD1 bis XD3
Stahlbeton und Spannbeton.
chloridinduzierte Korrosion aus XS1 bis XS3
Die Betonzusammensetzung muss auf die An-
Meerwasser
wendung abgestimmt werden. Um eine ausrei-
Expositionsklassen (Betonangriff)
chende Dauerhaftigkeit des Bauteils zu gewähr-
kein Angriffsrisiko X0
leisten, darf je nach Expositionsklasse der maximale
chemischer Angriff XA1 bis XA3
Wasserzementwert nicht überschritten werden
Frost-Tauwechsel-Angriff XF1 bis XF4
bzw. der Mindestzementgehalt muss eingehalten
(ohne/mit Taumittel)
werden. Eine weitere wichtige Einflussgröße auf
Verschleißangriff XM1 bis XM3
die Dauerhaftigkeit ist die Zementart.
Feuchtigkeitsklassen WO, WF, WA, WS
In DIN EN 206-1 in Verbindung mit DIN 1045 (Alkali-Kieselsäure-Reaktion)
Teil 2 wurden daher Expositionsklassen- und
Feuchtigkeitsklassen in Abhängigkeit von den
Umweltbedingungen festgelegt. In Tabelle 3.1-5
sind die Expositionsklassen und Feuchtigkeitsklas- Damit Beton gut verarbeitbar ist, ein geschlossenes
sen nach DIN EN 206 Teil 1 in Verbindung mit Gefüge erhält und kein Wasser absondert, muss er
DIN 1045 Teil 2 aufgeführt. Häufig wird die zu eine vom Größtkorn der Gesteinskörnung abhän-
wählende Betonzusammensetzung für ein dauer- gige Menge Mehlkorn enthalten. Als Mehlkorn
haftes Bauwerk stärker durch die Umweltbedin- sind alle Partikel mit Größen <0,125 mm definiert.
gungen als durch statisch konstruktive Vorgaben Das bedeutet, dass der gesamte Zement – i. d. R.
beeinflusst [Zementtaschenbuch 2008]. die gesamte Menge an Zement- und Zusatzstoffen
In den Tabellen 3.1-6 und 3.1-7 sind die Grenz- – sowie Feinstanteile des Sandes dem Mehlkorn
werte für die Zusammensetzung und die Eigen- zuzurechnen sind. In Tabelle 3.1-8 sind die höchst-
schaften von Beton für die jeweiligen Expositions- zulässigen Mehlkorngehalte für Beton mit einem
klassen aufgeführt. Darüber hinaus sind die freige- Größtkorn der Gesteinskörnung von 16 mm bis 63
gebenen Anwendungsbereiche der Zemente zur mm in Abhängigkeit von der Betonfestigkeit und
Herstellung von Beton nach DIN 1045 Teil 2 in Expositionsklasse nach DIN EN 206 Teil 1 in Ver-
Abhängigkeit von den jeweiligen Expositionsklas- bindung mit DIN 1045 Teil 2 angegeben.
sen zu beachten.
Neben dem geforderten Wasserzementwert
3.1.3.5 Betonherstellung
müssen auch der Mindestzementgehalt und der
Mehlkorngehalt des Betons eingehalten werden. Mischen
Der Zementgehalt stellt einerseits die Hohlraum- Die Wirksamkeit des Mischvorgangs hat Einfluss
ausfüllung zwischen der Gesteinskörnung und an- auf Wasserbedarf, Verdichtbarkeit und Hydratati-
dererseits die Verarbeitung des Betons sicher. Die on. Es soll eine gute und gleichmäßige Verteilung
Zementzugabemenge ist jedoch nach oben hin der Betonausgangsstoffe gewährleistet werden.
durch folgende Eigenschaften bzw. wirtschaftliche Das Mischen der Ausgangsstoffe muss nach
Aspekte begrenzt: DIN EN 206 Teil 1 in Verbindung mit DIN 1045
Teil 2 in einem mechanischen Mischer erfolgen
– das Schwindmaß, und so lange dauern, bis die Mischung gleichför-
– die Hydratationswärme und mig erscheint. Im Allgemeinen gilt Leichtbeton
– die Kosten. bei einer Mindestmischzeit von 90 s, Normalbeton
Tabelle 3.1-6 Grenzwerte für die Zusammensetzung und Eigenschaft von Beton – Teil 1

998
kein Korrosions- Bewehrungskorrosion
oder Angriffsrisiko
durch Karbonatisierung verursachte durch Chloride verursachte Korrosion
Korrosion
Chloride außer Meerwasser Chloride aus Meerwasser
Nr. Expositionsklassen X0a XC1 XC2 XC3 XC4 XD1 XD2 XD3 XS1 XS2 XS3
1 Höchstzulässiger w/z – 0,75 0,65 0,60 0,55 0,50 0,45
2 Mindestdruckfestig-
C8/10 C16/20 C20/25 C25/30 C30/37d C35/45de C35/45
keitsklasseb
3 Mindestzementgehaltc – 240
260 280 300 320 320
in kg/m³ siehe XD1 siehe XD2 siehe XD3
4 Mindestzementgehaltc – 240
bei Anrechnung von 240 270 270 270 270
Zusatzstoffen in kg/m³
5 Mindestluftgehalt in % – – – – – – – –
6 Andere Anforderungen – –
a Nur für Beton ohne Bewehrung oder eingebettetes Metall.
b Gilt nicht für Leichtbeton.
c Bei einem Größtkorn der Gesteinskörnung von 63 mm darf der Zementgehalt um 30 kg/m³ reduziert werden.
d Bei Verwendung von Luftporenbeton, z. B. aufgrund gleichzeitiger Anforderung aus der Expositionsklasse XF, eine Festigkeitsklasse niedriger.
e Bei langsam und sehr langsam erhärtenden Betonen (r < 0,30) eine Festigkeitsklasse niedriger. Die Druckfestigkeit zur Einteilung in die geforderte Druckfestigkeits-
klasse ist auch in diesem Fall an Probekörpern im Alter von 28 Tagen zu bestimmen.
3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau
Tabelle 3.1-7 Grenzwerte für die Zusammensetzung und Eigenschaft von Beton – Teil 2

Betonkorrosion
Frostangriff Aggressive chemische Um- Verschleißbeanspruchungh
3.1 Baustoffe

gebung
Nr. Expositionsklassen XF1 XF2 XF3 XF4 XA1 XA2 XA3 XM1 XM2 XM3
1 Höchstzulässiger w/z 0,60 0,55g 0,50 0,55 0,50 0,50g 0,60 0,50 0,45 0,55 0,55 0,45 0,45
2 Mindestdruckfestig- e
C25/30 C25/30 C35/45 C25/30 C35/45e C30/37 C25/30 C35/45de C35/45d C30/37d C30/37d C35/45d C35/45d
keitsklasseb
3 Mindestzementgehaltc
280 300 320 300 320 320 280 320 320 300i 300i 320i 320i
in kg/m³
4 Mindestzementgehalt c

bei Anrechnung von 270 270g 270g 270 270 270g 270 270 270 270 270 270 270
Zusatzstoffen in kg/m³
5 Mindestluftgehalt in % – f – f – f,j – – – – – – –
6 Andere Anforderungen Gesteinskörnungen für die Expositionsklasse XF1 bis XF4 Oberflä-
chenbe- Einstreuen
von Hartstof-
– – l – handlung –
F4 MS25 F2 MS18 des fen nach
Betonsk DIN 1100

b, c, d und e siehe Fußnoten in Tabelle 3.1-6


f Der mittlere Luftgehalt im Frischbeton unmittelbar vor dem Einbau muss bei einem Größtkorn der Gesteinskörnung von 8 mm • 5,5 Vol.-%, 16 mm mm • 4,5
Vol.-%, 32 mm • 4,0 Vol.-% und 63 mm • 3,5 Vol.-% betragen.
Einzelwerte dürfen diese Anforderungen um höchstens 0,5 Vol.-% unterschreiten.
g Die Anrechnung auf den Mindestzementgehalt und den Wasserzementwert ist nur bei Verwendung von Flugasche zulässig. Weitere Zusatzstoffe des Typs II dür-
fen zugesetzt, aber nicht auf den Zementgehalt oder den w/z-Wert angerechnet werden. Bei gleichzeitiger Zugabe von Flugasche und Silikatstaub ist eine Anrech-
nung auch für die Flugasche ausgeschlossen.
h Es dürfen nur Gesteinkörnungen nach DIN EN 12620 verwendet werden.
i Höchstzementgehalt 360 kg/m³, jedoch nicht bei hochfesten Betonen.
j Erdfeuchter Beton mit w/z ” 0,40 darf ohne Luftporen hergestellt werden.
k Z. B. Vakuumieren und Flügelglätten des Betons.
l Schutzmaßnahmen siehe Abschnitt 5.3.2 der DIN 1045 Teil 2.
999
1000 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.1-8 Höchstzulässiger Mehlkorngehalt für Beton Transport, Einbau und Verdichtung
mit einem Größtkorn der Gesteinskörnung von 16 mm bis Heute wird – bis auf Ausnahmen (sehr große Bau-
63 mm stellen) – der gesamte Baustellenbeton als Trans-
Zementgehalt Höchstzulässiger portbeton geliefert und eingebaut, und zwar char-
Mehlkorngehalt genweise in Behältern oder kontinuierlich über
bis zur Betonfestigkeitsklasse C50/60 u. LC 50/55 bei den Förderbänder oder durch Rohrleitungen.
Expositionsklassen XF und XM Beim Einbringen des Frischbetons müssen Ent-
” 300 kg/m³ 400 kg/m³ mischungen vermieden werden, da sie und Nester-
• 350 kg/m³ 450 kg/m³ bildung die Festigkeit, die Wasserdichtheit, das
ab der Betonfestigkeitsklasse C55/76 und LC55/60 bei allen Aussehen (Sichtbeton) und den Korrosionsschutz
Expositionsklassen der Bewehrung beeinträchtigen.
” 400 kg/m³ 500 kg/m³ Da der Frischbeton nach dem Mischen einen
450 550 kg/m³ mehr oder weniger hohen Anteil an Luft enthält,
• 500 kg/m³ 600 kg/m³ der die Festbetoneigenschaften sehr nachteilig be-
einflussen würde, muss er möglichst vollkommen
verdichtet werden (Abb. 3.1-19). Dazu dienen
bei einer Mindestmischzeit von 30 s als gleichmä- verschiedene Verdichtungsverfahren, deren Wir-
ßig durchmischt. In Mischerfahrzeugen wird der kung sehr unterschiedlich ist, so dass ihre Anwen-
zweckmäßig gemischte Beton während der Fahrt dung auf die Verdichtbarkeit des Betons eingestellt
ständig bewegt oder mit stehender Trommel zur werden muss. Außer in Sonderfällen wird Beton
Verwendungsstelle gefahren. durch Rütteln mit Innenrütteln, Außenrütteln,
Oberflächenrütteln, Schalungsrüttlern oder Rüttel-
Maschinenmischung. Sie erfolgt chargenweise in tisch verdichtet.
Freifall- oder Zwangsmischern oder kontinuierlich Beim Rütteln werden die statischen Kräfte auf-
in Durchlaufmischern. Die Mischart muss auf das gehoben: Der Beton verhält sich ähnlich wie eine
Mischgut abgestimmt sein. Flüssigkeit, und die schweren Teile sinken nach
unten und nehmen eine dichtere Lagerung ein. Be-
Mischfahrzeug. Mischfahrzeuge dienen zum Trans- sonders bei weichen Betonen ist darauf zu achten,
portieren und Mischen von Beton weicher und dass durch das Rütteln wegen des großen Dichte-
plastischer Konsistenz in Freifallmischern, der im unterschieds von Zuschlagkorn und Zementleim
Transportbetonwerk entweder nur dosiert oder keine Entmischungen auftreten. Beim Rütteln soll
auch gemischt wurde. sich auf der Oberfläche eine geschlossene Schicht

Abb. 3.1-19 Einfluss der Verdichtung auf die Festigkeit


3.1 Baustoffe 1001

zähen Mörtels bilden; wässriger Zementleim weist Nach dem Reifegradkonzept wird die Nachbe-
auf Entmischung hin. handlungsdauer in Abhängigkeit der Festigkeits-
entwicklung angegeben. Die Festigkeitsentwicklung
Nachbehandlung wird über das Festigkeitsverhältnis fcm,2/fcm,28 abge-
Eine ausreichende Nachbehandlung ist nicht nur schätzt. In Tabelle 3.1-9 sind Mindestnachbehand-
für den Schutz vor Wasserverlust im grünen und lungsdauern in Abhängigkeit von der Expositions-
jungen Beton (Frühschwinden, Rissbildung) von klasse aufgeführt. Der Verhältniswert r ist umso ge-
Bedeutung. Wegen der Abhängigkeit der Hydrata- ringer, je langsamer der Beton hydratisiert.
tion von Temperatur und Feuchtigkeit muss der Näherungsweise kann der Reifegrad aber auch
Beton auch während der ersten Zeit des Erhärtens über die zeitliche Entwicklung der Betondruckfestig-
gegen schädigende Einflüsse wie Hitze, Wind keit abgeschätzt werden. Entsprechend fordert die
(Austrocknen), Kälte, strömendes Wasser (Auswa- DIN 1045 Teil 3, dass der Beton so lange nachbe-
schen), chemische Angriffe und Erschütterungen handelt werden muss, bis die Druckfestigkeit in der
geschützt werden. Mit Rücksicht auf das Schwin- oberflächennahen Schicht einen bestimmten Pro-
den und insbesondere den Korrosionsschutz der zentsatz der charakteristischen Druckfestigkeit des
Bewehrung ist er möglichst sieben bis 15 Tage verwendeten Betons hat. Dieser Prozentsatz hängt
lang dauernd feucht zu halten. von der jeweiligen Expositionsklasse ab, der das

Tabelle 3.1-9 Mindestdauer der Nachbehandlung von Beton nach DIN 1045 Teil 3

Oberflächentemperatur - in °Ce Mindestdauer der Nachbehandlung in Tagena


Festigkeitsentwicklung des Betons
r = fcm2/fcm28d
schnell mittel langsam sehr langsam
r • 0,50 r • 0,30 r • 0,15 < 0,15
- • 25 1 2 2 3
X0, CX1 und
alle außer

25 > - • 15 1 2 4 5
XM

15 > - • 10 2 4 7 10
10 > - • 5b 3 6 10 15
Frischbetontemperatur -fb in °C zum
Zeitpunkt des Betoneinbaus
-fb • 15 1 2 4 –
XC4 und XF1
XC2, XC3,

10 ” -fb < 15 2 4 7 –
5 ” -fb < 10 4 8 14

a Bei mehr als 5 h Verarbeitungszeit ist die Nachbehandlung angemessen zu verlängern.


b Bei Temperaturen unter 5°C ist die Nachbehandlungsdauer um die Zeit zu verlängern, während der die Temperatur unter
5°C lag.
c Die Festigkeitsentwicklung des Betons wird durch das Verhältnis der Mittelwerte der Druckfestigkeiten nach 2 Tagen
und nach 28 Tagen (ermittelt nach DIN EN 12390 Teil 3) beschrieben, das bei der Eignungsprüfung oder auf der Grund-
lage eines bekannten Verhältnisses von Beton vergleichbarer Zusammensetzung (d. h. gleicher Zement, gleicher w/z-
Wert) ermittelt wurde. Wird bei besonderen Anwendungen die Druckfestigkeit zu einem späteren Zeitpunkt als 28 Tage
bestimmt, ist für die Ermittlung der Nachbehandlungsdauer der Schätzwert des Festigkeitsverhältnisses entsprechend aus
dem Verhältnis der mittleren Druckfestigkeit nach 2 Tagen (fcm,2) zur mittleren Druckfestigkeit zum Zeitpunkt der Be-
stimmung der Druckfestigkeit zu ermitteln oder die Festigkeitsentwicklungskurve bei 20°C zwischen 2 Tagen und dem
Zeitpunkt der Bestimmung der Druckfestigkeit anzugeben.
d Zwischenwerte dürfen eingeschaltet werden.
e Anstelle der Oberflächentemperatur des Betons darf die Lufttemperatur angesetzt werden.
1002 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Bauteil ausgesetzt ist. Für die Expositionsklasse Physikalisch eindeutige Kennwerte für die Verar-
X0, XC1 und XM (unbewehrter Beton oder Innen- beitbarkeit kann man nur in rheologischen Unter-
bauteile) beträgt er 50% und für die Expositions- suchungen erhalten. Sie liegen für Zementleim und
klasse XM (Verschleißbeanspruchung) 70%. Da- Zementmörtel in großem Umfang vor, sind jedoch
mit wird sichergestellt, dass der Beton ausreichend nicht ohne weiteres auf den Frischbeton zu über-
vor Witterungseinflüssen, insbesondere Austrock- tragen, da hier nicht nur das Fließvermögen der
nung, geschützt wird. Matrix, sondern in großem Maße die innere Rei-
Besonders wichtig ist eine sorgfältige Nachbe- bung durch die Gesteinskörnung maßgebend ist.
handlung Die Konsistenz quantifiziert die Verarbeitbarkeit
des Frischbetons. Beschreibend kann man folgende
– bei Betonen, die relativ langsam erhärten (z. B.
Konsistenzbereiche unterscheiden:
bei Zement mit hohem Hüttensandgehalt, bei
Flugasche als Zusatzstoff, bei niedrigen Außen- – sehr steif,
temperaturen), – steif,
– bei Betonen, die an der Oberfläche besonders – plastisch,
stark beansprucht werden (z. B. Beton, der ho- – weich,
hen Widerstand gegen Frost, chemischen An- – sehr weich,
griff und Verschleiß haben soll), – fließfähig,
– bei wasserundurchlässigem Beton, – sehr fließfähig.
– bei Sichtbeton und
Je nach Land werden folgende Konsistenzprüfver-
– bei dünnen Schichten (z. B. Estrichen).
fahren bevorzugt:
Für die Nachbehandlung kommen z. B. Feuchthal-
– Setzmaß,
ten durch Besprühen und/oder feuchte Tücher in
– Setzzeit (Vébé),
Betracht. Einen Schutz gegen Austrocknen bieten
– Verdichtungsmaß,
auch Schutzdächer und Abdeckungen mit Gewe-
– Ausbreitmaß.
bebahnen, Schilf- oder Strohmatten, Kunststoff-
folien und Nachbehandlungsfilme, die nach leich-
tem Abtrocknen des Betons aufgesprüht werden. Konsistenzbereiche
In der Praxis muss die angestrebte Konsistenz den
jeweiligen Verhältnissen vor Ort angepasst sein.
3.1.3.6 Frischbetoneigenschaften
Auf Baustellen bieten normalerweise weiche Be-
Die Verarbeitbarkeit ist eine komplexe, physikalisch tone oder sehr weiche Betone die günstigsten Vor-
nicht genau definierbare rheologische Eigenschaft, aussetzungen. In Tabelle 3.1-10 sind die Konsis-
die die Begriffe Mischbarkeit, Transportierbarkeit tenzbereiche des Frischbetons nach DIN 1045 Teil
(Widerstand gegen Entmischen beim Transport) 2 aufgeführt.
und Verdichtbarkeit umschließt. Sie ist v. a. eine
Funktion des Wasser-, Zement- und Mehlkornge- Prüfung der Konsistenz
halts, der Zementart, der Kornzusammensetzung Die im deutschsprachigen Raum gebräuchlichsten
und der Kornform der Gesteinskörnung. Der Beton Prüfverfahren zur Bestimmung der Konsistenz sind
wird bei Konstanthalten der jeweils anderen Ein- der Ausbreitversuch und der Verdichtungsversuch.
flüsse weicher mit Das Ausbreitmaß eignet sich nicht für steifen Beton,
während das Verdichtungsmaß für den Fließbeton
– größerem Wasser- bzw. Zementleimgehalt, ungeeignet ist. Darüber hinaus ist der Trichterver-
– kleinerem Zementgehalt, such (Setzmaß bzw. Slump-Test) von Bedeutung.
– größerem Wasser-Zement-Wert, Entformt man einen Beton unmittelbar nach
– gröberem Zement, dem Herstellen, so hat er bereits einen gewissen
– kleinerem Mehlkorngehalt, Widerstand gegen Belastung. Man nennt diesen
– sandärmerer Kornzusammensetzung und jungen Beton auch „grünen Beton“ und charakteri-
– rundlicherer Kornform. siert den Widerstand entsprechend über die sog.
3.1 Baustoffe 1003

Tabelle 3.1-10 Konsistenzbereiche des Frischbetons nach DIN 1045 Teil 2

Konsistenzbereich Ausbreitmaßklassen Verdichtungsmaßklassen


Klasse Ausbreitmaß a in mm Klasse Verdichtungsmaß
sehr steif – – C0 • 1,46
steif F1 ” 340 C1 1,45-1,26
plastisch F2 350-410 C2 1,25-1,11
weich F3 420-480 C3 1,10-1,04
sehr weich F4 490-550 C41) < 1,04
fließfähig F5 560-620
sehr fließfähig F6 • 630
1) Gilt nur für Leichtbetone

„Grünstandfestigkeit“. Diese ist insbesondere für Frischbeton gefüllt (drei Schichten mit jeweiligem
die Erzeugung von Betonsteinprodukten von Be- Stampfen). 5 bis 10 s nach dem Abziehen der Blech-
deutung, bei denen die Schalung möglichst effizi- form wird die Höhe des Betonkegels gemessen. Das
ent genutzt werden soll. Setzmaß ergibt sich dann aus der Differenz zwi-
schen der Höhe des Betonkegels vor und nach dem
Ausbreitmaß. Die Bestimmung des Ausbreitmaßes Abziehen des Trichters. Darüber hinaus besteht die
erfolgt gemäß DIN EN 12350 Teil 5 und wird auf Möglichkeit das Setzmaß mittels Vébé-Prüfung ge-
einem feucht abgewischten Ausbreittisch durchge- mäß DIN EN 12350 Teil 3 zu bestimmen.
führt. Auf ihm wird ein kegelstumpfförmiger, oben
offener Trichter gesetzt, in den der Frischbeton in
3.1.3.7 Festbetoneigenschaften
zwei Schichten eingefüllt und durch leichte Stöße
mit einem Holzstab verdichtet wird. Die Oberfläche Junger Beton
des Frischbetons wird eben abgestrichen und der Etwa zwei bis vier Stunden nach Wasserzugabe be-
Trichter hochgezogen. Der zurückbleibende Frisch- ginnt der Beton zu erstarren, wenn dieser Zeitraum
betonkegel (oder -kuchen) wird durch 15 Schock- nicht durch die Zugabe eines Zusatzmittels oder
stöße (Heben und Fallenlassen des Ausbreittisches) Temperatureinflüsse verlängert bzw. verkürzt wird.
zum Ausbreiten gebracht. Als Bewertungskriterium Die Erstarrungsphase erstreckt sich über mehrere
dient der Durchmesser des Betonkuchens (in cm), Stunden und geht dann in die Erhärtung über. Letz-
der als Ausbreitmaß bezeichnet wird. tere verläuft in den ersten Stunden sehr langsam,
danach dann schneller. In Abb. 3.1-20 ist die Ent-
Verdichtungsmaß. Die Bestimmung des Verdich- wicklung der Zugfestigkeit und der Verformungsfä-
tungsmaßes erfolgt gemäß DIN EN 12350 Teil 4 higkeit (Betonbruchdehnung) dargestellt. Der Wen-
und wird mit Hilfe eines 400 mm hohen, oben of- depunkt und damit das Maximum der Erhärtungsge-
fenen Blechkastens durchgeführt. In ihn wird der schwindigkeit liegen etwa zwischen sechs und zwölf
Frischbeton lose eingefüllt und die Oberfläche eben Stunden.
abgestrichen. Danach folgt seine Verdichtung auf Abbildung 3.1-20 zeigt, dass der Wendepunkt
einem Rütteltisch oder mit einem Innenrüttler. Zur der Erhärtungskurve mit einem Minimum der
Bewertung wird das Verdichtungsmaß herangezo- spannungsabhängigen Verformung zusammenfällt
gen, das sich aus dem Quotienten der Einfüllhöhen [Bergström/Byfors 1980]. Bis zu diesem Zeitpunkt
vor (400 mm) und nach dem Verdichten berechnet. ist der Beton sehr verformbar, und Verformungsbe-
hinderungen werden nur geringfügig in Span-
Setzmaß. Die Bestimmung des Setzmaßes (Slump- nungen umgesetzt. Im Bereich des Wendepunkts,
Test) erfolgt nach DIN EN 12350 Teil 2. Ähnlich also beim Übergang vom plastischen in den visko-
wie im Ausbreitversuch wird ein Kegelstumpf mit elastischen Zustand, ist die Verformungsfähigkeit
1004 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.1-20 Zeitliche Entwicklung der Zugfestigkeit und der Bruchdehnung [Weigler/Karl 1989]

am geringsten. Dieser Zeitpunkt ist ein zeitlich de- Hydratationswärmeentwicklung


finierter Grenzzustand, der als Erstarrungsende Die Hydratation von Zement ist ein exothermer Vor-
angesehen werden kann. gang. Die pro Zeiteinheit freigesetzte Wärme steht
Zwischen dem Abschluss des Einbringens (grü- in direktem Zusammenhang mit der Reaktionsge-
ner Beton) bis zum Wendepunkt der Erhärtungskur- schwindigkeit. Sie hängt u. a. von der Zusammen-
ve bzw. Minimum der Verformungskurve bezeich- setzung des Zements ab (Phasenzusammensetzung
net man den Beton als „jungen Beton“. Trocknet das des Klinkers, Zumahlstoffe usw.). Die Geschwin-
auf der Oberfläche des jungen Betons abgesonderte digkeit der Wärmeentwicklung wird außerdem von
Wasser innerhalb kurzer Zeit ab, kann Frühschwin- der Temperatur, der Mahlfeinheit und dem w/z-Wert
den auftreten. Es beträgt mit maximal etwa 4 mm/m entscheidend beeinflusst. Zemente mit einer hohen
viel mehr als das Zehnfache der minimalen Bruch- Hydratationswärme entwickeln bereits im Laufe
dehnung des jungen Betons. Darüber hinaus kann eines Tages 50%, im Gegensatz dazu Zemente mit
sich dem Frühschwinden durch Austrocknen eine einer niedrigeren Hydratationswärme lediglich 15%
Verkürzung infolge sinkender Außentemperatur ihrer gesamten Wärmemenge.
überlagern. Zur Verringerung der Hydratationswärme sind in
Die auftretenden Zwängungsspannungen sind erster Linie Betone aus Zementen mit niedriger
nicht sehr groß, da der E-Modul noch sehr klein ist Hydratationswärme (LH) bei möglichst geringem
und die Spannungen in kurzer Zeit durch Relaxation Zementgehalt herzustellen. Die Verwendung von
um über 50% abgebaut werden können. Außerdem puzzolanischen Zusatzstoffen oder niedrige Binde-
fällt der wesentliche Teil der Verkürzung in die ers- mittelgehalte sind ebenso wie das Kühlen des fri-
ten Stunden, in denen die Verformungsfähigkeit des schen und eingebauten Betons Maßnahmen, die
Betons noch sehr groß ist. Trotzdem können beim Rissgefahr durch Herabsetzen des Temperaturma-
Zusammentreffen mehrerer Ursachen die Zugspan- ximums zu reduzieren. Beim Betonieren im Winter
nungen größer als die nur geringe Zugfestigkeit kann die Hydratationswärme dazu beitragen, dass
werden und Risse auftreten, die wegen des weiteren der Beton auch bei niedrigen Außentemperaturen
Ablaufs der Verformung sehr breit werden können. ausreichend erhärtet und gefrierbeständig wird.
Daher müssen Nachbehandlungsmaßnahmen – ins- Wie sich verformungsbehinderter junger Beton
besondere bei Sonne und Wind – so früh wie mög- unter Zwangsbeanspruchung beim Abfließen der
lich beginnen. Hydratationswärme verhält, zeigt Abb. 3.1-21 sche-
3.1 Baustoffe 1005

Abb. 3.1-21 Temperatur- und Spannungs-Zeit-Verlauf [Breitenbücher 1989]

matisch. Die Erwärmung löst erst dann Druckspan- Druck einachsig belastet. Im Inneren des Betons ent-
nungen aus, wenn der E-Modul des Betons so groß steht aufgrund der unterschiedlichen Verformungsei-
ist, dass der Beton entgegen der Wärmedehnung ei- genschaften von Zuschlag und Matrix ein ungleich-
nen messbaren Widerstand leistet (Temperatur T01). mäßiger, räumlicher Spannungszustand. Bei Normal-
Mit zunehmender Temperatur steigen auch die beton wird der verformungsfähigere Zementstein mit
Druckspannungen im Beton und erreichen wegen niedrigerem E-Modul stärker als die Gesteinskörner
der Relaxation vor dem Temperaturmaximum ihren verformt. Dabei konzentriert sich der Kraftfluss über
Höchstwert. Da der E-Modul des jungen Betons den Gesteinskörnern (Abb. 3.1-22).
klein und die Relaxation des jungen Betons sehr Die Kraftumlenkung erzeugt im Zementstein
hoch ist, erreichen die Druckspannungen im Beton Zugspannungen, und zwar vorwiegend in der Ver-
nur geringe Werte. Mit einsetzender Abkühlung ver- bundzone zwischen Zementstein und Gesteinskör-
kürzt sich der Beton, die Druckspannungen nehmen nung. Sie führen nach Bildung zahlreicher Einzel-
ab und werden bei einer bestimmten Temperatur T02 risse durch großflächiges Aufreißen des Zement-
zu Null. Wegen der Relaxation der Druckspannungen steins, ggf. auch der Gesteinskörner, schließlich zum
im vorangegangenen Zeitabschnitt ist T02>T01. Eine Bruch. Das Bruchverhalten von Leichtbeton unter-
weitere Abkühlung hat Zugspannungen zur Folge, scheidet sich von den für Normal- und Schwerbe-
die bei einer kritischen Temperatur TRiss die Zugfes- ton beschriebenen Vorgängen, da der E-Modul des
tigkeit des Betons überschreiten und einen Trennriss Zementsteins größer sein kann als derjenige der
verursachen [Breitenbücher 1989]. leichten Gesteinskörnern. Daher erfolgt der Kraft-
fluss im Leichtbeton bevorzugt innerhalb der Ze-
Festigkeit mentsteinschichten. Die zahlreichen Einzelrisse
Die bautechnisch gut messbaren Betonfestigkeiten verlaufen nicht mehr vorzugsweise durch den Ze-
sind die Druckfestigkeit sowie als Zugfestigkeit mentstein, sondern auch durch die leichte Ge-
die Biegezug- und die Spaltzugfestigkeit. steinskörnung [Walz 1964].

Druckfestigkeit. Zur Ermittlung der Druckfestigkeit an Zugfestigkeit. Die Betonzugfestigkeit kann durch
Betonprüfkörpern wird der Beton mit gleichmäßigem die Beziehung
1006 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

um das Verhalten des Betons bei Zugbeanspru-


chung zu bestimmen.

Biegezugfestigkeit. Die Biegezugfestigkeit ist als die


maximal aufnehmbare Spannung am Zugrand
eines Biegebalkens definiert, die sich unter der An-
nahme linear-elastischen Verhaltens des Betons
nach der Biegetheorie ergibt.
Die Biegezugfestigkeit wird nach DIN EN 12390
Teil 5 an Balken mit den Abmessungen (buhul) 150
mmu150 mmu700 mm oder bei Größtkorn >32 mm
an Balken 200 mmu200 mmu900 mm mit zwei Ein-
zellasten in den Drittelspunkten geprüft. Es ist auch
möglich, Balken von 100 mmu150 mmu700 mm
mit einer Einzellast in der Mitte zu prüfen. Die Bal-
ken werden bis zur Prüfung unter Wasser bei +15°C
bis +22°C gelagert, um den Einfluss der Eigenspan-
Abb. 3.1-22 Spannungsverteilung in auf Druck bean-
spruchtem Normalbeton nach [Walz/Wischers 1976]
nungen aus dem Schwinden auf die Biegezugfestig-
keit möglichst gering zu halten.
Die Belastung mit einer Einzellast in der Bal-
(3.1.2) kenmitte ergibt etwa 10% bis 30% höhere Werte
als mit Einzellasten in den Drittelspunkten, da bei
mit
der Einzellast nur an der Stelle des Maximalmo-
c=0,25 für zentrische Zugfestigkeit und ments der Bruch auftreten kann, während bei zwei
c=0,45 für Biegezug Einzellasten das Maximalmoment zwischen diesen
Lasten konstant ist und der Balken in diesem Be-
erfasst werden. Die zentrische Zugfestigkeit üb- reich dort bricht, wo örtlich die geringste Festig-
licher Betone liegt etwa zwischen 1,5 N/mm² und keit vorhanden ist.
4 N/mm². Sie beträgt demnach nur etwa 4% bis
20% der Druckfestigkeit fck. Spaltzugfestigkeit. Die Spaltzugfestigkeit wird vor-
Näherungsweise kann die mittlere Zugfestigkeit zugsweise an Zylindern, aber auch an Würfeln
fctm von Normalbeton nach DIN 1045 Teil 1 wie oder Prismen bestimmt. Zur Lasteinleitung sind
folgt aus der Druckfestigkeit berechnet werden: nach DIN EN 12390 Teil 6 10 mm breite und 4 mm
dicke Zwischenstreifen aus Hartfaserplatten nach
bis zur Festigkeitsklasse C50/60 DIN EN 316 vorgeschrieben, die die Last gleich-
mäßiger einleiten. Im Einleitungsbereich treten da-
fctm = 0,30 · fck2/3 (3.1.3) durch bis zu einer Tiefe von etwa 0,05·d Druck-
spannungen senkrecht zur Lastebene auf, so dass
ab Festigkeitsklasse C55/67 die Zugspannungen auf den inneren Bereich von
etwa (0,85 bis 0,90)·d beschränkt sind. In der Pro-
fctm = 2,12 · ln(1+(fck +8)/10) (3.1.4) be wird somit ein zweiachsiger Spannungszustand
erzeugt: Druck in Richtung der Linienbelastung
Anders als bei der Druckbeanspruchung ist die Be- und Zug in der dazu senkrechten Richtung. Die
stimmung der Festigkeit und des Spannungs-Deh- Spaltzugfestigkeit berechnet sich zu
nungs-Verhaltens bei Zugbeanspruchung – v. a. bei
zentrischem Zug – mit einer Reihe versuchstech- (3.1.5)
nischer Probleme verbunden. Daher werden viel-
fach andere Versuchsmethoden – insbesondere der mit F Last, l Länge und d Durchmesser des Zylin-
Biegezug- und der Spaltzugversuch – angewandt, ders.
3.1 Baustoffe 1007

Tabelle 3.1-11 Richtwerte für die Festigkeitsentwicklung von Beton aus verschiedenen Zemente bei 20 °C-Lagerung

Festigkeitsklasse des Zements Betondruckfestigkeit in % der 28-Tage-Werte nach


nach DIN EN 197-1 3 Tagen 7 Tagen 90 Tagen 180 Tagen
52,5 N; 42,5 R 70 bis 80 80 bis 90 100 bis 105 105 bis 110
42,5 N, 32,5 R 50 bis 60 65 bis 80 105 bis 115 110 bis 120
32,5 N 30 bis 40 50 bis 65 110 bis 125 115 bis 130

Da der Bruch im Zugspannungsbereich – also in


Scheibenmitte – beginnt, ist die Prüfung relativ un-
empfindlich gegenüber Lagerungseinflüssen und
Strukturänderungen im Bereich der Oberfläche
[Wesche 1996].

Festigkeitsentwicklung
Die Festigkeitsentwicklung eines Betons wird vor-
nehmlich durch die Eigenschaften des Zements,
die Zusammensetzung des Betons und die Um-
weltbedingungen, denen der Beton während der
Herstellung und Erhärtung ausgesetzt ist, beein-
flusst. Als grober Anhalt für die Festigkeitsent-
wicklung des Betons kann Tabelle 3.1-11 dienen.
Selbst bei Zementen gleicher Art und Festig-
keitsklasse können unter Normbedingungen starke
Schwankungen im Erhärtungsverlauf auftreten.
Ohne diesen genau zu kennen, kann man mit dem
Abb. 3.1-23 Beziehung zwischen der Betondruckfes-
oberen Grenzwert der Tabelle rechnen, wenn man
tigkeit ȕb 28, der Zementnormdruckfestigkeit ȕz 28 und
bereits in jungem Alter auf die Festigkeitsklasse dem w/z-Wert w für Betone ohne Luftporenbildner
schließen will. Der untere Grenzwert wird verwen- [Walz/Wischers 1976]
det, wenn im höheren Alter auf die Festigkeitsklas-
se zurückgerechnet oder die Nacherhärtung, d. h.
die Zunahme der Druckfestigkeit, über 28 Tage suchswert die mittlere Kurve benutzen, während
hinaus vorausgesagt werden soll. man beim Klassenwert mit dem angegebenen Streu-
Da die Betondruckfestigkeit annähernd linear bereich rechnen muss.
von der Zementnormdruckfestigkeit abhängt, kann Die zeitliche Entwicklung der Betondruckfes-
die Einflussgröße Zementnormdruckfestigkeit fCEM tigkeit kann gemäß CEB-FIB Model Code MC 90
aus dem Einflusskoeffizienten herausgezogen und auch analytisch bestimmt werden:
fcm/fCEM anstelle von fcm gesetzt werden. In Abb. 3.1-
23 ist dies für die Ordinate eines Festigkeits-Z-Dia- (3.1.6)
gramms geschehen. Setzt man in dieses Verhältnis
die im Versuch nach DIN EN 196 Teil 1 ermittelte mit
Zementdruckfestigkeit oder ohne diese Prüfung die
Zementfestigkeitsklasse ein, so erhält man die Be-
tondruckfestigkeit für Würfel mit 200 mm Kanten- (3.1.7)
länge. Die Druckfestigkeit muss dann entsprechend
auf einen Zylinder mit einem Durchmesser von 150
mm oder einem Würfel mit 150 mm Kantenlänge fcm(t) mittlere Druckfestigkeit nach einem Beton-
umgerechnet werden. Dabei kann man beim Ver- alter von t; fcm mittlere Zylinderdruckfestigkeit im
1008 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.1-12 Beiwert s der Zemente nach DIN EN 197 in Abhängigkeit vom Alter graphisch dargestellt.
Teil 1 Wie zu erkennen ist, ergeben sich Widersprüche zur
Festigkeitsklasse 32,5 N 32,5 R 42,5 R
Reifeformel, wenn während der Erhärtung stark
42,5 N 52,5 N veränderliche Temperaturen herrschen.
Beiwert s 0,38 0,25 0,20
Festigkeitsklassen
Wie bereits in Abschn. 3.1.3.2 beschrieben, wer-
den Betone (Normal- und Schwerbetone) in
Alter von 28 Tagen; t1 Bezugsalter = 1 Tag; s = Deutschland gemäß DIN EN 206 Teil 1 in Verbin-
Beiwert, der von der Zementart abhängt. Für die dung mit DIN 1045 Teil 2 in 16 Festigkeitsklassen
Zemente nach DIN EN 197 Teil 1 gelten die in Ta- gemäß Tabelle 3.1-1 aufgeteilt. Die charakteris-
belle 3.1-12 angegebenen Beiwerte. tischen Druckfestigkeit fck liegt bei 5% der Grund-
Wie andere chemische Vorgänge wird auch die gesamtheit aller möglichen Festigkeitsmesswerte.
Erhärtung des Betons durch niedrige Temperaturen Die Konformität kann dann bestätigt werden,
verzögert und durch höhere beschleunigt. Der wenn die Prüfergebnisse beide Kriterien nach Ta-
Temperatureinfluss lässt sich nach verschiedenen belle 3.1-13 entweder für Erstherstellung oder für
Reifeformeln abschätzen. Hier wird als Beispiel stetige Herstellung erfüllen.
die Reifeformel von Saul angegeben: Wenn die Übereinstimmung auf Grundlage ei-
ner Betonfamilie beurteilt wird, ist Kriterium 1 auf
(3.1.8) den Referenzbeton unter Berücksichtigung aller
transformierten Prüfergebnisse der Familie anzu-
mit
wenden; Kriterium 2 ist auf die ursprünglichen
R „Reife“, von der die Festigkeit abhängt, Prüfergebnisse anzuwenden.
'ti Intervalle der Erhärtungszeit bei gleicher Tem- Zum Nachweis, dass jeder einzelne Beton zur
peratur (in d oder h), Familie gehört, ist Kriterium 3 in Tabelle 3.1-14
Ti Betontemperatur im Intervall (in °C). nachzuweisen. Jeder Beton, der dieses Kriterium
nicht erfüllt, ist aus der Betonfamilie zu entfernen,
Der Formel ist zu entnehmen, dass bei –10°C die und seine Konformität ist gesondert nachzuweisen.
Reife Null ist; die Erhärtung hört auf. Die Reifefor- Zu Beginn ist die Standardabweichung aus min-
mel von Saul gilt nicht mehr für höheres Betonalter destens 35 aufeinander folgenden Prüfergebnissen
und nur beschränkt bei starker Temperaturbehand- zu berechnen, die in einem Zeitraum entnommen
lung. In Abb. 3.1-24 ist der Einfluss der Temperatur sind, der länger als drei Monate ist und der unmittel-

Abb. 3.1-24 Einfluss der Temperatur auf die Festigkeitsentwicklung von Beton [Walz 1964]
3.1 Baustoffe 1009

Tabelle 3.1-13 Konformitätskriterien für die Druckfestigkeit

Herstellung Anzahl n der Ergebnisse Kriterium 1 Kriterium 2


in der Reihe Mittelwert von n Ergebnissen (ƒcm) Jedes einzelne Prüfergebnis (ƒci)
– – N/mm² N/mm²
Erstherstellung 3 • ƒck + 4 • ƒck – 4
Hochfester Beton: Hochfester Beton:
• ƒck + 5 • ƒck – 5
Stetige Herstellung Mindestens 15 • ƒck + 1,48 ı • ƒck – 4
ı • 3 N/mm²
Hochfester Beton: Hochfester Beton:
• ƒck + 1,48 ı • 0,9 ƒck
ı • 5 N/mm²

Tabelle 3.1-14 Bestätigungskriterium für einen Beton aus 0,63 · ı ” s15 ” 1,37 · ı. (3.1.9)
einer Betonfamilie

Anzahl n der Kriterium 3 Falls der Wert s15 außerhalb dieser Grenzen liegt,
Prüfergebnisse für Mittelwert von n Ergebnisse
muss ein neuer Schätzwert V aus den letzten 35
die Druckfestigkeit (ƒcm) für einen einzelnen verfügbaren Prüfergebnissen ermittelt werden.
eines einzelnen Betons Beton der Betonfamilie – Verfahren 2: Der neue Wert für s darf nach
einem kontinuierlichen Verfahren geschätzt
– N/mm²
werden, und dieser Wert ist zu übernehmen. Die
2 • ƒck – 1
Empfindlichkeit des Verfahrens muss mindes-
3 • ƒck + 1
tens derjenigen des Verfahrens 1 entsprechen.
4 • ƒck + 2 Der neue Schätzwert für V ist für die nächste
5 • ƒck + 2,5 Nachweisperiode anzuwenden.
6 bis 14 • ƒck + 3,0
• 15 • ƒck + 1,48 ı Güteüberwachung
Nach DIN EN 206 Teil 1 muss der Hersteller eine
Produktionslenkung durchführen, die alle notwen-
bar vor dem Herstellungszeitraum liegt, innerhalb digen Maßnahmen umfasst, um die Qualität des
dessen die Konformität nachzuprüfen ist. Dieser Betons in Übereinstimmung mit den festgelegten
Wert ist als Schätzwert der Standardabweichung (V) Anforderungen zu sichern und zu steuern. Sie
der Gesamtheit anzunehmen. Die Gültigkeit des schließt Baustoffauswahl, Betonentwurf, Beton-
übernommenen Wertes ist während der folgenden herstellung, Überwachung und Prüfung von Aus-
Herstellung zu beurteilen. Zwei Verfahren sind für stattung, Rohstoffen, Herstellverfahren, Frischbe-
die Schätzung des Wertes für V zulässig, wobei die ton und Festbeton und ggf. Transport ein.
Wahl des Verfahrens im Voraus zu treffen ist: Die Produktionslenkung wird von einer aner-
kannten Überwachungsstelle oder dem Auftraggeber
– Verfahren 1: Der Anfangswert der Standardab- bewertet und überwacht. Hierzu stehen in Abhängig-
weichung darf für den folgenden Zeitraum an- keit von der beabsichtigten Verwendung des Betons
gewendet werden, innerhalb dessen die Konfor- vier Bewertungssysteme zur Verfügung, bei denen
mität zu überprüfen ist, vorausgesetzt, dass die die maßgebenden Eigenschaften des Betons vor Ort
Standardabweichung der letzten 15 Ergebnisse oder im Herstellungswerk überprüft werden.
(s15) nicht signifikant von der angenommenen
Standardabweichung abweicht. Dies wird unter Verformungseigenschaften
folgender Voraussetzung als gültig angesehen: Spannungs-Dehnungs-Beziehungen. Bei Einwirkung
einer äußeren Belastung setzen innere zwischen-
1010 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

molekulare Kräfte der Verformung des Betons Wi- konstanter Verformungsgeschwindigkeit wird die
derstand entgegen. Der Zusammenhang zwischen Steigung der Spannungs-Dehnungs-Linie zu Null.
Spannung und der von ihr in Beanspruchungsrich- Darüber hinaus ist die Energie, die bei der Rissbil-
tung ausgelösten Dehnung wird durch die Span- dung frei wird, größer als diejenige, die für die
nungs-Dehnungs-Linie beschrieben. Die inneren Rissbildung benötigt wird.
Bindungskräfte des Betons vermögen es nicht, nach Der Verlauf der Spannungs-Dehnungs-Linie ist
der äußeren Krafteinwirkung die ursprüngliche von zahlreichen Parametern abhängig (z. B. Beton-
Form wieder herzustellen, d. h., neben elastischen zusammensetzung, Druckfestigkeit, Alter, Hydra-
Vorgängen spielen bei der Belastung auch viskose tationsgrad, Belastungs- oder Verformungsge-
oder plastische Vorgänge eine Rolle. Der Beton wird schwindigkeit, Temperatur, Feuchtigkeit), so dass
daher als „viskoelastischer Stoff“ bezeichnet. es keine Linie gibt, die für alle Anwendungsfälle
Wird der Beton einachsig ohne Querdehnungs- gilt. Für die Bemessung von Stahlbeton geht man
behinderung belastet, folgt der Beton dem Hooke- deshalb von mittleren Werten aus. In DIN 1045 Teil
schen Gesetz näherungsweise bei kurzzeitig ein- 1 wird daher ein Parabel-Rechteck-Diagramm als
wirkender Druckbeanspruchung bis ca. 40% seiner idealisierte Spannungs-Dehnungs-Linie gewählt
Druckfestigkeit und bei kurzzeitig einwirkender mit einer maximalen Betondehnung max. Hc2u von
Zugbeanspruchung bis zu etwa 70% seiner Zugfes- 3,5‰ sowie einer Dehnung Hc2 von 2‰ und dem
tigkeit. Bei höheren Spannungen steigt die Deh- Grenzzustand der Tragfähigkeit fcd im Parabel-
nung überproportional, bei einer Entlastung ist nur scheitel, wobei sich fcd wie folgt berechnen lässt:
ein Teil der Verformung reversibel, d. h. elastisch.
Mit steigender Spannung nimmt der plastische Ver- (3.1.10)
formungsanteil zu. Nach dem Erreichen der auf-
mit
nehmbaren Höchstspannung, der Druck- bzw. der
Zugfestigkeit, nimmt die aufnehmbare Spannung Jc Teilsicherheitsbeiwert für Beton;
mit steigender Dehnung ab (Abb. 3.1-25). D Abminderungsbeiwert zur Berücksichtigung
Bei einer Spannung über ca. 70% bis 90% der von Langzeitwirkungen auf die Druckfestigkeit
Festigkeit, die etwa mit der Dauerstandfestigkeit sowie zur Umrechnung zwischen Zylinderdruck-
übereinstimmt, wird das Gefüge instabil: Die Risse festigkeit und einaxialer Druckfestigkeit des Be-
in der Verbundzone werden durch Risse im Ze- tons;
mentstein verbunden, das Volumen, das bisher fck charakteristische Druckfestigkeit am Zylinder
durch die Längsstauchung kleiner wurde, wächst nach 28 Tagen.
durch die größere Querdehnung wieder an, bei
E-Modul. Der E-Modul von Beton ist üblicherweise
als Sekantenmodul bei einer Spannung von etwa
30% der Festigkeit definiert. Der E-Modul sollte für
Konstruktionsbetone möglichst hoch sein, da eine
hohe Festigkeit bei kleinen Verformungen angestrebt
wird, während er bei Betonstraßen und Massenbe-
ton möglichst klein sein soll, um hohe Spannungen
bei Dehnungsbehinderung zu vermeiden. Aus die-
sem Grund ist es besonders wichtig, den E-Modul
gezielt zu beeinflussen. Ein kleiner Beton-E-Modul
kann bei relativ hoher Betonzugfestigkeit z. B. durch
Gesteinskörnungen mit niedrigem E-Modul oder bi-
tuminierte Zemente erreicht werden.
Bei gleicher Druckfestigkeit ist der E-Modul
Abb. 3.1-25 Spannungs-Dehnungs-Diagramme für von der Betonzusammensetzung, v. a. vom E-Mo-
druckbeanspruchte Betone verschiedener Festigkeits- dul der Matrix Em und der Gesteinskörnung Eg so-
klassen nach CEB-FIP MC 1990 [CEB 1991] wie vom Zementsteingehalt Vm abhängig. So liegt
3.1 Baustoffe 1011

der E-Modul des Zementsteins Em28 zwischen 6000 Zur Bestimmung der Kriechdehnung werden von
und 30000 N/mm2; er ist insbesondere vom w/z- der Gesamtdehnung das Schwinden und die elasti-
Wert, d. h. vom Zementsteinporenraum, abhängig. sche Dehnung abgezogen:
Darüber hinaus wird Em28 durch die Hydratations-
geschwindigkeit beeinflusst: Bei Zementen mit (3.1.12)
schneller Anfangserhärtung ist dieser E-Modul et-
was höher als bei solchen mit langsamer Anfangs- Die Größtwerte des Kriechens treten – besonders bei
erhärtung. Ebenfalls schwankt der E-Modul der dicken Bauteilen – erst nach mehrjähriger Belas-
Gesteinskörnung Eg für normale Gesteinskör- tung auf. Die Größe des Kriechens hängt im We-
nungen – aber auch für leichte Gesteinskörnungen sentlichen von der Belastungsdauer, den Umwelt-
– in weiten Grenzen. bedingungen, dem Zementsteinvolumen und dem
Erhärtungszustand (Reifegrad) bei der Belastung
Querdehnung. Zur Beschreibung mehraxialer Span- sowie von der Bauteildicke bzw. Prüfkörperab-
nungs- und Dehnungszustände ist es notwendig, das messung ab.
Hookesche Gesetz um die Querdehnungszahl —, die Zur genaueren Erfassung des Kriechvorgangs
das elastische Materialverhalten neben dem E-Mo- ist es sinnvoll, die anteiligen Verformungsgrößen
dul beschreibt, zu erweitern. Die Querdehnungszahl anzugeben. Das Kriechen Hk setzt sich aus einem
ist der Quotient aus elastischer Querdehnung Hq und Fließanteil Hf und einem verzögert elastischen An-
elastischer Längsdehnung Hl, da im elastischen Be- teil Hvel zusammen.
reich das Verhältnis von Längs- und Querdehnung
konstant ist. Sie hängt im Wesentlichen von der Schwinden und Quellen. Beton verändert sein Volu-
Spannungshöhe sowie der Betonzusammensetzung, men bei einer Änderung des Feuchtegehalts. Trock-
vom Betonalter und vom Feuchtezustand des Be- net der Beton aus, so bezeichnet man diesen Vor-
tons ab. Im Bereich der Gebrauchsspannungen gang, der mit einer Volumenabnahme verbunden ist,
schwanken die Werte zwischen 0,15 und 0,25. auch als „Schwinden“. Bei einer Feuchtigkeitsauf-
nahme hingegen vergrößert der Beton sein Volumen;
Kriechen. Als „Kriechen“ werden i. Allg. zusam- dieser Vorgang wird auch als „Quellen“ bezeichnet.
menfassend die bleibenden und/oder zeitabhän- Nur bei dauernder Wasserlagerung tritt ein
gigen Formänderungen von Beton unter Dauerlast Quellen ohne vorherige Austrocknung auf. Erheb-
bezeichnet. Im Wesentlichen werden die Kriech- lich größer ist das Quellen nach vorausgehender
vorgänge auf die Bewegung und Umlagerung von Austrocknung; das Quellen beträgt etwa 40% bis
Wasser im Zementstein und damit verbundene 80% der vorhergehenden Schwindverformungen.
Gleitvorgänge zurückgeführt. Durch die äußere Für baupraktische Belange sind die Auswirkungen
Belastung werden die Wassermoleküle im Zement- des Quellens i. d. R. vernachlässigbar.
stein zum Platzwechsel gezwungen. Dazu kommen Schwinden ist bei wiederholtem Austrocknen
Gleit- und Verdichtungsvorgänge zwischen den deutlich geringer als bei erstmaligem Austrocknen,
Gelpartikeln. Diese Vorgänge können durch Ände- da nur ein kleiner Teil des Schwindens reversibel
rung des Feuchtegehalts (z. B. gleichzeitige Trock- ist. Da das Schwinden des Betons durch das
nung) beschleunigt werden. Schwinden des Zementsteins Hsm entsteht, hängt
Für die Kriechverformung Hk wird i. Allg. keine das Schwindmaß maßgeblich vom Zementsteinge-
absolute Größe angegeben und für die Verfor- halt Vm ab. Normale Gesteinskörnung schwindet
mungsberechnung verwendet. Zur Vereinfachung i. Allg. nicht. Nach [Pickett 1956] gilt
der rechnerischen Behandlung wird Hk häufig auf
die gleichzeitig auftretende Verformung Hel bezo- (3.1.13)
gen. Diesen zeitabhängigen Quotienten nennt man
Kriechzahl Der Exponent n ergibt sich aus der Behinderung
des Zementsteinschwindens durch den Zuschlag
(3.1.11) und wird daher in Abhängigkeit von den E-Moduln
und Querdehnungszahlen von Beton und Zuschlag
1012 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

angegeben. Er kann für normalen Kiessand mit 1,5 mit Kalkstein als Gesteinskörmnung bei wasserge-
angenommen werden. Das Schwinden ist also bei sättigtem Beton mit hohem Gesteinskörnungsge-
gleicher Matrix, gleichem Zuschlag und gleichem halt. Bei Schwerbeton mit Baryt als Gesteinskör-
Austrocknungsverlauf zunächst dem Matrixvolu- nung kann der Wärmedehnkoeffizient bis auf
men proportional, das Schwindmaß wird aber dar- 20·10-6 K steigen.
über hinaus durch den nicht schwindenden Zu- Eine der Voraussetzungen für die Anwendung
schlag behindert und dadurch verringert. des Verbundbaustoffs Stahlbeton ist die gleiche
Darüber hinaus wird das Schwinden von der Bau- Größe der Wärmedehnkoeffizienten von Beton
teildicke beeinflusst. Das Endschwindmaß wird bei und Stahl. Die Wärmeleitfähigkeit des Stahles ist
dünneren Bauteilen schon nach ein bis zwei Jahren, jedoch rd. 30 mal größer als die von Beton, d. h.,
bei dickeren Bauteilen erst nach einer wesentlich die Temperatur und die Dehnung des Stahls än-
längeren Zeit, erreicht. Es ergibt sich für die betrach- dern sich schneller als die des Betons, was bei
tete Richtung aus dem Verhältnis der unter den vor- schnell ablaufenden Temperaturänderungen (z. B.
handenen Umweltbedingungen größten Schwind- bei Bränden) zu hohen Zwängungsspannungen
verkürzung 'l zur ursprünglichen Länge l0. führen kann. Auch bei Verbindung von Stahl und
Beton außerhalb der Stahlbetonkonstruktion (z. B.
(3.1.14) bei Brückengeländern) kann dies zu Schäden füh-
ren, denen man durch Verschieblichkeit des Gelän-
ders und Aussparungen zwischen Geländerpfosten
Das Endschwindmaß ist folglich abhängig von der und Beton begegnen muss.
Betonzusammensetzung, den Umweltbedingungen
und der wirksamen Bauteildicke. Für ein 30 cm di- Umweltverträglichkeit
ckes Bauteil, das nach zwei Seiten austrocknet, be- Als Aspekte der Umweltverträglichkeit von mine-
trägt es für ein trockenes Innenbauteil ca. 45·10-5 ralischen Baustoffen kommen im Wesentlichen das
und für ein Außenbauteil etwa 30·10-5. Auswaschen von Salzen, Laugen und Schwerme-
tallen sowie die radioaktive Strahlung in Betracht.
Wärmedehnung. Die Wärmedehnzahl Dt ist das Ver-
hältnis der Wärmedehnung Ht zur Temperaturände- Schwermetalle. Schwermetalle, die in Spuren so-
rung 't. wohl im Zement als auch in Zumahl- bzw. Zusatz-
stoffen (Hüttensand, Flugasche) vorkommen, kön-
(3.1.15) nen bei dauerndem Kontakt von Beton mit Wasser
(z. B. Gründungen im Grundwasser) aus dem Fest-
Die Wärmedehnzahl Dt von Beton ist im Wesent- beton ausgewaschen werden. Allerdings sind die
lichen abhängig vom Schwermetalle z. T. fest in die Mineralphasen des
Zementsteins eingebunden und damit inmobili-
– Wärmedehnkoeffizienten des Zementsteins Dm,
siert. Die löslichen Anteile müssen durch den rela-
der zwischen 8·10-6 und 23·10-6 K-1 liegt und
tiv dichten Beton diffundieren und können nur
besonders vom Feuchtegehalt bestimmt wird,
über die Betonoberflächen an den Baugrund bzw.
– Wärmedehnkoeffizienten der Gesteinskörnung
das Grundwasser abgegeben werden. Zusammen-
Dg, der zwischen 4·10-6 und 12·10-6 K-1 je nach
fassend ist festzustellen, dass Betone üblicher Zu-
Art der Gesteinskörnung liegt,
sammensetzung bezüglich der Auslaugung von
– Zementstein- bzw. Gesteinskörnungsgehalt Vm
Schwermetallen unkritisch sind.
bzw. Vg.
Der Wärmedehnkoeffizient des Betons schwankt Chromatproblematik. Zemente enthalten Spuren von
dadurch zwischen 5·10-6 und 14·10-6 K-1, wobei Chromat (Chrom (VI)). Nach derzeitigem Erkennt-
Art der Gesteinskörnung und die Menge den größ- nisstand ist nicht auszuschließen, dass das Chro-
ten Einfluss haben. Den größten Wert erreicht man mat die Ursache von Hautsensibilisierungen beim
mit Quarzit bei lufttrockenem Beton mit einem häufigen Umgang mit Frischbeton und Mörtel ist
niedrigen Gesteinskörnungsgehalt, den kleinsten (Maurerekzem). Zur Vermeidung solcher Ekzeme,
3.1 Baustoffe 1013

die in Fällen extremer Empfindlichkeit bis zur Be- Verwertung. Häufig sind im Bauschutt neben Beton
rufsunfähigkeit führen können, ist bei berufsbe- und Mauersteinen Mauermörtel, Estriche, Putze und
dingt häufigem Umgang mit Frischmörtel und keramische Erzeugnisse wie Dachpfannen und Flie-
Frischbeton das Tragen von Schutzhandschuhen sen enthalten. Hinzu kommen Nebenbestandteile
empfehlenswert. Im Festbeton wird das Chromat wie Metalle, Asphalt, Holz, Kunststoffe, Glas, Gips
in die Zementsteinmatrix eingebunden und stellt und Dämmstoffe, die je nach Verwendungszweck als
i. d. R. kein Gesundheits- und Umweltrisiko dar. Verunreinigungen anzusehen sind. Von den herge-
Wegen diesem Risiko sind in Deutschland aus- stellten 50 Mio. t Recycling-Baustoffen wurden rd.
schließlich chromat-reduzierte Zemente im Markt. 33 Mio. t im Straßenbau und rd. 12 Mio. t im Erdbau
eingesetzt. Der Anteil der Recycling-Baustoffe für
Radioaktivität. Jedes Baumaterial natürlicher oder die Verwendung als Gesteinskörnung nach DIN
künstlicher Art hat eine natürliche Radioaktivität, die 4226 Teil 100 lag bei 2,4 Mio. t. Zukünftig ist mit
im Wesentlichen aus den Radionukliden der Uran/ einer weiteren Zunahme an Bauschutt zu rechnen.
Radium- und Thorium-Zerfallsreihen sowie aus Ka- Schätzungen zufolge wird bis zum Jahr 2020 allein
lium-40 resultiert. In beiden Zerfallsreihen entsteht die jährliche Betonabbruchmenge auf etwa 100 Mio.
auch das Edelgas Radon. Diese natürliche Radioakti- t steigen [Rahlwes 1991].
vität der Baumaterialien liefert einen Beitrag zur Um als Baustoff bzw. als Sekundärrohstoff zur
Strahlendosis beim Aufenthalt in Gebäuden. Herstellung von Baustoffen geeignet zu sein, muss
Der weitaus überwiegende Teil der Strahlenex- recyceltes Material drei grundsätzlichen Anforde-
position in Häusern wird durch die Inhalation der rungen genügen:
radioaktiven Edelgase Radon-222 und Radon-220
– Der Baustoff muss die für den jeweiligen Ver-
(auch Thoron genannt) bzw. ihrer Folgeprodukte
wendungszweck gültigen Anforderungen und
hervorgerufen. Bezüglich der Radonexhalation aus
Regeln erfüllen.
Baustoffen ist aber nachgewiesen, dass alle Außen-
– Der Baustoff muss umweltverträglich sein, d. h.,
wandstoffe (Beton, Mauerwerk) um Größenord-
von ihm darf keine Gefährdung für die Schutz-
nungen mehr Radon aus dem Boden abschirmen
güter Boden, Wasser oder Luft ausgehen (z. B.
als sie an die Innenräume abgeben. Wenn erhöhte
Auslaugung von Schwermetallen).
Radonkonzentrationen insbesondere in Kellerräu-
– Die Verwendung des Baustoffs muss wirtschaft-
men auftreten, sind die angrenzenden Böden die
lich sein (im Vergleich zu herkömmlichen (pri-
Quellen. Wirkungsvollste Maßnahme ist der Luft-
mären) Rohstoffen).
austausch durch Lüften.

Betonsplitt- und Bauwerkssplittbeton


3.1.3.8 Recycling
Die Eigenschaften des aufbereiteten Bauschutts va-
Aufgrund von Abriss- und Aushubtätigkeiten fallen riieren naturgemäß mit der Zusammensetzung. Da-
jedes Jahr große Mengen von Baureststoffen an. Von her ist die Eingrenzung der Haupt- und Nebenbe-
den im Jahr 2004 in Deutschland angefallenen rd. standteile eine wichtige Voraussetzung für genügend
201 Mio. t mineralischer Bauabfälle entfielen rd. gleichmäßige und damit kalkulierbare Eigenschaften.
128 Mio. t auf Bodenaushub und rd. 72 Mio. t auf Anforderungen und Eigenschaften an rezyklierte
Bauschutt, Straßenabbruch, Baustellenabfälle und Gesteinskörnungen sind gemäß DIN 4226 Teil 100
Bauabfälle auf Gipsbasis [KWT Bau]. Von den rd. geregelt. Die Verwendung für die Herstellung von
72 Mio. t mineralischer Bauabfälle wurden rd. 50 Beton nach DIN EN 206 Teil 1 und DIN 1045 Teil 2
Mio. t recycelt, was einer Recyclingquote von 68,5% regelt die DAfStb-Richtlinie [DAfStb 2004].
entspricht. Nur in besonderen Fällen (z. B. beim Ab- Die DAfStb-Richtlinie gilt für die sortenreine
bruch von Betonstraßen oder Flugplätzen) besteht Verwendung von rezyklierter Gesteinskörnung der
das Abbruchgut aus weitgehend „sauberem“ und Typen 1 und 2 nach DIN 4226 Teil 100 zur
einheitlichem Material. Je sortenreiner ein Stoff ge- Herstellung und Verarbeitung von Beton nach
wonnen und/oder aufbereitet werden kann, desto DIN EN 206 Teil 1 in Verbindung mit DIN 1045
größer sind die Möglichkeiten einer hochwertigen Teil 2 bis zu einer Druckfestigkeitsklasse C30/37.
1014 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Die Verwendung von rezyklierter Gesteinskörnung Faserbeton


für Spannbeton und Leichtbeton nach DIN 1045 ist Faserbeton ist ein Beton, dem bei der Herstellung
nicht zulässig. Fasern – vorzugsweise Stahl-, Glas- oder Kunst-
stofffasern – beigemischt werden. Die Fasern sind
im Zementstein bzw. im Mörtel eingebettet und
3.1.3.9 Sonderbetone
wirken dort als Bewehrung. Eine in die Matrix ein-
Leichtbeton gebaute Bewehrung aus zugfesten und dehnbaren
Leichtbetone werden nach DIN EN 206 Teil 1 in Fasern hemmt das Öffnen von Rissen. Unter be-
Verbindung mit DIN 1045 Teil 2 geregelt, s. a. Ab- stimmten Vorraussetzungen verbinden die Fasern
schn. 3.1.3.2. Folgende Arten von Leichtbetonen nach Rissbildung die Rissufer zugfest miteinander
werden jedoch nicht nach DIN EN 206 Teil 1 in und ermöglichen auch bei größerer Dehnung noch
Verbindung mit DIN 1045 Teil 2 geregelt: eine Übertragung von nennenswerten Zugkräften.
Durch Beimischen von Fasern lassen sich be-
– Porenbeton
stimmte Eigenschaften des Betons wie Grünfestig-
– Schaumbeton
keit, Zugfestigkeit, Schlagfestigkeit, Sprödigkeit,
– Beton mit haufwerksporigem Gefüge (Beton
Verformungsverhalten und Reißneigung verbes-
ohne Feinbestandteile)
sern. Daher werden bei besonderen Anforderungen,
– leichter Leichtbeton mit UR=300…800 kg/m3,
bei denen die erhöhten Betonkosten gegenüber an-
E>5 N/mm2 und O<0,30 W/(m·K)
deren Baustoffen und Bauverfahren noch akzep-
– Beton mit porosiertem Zementstein.
tiert werden, in eng begrenzten Anwendungsberei-
Porenbeton. Porenbeton ist hinsichtlich der Poren- chen Mörteln und Betonen Fasern zugemischt
struktur und der mineralischen Matrix eine beson- (z. B. bei Spritzbeton, beim Schutzraum- und Tre-
dere Art des Leichtbetons. Dem Mörtel wird ein sorbau, bei Rammpfählen, Hangsicherungen, Be-
Treibmittel, z. B. Aluminiumpulver, zugegeben, tonsteinerzeugnissen und Betonfertigteilen sowie
das mit dem alkalischen Wasser reagiert. Durch Industriefußböden).
die Reaktion entsteht Wasserstoff, der den Mörtel Die Fasern bewirken v. a., dass die Bildung und
aufbläht und dabei Makroporen mit einem Durch- Ausbreitung von Rissen behindert wird. Je nach
messer von 0,5 mm bis 1,5 mm bildet. Die Roh- ihren Eigenschaften beeinflussen sie die Eigen-
dichte liegt zwischen 300 und 1000 kg/m3 und schaften des Betons unterschiedlich.
die Druckfestigkeit zwischen 2,5 N/mm2 und
10,0 N/mm2. Kunststofffasern. Kunststofffasern weisen i. d. R.
einen kleinen E-Modul und geringe Zugfestigkeit
Schaumbeton. Der Porenraum entsteht durch Zu- bei sehr großer Bruchdehnung auf. Daher wirken
gabe eines Schaumbildners während des Misch- sie nur im grünen und jungen Beton. Kunststoff-
vorgangs oder Einmischen eines möglichst stabilen fasern sind gemäß DIN EN 14889 Teil 2 geregelt.
Schaumes (Matrixporigkeit).
Glasfasern. Glasfasern, die einen mittleren E-Mo-
Haufwerksporige Leichtbetone. Haufwerksporige dul, eine große bis sehr große Zugfestigkeit und
Leichtbetone bestehen aus leichten Gesteins- mittlere Bruchdehnung aufweisen, eignen sich be-
körnungen nach DIN EN 13055 Teil 1, die mit sonders gut als Zugabe bei weichen Mörteln für
Zementleim bzw. -mörtel umhüllt und punkt- dünnwandige Bauteile, v. a. bei stark strukturierten
weise verbunden bzw. verklebt sind. Diese Be- Oberflächen. Zu beachten ist, dass die Alkalien des
tone weisen Rohdichten zwischen 500 kg/m3 und Zements die Korrosion von Glasfasern bewirken.
2000 kg/m3 auf mit Festigkeiten bis LC8/9. Ent- Hier kommen insbesondere alkaliresistente Glas-
sprechend den Rohdichteunterschieden variieren fasern zum Einsatz.
auch die Wärmedämmfähigkeiten. Im Bereich der
Rohdichte von 600 kg/m3 bis 800 kg/m3 liegt Stahlfasern. Stahlfasern bewähren sich besonders bei
die Wärmeleitfähigkeit bei 0,15 W/m · K bis Spritzbeton und dynamisch beanspruchten Bautei-
0,24 W/m · K. len, da sie sowohl einen großen E-Modul als auch
3.1 Baustoffe 1015

eine große Bruchdehnung und eine mittlere bis Vakuumbeton


hohe Zugfestigkeit aufweisen. Bei Verwendung In der Regel enthält Frischbeton mehr Wasser als
von Stahlfasern ist mit Korrosion an der Betonober- zur vollständigen Hydratation erforderlich. Das
fläche zu rechnen, die durch Deckschichten oder Bestreben, den Kapillarporenanteil gering zu hal-
Anstriche verhindert werden muss. Stahlfasern ten, führte u. a. zur Entwicklung des Vakuumver-
sind in DIN EN 14889 Teil 1 geregelt. fahrens. Bei ihm wird ein plastischer bis weicher
Beton mit einem Ausbreitmaß a = 38…44 cm, der
Spritzbeton eine sehr gute Kornzusammensetzung (A32) und
Bei diesem Betonierverfahren wird der Beton im geringen Mehlkorngehalt haben sollte, hergestellt.
Spritzverfahren flächenhaft aufgetragen und da- Aus dem in die Schalung eingebrachten Beton
durch gleichmäßig verdichtet. Man unterscheidet wird während und nach dem Verdichten mit Hilfe
zwischen Trocken- und Nassspritzverfahren. Die einer Vakuumpumpe und aufgelegter Saugmatten
Anforderungen an Spritzbeton sind in DIN 18551 bzw. Spezialschalungen ein Teil des Überschuss-
geregelt. wassers abgesaugt, wodurch der Beton gleichzeitig
Beim Trockenverfahren wird das Betontrocken- weiter verdichtet wird.
gemisch, bestehend aus Zement, Gesteinskörnung Der w/z-Wert kann bei diesem Verfahren um bis
und ggf. pulverförmigen Zusätzen, vorgemischt und zu 20% reduziert werden, womit eine Festigkeitser-
als Trockengemisch der Förderleitung zugeführt, höhung verbunden ist, die schon nach zwei Tagen die
wo es im Druckluftstrom befördert wird (Dünnluft- 28-Tage-Festigkeit erreicht. Das Vakuumverfahren
stromverfahren). Das Zugabewasser wird, ggf. mit wird besonders dort angewandt, wo es um verschleiß-
flüssigen Betonzusatzmitteln, an der Spritzdüse bei- feste und widerstandsfähige waagerechte Oberflä-
gemengt. chen geht (z. B. Parkhäuser und Tiefgaragen).
Beim Nassspritzverfahren wird das Gemisch
aus Zement, Gesteinskörnung, Zugabewasser und
3.1.3.10 Hochleistungsbetone
ggf. Zusätzen in die Förderleitung gegeben.
Spritzmörtel und Spritzbeton werden vorwiegend Ultrahochfester Beton
im Stollen- und Tunnelbau zur Festigung des anste- Ultrahochfester Beton (UHFB) ist eine Weiterent-
henden Gesteins hinter Beton- und Mauerwerk ver- wicklung des hochfesten Betons. Als ultrahochfes-
arbeitet oder als alleinige Schale bis zu 30 cm Dicke. te Betone werden Betone mit Druckfestigkeiten
Sie dienen zum Bau von Schalen und Behältern (nur zwischen 150 N/mm2 und 300 N/mm2 bezeichnet.
einseitige Schalung erforderlich, die keinem Scha- Neben der hohen Festigkeit zeichnet sich UHFB
lungsdruck ausgesetzt ist), zu Verstärkungs- und Sa- auch durch ein dichtes Gefüge aus. Sowohl die Ge-
nierungsarbeiten an Bauteilen sowie bei Baugruben samtporosität als auch die für die Dauerhaftigkeit
und Böschungen. Eine Verwendung ist jedoch nur besonders wichtige Kapillarporosität sind sehr ge-
sinnvoll, wenn die verfahrensbedingten Mehrkosten ring. Hierdurch sind die Transportvorgänge im
durch Lohneinsparung für aufwendige Schalungen Vergleich zu normal- und hochfesten Betonen stark
ausgeglichen werden [Wesche 1993]. verlangsamt.
Eine besondere Art des Spritzbetons ist der Fa- Durch die Senkung des Wasserzementwertes,
serspritzbeton. Er wird sowohl im Trocken- als Verwendung von Silikastaub und Optimierung der
auch im Nassverfahren aufgetragen. Das Trocken- Packungsdichte bis in den Mikrobereich können
oder Nassgemisch enthält zusätzlich 1 bis 2 Vol.-% Druckfestigkeiten bis etwa 200 N/mm2 erreicht wer-
Stahlfasern von 0,3 bis 0,5 mm Durchmesser und den. Häufig wird UHFB mit einem Größtkorn von
15 bis 30 mm Länge. Die Stahlfasern richten sich 1 mm oder weniger hergestellt, wodurch sich ein ho-
entsprechend der Auftragsfläche vorwiegend senk- mogeneres und potentiell festeres Gefüge ergibt als
recht zur Spritzrichtung aus. Anwendung findet bei grobkörnigerem Beton. Noch höhere Druckfestig-
Faserspritzbeton überall dort, wo die Zugfestigkeit keiten lassen sich durch die Wärmebehandlung, das
und das Arbeitsvermögen des normalen Spritzbe- Mischen im Vakuum und die Druckverfestigung er-
tons nicht ausreichen oder eine geringere Dicke zielen. Aus diesem Grund werden Bauteile aus
wirtschaftlicher ist. UHFB meist im Fertigteilwerk hergestellt.
1016 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Selbstverdichtender Beton änderungsverhalten maßgebend, die den Beanspru-


Selbstverdichtender Beton (SVB) ist Beton, der chungen des Bauwerks durch (äußere) Lasten ent-
nur unter dem Einfluss der Schwerkraft entmi- gegenwirken. Die Zugfestigkeiten üblicher Stahl-
schungsfrei und ohne an Bewehrungshindernissen sorten reichen entsprechend ihres Einsatzgebietes
zu blockieren nahezu bis zum Niveauausgleich von 300 N/mm2 für einfache Baustähle bis nahe
fließt, dabei entlüftet und alle Bewehrungszwi- 2000 N/mm2 für Spannstähle. Wegen dieser Sor-
schenräume sowie die Schalung vollständig aus- tenvielfalt werden Stähle mit Kurznamen gekenn-
füllt. Die Verwendung von SVB wird in Deutsch- zeichnet, aus denen grundsätzlich die Stahlgruppe
land durch die DAfStb-Richtlinie „Selbstverdich- und die Festigkeit bzw. die Streckgrenze ersicht-
tender Beton“ geregelt. lich sind. So werden allgemeine Stähle für den
SVB weist im Vergleich zu Normalbetonen ein Stahlbau mit dem Kurzzeichen S und der Mindest-
erhöhtes Leimvolumen auf, in dem die Gesteins- streckgrenze in N/mm2 gekennzeichnet (z. B. S 235).
körnungen sozusagen schwimmen können. Der Teilweise findet man auch noch die alten Bezeich-
Zementleim (bzw. die Mehlkornsuspension) muss nungen nach DIN 17100, wobei allgemeine Bau-
so zusammengesetzt sein, dass er sowohl eine aus- stähle mit dem Kurzzeichen St und die Min-
reichende Fließfähigkeit als auch eine erhöhte, die destzugfestigkeit in kp/mm2 angegeben wird (z. B.
Entmischung hemmende Viskosität aufweist. SVB St 37, der dem S 235 entspricht).
können als Mehlkorntyp oder Stabilisierertyp her-
gestellt werden. Beim Mehlkorntyp liegen die
3.1.4.2 Schmelzen und Vergießen
Mehlkorngehalte i. d. R. über den in DIN 1045
Teil 2 festgelegten oberen Grenzen (Tabelle 3.1- Eisen kommt in der Natur nicht als reines Eisen,
8). Im Allgemeinen werden Leimgehalte von mehr sondern i. Allg. in Form von Oxiden vor, die in
als 250 l/m3 erreicht. Um eine ausreichende Visko- Eisenerzen innig mit Gestein, der sog. „Gangart“
sität zu erzielen, werden beim Stabilisierertyp we- verwachsen sind. In der Aufbereitung wird zu-
niger Mehlkorn und als Zusatzmittel Stabilisierer nächst der Anteil der Gangart auf wenige Massen-
verwendet. Daneben gibt es auch Mischtypen. prozente (M.-%) verringert. Im Hochofen muss
dann das Eisenoxid völlig von der Gangart getrennt
3.1.4 Stahl und in reines Eisen reduziert werden. Hierzu wird
der Hochofen von oben lagenweise mit Eisenerz-
3.1.4.1 Allgemeines konzentrat, Koks und prozessregulierenden Zu-
Neben Beton ist Stahl der wichtigste Konstrukti- schlägen beschickt. Im oberen Bereich wird das
onswerkstoff. Seine häufige Verwendung ist der absackende Eisenoxid durch das bei der Verbren-
Tatsache zuzuschreiben, dass das Verhältnis von nung des Kokses entstehende Kohlenmonoxidgas
Festigkeit zu Gewicht bei Stahl günstiger ist als infolge der größeren Sauerstoffaffinität reduziert.
bei Beton und er somit v. a. dort Verwendung fin- Im unteren Bereich wirkt bei höheren Tempera-
det, wo das Eigengewicht entscheidend ist. Außer- turen der Kohlenstoff direkt als Reduktionsmittel.
dem ist die Zugfestigkeit von Stahl wesentlich hö- Eisen und Gangart schmelzen hier auf und sam-
her als diejenige von Beton. Nach Informationen meln sich im Hochofengestell. Die flüssige Hoch-
des International Iron and Steel Institutes lag die ofenschlacke, die sich aus der Gangart und den
weltweite Roh-Stahlproduktion im Jahr 2007 bei Zuschlägen bildet, lässt sich leicht vom Roheisen
1343,5 Mio Tonnen. trennen, da sie wegen des Dichteunterschieds (2600
Im Bauwesen werden i. d. R. unlegierte Profil- zu 7800 kg/m3) auf dem Roheisen schwimmt.
stähle mit genormten Bezeichnungen und Abmes- Das gewonnene flüssige Roheisen enthält hohe
sungen verwendet (z. B. Formstahl, Stabstahl, Gehalte an Kohlenstoff und weiteren Begleitele-
Winkelprofil, I-Profil). Sie werden mittels spezi- menten aus dem Erzkonzentrat (Phosphor, Man-
eller Fügeverfahren – v. a. Schweißen – zu Kons- gan, Silizium) und dem Koks (Kohlenstoff, Schwe-
truktionen zusammengefügt. fel). Diese machen das erstarrte Roheisen hart und
Für die Verwendung von Stahl im Bauwesen spröde, so dass es nicht verformt werden kann und
sind die Festigkeitseigenschaften und das Form- somit als Konstruktionswerkstoff unbrauchbar ist.
3.1 Baustoffe 1017

Aus diesem Grund werden die versprödend wir- hat die Zugabe von Mangan. Ein Teil des SiO2
kenden Eisenbegleiter aus dem Eisen entfernt. wird mit der Schlacke entfernt. Wegen der fehlen-
Der Kohlenstoff wird dem Eisen durch Oxidati- den Badbewegung bleiben die Verunreinigungen
on entzogen. Der zugeführte Sauerstoff überführt und ein Großteil des verbleibenden SiO2 wesent-
den Kohlenstoff in CO oder CO2, die als Gas aus lich gleichmäßiger über den Stahlquerschnitt ver-
dem flüssigen Eisen entweichen. Die anderen Ei- teilt. Allerdings entsteht auch keine ausgeprägte
senbegleiter werden in Oxide umgewandelt, die verunreinigungsarme Randzone, so dass die Quali-
sich als Schlacke auf der Schmelze sammeln. In tät der Stahloberfläche nicht so gut ist wie bei un-
der Vergangenheit wurden bei der Stahlerzeugung beruhigt vergossenen Stählen. Da der Stahlguss
zur Kohlenstoffoxidation Frischverfahren wie das beim Abkühlen schrumpft (bis zu 3 Vol.-%), bildet
Thomas- und das Siemens-Martin-Verfahren durch- sich am Kopf des Blockes ein Hohlraum, der vor
geführt. Heute wird der Großteil des aus Roheisen dem Walzen abgetrennt werden muss, um Dopp-
erzeugten Stahls im Sauerstoffblasverfahren her- lungen (Werkstofftrennungen) zu vermeiden.
gestellt, bei dem der Sauerstoff mittels einer Lanze Bei der dritten Vergießungsart erhält man durch
von oben durch die Schlackeschicht in das flüssige zusätzliche Zugabe von Aluminium zu Silizium
Roheisen geblasen wird. und Mangan besonders beruhigten Stahl (RR). Das
Durch das Frischen kommt der Stahl mit erheb- Aluminium hat eine hohe Affinität zu Sauerstoff
lichen Mengen Sauerstoff in Berührung und kann und reagiert mit dem restlichen Sauerstoff zu Ton-
im flüssigen Zustand große Gasmengen aufneh- erde (Al2O3). Die feinverteilten Tonerdeeinschlüs-
men. Da hohe Sauerstoffgehalte den Stahl ab 0,03 se wirken bei der Erstarrung als Kristallisations-
M.-% jedoch alterungsempfindlich und ab 0,07 keime, so dass sich ein reiner, feinkörniger und
M.-% rotbrüchig machen, muss der Sauerstoff der zäher Stahl ausbildet, der sich gut verformen und
Stahlschmelze wieder entzogen werden; d. h., die schweißen lässt. Da das Aluminium auch Stick-
Stahlschmelze muss desoxidiert werden. stoff abbindet, erhöht sich die Alterungsbeständig-
Je nach Grad der Desoxidation unterscheidet keit des Stahls.
man bei den Vergießungsarten zwischen unberu- In den Industrienationen hat der Strangguss den
higtem (U), beruhigtem (R) und besonders beru- Blockguss inzwischen zu über 90% ersetzt. Wäh-
higtem (RR) Stahl. Die Vergießungsarten beschrei- rend beim Blockguss der flüssige Stahl in eine un-
ben das unterschiedliche Erstarrungsverhalten der ten geschlossene Kokille gefüllt wird, dort als
Stahlschmelze. Beim unberuhigten Vergießen wird Block erstarrt und in vielen weiteren Schritten um-
der Stahl zum Erstarren in Blöcke gegossen. Au- geformt werden muss, wird er beim Strangguss in
ßen entsteht zunächst relativ reiner Stahl, während eine oben und unten geöffnete Durchlaufform ge-
die im Kern befindliche Restschmelze mit Verun- gossen. Die Querschnittsform eines Stranges wird
reinigungen angereichert ist. Bei weiterer Abküh- durch das herzustellende Fertigerzeugnis und den
lung sinkt die Löslichkeit des Sauerstoffs; er schei- dazu notwendigen Verarbeitungsweg bestimmt.
det sich aus und reagiert mit dem vorhandenen Das Stranggussverfahren eignet sich nicht für un-
Restkohlenstoff der Stahlschmelze zu CO. Letzte- beruhigte Stähle, da im Strang ein Entweichen der
res steigt in Form von Blasen auf, bringt so die Gase nicht möglich ist.
Schmelze in Bewegung und reißt vorhandene Ver- Neben der klassischen Stahlherstellung im
unreinigungen zur Mitte und nach oben hin mit. Hochofen wird Stahl auch im Elektroverfahren
Dadurch kommt es im Kern und am Kopf des hergestellt. Hierbei wird als Rohstoff nicht oxi-
Stahlblocks zu unerwünschten Anhäufungen von disches Eisenerz, sondern Stahlschrott verwendet.
Kohlenstoff, Phosphor und Schwefel, die als „Sei- Wegen dieser Möglichkeit des Recyclings gewinnt
gerungen“ (Entmischungen) bezeichnet werden. das Verfahren immer mehr an Bedeutung. Beim
Beim beruhigten Vergießen (R) wird der Schrott muss unterschieden werden zwischen
Schmelze Silizium zugegeben, mit dem der Sauer- Eigenschrott, der in der Produktion oder der Wei-
stoff als SiO2 chemisch gebunden wird. Da die terverarbeitung anfällt, und Altschrott (z. B. von
CO-Bildung unterbleibt, erstarrt die Schmelze ru- Autos). Im Gegensatz zu Altschrott ist die Zusam-
hig. Gleichartige, wenn auch schwächere Wirkung mensetzung von Eigenschrott bekannt, entspre-
1018 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

chend kann er problemlos wieder eingesetzt rit“ bezeichnet. Die dunkleren Körner zeigen unter
werden. Altschrott ist durch Begleitelemente wie weiterer Vergrößerung ein streifiges Aussehen und
Kupfer und Zinn aus Überzügen verunreinigt. Der werden als „Perlit“ bezeichnet. Die dunklen Strei-
aufbereitete (zerkleinerte), vorgewärmte und ge- fen im Perlit bestehen aus Eisenkarbid (Fe3C),
trocknete Schrott wird im Elektroofen mittels elek- das härter ist und auch „Zementit“ genannt wird.
trischer Energie durch einen Lichtbogen zwischen Dieses ist in das weichere kohlenstofffreie Ferrit
Schrott und Graphitelektroden zum Schmelzen ge- (Fe) eingebettet (helle Streifen).
bracht. Verunreinigungen infolge von Brennstoff- Der Kohlenstoff ist also in den dunklen Streifen
gasen können nicht entstehen und der Lichtbogen des Perlits, im harten Zementit enthalten. Der Koh-
verringert den Sauerstoffgehalt im Stahl. lenstoffgehalt des Zementits beträgt 6,7%. Da der
Anteil des Zementits an den Perlitkörnern stets
gleich ist, ergibt sich für die Perlitkörner ein Koh-
3.1.4.3 Gefüge, Härten, Anlassen, Glühen
lenstoffgehalt von 0,8%, so dass sich der Kohlen-
Beim Abkühlen aus der Schmelze kristallisiert das stoffgehalt des Stahls aus dem Gefügebild abschät-
Eisen, d. h., die Atome ordnen sich in regelmäßiger zen lässt.
räumlicher Anordnung zu Kristallen. Bei weiterer Die Gefügebilder in Abb. 3.1-26 entstehen nur
langsamer Abkühlung wandeln sich diese Kristalle bei langsamer Abkühlung. Das bei hoher Tempera-
um. Die Umwandlungstemperaturen und die dabei tur entstehende J-Mischkristall wird als „Austenit“
auftretenden Kristallmodifikationen, die sog. „Pha- bezeichnet und kann viel Kohlenstoff aufnehmen.
sen“, sind maßgeblich von der chemischen Zusam- Bei tieferen Temperaturen ist das J-Mischkristall
mensetzung des Eisens abhängig (Abb. 3.1-26). nicht mehr beständig und bildet sich in das D-
Bei Stahl trifft dies in erster Linie für den Kohlen- Mischkristall (Ferrit) um, das jedoch nur wenig
stoffgehalt zu. Das Gefüge des Stahls setzt sich Kohlenstoff aufnehmen kann. Der freiwerdende
aus vielen Kristallen zusammen, die zur besseren Kohlenstoff führt dann zur Bildung von Zementit
Unterscheidung von den atomaren Kristallen als (Fe3C). Dieser Vorgang wird als „Perlitbildung“
„Körner“ bezeichnet werden und z. B. bei Zink auf bezeichnet. Da die notwendigen Kohlenstofftrans-
der Oberfläche sichtbar sind. portvorgänge im Wesentlichen auf Diffusion beru-
Das Gefüge ist von unterschiedlichen Faktoren hen und die Modifikation vom J- zum D-Misch-
abhängig: der chemischen Zusammensetzung des kristall bereits im erstarrten Gitter stattfindet,
Eisens, der Wärmebehandlung und der Art der Ver- braucht dieser Prozess Zeit, d. h. eine geringe Ab-
arbeitung, die der Stahl bis zu seiner endgültigen kühlungsgeschwindigkeit.
Gestaltung erhält. Die Größe der „Körner“ wird Die Umwandlungsvorgänge für eine unendlich
hauptsächlich durch die Abkühlungsgeschwindigkeit langsame Abkühlung sind im eisenreichen Ab-
bestimmt; so haben die Körner bei langsamer Abküh- schnitt des Eisen-Kohlenstoff-Diagramms in Abb.
lung Zeit zu wachsen, und es bildet sich Grobkorn. 3.1-26 dargestellt. Bei einem C-Gehalt von 0,8%
Bei schneller Abkühlung bilden sich sehr viele kleine wird Austenit bei 723°C vollständig in Perlit um-
„Körner“ aus, es kommt zur Feinkornbildung. gebaut, und der Stahl hat ein 100% perlitisches
Das Gefüge des Stahls lässt sich an geschlif- Gefüge. Wenn sich der C-Gehalt unter 0,8% befin-
fenen und geätzten Proben mit „einfacher“ Vergrö- det, so liegt bei hohen Temperaturen zunächst wie-
ßerung erkennen. Die Korngrößen liegen bei sehr derum nur Austenit vor. In Abhängigkeit vom
feinkörnigem Gefüge unterhalb von 0,01 mm und Kohlenstoffgehalt findet bei Abkühlung auf der
bei grobkörnigem bei maximal 0,5 mm; sie sind Linie G-S teilweise eine Umwandlung des Auste-
bei überhitztem Stahl sogar mit bloßem Auge zu nits in Ferrit statt. Bei 723°C vollzieht sich dann
erkennen. die Umwandlung des verbliebenen Austenit-Misch-
Bei der Betrachtung von langsam abgekühltem kristalls in Perlit, so dass in Abhängigkeit vom
Stahl unter dem Mikroskop erkennt man helle und Kohlenstoffgehalt ein Mischgefüge aus Perlitkör-
dunkle Körner (vgl. Abb. 3.1-26). Die hellen Kör- nern und Ferritkörnern vorliegt.
ner sind kohlenstofffrei und bestehen im Wesent- Erfolgt die Abkühlung jedoch plötzlich, haben
lichen aus reinem Eisen (Fe); sie werden als „Fer- die Kristalle nicht mehr genügend Zeit, sich zu mo-
3.1 Baustoffe 1019

Abb. 3.1-26 Eisen-Kohlenstoff-Teildiagramm [Werkstoff-Handbuch Stahl und Eisen 1962]

difizieren. Wenn die Abkühlung stattfindet, bevor genügend Zeit, seinen Platz zu verlassen und nimmt
die Umwandlung des C-reichen J-Mischkristalls be- zwangsweise einen Zwischengitterplatz ein, in den
gonnen hat, wird dieser Zustand, der eigentlich nur es wegen seiner Größe nicht passt, wodurch das Git-
bei hohen Temperaturen bestehen möchte, bei Zim- ter verspannt wird. Diese Form des D-Mischkristalls
mertemperatur festgehalten. Es stellt sich dann nicht wird „Martensit“ genannt. Martensitischer Stahl er-
mehr Stahl mit fleckenweise verteiltem Kohlenstoff hält mit zunehmender Abkühlungsgeschwindigkeit
in Perlitkörnern ein, sondern ein Stahl, in dem der höhere Festigkeiten. Gleichzeitig nimmt die plasti-
Kohlenstoff gleichmäßig verteilt ist. Beim schnel- sche Verformbarkeit ab; sie ist geringer als die eines
len Abkühlen klappen die Eisenatome des flächen- Stahls gleicher chemischer Zusammensetzung, der
zentrierten J-Mischkristalls schlagartig in das raum- langsam abgekühlt worden ist.
zentrierte D-Mischkristall um. Das dort befindliche Man nennt den Vorgang des plötzlichen Abküh-
Kohlenstoffatom hat bei schneller Abkühlung nicht lens „Härten“ – der Stahl ist gehärtet. Je höher der
1020 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Kohlenstoffgehalt ist, desto höher ist die Härtbar- Eigenschaften ausschlaggebend. Jedoch lässt sich
keit. Die Wirkung des Härtens ist an der Oberflä- der Einfluss nur qualitativ vorhersagen, da sich die
che wegen der höheren Abkühlungsgeschwindig- Legierungselemente in ihrer Wirkung nicht rein
keit am größten und nimmt zur Mitte hin ab. Bei additiv verhalten. Tabelle 3.1-15 gibt einen Über-
erneutem Erwärmen auf Temperaturen unter 700 blick über den Einfluss der Legierungselemente.
°C und sogar bereits ab 100°C werden die beim
Härten aufgebauten inneren Spannungen deutlich Festigkeits- und Verformungsverhalten
abgebaut. Da es beim gehärteten Stahl schwierig Die grundlegenden mechanischen Kennwerte eines
ist, die Bildung des Martensits exakt zu steuern, Stahls werden im einachsigen Zugversuch be-
erwärmt man den Stahl nach dem Härten auf Tem- stimmt. Da das Verhalten stark von der Probengeo-
peraturen zwischen 100°C und 300°C, wobei sich metrie abhängt, sind die Prüfkörperformen z. B. in
ein Teil des Kohlenstoffs aus der Zwangslage löst, DIN 50125 genormt. Während des Versuchs wird
die Eigenspannungen abnehmen und der Stahl die Belastung langsam quasistatisch gesteigert, bis
wieder zäher wird. Diese Erwärmung nach dem es zum Bruch kommt. In der Spannungs-Deh-
Härten heißt „Anlassen“. Den kombinierten Pro- nungs-Linie wird der Verlauf der Nennspannung V
zess aus Härten und Anlassen bezeichnet man als über die Dehnung H aufgezeichnet (Abb. 3.1-27).
„Vergüten“. Hierbei werden neben der Festigkeit auch Ver-
Beim Glühen wird der Stahl erneut auf Tempe- formungskennwerte bestimmt, die für die Beurtei-
raturen zwischen 500°C und 700°C erwärmt und lung des Werkstoffverhaltens notwendig sind. Bis
dann langsam abgekühlt. Hierdurch ergibt sich ein zu einer bestimmten Spannung zeigen Stähle ein
rekristallisiertes, spannungsarmes Gefüge mit ge- rein elastisches Verhalten, bei dem nur Verzer-
ringer Zugfestigkeit und höherer Zähigkeit. Auf rungen im Gitter entstehen, die sich bei Entlastung
diese Weise können beispielsweise geschweißte sofort und vollständig zurückbilden. Der elastische
Bauteile bei 650°C im Bereich der Schweißnaht Bereich ist durch einen linearen Anstieg der Deh-
wieder spannungsfrei geglüht werden. nung H mit der Spannung V gekennzeichnet und
wird durch einen Verhältnisfaktor ausgedrückt,
den Elastizitätsmodul E. Der lineare Zusammen-
3.1.4.4 Mechanische Eigenschaften
hang wird auch als „Hookesches Gesetz“ bezeich-
Einfluss der Legierungselemente net (gilt nur im elastischen Bereich):
Im Gegensatz zu den Eisenbegleitern, die während
der Stahlherstellung unbeabsichtigt aufgenommene (3.1.16)
Bestandteile sind, werden Legierungselemente dem
Stahl in genauen Mengen zugesetzt, um gewünsch- mit EStahl=210000 N/mm2.
te Eigenschaften zu erzeugen oder zu verbessern. Der elastische Bereich endet bei der Proportio-
Für bestimmte Legierungselemente gelten Stahl- nalitätsgrenze, also bei dem Punkt, bis zu dem
sorten bereits als legiert, wenn der Gehalt des Le- Spannung und Dehnung proportional sind. Daran
gierungselements 0,05M.-% übersteigt. Die Viel- schließt sich eine mehr oder weniger gekrümmte
falt der Legierungselemente erlaubt Eigenschafts- Linie an, die von einem zunehmenden Anteil plas-
änderungen des Stahls in großem Umfang. Die tischer Verformung geprägt ist. Da dieser Über-
Kenntnis darüber ist für die Erzielung bestimmter gangspunkt messtechnisch schwer zu erfassen ist,

Tabelle 3.1-15 Einfluss der Legierungselemente und Eisenbegleiter


3.1 Baustoffe 1021

die maximale gleichmäßige Dehnung über die ge-


samte Probenlänge vorhanden ist:

(3.1.18)

Das Verformungsverhalten von Stahl lässt sich


durch Legierungen, Wärmebehandlungen und
Kaltverformungen entscheidend beeinflussen.
Grundsätzlich gilt für alle drei Verfahren, dass eine
Festigkeitssteigerung immer mit einer Verringe-
rung des Verformungsvermögens einhergeht. Le-
gierungen können die Eigenschaften der Stähle
vielfältig beeinflussen. Der Einfluss des C-Gehalts
auf die mechanischen Eigenschaften von Stahl ist
Abb. 3.1-27 Spannungs-Dehnungs-Linie von unbehan- besonders ausgeprägt und steht hier stellvertretend
deltem Stahl für andere Legierungen. Die Zugfestigkeit steigt
bei einem Kohlenstoffgehalt von etwa 0,8% auf rd.
900 N/mm2 und ist damit dreimal so hoch wie bei
verwendet man für die Streckgrenze den Span- reinem Eisen. Dabei sinken jedoch Brucheinschü-
nungswert, bei dem die Spannung erstmals kons- rung und A5 deutlich (Abb. 3.1-28).
tant bleibt oder abfällt. Bei Werkstoffen, die keine Bei der Kaltverformung erfolgt eine rein me-
deutliche Streckgrenze aufweisen, wird als Ersatz chanische Formänderung unterhalb der Rekristal-
die technische Streckgrenze Rp0,2 festgelegt, die lisationstemperatur (etwa 450°C), und zwar meist
als die Spannung definiert ist, bei der der Stahl bei Raumtemperatur. Die aufgebauten Gitterver-
eine bleibende Dehnung von 0,2% aufweist. Die setzungen und Eigenspannungen steigern die Fes-
maximal aufnehmbare Spannung ist die Zugfestig- tigkeit, wobei die Zähigkeit sinkt. Kaltverformte
keit Rm. Sie ergibt sich aus Höchstlast Fm und An- Stähle weisen keine ausgeprägte Streckgrenze
fangsquerschnitt S0 mit mehr auf. Deshalb gilt hier die technische Streck-
grenze Rp0,2 (Abb. 3.1-29).
(3.1.17) Mittels Wärmebehandlung können ebenfalls
bestimmte Werkstoffeigenschaften im festen Zu-
Bis zur Höchstlast sind die Dehnungen gleichmä- stand geändert werden, ohne dabei die chemische
ßig über die gesamte Probenlänge verteilt. Bei Zusammensetzung zu ändern (s. Abb. 3.1-29, vgl.
weiterer Belastung jedoch schnürt der Stahl mit 3.1.4.3).
örtlich großen Dehnungen an einer Stelle ein, wo- Neben der bewusst geplanten Wärmebehandlung
durch der tatsächliche Querschnitt abnimmt und beeinflussen Temperaturen während der Nutzung
die wahre Spannung wächst, bis der Stahl bricht. die Stahleigenschaften (die üblichen atmosphä-
Die bleibende Längenänderung nach dem Bruch rischen Temperaturschwankungen tun dies nur
wird als „Bruchdehnung“ bezeichnet. Da unmittel- unwesentlich). Bei hohen Temperaturen (z. B. im
bar an die Bruchstelle angrenzende Bereiche be- Brandfall) ist zu unterscheiden zwischen den
sonders viel bleibende Dehnung bei der Einschnü- Stahleigenschaften während und nach der Tempera-
rung erfahren, muss die Bezugslänge angegeben tureinwirkung. Die Festigkeitsminderung nach der
werden. Gebräuchliche Messlängen sind der 5- Temperatureinwirkung hängt stark von der Vorbe-
bzw. 10-fache Probendurchmesser; sie werden mit handlung des Stahls ab, da die Temperaturen im
A5 und A10 bezeichnet. Brandfall ähnlich denen des Glühens und Anlassens
Ein weiterer Verformungskennwert ist die sein können. Besonders bei kaltverformten Stählen
Gleichmaßdehnung Ag. Sie ist definiert als die kann bereits eine geringe Erwärmung die aufge-
nichtproportionale Dehnung bei Höchstkraft Fm. brachten mechanischen Kristallspannungen aufhe-
Sie wird also zu dem Zeitpunkt bestimmt, an dem ben, wodurch es zu Festigkeitsverlusten kommt.
1022 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.1-28 Festigkeit und Verformungsverhalten von Stahl in Abhängigkeit vom C-Gehalt

Abb. 3.1-29 Spannungs-Dehnungs-Linien

Bei sehr niedrigen Temperaturen (z. B. im Flüs- wiederholen. Durch unterschiedliche Beanspru-
siggas-Behälterbau) nehmen die Streckgrenze, die chungshöhen und -wechsel, die zusätzlich in ihrem
Zugfestigkeit und auch die Dauerfestigkeit zu. Die zeitlichen Verlauf variieren, stellt sich das Gebiet
Dehnungswerte nehmen dabei bis etwa –150°C ge- der Schwingungsfestigkeiten als ein sehr kom-
ringfügig ab [Rostasy u. a. 1982]. Werden die Tem- plexes dar. Nach vielen Spannungszyklen kommt
peraturen weiter gesenkt, fallen die Dehnungswerte es im Stahl an Gitterversetzungen zu Mikroriss-
jedoch sehr stark ab und der Stahl wird spröde. bildungen, die in einen verformungslosen Ermü-
dungsbruch übergehen können. Diese Ermüdungs-
Festigkeiten unter schwingender brüche können bei Spannungen deutlich unterhalb
Beanspruchung der Streckgrenze auftreten. Da diese aber üblicher-
Schwingende Beanspruchungen sind zeitlich ver- weise zur Bemessung herangezogen wird, muss
änderliche Beanspruchungen, die sich regelmäßig für dynamisch beanspruchte Bauteile unbedingt
3.1 Baustoffe 1023

der Oberflächengeometrie ab. Kerben (z. B. Rippen


bei Betonstählen) mindern die Dauerschwingfestig-
keit erheblich. Selbst die Oberflächengüte wirkt sich
aus, so erzielen polierte Stähle höhere Dauerschwing-
festigkeiten als Stähle mit Walzhaut.

3.1.4.5 Schweißen
Schweißen ist das Verbinden von metallischen Bau-
teilen unter Wärmeanwendung oder Druck durch
Aufschmelzung der Werkstoffe im Kontaktbereich
allein oder unter Hinzugabe eines Schmelzwerk-
Abb. 3.1-30 Darstellung der Schwingfestigkeit im
Wöhler-Diagramm stoffs, um eine unlösbare Verbindung zu schaffen.
Grundsätzlich gibt es zwei Gruppen von Schweiß-
verfahren, das Schmelzschweißen (E, M) und das
auch ein Nachweis für die Ermüdungsfestigkeit er- Pressschweißen (RP, RA). Beim Schmelzschweißen
bracht werden. wird die Lücke der zu verschweißenden Bauteile
Im Labor wird der Nachweis der Schwingfestig- durch örtliches Aufschmelzen oberhalb der Liqui-
keit von Stählen mittels einer sinusförmigen Bean- duslinie geschlossen. Beim Pressschweißen werden
spruchung simuliert. Diese ist gemäß Abb. 3.1-30 die Flächen der zu verschweißenden Bauteile bis
gekennzeichnet durch einen Mittelwert Vm und den zum Teigigwerden unterhalb der Soliduslinie er-
Spannungsausschlag oder die Amplitude Va mit wärmt und dann durch Druck verbunden.
der Periodendauer T. Bei der Prüfung der Schwing- Beim Punktschweißverfahren (RP) werden auf-
festigkeit werden verschiedene Proben mit glei- einanderliegende Bauteile unter Druck mit Schweiß-
cher Mittelspannung und variierenden Spannungs- punkten verbunden. Strom und Kraft werden durch
ausschlägen geprüft, dabei wird die Zahl der Elektroden aufgebracht. Das Verfahren wird z. B.
Schwingspiele bis zum Bruch festgehalten. Trägt bei Gitterschweißautomaten zur Fertigung von Be-
man für eine gewählte Mittelspannung den jewei- tonstahlmatten angewendet.
ligen Spannungsausschlag über die bis zum Bruch Im Abbrennstumpfschweiß-Verfahren (RA) wer-
erzielte Schwingspielzahl auf, so erhält man das in den gedrungene Bauteile unter Strom gesetzt und
Abb. 3.1-30 gezeigte Wöhler-Diagramm. die Stirnflächen unter leichtem Berühren erwärmt.
Bei kleinen Spannungsausschlägen kann die Le- Dabei kommt es unter Lichtbogenbildung zum ört-
bensdauer sehr lang werden. Unterhalb eines be- lichen Abbrennen sowie durch schlagartiges Stau-
stimmten Spannungsausschlages tritt kein Bruch chen zum Verschweißen der Teile.
mehr auf. Dies ist der Bereich der Dauerschwingfes- Beim Lichtbogenhandschweißen (E) brennt der
tigkeit. Für Stahl gilt die Spannungsamplitude von Lichtbogen sichtbar zwischen einer abschmel-
Prüfkörpern, die eine Anzahl von 2·106 Schwing- zenden umhüllten Stabelektrode, die gleichzeitig
spielen ohne Bruch ertragen, als Dauerschwingfes- Schweißzusatzstoff liefert, und dem Bauteil ab.
tigkeit bei der vorgegebenen Mittelspannung. Grö- Gegen die Atmosphäre wird das Schweißgut durch
ßere Spannungsamplituden führen zu kürzerer Le- Stoffe abgeschirmt, die von der Ummantelung der
bensdauer. Erheblichen Einfluss haben zudem der Stabelektrode gebildet werden. E-Schweißen ist
Spannungshorizont und das Verhältnis zwischen Mit- für Baustähle jeder Art und auch für schweißgeeig-
telspannung und Spannungsausschlag. Je nach Lage nete Betonstähle in der Werkstatt und auf der Bau-
des Spannungshorizonts unterscheidet man Zug- stelle üblich, da nur eine einfache apparative Aus-
oder Druckschwellbeanspruchung, bei der die Probe stattung nötig ist.
nur auf Zug oder Druck beansprucht wird, oder Beim Metallschutzgasschweißen (M) brennt der
Wechselbeanspruchung, bei der die Probe auf Zug Lichtbogen sichtbar zwischen der abschmelzenden
und Druck beansprucht wird. Die Dauerschwingfes- Drahtelektrode und dem Bauteil. Elektrode, Licht-
tigkeit hängt neben den Stahleigenschaften auch von bogen und Schweißbad werden gegen die Atmo-
1024 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

sphäre durch ein eigens zugeführtes inertes oder ak- Tabelle 3.1-16 Schweißeignung nach DIN 8528
tives Schutzgas abgeschirmt. Das Metallschutzgas-
schweißen wird nach der Art des Schutzgases in
Metall-Inertgasschweißen (MIG) und Metall-Aktiv-
gasschweißen (MAG) unterschieden. Im Unter-
schied zum E-Schweißen sind MIG und MAG Hoch-
leistungsschweißverfahren, die für hohe Schweiß-
geschwindigkeiten geeignet sind.
Die Schweißbarkeit eines Bauteils ist gegeben,
wenn die Verbindung durch Schweißen mit einem
geeigneten Schweißverfahren bei Beachtung eines
geeigneten Fertigungsablaufs erreicht werden kann.
Die geschweißte Konstruktion muss die für das
Bauteil geltenden Anforderungen erfüllen. Die we-
sentlichste Voraussetzung ist eine dauerhafte Ver-
bindung mit ausreichender Verformbarkeit nach Abb. 3.1-31 Wärmeeinflusszone beim Schweißen
dem Schweißen, um Trennbrüche zu vermeiden.
Unter dem Begriff „Schweißbarkeit“ werden die
Schweißeignung des Werkstoffs, die Schweißmög- bedenken, dass sich alle drei Einflussgrößen gegen-
lichkeit der Fertigung und die Schweißsicherheit seitig beeinflussen und dass jede einzelne Einfluss-
der Konstruktion zusammengefasst. größe die Schweißbarkeit minimierend beeinflusst.
Die Schweißeignung ist eine Stoffeigenschaft und Tabelle 3.1-16 gibt an, wie der Herstellungspro-
gegeben, wenn chemische, metallurgische und phy- zess die Schweißeignung von Baustählen beein-
sikalische Eigenschaften des Stahls eine Schwei- flusst. So spielen Seigerungen nur für unberuhigten
ßung entsprechend den Anforderungen grundsätzlich Stahl eine Rolle. Die Neigung zum unbeabsichtig-
ermöglichen. Im Allgemeinen bedeutet dies, dass ten Härten ist nur für hochfesten S 355 (früher
das nach dem Schweißen entstehende Gefüge noch St 52) zu beachten. Die Schweißeignung ist so viel-
ausreichend verformbar sein muss. Je mehr der Stahl fältig, da es an der Schweißstelle beim Schweißen
bei der Festlegung der Schweißverbindungsart und zu mehreren Beanspruchungen und Veränderungen
deren Ausführung beachtet werden muss, desto kommt. Der Werkstoff wird örtlich zum Schweißgut
schlechter ist die Schweißeignung des Stahls. aufgeschmolzen, welches aus Grundwerkstoff und
Die Schweißmöglichkeit gibt an, ob die jewei- ggf. Schweißzusatzstoff besteht. Dabei werden im
lige Verbindung mit den gewählten Fertigungsbe- Schweißgut hohe Temperaturen (bis 2000°C) mit
dingungen hergestellt werden kann. Sie betrifft extrem hohen Aufheiz- und Abkühlungsraten er-
Vorbereitung, Ausführung und Nachbehandlung reicht. Hierdurch gewinnt die Temperatur auch in
der Schweißarbeiten. benachbarten Bereichen Einfluss. Den Bereich, in
Die Schweißsicherheit lässt sich nicht allein aus dem es durch das Schweißen zu Gefügeänderungen
der Stoffeigenschaft Schweißeignung begründen, kommen kann, bezeichnet man als „Wärmeeinfluss-
sondern ist eine konstruktive Eigenschaft, die der zone“ (Abb. 3.1-31). Im Schweißgut oberhalb der
Stahlhersteller nicht beeinflussen kann. Sie ist Soliduslinie I liegen Verhältnisse vor, wie sie bereits
vielmehr durch den Verarbeiter beeinflussbar und vom Erstarren der Schmelze bekannt sind. Verunrei-
hängt von der konstruktiven Gestaltung wie Blech- nigungen können die Zähigkeit verringern.
dicke, Nahtanordnung und Nahtart ab. Auch der Aufgrund der hohen Gaslöslichkeit des flüssigen
Beanspruchungszustand des Bauteils beeinflusst Schweißgutes können die Gase nur unvollständig
die Schweißsicherheit. ausgeschieden werden. Sie verursachen Mikroseige-
Grundsätzlich sind fast alle Konstruktionen aus rungen, Poren und atomare Lösungen, die bei Was-
fast allen Stahlgüten schweißbar, wenn die metall- serstoff und Stickstoff gefährlich sind. Aus diesem
urgischen Zusammenhänge und Fragen der Schweiß- Grund werden atmosphärische Gase möglichst vom
möglichkeiten beachtet werden. Es ist wichtig zu Schweißgut ferngehalten (z. B. mit Hilfe von Schutz-
3.1 Baustoffe 1025

gasen). Aufgrund der hohen Temperaturen entsteht währte deutsche Werkstoffnummernsystem unver-
im schmelznahen Bereich II grobkörniges Gefüge ändert in den Teil 2 des europäischen Normen-
mit geringer Zähigkeit. Im Bereich III kommt es zur werks übernommen, bei dem für jede Stahlsorte
Perlitumwandlung. Da Perlit einen C-Gehalt von eine Nummer in Anlehnung an die chemische Zu-
0,8% aufweist, besteht bei rascher Abkühlung die sammensetzung vergeben wird. Die Werkstoff-
Gefahr der Versprödung auch für niedriggekohlte nummer setzt sich aus der Werkstoffhauptgruppe 1
Baustähle. Im Bereich IV wird der Stahl angelassen, für Stahl, der zweistelligen Stahlgruppennummer,
was zum Abbau von Eigenspannungen führt. Im welche die Stähle in Sorten einteilt, und der zwei-
Bereich V mit Temperaturen zwischen 200°C und stelligen Zählnummer, die nach der chemischen
400°C werden kaltverformte Stähle künstlich ge- Zusammensetzung gebildet wird, zusammen (z. B.
altert und können verspröden. Bei hohen Ab- 1.01 12: Stahl, Allg. Baustähle, S235JR). Das Be-
kühlungsgeschwindigkeiten können sich in der zeichnungssystem für Kurznamen hat sich jedoch
Schweißnaht Risse bilden. Im weiteren Bereich der geändert und ist in zwei Hauptgruppen gegliedert,
Wärmeeinflusszone kann es zu Formänderungen bei denen die erste Kurznamen mit Hinweisen auf
(Verzug) oder Eigenspannungen kommen. die Verwendung und die mechanischen Eigen-
Das zentrale Problem bei Stahlschweißungen ist schaften und die zweite Kurznamen mit Hinweisen
jedoch die Neigung zum Aufhärten in den schweiß- auf die chemische Zusammensetzung verwendet.
nahtnahen Bereichen. Je größer der Kohlenstoffgehalt Allgemeine Baustähle sind in DIN EN 10025
ist, desto spröder wird der entstehende Martensit. In genormt, die im Rahmen der europäischen Harmo-
schweißgeeigneten Stählen ist der Kohlenstoffgehalt nisierung DIN 17100 ersetzt hat. Die Norm um-
daher auf etwa 0,25% begrenzt. Jedoch beeinflussen fasst warmgewalzte Stähle, die z. B. im Hoch-,
auch andere Elemente wie Mn, Cr oder Ni die Auf- Tief- und Brückenbau verwendet werden. Die
härtungen und Gefügeänderungen in der Wärmeein- Kurznamen geben die Mindeststreckgrenze in N/
flusszone. Die gemeinsame Wirkung wird über das mm2 an, im Gegensatz zur zurückgezogenen DIN
Kohlenstoffäquivalent abgeschätzt, d. h., die ande- 17100, welche die Zugfestigkeit angab. Ein vor-
ren Elemente werden in ihrem Einfluss auf die Auf- angestelltes S bezeichnet Baustahl und ein E Ma-
härtungsneigung und Gefügeänderung mit Kohlen- schinenbaustahl. Zur Abschätzung der Sprödbruch-
stoff verglichen. Die Wichtung der einzelnen Ele- sicherheit und der Schweißeignung werden die
mente hängt von der zu spezifizierenden Eigenschaft Stähle in Gütegruppen von JR bis K2 mit zuneh-
ab. Für die Schweißeignung gilt mender Schweißeignung eingeteilt. Die Desoxida-
tionsart kann durch eine nachgestellte Kenn-
(3.1.19) zeichnung G1 bis G4 angegeben werden. Eine
Übersicht über vergleichbare Stahlbezeichnungen
gibt Tabelle 3.1-17.
Stähle mit Cä<0,45% sind erfahrungsgemäß her- Feinkornbaustähle sind schweißgeeignete Bau-
kömmlich schweißbar. Bei höheren Kohlenstoff- stähle mit höheren Streckgrenzen, sie sind auch in
aquivalenten sind besondere Maßnahmen zu tref- DIN EN 10025 genormt. Der Ansatz, die Festig-
fen (z. B. Vor- und Nachwärmen), wodurch die keit über die Kohlenstoffzugabe zu steigern, endet
Abkühlungsgeschwindigkeit und damit die Gefahr beim S 355 aufgrund des dazu notwendigen Koh-
der Martensitbildung sinken. Die Wärmezufuhr lenstoffgehalts von 0,22%, der an der Grenze der
darf allerdings bei behandelten und v. a. auch bei Schweißbarkeit liegt. Weitere Festigkeitssteige-
kaltverformten Stählen nicht zu groß sein, da es rungen werden durch ein feinkörniges Gefüge er-
sonst zu Entfestigungen kommt. zielt. Die Bezeichnung erfolgt mit einem vorange-
stellten S für Stahl und der Angabe der Streckgren-
ze in N/mm2. Die Gütegruppenbezeichnung N, M,
3.1.4.6 Genormte Baustähle
NL oder ML wird nachgestellt.
Im Rahmen der europäischen Harmonisierung Wetterfeste Stähle sind ebenfalls in DIN EN
wurde auch das Bezeichnungssystem der Stähle in 10025 in den Stahlsorten S 235 und S 355 genormt
DIN EN 10027 neu geregelt. Dabei wurde das be- und stimmen in den mechanischen Eigenschaften
1026 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.1-17 Liste vergleichbarer früherer Stahlbezeich- 3.1.4.7 Korrosionsbeständige Stähle


nungen von Stählen der DIN EN 10025 Sogenannte „nichtrostende Stähle“, die im Bauwe-
sen Verwendung finden, sind legierte Stähle und
häufig unter Werknamen wie „V2A“ oder „Niros-
ta“ bekannt. Sie sind in DIN EN 10088 genormt.
Hier wurden die Bezeichnungen der Kurznamen
und Werkstoffnummern aus der bis dahin gültigen
DIN 17440 übernommen. Wichtigste Eigenschaft
ist die höhere Beständigkeit gegen Korrosion.
Durch Zusatz bestimmter Legierungselemente wie
Chrom und Nickel in erheblich höheren (i. d. R.
Chrom > 12%) Mengen als bei wetterfesten Stäh-
len bildet sich ein dichter, fest haftender, sehr dün-
ner Oxidfilm aus, wodurch der Stahl passiviert
weitgehend mit denen der entsprechenden allge- wird. Bei einer mechanischen Beschädigung er-
meinen Baustähle überein. Die Bezeichnung er- neuert sich die passivierende Oxidschicht selbstän-
folgt mit der zusätzlich nachgestellten Kennung dig. Aufgrund der Korrosionsbeständigkeit kann
W. Geringe Legierungszusätze (v.a. Phosphor und also auf besondere Oberflächenschutzsysteme ver-
Kupfer) bewirken, dass sich unter atmosphä- zichtet werden, zudem braucht ein Dickenverlust
rischen Bedingungen dichte und gut haftende infolge Korrosion nicht berücksichtigt zu werden.
Rostschichten bilden. Sie minimieren die Abtra- Allerdings ist zu beachten, dass die Korrosions-
gungsraten, obwohl der Stahl korrodiert erscheint. beständigkeit stark von den Umgebungsbedingun-
Die korrosionshemmende Schicht ist jedoch nur gen abhängt. So sind bei chloridhaltigen Schwitz-
bei wechselndem Zutritt von Sauerstoff und Was- wässern in Schwimmbädern nur Cr-Ni-Mo-Edel-
ser stabil, der im Bereich von Spalten, Schrauben- stähle beständig. Eine Übersicht über die Einteilung
verbindungen oder im Erdreich evtl. nicht gege- der Stähle in Abhängigkeit von der Umgebung ist in
ben ist. Außerdem sind W-Stähle bei Chloridein- Tabelle 3.1-18 gegeben.
wirkung nicht beständig. Die jeweilige Abrostung, Die überwiegende Zahl der nichtrostenden
die sich über die geplante Lebenszeit ergibt, ist im Stähle ist schweißbar, jedoch ist zu beachten, dass
statischen Nachweis ggf. durch Dickenzuschläge Cr und Mo die Schweißeignung negativ beeinflus-
zu berücksichtigen. sen (vgl. Gl. (3.1.19)). Verbindungen zwischen

Tabelle 3.1-18 Einteilung nach Festigkeitsklassen und Widerstandsklassen gegen Korrosion nach [DIBT 1998]
3.1 Baustoffe 1027

nichtrostenden und allgemeinen Baustählen sind rosionsschutz versehen werden. Dieser muss auf die
möglich, wobei die allgemeinen Baustähle und zu erwartende Korrosionsbelastung und die geplante
die Schweißstelle jedoch unter korrosiven Be- Nutzungsdauer abgestimmt sein. Die Dauerhaftig-
dingungen vor Korrosion zu schützen sind. Die keit des Korrosionsschutzes ist im Wesentlichen
Bezeichnung erfolgt durch eine vorangestellte von der Art der Untergrundvorbehandlung und
Kennzeichnung X für „korrosionsbeständig“, die der Schichtdicke abhängig. Geeignete Korrosions-
Angabe des Kohlenstoffgehalts in hundertstel Pro- schutzsysteme bestehen aus ein bis vier organischen
zent, die Angabe der Legierungselemente und die Beschichtungen, Metallüberzügen (Verzinken) oder
Massenangabe der Legierungselemente in Prozent Metallüberzügen plus Beschichtungen (Duplex).
(z. B. X 5 Cr Ni 18 9 für nichtrostenden Stahl mit Betonstahl ist in Beton eingebettet und im ord-
0,05% Kohlenstoff, 18% Chrom und 9% Nickel) nungsgemäß hergestellten Beton ohne vorgenannte
oder durch Angabe der Werkstoffnummer. Korrosionsschutzsysteme vor Korrosion geschützt.
Auf Grund des hohen pH-Wertes des Betons von
i. d. R. über 13 bildet sich ein sehr dichter, festhaf-
3.1.4.8 Betonstähle
tender Oxidfilm analog zu den korrosionsbeständi-
Betonstähle sind in DIN 488 und DIN EN 10080 gen Stählen. Dieser Vorgang wird als „Passivierung“
genormt. Sie werden nach der Streckgrenze und bezeichnet. Zur Aufrechterhaltung des alkalischen
der Verarbeitungsform unterschieden und kom- Milieus an der Stahloberfläche muss die Betonde-
men in Form von Stabstählen, Matten und Beweh- ckung ausreichend dick und dicht sein. Die Min-
rungsdrähten zum Einsatz. Da Betonstähle als destbetondeckung nach Norm muss daher Vorgaben
Massenprodukt über den Handel vertrieben wer- in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen
den, erfolgt die Kennung über Walzkennzeichen einhalten. Bei der Einwirkung von Chloriden (z. B.
in der Rippenanordnung, aus denen das Herstell- aus Tausalzen oder Meerwasser), die in den Beton
werk ermittelt werden kann. Stabstähle werden in eindringen, kann der Passivfilm jedoch auch bei
ø 6 bis 40 mm hergestellt und weisen zwei oder ausreichender Alkalität durchbrochen werden und
drei Rippenreihen auf. Betonstahlmatten sind Korrosion stattfinden. Das Eindringen von Chlori-
werkseitig vorgefertigte Bewehrungen aus einan- den muss deshalb vermieden werden, z. B. durch die
der kreuzenden, kaltverformten, gerippten Stählen Erhöhung der Betondeckung, die Verwendung hö-
mit drei Rippenreihen, die an den Kreuzungs- herer Betonqualitäten oder durch außenliegende,
punkten durch Schweißen scherfest miteinander dichte Schutzschichten.
verbunden sind. Betonstahlmatten werden über
den Stahlquerschnitt in mm2 je m bezeichnet (z. B.
Q 221 mit ø 6,5 alle 150 mm). Bewehrungsdrähte 3.1.5 Nichteisenmetalle (NE-Metalle)
werden als BSt 500 G, glatt und BSt 500 P, profi-
liert hergestellt mit den gleichen Eigenschaften Man unterscheidet
wie BSt 500 M.
– schwere NE-Metalle wie Blei, Kupfer, Nickel,
Zinn und Zink sowie
3.1.4.9 Korrosion und Korrosionsschutz – leichte NE-Metalle wie Aluminium und Magne-
sium.
In trockener Atmosphäre werden auch un- oder
niedriglegierte Baustähle nur von einer dünnen
Oxidschicht überzogen, die keinen Einfluss auf das
3.1.5.1 Blei
metallische Aussehen hat. Unter normalen atmo-
sphärischen Bedingungen stellt sich jedoch ein fort- Dichte 11,3 g/cm3, Schmelztemperatur 327°C,
laufender Korrosionsprozess ein, dessen Korrosi- Wärmedehnzahl 29,1·10-6 K-1. Blei absorbiert
onsgeschwindigkeit von der Feuchte und Reinheit Schallwellen, Röntgen- und radioaktive Strahlen.
der Luft abhängig ist. Stahlbauteile, die eines sta- Antimonzusatz (Sb) erhöht die Festigkeit; Rohr-
tischen Nachweises bzw. einer bauaufsichtlichen blei mit 0,2% bis 1,25% Sb, Hartblei mit 5% bis
Zulassung bedürfen, müssen daher mit einem Kor- 13% Sb. An der Luft überzieht sich Blei mit einer
1028 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Schutzschicht aus Bleikarbonat, bei SO2-Einwir- mit erhöhtem Korrosionswiderstand. Monelmetall


kung entsteht schwer lösliches Bleisulfat. Weiches mit ca. 67% Ni ist sehr fest und wetterbeständig
Wasser unter 8°dH und Alkalien greifen Blei an. und wird z. B. für Glasdachrahmen verwendet.
Bleibleche für Dacheindeckungen nicht unter
2,0 mm Dicke wählen. Bleifolien und Bleibleche
3.1.5.4 Zinn
zwischen zwei Bitumendachbahnen für Abdich-
tungen verwenden. Dichte 7,3 g/cm3, Schmelztemperatur 232°C, sehr
weich und beständig an der Luft. Zinn findet für
korrosionsschützende Überzüge (Weißblech) ge-
3.1.5.2 Kupfer
gen schwache Säuren und Laugen Verwendung.
Dichte 8,9 g/cm3, Schmelztemperatur 1083°C, Unlegiertes Zinn zerfällt bei –13°C (Zinnpest).
Wärmedehnzahl 17·10–6 K–1, Zugfestigkeit 200 bis
400N/mm2 bei abnehmenden Bruchdehnungen A5
3.1.5.5 Zink
von 40% bis 2%. Festigkeitssteigerungen infolge
Kaltverformung gehen bei Erwärmen über die Dichte 7,2 g/cm3, Schmelztemperatur 419°C, Wär-
Weichglühtemperatur wieder verloren. Aushärt- medehnzahl 2·10-6 K-1. Bei Normaltemperatur ist
bare Legierungen erhalten ihre Festigkeit nach Zink spröde und empfindlich gegen Säuren und
dem Weichglühen bei Auslagerung unter der Basen. An der Luft bildet es eine wasserunlösliche
Weichglühtemperatur. Kupfer ist beständig im ba- Schutzschicht. Anstriche auf frischem Zink haften
sischen Milieu und gegen Sulfate; an der Luft ent- schlecht, daher Oberfläche erst bewittern oder ab-
steht eine dichte Patinaschicht. Chloride und Koh- beizen. Titanzink D-Zn mit 0,1% bis 0,2% Titan
lensäure greifen Kupfer an. Bleche 0,6 bis 2,0 mm hat geringere Wärmedehnzahl 20·10-6 K-1, verbes-
(z. B. für Dacheindeckungen) und Bänder 0,1 bis serte Dauerstandfestigkeit und ist nicht so spröde
0,2 mm (z. B. als Kupferriffelband für Abdich- wie Zink. Bleche und Bänder (z. B. für Abdeckun-
tungen) sollen vollflächig aufliegen und werden in gen und Dacheindeckungen) so verlegen, dass
Falztechnik oder auch mit Heißbitumen verklebt Bewegungen aus Temperaturänderungen möglich
verlegt. Rohre werden für Brauchwasser-, Hei- sind, Wasser abgeleitet wird und Ablagerungen
zungs-, Öl- und Gasleitungen verwendet. Bei der fortgespült werden. Kondensatbildung vermeiden
Wasserinstallation gilt die Fließregel: erst der un- bzw. für baldiges Abtrocknen sorgen. In Fließrich-
edlere Stoff (Stahl), dann der edlere (Kupfer). Bei tung Zink nie nach Kupfer anordnen.
Warmwasserinstallation mit Zirkulationspumpe ist
keine Mischinstallation erlaubt. Bei Heizungen ist Verzinken als Korrosionsschutz
keine Fließrichtung zu beachten. Bei tiefen Tem- Feuerverzinken von Stahlbauteilen im Tauchbad,
peraturen (Kältetechnik) versprödet Kupfer nicht. von Bändern im Durchlaufverfahren. An der Stahl-
Der Zusammenbau von Kupfer mit Edelstahl gilt oberfläche bilden sich Eisen-Zink-Legierungen.
als unbedenklich, ebenso der von Armaturen aus Zinkblumen an der Oberfläche sind reines Zink.
Kupferlegierungen mit verzinkten Stahlrohren. Verzinkte Stahlteile sind beständig auch im alka-
Kupfer-Zinn-Legierung mit 2% bis 20% Sn lischen Beton. Korrosion ist jedoch möglich an der
(Zinnbronze) ist hart, verschleißfest, hat hohen Kor- Trennfläche Beton/Luft. Von Spannstählen muss ein
rosionswiderstand und gute Federeigenschaften. Sie Mindestabstand (2 cm) eingehalten werden.
wird für Armaturen, Pumpen und Ventile verwen-
det. Bei Kupfer-Zink-Legierungen mit 5% bis 45%
3.1.5.6 Aluminium
Zn (Messing) steigt die Festigkeit und sinkt der
Korrosionswiderstand mit dem Zn-Anteil. Dichte 2,7 g/cm3, Schmelztemperatur 660°C, Wär-
medehnzahl 24·10-6 K-1, Zugfestigkeit bis 80 N/
mm2, E-Modul 70·103 N/mm2, d.h. ein Drittel des
3.1.5.3 Nickel
E-Moduls von Stahl. An der Luft bildet sich eine
Dichte 8,9 g/cm3, Schmelztemperatur 1453°C; Le- Deckschicht aus Al2O3. Alkalien, Sulfate und Chlo-
gierungselement bei z. B. Chrom-Nickel-Stählen ride greifen Al an. Die Herstellung erfordert 12 bis
3.1 Baustoffe 1029

14 kWh je kg Al, das Schmelzen nur 5% dieser En- mm2 und Zugfestigkeiten von 190 bis 350N/mm2
ergie. Recycling ist daher sehr wirtschaftlich. für sechs Standardlegierungen. Bezeichnet werden
Aluminiumlegierungen: Durch Zugabe von Si, Al-Legierungen nach DIN EN 573-1 über ein nu-
Mg, Mn, Zn und Cu bis zu 6% entstehen Knetle- merisches Bezeichnungssystem mit einer vierstelli-
gierungen, die sich für spanlose Formgebung wie gen Nummer, deren Ziffern die Legierung beschrei-
Walzen, Strangpressen, Ziehen und Schmieden ben (z. B. ENAW-7050). Diese Kennzeichnung
eignen. Gusslegierungen enthalten 5% bis über kann ergänzt werden um die Angabe von bis zu vier
20% Legierungsbestandteile. Legierungselementen in fallender Reihenfolge des
Dichte, Schmelztemperatur, Wärmedehnzahl und Nenngehalts (z. B. ENAW-7050[AlZn6CuMgZr]).
E-Modul sind weitgehend unabhängig von der Le-
gierungszusammensetzung. Die Legierungsatome
bewirken in der Aluminiummatrix Gitterdeformati- 3.1.6 Bauglas
onen, die das Gleiten der Versetzungen behindern
3.1.6.1 Zusammensetzung, Beständigkeit,
und deshalb die Festigkeit erhöhen. Kaltverformung
Eigenschaften
bewirkt eine Erhöhung der Versetzungsdichte und
somit ebenfalls eine Festigkeitssteigerung. Wärme- Glas besteht aus ca. 72% SiO2, 15% Na2O, 8,5%
behandlung kann eine vorausgegangene Festigkeits- CaO, 3,5% MgO, 1,5% Al2O3 und Spuren anderer
steigerung rückgängig machen. Aushärtbare Legie- Oxide. In die unregelmäßige Netzstruktur aus Si
rungen lassen sich durch Lösungsglühen, Abschre- und O sind die anderen Elemente eingelagert. Bei
cken und Auslagern bei Raumtemperatur oder bei längerer Einwirkung insbesondere eines dünnen
erhöhter Temperatur erheblich in ihrer Festigkeit Kondenswasserfilmes auf die Glasoberfläche wer-
steigern. Die Dehnbarkeit nimmt dabei, im Unter- den Na, Ca und Mg aus dem Netzwerk gelöst und
schied zum Verhalten bei Festigkeitssteigerung die Glasoberfläche korrodiert.
durch Kaltverformung, kaum ab. Dichte 2500 kg/m3, Mohshärte 5 bis 6, E-Modul
Nichtaushärtbare Legierungen (AlMg, AlMgMn) 73·103 N/mm2, Druckfestigkeit 700 bis 900N/mm2,
sind leichter verformbar, haben geringere Festigkeit Biegefestigkeit 45N/mm2, Ausdehnungskoeffizient
und können durch Kaltverformen verfestigt werden. 9·10-6 K-1, Temperaturwechselbeständigkeit 30 bis
Aushärtbare Legierungen (Mg, Si, Zn, Cu) haben 40 K, Erweichungstemperatur ca. 600°C.
höheren Korrosionswiderstand und müssen nach ei-
ner Wärmebehandlung erneut ausgehärtet werden.
3.1.6.2 Glasarten
Bei höherer Temperatur sinken Zugfestigkeit,
Schwingfestigkeit, Dehngrenze und Härte der Al- – Floatglas, 2 bis 25 mm dick, auf Zinnbad her-
Legierungen früher und stärker als bei Stahl. Der gestellt, hat plane Oberflächen.
Anwendungsbereich ist deshalb in verschiedenen – Gussglas, auch Ornamentglas, hat durch Wal-
Bemessungsrichtlinien auf +60°C begrenzt. Bei tie- zen eine Oberflächenstruktur, die das Licht
fen Temperaturen tritt keine Versprödung auf, was streut und eine klare Durchsicht behindert.
im Behälterbau oft von entscheidender Bedeutung – Drahtglas ist Gussglas, in dem ein punktge-
ist. Den Korrosionswiderstand kann man durch Er- schweißtes Drahtnetz eingebettet ist.
zeugen einer künstlichen Oxidschicht (Eloxal) deut- – Borosilikatglas enthält 7% bis 15% Boroxid,
lich steigern. Im Meerwasser verhält sich Al günsti- hat einen niedrigeren Ausdehnungskoeffizien-
ger als Stahl, die Korrosionsrate nimmt mit der Zeit ten, deshalb bessere Temperaturwechselbestän-
ab. Die Zugfestigkeit reicht bis 420 N/mm2 für digkeit und ist gegen Säuren und Laugen be-
schweißbare und bis 700 N/mm2 für nichtschweiß- ständiger als übliches Kalk-Natron-Glas.
bare Legierungen. Das geringe Gewicht und der
gute Korrosionswiderstand bestimmen die Verwen- Sicherheitsgläser
dung der Aluminiumlegierungen. Einscheibensicherheitsglas (ESG), thermisch vor-
Kennwerte, insbesondere für Mindestwerte der gespannt, wird in seinen Endabmessungen auf über
Festigkeit, finden sich z. B. für Bleche und Bänder 650°C erhitzt und mit kalter Luft abgeschreckt. Die
in DIN 4113 mit Streckgrenzen von 80 bis 275 N/ Glasoberflächen haben dadurch eine Druckvorspan-
1030 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

nung, das Glas eine erhöhte Biegefestigkeit und Drahtglas oder VSG aus ESG mit Spezialfolie be-
bessere Verformbarkeit; Temperaturwechselbestän- stehen. Brandschutzverglasung (F) hemmt zusätz-
digkeit 200 K. Bei Zerstörung krümeliger Bruch. lich den Durchgang von Hitzestrahlung infolge
Teilvorgespanntes Glas (TVG) wird nach dem Er- Absorption und/oder Aufschäumen des Materials
hitzen weniger schnell abgekühlt und hat beim im Scheibenzwischenraum.
Bruch radiale Risse. Die Biegefestigkeit ist höher
als bei Floatglas, die Temperaturwechselbeständig-
3.1.6.3 Bauen mit Glas
keit 100 K. Bei chemisch vorgespanntem Glas wer-
den in einer Salzschmelze an der Glasoberfläche die Mit Druck senkrecht zur Kontaktfläche und Rei-
Na-Ionen durch größere Ionen ersetzt. Die Druck- bung in der Ebene der Kontaktfläche sowie Kle-
vorspannung erfasst nur eine sehr dünne Schicht der bung werden Kräfte übertragen. Verkanten und
Oberflächen, die Biegefestigkeit ist wesentlich ge- Kontakt des spröden Glases mit harten Auflagern
steigert. Die Scheibe kann geschnitten werden. Das müssen vermieden werden, Lastab- und -einlei-
Bruchbild entspricht dem von Floatglas. tungsbereiche ausreichend dimensioniert sein. Das
Verbundsicherheitsglas (VSG) besteht aus min- Tragvermögen von Klebeverbindungen ist tempe-
destens zwei Glasscheiben, die mit einer Folie oder raturabhängig. Spannungen und Tragvermögen der
Kunstharz fest miteinander verbunden sind. Beim dünnen Platten sind abhängig von Auflagerung
Bruch bleiben die Splitter am Kleber haften. Bei und Verformungen. Bei vierseitig gelagerten Plat-
Verwendung von TVG für die einzelnen Scheiben ten entsteht mit zunehmender Durchbiegung eine
erreicht man höhere Festigkeit als mit Floatglas. Membranwirkung mit erhöhter Tragfähigkeit. Glas-
Begehbare VSG-Platten müssen aus mindestens schwerter (lange, schmale Tafeln) werden wie
drei Glasplatten bestehen. Bei Zerstörung der obers- Scheiben in ihrer Ebene beansprucht und bestehen
ten rutschfesten Verschleißscheibe ist eine Resttrag- wegen der hohen Spannungen an den Kanten aus
fähigkeit nachzuweisen. Die Eigenschaften der Sicherheitsglas. Mit zusammengesetzten Glas-
einzelnen Glasplatten und der Zwischenschichten querschnitten, Kombinationen mit zugfesten Stof-
entscheiden im Verbund mit der Rahmen- und Hal- fen (z. B. Seilen) und durch Vorspannen werden
tekonstruktion, ob das VSG durchwurf-, durch- weit gespannte Tragkonstruktionen möglich, vgl.
bruch-, durchschuss- oder sprengwirkungshem- [Schittich u. a. 1998].
mend ist. Mit Drahteinlage in der Zwischenschicht
kann die VSG-Scheibe beheizt und/oder an eine
3.1.6.4 Schaumglas
Alarmanlage angeschlossen werden.
Mehrscheibenglas mit Luftzwischenraum besteht Mit Kohlenstoff aufgeschäumtes, weitgehend al-
aus zwei oder drei Floatglasscheiben, die durch kaliresistentes Glas; Platten und Formteile aus dem
hermetisch abgeschlossene und entfeuchtete Zwi- Block geschnitten. Wasser- und wasserdampfdicht,
schenräume voneinander getrennt sind. Zusammen- Rohdichte 105 bis 165 kg/m3, Wärmeleitfähigkeit
setzung, Einfärbung und Beschichtung der Scheiben OR = 0,040 – 0,055 W/(m·K); Ausdehnungskoeffi-
steuern Durchgang, Absorption und Reflexion der zient 8,5·10-6 K-1. Unkaschiert: unbrennbar Bau-
Strahlung bestimmter Wellenlänge. Schwere Gase stoffklasse A1, Verlegung in Bitumen; kaschiert:
im Scheibenzwischenraum mindern die Wärme- normalentflammbar Baustoffklasse B 2, Verlegung
leitfähigkeit. Bei 2 uFloatglas + 12 mm Luft ist trocken oder im Frischbetonbett. Schaumglas darf
der Wärmedurchgangskoeffizient kv der Verglasung bei entsprechendem Zulassungsbescheid als Wär-
3,0 W/(m2·K), bei Beschichtung + 15 mm Krypton medämmung berücksichtigt werden, auch wenn
ist kv = 1,1 W/(m2·K). sie außerhalb der Abdichtung angeordnet ist.
Bei Schallschutzglas ist die der Schallquelle zu-
gewandte Seite dicker (mindestens 6 mm), der
3.1.6.5 Glasfasern
Scheibenzwischenraum größer und die Verbindung
der beiden Scheiben schalltechnisch entkoppelt. Im Vergleich zu massivem Glas erhöhte Zugfestig-
Brandschutzverglasungen (G) sind undurchläs- keit. Eine Schlichte an der Faseroberfläche ver-
sig für Flammen und Gase und können z. B. aus bessert die Verarbeitbarkeit und den Verbund zur
3.1 Baustoffe 1031

Kunststoff- oder Zementmatrix. Glasfasern mit ho- Verarbeitungsformen des Bitumens sind Stra-
hem Zirkongehalt haben erhöhte Alkaliresistenz. ßenbaubitumen, polymermodifizierte Bitumen, Bi-
Cem-Fil AR Glasfasern: Dichte 2,7 g/cm3, Durch- tumenlösungen und -emulsionen. Bitumen und sei-
messer 12 bis 20 —m, Zugfestigkeit 1,5 bis 2,5·103 ne Verarbeitungsformen werden zur Herstellung
N/mm2, Elastizitätsmodul 70 bis 80·103 N/mm2, von Asphalt und Estrichen, Dach- und Dichtungs-
Bruchdehnung 25‰. bahnen, Bautenschutzmitteln, Fugenvergussmassen
und Rohrschutzmassen verwendet. Weitere Anwen-
dungsbereiche finden sich in der Papierindustrie
3.1.7 Bitumen, Asphalt zum Imprägnieren, Kaschieren und Beschichten, in
der Gummiindustrie als Weichmacher sowie in der
Bitumen ist ein bei der Aufbereitung geeigneter Kabel-, Elektro- und Lackindustrie. Zu den Bitumen
Erdöle gewonnenes schwerflüchtiges dunkelfar- im weitesten Sinne sind auch die in geologischen
biges Gemisch verschiedener organischer Substan- Zeiträumen aus Erdölen gebildeten Bitumenanteile
zen, deren elasto-viskoses Verhalten sich mit der von Naturasphalt zu rechnen.
Temperatur ändert. Die für Bitumen typischen Ei- Asphalt ist ein natürlich vorkommendes oder
genschaften beruhen auf dem kolloidalen System, technisch hergestelltes Gemisch aus Bitumen oder
in dem eine disperse Phase (Asphaltene) in einer bitumenhaltigen Bindemitteln und Gesteinskör-
zusammenhängenden (kohärenten) Phase aus nungen sowie ggf. weiteren Zuschlägen und/oder
hochsiedenden Ölen (Maltene) in stabiler Vertei- Zusätzen.
lung vorliegt. Die Asphaltene sind keine einheit- Grundsätzlich lässt sich Asphalt in die Arten
liche Stoffgruppe; sie sind die höhermolekularen Walzasphalt und Gussasphalt unterteilen. Im Gussas-
Anteile im Bitumen und lassen sich durch geeig- phalt sind die Hohlräume im Gesteinskörnungsge-
nete Lösemittel ausfällen. misch mit Bitumen voll ausgefüllt. Gussasphalt
Bitumen darf nicht mit Steinkohlenteerpech bedarf keiner Verdichtung und wird verstrichen.
(bisher „Teer“ genannt) verwechselt werden. Zwi- Seine Standfestigkeit hängt im Wesentlichen von
schen Bitumen und Steinkohlenteerpech bestehen der Steifigkeit des Mörtels (Bitumen-Füller-Ge-
deutliche Unterschiede sowohl in stofflicher Hin- misch) ab. Beim Walzasphalt ist für die Standfes-
sicht als auch im Gebrauchsverhalten (Geruch, tigkeit das Korngerüst von wesentlicher Bedeu-
thermoviskoses Verhalten, Alterung, toxikologi- tung, der Mörtel hat lediglich verklebende Wir-
sches Verhalten u. a.). kung. Die Einbautemperatur liegt bei Gussasphalt
Bitumen weist je nach Sorte eine Dichte von 0,92 mit 200°C bis 230°C höher als bei Walzasphalt
bis 1,07 g/cm3, einen Wärmeausdehnungskoeffizi- (130°C bis 190°C).
enten von 0,0006 K-1 und eine Wärmeleitfähigkeit Neben der Standfestigkeit spielen die Verarbeit-
von 0,16 W/(m·K) auf. Die Viskosität des Bitumens barkeit und Verdichtbarkeit bei der Asphaltkon-
ist temperaturabhängig (thermoviskos), die Steifig- zeption eine wesentliche Rolle. Deckschichten im
keit hängt von der Belastungszeit ab (elasto-viskos). Asphaltstraßenbau weisen ein hohes Maß an Ver-
Bitumen ist in der Lage, aufgezwungene Span- schleißfestigkeit, Ebenheit und Griffigkeit auf. Bei
nungen durch viskose Verformungen abzubauen Hohlraumgehalten unter 3 Vol.-% ist Asphalt was-
(Relaxation). Die Haftfestigkeit gegenüber trocke- serundurchlässig.
nen und entstaubten Gesteinskörnungen ist gut. In Neben den vorgeschriebenen Dichtungsaufga-
Wasser zeigt sich Bitumen unlöslich. Zwangsläufig ben als Brückenbelag kommt dem Gussasphalt als
löst sich Bitumen in Kohlenwasserstoffen gleicher Estrich und als Bestandteil wasserdichter Beläge
Herkunft (Öl, Benzin, Diesel) sowie in bestimmten in Nassräumen, in Tiefgaragen, auf Parkdecks und
chemischen Lösemitteln. Die das Bitumen bilden- begrünten Dächern wesentliche Bedeutung zu.
den Kohlenwasserstoffe sind sehr reaktionsträge Walzasphalt wird im Straßenbau als Asphaltbeton,
gegenüber chemischen Substanzen. Durch die Ein- Asphaltbinder, Splittmastixasphalt, Offenporiger
flüsse von Luftsauerstoff, UV-Strahlung (Licht) und Asphalt, Asphalttrag- und Asphalttragdeckschicht
Wärme erfährt Bitumen eine destillative und oxida- verwendet. Weitere Anwendungsbereiche sind der
tive Verhärtung. Flugplatzbau, Wasserbau und Deponiebau.
1032 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.1.8 Kunststoffe Ringe angebunden (z. B. Polystyrol (PS), Poly-


propylen (PP)).
3.1.8.1 Allgemeines, Bildungsreaktionen,
Klassierung – Bei der Polyaddition werden die Makromoleküle
verschiedener Monomere mit reaktionsfähigen
Kunststoffe werden synthetisch aus verschiedenen Endgruppen durch intramolekulare Umlagerung
niedermolekularen organischen Verbindungen (Mo- von H-Atomen und Verkettung der freiwer-
nomere) gebildet. Sie bestehen in ihren wesentlichen denden Valenzen gebildet. Ein Abscheiden von
Komponenten aus makromolekularen organischen Spaltprodukten erfolgt nicht.
Ketten (Polymere). Der molekulare Aufbau, d. h. – Bei der Polykondensation gelten ähnliche Rand-
Gestalt, Größe, Anzahl und Art der Kettensegmente, bedingungen wie bei der Polyaddition, es wer-
beeinflusst die Werkstoffeigenschaften der homo- den jedoch niedermolekulare Anteile abgetrennt
genen und isotropen Kunststoffe entscheidend, so- (Kondensat).
fern keine Verstärkungen oder Füllungen vorhanden
sind. Das Kohlenstoffatom (Kurzzeichen C) stellt Die Klassierung der Kunststoffe erfolgt mit Hilfe
bei der überwiegenden Zahl der Kunststoffe das Ver- der Temperaturfunktion des Schubmoduls (Abb.
bindungsglied der Kettensegmente dar, s. auch [Vie- 3.1-32). Der Bereich der Glasübergangstemperatur
weg/Braun 1975, Saechtling/Zebrowski 1986; We- Tg stellt den Übergang vom energie-elastischen
sche 1988] und – hinsichtlich Schutz und Instandset- Verhalten (Glaszustand) zum entropie-elastischen
zung von Baustoffen und Bauteilen – [Sasse 1994]. Verhalten dar.
Bei den Bildungsreaktionen werden drei Grund- Duromere (1) fassen engmaschig vernetzte Poly-
typen unterschieden: mere zusammen. Der Schubmodul nimmt zwar bei
über Tg steigender Temperatur deutlich ab, die flüs-
– Bei der Polymerisation liegen als Ausgangspro- sige Phase wird jedoch nicht erreicht. Dies ist bei
dukte ungesättigte Monomere vor. Deren Dop- Thermoplasten sehr wohl der Fall, wobei im Unter-
pelbindungen werden durch Energiezufuhr auf- schied zu den amorphen Thermoplasten (3) – hier
gebrochen, und dadurch wird die Kettenbildung erfolgt ein rascher Übergang in die flüssige Phase
ausgelöst. Als Beispiele seien genannt: aus Ethy- – bei den teilkristallinen Thermoplasten (2) der
len (C2H4) wird Polyethylen (PE), aus Vinyl- Abfall langsamer erfolgt, da zunächst die kristalli-
chlorid (C2H3Cl) wird Polyvinylchlorid (PVC). nen Strukturen zerstört werden müssen. Bei Elasto-
Bei zahlreichen Kunststoffen sind an den C- meren (4) liegt der Glasübergang i. d. R. unterhalb
Atomen der Hauptkette kurze C-Ketten oder C- des Gebrauchstemperaturbereichs, so dass bei Ge-

Abb. 3.1-32 Klassierung hochpolymerer Werkstoffe durch die Temperaturfunktion des Schubmoduls
3.1 Baustoffe 1033

brauch Entropieelastizität vorliegt. Wie Duromere – Dichtungsmassen und


zersetzen sich Elastomere bei Erreichen der Zerset- – Baulager.
zungstemperatur (TZ), ohne in die flüssige Phase
überzugehen.
3.1.8.3 Kunststoffe für Schutz und Instand-
setzung von Baustoffen und Bauteilen
3.1.8.2 Kunststoffe als
Kunststoffe als Imprägnier- bzw.
Konstruktionswerkstoffe
Beschichtungsstoffe
Um die Tragfähigkeit und Steifigkeit zu erhöhen, Schutzbehandlungen kapillarporiger Baustoffe, die
werden in Kunststoffe häufig Fasern eingelegt; es das Porensystem nicht verstopfen und keinen ober-
entstehen sog. „faserverstärkte Kunststoffe“ (FK). flächlichen Film bilden, nennt man „Imprägnie-
Weit verbreitet sind glasfaserverstärkte Kunststoff- rungen“. Verhindert oder erschwert eine Impräg-
bauteile (GFK). Werkmäßig hergestellte Serienbau- nierung die Benetzung der Baustoffoberfläche mit
teile wie Silos, Tanks, schalenförmige Dachkons- Wasser und hebt sie die kapillare Saugkraft gegen-
truktionen, Großrohre, Kühltürme, Fassadenplatten über Wasser auf, so spricht man von einer „hydro-
und Betonschalungen bestehen vielfach aus Polyes- phobierenden Imprägnierung“ oder „Hydrophobie-
terharz, das durch Glasfaserzugabe verstärkt wurde. rung“. Hydrophobiermittel wirken durch physika-
Der Glasfasergehalt beträgt je nach Erfordernis rd. lische Oberflächenkräfte, die den Randwinkel des
20 bis 70 M.-%. Je nach Orientierung der Fasern benetzenden Wassers vergrößern und somit kapil-
ergeben sich Werkstoffe mit anisotropen mecha- lares Saugen unterbinden.
nischen Kennwerten. Die Fasern werden nach Be- Bei den Wirkstoffen handelt es sich zumeist um
darf als Einzelfasern (Rovings), als Matten (unge- siliziumorganische Verbindungen (Silane, Silo-
richtet) oder als Gewebe (gerichtet) eingelegt. xane). Da für den Erfolg einer Hydrophobierungs-
In jüngster Zeit baut man auch verstärkt Elemente maßnahme die Eindringtiefe (Penetration) von
aus Hochleistungsverbundwerkstoff (HLV-Elemen- entscheidender Bedeutung ist, muss der Wahl des
te) zur Verstärkung von bestehenden Bauwerken ein. Anteils und der Art des Lösemittels besondere
Bei diesen Elementen kann es sich um Stäbe (Ein- Aufmerksamkeit geschenkt werden. In der Vergan-
zelstäbe oder Spannglieder zur z. T. externen Vor- genheit lag der Anteil an organischem Lösemittel
spannung) oder um Laschen bzw. Lamellen (zum bei vielen marktüblichen Produkten über 90 M.-%.
Aufkleben auf vorhandene Konstruktionen) handeln. Im Zuge eines gewachsenen Umweltbewusstseins
Als Fasern werden im Bauwesen Kohlenstoff-, Ara- werden inzwischen von vielen Herstellern auch in
mid- oder Glasfasern verwendet. Die Matrix besteht Wasser gelöste Hydrophobierungen angeboten
meist aus ungesättigtem Polyesterharz (UP) oder (Mikroemulsionen).
Epoxidharz (EP). Die stark unterschiedlichen Stoff- Bei der Mehrzahl der einkomponentigen Be-
kennwerte von Fasern und Matrix bedingen eine schichtungsstoffe, die zum Oberflächenschutz oder
weitgehende Aufgabenteilung der Stoffeigenschaften zur Instandsetzung von Betonbauteilen dienen,
auf die Komponenten je nach Anteil im unidirektio- handelt es sich um physikalisch trocknende Syste-
nalen Verbundwerkstoff: Die Faser bestimmt im We- me, d. h., die molekulare Identität der Bindemittel
sentlichen die mechanischen Eigenschaften und die wird im Zuge des Filmbildungsprozesses nicht
Wärmedehnung, die Matrix die Übertragung der in- verändert. Die Größe der vorliegenden Partikel
terlaminaren Scherkräfte, den Diffusionswiderstand (Molekülknäuel) entscheidet letztlich über die Ein-
und die Chemikalienbeständigkeit. gruppierung als Lösung (zumeist in organischem
Im Folgenden werden Kunststoffe bzw. Kunst- Lösemittel) oder als Dispersion (zumeist in Wasser
stoffbauteile aufgezählt, die für die Standsicherheit dispergiert). Zur Beschichtung von Betonflächen
oder Funktionsfähigkeit einer Konstruktion ent- werden i. Allg. reine Acrylate oder Acrylat-Copo-
scheidende Bedeutung haben können: lymere – entweder in Wasser dispergiert oder in
Lösemittel gelöst – verwendet, da diese Stoffe eine
– Kleber, hohe Verseifungsbeständigkeit aufweisen (Hydro-
– Kunststoffdichtungsbahnen, lyse von Estern in Anwesenheit von Hydroxyli-
1034 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

onen). Von Art und Anteil des Polymers und der Sie bestehen aus einem Korrosionsschutzanstrich
Pigmente, Hilfsstoffe und Zusatzstoffe werden (zementgebunden oder Epoxidharz zur Beschich-
wichtige Beschichtungseigenschaften wie Alte- tung freigelegter Bewehrungsstähle), aus einer
rungsbeständigkeit, Diffusionseigenschaften, che- Haftbrücke (zementgebunden oder Epoxidharz) zur
mische Widerstandsfähigkeit und Rissüberbrü- Verbesserung des Verbunds zum vorhandenen Alt-
ckungsverhalten bestimmt. beton, aus dem eigentlichen kunststoffhaltigen Mör-
Bei den zweikomponentigen Beschichtungssys- tel und einem Feinspachtel (zur Homogenisierung
temen handelt es sich um reaktive Systeme, und der Mörteloberfläche). Das Angebot umfasst hän-
zwar entweder um disch verarbeitbare und spritzbare Systeme. Hin-
sichtlich der Zementgehalte und w/z-Werte werden
– Epoxidharz- bzw. Polyurethansysteme, in beiden
Mindest- und Maximalwerte vorgegeben. Zur Mo-
Fällen erfolgt nach dem Anmischen der Kompo-
difizierung der Zementmörtel dienen in Deutsch-
nenten eine Polyaddition, oder
land Acrylat, Styrol-Acrylat, Styrol-Butadien, Epo-
– um reaktive Acrylharze, hier kommt es auf der
xidharz und Vinylacetat-Ethylen. Der Kunststoffan-
Baustoffoberfläche zu einer radikalischen Poly-
teil im Mörtel liegt i. d. R. zwischen 5% und 10%,
merisation, für die als Starter meist Peroxidpulver
bezogen auf die Zementmasse. Grundsätzlich wird
verwendet wird.
von Instandsetzungsmörteln dauerhafte Wider-
Die Produkte aus diesen Gruppen lassen sich in ih- standsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse und Abnut-
ren Eigenschaften in sehr weiten Bereichen gezielt zung durch Gebrauch gefordert, zudem dauerhaft
einstellen, so dass hieraus Versiegelungen, Beschich- ausreichende Haftung zum Altbeton und keine ne-
tungen mit hohen chemischen und/oder mecha- gative Beeinträchtigung des Korrosionsschutzes der
nischen Widerständen, gummielastische (rissüber- Bewehrung.
brückende) Beschichtungen und auch schnell rea-
gierende Spritzabdichtungen („Flüssigfolien“) her- Kunststoffe zum Füllen von Rissen (EP, PUR)
gestellt werden können. Risse in Massivbauteilen müssen mit geeigneten
Materialien kraftschlüssig oder abdichtend gefüllt
Kunststoffhaltige Mörtel und Betone werden, wenn die Dauerhaftigkeit der Standsicher-
(PC, PCC) heit oder Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt ist.
Kunstharzmörtel (auch Reaktionsharzmörtel, PC) Thermische und/oder hygrische Formänderungen
werden mit flüssigen polymeren Bindemitteln an- der Bauteile führen an Rissen immer zu – wenn
stelle von Zementleim als Bindemittel hergestellt. auch z. T. sehr kleinen – Rissbreitenänderungen,
Sie unterscheiden sich von den üblichen zementge- auch wenn die eigentliche Ursache für die Rissent-
bundenen Betonen v. a. durch ihre sehr hohe che- stehung entfallen ist (Überbelastung, Schwinden,
mische Beständigkeit, die wesentlich höhere Zug- Kriechen, Stützensenkung o. ä.). Falls geeignete
festigkeit, ihren kleinen Elastizitätsmodul, das Feh- Beschichtungssysteme zur Überbrückung der Risse
len eines Kapillarporensystems und ihre sehr rasche nicht tauglich sind, wird entweder kraftschlüssig
Festigkeitsentwicklung. Im Allgemeinen werden als verpresst oder abdichtend injiziert. In den letzten
Bindemittel reaktive Stoffe (Epoxidharze, ungesät- Jahren wurden auch Feinstzemente entwickelt, die
tigte Polyesterharze oder Methacrylatharze) ver- als Zementleim oder Zementsuspension zur kraft-
wendet. Das Hauptanwendungsgebiet von Kunst- schlüssigen Füllung in Risse injiziert werden kön-
harzmörteln liegt im Bereich Industrieböden, und nen. Inzwischen werden auch in verstärktem Um-
zwar befahrener und chemisch bzw. mechanisch fang sog. Acrylatgele zur abdichtenden Injektion
sehr stark belasteter Flächen. verwendet. Der nach Reaktion der Komponenten
Kunststoffhaltiger Zementmörtel und Zementbe- entstehende Gelkörper bindet Wasser physikalisch.
ton (kunststoffmodifizierter Mörtel oder Beton, Der Einsatz im Stahlbetonbau wird von einigen
PCC Polymer Cement Concrete) wird in großem Regelwerken noch nicht empfohlen, da der Ein-
Umfang zur Reparatur von geschädigtem Beton ein- fluss der austauschfähigen Salze auf eine mögliche
gesetzt. Da diese Stoffe selten allein verwendet wer- Korrosion der Bewehrung noch nicht hinreichend
den, spricht man auch von „Betonersatzsystemen“. geklärt ist.
3.1 Baustoffe 1035

Voraussetzung für eine erfolgreiche kraftschlüs- UHFB ultrahochfester Beton


sige Verpressung (Wiederherstellen der monoli- TVG teilvorgespanntes Glas
thischen Wirksamkeit eines Bauteils) ist, dass die VLH sehr niedrige Hydratationswärme
Rissursache vor Durchführung der Maßnahme be- VSG Verbundsicherheitsglas
seitigt wurde oder nicht mehr besteht. Andernfalls
käme es, bei gelungener Verpressung, an einer be- Literaturverzeichnis Kap. 3.1
nachbarten Stelle erneut zum Aufreißen. Im Allge-
Bauberatung Zement des Bundesverbands der deutschen
meinen werden niedrigviskose, ungefüllte und löse-
Zementindustrie (1990) Beton-Herstellung nach Norm.
mittelfreie Epoxidharze verwendet. Die Viskosität
8. Aufl. Beton-Verlag, Düsseldorf
darf nur langsam zunehmen, damit eine Penetra- Bergstroem SG, Byfors J (1980) Properties of concrete at
tion auch in feinste Risse möglich ist. Voraussetzung early ages. Materiaux et Constructions (RILEM) 13
für eine wirksame Maßnahme ist eine ausreichende (1980) 75, S 265–274
Adhäsionsfestigkeit zwischen Rissflanke und Füll- Bilitewski B, Gewiese A u. a. (1995) Vermeidung und Ver-
stoff. Dies ist bei nassen oder verschmutzten (kon- wertung von Reststoffen in der Bauwirtschaft. Beiheft
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drückendes Wasser, dienen schnell reagierende,
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DIN 4208: Anhydritbinder (04/1997)
3.1 Baustoffe 1037

DIN 4226 Teil 100: Gesteinskörnungen für Beton und DIN EN 206 Teil 1/A1: Beton; Festlegung, Eigenschaften,
Mörtel; Rezyklierte Gesteinskörnungen (02/2002) Herstellung und Konformität; (10/2004)
DIN 4232: Wände aus Leichtbeton mit haufwerksporigem DIN EN 206 Teil 1/A2: Beton; Festlegung, Eigenschaften,
Gefüge; Bemessung und Ausführung (09/1987) Herstellung und Konformität; (09/2005)
DIN 8528 Teil 2: Schweißbarkeit; Schweißeignung der all- DIN EN 300: Platten aus langen, schlanken, ausgerichteten
gemeinen Baustähle zum Schmelzschweißen (03/1975) Spänen (OSB) – Definitionen, Klassifizierung und An-
DIN 17100: Allgemeine Baustähle (01/1984) / zurückge- forderungen (06/1997)
zogen DIN EN 312 Teil 7: Spanplatten, Anforderungen; Anforde-
DIN 17440: Nichtrostende Stähle – Technische Lieferbe- rungen an hochbelastbare Platten für tragende Zwecke
dingungen für Blech, Warmband und gewalzte Stäbe für zur Verwendung im Feuchtbereich (06/1997)
Druckbehälter, gezogenen Draht und Schmiedestücke DIN EN 934 Teil 2: Zusatzmittel für Beton, Mörtel und
(09/1996) Einpressmörtel; Betonzusatzmittel – Definitionen und
DIN 18551: Spritzbeton – Anforderungen, Herstellung, Be- Anforderungen, Konformität, Kennzeichnung und Be-
messung und Konformität (01/2005) schriftung (02/2002)
DIN V 18998: Beurteilung des Korrosionsverhaltens von DIN EN 934 Teil 2/A1: Zusatzmittel für Beton, Mörtel und
Zusatzmitteln nach Normen der Reihe DIN EN 934 Einpressmörtel; Betonzusatzmittel – Definitionen, An-
(11/2002) forderungen, Konformität, Kennzeichnung und Be-
DIN V 18998/A1: Beurteilung des Korrosionsverhaltens schriftung (06/2005)
von Zusatzmitteln nach Normen der Reihe DIN EN 934 DIN EN 934 Teil 2/A2: Zusatzmittel für Beton, Mörtel und
(05/2003) Einpressmörtel; Betonzusatzmittel – Definitionen, An-
DIN 50125: Prüfung metallischer Werkstoffe; Zugproben forderungen, Konformität, Kennzeichnung und Be-
(01/1994) schriftung (03/2006)
DIN 51043: Traß; Anforderungen, Prüfungen (08/1979) DIN EN 934 Teil 4: Zusatzmittel für Beton, Mörtel und
DIN 52182: Prüfung von Holz; Bestimmung der Rohdichte Einpressmörtel; Zusatzmittel für Einpressmörtel für
(09/1976) Spannglieder; Definitionen, Anforderungen, Konformi-
DIN 68364: Kennwerte von Holzarten; Festigkeit, Elastizi- tät, Kennzeichnung und Beschriftung (02/2002)
tät, Resistenz (11/1979) DIN EN 934 Teil 4/A1: Zusatzmittel für Beton, Mörtel und
DIN 68705 Teil 2: Sperrholz; Sperrholz für allgemeine Einpressmörtel – Zusatzmittel für Einpressmörtel für
Zwecke (07/1981) Spannglieder; Definitionen, Anforderungen, Konformi-
DIN 68705 Teil 4: Sperrholz; Bau-Stabsperrholz, Bau- tät, Kennzeichnung und Beschriftung (06/2005)
Stäbchensperrholz (07/1981) DIN EN 934 Teil 6: Zusatzmittel für Beton, Mörtel und
DIN 68800 Teil 1: Holzschutz im Hochbau; Allgemeines Einpressmörtel; Probenahme, Konformitätskontrolle
(05/1974) und Bewertung der Konformität (03/2006)
DIN 68800 Teil 2: Holzschutz; Vorbeugende Maßnahmen DIN EN 450 Teil 1: Flugasche für Beton; Definition, An-
im Hochbau (05/1996) forderungen und Konformitätskriterien; (2005-05)
DIN 68800 Teil 3: Holzschutz; Vorbeugender chemischer DIN EN 459 Teil 1: Baukalk; Definitionen, Anforderungen
Holzschutz (04/1990) und Konformitätskriterien (02/2002)
DIN 68800 Teil 4: Holzschutz; Bekämpfungsmaßnahmen DIN V ENV 1995 Teil 1-1, Eurocode 5: Entwurf, Berech-
gegen holzzerstörende Pilze und Insekten (11/1992) nung und Bemessung von Holzbauwerken; Allgemeine
DIN 68800 Teil 5: Holzschutz im Hochbau; Vorbeugender Bemessungsregeln, Bemessungsregeln für den Hoch-
chemischer Schutz von Holzwerkstoffen (05/1978) bau (06/1994)
DIN EN-196 Teil 3: Prüfverfahren für Zement; Bestim- DIN EN 1008: Zugabewasser für Beton – Festlegung für
mung der Erstarrungszeiten und der Raumbeständigkeit die Probenahme, Prüfung und Beurteilung der Eignung
(05/2005) von Wasser, einschließlich bei der Betonherstellung
DIN EN 197 Teil 1: Zement; Zusammensetzung, Anforde- anfallendem Wasser, als Zugabewasser für Beton
rungen und Konformitätskriterien von Normalzement (10/2002)
(08/2004) DIN EN 10025: Warmgewalzte Erzeugnisse aus unlegierten
DIN EN 197 Teil 1 Ber. 1: Berichtigungen zu DIN EN Baustählen; Technische Lieferbedingungen (03/1994)
197-1:2004-04 (11/2004) DIN EN 10027 Teil 1: Bezeichnungssysteme für Stähle;
DIN EN 197 Teil 4: Zement; Zusammensetzung, Anforde- Kurznamen, Hauptsymbole (09/1992)
rungen und Konformitätskriterien von Hochofenzement DIN EN 10027 Teil 2: Bezeichnungssysteme für Stähle;
mit niedriger Anfangsfestigkeit (08/2004) Nummernsystem (09/1992)
DIN EN 206 Teil 1: Beton; Leistungsbeschreibung, Eigen- DIN V ENV 10080: Betonbewehrungsstahl – Schweißge-
schaften, Herstellung und Konformität (07/2001) eigneter gerippter Betonstahl B-500 – Technische Lie-
1038 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

ferbedingungen für Stäbe, Ringe und geschweißte Mat- 3.2 Grundlagen für Nachhaltiges
ten (08/1995)
DIN EN 10088: Nichtrostende Stähle. Teil 1: Verzeichnis
Bauen
der nichtrostenden Stähle (08/1995)
DIN EN 10113: Warmgewalzte Erzeugnisse aus schweiß- 3.2.1 Instrumente und Bewertungs-
geeigneten Feinkornbaustählen (04/ 1993) systeme in Deutschland
DIN EN 10155: Wetterfeste Baustähle; Technische Liefer-
bedingungen (08/1993) Hans-Dieter Hegner
DIN EN 12382: Entwurf: Prüfung von Beton; Bestimmung
der Konsistenz; Setzmaß (07/1996)
3.2.1.1 Einleitung
DIN EN 12620: Gesteinskörnungen für Beton (04/2003) Die Bewertung des Beitrages von Einzelbauwer-
DIN EN 12620 Ber. 1: Berichtigungen zu DIN EN ken zu einer nachhaltigen Entwicklung führt zur
12620:2003-04 (12/2004) Forderung nach einem Gesamtsystem zur Be-
DIN EN 12878: Pigmente zum Einfärben von zement- und schreibung und Beurteilung von Gebäuden ein-
kalkgebundenen Baustoffen; Anforderungen und Prü-
schließlich des Grundstücks. Ansätze für ein sol-
fung (05/2005)
DIN EN 12350 Teil 2: Prüfung von Frischbeton; Setzmaß ches System – selbst Normungsbemühungen – gibt
(03/2000) es, aber eine standardisierte Regel lässt auf sich
DIN EN 12350 Teil 3: Prüfung von Frischbeton; Vébé-Prü- warten. Ungeachtet dessen bieten sich im interna-
fung (03/2000) tionalen Bereich Zertifizierungssysteme an, um
DIN EN 12350 Teil 4: Prüfung von Frischbeton; Verdich- die Nachhaltigkeit von Gebäuden festzustellen.
tungsmaß (06/2000) Vielfach wird unter nachhaltigem Bauen insbe-
DIN EN 12350 Teil 5: Prüfung von Frischbeton; Ausbreit- sondere energieeffizientes Bauen verstanden. Dies
maß (06/2000) ist nicht generell falsch. Aber Energieeffizienz ist
DIN EN 12390 Teil 2: Prüfung von Festbeton; Herstellung
nur ein Teil der Nachhaltigkeit, der jedoch mittler-
und Lagerung von Probekörpern für Festigkeitsprü-
fungen (06/2001) weile gut geregelt ist. Mit der Umsetzung der EG-
DIN EN 12390 Teil 5: Prüfung von Festbeton; Biegezug- Richtlinie 2002/91/EG über die Gesamtenergieeffi-
festigkeit von Probekörpern (02/2001) zienz von Gebäuden in nationales Recht wurde in
DIN EN 12390 Teil 5 Ber. 1: Prüfung von Festbeton; Bie- Deutschland das Energieeinsparrecht (Energieein-
gezugfestigkeit von Probekörpern (05/2006) spargesetz, Energieeinsparverordnung) 2007 umfas-
DIN EN 13279 Teil 1: Gipsbinder und Gips-Trockenmör- send novelliert. Dabei wurde die Energieausweispra-
tel; Begriffe und Anforderungen (09/2005) xis in Deutschland gesetzlich eingeführt [Hegner
DIN EN 13263 Teil 1: Silikastaub für Beton; Definitionen, 2008b]. In Umsetzung der sog. „Meseberg-Be-
Anforderungen und Konformitätskriterien (10/2005)
schlüsse“ der Bundesregierung zum Klimaschutz
DIN EN 13055 Teil 1: Leichte Gesteinskörnungen; Leichte
Gesteinkörnungen für Beton, Mörtel und Einpressmör-
wurde die EnEV verschärft und ist in der aktuellen
tel (08/2002) Fassung seit 1. Oktober 2009 in Kraft.
DIN EN 13055 Teil 1 Ber. 1: Berichtigungen zu DIN EN Nachhaltigkeitsbetrachtungen zeichnen sich
13055-1:2002-08 (12/2004) durch eine Analyse über den gesamten Lebenszyk-
DIN EN 14216: Zement – Zusammensetzung, Anforde- lus und eine umfassende Einbeziehung von ökolo-
rungen und Konformitätskriterien von Sonderzement gischen, ökonomischen und sozio-kulturellen As-
mit sehr niedriger Hydratationswärme (08/2004) pekten aus. Neben den Energiebilanzen müssen
DIN EN 14647: Tonerdezement – Zusammensetzung, An- deshalb insbesondere auch die Stoffströme und fi-
forderungen und Konformitätskriterien (01/2006)
nanzielle Auswirkungen untersucht werden. Die
DIN EN 14889 Teil 1: Fasern für Beton; Stahlfasern – Be-
griffe, Festlegungen und Konformität (11/2006) Entwicklung, Erprobung und Anwendung von Sys-
DIN EN 14889 Teil 2: Fasern für Beton; Polymerfasern – temen zur Beschreibung, Bewertung und Zertifi-
Begriffe, Festlegungen und Konformität (11/2006) zierung der Nachhaltigkeit von Gebäuden ist dabei
DIN EN ISO-6506 Teil 1: Metallische Werkstoffe – Härte- an eine Reihe von Voraussetzungen gebunden. Ins-
prüfung nach Brinell; Prüfverfahren (10/1999) besondere der Übergang zu einem überwiegend
auf quantitativen Bewertungen basierenden Be-
wertungs- und Zertifizierungssystem stellt eine
große Herausforderung dar. Mit einem nicht uner-
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1039

heblichen Aufwand sind methodische Grundlagen und Instandhaltung haustechnischer Anlagen for-
zu entwickeln, Daten für die ökologische und öko- muliert. Über durch die EU geförderte Forschungs-
nomische Bewertung zur Verfügung zu stellen und programme wurden und werden unter deutscher
Bewertungsmaßstäbe zu erarbeiten. Parallel hierzu Beteiligung verfügbare Methoden und Hilfsmittel
sind Investoren und Planer mit geeigneten Hilfs- für die Beurteilung der Umweltverträglichkeit und
mitteln zur Formulierung von Zielen, zur Untersu- Nachhaltigkeit von Bauwerken – siehe hierzu die
chung von Varianten sowie zum Informationsaus- verfügbaren Informationen zu PRESCO unter http://
tausch auszurüsten. Der Beitrag gibt eine Übersicht www.etn-presco.net – analysiert und verglichen so-
zu den geplanten Anforderungen und Instrumenten wie mit LEnSE Grundlagen für die Entwicklung
des Bundes beim nachhaltigen Bauen. eines EU-einheitlichen Labels für nachhaltige
Wohnbauten – siehe hierzu die verfügbaren Infor-
mationen unter http://www.lensebuildings.com – er-
3.2.1.2 Rahmenbedingungen und Trends
arbeitet und zur Diskussion gestellt.
in Europa
Ausgewählte Direktiven und Forschungs- Ausgewählte Strategien
vorhaben der EU und Normungsprojekte
Die Bundesrepublik Deutschland als Teil der Euro- Um der Bedeutung der Bau-, Wohnungs- und Im-
päischen Union gestaltet den Prozess der stärkeren mobilienwirtschaft Rechnung zu tragen, möchte
Ausrichtung der europäischen Bau-, Wohnungs- die EU den Bereich „sustainable construction“ in
und Immobilienwirtschaft an den Prinzipen einer den kommenden Jahren zu einem „lead market“
nachhaltigen Entwicklung aktiv mit. Deutschland [EU 2007] entwickeln. Die EU folgt damit der be-
setzt Regelungen der Europäischen Union und der reits im Jahr 2004 formulierten „Thematic Strate-
Europäisch en Kommission in nationales Recht gy on the Urban Environment“ [EU 2004]. Diese
um und ergänzt diese durch landeseigene Initiati- sieht neben einer stärkeren Betonung der nachhal-
ven und Programme. tigen Siedlungsentwicklung und des nachhaltigen
In Europa wurde die Rolle und Verantwortung Bauens u. a. vor, den Energieausweis in Richtung
der Baubranche für die sozial- und umweltverträg- eines Dokumentes zur Beschreibung und Bewer-
liche Gestaltung der gebauten Umwelt, die Erhal- tung der Nachhaltigkeit von Gebäuden weiterzu-
tung und die Schaffung von Arbeitsplätzen und die entwickeln. Hierzu sollen z. B. zusätzliche As-
Schonung von Ressourcen einerseits sowie die Be- pekte, wie Innenraumluftqualität, Komfort, Um-
deutung der Modernisierung der vorhandenen Ge- weltverträglichkeit von Bauprodukten, Risiken für
bäudebestände für Energieeinsparung, Ressourcen- die Umwelt, Lebenszykluskosten, in die Methoden
schonung und Umweltschutz andererseits erkannt. zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden
So wird z. B. bei der Weiterentwicklung der Europä- integriert werden.
ischen Bauproduktenrichtlinie [EU 1989], die u. a. Die Entwicklung harmonisierter methodischer
bereits Anforderungen an Hygiene, Gesundheit und Grundlagen für die Bewertung der Nachhaltigkeit
Umweltschutz bei der Herstellung und Anwendung erfolgt in Europa im Rahmen der Standardisie-
von Bauprodukten enthält, derzeit diskutiert, ob und rungsaktivitäten von CEN TC 350 unter Beachtung
inwieweit zusätzlich Anforderungen an den Klima- der Ergebnisse der internationalen Normung bei
schutz und die Nachhaltigkeit (hier insbesondere im ISO TC 59 SC17. Der innerhalb von CEN TC 350
Zusammenhang mit der nachhaltigen Nutzung von im Frühjahr 2008 erreichte Stand der Diskussion
Ressourcen) aufgenommen werden sollen. Mit der kann wie folgt charakterisiert werden:
im Jahr 2002 in Kraft getretenen „Energy Perfor-
mance of Buildings Directive“ der EU [EU 2002] – Die Beurteilung der Nachhaltigkeit von Gebäu-
werden Anforderungen an die Weiterentwicklung den soll auf Basis der Beschreibung und Bewer-
der Beschreibung und Bewertung der energetischen tung der ökonomischen, ökologischen und sozi-
Qualität von Gebäude, an die flächendeckende Ein- alen Aspekte bei gleichzeitiger Beachtung der
führung von Energieausweisen für Neu- und Be- technischen und funktionalen Qualität der Ge-
standsbauten sowie an die systematische Wartung bäude erfolgen.
1040 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

– Betrachtungs- und Bewertungsgegenstand (ob- nalen, technischen, gestalterischen und städtebau-


ject of assessment) ist das Gebäude einschließlich lichen Qualität. Aktivitäten richten sich sowohl auf
Grundstück, es wird davon ausgegangen, dass die Entwicklung, Erprobung und Anwendung neuer
eine Standortbewertung und -entscheidung in Produkte, Technologien und Bauweisen, weiterent-
einem vorgelagerten Prozess bereits erfolgt ist. wickelter Entwurfs- und Planungsprinzipien sowie
– Die Bewertung soll überwiegend auf quantita- von Hilfsmitteln für die Planung, Bewertung und
tiven Methoden basieren, d. h. dass sich die Be- Optimierung, von methodischen Grundlagen für die
urteilung der Umweltqualität des Gebäudes u. a. Beurteilung der ökonomischen, ökologischen und
auf die Ergebnisse einer Ökobilanz, die Beurtei- sozialen Vorteilhaftigkeit sowie von Konzepten für
lung der ökonomischen Aspekte überwiegend die Aus- und Weiterbildung.
auf die Ergebnisse einer Lebenszykluskosten-
rechnung abstützen soll. Nationale Gesetzgebung auf dem Gebiet
– In die Bewertung der sozialen Qualität sollen der Energieeffizienz im Gebäudesektor
Fragen der Gesundheit, Behaglichkeit und Si- Mit dem Inkrafttreten der neuen Energieein-
cherheit der Nutzer, Besucher und Anwohner sparverordnung zum 1. Oktober 2009 setzt die
einbezogen werden. Bundesregierung ein Kernstück ihrer „Meseberg-
– Fragen der Festlegung von Bewertungsmaßstä- Beschlüsse“ vom August 2007 um. Mit ihren ener-
ben (Referenz-, Grenz- und Zielwerten) und Be- gie- und klimapolitischen Maßnahmen knüpft die
wertungsabläufen sollen jeweils national geklärt Bundesregierung an das umfangreiche Konzept
werden. der Europäischen Kommission für mehr Klima-
schutz und speziell an den Aktionsplan für Energie-
Deutschland beteiligt sich aktiv am internationalen effizienz (2007 bis 2012) an. In diesem Aktions-
und europäischen Normungsprozess und verwen- plan hat sich die Europäische Union die Zielvorga-
det die jeweils erreichten Ergebnisse als Ausgangs- be gesetzt, den Energiebedarf so zu steuern und zu
basis nationaler Entwicklungen. verringern sowie Energieverbrauch und -versor-
gung gezielt so zu beeinflussen, dass bis zum Jahr
2020 insgesamt 20% des jährlichen Energiever-
3.2.1.3 Ausgangspositionen und erste
brauchs eingespart werden können. Das entspricht
Erfahrungen in Deutschland
einer jährlichen Energieeinsparung von rund 1,5%
Akteure und Aktivitäten bis zum Jahr 2020.
Deutschland widmet sich seit über einem Jahrzehnt Doch nicht nur energie- und klimapolitische
der Umsetzung von Prinzipien einer nachhaltigen Zielstellungen der Bundesregierung zwingen zum
Entwicklung in allen Wirtschafts- und Lebensberei- Handeln, sondern auch die wirtschaftliche und so-
chen. Dabei wurden die Bau-, Wohnungs- und Im- ziale Lage im Land. Im Mieterland Deutschland
mobilienwirtschaft bzw. das Bedürfnisfeld „Bauen steigen die Betriebskosten deutlich schneller als
und Wohnen“ in Verbindung mit einer nachhaltigen die Nettokaltmiete. Nach Angaben des Statisti-
Siedlungsentwicklung als Handlungsfelder von her- schen Bundesamtes stieg die Nettokaltmiete in den
ausgehobener Bedeutung identifiziert. Durch die letzten sieben Jahren um ca. 7%. Im gleichen Zeit-
Baustoffindustrie, die Bau-, Wohnungs- und Immo- raum stiegen die Betriebskosten um ca. 50%. Die
bilienwirtschaft, die Forschung, die Finanz- und EnEV 2007 ging im Anforderungsniveau noch auf
Versicherungswirtschaft, die Politik und öffentliche die Wärmepreisstandards der 90er-Jahre zurück.
Verwaltung sowie die Verbände und Vertreter aller Dem Anforderungsniveau der EnEV 2007 lag ein
Interessengruppen werden seither erhebliche An- Wärmepreis von 2,7 ct./kWh aus dem Jahre 1998
strengungen unternommen. Diese dienen der Ent- zugrunde.
wicklung und Umsetzung eines energiesparenden, Der zentrale Punkt der EnEV 2009 ist deshalb
ressourcenschonenden, umwelt- und gesundheits- die Verschärfung der Anforderungen. Die energe-
gerechten sowie kostengünstigen und wirtschaftlich tischen Anforderungen an den Jahres-Primärener-
erfolgreichen Planens, Bauens und Betreibens von giebedarf und an die Wärmedämmung energetisch
Gebäuden bei gleichzeitiger Beachtung der funktio- relevanter Außenbauteile bei der Errichtung von
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1041

Neubauten sowohl im Wohngebäude- als auch im pflicht besteht, werden die Anforderungen an die
Nichtwohngebäudebereich werden mit der EnEV Dämmqualität erhöht. Für Klimaanlagen wird eine
2009 um jeweils rund 30% erhöht. Bei größeren generelle Pflicht zum Nachrüsten von selbsttätig
Änderungen im Gebäudebestand wird eine Ver- wirkenden Einrichtungen der Be- und Entfeuch-
schärfung der energetischen Anforderungen um tung vorgesehen. Nachtstromspeicherheizungen mit
durchschnittlich 30% vorgesehen. einem Alter von mindestens 30 Jahren sollen lang-
Neben der Senkung der Höchstwerte für den fristig und stufenweise unter Beachtung des Wirt-
Primärenergiebedarf von Neubauten wird nunmehr schaftlichkeitsgebots außer Betrieb genommen
auch die bereits bei den Nichtwohngebäuden be- werden. Die Umstellung auf andere Energieträger
kannte Systematik des Referenzgebäude-Verfah- ist ein wichtiges Mittel zur Steigerung der Ener-
rens auf die Wohngebäude übertragen. Die Refe- gieeffizienz. Aus diesen Gründen wurde die Pflicht
renzwerte bilden sozusagen ein virtuelles Gebäude zur Außerbetriebnahme elektrischer Speicherheiz-
in der gleichen Geometrie und Nutzung, um die systeme auch durch eine Regelung ergänzt, die
Höchstwerte des Primärenergiebedarfs für das Ein- über die Einführung einer Aufwandszahl für Heiz-
zelgebäude zu bestimmen. Das heißt, dass der systeme den Einbau ineffizienter Heizsysteme all-
einzuhaltende Grenzwert durch die Vorgabe von gemein untersagt. Es sind längere Übergangsfris-
U-Werten für Bauteile und von Anlagenkonfigura- ten bis zum Einsetzen der Pflicht zur Außerbetrieb-
tionen bestimmt wird. Wie das reale zu errichtende nahme vorgesehen.
Gebäude diesen Grenzwert einhält, ist Sache des Zur Stärkung der hoheitlichen Überwachung
Bauherrn und seines Planers. Damit besteht – wie werden die Bezirksschornsteinfegermeister gesetz-
auch bisher schon in der EnEV – Flexibilität bei lich mit der öffentlichen Aufgabe betraut, im Rah-
der Auswahl des Weges, mit dem die Anforde- men der Feuerstättenschau bestimmte Prüfungen
rungen erreicht werden. Die einzelnen Energie- vorzunehmen, Fristen zur Nacherfüllung zu setzen
sparmaßnahmen dürfen vom Referenzansatz ab- und im Falle der Nichterfüllung die zuständige Be-
weichen; es zählt ausschließlich die Einhaltung hörde zu unterrichten. Zur Stärkung des Vollzugs
der Primärenergieanforderungen. Die EnEV 2009 werden weiterhin private Nachweise in Form von
bleibt bei einem technologieoffenen Ansatz. Unternehmer- und Eigentümererklärungen insbe-
Da bei Maßnahmen im Bestand – wie bisher sondere bei der Durchführung bestimmter Arbei-
auch in der EnEV – ein Nachweis für das Gesamt- ten im Gebäudebestand eingeführt. Gekoppelt wird
gebäude erbracht werden kann und dieser sich auf dies mit einer behördlichen Stichprobenkontrolle
den Neubaugrenzwert abstützt (Primärenergiebe- zu solchen privaten Nachweisen. Auf diese Weise
darf darf um bis zu 40% überschritten werden), soll bundesweit ein effektiverer Vollzug der Ener-
spielt die Neubauforderung auch in den Bestand gieeinsparverordnung ermöglicht werden, ohne
hinein. Aber auch bei Ansatz der Bauteilmaßnah- gleichzeitig aufwändige bürokratische Verfahren
men (die insbesondere bei Einzelmaßnahmen an- einzuführen.
gewendet werden) wurde mit der EnEV 2009 eine
durchschnittliche Verschärfung der energetischen Runder Tisch und Leitfaden
Anforderungen an Außenbauteile um etwa 30% „Nachhaltiges Bauen“
erreicht. Im Jahre 2001 wurde im Ergebnis einer gemein-
Die Modernisierungsmaßnahmen sind i. d. R. samen Initiative von Bauwirtschaft und Bauminis-
freiwillig und stehen in Zusammenhang mit ohne- terium der Runde Tisch „Nachhaltiges Bauen“
hin geplanten Verbesserungen. Nachrüstungsver- beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
pflichtungen dagegen schreiben eine Modernisie- Stadtentwicklung eingerichtet. Dieser Runde Tisch
rung vor und sind an Fristen gebunden. Die EnEV hat u. a. die Aufgaben der Beratung der Bundesre-
2009 weitet die Nachrüstverpflichtungen aus. Die gierung und des BMVBS zu allen Fragen des nach-
Pflicht zur Dämmung bisher ungedämmter obers- haltigen Bauens, der Bildung einer Diskussions-
ter Geschossdecken wird unter bestimmten Zumut- plattform für alle relevanten Akteursgruppen, der
barkeitsvoraussetzungen auf begehbare oberste Erarbeitung von Positionen zur internationalen
Geschossdecken ausgedehnt. Soweit eine Dämm- und europäischen Gesetzgebung und Normung,
1042 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

der Erarbeitung von Grundlagen für ein nationales um die im Zertifikat geforderten Ziele auch mit
Bewertungssystem sowie der Vorstellung und Dis- planerischen und baulichen Mitteln zu erreichen.
kussion aktueller Forschungsergebnisse. Diese sind Zusätzlich werden bei einem quantitativen Ansatz
u. a. zugänglich unter www.nachhaltigesbauen.de. für die Bewertung und Zertifizierung von Gebäu-
Derzeit konzentrieren sich die Arbeiten am Runden den Daten für die Ökobilanzierung von Baupro-
Tisch auf die Formulierung konkreter Kriterien und dukten, Bauprozessen und Bauwerken, für die Er-
Anforderungen für die Bewertung der Nachhaltig- mittlung der Lebenszykluskosten sowie für die
keit von Gebäuden. Diese sind – basierend auf einer Abschätzung der Nutzungs- bzw. Verweildauer
ersten Fassung aus dem Jahr 2001 [BMVBS 2001] von Bauteilen in Bauwerken benötigt.
– Gegenstand eines aktualisierten und um die As- In Deutschland wurde ein System sich ergän-
pekte des Planens und Bauens im Bestand erweiterten zender Planungs- und Bewertungshilfsmittel ent-
Leitfadens „Nachhaltiges Bauen“ des BMVBS. wickelt und realisiert (s. Tabelle 3.2-1). Unter-
Zur Arbeit des Runden Tisches liegen in Deutsch- schiedliche Hilfsmittel zur Bauteil- und Bauwerks-
land positive Erfahrungen vor. Es wurde deutlich, optimierung sowie zur Zertifizierung greifen auf
dass ein Instrument zur Meinungsbildung und zum identische Datengrundlagen (qualitative Informa-
Meinungsaustausch dringend erforderlich war und tionen (z. B. Gesundheitsrisiken bei Verarbeitung
ist, um die unterschiedlichen Motive und Interes- und Nutzung) zu Bauprodukten, Ökobilanzdaten,
senlagen der Akteursgruppen kennen zu lernen und Lebensdauern, Kostenkennwerte) zu und können
einzubeziehen. Hier hat zwischenzeitlich eine er- über definierte Schnittstellen Informationen aus-
hebliche Erweiterung stattgefunden. Ursprünglich tauschen. So wird es möglich, entwurfsbegleitend
engagierten sich vorzugsweise die Baustoffindustrie produkt- und herstellerneutrale Daten aus der Pla-
und die Bauwirtschaft. Die Baustoffindustrie hatte nung allmählich durch produktkonkrete Informati-
ein Interesse, frühzeitig die Konsequenzen des onen aus der Angebotsphase zu ersetzen.
nachhaltigen Bauens für die Produktion und den Durch eine Integration wesentlicher Anforde-
Vertrieb von Bauprodukten zu erkennen und mit zu rungen der Zertifizierung in den Planungsprozess
gestalten; die Bauwirtschaft verfolgte – unterstützt soll sichergestellt werden, dass wesentliche Infor-
durch das Bauministerium – eine Strategie der Inte- mationen bereits in der Planung erzeugt und nicht
gration der Nachhaltigkeitsthematik in eine allge- – i. d. R. mit Mehrkosten verbunden – im Rahmen
meine Diskussion und Kampagne zur Verbesserung der eigentlichen Zertifizierung erarbeitet werden
der Bauqualität. Seit einiger Zeit bringen nun auch müssen.
Finanzierer, Versicherer, Rating-Agenturen und Einen Überblick zu den Instrumenten des nach-
namhafte Unternehmen aus dem Bereich Consul- haltigen Bauens, den Datenbanken und Informati-
ting ihre Standpunkte und Interessen ein. Diese sind onssystemen, zur Politik der Bundesregierung und
vorzugsweise auf die Entwicklung und Ausgestal- zu guten Beispielen ermöglicht das Internetportal
tung eines einheitlichen Systems zur Beschreibung, des Bundes: www.nachhaltigesbauen.de.
Bewertung und Zertifizierung der Nachhaltigkeit
von Gebäuden gerichtet.
3.2.1.4 Nationales System zur Bewertung und
Zertifizierung nachhaltiger Gebäude
System sich ergänzender Planungs-
„Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges
und Bewertungshilfsmittel
Bauen“
Die Entwicklung, Erprobung und Einführung eines
Systems zur Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Deutschland orientiert sich bei seinen momentanen
Gebäuden als alleinige Maßnahme reicht nicht aus. Arbeiten zur Entwicklung, Erprobung und Einfüh-
Zwar unterstützt ein glaubwürdiges Label Marke- rung eines nationalen Systems zur Beschreibung,
ting und Marktdurchdringung sowie die kompakte Bewertung und Zertifizierung nachhaltiger Gebäu-
Formulierung von Anforderungen an nachhaltige de am Stand der internationalen und europäischen
Gebäude seitens der öffentlichen Hand und der In- Normung von ISO TC 59 SC 14, ISO SC TC 59 SC
vestoren. Planer und Bauunternehmen benötigen 17 sowie CEN TC 350. Es wird das Ziel verfolgt,
darüber hinaus jedoch Grundlagen und Hilfsmittel, die Nachhaltigkeit von Gebäuden durch Einbezie-
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1043

Tabelle 3.2-1 Überblick über das Gesamtsystem von Planungs- und Bewertungshilfsmitteln

Datengrund- Daten für die Ökobilanzierung von Bauprodukten und -prozessen


lagen Als Voraussetzung für die Ökobilanzierung von Gebäuden und baulichen Anlagen wurde eine nationale
Datenbank „Ökobaudat“ mit Angaben zur Ökobilanz relevanter Bauprodukte und -prozesse aufgebaut,
die ständig aktualisiert und erweitert wird. Aktuelle Anstrengungen sind auf die Ökobilanzierung haus-
technischer Anlagen gerichtet.
Daten für die Nutzungsdauer von Bauteilen
Angaben zur Nutzungsdauer von Bauteilen sind eine Voraussetzung sowohl für die Ökobilanzierung als
auch für die Lebenszykluskostenrechnung. Auf der Basis von Forschungsergebnissen wurde eine Daten-
bank aufgebaut.
Benchmarks Formulierung von Referenz-, Grenz- und Zielwerten
Für folgende Bereiche werden Benchmarks ermittelt und u. a. für die Entwicklung von Bewertungsmaß-
stäben verwendet:
– Ökobilanzdaten für (Referenz-)Gebäude,
– Nutzungskosten/Lebenszykluskosten,
– Angaben zur Bewertung der Flächeneffizienz,
– Angaben zur Bewertung des Gesamtenergieverbrauchs in der Nutzung.
Planungs- und Bauprodukt- und Gefahrstoffinformationssysteme
Bewertungs- Bauproduktsysteme stellen über frei im Netz verfügbare Informationen umwelt- und gesundheitsrele-
hilfsmittel vante Daten zu Bauproduktgruppen zur Verfügung und unterstützen so die Entscheidungsfindung im Pla-
nungsprozess, Gefahrstoffinformationssysteme weisen auf Umwelt- und Gesundheitsrisiken bei der Ver-
arbeitung und Nutzung von Bauprodukten hin (Beispiele: WECOBIS, WINGIS).
Elementkataloge und Hilfsmittel zur Konstruktionsoptimierung
Unter Nutzung der in Deutschland zur Kostenermittlung verbreiteten Element-Methode werden für Bau-
teile (z. B. Wände mit vollständigem Schichtenaufbau) Ergebnisse der Ökobilanzierung und der Kosten-
ermittlung zur Verfügung gestellt. Die Hilfsmittel zur Erstellung der Element-Kataloge können zusätz-
lich zur Konstruktionsoptimierung nach ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten genutzt wer-
den (Beispiele: SIRADOS; bauloop).
Komplexe Planungs- und Bewertungshilfsmittel zur Gebäudeoptimierung
Zur Unterstützung der Planung sowie als Grundlage für eine Zertifizierung werden komplexe Hilfsmittel
verwendet, die basierend auf einer einmaligen Beschreibung der Baukonstruktion die Baukosten, die Nut-
zungskosten, den Energieaufwand in der Nutzungsphase sowie die Ökobilanz für den vollständigen Le-
benszyklus ermitteln und die Basis für eine Gebäudeoptimierung bilden (Beispiel: LEGEP).
Hilfsmittel für Ökologische Zusatzanforderungen für Ausschreibungstexte
Ausschreibung In Form von Textbausteinen werden ökologische Zusatzanforderungen für eine Integration in die Leis-
tungsbeschreibung entwickelt und zur Verfügung gestellt.
Hilfsmittel für Handlungsanleitung und -empfehlung
Planer In Form einer netzgestützten Handlungsanleitung werden Planer auf Teilschritte in der Planung hinge-
wiesen, die für Nachhaltigkeitsaspekte eine hohe Bedeutung haben. Sie werden dann durch Hinweise auf
Normen, Leitfäden, Literatur und Fallbeispiele mit ziel- und problemgerechten Informationen versorgt.
Dokumente Gebäudepass/Hausakte
Über einen Gebäudepass/eine Hausakte werden während des Lebenszyklus relevante Informationen zum
Gebäude beschrieben, verwaltet und aktualisiert.

hung ökologischer, ökonomischer und sozialer As- tungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) basiert
pekte in all ihren Dimensionen zu beurteilen. Die- auf einem im Auftrage des BMVBS an der Tech-
se Beurteilung soll sich auf quantitative Methoden nischen Universität Darmstadt und der Universität
der Ökobilanzierung und Lebenszykluskostenrech- Karlsruhe entwickelten Konzept [Graubner et al.
nung stützen und somit auf wissenschaftlich aner- 2007b] und wurde mit der Deutschen Gesellschaft
kannten Methoden basieren. Das aktuelle Bewer- für nachhaltiges Bauen (DGNB) intensiv abge-
1044 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

stimmt und mit den dort entwickelten Ansätzen vor der Außenentwicklung – zu berücksichtigen
kombiniert. bei der Beurteilung der Flächeninanspruchnah-
Die Vielzahl bereits verfügbarer Methoden und me infolge der Grundstücksart und -größe,
Hilfsmittel zur Bewertung und Zertifizierung der – die Verbesserung der energetischen Qualität
Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit bzw. der durch Verschärfung der Anforderungen an den
Nachhaltigkeit von Gebäuden wurde bereits mehr- zulässigen Primärenergiebedarf von Neubauten
fach beschrieben und analysiert [Cole 2006, FW- um 30% bis 2009 gegenüber 2007 sowie um wei-
PRDC 2005]. Dabei wird deutlich, dass sich diese tere 30% bis 2012 – zu berücksichtigen bei der
bisher mehrheitlich auf die Verwendung von Kri- Beurteilung der Inanspruchnahme nicht erneuer-
terien aus den Bereichen Standortqualität, Ener- barer Ressourcen,
gieeffizienz, Klimaschutz, Ressourcenschonung – die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie
und Gesundheit konzentrieren und damit zur Be- an der Wärmeversorgung von Gebäuden von ca.
schreibung der Umwelt- und Gesundheitsverträg- 6% im Jahr 2006 auf 14% im Jahr 2020 – zu be-
lichkeit von „green buildings“ beitragen. Eine rücksichtigen bei der Beurteilung der Nutzung
überwiegend qualitative Bewertung, die sich in erneuerbarer Ressourcen,
Punktesystemen ausdrückt, sich jedoch auch häu- – die stärkere Orientierung von Investitions- und
fig auf die Ergebnisse von vorausgegangenen Be- Vergabeentscheidungen an der Höhe der Lebens-
rechnungen zur energetischen Qualität stützt, ist zykluskosten mit dem Ziel, diese zu reduzieren
weit verbreitet. Systeme, die zusätzlich auch öko- – zu berücksichtigen bei der Beurteilung der
nomische Aspekte berücksichtigen und die Ergeb- ökonomischen Qualität,
nisse einer Ökobilanzierung und Lebenszykluskos- – die Verbesserung der Innenraumluftqualität – zu
tenrechnung einbeziehen sind dagegen noch sehr berücksichtigen bei der Beurteilung der Gesund-
selten. heitsverträglichkeit von Gebäuden im Rahmen
Das BNB-Bewertungssystem sieht vor, neben der sozio-kulturellen Qualität.
den ökologischen und sozio-kulturellen Qualitäten
des Gebäudes auch ökonomische Aspekte einzube- Ziel des BNB-Bewertungssystems ist die Vergabe
ziehen und so den Ansatz „green building“ in Rich- einer „Gebäudenote“ und die zusätzliche Beschrei-
tung „sustainable building“ zu erweitern. Es wird bung der Standortmerkmale. Die Gebäudenote
von einer gleichberechtigten Bedeutung ökolo- wird (wie bei der Stiftung Warentest auch) durch
gischer, ökonomischer und sozialer Aspekte aus- Teilnoten gebildet. Es gibt 5 Teilnoten für:
gegangen, die auch bei der Wichtung der drei Di-

mensionen der Nachhaltigkeitsbewertung berück- ökologische Qualität,
sichtigt werden. Es erfolgt eine zusätzlich zur – ökonomische Qualität,
Bewertung der Nachhaltigkeit des Gebäudes erfol- – soziokulturelle und funktionale Qualität,
gende Beschreibung der Qualität des Standortes – technische Qualität des Bauwerks,
und der Qualität der Prozesse der Planung, Errich- – Prozessqualität.
tung und Bewirtschaftung. In Tabelle 3.2-2 wird
ein Überblick zu den im System verwendeten Kri- Die Teilnoten werden durch die Auswertung ver-
terien gegeben (Stand Oktober 2009). schiedener Einzelkriterien beschrieben. Die Zahl
In die Festlegung von Kriterien sowie die Erar- dieser Einzelkriterien ist für Büro- und Verwal-
beitung von Messvorschriften und Bewertungs- tungsgebäude festgelegt. Allerdings wurde im Pro-
maßstäben fließen die nationalen, sich i. d. R. auch zess der Systemerstellung deutlich, dass nicht für
an Verpflichtungen auf europäischer bzw. inter- alle Kriterien hinreichend gute Nachweismethoden
nationaler Ebene orientierenden Zielstellungen zur Verfügung standen. Einige Kriterien bleiben
Deutschlands ein. Dies sind u. a.: vorerst „ausgeschaltet“ und müssen mit entspre-
chenden Forschungsaktivitäten erst „zum Leben er-
– die Reduzierung der täglichen Zunahme der weckt“ werden.
Verkehrs- und Siedlungsfläche auf 30 ha/d in Ziel war es u. a., alle bauordnungsrechtlichen An-
Deutschland u. a. durch einen Vorrang der Innen- forderungen und sonstigen öffentlich-rechtlichen
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1045

Tabelle 3.2-2 Überblick zum deutschen Zertifizierungsansatz, Version 2008

Hauptkriterien- Kriteriengruppe Nr. Kriterium Wichtung


gruppe
Gebäudenote:
Ökologische Wirkungen auf die 1 Treibhauspotenzial (GWP) 22,5%
Qualität globale und lokale 2 Ozonschichtzerstörungspotenzial (ODP)
Umwelt
3 Ozonbildungspotenzial (POCP)
4 Versauerungspotenzial (AP)
5 Überdüngungspotenzial (EP)
6 Risiken für die lokale Umwelt
7 Sonstige Wirkungen auf die lokale Umwelt
8 Sonstige Wirkungen auf die globale Umwelt
9 Mikroklima
Ressourcen- 10 Primärenergiebedarf nicht erneuerbar (PEne)
inanspruchnahme 11 Primärenergiebedarf gesamt, Anteil PE erneuerbar
und Abfallaufkom-
men 12 Sonstiger Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen
13 Abfall nach Abfallkategorien
14 Frischwasserverbrauch Nutzungsphase
15 Flächeninanspruchnahme
Ökonomische Lebenszykluskosten 16 gebäudebezogene Kosten im Lebenszyklus 22,5 %
Qualität Wertentwicklung 17 Wertstabilität
Soziokulturelle Gesundheit, 18 Thermischer Komfort im Winter 22,5%
und Behaglichkeit und 19 Thermischer Komfort im Sommer
Funktionale Nutzerzufriedenheit
Qualität 20 Innenraumluftqualität
21 Akustischer Komfort
22 Visueller Komfort
23 Einflussnahme des Nutzers
24 Gebäudebezogene Außenraumqualität
25 Sicherheit und Störfallrisiken
Funktionalität 26 Barrierefreiheit
27 Flächeneffizienz
28 Umnutzungsfähigkeit
29 öffentliche Zugänglichkeit
30 Fahrradkomfort
Gestalterische 31 Sicherung der gestalterischen und städtebaulichen
Qualität Qualität im Wettbewerb
32 Kunst am Bau
1046 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.2-2 (Fortsetzung)

Hauptkriterien- Kriteriengruppe Nr. Kriterium Wichtung


gruppe
Technische Qualität der tech- 33 Brandschutz 22,5%
Qualität nischen Ausführung 34 Schallschutz
35 thermische und feuchteschutztechnische Qualität der Gebäu-
dehülle
36 Backupfähigkeit der TGA
37 Bedienbarkeit der TGA
38 Ausstattungsqualität der TGA
39 Dauerhaftigkeit/Anpassung der gewählten Bauprodukte,
Systeme und Konstruktionen an die geplante Nutzungsdauer
40 Reinigungs- und Instandhaltungsfreundlichkeit der Bau-
konstruktion
41 Widerstandsfähigkeit gegen Hagel, Sturm und Hochwasser
42 Rückbaubarkeit, Recyclingfreundlichkeit
Prozessqualität Qualität der Planung 43 Qualität der Projektvorbereitung 10%
44 Integrale Planung
45 Nachweis der Optimierung und Komplexität der Herange-
hensweise in der Planung
46 Sicherung der Nachhaltigkeitsaspekte in Ausschreibung und
Vergabe
47 Schaffung von Vorraussetzungen für eine optimale Nutzung
und Bewirtschaftung
48 Baustelle/Bauprozess
49 Qualität der ausführenden Firmen/Präqualifikation
Qualität der 50 Qualitätssicherung der Bauausführung
Bauausführung 51 geordnete Inbetriebnahme
Qualität der 52 Controlling
Bewirtschaftung 53 Management
54 systematische Inspektion, Wartung und Instandhaltung
55 Qualifikation des Betriebspersonals
Standortnote:
Standortqualität 56 Risiken am Mikrostandort 100%
57 Verhältnisse am Mikrostandort
58 Image und Zustand von Standort und Quartier
59 Verkehrsanbindung
60 Nähe zu nutzungsrelevanten Objekten und Einrichtungen
61 anliegende Medien/Erschließung
62 Planungsrechtliche Situation
63 Erweiterungsmöglichkeiten/Reserven
Hinweis: Die grau hinterlegten Kriterien können noch nicht verwendet werden, da sie noch nicht methodisch festgelegt
werden konnten; zum Teil ergibt sich hier noch Forschungsbedarf. Die Bewirtschaftungsqualität spielt bei der Bewertung
des Neubaus keine Rolle.
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1047

Regelungen verpflichtend einzubeziehen. Im ökolo- In der Pilotphase wurden auch Ziele und Refe-
gischen Bereich wird zusätzlich zu den im Zuge der renzen getestet. Dabei geht es darum, das System
Planung ohnehin abzuliefernden Nachweisen eine so auszulegen, dass man mit einer Erfüllung bzw.
Ökobilanz verlangt. Bei den ökonomischen Quali- knappen Übererfüllung von deutschen Standards
täten sind nicht nur Investitionskosten, sondern die das untere Ende von „Bronze“ erreicht. Damit
Lebenszykluskosten zu ermitteln. Die zusätzlichen werden zwei Botschaften transportiert:
Anforderungen an Nachweispflichten sind gering,
wenn im normalen Planungsprozess bereits über- 1. deutsche Standards sind auch im internationalen
greifende Überlegungen und Dokumentationen zur Maßstab auf allen Gebieten relativ hoch und
Nachhaltigkeit realisiert wurden. Die Ausrichtung 2. der Wert einer Zertifizierungsplakette liegt in
der Planung auf Übererfüllung und die erhebliche der hohen Qualitätssicherung durch das Zertifi-
Qualitätskontrolle sind das eigentliche Merkmal der zierungssystem.
Zertifizierung.
Das BNB-Bewertungssystem ist zurzeit nur für Darüber hinaus wurde auch die Gewichtung der
Büro- und Verwaltungsgebäude ausgelegt und wur- Einzelkriterien zueinander (Spreizung max. 1:3),
de an derartigen Gebäuden erprobt. Ende August die Festlegung von Mindestanforderungen bei je-
2008 lag das System in einer ersten Version (sog. dem Kriterium (Nichteinhaltung bedeutet Nicht-
Betaversion) vor. Eine vorgezogene Ersterprobung zertifizierung) und die Festlegung von Mindest-
wurde in Vorbereitung der Weltkonferenz für Nach- anforderungen an einzelne Kriteriengruppen (bei
haltiges Bauen Ende September in Melbourne/Aus- Erreichung des Gold-Standards müssen die Teil-
tralien durchgeführt. Testobjekt war die neu errich- aspekte mindestens Silber-Standard aufweisen)
tete Kreisverwaltung der Stadt Eberswalde. Das untersucht. Das System „Neubau von Büro- und
Gebäude wurde im Rahmen eines Wettbewerbs ge- Verwaltungsgebäuden Version 2009“ steht markt-
plant und städtebaulich erfolgreich integriert. Der bereit zur Verfügung. BMVBS hat die entspre-
Bau des energieoptimierten Gebäudes verlief unter chende Datenbank mit den Steckbriefen Anfang
wissenschaftlicher Begleitung. Der erste Zertifizie- Dezember 2009 im Internet veröffentlicht (unter
rungsdurchgang ergab einen Erfüllungsgrad von www.nachhaltigesbauen.de). Ein „update“ erfolgte
89% (Goldstandard). Auf der Weltkonferenz in Mel- im Januar 2011.
bourne erhielt die Bundesrepublik Deutschland für Dieses Bewertungssystem kann als Planungshilfe
dieses und zwei weitere Projekte sowie für das aus- oder Leitfaden für das Planen und Ausführen, als Ar-
gestellte Zertifizierungssystem den „World Sustai- beitsmittel für die Qualitätssicherung oder als Quali-
nable Building Award 2008“. tätssicherungssysteme mit einer Zertifizierung ver-
Aufgrund einer Vereinbarung mit der DGNB bunden werden. BMVBS hat es bei der Novelle des
wurden danach private und öffentliche Gebäude Leitfadens „Nachhaltiges Bauen“ Anfang 2011 ver-
ausgewählt, an denen in zwei Testphasen Ende wendet. BMVBS hat den Leitfaden per Erlass ver-
2008 und Anfang 2009 die Zertifizierungsversion bindlich für den Bundesbau eingeführt. Praktisch
2008 getestet wurden. Die Teilnehmer aus der ers- werden so alle Bundesgebäude (intern) gelabelt. Den
ten Pilotphase haben auf der internationalen Bau- Ländern und Kommunen wird diese Methode ange-
fachmesse BAU 2009 in München die ersten Pla- boten. DGNB hat begonnen, für den gewerblichen
ketten erhalten (s. Tabelle 3.2-3). Einbezogen wur- Bereich ein Zertifizierungsverfahren anzubieten. Die
den hochrangige Leistungen in der Architektur- Anwendung von Bewertungssystemen für die Nach-
und Ingenieurbaukunst des Bundes, der Länder, haltigkeit von Gebäuden und baulichen Anlagen ist
der Kommunen und von privaten Bauherren. Mit prinzipiell weiter freiwillig. Auch das Anbieten der-
den Ergebnissen wurde die Version „Neubau von artiger Systeme erfolgt freiwillig nach Marktprin-
Büro- und Verwaltungsgebäuden Version 2008“ in zipien.
eine Version 2009 überführt. Sie steht nunmehr für BMVBS prüft auf Anfrage Bewertungssysteme
den operativen Betrieb zur Verfügung. Dabei soll und empfiehlt sie zur Anwendung nach erfolg-
das System als freiwilliges Marktsystem eingesetzt reicher Prüfung für die Planungs- und Baupraxis.
werden. Dabei müssen wichtige Anforderungen eingehal-
1048 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.2-3 Objekte der ersten Probezertifizierung

Siegel Projekt Kurzbeschreibung Auditoren


in (Namen der eingebundenen Auditoren,
der Federführende ist unterstrichen)
Gold Umweltbundesamt 35.000 m² BGF, Herr Dr. Günther Löhnert (Planungsbüro Solidar)
Dessau Fertigstellung 2005 Herr Prof. Thomas Lützkendorf (Uni Karlsruhe)
Herr Holger König (Büro Ascona)
Herr Prof. Alexander Rudolphi (GfÖB)
Gold Kreisverwaltung 21.600 m² BGF, Herr Dr. Günther Löhnert (Planungsbüro Solidar)
Barnim Fertigstellung 2007 Herr Prof. Thomas Lützkendorf (Uni Karlsruhe)
Herr Holger König (Büro Ascona)
Gold Neues Regionshaus 8.400 m² BGF, Frau Dr. Kati Herzog (Fa. Bilfinger Berger)
Hannover PPP-Projekt, Herr Dr. Günther Löhnert (Planungsbüro Solidar)
EnOB-Projekt, Herr Prof. Thomas Lützkendorf (Uni Karlsruhe)
Fertigstellung 2007 Herr Holger König (Büro Ascona)
Gold Etrium Köln 3.500 m² Herr Hoffmann (ifes)
Fertigstellung 2008
Gold OWP 11 11.941 m² Herr Hoinka (Drees & Sommer)
Stuttgart Fertigstellung 2003
Silber Projekt Laim 290 10.760 m² BGF, Herr Ralf Bode (Union Investment AG)
München Fertigstellung 2008
Silber Projekt Atmos 45.000 m² BGF, Herr Thomas Rühle (Intep)
München Fertigstellung 2008
Silber ZUB Kassel 1.800 m² Frau Eßig (TU München)
Fertigstellung 2003
Silber Hauptverwaltung Vileda 7.004 m² Herr Dülger (EGS-Plan)
Weinheim Fertigstellung 2008
Silber Institutsgebäude der Fakul- 4777 m² BGF, Herr Prof. C-A. Graubner, TU Darmstadt
tät Bauingenieurwesen der Fertigstellung 2004
TU Darmstadt
Silber Karolinen Karree 12.800 m² Herr Rudolphi (gföb)
München Fertigstellung 2008
Bronze Justizzentrum 25.000 m² BGF, Herr Nicolas Kerz (IEMB Berlin)
Chemnitz PPP-Projekt, Herr Prof. C-A. Graubner, TU Darmstadt
Fertigstellung Ende 2008 Frau Dr. Kati Herzog (Fa. Bilfinger Berger)
Bronze Super C 7.546 m² Herr Kuhnhenne (RWTH Aachen)
Aachen Fertigstellung 2008
Bronze Saegeling Medizintechnik 570 m² Herr Fest (GPAC)
Heidenau, Sachsen Fertigstellung 2009
Bronze Züblin Z-Zwo 8.500 m² Herr Mahler (EGS)
Stuttgart Fertigstellung 2002 Herr Schweig (Züblin)
Bronze Medtronic 14.000 m² Herr Brembach (DIL Deutsche Baumanagement GmbH)
Meerbusch Fertigstellung 2008 Herr Wünschmann (CSD)
Bewertungsmaßstab:
– für jedes Nachhaltigkeitskriterium werden 10 Punkte vergeben
– dabei sind 5 Punkte der Referenzwert für derzeitige Qualität („main stream“), der Zielwert mit 10 Punkten ist in die Zu-
kunft geplant und verlangt eine Übererfüllung (z. B. bereits EnEV-Standard 2012)
– bei einer derartigen Übererfüllung aller Kriterien wäre ein Erfüllungsgrad von 100% möglich
– die Plaketten haben folgende Erfüllungsgrade: Gold >80%, Silber 65 bis 80% und Bronze 50 bis 65%
– Insgesamt ist das System (auch im internationalen Vergleich) hinsichtlich der Anforderungen sehr anspruchsvoll.
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1049

ten werden. Es werden nur Systeme anerkannt, die wesentliche Voraussetzung für die Erarbeitung eines
eine Gesamtbeschreibung des Gebäudes vorneh- nationalen Konsens zu Fragen der Integration von
men. Das System muss gewährleisten, dass jede Nachhaltigkeitsaspekten in die Bau-, Wohnungs-
Kriteriengruppe mit konkreten Einzelkriterien be- und Immobilienwirtschaft ist. Es gelingt so einer-
schrieben wird. Diese Kriterien müssen auf nach- seits, über Forschungsprojekte entsprechende Vor-
vollziehbaren und eindeutigen Erhebungs- und Be- arbeiten zu initiieren und zu koordinieren und ande-
wertungsmethoden aufbauen und eindeutige Mess- rerseits gemeinsame Positionen bei der Entwicklung
vorschriften beinhalten. Die Kriterien werden nach eines nationalen Bewertungs- und Zertifizierungs-
Relevanz und Praktikabilität vom Systemersteller systems zu erarbeiten. Dieses System ist jedoch ein-
festgelegt. Bei jedem Kriterium ist eine Mindest- gebettet in ein Paket sich gegenseitig ergänzender
qualität vorzugeben, die zwingend eingehalten Informations-, Planungs- und Bewertungshilfsmit-
werden muss. Die Vorgabe der Mindestqualität tel, welches auf einer einheitlichen Datenbasis auf-
muss insbesondere bei Neubauvorhaben die Ein- baut und sich am Stand der internationalen und eu-
haltung aller gesetzlichen Anforderungen ein- ropäischen Normung orientiert.
schließen. Das neu entwickelte Bewertungssystem Nach-
Die Empfehlung des BMVBS („vom BMVBS haltiges Bauen des Bundes steht für die Begleitung
anerkanntes und für die Praxis empfohlenes Be- von Planungsaufgaben zur Verfügung. BMVBS hat
wertungssystem für nachhaltige Gebäude“) wird es für Bundesgebäude mit dem Leitfaden nachhal-
auf der Grundlage von Grundsätzen und Richtli- tiges Bauen verbindlich über die Bundesbauverwal-
nien ausgesprochen, die im Bundesanzeiger veröf- tung eingeführt und kann somit auch Vorbildwir-
fentlicht wurden. kung entfalten. Die DGNB als privater Systemabie-
Diese Anerkennungspraxis soll in der weiteren ter bietet entsprechende Bewertungssysteme am
operativen Tätigkeit auch bei anderen gewerblichen Markt an. Die Erweiterung auf weitere Gebäudeka-
Gebäudekategorien angewandt werden (z. B. Hotels, tegorien erfolgt durch BMVBS und entsprechende
Handelsbauten). Die DGNB hat auch hier bereits er- Systemanbieter. Diese können sich ihr System vom
ste Testversionen entwickelt. BMVBS schließt ein BMVBS anerkennen lassen. Bei Gebäuden und
derartiges Verfahren nur bei Gebäuden mit erheb- baulichen Anlagen, die von erheblichem öffent-
lichem öffentlichem Interesse aus. Bei Gebäuden lichem Interesse sind, werden Bewertungssysteme
und baulichen Anlagen, die ausschließlich von den in Arbeitsgruppen der Träger öffentlicher Belange
Trägern öffentlicher Belange betrieben werden, sol- beim BMVBS entwickelt und umgesetzt.
len diese auch selbst Bewertungssysteme entwi-
ckeln. Das betrifft den Wohnungsbau, Gebäude der 3.2.2 Nachhaltiges Bauen mit Beton
sozialen Infrastruktur (Schulen, Kitas), Infrastruk-
turbauten (Tunnel, Brücken) und Stadtquartiere. Udo Wiens, Bruno Hauer, Josef Hegger,
Zum Thema Wohnungsbau arbeitet bereits eine Ar- Tobias Dreßen
beitsgruppe beim BMVBS gemeinsam mit Vertre-
3.2.2.1 Nachhaltigkeit im Bauwesen –
tern und Spitzenverbänden der Wohnungswirtschaft.
Allgemeines
Mit den Ländern bestehen weitere Arbeitsgruppen
(z. B. zu Bildungsbauten). Nachhaltiges Bauen wird heute von vielen Akteuren
Insgesamt stehen damit in Deutschland nunmehr im Bauwesen eingefordert und weiterentwickelt.
umfangreiche Planungs- und Bewertungshilfsmittel Wie in Abschn. 3.2.1 ausgeführt, entwickelt das
zur Verfügung. Dem nachhaltigen Bauen und Planen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-
ist damit besser als bisher der Weg bereitet! wicklung (BMVBS) ein Zertifizierungssystem zum
nachhaltigen Bauen, um die eigenen Bauten damit
3.2.1.5 Zusammenfassung und Ausblick bewerten zu können. Zu den Hauptkriterien der Be-
Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Deutsch- wertung der Nachhaltigkeit gehören die
land kann festgestellt werden, dass die Einrichtung
eines Runden Tisches „Nachhaltiges Bauen“ unter – ökologische,
Einbeziehung aller relevanten Akteursgruppen eine – ökonomische,
1050 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

– soziokulturelle und funktionale sowie die pekten bei der Planung, Ausführung, Nutzung und
– technische dem Rückbau von Betonbauwerken ausgearbeitet
werden. Hierzu müssen
Qualität eines Gebäudes, ergänzt um die Prozess-
– Nachhaltigkeitsaspekte in bestehende Planungs-
qualität und die Standortqualität, s. Abschn. 3.2.1.
und Ausführungsgrundsätze integriert werden,
Über die Bundesbauten und über Deutschland hin-
– bereits bestehende Bewertungsverfahren zum
aus will die Deutsche Gesellschaft für Nachhal-
nachhaltigen Bauen auf die Bedürfnisse und
tiges Bauen (DGNB) Bauwerke auf ihre Nachhal-
Randbedingungen des Betonbaus zugeschnitten
tigkeit bewerten, wie es durch ausländische Zertifi-
werden,
zierungssysteme schon praktiziert wird. Detaillierte
– den am Bau beteiligten Partnern Vorschläge für
Ausführungen über das Zertifizierungssystem des
technische Lösungen insbesondere unter Be-
Bundes und erste Ergebnisse von Pilotzertifizie-
rücksichtigung der Schnittstellen einzelner Le-
rungen finden sich in Abschn. 3.2.1. Internationale
benswegphasen zur Verfügung gestellt werden,
Normungsgremien auf ISO- und auf CEN-Ebene
– Planungswerkzeuge und neue Informations- und
arbeiten derzeit an der Ausgestaltung der Grundla-
Kommunikationstools akteursbezogen entwickelt
gen für das nachhaltige Bauen.
werden, die den Transfer relevanter Informationen
Letztlich wird das nachhaltige Bauen aber durch
entlang des Lebensweges sicherstellen.
die einzelnen Bauweisen konkret umgesetzt werden
müssen. Die Betonbauweise nimmt innerhalb des ge- Abgeleitet aus diesen Vorgaben arbeitet der Deut-
samten Bauwesens vor allem aufgrund der eingesetz- sche Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) im Rah-
ten Mengen an Material, der großen Breite der An- men eines durch das Bundesministerium für Bil-
wendungen und der in der Leistungsfähigkeit der dung und Forschung (BMBF) und von verschie-
Bauweise begründeten Entwicklungspotenziale eine denen Verbands- und Industriepartnern geförderten
herausragende technische und wirtschaftliche Stel- Verbundforschungsprogramms (Laufzeit bis Okto-
lung ein. So wurden im Jahr 2008 in Deutschland ber 2009) an der Erstellung einer DAfStb-Richtli-
rund 41 Mio m3 Transportbeton hergestellt, hinzu nie „Grundsätze des nachhaltigen Bauens mit Be-
kommen in gleicher Größenordnung Betonfertigteile ton“ (GrunaBau). In dieser zentralen Richtlinie
und Betonwaren. Anwendungsbeispiele lassen sich sollen die wesentlichen am Betonbau Beteiligten
in Wohn- und Bürobauten mit Fundamenten, Decken, eine Unterstützung für die Umsetzung nachhal-
Wänden, Stützen, Treppen und Balkonen ebenso fin- tigen Bauens in der täglichen Berufspraxis finden.
den wie im Industriebau (Industriefußböden, Schorn- Der Weg dazu führt von der Darstellung der grund-
steine), im landwirtschaftlichen Bauen (Ställe, Gül- legenden Nachhaltigkeitsaspekte über die Hinwei-
le- und Biogasbehälter) oder bei Infrastrukturmaß- se zum Informationsfluss zwischen den Beteiligten
nahmen (Straßenbeläge, Schwellen und feste Fahr- bis hin zu Empfehlungen zur technischen Umset-
bahn bei Eisenbahnstrecken, Schleusen und Dämme zung. Die GrunaBau erhält dadurch einen für den
im Wasserbau, Tunnel, Masten). Die Anwendungs- Betonbau bisher noch nicht erreichten Konkreti-
möglichkeiten werden zudem durch die Entwick- sierungsgrad mit beträchtlicher Breitenwirkung
lungen in der Betontechnik, z. B. hochfeste Betone, und liefert somit einen wichtigen Baustein zum
erweitert. Diese exemplarisch ausgewählten Zahlen nachhaltigen Bauen in Ergänzung zu dem System
und Beispiele verdeutlichen, dass eine nachhaltige der Planungs- und Bewertungshilfsmittel, die zur
Entwicklung insbesondere im Betonbau umgesetzt Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Gebäuden
werden muss, wenn sie im Bauwesen allgemein auf im Rahmen des BMVBS-Systems herangezogen
breiter Ebene Wirkung entfalten soll. werden können, s. Abschn. 3.2.1.
Durch die Bündelung der gesamten Interessen
3.2.2.2 Nachhaltig Bauen mit Beton – der am Betonbau Beteiligten im DAfStb (Tragwerk-
Übersicht planer, Baustoffhersteller, Bauindustrie, Behörden,
Um das nachhaltige Bauen mit Beton zu fördern private und öffentliche Bauherren) wird die Umset-
und in der Praxis zu verankern, müssen Grundsät- zung der Leitlinien in die Normung und die Praxis
ze zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsas- sichergestellt. Im Rahmen von Vorstudien [Rein-
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1051

Abb. 3.2-1 Darstellung der Forschungsschwerpunkte anhand des im Forschungsvorhaben entwickelten fiktiven Gebäu-
des „Der Stadtbaustein“

hardt et al. 2001] und Fachgesprächen innerhalb des bar macht: der „Stadtbaustein“. Ein möglicher kon-
DAfStb wurde das Forschungsprogramm struktu- kreter Gebäudetyp mit einer festgelegten Nutzung in
riert und auf insgesamt 5 spezifische Schwerpunkte einer bestimmten Lebensphase, der sich hinter dem
für den Betonbau fokussiert: Stadtbaustein verbirgt, ist z. B. das Bürogebäude mit
einer Tragstruktur aus Beton und einer integrierten
Projekt A: Nachhaltigkeitsbeurteilung baulicher
Tiefgarage (s. Abb. 3.2-1). Bereits bei der Baustoff-
Lösungen aus Beton
wahl besteht die Möglichkeit, den Ressourceneinsatz
Projekt B: Potenziale des Sekundärstoffeinsatzes
zu optimieren. Unter Verwendung von Silikastaub,
im Betonbau
Hüttensand oder Flugasche in der Zement- bzw. in
Projekt C: Ressourcen- und energieeffiziente, adap-
der Betonproduktion, die als Sekundärstoffe in ver-
tive Gebäudekonzepte im Geschossbau
schiedenen Prozessen anfallen, lassen sich z. B.
Projekt D: Lebensdauermanagementsystem
Hochleistungsbetone herstellen, wodurch Primär-
Projekt E: Effiziente Sicherstellung der Umwelt-
stoffressourcen eingespart werden können (Projekte
verträglichkeit
B und C). Diese innovativen Werkstoffe werden mit
Projekt F: Informationsplattform.
flexiblen, adaptiven Gebäudekonzepten gekoppelt
Zur Überprüfung der Forschungsansätze aus den (Arbeitspakete C1 und C2), die u. a. den Einsatz von
einzelnen Teilvorhaben wurde eine Projektionsflä- vorgespannten Fertigteilen mit für die Gebäudetech-
che entwickelt, die alle gemeinsamen Arbeitsrich- nik optimierten Querschnitten zum Ziel haben.
tungen und Zielsetzungen beschreibt und überprüf- Durch intelligente Weiterentwicklung bestehender
1052 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Konstruktionsprinzipien und Anschlussdetails kann Wie in Abb. 3.2-1 schematisch angedeutet, wird
die Gebäudetechnik besser in die Gesamtkonstrukti- die Tiefgarage in das Grundwasser gebaut. Aus
on integriert und dadurch die Energieeffizienz des dem Beton können umweltrelevante Stoffe durch
Bürogebäudes gesteigert werden. Auslaugung an das Grundwasser abgegeben wer-
Gerade die Nutzungsphase übt einen oftmals den. Im Sinne der Reinhaltung des Grundwassers
dominierenden Einfluss auf die Kosten und Um- gemäß Wasserhaushaltsgesetz stellt die effiziente
weltwirkungen des gesamten Lebensweges aus. Sicherstellung der Umweltverträglichkeit der Be-
Energetische Aspekte sind hierbei von besonderer tonbauwerke im Rahmen der Nachhaltigkeitsbe-
Bedeutung. Im Optimierungsprozess mit der Trag- trachtung ein wesentliches in die Zukunft gerichte-
konstruktion können massive Innenbauteile aus tes Ziel dar (Projekt E). Hier gilt es insbesondere,
Beton das energetisch ungünstige Verhalten von die wesentlichen Freisetzungsmechanismen um-
transparenten Metall-Glas-Fassadenkonstruktionen weltrelevanter Stoffe zu ermitteln und deren Ver-
erheblich kompensieren und dazu beitragen, dass in teilung in situ, d. h. anhand von Pilotprojekten,
diesen Gebäuden auf die primärenergetisch ungüns- festzustellen und mit den bisher vorliegenden Er-
tige Kühltechnik ganz oder teilweise verzichtet wer- kenntnissen aus Laboruntersuchungen und Ver-
den kann (Arbeitspaket C3). gleichsrechnungen abzugleichen.
Die Instandhaltung stellt einen weiteren wesent- Kann die ursprüngliche Gebäudenutzung nicht
lichen Gesichtspunkt für das nachhaltige Bauen dar. mehr sinnvoll aufrechterhalten werden, ermögli-
Im Bereich der Tiefgarage werden durch einfahrende chen weit gespannte Deckensysteme eine mög-
PKW Tausalze eingeschleppt, die zur Bewehrungs- lichst große Flexibilität in der Umnutzung des Ge-
korrosion führen und große Schäden verursachen kön- bäudes (Projekte C1 und C2). Sollte am Ende des
nen. Für den Schutz des Betons vor dem Eindringen Lebensweges dann doch der Rückbau bzw. Abriss
der Tausalze müssen zusätzliche Maßnahmen ergrif- des Gebäudes erforderlich sein, können eine hoch-
fen werden (z. B. das Aufbringen einer Beschichtung wertige Nutzung des Altbetons einschließlich des
oder eines Asphaltbelages). Da die Lebensdauer von Betonbrechsandes noch einen möglichst hohen
Betonbauwerken größer ist als die der Beschichtungs- Nutzen im nächsten Lebenszyklus des Materials
maßnahmen, müssen Instandhaltungskonzepte ent- erbringen und dort Kosten und Umweltwirkungen
wickelt und optimiert werden, die eine Bewehrungs- mindern (Projekt B).
korrosion über die Lebensdauer des Betonbauwerkes Eine Klammer um alle Projektschwerpunkte
wirksam verhindern (Projekt D). Fester Bestandteil bilden die Projekte A und F. Mit ihrer Hilfe sollen
solcher Instandhaltungskonzepte ist die regelmäßige die einzelnen in den Projekten getroffenen Maß-
Zustandserfassung, die ggf. durch den Einsatz von nahmen hinsichtlich ihres Beitrages zur Nachhal-
Monitoring-Systemen unterstützt werden kann. Eine tigkeit beurteilt werden. Hierzu wurden zunächst
weitere Optimierungsmöglichkeit entsteht zwischen in einem wissenschaftlichen Diskurs die Kriterien
dem Nutzen der Instandhaltungsmaßnahme im Hin- für das Bewertungsverfahren in Projekt A festge-
blick auf eine Verlängerung der Lebensdauer und den legt. Die verschiedenen vorhandenen Werkzeuge
hierfür anfallenden Kosten. Zur Lebensdauerabschät- zur Beurteilung der Nachhaltigkeit wurden in der
zung sind probabilistische Verfahren weiterzuentwi- weiteren Projektbearbeitung auf den Betonbau ab-
ckeln, die sowohl bei der Planung hilfreich sind als gestimmt und ergänzt. Die Erarbeitung der Bewer-
auch zur Abschätzung der Restlebensdauer von beste- tungskriterien und -werkzeuge geschah dabei nicht
henden Bauwerken verwendet werden können. Eine losgelöst von der Arbeit der anderen Projekt-
Erhöhung der Dauerhaftigkeit des Betonbauwerkes schwerpunkte, sondern erfolgte vielmehr im Wech-
kann z. B. durch den bereits im Zusammenhang mit selspiel mit den Anforderungen und Erfahrungen
den Projekten B und C erwähnten Einsatz von dichten aus allen Projektschwerpunkten.
Hochleistungsbetonen unter Verwendung von Sekun- Das im Aufbau befindliche Online-Informa-
därstoffen erzielt werden. Die im Projekt D entwi- tionssystem (Projekt F) gibt den professionellen
ckelten Prinzipien lassen sich auch auf andere Beton- Nutzern gezielte Zugriffsmöglichkeiten auf Ein-
bauwerke, wie Brücken oder andere Infrastrukturbau- zelinformationen und Dokumente, die im Zuge
werke mit herausragender Bedeutung, übertragen. von Informations- und Entscheidungsprozessen im
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1053

Hinblick auf Nachhaltigkeitsfragen im Betonbau lichen oder architektonischen Ansprüchen nicht


relevant sind. mehr genügen. Ziel muss es daher sein, durch ge-
Im Zusammenspiel aller Projekte wird schließ- eignete Maßnahmen die Lebensdauer der Trag-
lich die GrunaBau erstellt, die auf den Betonbau struktur effizienter und länger auszunutzen.
zugeschnittene Prinzipien für das nachhaltige Bau-
en enthält. Mit der Richtlinie wird das Konzept der Ökobilanzen für Beton
nachhaltigen Entwicklung auf einzelne Bauwerke Um die mit den Bauwerken verbundenen poten-
oder Gruppen von Bauwerken des Hoch- und Inge- ziellen umweltrelevanten Wirkungen beziffern zu
nieurbaus übertragen, deren Tragstruktur oder bau- können, sind diese über ökobilanzielle Betrach-
liche Elemente aus unbewehrtem Beton, Stahlbe- tungen zu bestimmen. Idealerweise wird in einer
ton und Spannbeton bestehen. Die Richtlinie wird Ökobilanz der gesamte Lebensweg eines Bauwerks
weiterhin die Grundlagen der Nachweisführung betrachtet. Dazu werden aber u. a. Daten für die
enthalten, mit deren Hilfe die Nachhaltigkeit eines mit der Baustoffherstellung verbundenen wesent-
Bauwerkes, eines Bauwerkteils oder baulicher Ele- lichen Umweltwirkungen benötigt, die in sog.
mente aus Beton quantifiziert werden kann. Baustoffprofilen oder auch in Umweltproduktde-
Eine detaillierte Darstellung über erste For- klarationen nach ISO 21930 zusammengefasst
schungsergebnisse ist in [Schlussberichte 2007, sind. Diese gehen als Modul in die Analyse der
Schießl et al. 2007] enthalten. Im folgenden Ab- Bauwerkserstellung oder der Bauwerkserhaltung
schnitt wird anhand einer vergleichenden Ökobilanz ein. In ihnen sind der mit der Baustoffherstellung
für die Tragstruktur des Stadtbausteins auf anschau- einhergehende Primärenergiebedarf und wichtige
liche Weise dargestellt, wie sich die ökologischen emissionsbedingte potenzielle Umweltwirkungen
Wirkungen verändern, wenn das Tragsystem derart enthalten, wie etwa der Beitrag zum globalen
gewählt wird, dass eine flexible Grundrissgestal- Treibhauseffekt, der im Wesentlichen auf Kohlen-
tung ermöglicht wird. dioxidemissionen beruht. Dabei werden nicht nur
der Energiebedarf und die Emissionen unmittelbar
bei der Baustoffherstellung im Werk betrachtet,
3.2.2.3 Bewertung der Flexibilität anhand
sondern auch die Vorketten wie die Erzeugung des
der Ökobilanz der Tragstruktur des
in der Baustoffherstellung benötigten Stroms und
Stadtbausteins
die erforderlichen Transporte berücksichtigt.
Allgemeines Um – wie im Folgenden beschrieben – verschie-
Die Tragstruktur eines adaptiven Gebäudes muss dene Konstruktionsvarianten in einem klar umris-
unterschiedliche Raumaufteilungen und damit senen Anwendungsfall miteinander vergleichen zu
auch variable Leitungsführungen der Gebäude- können, ist es i. Allg. sinnvoll, Baustoffprofile zu
technik ermöglichen. Vor allem die Deckenkons- verwenden, die eine durchschnittliche Situation
truktionen sind wegen des großen Baustoffbedarfs der Baustoffherstellung widerspiegeln. So ist in
von erheblicher Bedeutung für die Nachhaltig- [Zement-Taschenbuch 2008] das Baustoffprofil
keitsbetrachtung im Geschossbau, da hier sowohl Zement für das Bezugsjahr 2006 dargestellt. Die
große Chancen zur Steigerung der Ressourceneffi- Gehalte der Bestandteile des zugrunde liegenden
zienz liegen als auch wesentliche Potenziale hin- mittleren Zements entsprechen den über die ge-
sichtlich der Planungen für die flexible Nutzung samte deutsche Zementproduktion dieses Jahres
eines Gebäudes vorhanden sind. gemittelten Anteilen des Portlandzementklinkers
Die Lebensdauer des Ausbaus, der Gebäude- und anderer verwendeter Stoffe. Es werden die Ze-
technik und zum Teil auch der Fassade ist i. Allg.. mentherstellung inklusive der damit verbunden
deutlich geringer als die der Tragstruktur [Kalten- Vorketten bis zur Auslieferung des Zements am
brunner 1999]. Häufig werden Gebäude im städ- Werktor betrachtet. Darauf aufbauend wurden un-
tischen Raum vor Ablauf ihrer technischen Le- ter Nutzung des Baustoffprofils Zement Baustoff-
bensdauer abgerissen oder aufwändig umgebaut, profile für Transportbeton entwickelt. Die Druckfes-
da sie eine Nutzungsänderung nicht zulassen, die tigkeitsklassen C20/25, C25/30 und C30/37 stellen
Umsetzung technischer Neuerungen nicht ermög- mengenmäßig die wichtigsten Klassen für die
1054 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Druckfestigkeit dar. Die Betone sind wie der Ze- tion gemäßen Zusammensetzung der Zementhaupt-
ment so zusammengesetzt, dass sie eine mittlere Zu- bestandteile entsprechen, zeigt Abb. 3.2-2 eine mög-
sammensetzung solcher Betone widerspiegeln (s. liche Variation der Baustoffprofile für Beton, falls
Tabelle 3.2-4) [Zement-Taschenbuch 2008]. In den statt des deutschen Durchschnittszements ein Port-
in Tabelle 3.2-5 dargestellten Baustoffprofilen sind landzement CEM I oder ein Hochofenzement CEM
die mit der Baustoffherstellung verbundenen Auf- III/A verwendet wird. Dargestellt sind die relativen
wendungen bis zur Auslieferung des Bauprodukts Unterschiede zwischen den Betonvarianten mit den
am Werktor berücksichtigt. Weitere Baustoffprofile unterschiedlichen Zementarten im Hinblick auf die
wurden im Projekt für höherfeste Betone entwickelt, betrachteten Ökobilanzindikatoren. Diese relativen
weitere ergänzende Baustoffprofile werden vorbe- Unterschiede stellen sich für die Betondruckfestig-
reitet. Mit Hilfe dieser Daten können unterschied- keitsklassen C20/25 bis C50/60 sehr ähnlich dar und
liche Konstruktionsvarianten analysiert werden. wurden entsprechend für die Darstellung über diese
Mit zunehmender Druckfestigkeitsklasse des Be- Betondruckfestigkeitsklassen gemittelt.
tons nehmen die potenziellen ökologischen Wir- Bei allen Indikatoren weist der Beton mit Port-
kungen zu. Diese Tendenz hat ihre wesentliche Ursa- landzement (CEM I) den höchsten Wert auf und
che in den mit der Festigkeitsklasse zunehmenden derjenige mit Hochofenzement (CEM III/A) den
Zementgehalten. Die Abnahme des Gehalts an Ge- niedrigsten. Es zeigen sich ähnlich große Unter-
steinskörnungen hat demgegenüber eine untergeord- schiede in den Wirkungskategorien Treibhauspoten-
nete Bedeutung. Insgesamt haben die potenziellen zial (GWP), Versauerungspotenzial (AP), Eutro-
Umweltwirkungen der Betonherstellungim Laufe des phierungspotenzial (EP) und Ozonbildungspoten-
letzten Jahrzehnts von 1996 bis 2006 deutlich abge- zial (POCP). Die Unterschiede beim Bedarf an
nommen, was insbesondere auch auf den erhöhten nicht erneuerbarer Primärenergie (PE n. e.) sind
Einsatz von Zementen mit mehreren Hauptbestandtei- nicht sehr groß, beim Ozonabbaupotenzial (ODP)
len zurückzuführen ist. noch geringer, um schließlich beim Indikator „Pri-
Während Tabelle 3.2-4 von Betonen ausgeht, die märenergie erneuerbar (PE e.)“ fast ganz zu ver-
einem mittleren Zement einer der deutschen Produk- schwinden.

Tabelle 3.2-4 Zusammensetzung der dem Baustoffprofil Transportbeton zugrundeliegenden Betone

Ausgangsstoffe C20/25 C25/30 C30/37


Gesteinskörnung kg/m³ 1880 1820 1790
Zement kg/m³ 260 290 320
Wasser kg/m³ 170 176 170
Flugasche kg/m³ 40 60 80
Betonverflüssiger kg/m³ 1,30 1,16 1,28

Tabelle 3.2-5 Baustoffprofil Transportbeton: Primärenergiebedarf und Wirkungsabschätzung der Herstellung von 1 m3
Transportbeton für drei Betondruckfestigkeitsklassen (Bezugsjahr 2006) [Zement-Taschenbuch 2008]

Auswertung Primärenergie C20/25 C25/30 C30/37


Primärenergie nicht erneuerbar MJ/m³ 1024 1108 1196
Primärenergie erneuerbar MJ/m³ 19 21 22
Treibhauspotenzial (GWP) CO2-Äq. 196 217 237
Ozonabbaupotenzial (ODP) R11-Äq. 0,53.10–5 0,58.10–5 0,63.10–5
Versauerungspotenzial (AP) SO2-Äq. 0,36 0,38 0,42
Eutrophierungspotenzial (EP) PO4-Äq. 0,050 0,054 0,058
Photooxidantienpotenzial (POCP) C2H4-Äq. 0,036 0,039 0,043
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1055

Abb. 3.2-2 Ökobilanzielle Indikatoren für die Herstellung eines Betons mit einem Portlandzement CEM I und mit einem
Hochofenzement CEM III/A im Vergleich zur Herstellung des Betons mit einem Zement – für die deutsche Zementpro-
duktion – mittleren Gehalts der verschiedenen Zementbestandteile

Die Gebäudestruktur zungsänderungen angepasst werden können. An-


Zur Entwicklung von Gebäudekonzepten, die ein passungsfähigkeit beinhaltet auch, dass technische
möglichst hohes Maß an Veränderbarkeit und An- Anlagen und deren Teile mit vertretbarem Aufwand
passungsfähigkeit mitbringen, sind flexible Gebäu- rückgebaut, gewartet, instand gesetzt und umge-
destrukturen grundlegende Voraussetzung. Entge- baut werden können. Nachhaltige Gebäude sind
gen der Betrachtung einzelner Fachdisziplinen mit nutzergerecht zu gestalten, d. h., Behaglichkeit, ein
ihren unterschiedlichen Verfahrensweisen und Lö- gesundes Raumklima und eine technische Ausstat-
sungsansätzen werden die jeweiligen Einflussgrö- tung, die leicht bedien- und gut regulierbar ist,
ßen in einer integralen Planung von Architekt, Trag- müssen sichergestellt sein.
werksplaner und Gebäudetechniker identifiziert und Neben den wirtschaftlichen und sozialen Gesichts-
in einem gemeinsamen Lösungsprofil beschrieben. punkten, die sich aufgrund der demographischen
Um ein möglichst breites Anwendungsfeld der zu Entwicklung und des zu beobachtenden Struktur-
konstruierenden Bauteile abzudecken, gilt es, ge- wandels ergeben, spielt ein ökologischer Aspekt eine
meinsam eine intelligente Tragstruktur zu entwi- wesentliche Rolle. Die zu beobachtende zukünftige
ckeln, deren einzelne Strukturelemente variabel und Knappheit an fossilen Brennstoffen und die im Sinne
anpassungsfähig einsetzbar sind. der Nachhaltigkeit geforderte Ressourcenschonung
Adaptive Gebäudestrukturen müssen flexibel führen dazu, dass Energieversorgung und Energieef-
auf die Einteilung der Nutzungseinheiten und auf fizienz der Gebäude weiter an Bedeutung gewinnen
sich ändernde Anforderungen sowie auf weiter- werden. Aufgrund der Entwicklungserwartungen zu-
bzw. neu entwickelte Technik reagieren können. künftiger gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Pro-
Die technischen Ausbaugewerke sind dementspre- zesse sowie anstehender Veränderungen in der Ar-
chend so zu integrieren, dass sie in technischer, beitswelt müssen nachhaltige Gebäudekonzepte so-
ökonomischer und ökologischer Hinsicht an Nut- wohl flexibel gestaltet werden und als auch dazu
1056 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.2-3 Der Stadtbaustein – Geschossaufbau und Abmessungen

beitragen, dass diese Gebäude energetisch effizient schreiben. Die Nutzungsanforderungen bezüglich
gebaut und betrieben werden können. der Raumabmessungen, der Raumhöhe, der Lage
Zur methodischen Überprüfung der jeweiligen im Gebäude, der Erschließungsmöglichkeiten, der
Forschungsansätze wurde der bereits vorgestellte Belichtung, der Belüftung und der Temperierung
„Stadtbaustein“ gewählt (vgl. Abb. 3.2-3). Dieser sowie der bauphysikalischen Parameter wie dem
dient als Bezugsgröße einer exemplarischen Ge- Schallschutz bilden eine wichtige Grundlage. Mit
bäudeeinheit und ermöglicht eine klare Definition den definierten Annahmen ergibt sich ein theo-
der Problemstellungen. retisches Fallbeispiel, anhand dessen konkrete
Zur Sicherstellung der Flexibilität innerhalb des Anforderungen abgeleitet und die möglichen Lö-
Gebäudekonzeptes sind die möglichen Nutzungen sungsansätze für bauliche Strukturen entwickelt
und Nutzungskombinationen sowie ihre räumliche werden. Die sich hieraus ergebenden Randbedin-
und technische Ausformulierung gezielt zu be- gungen des Stadtbausteins nach Abb. 3.2-3 sind:

Geschosse: Gebäude bis 22,00 m (Hochhaus)


o 6 Geschosse
Geschosshöhe: lichtes Raummaß von 2,75 m bis 3,00 m (Büro- und Wohnnutzung)
o H = 3,50 m
Stützenstellung: variabel (abhängig von Raster x, ein weit verbreitetes Fassadenraster ist 1,25–1,50 m)
Aufgrund zukünftiger Bedarfsänderungen in Bezug auf die Größe des Arbeits-
platzes (neue Medien) können sich diese Bezugsgrößen in der Zukunft ändern.
Gebäudetiefe: Anordnung einer Mittelgarage im Untergeschoss
o 15,60 m lichte Gebäudetiefe.
Weitere Anforderungen bestehen bzgl. der natürlichen Belichtung und Belüf-
tung.
Szenarien des ca. 450 m² Nutzfläche, Nutzung Wohnen/Büro
Stadtbausteins: Anforderungen nach heutigem Stand an Heizung/Kühlung, Sanitär, Lüftung, Elektro

3.2.2.4 Tragsysteme die eine beliebige Raumaufteilung und Leitungs-


Tragsysteme am Stadtbaustein führung zulassen, befriedigen unterschiedliche
Das Tragsystem ist ein wesentlicher Einflussfaktor Nutzerprofile und können damit zur effizienten
auf die Flexibilität eines Gebäudes. Tragsysteme, Ausnutzung der Lebensdauer eines Gebäudes bei-
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1057

tragen. Die Demontierbarkeit erweitert die Flexi- Grundrissgestaltung, da keinerlei tragende Bauteile
bilität eines Tragsystems, da einzelne Elemente zwischen den Gebäudefassaden vorhanden sind.
ersetzt, entfernt oder hinzugefügt werden können. Die maximale Stützweite ist jedoch begrenzt, wenn
Neben der Funktionalität können dafür auch ästhe- die Geschosshöhe nicht zu groß werden soll. Des
tische Gründe ausschlaggebend sein. Im Geschoss- Weiteren sind spätere Änderungen im Tragwerk,
bau werden die Tragsysteme heute meist aus dem z. B. größere Öffnungen, nur begrenzt möglich.
Entwurf abgeleitet. Dementsprechend entwickelten Neue Konzepte im Bürobau verfolgen das Ziel
sich für Bürogebäude typische Tragsysteme. Im einer möglichst freien Raumaufteilung mit weni-
Wesentlichen lassen sich gemäß Abb. 3.2-4 drei gen vertikalen Traggliedern, um unterschiedliche
Systeme unterscheiden: die Unterzugdecke, die Bürotypen (Zellen-, Kombi-, Großraumbüro, Busi-
Flachdecke auf Stützen sowie die freitragende ness-Club) wahlweise zu ermöglichen. Meist wird
Platte über die gesamte Gebäudebreite. dabei in Gebäudelängsrichtung mittig ein Versor-
Durch die Anordnung von Unterzügen (Abb. gungskanal vorgesehen, von dem aus die jewei-
3.2-4a und b) kann i. Allg. die erforderliche De- ligen Nutzungseinheiten mit der erforderlichen
ckendicke und damit der Materialaufwand redu- Gebäudetechnik bedient werden [Hovestadt et al.
ziert werden. Weiterhin lassen sich Unterzugde- 1996, Lochner/Bauer 2004]. Dies erfolgt dabei
cken leicht mit Fertigteilen oder Teilfertigteilen entweder von oben über abgehängte Decken oder
herstellen. Nachteilig wirken sich die Unterzüge von unten über Hohl- oder Doppelböden.
vor allem auf die Grundrissgestaltung und die Lei- Während sich für Bürogebäude die vorgenann-
tungsführung aus. Meist ist bei dieser Konstrukti- ten typischen Tragsysteme durchgesetzt haben, sind
onsart eine Abhangdecke erforderlich, in der die die bisherigen Tragsysteme im Wohnungsbau kaum
Leitungen verlegt werden. Zur Realisierung gerin- kategorisierbar. Wohnungsgrößen und Raumauftei-
ger Geschosshöhen können Öffnungen in den Un- lung werden bei der Planung individuell entspre-
terzügen vorgesehen werden. Dies erfordert zum chend den jeweiligen Anforderungen festgeschrie-
einen eine genaue Planung der Leitungsführung zu ben, wobei eine Neuaufteilung von Räumen oder
einem frühen Zeitpunkt und schränkt zum anderen ganzen Wohnungen nur selten in Erwägung gezo-
die Flexibilität gegenüber sich ändernden Anforde- gen wird. In der Regel sind die Stützweiten im
rungen an die Techniksysteme, wie etwa Heizung Wohnungsbau begrenzt und der Anteil an tragenden
oder Lüftung, deutlich ein. Bei einem Nutzerwech- Innenwänden hoch. Dies resultiert nicht zuletzt aus
sel können zudem neue Anforderungen entstehen, den Anforderungen des Schallschutzes, die sich
die mit den vorgesehenen Öffnungen nicht zu rea- durch schwere Wände am leichtesten erfüllen las-
lisieren sind. sen. So ist z. B. zur Erfüllung der Schallschutz-
Eine größere Flexibilität sowohl bei der Grund- anforderungen an eine Wohnungstrennwand eine
rissaufteilung als auch bei der Leitungsführung 24 cm dicke Wand mit einer Rohdichte von
bietet die Flachdecke auf Stützen (Abb. 3.2-4c). U § 1.800 kg/m³ erforderlich [DIN 4109 1989].
Der Wegfall der Unterzüge führt jedoch i. d. R. zu
größeren erforderlichen Deckendicken bei glei- Deckensystem für flexible Nutzung
chem Stützenraster. Die Ausführung in Fertigteil- In jedem mehrgeschossigen Gebäude stellen die
bauweise ist bei diesem Tragsystem erschwert und Decken einen wesentlichen Teil der Bauleistungen
bei größeren Spannweiten wird häufig der Durch- dar. Die Decken erfüllen tragende und aussteifende
stanzwiderstand zum begrenzenden Faktor. Funktionen, bilden den oberen und unteren Raum-
Die freitragende Platte über die gesamte Gebäu- abschluss und müssen somit statischen, bauphysika-
debreite (Abb. 3.2-4d) erfordert die größte Decken- lischen, nutzungsbedingten und ästhetischen Anfor-
höhe. Solche Tragsysteme können meist nur durch derungen genügen. Die Decken können vorgespannt
eine Vorspannung und/oder hohe T-, U- oder TT- oder schlaff bewehrt, aus Normal-, Leicht- oder
Platten realisiert werden, die vorzugsweise als Fer- hochfestem Beton hergestellt und (wahlweise oder
tigteile auf die Baustelle geliefert und dort verlegt planmäßig) mit einer Ortbetonschicht versehen wer-
werden. Diese Art des Tragsystems ermöglicht an- den. Neue Entwicklungen von Deckentragsystemen
dererseits die größtmögliche Flexibilität in der zielen vor allem auf die Optimierung einzelner As-
1058 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.2-4 Tragsysteme in Bürogebäuden am Beispiel des Stadtbausteins

pekte. Dies sind z. B. der Einsatz von Hohlkörpern tungsführung innerhalb des Deckenquerschnitts
zur Reduzierung des Eigengewichts [Fastabend eine flexible Raumaufteilung zu ermöglichen [VBI-
2003], die Integration von Wärmedämmschichten, Firmenschrift 2005, Maack 2003].
das Aufbringen von Rippen auf Elementdecken für Ein erster Lösungsansatz für eine Deckenkons-
größere Montagestützweiten [Rojek/Keller 2003] truktion wurde im Rahmen des BMBF-Verbundfor-
oder der Einbau von Leitungen auf Trägermatten schungsvorhabens entwickelt. Abbildung 3.2-5 zeigt
zur Bauteilaktivierung [Furche et al. 2004]. Zusätz- schematisch den möglichen Aufbau einer „intelli-
lich existieren Bestrebungen, durch variable Lei- genten Decke“. Die umgedrehte Fertigteilstegplatte
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1059

Abb. 3.2-5 Deckenkonstruktion mit integrierter Leitungsführung und Abmessungen der Deckenkonstruktion am Bei-
spiel des Stadtbausteins

mit einer Höhe von nur 47 cm hat eine glatte Decke- forderungen an die Gebäudetechnik zu reagieren.
nuntersicht und bietet zwischen den Stegen Platz für Zur horizontalen Flexibilität kommt auf diese Weise
die Integration von Gebäudetechnikleitungen. Um eine vertikale Installationsflexibilität hinzu. Es be-
eine flexible Leitungsführung zu ermöglichen, sind steht unter den einzelnen Etagen bezüglich der Ge-
Öffnungen in den Stegen vorgesehen. Trotz des ge- bäudetechnikleitungen keine Abhängigkeit.
ringen Eigengewichts ist das Deckensystem bei einer Die Tragstruktur ermöglicht zum einen die Ver-
Spannweite von 15,60 m zur Begrenzung der Verfor- änderung innerhalb von Gebäuden hinsichtlich einer
mung vorzuspannen. Um die großen Vorspannkräfte reinen Wohn- oder Büronutzung, des Weiteren die
einleiten zu können und die Tragfähigkeit der Beton- Veränderung innerhalb von Gebäuden hinsichtlich
druckzone sicherzustellen, muss eine hohe Betonfes- einer Mischnutzung Wohnen/Büro und zum dritten
tigkeitsklasse verwendet werden (t C50/60). Auf das Offenhalten der Planung/Erstellung hinsichtlich
diese Weise kann der Druckgurt auf eine Breite von einer kurzfristigen Nutzungsfestschreibung.
30 cm im Abstand von 60 cm reduziert werden, so
dass ausreichend Platz zwischen den Stegen vorhan-
3.2.2.5 Exemplarische Gebäudebewertung
den ist. Wegen der Öffnungen sowie der Schubüber-
tragung zur unteren Platte ist in den Stegen eine hohe Beschreibung der Nutzungsszenarien
Querkraftbewehrung anzuordnen. In diesem Bereich Innerhalb des Nutzungszeitraums wurden für den
ist auch der Einsatz von ultrahochfestem Beton und/ Stadtbaustein zum Vergleich von Tragstrukturen
oder Stahleinbauteilen denkbar. für flexible Nutzung mit Standardlösungen drei
Die Installation der Gebäudetechnik kann hier Nutzungsszenarien definiert (Abb. 3.2-7).
von oben erfolgen. Kleinere Änderungen und War- Bei Gebäuden mit Büronutzung ist ein Nutzer-
tungsarbeiten an der Gebäudetechnik erfolgen durch wechsel häufig mit einer Neuaufteilung der Räume
Revisionsöffnungen. Auf den Rippen der Stegplatte und daher mit Umbaumaßnahmen verbunden. Mo-
lassen sich z. B. Anhydritplatten verlegen, auf denen derne Bürogebäude bieten heute die Möglichkeit, auf
dann alle gängigen Bodenbeläge aufgebracht wer- solche Nutzerwechsel zu reagieren. Anders verhält es
den können. Zur Erfüllung der Schallschutzanforde- sich dagegen bei einem Wechsel von einem Büro- zu
rungen sind geeignete Schalldämmschichten zu ver- einem Wohngebäude. Hier ist bei einer Standardlö-
wenden. Eine abgehängte Decke ist bei einem sol- sung i. Allg. ein Abriss unvermeidbar. Eine flexible
chen Deckenaufbau nicht erforderlich. Gebäudestruktur bietet dagegen die Möglichkeit, auch
Die Räume können auf der Grundfläche variabel auf die Umnutzung von einer Büro- zur Wohnnutzung
angeordnet werden (Abb. 3.2-6). So ist es möglich, zu reagieren. Die hohe Lebensdauer von Betonkons-
bei Nutzungswechseln auf die sich ändernden An- truktionen kann so effektiv ausgenutzt werden.
1060 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.2-6 Horizontale und vertikale Installationsflexibilität

Abb. 3.2-7 Nutzungsszenarien des Stadtbausteins


3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1061

Für das „Vergleichsobjekt Standard“ wird als Tabelle 3.2-6 Ökologische Ziele und zugehörige Indika-
Tragstruktur für die Büronutzung eine Flachdecke toren
mit h = 26 cm auf zwei Außen- und zwei Innenstüt- Ökologische Ziele Indikatoren
zenreihen vorgesehen. Für die Wohnnutzung werden
die Wohnungstrennwände als massive, tragende un- Schutz des Klimas Treibhauspotenzial
bewehrte Wände ausgeführt, die Dicke der Decke Schutz der Ozonschicht Ozonabbaupotenzial
beträgt 24 cm. Das Deckensystem der „flexiblen Geringe Belastung von Versauerungspotenzial
Struktur“ spannt über die gesamte Gebäudetiefe von Erde, Wasser, Luft Überdüngungspotenzial
15,60 m. Die Treppenhauswände werden für sämt- Sommersmogpotential
liche Varianten in Stahlbeton ausgeführt. Die Fassa- (Ozonbildungspotenzial)
de sowie die leichten Trennwände bleiben bei der Schonung der energe- Primärenergie (erneuerbar/nicht
tischen Ressourcen erneuerbar)
Massenermittlung zunächst unberücksichtigt. Es
gelten die Abmessungen und Randbedingungen des
Stadtbausteins ab Oberkante Kellerdecke. hen Anteil tragender Wände führt zu einem hohen
Beton- und geringen Stahlverbrauch. Die Flexible
Bewertungsindikatoren Struktur mit einem Minimum an vertikalen Trag-
Im Projekt A des Verbundforschungsvorhabens wer- gliedern weist dagegen einen etwa doppelt so hohen
den die Instrumente der Nachhaltigkeitsbewertung Stahlverbrauch auf. Gleichzeitig wird etwa 40%
bereitgestellt [Graubner/Hock 2007a]. Zur Bewer- weniger, jedoch höherfester Beton benötigt.
tung der ökologischen und ökonomischen Dimensi- Die Abb. 3.2-9 und 3.2-10 zeigen die Ergebnisse
on der Nachhaltigkeit sind die Methoden der Ökobi- der ökologischen Bewertung der Tragstruktur. Ge-
lanz und der Lebenszykluskostenrechnung bereits genüber den heute üblichen Standardtragwerken für
allgemein anerkannt. Es werden hier zunächst nur den Büro- und Wohnungsbau ergeben sich für die
die Umweltauswirkungen betrachtet, da hierfür ei- flexible Struktur mit Ausnahme der erneuerbaren
ne geeignete Datenbasis vorliegt, die für den Beton Primärenergie um etwa 10–40% größere Umwelt-
im Forschungsvorhaben zusammengestellt wurde auswirkungen. Der Anteil erneuerbarer Primärener-
[Hauer 2008]. In Tabelle 3.2-6 sind die im Projekt A gie liegt nur bei etwa 5% der Gesamtprimärenergie.
für den Betonbau identifizierten Indikatoren den Die Umweltauswirkungen der drei untersuchten
ökologischen Zielen zugeordnet. Tragsysteme liegen im Bereich von r20%.
Im ersten Schritt beschränkt sich die Untersu- Es ist leicht vorstellbar, dass die höheren Umwelt-
chung auf die Ökobilanz der Tragstruktur. Der Aus- auswirkungen bei der Erstellung des Tragwerks durch
bau, die Fassade sowie die Gebäudetechnik bleiben Einsparungen bei Umbauten kompensiert werden. Es
unberücksichtigt. In der weiteren Betrachtung in- wird deutlich, dass die Decken bei allen Wirkungska-
nerhalb des Verbundforschungsvorhabens wird dann tegorien den größten Teil ausmachen (Abb. 3.2-10).
der gesamte Lebenszyklus der Gebäude analysiert Besonders deutlich wird dies bei den im Bürobau üb-
und um die Lebenszykluskostenrechnung ergänzt. lichen Skelett-Tragwerken. Dies zeigt, dass die De-
Die Methode der Ökobilanz, die im Folgenden bei- ckentragsysteme bezüglich der ökologischen Bewer-
spielhaft auf die Tragstruktur angewendet wird, ist tung wie auch bei der Planung von Tragstrukturen für
in [Graubner/Hock 2007a] ausführlich beschrieben. flexible Nutzung von besonderer Bedeutung sind.
Bei allen Tragwerkstypen dominiert der Anteil
Bewertung der Tragstruktur des Betons mit etwa 50–90% der Gesamtauswir-
Abbildung 3.2-8 zeigt die ermittelten Beton- und kungen je nach Indikator.
Stahlmengen. Um einen Vergleich der drei Tragsys-
teme zu erhalten, wurden die Mengen und Wir-
3.2.2.6 Grundsätze des Nachhaltigen Bauens
kungskategorien prozentual aufgetragen, wobei die
mit Beton – GrunaBau
Flachdecke auf Stützen (Standard Büro) zu 100%
gesetzt wurde. Mit abnehmendem Betonverbrauch Begleitend zu den zuvor beschriebenen For-
steigt die Menge an erforderlichem Stahl. Die Stan- schungsaktivitäten wird innerhalb des Deutschen
dardtragstruktur für den Wohnungsbau mit dem ho- Ausschusses für Stahlbeton an den Grundsätzen
1062 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.2-8 Massen für die drei Tragstrukturen, getrennt für Stahl und Beton, sowie Verteilung der Betongüte

des nachhaltigen Bauens mit Beton gearbeitet. Das zum Lebenszyklusmodell und zu den Systemgren-
Leitpapier befindet sich noch in der Konzeptions- zen sowie die Auflistung der für den Betonbau rele-
phase. Die Gliederung der GrunaBau sieht derzeit vanten Kriterien der Nachhaltigkeitsbeurteilung. Zu
folgende sechs Abschnitte vor: den betrachteten Aspekten der Nachhaltigkeit gehö-
ren die Kriterien zur ökologischen Qualität, zur öko-
1 Anwendungsbereich
nomischen Qualität, zur soziokulturellen und zur
2 Bezugsdokumente – normative Verweisungen
funktionalen Qualität sowie Kriterien für die tech-
3 Begriffe
nische Qualität. Für den Aspekt der ökologischen
4 Grundlagen der Nachhaltigkeitsbeurteilung
Wirkung wurden z. B. die folgenden – für den Be-
5 Durchführung der Nachhaltigkeitsbeurteilung
tonbau wesentlichen – Indikatoren festgelegt:
– Lebenszyklusmanagement
6 Technische Empfehlungen. – Treibhauspotenzial (GWP),
– Ozonabbaupotenzial (ODP),
Die GrunaBau enthält Prinzipien für das nachhal-
– Versauerungspotenzial (AP),
tige Bauen mit Beton. Diese übertragen das Kon-
– Überdüngungspotenzial (EP),
zept der nachhaltigen Entwicklung auf einzelne
– Sommersmogpotenzial (PCOP),
Bauwerke oder Gruppen von Bauwerken des Hoch-
– Verbrauch an erneuerbarer/nicht erneuerbarer
und Ingenieurbaus, deren Tragstruktur oder bau-
Primärenergie (PE e./PE n. e.).
liche Elemente aus unbewehrtem Beton, Stahlbe-
ton und Spannbeton bestehen. Sie legt die Grund- Des Weiteren enthält die GrunaBau in diesem Ab-
lagen der Nachweisführung fest und gibt technische schnitt die verschiedenen Methoden und Instru-
Empfehlungen, mit Hilfe derer die Nachhaltigkeit mente, die für die unterschiedlichen Aspekte der
eines Bauwerkes, Bauwerkteils oder baulicher Ele- Nachhaltigkeit angewendet werden. So erfolgt z. B.
mente aus Beton quantifiziert werden kann. die Ökobilanz auf Basis der ISO 14040. Die Le-
Im vierten Abschnitt der GrunaBau sind die benszykluskosten werden in Anlehnung an die ISO
Grundlagen der Nachhaltigkeitsbeurteilung enthal- 15686-1 ermittelt. Besonders wichtig für die Repro-
ten. Bestandteil dieses Abschnittes sind Angaben duzierbarkeit der Ergebnisse der Nachhaltigkeitsbe-
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1063

Abb. 3.2-9 Ökologische Indikatoren der drei Tragstrukturen, getrennt für Stahl und Beton

Abb. 3.2-10 Ökologische Indikatoren der drei Tragstrukturen, getrennt für die unterschiedlichen Bauteile
1064 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

wertung ist eine stabile Datenbasis, wie sie z. B. in In der weiteren Bearbeitung des Verbundvorha-
der Datenbank Ökobau.dat des BMVBS enthalten bens werden die Tragsysteme systematisch variiert
ist, s. Abschn. 3.2.1. Ebenso wichtig ist eine voll- und ergänzt. Es ist zu klären, wie der Anschluss der
ständige Dokumentation aller durchgeführten Schrit- Tragelemente untereinander erfolgt. Die ökologische
te innerhalb der Nachhaltigkeitsbewertung. Bewertung wird auf den Stadtbaustein mit Ausbau,
Der fünfte Abschnitt der GrunaBau widmet sich Gebäudetechnik sowie Fassaden etc. und die Be-
schließlich der Durchführung der Nachhaltigkeits- trachtung des gesamten Lebenszyklus mit Umnut-
beurteilung, deren Kernstück die Festlegung des sog. zungsszenarien, wie in Abb. 3.2-7 beschrieben, er-
Anforderungsprofils in der Konzeptionsphase ist. Im weitert. Zusätzlich erfolgt eine ökonomische Bewer-
Anforderungsprofil werden alle Anforderungen für tung anhand der Lebenszykluskostenrechnung in
die Bewertung festgelegt. Hierzu gehören z. B. die Zusammenarbeit mit dem Teilprojekt A. Einen wei-
verschiedenen Kriterien, die betrachtet werden sol- teren wichtigen Aspekt stellt die Demontierbarkeit
len, sowie die verwendeten Nachweisverfahren. In und Erweiterungsfähigkeit der Tragstruktur dar.
den weiteren Schritten der Planung, Nutzung und Grundvoraussetzung dafür sind der weitgehende
Beseitigung des Gebäudes wird dieses Anforde- Verzicht auf Ortbetonverguss und der Einsatz von
rungsprofil fortgeschrieben und dem Bauablauf ent- stahlbaumäßigen Verbindungen [Walraven 1988],
sprechend verfeinert. In jedem Schritt der Nachhal- wodurch der Bauablauf beschleunigt wird.
tigkeitsbewertung sind Anpassungen bzw. Ände- Mit dem DAfStb/BMBF-Verbundforschungsvor-
rungen des Anforderungsprofils zu dokumentieren. haben werden die Forschungsergebnisse in Grund-
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass das sätze des nachhaltigen Bauens mit Beton überführt
Anforderungsprofil über die verschiedenen Schnitt- und anwendergerecht aufbereitet. Dabei werden alle
stellen der am Bau Beteiligten fortgeschrieben wird. Lebensphasen von der Baustoffherstellung, der Pla-
Der sechste Abschnitt der GrunaBau sieht schließ- nung und der Erstellung von Bauwerken aus Beton
lich vereinfachte technische Empfehlungen für die über die Nutzungsphase bis zum Rückbau betrach-
Umsetzung des nachhaltigen Bauens mit Beton für tet. Diese „Grundsätze zum nachhaltigen Bauen mit
die folgenden Phasen des Lebenszyklus vor: Beton“ (GrunaBau) sollen helfen, die immer deut-
licher artikulierten Forderungen nachhaltigen Bau-
– Herstellung von Baustoffen,
ens in der Betonbauweise zu erfüllen.
– Planung von Betonbauwerken,
– Ausführung von Betonbauwerken, Die Schlussberichte des Verbundforschungsvorhabens
– Nutzung von Betonbauwerken einschließlich wurden in der Schriftenreihe des DAfStb veröffentlicht:
Instandhaltung und Umnutzung, Bleyer T et al.: Der Stadtbaustein im DafStb/BMBF-Ver-
– Beseitigung von Betonbauwerken. bundforschungsvorhaben „Nachhaltig Bauen mit Be-
ton“ – Dossier zu Nachhaltigkeitsuntersuchungen –
Somit liefert die GrunaBau die Methoden und Ins- Schlussbericht zum TP A im Verbundforschungsvorha-
trumente sowie die technischen Empfehlungen für ben „Nachhaltig Bauen mit Beton“. Berlin: Beuth – In:
das nachhaltige Bauen mit Beton über den gesam- Schriftenreihe des Deutschen Ausschusses für Stahlbe-
ten Lebenszyklus. ton, Nr. 588
Hauer B et al.: Potenziale des Sekundärstoffeinsatzes im
Betonbau – Schlussbericht zum TB B im Verbundfor-
3.2.2.7 Fazit schungsvorhaben „Nachhaltig Bauen mit Beton“. Ber-
Im Rahmen dieses Abschnitts wurde die Ökobilanz lin: Beuth – In: Schriftenreihe des Deutschen Aus-
schusses für Stahlbeton, Nr. 584 (Beitrag 1)
unterschiedlicher Tragstrukturen des Stadtbausteins
Brameshuber W et al.: Effiziente Sicherstellung der Um-
exemplarisch ermittelt. Die Ressourcen- und Abfall- weltverträglichkeit – Schlussbericht zum TP E im Ver-
einsparungen flexibler Tragsysteme gegenüber den bundforschungsvorhaben „Nachhaltig Bauen mit Be-
heutigen Standardtragsystemen im Geschossbau ton“. Berlin: Beuth – In: Schriftenreihe des Deutschen
können im Falle von Umnutzungen die höheren Um- Ausschusses für Stahlbeton, Nr. 584 (Beitrag 2)
weltauswirkungen bei der Erstellung ausgleichen Hegger J et al.: Ressourcen- und energieeffiziente, adaptive
und bei Betrachtung des gesamten Lebenszyklus in Gebäudekonzepte im Geschossbau – Schlussbericht
der Summe zu geringeren Auswirkungen führen. zum TP C im Verbundforschungsvorhaben „Nachhaltig
3.2 Grundlagen für Nachhaltiges Bauen 1065

Bauen mit Beton“. Berlin: Beuth – In: Schriftenreihe tems zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Gebäuden.
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Bauen mit Beton“. Berlin: Beuth – In: Schriftenreihe tig Bauen mit Beton“, Berlin 2008
des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton, Nr. 586 Hegger J, Will N, Dreßen T, Schneider HN, Brunk MF, Zilch
Reinhardt H-W et al.: Online-Informationssystem „NBB- K (2007) Ressourcen- und energieeffiziente, adaptive
Info“ – Schlussbericht zum TP F im Verbundforschungs- Gebäudekonzepte im Geschossbau. Teilprojekt C1: Ge-
vorhaben „Nachhaltig Bauen mit Beton“. Berlin: Beuth bäudekonzepte für flexible Nutzung. DAfStb-Schriften-
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1066 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.3 Massivbau tet, das zur Beschreibung statisch bestimmter Sy-


steme, in denen Schnittgrößen allein durch das
Konrad Zilch, Ralf Schneider Gleichgewicht ermittelt werden können, ausreicht.
Durch Integration des nichtlinearen Querschnitts-
3.3.1 Einführung verhaltens über die Systemlänge werden Verfor-
mungen berechnet, die die Grundlage für die Er-
Der Massivbau als Sammelbegriff für Stahl- und füllung der Verträglichkeitsbedingungen und damit
Spannbetonbau stellt eines der klassischen und die Beschreibung des Tragverhaltens in statisch
zentralen Gebiete des Bauingenieurwesens mit er- unbestimmten Systemen liefern. Eine ausführ-
heblichem Anteil am gesamten Bauvolumen dar. lichere Darstellung der Inhalte dieses Abschnitts
Nach einer etwa 150-jährigen Entwicklung seit findet sich in [Zilch/Zehetmaier 2010].
den ersten Anfängen in der 2. Hälfte des 19. Jahr-
hunderts hat er heute in der Ausführung ebenso Nachweiskonzept im Massivbau
wie in der theoretischen Beherrschung ein hohes Nachzuweisen sind die Grenzzustände der Trag-
Niveau erreicht (s. [fip 1998; fib 2010]). fähigkeit, der Gebrauchstauglichkeit und der Dau-
Durch das Zusammenfügen von Stahl und Be- erhaftigkeit. Dies erfolgt durch explizite Berech-
ton im Verbundbaustoff Stahlbeton lassen sich die nung, daneben aber auch in erheblichem Umfang
spezifischen Eigenschaften der beiden Werkstoffe durch die Einhaltung konstruktiver Regeln, die die
ideal nutzen. Die kennzeichnenden Merkmale des Voraussetzung für die Gültigkeit der Rechenmo-
Betons sind seine relativ hohe Druckfestigkeit, sei- delle schaffen. Grundlage der Bemessung ist zur
ne Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse Zeit DIN 1045-1 (2008) für Tragwerke des üb-
und seine unproblematische Verarbeitung. Seine lichen Hochbaus und für Brücken DIN Fachbericht
freie Formbarkeit auf der Baustelle ermöglicht es, 102 mit im Wesentlichen analogen Regelungen. In
Bauten fast jeder Form und Größe als monolithische Zukunft gilt der Eurocode 2 [DIN EN 1992] mit
Gebilde auszuführen. Die geringe Zugfestigkeit den zugehörigen nationalen Anhängen. Der tech-
wird durch stählerne Bewehrung ausgeglichen, die nische Inhalt ist im Grundsatz identisch und über
die beim Reißen des Betons freiwerdenden Zug- den deutschen nationalen Anhang weitgehend der
spannungen aufnimmt, während Druckspannungen DIN 1045-1 gleichgestellt. Es sei auch hier darauf
im Wesentlichen vom Beton abgetragen werden. hingewiesen, dass im Eurocode für Druckkräfte
Man erhält so einen preiswerten, robusten Ver- eine andere Vorzeichendefinition benutzt wird.
bundbaustoff mit sehr günstigen mechanischen Ei-
genschaften, der bei sachgemäßer Ausführung eine Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT)
hohe Korrosionsbeständigkeit aufweist, da der Wesentliche Forderung im GZT ist die Erfüllung
Stahl im Beton vor Umwelteinflüssen weitgehend des statischen Gleichgewichts, ggf. unter Ausnut-
geschützt ist und die hohe Alkalität des Betons die zung plastischer Umlagerungen im Querschnitt bzw.
Korrosionsmechanismen des Stahls behindert. System. Die Betrachtung konzentriert sich daher
Das Verhalten von Stahlbetontragwerken wird auf Kräfte (bzw. Schnittgrößen). Die Nachweise
bereits unter geringen Spannungen durch das nicht- werden nach DIN 1045 Teil 1 nach dem Konzept
lineare Materialverhalten, insbesondere die ge- der Teilsicherheitsbeiwerte geführt, bei dem der Be-
ringe Zugfestigkeit des Betons, bestimmt. Voraus- messungswert der Einwirkungen (Index Sd; in DIN
setzung für die Beherrschung des Materials ist die 1045-1 wird hiervon abweichend die Bezeichnung
Kenntnis der komplexen mechanischen Zusam- Ed benutzt) mit dem Bemessungswert des Wider-
menhänge. Daher werden zunächst ergänzend zu stands (Index Rd) verglichen wird. Dieser Vergleich
3.1 bemessungsrelevante Materialeigenschaften wird traditionell mit Schnittgrößen geführt, z. B.
und -modelle der Einzelkomponenten Stahl und MSd”MRd. Die Bemessungswerte der aufnehmbaren
Beton sowie am einfachen Modell des Zugstabs Schnittgrößen ergeben sich mit den Bemessungs-
die Wirkungsweise des Verbundbaustoffs Stahlbe- werten der Materialfestigkeiten, die mit mecha-
ton erläutert. Hierauf aufbauend wird das Verhal- nischen Modellen in Schnittgrößen transformiert
ten des Stahlbetons auf Querschnittsebene betrach- werden. Der Nachweis kann im Rahmen plastischer
3.3 Massivbau 1067

oder nichtlinearer Berechnungsverfahren jedoch DIN 1045 Teil 1 definierten Expositionsklassen


auch auf der Ebene der Einwirkungen geführt wer- beschrieben werden. Mögliche Grenzzustände der
den (qSd”qRd), was die Berücksichtigung von Umla- Dauerhaftigkeit sind die Korrosion der Bewehrung
gerungen im System erlaubt. und die Zerstörung des Betongefüges durch che-
Geometrische Größen werden i. Allg. mit ihren mischen oder mechanischen Angriff.
Nennwerten angesetzt, da der Einfluss ihrer Streu- Die Dauerhaftigkeit hängt in erster Linie von
ungen auf die Sicherheit der Konstruktion bei üb- der richtigen Wahl der Baustoffe ab (im Massivbau
lichen Querschnittsabmessungen gering und durch v. a. niedriger Wasser/Zement-Wert, geeignete Ze-
die Teilsicherheitsbeiwerte der Festigkeiten abge- mentart, Zugabe von Zusatzmitteln und -stoffen
deckt ist. Bei Bauteilen mit sehr kleinen Quer- usw.). DIN 1045 Teil 1 erfasst dies durch eine Min-
schnittsabmessungen (z. B. dünnen Schalen) kann destbetonfestigkeitsklasse als Summenparameter; in
er dagegen erheblich sein [fib 1999]. Daher ist die Sonderfällen können jedoch weitergehende Über-
Einhaltung vorgegebener Mindestabmessungen legungen erforderlich sein (vgl. 3.1). Daneben ist
ebenso wie die Kontrolle (Güteüberwachung) der eine geeignete konstruktive Durchbildung (Ent-
Baustoffe und Bauausführung im Rahmen des Si- wässerung horizontaler Flächen, Vermeidung di-
cherheitskonzeptes zwingend erforderlich. rekter Beregnung und wechselnder Durchfeuch-
Zu den Grenzzuständen der Tragfähigkeit ge- tung etc.) wichtig (s.3.2).
hört ferner die Ermüdung, s. 3.3.14. Der Korrosionsschutz der Bewehrung wird in
Stahl- und Spannbetonbauwerken durch die Alka-
Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG) lität des Betons sichergestellt, die zur Bildung ei-
Nachweise der Gebrauchstauglichkeit umfassen ner schützenden Passivschicht aus Korrosions-
im Massivbau die Begrenzung von Spannungen, produkten auf der Stahloberfläche führt. Durch das
Rissbreiten und Verformungen. Sie werden zum Eindringen von Kohlendioxid in den Beton kommt
Erreichen der geforderten Zuverlässigkeit i. Allg. es jedoch zu einer von der Bauteiloberfläche in das
unter Verwendung von charakteristischen Werten Innere fortschreitenden Umwandlung des alka-
der Materialeigenschaften für Einwirkungskombi- lischen Kalziumhydroxids in neutrales Kalzium-
nationen mit definierter Auftretenshäufigkeit ge- karbonat (Karbonatisierung) und somit zu einer
führt. Die Sicherstellung der Verträglichkeit ist Aufhebung des Korrosionsschutzes.
hierbei ein wesentlicher Aspekt. Im Vordergrund Die Geschwindigkeit der Karbonatisierung hängt
stehen daher Verformungen. von der Diffusionsdichtigkeit des Betons, der zur
Vor allem die Rissbreiten- und Spannungsbe- Verfügung stehenden Wassermenge und der umzu-
grenzung dienen auch der Sicherstellung der „Dau- wandelnden Menge an Kalziumhydroxid, also im
erhaftigkeit“. Die Unterscheidung zwischen echten wesentlichen der Zementmenge, ab. Allerdings ist
Gebrauchstauglichkeitsnachweisen und (versteck- die Karbonatisierung keine notwendige Bedingung
ten) Dauerhaftigkeitsnachweisen ist entscheidend für den Beginn der Korrosion. Bei Vorhandensein
für die Verbindlichkeit des Nachweises, da erstere von Chloriden und Sauerstoff kann es auch im alka-
nur im Hinblick auf die Nutzung durch den Bau- lischen Milieu zu einem lokalen Durchbrechen der
herrn formuliert werden können (normative Emp- Passivschicht kommen. [Nürnberger u. a. 1988].
fehlungen stellen nur Richtwerte dar), letztere im Im Bereich von Rissen geht die Schutzwirkung
Interesse einer langfristigen Tragfähigkeit dagegen der Betondeckung teilweise verloren. Mit zuneh-
zwingend einzuhalten sind. mender Rissbreite wird die Karbonatisierung der
Rissufer und das Eindringen von Chloriden zur Be-
Dauerhaftigkeit wehrung beschleunigt. Die Korrosion erfolgt nun
Unter Dauerhaftigkeit versteht man die Erhaltung entweder durch Eigenkorrosion im Riss, bei der
der zur Gebrauchstauglichkeit und Tragfähigkeit Anode und Kathode im Riss liegen, oder durch die
erforderlichen Eigenschaften über die geplante Le- Bildung von Makroelementen, bei der nur die Ano-
bensdauer (i. Allg. 50 bis 100 Jahre) des Bauwerks de im Riss liegt, die kathodische Reaktion jedoch in
unter den chemischen und physikalischen Einflüs- den ungerissenen Bereichen zwischen den Rissen
sen der Umwelt, die durch die Einordnung in die in erfolgt. Im Fall der Makroelementbildung ist der
1068 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Einfluss der Betondeckung auf den Korrosionsfort- Gemeinsames Kennzeichen aller Betone ist ihr
schritt weit größer als der Einfluss der Rissbreite. Aufbau aus einem Gerüst von Zuschlägen, das
Die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit erfolgt durch eine Matrix aus Zementstein verbunden
heute i. d. R. nicht durch rechnerische Nachweise, wird. Das Zusammenwirken von Matrix und Zu-
sondern durch die Einhaltung mehr oder weniger schlag zeigt jedoch bei den verschiedenen Betonen
empirischer Konstruktionsregeln. Diese ergeben charakteristische Unterschiede, die bei der Bemes-
sich aus den wesentlichen Einflussparametern sung berücksichtigt werden müssen.
Rissbreite, Betondeckung und Diffusionsdichtig- Zur Beschreibung des Betons haben sich in der
keit. Letztere ist in erster Linie eine Funktion des Literatur drei Betrachtungsebenen entwickelt
Wasser/Zement-Wertes und somit wegen der star- [Wittmann 1983]: Während sich die Mikromodelle
ken Korrelation zwischen w/z-Wert und Beton- vor allem mit Struktur und Eigenschaften des Ze-
druckfestigkeit indirekt von der Festigkeitsklasse mentsteins befassen, beschreiben Mesomodelle das
abhängig. Für eine gegebene Umweltklasse wird Zusammenwirken von Zuschlag und Matrix unter
daher die Einhaltung einer Mindestbetondeckung, Berücksichtigung von Poren und mikroskopischen
einer maximalen Rissbreite und einer Mindestbe- Rissen. In der Ingenieurpraxis beschränkt man sich
tonfestigkeitsklasse gefordert. auf die Betrachtung von Makromodellen, in denen
Die unter Baustellenbedingungen erreichbare der inhomogene Baustoff durch die integrale Be-
Betondeckung weist erhebliche Streuungen auf, trachtung eines größeren Volumens zum Kontinu-
weshalb die Mindestbetondeckung als 5%- bzw. um homogenisiert wird.
10%-Fraktilwert definiert wird. Den anzustrebenden
Mittelwert, das sog. „Nennmaß der Betondeckung“,
erhält man durch Addition eines Vorhaltemaßes ¨c, 3.3.2.1 Mechanische Eigenschaften
das aus der Standardabweichung der Betondeckung der Mesostruktur
folgt und aus Baustellenmessungen zu ca. 10 bis 15 Das Verhalten des Betons wird auf der Mesoebene
mm ermittelt wurde [Dillmann 1996] (s. hierzu die von den deutlich unterschiedlichen mechanischen
DBV-Merkblätter „Betondeckung und Bewehrung“ Eigenschaften der beiden Komponenten Matrix und
und „Abstandhalter“). Neben dem Korrosionsschutz Zuschlag bestimmt. Eine Modellvorstellung ist in
können auch der Brandschutz (s. 3.3.13) und das Abb. 3.3-1 gegeben; Näheres hierzu s. Abschn. 3.1.
Verbundverhalten (s. 3.3.5.1) maßgebend für die Bei Steigerung der Belastung entstehen Mikrorisse
Wahl der Betondeckung werden. in der Kontaktzone zwischen Zuschlag und Matrix.
Während die Mikrorisse zunächst im Körper noch
gleichmäßig verteilt und nicht einheitlich gerichtet
3.3.2 Beton sind, kommt es bei Steigerung der Last in einem
räumlich begrenzten Bereich, der sog. „Riss-
Die Eigenschaften des Betons werden hier nur inso- prozesszone“, zu einer fortschreitenden Vereinigung
weit behandelt, als sie für die Bemessung der Bau-
teile von Bedeutung sind. Zu Fragen der Herstellung
wird auf 3.1 und zu baubetriebliche Aspekten auf
2.6 verwiesen. Ausführlichere Darstellungen siehe
z. B. [Hilsdorf/Reinhardt 2000]; eine an Vollstän-
digkeit kaum zu übertreffende Sammlung von Ma-
terial- und Bemessungsmodellen bietet der Model
Code 1990 des CEB-FIP (CEB 1993a), im Fol-
genden kurz MC 90 genannt, sowie das zugehörige
Textbuch des fib [fib 1999; fib 2010].
Man klassifiziert erhärteten Beton heute nach
seiner Dichte in Leicht- (J”2100 kg/m3), Normal-
und Schwerbeton (J•2800 kg/m3) oder nach seiner
Abb. 3.3-1 Modellvorstellung für den Spannungsverlauf
Festigkeit in normalfesten und hochfesten Beton. im Korngerüst
3.3 Massivbau 1069

der Mikrorisse, bis dort schließlich ein durchge- beton zeigt wegen der geringen Festigkeit der Zu-
hender, mit bloßem Auge sichtbarer Makroriss ent- schläge ein ähnlich sprödes Versagen.
steht, der zum Bruch des Körpers und einem Abfall Zur Erhöhung der Duktilität können kurze Fasern
der Spannungen bei Steigerung der Dehnung führt. (l = 30…50 mm) aus Stahl oder Kunststoff zugege-
Man bezeichnet diesen Vorgang als Lokalisierung, ben werden, die die Rissufer verbinden und die
da die Dehnungen im Körper nun nicht mehr gleich- Übertragung von Zugspannungen ermöglichen. Bei
mäßig verteilt sind, sondern lokal stark zunehmen, hochfesten Betonen bilden Kunststofffasern darüber
während die übrigen Bereiche nach dem Überschrei- hinaus ähnlich wie die Kontaktfläche Matrix/Zu-
ten der Festigkeit entlastet werden (Abb. 3.3-2). Der schlag bei normalfesten Betonen Schwachstellen im
Übergang von Mikro- zu Makrorissen erfolgt bei Gefüge, die eine Mikrorissbildung initiieren und so-
normalfestem Beton kontinuierlich. Bis zur vollstän- mit einen ähnlichen Versagensmechanismus hervor-
digen Trennung der Rissufer werden diese durch den rufen können [König/Kützing 1998].
Riss überbrückende Zuschläge verbügelt, was die
Übertragung geringer Zugspannungen auch nach Rissverzahnung
Beginn der Makrorissbildung erlaubt [Duda 1991]. Die im Beton entstehenden Makrorisse sind i. Allg.
Ein abweichendes Verhalten zeigen hochfeste rau, wobei zwischen der lokalen Mikrorauigkeit, die
Betone [König/Grimm 2000]. Bei steigender Fe- durch den Verlauf der Makrorisse um die Zuschläge
stigkeit des Zementsteines und der Kontaktzone entsteht, sowie der globalen Makrorauigkeit aus
(z. B. durch Zugabe von Mikrosilika und Reduzie- dem unebenen Verlauf der Risse zu unterscheiden
rung des w/z-Wertes) wird die Mikrorissbildung zu- ist. Dies ermöglicht eine Verzahnung der Rissufer
nehmend unterbunden; der Beton bleibt auch unter und somit die Übertragung von Schubspannungen
höheren Spannungen nahezu elastisch. Erreicht die über den Riss, solange die Rissöffnung verglichen
Festigkeit des Zementsteines die der Zuschläge, so mit der Größe der Zuschläge klein bleibt. Im Modell
erfolgt das Versagen, ausgehend von kleineren Fehl- kann die Verzahnung als Eindringen der als starr an-
stellen, sehr spröde, u. U. sogar explosionsartig. Die genommenen Zuschläge in die starr-plastische Ze-
Risse laufen nicht mehr in der Kontaktfläche um die mentsteinmatrix beschrieben werden [Walraven
Zuschläge, sondern durch die Zuschläge hindurch, 1980]. So entsteht im Riss abhängig von der Riss-
so dass eine Zugkraftübertragung im Riss und das öffnung w und Rissuferverschiebung s eine Vielzahl
damit verbundene langsame, duktile Versagen nicht von Kontaktflächen, in denen jeweils Normalspan-
eintritt. Ein solches Verhalten stellt sich je nach nungen und Reibung wirken, deren Integral die ma-
Qualität der verwendeten Zuschläge bei Beton- kroskopischen Spannungen Wcr,Vcr ergibt. Die Ab-
druckfestigkeiten ab ca. 60 bis 80 MPa ein; Leicht- hängigkeit von w, s ist stark nichtlinear (Abb. 3.3-
3). Eine Übertragung von Schubspannungen Wcr im
Riss führt immer auch zu einer Normalspannung
Vcr<0, d. h., eine Rissuferverzahnung ist nur mög-
lich, wenn die Öffnung des Risses durch äußere
Normalkräfte oder Bewehrung behindert ist.
Da mit steigender Festigkeit des Betons die
Risse zunehmend durch die Zuschläge verlaufen,
nimmt die Mikrorauigkeit bei hochfestem Beton
stark ab [Walraven/Stroband 1993]. Der Anteil der
Makrorauigkeit an der Verzahnung nimmt zu.

3.3.2.2 Mechanische Eigenschaften


der Makrostruktur
Im Allgemeinen wird Beton als makroskopisch ho-
mogenes, im unbelasteten Zustand isotropes Mate-
Abb. 3.3-2 Lokalisierung der Rissbildung unter Zugbean-
spruchung
rial beschrieben, was nur sinnvoll ist, wenn das
1070 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

betrachtete Bauteil wesentlich größer ist als die


verwendeten Zuschläge. Die Anwendung der gän- (3.3.1)
gigen Bemessungsmodelle ist daher an Mindestab-
messungen von etwa dem Fünffachen Größtkorn- gilt wobei wcr die lokalisierte Verlängerung der
durchmesser für die Bauteile gekoppelt. Rissprozesszone ist (Abb. 3.3-2); in der gemit-
telten V-HBeziehung wird diese mit Hcr=wcr/l über
Zugbeanspruchung die Länge verschmiert.
Die V-H-Beziehung von Beton unter Zugbeanspru- Die zur Erzeugung eines Trennrisses der Fläche
chung zeigt den in Abb. 3.3-4 dargestellten charak- „l“ erforderliche Energie (d. h. die schraffierte Flä-
teristischen Verlauf. Bis zu einer Spannung von ca. che in Abb. 3.3-4) wird als Bruchenergie Gf bezeich-
80% der Zugfestigkeit verläuft die Kurve geradli- net. Aus ihr leitet sich die charakteristische Länge
nig, bei höheren Spannungen kommt es zu einer
verstärkten Bildung von Mikrorissen und schließ- (3.3.2)
lich zum Zugversagen. Erhöht man nach Über-
schreiten der Festigkeit die Dehnung, so fällt die
Spannung steil ab und geht schließlich mit Bildung ab, die das Verhältnis zwischen der bei Rissbeginn
eines sichtbaren Trennrisses gegen Null. gespeicherten elastischen Energie je Volumeneinheit
Der Verlauf der Kurve im Nachbruchbereich 0,5·fct2/Ec und der im Verlauf der Rissbildung freige-
(d. h. nach Überschreiten der Festigkeit) ist keine setzten Energie wiedergibt. Sie ist als Materialkon-
reine Materialeigenschaft, sondern stark von der stante ein Maß für die Duktilität eines Baustoffs und
Probekörperlänge abhängig (Maßstabeffekt). Er liegt bei Beton zwischen 200 und 400 mm. Wegen
wird für größere Körper deutlich steiler, da für die der zunehmenden Sprödigkeit hochfester Betone
V-w-Beziehung eines Zugstabs mit einem Riss nimmt lch mit steigender Festigkeit ab.

Abb. 3.3-3 Verzahnung der Rissufer


3.3 Massivbau 1071

Abb. 3.3-5 Last-Verformungs-Kurve unter Druckbeanspru-


chung

verursachen hier nur geringfügige Änderungen im


Gefüge des Betons. Bei höheren Spannungen neh-
men die Dehnungen überproportional zu, was auf
die verstärkte Mikrorissbildung zurückzuführen ist,
Abb. 3.3-4 Last-Verformungs-Kurven unterschiedlicher die ab ca. 0,8 fc zur Auflösung des Betongefüges
Probekörper unter Zugbeanspruchung
und schließlich zum Bruch führt. Nach Überschrei-
ten der Druckfestigkeit fällt die Spannung mit zu-
Zur Beschreibung der allmählichen Lokalisie- nehmender Dehnung wieder ab, wobei auch hier
rung eignet sich insbesondere das sog. fictitious ein deutlicher Maßstabeffekt zu beobachten ist.
crack-model [Hillerborg et al. 1976]. Dabei wird Spannungs-Dehnungs-Beziehungen können daher
die gesamte, aus der verstärkten Mikrorissbildung im Nachbruchbereich nur in Abhängigkeit von der
und -vereinigung in der Rissprozesszone auftre- untersuchten Probekörpergröße angegeben werden
tende Längenänderung als Öffnung eines fiktiven [van Mier 1986].
Einzelrisses interpretiert (d. h., die Ausdehnung Die experimentelle Bestimmung des Verhaltens
der Rissprozesszone wird zu Null gesetzt). Zur unter Druckspannungen erfolgt durch zentrische
Umsetzung s. z. B. [Rots 1988]. Druckversuche. Die gebräuchlichen Probekörper
Die Zugfestigkeit liegt bei heute üblichen Beto- sind dabei Zylinder (‡/h=150 mm/300 mm) und
nen zwischen 2 und 5 MPa. Zur Bestimmung s. 3.1 Würfel (h=150 mm bzw. 200 mm). Die Bruch-
sowie DIN EN 12390. Aufgrund des Maßstab- spannung der Zylinder liegt bei ca. 85% bis 92%
effekts und der Überlagerung von Eigenspan- der an Würfeln (h=200 mm) gemessenen, wobei
nungen aus ungleichmäßigem Schwinden etc. ist die niedrigeren Werte für normalfeste, die höheren
die Festigkeit von der Probekörpergeometrie, dem Werte für hochfeste Betone gelten. Der Unter-
Spannungszustand und den Lagerungsbedingungen schied zwischen Würfel- und Zylinderfestigkeit
abhängig, was die Einhaltung definierter Prüfungs- beruht auf dem geometrisch bedingt anderen Span-
bedingungen und die Anwendung von Korrektur- nungszustand (Abb. 3.3-6). Da die Querdehnung
faktoren erfordert. des Betons durch die Belastungsplatten behindert
wird, entsteht in der Querrichtung an den Lastein-
Druckbeanspruchung leitungsstellen eine Druckspannung, die mit zu-
Unter einachsialer Druckbeanspruchung zeigt Be- nehmender Entfernung von den Lastplatten ab-
ton die in Abb. 3.3-5 dargestellte typische V-H-Be- klingt und bei den relativ schlanken Zylindern in
ziehung, die sich grob in drei Bereiche unterteilen der Mitte der Probekörperhöhe nahezu bedeu-
lässt: Bei geringen Spannungen bis ca. 0,4 fc ist tungslos ist, bei den gedrungenen Würfeln jedoch
das Verhalten nahezu linear, Be- und Entlastung zu einer Steigerung der Tragfähigkeit führt. Da die
1072 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

formuliert werden kann, weshalb Gl. (3.3.3) streng


genommen nur für eine bestimmte Bezugslänge, die
i. Allg. den üblichen Probekörperlängen (15–30 cm)
entspricht, gültig ist. Dieser Effekt wird jedoch häu-
fig vernachlässigt [Meyer/König 1998].
Bei hochfesten Betonen ist –2,2‰>Hc1>–3‰.
Die Kurve ist weniger stark gekrümmt und fällt im
Nachbruchbereich steiler ab, da die Mikrorissbil-
dung erst bei höheren Spannungen einsetzt und
schneller zum Versagen führt.
Gleichung (3.3.3) ist mathematisch unhandlich.
Vor allem die häufig erforderliche Integration über
Abb. 3.3-6 Einfluss der Querdehnungsbehinderung und einer gedrückten Fläche mit veränderlicher Deh-
Bruchbild im Druckversuch bei unterschiedlichen Probe- nung, etwa der Druckzone eines Balkens, ist, so-
körperformen fern sie analytisch erfolgt, relativ aufwendig. Bes-
ser geeignet sind hierfür Polynomansätze der Form
Vc=™ai Hci, deren Koeffizienten ai sich z. B. durch
Querdehnungsbehinderung in Bauteilen i. Allg. Anpassung an Gl. (3.3.3) gewinnen lassen [Jahn
nicht vorausgesetzt werden kann, entspricht die 1997], und die die Anwendung von Konturinte-
Zylinderfestigkeit eher dem Bauteilverhalten. gralen nach den in [Fleßner 1962] dargestellten
Die Druckfestigkeit fc der heute üblichen Be- Prinzipien erlauben.
tone liegt zwischen 20 und 60 MPa, bei dem in den Im Bereich geringer Beanspruchungen (|Vc| ”
letzten Jahren auch in der Praxis an Bedeutung ge- 0,5fc) lässt sich das Verhalten durch eine lineare
winnenden hochfesten Betonen werden unter Bau- Beziehung der Form Vc=Ec  Hc approximieren. Üb-
stellenbedingungen Werte bis 120 MPa erreicht. licherweise wählt man dabei für Ec den Sekanten-
Die z. Z. erforschten Ultrahochfesten Betone erge- modul bei 0,4fc, der sich aus Gl. (3.3.3) zu ca. 0,9
ben Druckfestigkeiten von bis zu 300 N/mm² Ec0 ergibt. Die Querdehnzahl des Betons wird in
[Schmidt et al. 2008]. Das entspricht dem zehn- bis diesem Bereich i. Allg. mit Q§0,2 angegeben. Mit
20-fachen der Zugfestigkeit. einsetzender Mikrorissbildung nimmt Q durch die
Im Allgemeinen wird das Verformungsverhal- fortschreitende Gefügeauflockerung erheblich zu
ten wie folgt beschrieben: bis hin zur Volumenvergrößerung (Q>0,5) nach Er-
reichen der Druckfestigkeit.

Mehraxiale Beanspruchungen
(3.3.3) Für zweiaxiale Beanspruchungen (V1z0, V2z0,
V3=0) wurde an Betonscheiben (20cmu20cmu5cm)
die in Abb. 3.3-7 dargestellte Versagenskurve ermit-
telt, die alle Spannungskombinationen beschreibt,
Dabei ist Ec0 der tangentiale E-Modul im Nullpunkt, die zum Versagen führten, während die innerhalb
Ec1 der Sekantenmodul und Hc1=–fc/Ec1 die Dehnung der Kurve gelegenen Kombinationen ertragen wer-
im Spannungsmaximum; fc ist definitionsgemäß po- den konnten [Kupfer 1973]. Unter Druckbeanspru-
sitiv, Vc,Hc bei Druck negativ. Es sind also zur Be- chung in zwei Richtungen ergibt sich eine signifi-
schreibung mindestens fc , Ec0 ,Hc1 erforderlich. Die kante Erhöhung der Festigkeit auf maximal 1,25 fc
Dehnung Hc1 ist im Bereich der üblichen Festigkeiten für V1=0,5 V2 und etwa 1,15 fc für V1=V2. Im Zug-
relativ konstant und liegt bei etwa Hc1=–2,2‰. Druck-Bereich dagegen fällt die aufnehmbare
Wie bereits erwähnt, ist der Kurvenverlauf im Druckspannung bei vorhandenem Querzug erheb-
Nachbruchbereich das Resultat einer Schadensloka- lich ab. Dies entspricht dem nach Abb. 3.3-1 zu er-
lisierung, so dass keine objektive (d. h. von der Pro- wartenden Verhalten, da die in Querrichtung vor-
bekörpergröße unabhängige) V-H-Beziehung mehr handenen Spannungen die zum Versagen führenden
3.3 Massivbau 1073

um, [Nielsen 1984]). Zu wirklichkeitsnäheren


Bruchkriterien und zum Verformungsverhalten s.
[Hofstetter/Mang 1995; CEB 1996].

Bemessungskennwerte
Die Beschreibung der mechanischen Eigenschaften
des Betons erfordert eine Vielzahl von Parametern,
die dem Ingenieur zum Zeitpunkt der Planung i. d. R.
nicht bekannt sind. Es ist daher sinnvoll, für die Be-
messungspraxis einfache Kenngrößen zu definieren,
die das Verhalten zwar nicht exakt, aber für die Be-
messung hinreichend genau beschreiben. Hierfür
nutzt man die in Versuchen beobachteten Korrelati-
onen zwischen den Eigenschaften, um das Material
durch einen Parameter zu beschreiben und alle an-
Abb. 3.3-7 Versagenskurve unter zweiaxialer Beanspru-
deren näherungsweise daraus abzuleiten.
chung
Man klassifiziert Beton nach DIN 1045 Teil 1
durch die charakteristische Zylinderdruckfestigkeit
Querzugspannungen entweder kompensieren oder fc (z. B. C 35/45: fc=35MPa). Alle anderen Eigen-
verstärken. Der Würfeldruckversuch liegt aufgrund schaften werden i. Allg. unter Verwendung empi-
der Querdehnungsbehinderung im Druck-Druck- risch ermittelter Beziehungen aus fc abgeleitet. Die-
Bereich, was die gegenüber dem Zylinderdruckver- se gelten nur innerhalb des ihnen zugrunde liegen-
such erhöhte Festigkeit erklärt. den Erfahrungsbereichs und erlauben keine Extra-
In der praktischen Anwendung kommt häufig polation. So überschätzt die in MC 90 angegebene,
das Mohr-Coulombsche Bruchkriterium (bzw. das an normalfesten Betonen ermittelte Beziehung
daraus abgeleitete Druck-Prager-Kriterium) zum
Einsatz, das Gleiten und somit einen Bruch postu-
liert, sobald in einer beliebig gerichteten Schnitt- (3.3.5)
ebene die dort wirkenden Spannungen die Grenzbe-
dingung
mit fc*=10 MPa, fct*=1,4 MPa, ¨fc=8 MPa die Zug-
W c – V· tan I (3.3.4) festigkeit hochfester Betone [Remmel 1994]. Für
diese gilt nach DIN 1045 Teil 1:
erfüllen. Für einen zweiaxialen Spannungszustand
lässt sich Gl. (3.3.4) anschaulich in der V-W-Ebene fctm = 2,12 · ln(1+fcm/fc*). (3.3.6)
darstellen (Abb. 3.3-8). Da der Mohrsche Span-
nungskreis die Spannungen in allen möglichen Der Elastizitätsmodul (Tangentenmodul) darf wie
Schnittebenen enthält, ist ein Spannungszustand folgt abgeschätzt werden:
möglich, wenn der zugehörige Mohrsche Kreis
vollständig innerhalb der Grenzgeraden liegt; Glei- Ec0m = 9500 · fcm1/3. (3.3.7)
ten tritt ein, wenn der Spannungskreis die Grenz-
bedingung tangiert. Die Orientierung der Gleitebe- Da Ec0m stark durch die verwendeten Zuschläge
ne kann aus dem Mohrschen Spannungskreis abge- beeinflusst wird, sollte Gl. (3.3.7) nur als Anhalts-
lesen werden. wert verstanden und bei anspruchsvollen Bauwer-
Im Zug-Zug-Bereich ergibt Gl. (3.3.4) unrealis- ken in jedem Fall durch Versuche überprüft wer-
tisch hohe Festigkeiten; daher wird das Überschrei- den.
ten der einaxialen Zugfestigkeit durch die größte Zur Vereinfachung wird weiterhin eine ideali-
Hauptspannung als zusätzliche Grenzbedingung sierte V-H-Beziehung eingeführt, das Parabel-
eingeführt (Modifiziertes Mohr-Coulomb-Kriteri- Rechteck-Diagramm (Abb. 3.3-9):
1074 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.3-8 Modifiziertes Mohr-Coulomb-Kriterium

1045 Teil 1 aufgenommen. Der wesentliche Vorteil


des Parabel-Rechteck-Diagramms, die Unabhän-
gigkeit von der Betonfestigkeitsklasse, geht so je-
doch verloren.
Neben den rein mechanischen Eigenschaften
der Baustoffe ist zur Bemessung noch die Kenntnis
ihrer stochastischen Streuungen erforderlich. Die
charakteristischen Werte (5 bzw. 95%-Quantilen,
Index k) lassen sich in Ermangelung genauerer
Werte aus den Mittelwerten (Index m) wie folgt
Abb. 3.3-9 Parabel-Rechteck-Diagramm abschätzen:

fck = fcm – ¨fc (¨ fc = 8 MPa) ,


(3.3.9)
fctk,sup = 1,3 fctm fctk,inf = 0,7 fctm .

(3.3.8) Die Standardabweichung der Betondruckfestigkeit


wird demnach unabhängig von der Festigkeitsklas-
Mit Hc2=–2‰, Hc2u=–3,5‰ und n=2 ist die Form se mit etwa 5 MPa angenommen, was zumindest
bei normalfestem Beton von der Betonfestigkeit für Betone üblicher Festigkeit (fcm> 30MPa) durch
unabhängig, was die Anwendung vereinfacht. Das die Auswertung auf der Baustelle entnommener
reale Materialverhalten, besonders die Steifigkeit Stichproben bestätigt wird (Rüsch et al. 1969).
und die zunehmende Sprödigkeit bei steigender Dies impliziert einen mit zunehmendem Mittel-
Festigkeit, werden jedoch nicht wiedergegeben. wert abnehmenden Variationskoeffizienten V, da
Gleichung (3.3.8) sollte daher nicht als Spannungs- die Herstellung von Betonen mit höherer Festig-
Dehnungs-Linie verstanden werden, sondern als keit von vorneherein mehr Sorgfalt erfordert.
rechnerische Spannungsverteilung am Querschnitt Die an genormten Probekörpern bestimmten
im Grenzzustand der Tragfähigkeit unter Berück- Festigkeiten erlauben keinen direkten Rückschluss
sichtigung von Langzeiteffekten [Grasser 1968]. auf die Festigkeit im Bauwerk, da deren Streu-
Für hochfeste Betone lassen sich geeignete Bezie- ungen von Unsicherheiten beim Einbringen und
hungen durch verallgemeinerte Parabeln mit nicht Verdichten des Betons sowie anderen Erhärtungs-
ganzzahligen Exponenten (1<n<2) und variablen bedingungen auf der Baustelle überlagert werden
Stauchungen Hc2<–2‰ und Hc2u>–3,5‰ definieren [Lewandowski 1971]. Diese müssen im Rahmen
[Quast 1981]; entsprechende Werte wurden in DIN des Sicherheitskonzeptes berücksichtigt werden.
3.3 Massivbau 1075

3.3.2.3 Zeitabhängiges Verhalten

Beobachtet man das Verhalten von Versuchskör-


pern über längere Zeit, so stellt man eine signifi-
kante Erhöhung der Verformungen fest. Man trennt
die Langzeitverformungen gedanklich in die bei-
den Anteile Kriechen und Schwinden.

Kriechen
Kriechen bezeichnet die (um das Schwinden berei-
nigte) Zunahme der Dehnungen mit fortschreiten-
der Belastungsdauer unter konstanter Spannung.
Da jede reale Belastung eine gewisse Lasteinwir-
kungsdauer hat, beruht die Trennung in Kurz- und
Langzeitverformung auf einer reinen Konvention,
wobei der Term kurzzeitig im Verhältnis zur Dauer
der Versuchsdurchführung (etwa 1 bis 2 Minuten
nach DIN EN 12390) zu sehen ist.
Die zugrunde liegenden Mechanismen sind kom-
plex und vom Spannungsniveau abhängig. Bei gerin-
gen Spannungen kommt es lediglich zu einer Umla-
gerung des nach der Hydratation im Beton verblei- Abb. 3.3-10 Einfluss hoher Dauerspannungen
benden Wassers sowie zu Teilchenumlagerungen
innerhalb der Zementsteinmatrix. Die Kriechverfor-
mungen sind proportional zur angreifenden Span- bald die Festigkeit unter die einwirkende Span-
nung (lineares Kriechen) und nach einer Entlastung nung fällt. Somit definiert das Minimum der Kurve
teilweise reversibel (Rückkriechen). Formal kann die die Dauerstandfestigkeit des Betons, die (theore-
Kriechdehnung in Grund- und Trocknungskriechen tisch) unendlich lang ertragen werden kann [Rüsch
aufgespalten werden; ersteres bezeichnet die Kriech- 1960]. Sie unterliegt im Versuch starken Schwan-
verformungen eines versiegelten Probekörpers ohne kungen zwischen 0,65 und 0,85 der Kurzzeitfestig-
Feuchteaustausch mit der Umgebung, letzteres den keit [Rüsch u. a. 1968]. Die Zeitdauer bis zum Er-
durch das Austrocknen hervorgerufenen Anteil (s. reichen des Minimums (kritische Standzeit) hängt
auch [Hilsdorf/Reinhardt 2000; Bazant 1988]). von der Geschwindigkeit des Hydratationsfort-
Ab ca. 0,4 fc nimmt das Kriechen unter Druckbe- schritts und damit vom Betonalter t0 bei Bela-
anspruchung durch die Mikrorissbildung stark zu stungsbeginn ab. Für t0=7 Tage liegt sie etwa bei
(nichtlineares Kriechen). Da dieser Effekt eine fort- einem Tag, für t0=28 Tage bei ca. 3 Tagen [Hils-
schreitende Zerstörung des Betongefüges bedeutet, dorf/Reinhardt 2000].
kann auch bei Spannungen unterhalb der Kurzzeit- Unter Zugbeanspruchung lässt sich ein ähn-
festigkeit ein Bruch eintreten. Die Festigkeit des licher Abfall der Festigkeit mit der Belastungsdau-
Betons ist daher eine von der Belastungsdauer ab- er beobachten; die Dauerstandfestigkeit liegt hier
hängige Größe [Rüsch u. a. 1968] (Abb. 3.3-10). bei etwa 0,6…0,7 der Kurzzeitzugfestigkeit [Rein-
Bei Betonkörpern unter hoher Dauerlast wirken hardt/Cornelissen 1985].
zwei gegenläufige Effekte: Während die Mikro- Die Kriechdehnung Hcc(t) wird i. d. R. über die
rissbildung zu einer zunehmenden Schädigung des Kriechzahl I als Vielfaches der elastischen Kurz-
Betongefüges führt, verfestigt sich der Beton durch zeitdehnung Hel berechnet. Dabei liegt es wegen
die fortschreitende Hydratation weiter. Zusammen- der teilweisen Reversibilität nahe, die Kriechdeh-
genommen führt dies zunächst zu einem Abfall der nung in einen verzögert elastischen, d. h. rever-
Festigkeit bis zu einem Minimum und schließlich siblen, und einen irreversiblen Fließanteil aufzu-
wieder zu einem Anstieg. Der Körper versagt, so- spalten (Summationsansatz):
1076 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Hcc(t,t0) = Hv,el (t,t0)+ Hfl (t,t0)


= Hel(Iv,el (t,t0) + Ifl (t,t0)) . (3.3.10)

Die klassischen Summationsansätze setzen voraus,


dass der zeitliche Verlauf der Fließverformung und
der vom Belastungsalter t0 abhängige Absolutwert
durch die gleiche Funktion beschrieben werden,
d. h. Ifl(t, t0)=Ifl(t)–Ifl(t0). Dies steht jedoch im Wi-
derspruch zu Versuchsbeobachtungen [CEB 1990].
Daher werden in der neueren Literatur und den
aktuellen Normen (EC 2, DIN 1045 Teil 1, MC 90)
Produktansätze verwendet, die auf die formale Tren-
nung der einzelnen Verformungsanteile verzichten.
Die Einflussfaktoren werden hier durch multiplika-
tive Verknüpfung erfasst. Für eine zum Zeitpunkt t0
aufgebrachte Spannung Vc=konst gilt dann

Hcc (t) = Hel I(t, t0) = Hel I0 E(t – t0) , (3.3.11)

wobei I0 den Endwert der Kriechzahl bezeichnet.


Die Funktion E(t–t0) beschreibt den zeitlichen Ver-
lauf der Kriechverformung; sie nimmt für t=t0 den
Wert 0 und für t o ’ den Wert 1 an. Die Endkriech-
zahl I0 ist von der relativen Luftfeuchtigkeit der
Umgebung, der Bauteilgröße und -form sowie dem
Alter des Betons bei Belastungsbeginn abhängig,
da die Kriechfähigkeit mit zunehmendem Alter ab-
nimmt. Der Produktansatz beschreibt den Beton
demnach als alterndes viskoelastisches Material. Abb. 3.3-11 Kriechverlauf bei veränderlicher Spannung
Der Einfluss der Dichtigkeit des Betongefüges auf
die Diffusionsvorgänge wird aus Gründen der Ein- HcV(t) = Hel (1+I (t,t0)) = Vc J(t,t0). (3.3.12)
fachheit meist nur über die Betondruckfestigkeit
erfasst. Üblicherweise liegt die Endkriechzahl bei Bei einer zeitlichen Änderung der Spannung wird
I0 =1,0…4,0, die Kriechverformung beträgt also zur Ermittlung der Kriechverformungen i. Allg. die
i. Allg. ein Mehrfaches der Kurzzeitverformung. Gültigkeit des Superpositionsgesetzes vorausgesetzt.
Das Kriechmodell der DIN 1045 Teil 1 wurde Der prinzipielle Unterschied zwischen Produkt- und
aus MC 90 weitgehend übernommen, jedoch zur Summationsansatz ist in Abb. 3.3-11 dargestellt.
Erfassung hochfester Betone um einige Korrektur- Eine grundsätzliche Vereinfachung der Produkt-
faktoren erweitert. Es verzichtet auf eine formale ansätze folgt aus der Tatsache, dass die für eine kon-
Trennung von Grund- und Trocknungskriechen, stante Spannung ermittelte Komplianzfunktion un-
was eine Näherung darstellt, da die zeitliche Ent- abhängig von vorhergehenden Belastungen zu allen
wicklung des Trocknungskriechens durch die Was- Zeitpunkten als gültig angesehen wird. In einigen
serdiffusion von der Bauteilgröße abhängen muss, Fällen führt dies zu unrealistischen Ergebnissen
die des Grundkriechens dagegen nicht. Eine Tren- [CEB 1990]. Diese Schwäche wird jedoch wegen
nung der Anteil führt jedoch zu erheblich kom- der einfachen Handhabung in Kauf genommen.
plexeren Formulierungen [Bazant/Baweja 1995]. Für höhere Spannungen ist die lineare Bezie-
Durch Zusammenfassen der Kurz- und Langzeit- hung zwischen Kurzzeitverformung und Kriech-
verformung erhält man mit der Komplianzfunktion verformung nicht mehr gültig, ab ca. 0,4 fc, d. h.
J(t,t0) die gesamte spannungsinduzierte Dehnung mit Beginn der Mikrorissbildung im Kurzzeitver-
3.3 Massivbau 1077

such, steigt die Kriechzahl deutlich an [Stöckl Dabei ist ts der Zeitpunkt des Beginns des Trock-
1981]. Näherungsweise kann man bei Belastungen nungsschwindens durch eine Änderung der Um-
unterhalb der Dauerstandfestigkeit die Endkriech- weltbedingungen (Ende der Feuchtlagerung). Die
zahl mit dem Faktor Einflüsse auf die Schwindverformungen sind im
Wesentlichen dieselben wie beim Kriechen: Luft-
e1,5 Â (|Vc|fc – 0,4) (3.3.13)
feuchtigkeit, Dichtigkeit und Bauteilgröße. Ty-
erhöhen. Das Superpositionsprinzip ist jedoch pische Werte des Endschwindmaßes liegen im Be-
nicht mehr anwendbar [Shen 1992]. reich von –0,2‰ bis –0,6‰.
Für numerische Untersuchungen kann es vorteil- Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die
haft sein, das Kriechverhalten durch einfache rheo- Trennung in Schwinden und Kriechen nur eine re-
logische Modelle – d. h. Kombinationen von Feder- chentechnische Vereinfachung darstellt, da man in
und Dämpferelementen – zu approximieren. Solche Versuchen eine deutliche Interaktion zwischen den
Modelle können zur Berücksichtigung nichtlinearer Phänomenen beobachtet. Auch berücksichtigen die
Effekte um Reibelemente, viskoplastische Elemente vereinfachten Ansätze die sehr komplexen Dif-
usw. ergänzt werden (siehe z. B. [Bazant 1988]). fusionsvorgänge nur summarisch über die Probe-
körpergröße. Die aus dem Vergleich der Kriech-
Schwinden und Schwindvorhersagen nach DIN 1045 Teil 1
Die an spannungslosen Probekörpern beobachtete mit Versuchsergebnissen ermittelten Variations-
Volumenverringerung wird als Schwinden bezeich- koeffizienten V betragen etwa 25% für das Krie-
net. Sie beruht auf einer Austrocknung des Betons, chen und 30% für das Schwinden. In vielen Fällen
also der Verdunstung des nichtgebundenen Was- ist es daher sinnvoll, obere und untere Fraktilwerte
sers (Trocknungsschwinden), und auf volumenre- der Verformungen zu ermitteln.
duzierenden chemischen Prozessen bei der Hydrata-
tion (autogenes Schwinden). Beide Prozesse laufen
zeitlich versetzt ab, da das Trocknungsschwinden 3.3.3 Betonstahl
von der Diffusion des Wassers zur Bauteilober-
fläche und damit von der Probekörpergröße, seiner Zur Herstellung sowie zu den chemischen und me-
Dichtigkeit und den Lagerungsbedingungen ab- chanischen Eigenschaften der Betonstähle wird
hängt. Die Verformungen aus dem Trocknungs- auf 3.1 sowie auf [fib 1999; fib 2010] verwiesen.
schwinden sind über den Querschnitt ungleich-
förmig verteilt und können beträchtliche Eigen-
3.3.3.1 Bemessungskennwerte
spannungen bis hin zur Rissbildung an der Kör-
peroberfläche verursachen. Bei einer Erhöhung Bei der Untersuchung von Tragwerken wird das
des Feuchtegehalts in einer Probe (z. B. Wasser- Verformungsverhalten des Stahls meist mit verein-
lagerung) lässt sich eine Volumenvergrößerung fachten, ideal elastisch-ideal plastischen bzw. ver-
(Quellen) beobachten, die allerdings deutlich ge- festigenden Modellen beschrieben; letztere be-
ringer ist als die Schwindverformung. rücksichtigen einen Anstieg der Spannung im
Die Beschreibung des Schwindens bzw. Quel- Fließbereich bis zur Zugfestigkeit ft (Abb. 3.3-12).
lens erfolgt analog zum Kriechen durch einen End- Als Bemessungskennwerte des Stahls sind dem-
wert Hs’ und eine Funktion des zeitlichen Verlaufes nach Es, fy, ft, Hsu erforderlich. Die charakteristi-
Es(t–ts). Im Modell der DIN 1045 Teil1 werden für schen Werte von Fließgrenze und Festigkeit wer-
die Anteile Trocknungsschwinden (Index d) und den als 5%-Fraktilen definiert, die Bruchdehnung
autogenes Schwinden (Index a) getrennte Ansätze als 10%-Fraktile. Der E-Modul streut nur gering-
gemacht; dies ist insbesondere bei hochfesten Beto- fügig und kann mit Es=200000 MPa angenom-
nen erforderlich, da diese aufgrund des geringeren men werden. Heute kommen fast ausschließlich
Wassergehaltes und der hohen Diffusionsdichtigkeit Stähle mit charakteristischen Fließspannungen von
ein geringes Trocknungsschwinden aufweisen: fyk=500 MPa und einer charakteristischen Zugfes-
tigkeit von ftk=550 MPa zum Einsatz. Rechnerisch
Hcs(t,ts) = Hcas’ Eas(t) + Hcds’Eds(t – ts) (3.3.14) darf nach DIN 1045 Teil 1 jedoch nur eine Zugfes-
1078 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.3.3.2 Arten und Formen


Betonstähle werden in Form von Stäben oder Mat-
ten verwendet. Sie sind national in DIN 488 bzw.
durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen
geregelt. Auf europäischer Ebene wird DIN 488 in
Zukunft durch EN 10080 ersetzt.

Oberflächenprofilierung
Zur Verbesserung des Verbunds zwischen Stahl und
Beton kommen heute nahezu ausschließlich geripp-
te Betonstähle zur Anwendung (Abb. 3.3-13). Der
Grad der Profilierung wird durch die bezogene Rip-
Abb. 3.3-12 Idealisierung des Verformungsverhaltens von penfläche fR charakterisiert. Mindestwerte für fR
Betonstahl
liegen je nach Stabdurchmesser zwischen 3,9 und
5,6% (DIN 488). Da die Ausbildung der Rippen
tigkeit von ftk*=525 MPa bei einer Dehnung von (Höhe, Breite, Abstand, Ausrundungen) durch die
Hsu=25‰ ausgenutzt werden. Kerbwirkung am Übergang zum Stabkern einen we-
Neben der Festigkeit kommt durch den zuneh- sentlichen Einfluss auf die Dauerschwingfestigkeit
menden Einsatz plastischer Berechnungsverfahren des Bewehrungsstabes hat sind entsprechende An-
der Duktilität, d. h. der Fähigkeit, nach Erreichen der forderungen nach DIN 488 Teil 2 einzuhalten.
Fließgrenze die Dehnung ohne Abfall der Spannung Um die bei kaltverformten Stäben mit geringem
zu vergrößern, wachsende Bedeutung zu. Die hierfür Durchmesser herstellungsbedingt reduzierte Dukti-
wesentlichen Parameter sind Hsu sowie das Verhält- lität auszugleichen, wurden in den letzten Jahren Be-
nis ft/fy, vgl. 3.3.5.2. DIN 1045 Teil 1 unterscheidet wehrungsstähle mit Tiefrippung entwickelt (s. Abb.
daher zwischen normalduktilen und hochduktilen 3.3-13b). Die Verbesserung der Duktilität beruht auf
Betonstählen (Kategorien A und B). Ein als hoch- dem weicheren Verbundverhalten (s. 3.3.5), aber
duktil eingestufter Stahl muss mindestens Hsuk=50‰ auch auf der Verminderung der erforderlichen Kalt-
sowie eine Verfestigung von (ft/fy)k=1,08 besitzen, verformung beim Einprägen der Tiefrippen und
ein normalduktiler Hsuk=25‰ und (ft/fy)k= 1,05. Da-
bei ist zu beachten, dass (ft/fy)k der charakteristische
Wert des Verhältnisses von ft und fy ist, nicht das
Verhältnis der charakteristischen Werte. Für Son-
deranwendungen mit sehr hohen Duktilitätsanforde-
rungen (z. B. für Bauten in Erdbebengebieten) defi-
niert DIN EN 10080 zusätzlich einen Stahl mit
Hsuk=80‰ und (ft/fy)k=1,15 (Kategorie C).
Die für Betonstähle der Klassen A und B gefor-
derte Duktilität lässt sich auch durch andere Kom-
binationen von Hsuk und (ft/fy)k erreichen, da z. B.
eine Unterschreitung der Mindestwerte für (ft/fy)k
durch eine Übererfüllung der Anforderungen an
Hsuk erfüllt werden kann (s. [CEB 1998]).
Die stochastischen Streuungen der Material-
eigenschaften des Stahls sind wegen der hoch ent-
wickelten und unter kontrollierten Bedingungen
ablaufenden Produktionsverfahren erheblich ge-
ringer als die des Betons. Der Variationskoeffizient
der Festigkeiten liegt unter Annahme einer loga-
rithmischen Normalverteilung nur bei ca. 5%. Abb. 3.3-13 Oberflächenprofilierung
3.3 Massivbau 1079

der daraus resultierenden geringeren Aufhärtung ersetzt. Die beim Vorspannen gegen den erhärteten
[Schwarzkopf/Schaefer 1997]. Beton erforderlichen Verankerungskomponenten
sind wegen ihrer auf dem Markt befindlichen Viel-
Stabstähle falt als Spannverfahren in allgemeinen bauauf-
Die Durchmesser der Stäbe liegen zwischen 6 und sichtlichen Zulassungen, z. T. bereits in europä-
40 mm nach DIN 488 Teil 2 (Regellänge: 12 bis 15 ischen technischen Zulassungen mit zugehörigen
m). Daneben existieren Betonstähle, deren Anwen- nationalen Anwendungszulassungen, geregelt.
dung durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen
geregelt ist, u. a. GEWI-Stähle mit Gewinderippen
und Durchmessern 12 bis 50 mm oder verzinkte und 3.3.4.2 Mechanische Eigenschaften
nichtrostende Bewehrungsstähle (s. [Bertram 2002]). Das mechanische Verhalten der Spannstähle unter-
Da in den normativ geregelten Bemessungsmodel- scheidet sich nicht grundsätzlich von dem der Be-
len zahlreiche Materialeigenschaften implizit vo- tonstähle. Allerdings ist das Vorspannen nur sinn-
rausgesetzt werden, müssen auch Stähle mit bauauf- voll, wenn dabei Stahlspannungen erreicht werden,
sichtlicher Zulassung die in der jeweiligen Norm die erheblich über den im Betonstahl möglichen lie-
zugrunde liegenden Mindestanforderungen erfüllen. gen (vgl. 3.3.11). Ihre Klassifizierung erfolgt durch
die charakteristischen Werte der 0,2%-Dehngrenze
Betonstahlmatten fp0,2k und der Festigkeit fpk. Der heute häufig ver-
Betonstahlmatten bestehen nach DIN 488 Teil 4 wendete Spannstahl St 1570/1770 besitzt demnach
aus kaltverformten, gerippten Stäben mit Durch- eine charakteristische Festigkeit von fpk=1770 MPa
messern von 4 bis 14 mm, die kreuzweise ver- und fp0,02k = 1570 MPa. Das entspricht etwa dem
schweißt werden. Zu unterscheiden ist grund- dreifachen Wert der Betonstähle.
sätzlich zwischen Lagermatten und Listenmatten. Das Verformungsverhalten entspricht qualitativ
Lagermatten weisen feste Stabdurchmesser und dem des Betonstahles, allerdings liegt der rechne-
-abstände nach einem nicht genormten, aber allge- rische E-Modul von Litzen etwas niedriger bei
mein verbreiteten Programm auf. Bei Listenmatten 190000 bis 200000 MPa. Für die Bemessung wer-
dagegen werden Stabdurchmesser und -abstände den ebenfalls bilineare Näherungen mit der 0,1%-
vom Konstrukteur objektbezogen festgelegt; sie Dehngrenze fp0,1k als technischer Fließgrenze ver-
erlauben eine optimale Anpassung an die individu- wendet (für St 1570/1770 ist fp0,1k§ 1500 MPa).
ellen Erfordernisse eines Bauwerks, erfordern je- Spannstähle zeigen unter hohen Dauerlasten
doch auch einen erhöhten Planungsaufwand. ähnlich wie Beton zeitabhängige Verformungen.
Die Kaltverformung führt zu einer Aufhärtung Diese werden jedoch nicht als Kriechen, sondern als
und somit zu einem Verlust an Duktilität, weshalb Relaxation bezeichnet, da für Spannglieder in vor-
Matten i. d. R. als normalduktil einzustufen sind, gespannten Bauteilen im wesentlichen Hp=konst gilt.
sofern nicht durch allgemeine bauaufsichtliche Zu- Es handelt sich hierbei um ein hochgradig nichtline-
lassungen eine andere Einstufung erfolgt. ares Phänomen, d. h., die Relaxationsverluste stei-
gen mit zunehmender Spannung überproportional
an. Der Anteil Ut der Verluste an der ursprünglichen
3.3.4 Spannstahl Spannung ist vom Spannstahl, der Art des Spann-
glieds, der Temperatur, dem Spannungsniveau und
3.3.4.1 Arten und Formen
der Einwirkungsdauer der Spannungen abhängig.
Spannstähle werden als glatte oder profilierte Stä- Zahlenwerte sind der Zulassung zu entnehmen.
be, Gewindestäbe und Litzen hergestellt, wobei
letztere die größten Marktanteile besitzen. Spann-
stähle sind bisher in Deutschland durch allgemeine 3.3.5 Verbundbaustoff Stahlbeton
bauaufsichtliche Zulassungen erfasst, die alle be-
3.3.5.1 Verbundverhalten des Stahls
messungsrelevanten Angaben enthalten müssen.
Im Rahmen der europäischen Normung werden die Das mechanische Zusammenspiel von Stahl und
Spannstahlzulassungen in Zukunft durch EN 10138 Beton wird durch den Verbund bestimmt, also durch
1080 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.3-14 Kräfteverlauf vor einer Rippe

die Übertragung von Spannungen zwischen Beton


und Stahl. Diese beruht auf drei Mechanismen,
nämlich der Adhäsion, also der chemischen Bin-
dung zwischen Beton und Stahloberfläche, der me-
chanischen Verzahnung durch die Rippen und der
Reibung. Die Aktivierung dieser Mechanismen ist
mit einer Verzerrung in Form einer zwischen der
Bewehrung und dem umgebenden Beton auftre-
Abb. 3.3-15 Mechanismen des Verbundversagens
tenden Relativverschiebung (Schlupf) s verbunden.
Die Adhäsion verhält sich sehr steif, kann jedoch
nur geringe Spannungen übertragen und fällt bei zu- Die einzelnen Traganteile sind experimentell und
nehmendem Schlupf völlig aus. Der Verbund ist so- bei der rechnerischen Untersuchung von Bauwerken
mit bei geringen Beanspruchungen nahezu völlig nur schwer zu trennen. Man betrachtet sie daher
starr. Nach dem Ausfall der Adhäsion tritt im Bereich meist in integraler Form als in der Kontaktfläche wir-
zwischen den Rippen eine Reibung zwischen Stahl- kende Schub- oder Verbundspannung. Der Zusam-
oberfläche und Beton auf, die vom Schlupf nahezu menhang zwischen Verbundspannung und Schlupf
unabhängig ist. Der Hauptanteil wird jedoch durch wird als Verbund-Schlupf-Beziehung bezeichnet
die mechanische Verzahnung übertragen. Vor den [Rehm 1961; Martin/Noakowski 1981; Eligehausen
Rippen werden durch den Schlupf hohe lokale Druck- et al. 1983; Noakowski 1985]. Diese stellt kein Stoff-
spannungen im Beton erzeugt. Da hier ein dreiachsi- gesetz im eigentlichen Sinn dar, sondern ein Ersatz-
aler Druckspannungszustand vorliegt, kann Vc auf ein modell für die komplexen Vorgänge im Beton in der
Vielfaches der einachsialen Festigkeit ansteigen. Die unmittelbaren Umgebung der Bewehrung; sie ist da-
Umlenkung der Druckspannungstrajektorien erzeugt her immer mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.
Zugspannungen im umgebenden Beton, die ringför- Der ansteigende Ast wird i. Allg. durch eine Po-
mig um die Bewehrung verlaufen (Abb. 3.3-14). tenzfunktion beschrieben (D<1):
Das Versagen des Verbunds kann durch das Ab-
Wb = Wb,max (s/s1)D s ” s 1. (3.3.15)
scheren der Betonkonsolen zwischen den Rippen
und das Aufspalten des Zugringes erfolgen (Abb. Der prinzipielle Verlauf ist für die beiden Versa-
3.3-15). Welche der beiden Versagensarten maßge- gensarten Abscheren und Sprengen des Betons in
bend wird, ist dabei v. a. von der Umschnürung, also Abb. 3.3-16 dargestellt. Die Sprengrissbildung
von der Betondeckung des Bewehrungsstabes (je führt zu einem wesentlich spröderen Versagen;
geringer die Betondeckung, desto eher kommt es beim Versagen durch Abscheren bleibt zwischen
zur Sprengrissbildung) und der vorhandenen Quer- den Betonkonsolen und dem umgebenden Beton
bewehrung, abhängig. Eine zusätzlich vorhandene eine Reibung wirksam, die auch nach Überschrei-
äußere Zugspannung senkrecht zur Bewehrungs- ten der Verbundfestigkeit die Übertragung von
richtung kann die Sprengrissbildung wesentlich be- Spannungen ermöglicht.
schleunigen, eine äußere Druckspannung dagegen Gleichung (3.3.15) gilt zunächst nur für unge-
die Verbundwirkung verbessern. störte Bereiche, die von Oberflächen oder Rissen
3.3 Massivbau 1081

Abb. 3.3-16 Rechnerische Verbund-Schlupf-Beziehung Abb. 3.3-17 Störung des Verbundes durch Bildung eines
nach MC 90 Ausbruchkegels

weit genug entfernt sind. Tritt der Stab aus dem standteile (überschüssiges Wasser, Luft) dagegen
Beton aus, so ist die Ausbildung des in Abb. 3.3-14 wandern nach oben und sammeln sich unter hori-
dargestellten Spannungsverlaufes wegen der feh- zontal liegenden Bewehrungsstäben. Unter diesen
lenden Abstützung der Druckstreben am Rissufer Stäben weist der Beton demnach eine hohe Porosi-
nicht mehr möglich. Die Einleitung der Verbund- tät auf, die zu einer Abminderung der übertragbaren
spannungen in den Beton muss dort über Zugspan- Verbundspannungen um bis zu 50% führt. Dieser
nungen erfolgen, die bei höheren Verbundspan- Effekt ist desto ausgeprägter, je weiter ein Stab von
nungen durch Überschreitung der Zugfestigkeit der Unterkante des Frischbetons entfernt liegt. Bei
die Bildung eines Ausbruchkegels und somit einen vertikal in der Schalung stehenden Stäben ist die
Abfall der dort übertragbaren Verbundspannungen Abminderung zusätzlich von der Beanspruchungs-
verursachen (Abb. 3.3-17). richtung abhängig. Wird der Stab nach unten, d. h.
Daher muss in der Wb-s-Beziehung auch noch der in Betonierrichtung gezogen, so ist wegen der Poro-
Abstand x zum nächsten Riss berücksichtigt wer- sität des vor den Rippen liegenden Betons eine ähn-
den. Dies kann z. B. nach MC 90 durch eine lineare liche Abminderung wie bei horizontalen Stäben zu
Abminderung in rissnahen Bereichen geschehen: beobachten. Vereinfacht unterscheidet man hier
zwischen Stäben im guten und mäßigen Verbund.
(3.3.16)
3.3.5.2 Rissbildung in Stahlbetonbauteilen
Wegen der sehr hohen Druckspannungen im Beton
zeigt der Verbund ausgeprägte Kriechverfor- Bei ungerissenen, ungeschädigten Stahlbetonbau-
mungen [Rohling 1987]. Im Allgemeinen unter- teilen liegen Beton und Stahl wegen der in diesem
stellt man hier lineares Kriechen, das bei konstant Zustand geringen Verbundspannungen und der ho-
gehaltener Verbundspannung den Schlupf um den hen Verbundsteifigkeit im ideellen, ungestörten Ver-
Faktor Ib auf s(t)=s0(1+Ib) vergrößert bzw. bei bund, d. h., die Dehnung des Stahls ist überall
konstant gehaltenem Schlupf die Verbundspan- gleich der Dehnung des ihn umgebenden Betons.
nung entsprechend verkleinert. Bei Steigerung der Last geht das Bauteil in den
Neben offensichtlichen Faktoren wie der Beton- Zustand der Einzelrissbildung über. An der Stelle, an
druckfestigkeit, der bezogenen Rippenfläche und der die Spannung die Zugfestigkeit des Betons zu-
den Betonspannungen senkrecht zur Stabachse erst überschreitet, entsteht ein Riss, an dessen Ufern
wirkt sich auch die Lage des Stabes beim Betonie- die Spannung und damit auch die Dehnung des Be-
ren auf das Verbundverhalten aus. Während des Ver- tons auf Null abfällt. Im einfachen Fall des zentrisch
dichtens des Frischbetons kommt es zu einem Ab- gezogenen Stabes müssen aus Gleichgewichtsgrün-
setzen der schweren Bestandteile; die leichten Be- den die freiwerdenden Betonzugspannungen we-
1082 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.3-18 Kraft-Verformungs-Beziehung

nigstens teilweise durch eine lokale Erhöhung der


Stahlspannung aufgenommen werden. Dabei führt
die Erhöhung der Stahldehnung und der Abfall der
Betondehnung zu einer unterschiedlichen Verlänge-
rung von Stahl und Beton im Bereich des Risses und
damit zu Schlupf und einer Verbundspannung.
Hier sind grundsätzlich Kraft- und Verformungs-
steuerung zu unterscheiden (Abb. 3.3-18). Im Fall
der Kraftsteuerung wird die gesamte im Verbund-
querschnitt vorhandene Kraft konstant gehalten, die
Betonzugspannungen müssen ganz von der Beweh-
rung aufgenommen werden. Im Kraft-Verformungs- Abb. 3.3-19 Spannungsverlauf
Diagramm ergibt sich bei Bildung eines Risses we-
gen der sprunghaft auftretenden Verlängerung des
Bauteiles ein Sprung nach rechts. Im Fall einer Ver- keit nicht mehr, so dass auch bei einer Steigerung
formungssteuerung wird dagegen die gesamte Ver- der äußeren Last keine neuen Risse mehr entstehen
formung konstant gehalten. Da die Bauteilsteifigkeit können. Dieser Zustand wird als abgeschlossenes
durch den Riss schlagartig abnimmt, fällt die Zug- Rissbild bezeichnet. Die Zunahme der Zugkraft
kraft ab. Mit zunehmender Länge des Stabes – d. h. zwischen Beginn und Abschluss der Rissbildung
einer zunehmenden Zahl von Rissen – wird die Li- hängt von der Streuung von fct im Bauteil ab und
nie geglättet; der Unterschied zwischen Kraft- und wird meist mit 30% angenommen.
Verformungssteuerung verschwindet. Die Verbundlänge, die erforderlich ist, um in
Mit zunehmendem Abstand vom Riss nehmen den Beton Spannungen in Höhe der Zugfestigkeit
die Betonspannungen durch den Verbund wieder einzuleiten, wird als Eintragungslänge lt bezeich-
zu, bis sie die Verhältnisse des ungerissenen Zu- net. Wenn zwischen zwei Rissen kein neuer mehr
stands erreichen. Während der Rissbildungsphase erzeugt werden soll, muss der Rissabstand bei
verbleiben zwischen den Rissen also immer Be- abgeschlossenem Rissbild kleiner sein als die
reiche im ungestörten Verbund, Verbundspan- zweifache Eintragungslänge. Umgekehrt kann ein
nungen wirken nur in der Nähe der Risse. Riss aber nur entstanden sein, wenn vorher der Ab-
Bei weiterer Laststeigerung entstehen zwischen stand der benachbarten Risse mindestens gleich
den vorhandenen Rissen neue Risse, bis die Riss- der doppelten Eintragungslänge war. Man erhält
abstände so klein geworden sind, dass zwischen somit als obere und untere Schranke des Rissab-
den Rissen keine Bereiche mehr im ungestörten standes lt ” sr ” 2lt.
Verbund verbleiben und auf ganzer Länge Ver- Der prinzipielle Verlauf der Spannungen zwi-
bundspannungen wirken. Die in den Beton einge- schen den Rissen ist in Abb. 3.3-19 dargestellt. Die
leiteten Zugspannungen erreichen die Zugfestig- maximalen Beanspruchungen der Bewehrung tre-
3.3 Massivbau 1083

Dieser Zusammenhang ist als Differentialglei-


chung des verschieblichen Verbunds bekannt (zur
Lösung s. insbesondere [Krips 1984]). Im Fol-
genden werden Lösungen für Einzelrissbildung
und abgeschlossenes Rissbild dargestellt.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Annahme
einer gleichförmigen Spannungsverteilung und da-
mit einer konstanten Rissbreite über den Querschnitt
eine starke Vereinfachung der Realität darstellt.
Aufgrund der zwangsläufig auftretenden Verwöl-
bung des Betonquerschnitts nehmen die Rissbrei-
Abb. 3.3-20 Verbundgleichgewicht am Zugstab ten vom Rand zur Bewehrung ab [Schießl 1976].

Einzelrissbildung
ten direkt im Riss auf, weshalb im Rahmen der Be- Setzt man für die Wb-s-Beziehung (3.3.15) ein und
messung der Zustand im Riss betrachtet werden wählt die Randbedingungen am Beginn der Ver-
muss. Bei der Ermittlung von Verformungen wer- bundstörung (x=0) entsprechend dem Zustand bei
den dagegen Dehnungen über die Bauteillänge in- Einzelrissbildung, also s(0)=0; ds/dx(0)= Hs(0)–
tegriert; sie gehen daher nur mit ihrem über die Hc(0)=0, so ist die Differentialgleichung analytisch
Rissabstände gemittelten Wert Hsm ein. Die Abmin- lösbar. Mit dem Ansatz s(x)=C·xn erhält man
derungen gegenüber der Dehnung des nackten
Stahls wird als „Mitwirkung des Betons zwischen
den Rissen“ bezeichnet (engl.: tension stiffening).
(3.3.20)
Differentialgleichung des Verbunds
Zur Ermittlung der Spannungen zwischen den Ris-
sen wird ein differentielles Element eines Zugstabes
betrachtet (Abb. 3.3-20). Es wird vereinfacht davon Daraus lässt sich wiederum die Eintragungslänge
ausgegangen, dass die Betonspannungen überall ermitteln als die Strecke, nach der die Zugspannung
gleichförmig über den Querschnitt verteilt sind, im Beton zu Null wird:
d. h., der Betonquerschnitt bleibt eben.
Aus dem Gleichgewicht am Element ergibt sich (3.3.21)
Wb Us dx = dVs As = –dVc Ac . (3.3.17)
Man erhält
Dabei sind As und Us Fläche und Umfang eines
Stabes. Der Schlupf ergibt sich an jeder Stelle aus
der Differenz der Verschiebung von Stahl und Be-
ton s=us–uc. Unter Annahme eines linear-elas- (3.3.22)
tischen Stoffgesetzes für Stahl und Beton erhält
man damit die Beziehung

(3.3.18) Die Breite des Risses lässt sich aus dem Schlupf
mit w=2s(lt) bestimmen. Aus dem Ergebnis folgt
auch der Verlauf der Stahlspannung, Verbundspan-
Leitet man diese Beziehung nach x ab und setzt nung usw.
(3.3.17) ein, so ergibt sich
Abgeschlossenes Rissbild
(3.3.19) Für das abgeschlossene Rissbild ist die analytische
Lösung der Differentialgleichung wegen der dann
1084 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

vorliegenden Randbedingungen ds(0)/dx >0 schwie- Da eine konstante Verbundspannung aber nicht re-
rig. Man behilft sich hier meist mit Näherungsver- alistisch ist, liegt die Völligkeit Et etwas höher.
fahren und einigen ingenieurmäßigen Annahmen. Rao leitete aus Versuchsbeobachtungen einen mit
Zunächst wird die Verbund-Schlupf-Beziehung der Stahlspannung im Riss Vs2 hyperbolisch ab-
durch ein starr-plastisches Modell idealisiert. Die nehmenden Verlauf
plastische (d. h. konstante) Verbundspannung wird
dabei mit dem zwischen zwei Rissen zu erwar- (3.3.25)
tenden Mittelwert abgeschätzt. Unter Annahme
eines ungefähr linearen Verlaufes für den Schlupf
s(x)=w/2·x/lt erhält man ab [Rao 1966], der auch in den klassischen Riss-
theorien verwendet wird [Martin u. a. 1979]. In
(3.3.23) DIN 1045 Teil 1 wurde konstant Et=0,6 gesetzt,
das entspricht etwa einem parabolischen Verlauf
der Betonzugspannungen zwischen den Rissen
Dies ist ein oberer Grenzwert für die mittlere Ver- [König/Fehling 1988].
bundspannung, da ein linearer Ansatz für s einer Die mittlere Stahlspannung ergibt sich dann aus
zwischen den Rissen konstanten Stahlspannung der Überlegung, dass F=VcAc+VsAs in jedem Schnitt
entspricht, also sehr hohen Lastniveaus, bei denen und somit auch für die Mittelwerte gelten muss, zu
die verbundinduzierten Betonzugspannungen ver-
nachlässigbar sind.
Mit WØ b kann die Eintragungslänge ermittelt wer- (3.3.26)
den, wenn man berücksichtigt, dass definitionsge-
mäß am Ende der Eintragungslänge die Zugfestig-
keit im Beton erreicht wird: Die maximale Betonzugspannung zwischen den
Rissen Vc,max ist vom Rissabstand abhängig. Ist
sr=2lt (oberer Grenzwert), so wird fct definitions-
(3.3.24) gemäß gerade erreicht, für sr=lt (unterer Grenz-
wert) nur ca. 0,5 fct. Der für das mittlere Verfor-
mungsverhalten entscheidende mittlere Rissab-
Entscheidend für die Eintragungslänge ist nicht der stand liegt etwa bei srm=2/3 sr,max. Damit ist bei
Absolutwert der Verbundspannung, sondern deren mittlerem Rissabstand und Bezug auf fct anstelle
Verhältnis zur Zugfestigkeit. Obwohl WØ b u. a. von von Vc,max die Völligkeit Et § 2/3 0,6=0,4. Die mitt-
der Rissbreite w abhängt, wird hierfür in MC 90 und lere Stahlspannung ist dann
DIN 1045 Teil 1 ein konstanter Wert WØ bk/fctm=1,8
(charakteristischer Wert) angesetzt. Dies ist als ver- (3.3.27)
tretbare Näherung zu sehen, da wegen D<<1 die Ab-
hängigkeit von w deutlich unterproportional ist.
Für sehr hohe Bewehrungsgrade U=As/Ac geht Bei bekannten mittleren Spannungen bzw. Deh-
die Eintragungslänge und damit der Rissabstand nungen Hsm,Hcm und bekanntem Rissabstand sr er-
nach Gl. (3.3.24) gegen Null, was aufgrund der gibt sich die Rissbreite zu
Lastausbreitung vom Stahl in den Beton nicht
w = sr · (Hsm – Hcm). (3.3.28)
möglich ist. In [Martin u. a. 1979] wird dies durch
einen konstanten additiven Term, der etwa der Be- Unter Dauerlast wird Vcm durch das Kriechen des
tondeckung entspricht, berücksichtigt. Betons und des Verbunds abgebaut [Rohling 1987],
Für die idealisierte Wb-s-Beziehung ergibt sich wobei als Näherungswert ein Verhältnis von Vmax,’/
ein zwischen den Rissen linearer Verlauf der Be- Vmax,0§2/3 angenommen werden kann. Zur Ermitt-
tonzugspannungen. Die mittlere Betonzugspan- lung der mittleren Stahlspannung unter Dauerlast
nung ergibt sich dann, bezogen auf die maximale muss daher der Völligkeitsbeiwert auf Et=2/3 · 0,4
Spannung zwischen zwei Rissen, zu Vcm= 1/2Vc,max. § 0,25 reduziert werden.
3.3 Massivbau 1085

Abb. 3.3-21 Verringerung der Dehnfähigkeit im Fließbereich

Grundsätzlich sind diese Zusammenhänge auch Bei Biegebalken und hohen Bauteilen sind die
für den Zustand der Bildung von Einzelrissen gül- Zugspannungen – anders als bisher angenommen –
tig. Allerdings ist entsprechend den dann herr- nicht mehr gleichförmig über den Querschnitt ver-
schenden Randbedingungen als Einflussbereich für teilt. Zur Veranschaulichung des Problems wird
die Rissbreite die Länge des gestörten Bereichs, wieder ein zentrisch gezogenes Bauteil betrachtet,
also die doppelte Eintragungslänge, und Et=0,6 zu
setzen.
Erreicht oder übersteigt die Stahlspannung Vs2
die Fließgrenze, so sind die abgeleiteten Bezie-
hungen, die ein elastisches Verhalten des Stahls vor-
aussetzen, nicht mehr gültig. Man beobachtet hier
wegen der im Riss stark zunehmenden Stahldeh-
nungen eine allmähliche Auflösung des Verbunds
und eine Abnahme der mittleren Betonzugspan-
nungen. Da oberhalb der Fließgrenze die V-H-Linie
des Stahls jedoch flacher verläuft als im elasti-
schen Zustand, führt eine geringe Abminderung
der Stahlspannung zwischen den Rissen zu einer
deutlichen Reduktion der mittleren Stahldehnung.
Die plastischen Dehnungen lokalisieren sich in
einem kurzen Bereich am Riss. Das Verhältnis
zwischen Hsm und Hs2 kann daher je nach Verfesti-
gung des Stahls im plastischen Bereich weit gerin-
ger ausfallen als vor Beginn des Fließens (Abb.
3.3-21), was auf die Verformungsfähigkeit plasti-
scher Gelenke (vgl. 3.3.7.1) einen erheblichen Ein-
fluss hat [Alvarez 1998; Eligehausen u. a. 1998]. Abb. 3.3-22 Mitwirkende Zugzone
1086 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

dessen Bewehrung nun allerdings am Rand kon- für heff erhält man aus der Überlegung, dass die riss-
zentriert ist (Abb. 3.3-22). erzeugende Kraft Fcr=Act,eff fct maximal die im un-
Hier treten zwei Typen von Rissen auf, die man gerissenen Zustand im Beton vorhandene Kraft
als Primär- und Sekundärrisse bezeichnet. Sind die erreichen kann.
Spannungen vor der Bildung des Risses über den Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass
Querschnitt gleichmäßig verteilt, so entsteht ein Pri- die abgeleiteten Beziehungen die Rissbildung nur in
märriss, der über die gesamte Höhe durchläuft. Bei der unmittelbaren Umgebung der Bewehrung er-
Bildung der Sekundärrisse ist die Spannungsvertei- fassen können. Bei dem in Abb. 3.3-22 dargestell-
lung im Querschnitt durch die zuvor entstandenen ten Zugstab lässt sich dies leicht erkennen, wenn
Primärrisse bereits gestört, und die über den Ver- man bedenkt, dass die Verträglichkeit der Verfor-
bund auf der Höhe der Bewehrung eingeleiteten mungen eine im Mittel gleiche Verlängerung des
Zugspannungen breiten sich in der in Abb. 3.3-22b Stabes in jeder Höhe erfordert. Dies bedeutet, dass
skizzierten Weise aus. Da weite Teile des Quer- – unter Vernachlässigung der elastischen Beton-
schnitts nahezu spannungsfrei bleiben, verlaufen verformungen – die Breite eines Primärrisses in
die nun entstehenden Risse nur über einen begrenz- der Bauteilmitte der Summe der Breite aller zwi-
ten Bereich auf der Höhe der Bewehrung. schen den Primärrissen gelegenen Sekundärrisse
Zur Vereinfachung wird die glockenförmige am Bauteilrand entsprechen muss.
Spannungsverteilung analog zur Erfassung der
mittragenden Breite bei Plattenbalken durch ein
flächengleiches Rechteck mit gleichem Spitzen- 3.3.6 Statisch bestimmte Balken
wert ersetzt, dessen Höhe als mitwirkende Höhe
3.3.6.1 Beobachtungen im Versuch
heff bezeichnet wird; die zugehörige Fläche ist
dann Act,eff. Die für den Zugstab abgeleiteten Be- Das Verhalten auf Querschnittsebene sowie statisch
ziehungen sind innerhalb der mitwirkenden Fläche bestimmter Konstruktionen wird anhand eines Ein-
näherungsweise wieder gültig. In der Breitenrich- feldträgers erläutert (Abb. 3.3-23). Die Bewehrung
tung des Bauteils erfolgt die Spannungsausbrei- besteht aus einer Biegezugbewehrung mit dem
tung in ähnlicher Weise. Ist die Bewehrung über Querschnitt As1 sowie umlaufenden, geschlossenen
die Breite gleichmäßig verteilt, so kann angenom- und im Abstand s verlegten Bügeln der Querschnitts-
men werden, dass die volle Breite des Querschnitts fläche Asw (Summe aus beiden Schenkeln). Sie ent-
mitwirkt. Bei Plattenbalken mit gezogenem Gurt spricht damit der heute üblichen Konstruktionspra-
und einer im Bereich des Steges konzentrierten xis. Die Belastung wird durch zwei Einzellasten in
Bewehrung ist dagegen die Spannungsausbreitung den Drittelspunkten aufgebracht, es entsteht ein
entsprechend zu berücksichtigen. querkraftfreier Bereich mit konstantem Moment im
Die Ermittlung der mitwirkenden Höhe bzw. mittleren Drittel sowie zwei Bereiche mit konstanter
Breite kann unter Annahme eines Ausbreitungs- Querkraft und linear veränderlichem Moment.
winkels von ca. 45° in Abhängigkeit vom Rissab- Wird eine Belastung aufgebracht und gesteigert,
stand erfolgen [Fischer 1992]: so bleibt das Bauteil zunächst ungerissen. Die ers-
ten Risse entstehen i. d. R. im Bereich des maxima-
(3.3.29) len Moments. Die Verformungen nehmen nun bei
steigender Belastung überproportional zu (Abb.
Meist verzichtet man aber auf eine „genaue“ Er- 3.3-24). Bei Steigerung der Belastung schreitet die
mittlung und setzt unabhängig von sr einen kons- Rissbildung in Richtung der Auflager fort. Ist das
tanten Wert für heff fest, i. Allg. ein Vielfaches des Bauteil auf ganzer Länge gerissen, so ändert sich
Abstands des Bewehrungsschwerpunktes von der das Rissbild nur noch geringfügig.
Bauteiloberfläche d1: Das Rissbild zeigt starke Unregelmäßigkeit, da
es von zufälligen lokalen Schwankungen der Be-
heff = (2…5) · d1. (3.3.30)
tonzugfestigkeit abhängt. Eine Vorhersage des
Genauere Angaben enthält DIN 1045-1; i. Allg. Rissverlaufs ist daher nicht möglich. Jedoch lassen
kann heff = 2,5 d1 gesetzt werden. Eine Obergrenze sich einige Gesetzmäßigkeiten beobachten:
3.3 Massivbau 1087

Abb. 3.3-23 Balkenversuch

– Die Rissabstände schwanken nach Abschluss der


Rissbildung zwischen relativ engen Grenzen. Sie
sind am Querschnittsrand im Bereich der Biege-
zugbewehrung kleiner als in Balkenmitte, wo
sich die Risse zu Sammelrissen vereinigen. Dies
folgt aus dem begrenzten Einflussbereich der
Bewehrung (vgl. Abb. 3.3-22).

Bei Erreichen der Traglast nehmen die Verfor-


mungen stark zu, ohne dass die Last wesentlich ge-
Abb. 3.3-24 Gemessene Verformungen am Versuchsbalken steigert werden kann (duktiles Versagen); u. U. fällt
die Last bei Steigerung der Verformung auch ab
(sprödes Versagen). Es können folgende Versagens-
– Im Bereich des konstanten Moments verlaufen bilder beobachtet werden (Abb. 3.3-23c bis f):
die Risse etwa senkrecht zur Balkenachse.
– Im durch Querkraft beanspruchten Bereich zei- – An einer beliebigen Stelle des mittleren Bal-
gen die Risse einen mit etwa 40° bis 45° gegen kendrittels erreicht die Bewehrung die Fließgren-
die Balkenachse geneigten Verlauf. ze. Die Rissbreite nimmt dort stark zu, und die
1088 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Rissspitze wandert in Richtung der Druckzone, resultierende Schnittgrößen, der Index R (von engl.
bis schließlich mit dem Erreichen der maximalen resistance) den Widerstand des Bauteiles; zsi, Asi , Vsi
Stahldehnung der Bruch der Bewehrung eintritt. bezeichnen Lage, Querschnittsfläche und Spannung
Ein solcher Versagensmechanismus lässt sich nur der einzelnen Stäbe der Biegezugbewehrung, evtl. zu
bei Bauteilen mit relativ geringen Mengen an Bewehrungslagen zusammengefasst. Da Gl. (3.3.31)
Biegezugbewehrung beobachten. lediglich das Gleichgewicht enthält, gilt sie unabhän-
– Bei einer starken Biegezugbewehrung wird der gig von kinematischen Annahmen und dem Verhal-
Beton in der Druckzone zerstört, indem auf einer ten der Baustoffe. Zur analytischen Betrachtung des
begrenzten Länge ein etwa dreiecksförmiger Problems müssen hierfür jedoch Annahmen getrof-
Körper herausgesprengt wird. fen werden. So wird in ausreichender Entfernung
– Tritt das Versagen im Bereich zwischen den von den Lasteinleitungsstellen entsprechend den üb-
Lasteinleitungsstellen und den Auflagern auf, so lichen Annahmen der Balkentheorie zunächst ein
kommt es i. d. R. zu einem Fließen der Bügel- Ebenbleiben der Querschnitte sowie starrer Verbund
bewehrung mit sich anschließender starker Auf- zwischen Stahl und Beton unterstellt, d. h. die Deh-
weitung der geneigten Risse und schließlich zum nung der Bewehrung ist gleich der des umgebenden
Bruch der Bügel. Betons. Die Dehnung H kann dann durch die beiden
– Bei Balken mit sehr starker Bügelbewehrung Parameter Krümmung N und Längsdehnung der
kann der Beton im Bereich des Steges zerstört Schwerachse H0 vollständig beschrieben werden:
werden. Dies ist allerdings eher bei profilierten
Bauteilen (z. B. Plattenbalken mit dünnen Stegen) H(z) = H0 + N z. (3.3.32)
als bei Rechteckquerschnitten zu erwarten.
Umgekehrt kann die Krümmung aus der Dehnung
Die einzelnen Mechanismen können auch kombi- in zwei Punkten, z. B. am gedrückten Querschnitts-
niert auftreten, beispielsweise als Versagen der rand und in der Zugbewehrung, bestimmt werden:
Druckzone nach dem Fließbeginn der Biegezugbe-
wehrung. Das Bauteilversagen ist jedoch immer ein (3.3.33)
lokales Phänomen, findet also in räumlich begrenz-
ten Bereichen statt, während der Rest des Bauteils
weitgehend intakt bleibt. Neben den geschilderten Zustand I
können noch sekundäre Versagensmechanismen Bis zum Beginn der Rissbildung lässt sich das Ver-
(Verankerungsversagen usw.) auftreten. halten des Betons i. Allg. durch ein linearisiertes
Stoffgesetz der Form Vc=Hc Ec approximieren. Es
gelten dann in guter Näherung die aus der linearen
3.3.6.2 Biegebeanspruchung
Elastizitätstheorie bekannten Zusammenhänge:
Grundlagen
Das mittlere Drittel des in Abb. 3.3-23 dargestellten (3.3.34)
Balkens wird nur durch ein Biegemoment MS=Pl/3
beansprucht (NS=VS=0). Das Gleichgewicht in einem
Schnitt senkrecht zur Stabachse erfordert Span- Einzige Besonderheit ist das Zusammenwirken der
nungen in Balkenlängsrichtung, die die folgenden Baustoffe Stahl und Beton mit unterschiedlichen
allgemeinen Gleichgewichtsbedingungen erfüllen: Steifigkeiten im Querschnitt. Da in der Bewehrung
bei gleicher Dehnung höhere Spannungen entstehen,
verhalten sich bewehrte Bauteile auch im ungeris-
(3.3.31) senen Zustand etwas steifer als unbewehrte. Dies
kann durch ideelle Querschnittswerte (Index i) erfasst
werden. Bei der Ermittlung von Ai, Ii, Wi werden die
Bewehrungsflächen im Verhältnis der E-Moduln D=
Der Index S (von engl. Stress; in DIN 1045-1 Index Es/Ec gewichtet (Abb. 3.3-25). Der Schwerpunkt des
E für Einwirkung) bezeichnet aus den Einwirkungen ideellen Querschnittes Mi fällt bei unsymmetrischer
3.3 Massivbau 1089

(3.3.35)

Ncr, Mcr werden als „Rissschnittgrößen“ bezeichnet.

Reiner Zustand II
Mit dem Überschreiten der Zugfestigkeit fallen die
Betonzugspannungen in den gerissenen Bereichen
Abb. 3.3-25 Ideelle Querschnittswerte eines Rechteckquer- auf Null ab. Zur Erfüllung der Gleichgewichtsbedin-
schnittes gung stehen nun im wesentlichen Betondruckspan-
nungen und Stahlzugspannungen zur Verfügung; der
Bewehrung nicht mit dem des Betonquerschnitts M an der Lastabtragung beteiligte Querschnitt reduziert
zusammen. Gleichung (3.3.34) gilt daher streng ge- sich auf Druckzone und Bewehrung (Abb. 3.3-26).
nommen nur, wenn als Bezugsachse für die Wirkung Die Spannungen in der Bewehrung und im Beton am
der Normalkraft Mi gewählt wird. gedrückten Querschnittsrand nehmen stark zu. Die
Allerdings ist der Unterschied zwischen den Aktivierung der Bewehrung erfolgt also erst mit der
ideellen Werten und denen des reinen Betonquer- Rissbildung, die damit ein fundamentaler Bestand-
schnitts und damit die Wirkung der Bewehrung im teil der Stahlbetonbauweise ist.
Zustand I i. Allg. vernachlässigbar. Dies ist offen- Der zu einer Beanspruchung gehörende Deh-
sichtlich, da die Dehnung des Stahls hier die Zug- nungszustand muss i. Allg. iterativ ermittelt werden.
bruchdehnung des Betons von ca. 0,1‰ nicht Dies kann in der Handrechnung durch eine Variati-
übersteigen kann und sich somit Stahlspannungen on der Dehnungen Hs1, Hc2 geschehen. Hierfür wer-
von maximal Vs=Es/Ec·fct§ 20MPa ergeben, also den die Betondruck- und Zugspannungen zu Resul-
nur ein Bruchteil der Fließspannung. tierenden Fc, Fs1 zusammengefasst. Die Gleichge-
Die Grenze des ungerissenen Bereichs ergibt wichtsbedingung vereinfacht sich dann zu
sich durch das Erreichen der Zugfestigkeit am
Querschnittsrand. Allerdings dürfen hierbei nicht MS = –Fc(zso–a)+Fs1(zsu–d1), (3.3.36)
nur die aus den Schnittgrößen resultierenden Span- NS = Fc + Fs1.
nungen betrachtet werden, da diese immer von
Eigenspannungszuständen infolge ungleichmäßigen Wählt man als Bezugspunkt für das Momenten-
Schwindens usw. überlagert werden. Die Größe der gleichgewicht die Achse der Zugbewehrung, so er-
entstehenden Eigenspannungen ist von den Abmes- gibt sich stattdessen mit dem inneren Hebelarm z
sungen des Bauteils, den Erhärtungsbedingungen
usw. abhängig und kaum quantifizierbar; sie wer- MS – NS zs1 = –Fc z, NS = Fc + Fs1 (3.3.37)
den daher meist durch eine Minderung der Zugfes-
tigkeit (Materialeigenschaft) zur nutzbaren Zugfes- oder
tigkeit im Bauwerk (Bauteileigenschaft) berück- (3.3.38)
sichtigt:

Abb. 3.3-26 Spannungen und resultierende Kräfte im Zustand II


1090 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Für den häufigen Fall der reinen Biegung ist Fs1=


(3.3.41)
–Fc=MS/z.
Computerorientierte Verfahren bestimmen in je-
dem Iterationsschritt i für einen geschätzten Verzer- Für ein linear-elastisches Stoffgesetz entsprechen
rungszustand Hi=(H0i, Ni)T nach Gl. (3.3.31) den zu- die Hauptdiagonalglieder von E unter Bezug auf
gehörigen Schnittgrößenvektor Vi=(NRi, MRi)T. Falls die Hauptachsen des Systems (z=0 im Schwer-
dieser mit den angreifenden Schnittgrößen P=(NS, punkt) den elastischen Steifigkeit EcAi bzw. EcIi;
MS)T nicht im Gleichgewicht steht, verbleibt ein die Koppelglieder auf den Nebendiagonalen ver-
Ungleichgewichtsvektor Ri=P–Vi, aus dem ein ver- schwinden.
besserter Dehnungszustand Hi+1 ermittelt werden Die exakte Erfüllung des Gleichgewichtes ist
muss. Beim Newton-Raphson-Verfahren geschieht i. Allg. nicht möglich. Daher wird die Iteration ab-
dies durch eine Taylor-Reihenentwicklung des gebrochen, wenn die Restkräfte unter eine zu defi-
Schnittgrößenvektors nach den Verzerrungen: nierende Schranke fallen (z. B. ||Ri|| < G · ||P||).
Für den Fall der Biegung um zwei Achsen
(MSy0, MSz  0) lässt sich das Verfahren mit den
drei unbekannte Verformungsgrößen H0,Ny,Nz ver-
allgemeinern.
Als Ergebnis erhält man eine Beziehung zwi-
(3.3.39) schen den einwirkenden Momenten und den Krüm-
mungen des Bauteils (M-N-Beziehung) und den
Längsdehnungen der Schwerachse (Abb. 3.3-27).
Sie ist wesentlich durch Rissmoment, Fließmo-
ment und Bruchmoment gekennzeichnet, zwischen
Legt man diese linearisierte Form der Schnittgrö- denen die Kurven näherungsweise geradlinig ver-
ßen-Verzerrungs-Beziehung der Gleichgewichtsfin- laufen. Daher begnügt man sich zur Vermeidung
dung zugrunde, so ergibt sich Hi+1= Hi+' Hi; 'H er- einer Iteration häufig mit der Bestimmung von
hält man durch Invertieren von Gl. (3.3.39), indem Riss-, Fließ- und Bruchmoment sowie den zugehö-
man Vi+1=P setzt. Durch wiederholtes Anwenden rigen Krümmungen. Dazwischen kann dann nähe-
dieser Iterationsvorschrift nähert man sich im Ideal- rungsweise linear interpoliert werden.
fall dem richtigen Verzerrungszustand an. In der Mit dem Aufreißen des Querschnitts wandert
Praxis können wegen der starken Nichtlinearität des die Nulllinie in Richtung des gedrückten Quer-
Problems Konvergenzschwierigkeiten auftreten, die schnittsrandes. So entsteht auch unter reiner Bie-
ggf. Modifikationen des Verfahrens erfordern. gung eine Längsdehnung in der Schwerachse des
Die partiellen Ableitungen der Schnittgrößen Querschnitts. Die aus der elastischen Stabstatik
nach den Verzerrungen in Gl. (3.3.39) können bekannte Entkopplung von Normalkraft und Mo-
durch eine Integration der Tangentenmoduln dVdH ment bzw. Krümmung und Längsdehnung geht
über den Querschnitt verloren.
Nach dem Erreichen der Fließgrenze in der Be-
wehrung ist eine Steigerung des Moments durch
die Verfestigung der Bewehrung möglich. Zudem
nimmt der innere Hebelarm z weiter zu, da bei Ver-
größerung der Krümmung die Höhe der Beton-
(3.3.40) druckzone ab- und die Randstauchung des Betons
zunimmt. Das Versagen tritt ein, wenn die Krüm-
mung so weit angewachsen ist, dass entweder die
Bewehrung ihre Bruchdehnung erreicht hat (Zug-
oder näherungsweise durch einen Differenzenquo- versagen), was nur bei sehr geringen Bewehrungs-
tienten gebildet werden, z. B. graden der Fall ist, oder die Druckzone infolge der
Reduzierung ihrer Höhe nicht mehr in der Lage ist,
3.3 Massivbau 1091

Abb. 3.3-27 Momenten-Krümmungs-Beziehung nach Rechnung und Versuch (Ns = 0)

der Stahlzugkraft das Gleichgewicht zu halten schrieben. Ein solches im Rahmen der Bemessung
(Druckversagen). zu lösen, übersteigt den vertretbaren Aufwand je-
Die in Abb. 3.3-27 dargestellten Beziehungen doch erheblich. Daher ist es sinnvoll, die Gültigkeit
gelten für die Erstbelastung. Da bei einer Entlas- der bisher getroffenen Annahmen in ggf. modifi-
tung die Risse nicht vollständig geschlossen wer- zierter Form für die Berechnung zu prüfen.
den und irreversible Dehnungsanteile in Beton und
Bewehrung verbleiben, geht die Krümmung auch Kinematik. Den prinzipiellen Verlauf der Span-
bei vollständiger Entlastung nicht auf Null zurück. nungen zwischen den Rissen eines Biegebauteils
Bei Wiederbelastung folgt die Kurve der Entlas- zeigt Abb. 3.3-28. Es ist offensichtlich, dass ebene
tungslinie bis zur Einmündung in die Erstbelas- Dehnungsverteilungen die Wirklichkeit an einzel-
tungskurve. Die aus einer Beanspruchung resultie- nen Stellen kaum wiedergeben können. Betrachtet
rende Verformung ist daher nicht eindeutig, son- man allerdings einen längeren Abschnitt eines Bie-
dern pfadabhängig, d. h. abhängig von den vorher gebauteils mit (näherungsweise) konstanter Mo-
durchlaufenen Beanspruchungen. mentenbeanspruchung, so erzwingt die Kompati-
bilität im Mittel über die Risse hinweg trotzdem
Mittleres Verhalten im Zustand II ein Ebenbleiben der Querschnitte.
Beim Vergleich mit den Versuchsergebnissen (Abb. Bei der Betrachtung mittlerer Verzerrungszu-
3.3-27) zeigt sich, dass die auf diese Weise rechne- stände erscheint die Anwendung der Bernoul-
risch ermittelten Riss-, Fließ- und Bruchmomente lischen Hypothese daher vertretbar. Sie beschreibt
das beobachtete Verhalten im Rahmen der Streu- das Verhalten des gerissenen Betons umso besser,
ungen der Materialeigenschaften zwar gut wieder- je kleiner die Rissabstände im Bauteil sind. Für
geben, die zugehörigen Krümmungen die Steifigkeit den theoretischen Fall verschwindender Rissab-
des Bauteils jedoch z. T. erheblich unterschätzen. stände gilt sie streng, für Stahlbetonbauteile mit im
Die Gründe hierfür sind offensichtlich: Bisher wur-
den gleichförmige Spannungen entlang der Balken-
achse vorausgesetzt; das beobachtete Rissbild zeigt
dagegen erwartungsgemäß Risse in endlichen Ab-
ständen. Während in den Rissen die Betonzugspan-
nungen gegen Null gehen, werden in den Bereichen
zwischen den Rissen durch den Verbund der Be-
wehrung und die Ausstrahlung der in der Druckzone
wirksamen Spannungen Zugspannungen in den Be-
ton eingeleitet. Das Verhalten eines gerissenen
Stahlbetonbalkens unter Biegung wird also durch Abb. 3.3-28 Verlauf der Betonspannungen zwischen zwei
ein komplexes, nichtlineares Scheibenproblem be- Rissen (qualitativ)
1092 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Verbund liegender Bewehrung in hinreichend guter Stahls, bei der die Linie des „nackten“ Stahls durch
Näherung, solange sichergestellt ist, dass die Riss- die eines im Beton eingebetteten Zugstabs ersetzt
abstände ausreichend klein bleiben. Hierfür ist wird. Man verwendet also anstelle der realen Stahl-
eine Mindestbewehrung erforderlich, die in der dehnung die über die Risse hinweg gemittelte Hsm,
Lage sein muss, die Rissschnittgrößen des Quer- wobei der Einfachheit halber häufig auch die Be-
schnitts aufzunehmen. Dies wird in den normati- tonzugspannungen des Zustands I der Bewehrung
ven Mindestanforderungen an die bauliche Durch- zugeschlagen werden. Die modifizierte Arbeitsli-
bildung geregelt. nie ist keine Materialkonstante mehr, sondern vom
Bewehrungsgrad des Bauteils abhängig.
Stoffgesetze. Bei Verwendung einer Kinematik mit Die verschmierte Betrachtung liefert einen mitt-
in der Balkenlängsrichtung „verschmierten“ Rissen leren Dehnungszustand. Da jedoch im Riss die
liegt es nahe, die Wirkung des Verbunds durch mo- Höhe der Betondruckzone kleiner ist als im Mittel,
difizierte, über die Risse gemittelte Stoffgesetze werden der innere Hebelarm im Riss und die Bean-
(Abb. 3.3-29) zu berücksichtigen, etwa durch An- spruchungen in der Druckzone unterschätzt. Bei
satz einer mittleren Betonzugspannung im Bereich der Ermittlung des Bruchmoments wird daher
der mitwirkenden Zugzone. Dies erfordert aller- i. d. R. der reine Zustand II unter Vernachlässigung
dings die Formulierung unterschiedlicher Stoffge- der Mitwirkung des Betons auf Zug und unter An-
setze für den Beton innerhalb und außerhalb von nahme einer ebenen Verteilung der Dehnungen im
heff. Auch ist zu beachten, dass bei Ansatz einer Rissquerschnitt betrachtet. Wenngleich die letzte
konstanten Betonzugspannung Vcm die Fließgrenze Annahme mechanisch streng genommen nicht ge-
der Bewehrung künstlich erhöht wird, da die Zug- rechtfertigt ist, liefert dieses Vorgehen eine sehr
tragfähigkeit des Betons zwar im Mittel, nicht je- gute Abschätzung der wirklichen Verhältnisse.
doch im Riss selbst vorhanden ist. Daher werden die Der Dehnungszustand unter einem gegebenen
Betonzugspannungen bei Erreichen der Fließspan- Moment ist bei gerissenen Bauteilen stark von der
nung in der Bewehrung i. Allg. zu Null gesetzt [Kol- vorhandenen Bewehrung und gleichzeitig wirken-
legger 1988]. Zur Berücksichtigung der verminder- den Normalkräften abhängig.
ten Dehnfähigkeit der eingebetteten Bewehrung
sollte dann die Bruchdehnung der Bewehrung zu- Einfluss des Bewehrungsgrades. Abbildung 3.3-30a
sätzlich reduziert werden (vgl. Abb. 3.3-21). zeigt Momenten-Krümmungs-Beziehungen unter
Die andere Möglichkeit besteht in der Modifi- reiner Biegung für verschiedene Bewehrungsgrade
kation der Spannungs-Dehnungs-Beziehung des U=As/bd. Die Bewehrung ist hier nur auf der Zug-
seite angeordnet.
Im ungerissenen Zustand ist der Einfluss ge-
ring. Im gerissenen Zustand steigt die Steifigkeit
dagegen mit dem Bewehrungsgrad erheblich an,
ebenso Fließ- und Bruchmoment. Der Unterschied
zwischen dem mittleren Verhalten und dem reinen
Zustand II nimmt mit steigendem Bewehrungsgrad
ab, da der Rissabstand kleiner wird und die mittle-
ren Betonzugspannungen für das Gleichgewicht
zunehmend an Bedeutung verlieren.
Besonders ausgeprägt ist der Einfluss auf die
Krümmung im Bruchzustand. Bei kleinen Beweh-
rungsgraden ist sie relativ gering. Zwar erreicht
hier die Bewehrung im Riss ihre Bruchdehnung,
wegen des bei geringen Bewehrungsgraden sehr
stark ausgeprägten Tension-stiffening-Effekts wird
Abb. 3.3-29 Möglichkeiten zur Berücksichtigung der Mit- die mittlere Stahldehnung und damit die mittlere
wirkung des Betons zwischen den Rissen Krümmung im Vergleich zum Rissquerschnitt je-
3.3 Massivbau 1093

Abb. 3.3-30 M-k-Beziehungen (reiner Zustand II und mittleres Verhalten)

doch stark reduziert. Mit zunehmendem Beweh- ringert (N>0), vgl. Gl. (3.3.35). Der Abfall der Stei-
rungsgrad nimmt das Verhältnis Hsm/Hs2 zu, bis Nm figkeit bei Rissbildung nimmt mit zunehmender
bei U § 0,4%…0,6% sein Maximum erreicht. Die- Drucknormalkraft ab, da die im Zustand I unter Zug-
ser Punkt markiert den Übergang vom Zugversa- spannungen stehende Fläche und somit die Quer-
gen zum Druckversagen. schnittsverminderung bei Rissbildung kleiner wird.
Bei hohen Bewehrungsgraden tritt Versagen in Für den Fall des Zugversagens führt eine Ver-
der Druckzone auf, bevor die Bewehrung im Riss größerung der Drucknormalkraft zu einer Zunah-
ihre Bruchdehnung erreicht. Die Bruchkrümmung me der Fließ- und Bruchmomente und damit der
nimmt entsprechend der im Vergleich zur Beweh- Querschnittstragfähigkeit. Die Krümmung im
rung geringen Duktilität des Betons mit steigendem Bruchzustand wird durch eine Vergrößerung der
Bewehrungsgrad ab. Bei sehr hohen Bewehrungs- Drucknormalkraft ähnlich beeinflusst wie durch
graden kommt es bereits vor dem Fließbeginn in der eine Erhöhung des Bewehrungsgrades.
Bewehrung zum Versagen der Druckzone. Diese
Bewehrungsgrade sind als kritisch zu beurteilen, Tragfähigkeit im GZT
da ihre plastische Verformungsfähigkeit gleich Bei der Bemessung im Grenzzustand der Tragfä-
Null ist (nahezu sprödes Versagen). Für Druckver- higkeit ist nachzuweisen, dass der Querschnitt un-
sagen lässt sich Nu im Wesentlichen auf die Höhe ter Ansatz der Bemessungswerte der Festigkeiten
der Druckzone x und die Bruchdehnung des Be-
tons zurückführen: (3.3.43)
(3.3.42)
die Bemessungswerte der einwirkenden Schnitt-
Bei sehr gering bewerten (unterbewehrten) Quer- größen NSd, MSd aufnehmen kann. Die Verteilung
schnitten kann die Bewehrung im gerissenen Zu- der Betondruckspannungen wird nach dem Para-
stand das bei Rissbildung vorhandene Moment bel-Rechteck-Diagramm (PRD) angenommen.
nicht aufnehmen, so dass es beim Aufreißen zum Eine Mitwirkung des Betons auf Zug darf im GZT
schlagartigen Versagen kommt. nicht in Ansatz gebracht werden, da sie wegen
möglicher Eigenspannungszustände oder Vorschä-
Einfluss einer Normalkraft. Abbildung 3.3-30b zeigt digungen nicht mit ausreichender Sicherheit vor-
Momenten-Krümmungs-Beziehungen für verschie- ausgesetzt werden kann.
dene Normalkräfte und U1=U2=1%. Durch Normal- Der Grenzzustand ist dabei durch das Erreichen
kräfte wird das Rissmoment erhöht (N<0) bzw. ver- einer Grenzdehnung in der Bewehrung oder im Be-
1094 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

ton definiert. Weder die Grenzdehnungen noch das In der Regel sind im Grenzzustand der Tragfä-
PRD geben das wirkliche Materialverhalten wieder, higkeit nicht die bei gegebener Bewehrung auf-
sondern stellen starke Idealisierungen dar, was zu- nehmbaren Schnittgrößen gesucht, sondern die zur
sätzliche Einschränkungen erforderlich macht. Im Aufnahme gegebener Schnittgrößen erforderliche
Fall eines zentrisch gedrückten Querschnitts wird Bewehrung. Im Unterschied zum Vorgehen im
nach dem PRD die Bruchstauchung und die Völlig- Stahl- und Holzbau liegen die äußeren Quer-
keit der Spannungsverteilung im Beton überschätzt. schnittsabmessungen i. Allg. bereits fest. Die An-
Daher ist in solchen Fällen eine zusätzliche Deh- passung an die wirkende Beanspruchung erfolgt
nungsbeschränkung auf Hc > Hc2 erforderlich. allein durch die Wahl der Bewehrung. Dabei liegt
Alle bei gegebener Querschnittsgeometrie (Form es aus wirtschaftlichen Gründen nahe, die Tragfä-
und Bewehrungsgrad) möglichen Bruchzustände higkeit des Querschnitts voll auszuschöpfen und
erhält man, indem entweder die Beton- oder die As so zu bestimmen, dass (MSd, NSd)=(MRd, NRd)
Stahldehnung gleich dem Grenzwert gesetzt und die erfüllt ist. Unter dieser Bedingung ist die Bemes-
jeweils andere Dehnung innerhalb der zulässigen sungsaufgabe zwar eindeutig lösbar, erfordert je-
Grenzen variiert wird. Die Querschnittsintegration doch meist ein iteratives Vorgehen.
liefert die Grenzkurve aller aufnehmbaren Schnitt- Hierfür ist es sinnvoll, bei der Gleichgewichts-
größenkombinationen NSd, MSd, die sich in Form findung den Bezugspunkt für ™ M in die Achse der
eines Interaktionsdiagramms darstellen lässt (Abb. Zugbewehrung zu verlegen. Das wirkende Mo-
3.3-31). Der unbewehrte Querschnitt kann demnach ment ist dann
nur Biegemomente aufnehmen, wenn gleichzeitig
Drucknormalkräfte wirken, d. h. die um die Exzent- MSds = MSd – NSd zs1 (3.3.44)
rizität e=MSd/NSd verschobene Normalkraft inner-
halb des Querschnitts angreift. Für den einseitig Für den nur auf der Biegezugseite bewehrten Quer-
bewehrten Querschnitt ist die Kurve unsymmet- schnitt folgt dann die resultierende Betondruckkraft
risch. Eine begrenzte Aufnahme von Zugnormal- Fcd=–MSds/z. Ihre Größe und Lage kann bei recht-
kräften ist nur bei gleichzeitiger Wirkung von Bie- eckigen Druckzonen mit den von der Randstauchung
gemomenten möglich. abhängigen Hilfswerten DR, ka ermittelt werden:
Für symmetrische Bewehrung ist die Kurve
symmetrisch zur Achse MSd=0. Das maximale Mo- Fcd =–DR x b fcd, a = ka x . (3.3.45)
ment ergibt sich bei einer Normalkraft von NSd§–
0,4fcd Ac. Für größere Druckkräfte wird die Fließ- Die Höhe der Druckzone folgt dabei aus der ebe-
grenze der Bewehrung nicht mehr erreicht. nen Dehnungsverteilung:

(3.3.46)

Damit lässt sich die Gleichgewichtsbedingung in


die folgende dimensionslose Form bringen:

(3.3.47)

Hierin sind Hs1,Hc2 unbekannt. Da aber im GZT de-


finitionsgemäß entweder Hs1=Hsu oder Hc2=Hc2u gilt,
enthält Gl. (3.3.47) nur noch eine Unbekannte.
Abb. 3.3-31 Interaktionsdiagramme für symmetrisch be- Im Momentengleichgewicht taucht die Kraft Fs1d
wehrte, einseitig bewehrte und unbewehrte Querschnitte (C nicht auf; sie kann nach der Ermittlung von Fcd aus
30/37, p=1% je Lage) dem Gleichgewicht der Normalkräfte NSd=Fcd+Fs1d
3.3 Massivbau 1095

bestimmt werden. Die Bewehrungsmenge ergibt Für den Fall des Betonversagens kann es sinn-
sich dann zu voll sein, die Druckzone mit einer Druckbeweh-
rung As2 zu verstärken. Dies gilt insbesondere
dann, wenn für den aus Gl. (3.3.47) resultierenden
(3.3.48) Dehnungszustand die Fließgrenze der Bewehrung
nicht erreicht wird, da in diesem Fall
– die im Vergleich zum Beton teure Bewehrung
nicht optimal ausgenutzt wird (die Summe aus
mit
Druckbewehrung und Zugbewehrung ist kleiner
als die erforderliche Zugbewehrung bei Ver-
(3.3.49)
zicht auf die Druckbewehrung) und
– das Versagen ohne vorheriges Fließen der Be-
wehrung, d. h. ohne Ankündigung des Versa-
Die Bewehrung erreicht dabei i. Allg. die Fließ-
gens durch Bildung breiter Risse, erfolgt.
grenze (Vs1•fyd).
Wegen der dimensionslosen Darstellung gilt die Für diesen Fall erweitert sich Gl. (3.3.47) um den
für eine bezogene Beanspruchung —Sds gewonnene Momentenanteil der Druckbewehrung Fs2d(d–d2)
Lösung für Rechteckquerschnitte mit beliebigen und ist mit den zwei Unbekannten Hs1 und As2 ohne
Abmessungen und Betonfestigkeiten, sofern die Einführung einer Zusatzbedingung nicht mehr ein-
Funktionen DR, ka sich nicht ändern. Dies ist bei deutig lösbar. Fordert man lediglich das Erreichen
normalfesten Betonen der Fall, weshalb hier die Lö- der Fließgrenze in der Zugbewehrung, so liegt mit
sung der Bemessungsaufgabe in Diagrammform Hs1=fyd/Es der Dehnungszustand vollständig fest;
einzig für den Eingangsparameter —Sds dargestellt aus diesem folgt der Traganteil des Betons Fcd z
werden kann (Abb. 3.3-32). Bei hochfesten Betonen und somit
ist eine Darstellung unabhängig von der Betonfes-
tigkeit wegen der sich ändernden Form des PRD (3.3.50)
nicht mehr möglich; hier sind für jede Festigkeits-
klasse eigene Bemessungshilfsmittel erforderlich
[Zilch/Rogge 2000; Zilch/Zehetmaier 2010]. Bei statisch unbestimmten Systemen können wei-
tere Begrenzungen für den Dehnungszustand nötig
werden.
In einem weiten Bereich von —Sds erreicht die
Randstauchung des Betons den Grenzwert von
Hc2u. Für diese Fälle ist es möglich, die Spannungs-
verteilung nach dem Parabel-Rechteck-Diagramm
durch einen Spannungsblock mit einer konstanten
Spannung Vc=fcd zu ersetzen. Begrenzt man den
Wirkungsbereich auf 0,8x, so stimmt seine Resul-
tierende bei rechteckigen Druckzonen nach Lage
und Größe mit der des PRD überein. Die Bestim-
mungsgleichung für die Nulllinienlage vereinfacht
sich dann zu einer quadratischen Gleichung

–Fcd z = fcd 0,8x b(d – 0,4x) = MSds (3.3.51)

mit der Lösung

Abb. 3.3-32 Allgemeines Bemessungsdiagramm für nor- (3.3.52)


malfesten Beton
1096 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Obwohl sie streng genommen nur für den Bereich Für den allgemeinen Fall erhält man durch ein-
des Betonversagens gilt, ist sie auch für Beanspru- faches Umformen eine kubische Bestimmungs-
chungen mit Stahlversagen eine sehr gute Näherung, gleichung für [, die analytisch oder numerisch ge-
da in diesem Fall die bezogene Druckzonenhöhe [ löst werden kann. Für die praktische Anwendung
klein ist und sich ein Fehler bei der Völligkeit der findet sich eine Darstellung der Lösung in Dia-
Druckspannungen nur geringfügig auf den inneren grammform z. B. in [Grasser u. a. 1996].
Hebelarm z auswirkt. Wesentliche Vorteile ergeben Für den häufigen Fall der reinen Biegung ohne
sich aus der Anwendung des Spannungsblocks aber Normalkraft vereinfacht sich Gl. (3.3.56) zu einer
erst bei komplizierteren Querschnittsformen, z. B. quadratischen Gleichung mit der Lösung
bei Biegung um zwei Achsen. Hier kann die Druck-
zone auch bei Rechteckquerschnitten komplexe For-
men annehmen, was die Ermittlung der Resultie- (3.3.57)
renden Fcd bei Anwendung des PRD erschwert.
Die effektive Biegesteifigkeit (reiner Zustand II)
Nachweise im GZG ergibt sich zu
Wegen der Begrenzung der Spannungen im Beton
auf Werte weit unterhalb der Festigkeit kann (3.3.58)
Vc=Ec·Hc gesetzt werden. Hierfür können geschlos-
sene Lösungen für die Spannungsverteilung im
Zustand II abgeleitet werden. Für ein lineares Häufig wird der innere Hebelarm im GZG aus der
Stoffgesetz und eine ebene Dehnungsverteilung ist Bemessung im GZT übernommen oder pauschal
die Spannungsverteilung dreiecksförmig und z=d– mit z § (0,8…0,9) d abgeschätzt. Dies ist bei Stahl-
x/3. Die Randspannung infolge des auf die Stahl- betonbauteilen mit üblichen Bewehrungsgraden
achse bezogenen Moments Ms ergibt sich für Quer- zur Ermittlung der Stahlspannungen gerechtfertigt,
schnitte ohne Druckbewehrung zu erlaubt jedoch keine Ermittlung der Betonspan-
nungen, da x nicht bekannt ist.
(3.3.53)
Begrenzung der Stahlspannungen. Die Betonstahl-
spannungen sind im GZG so zu begrenzen, dass kei-
Die Stahldehnung ist dann ne plastischen Verformungen entstehen. Da die
Plastifizierung irreversibel ist (die plastische Deh-
(3.3.54) nung bleibt auch nach einer Entlastung), ist dies
eine Grundvoraussetzung für eine Beschränkung
der Rissbreite. Nach DIN 1045 Teil 1 ist daher nach-
Das Gleichgewicht der Normalkräfte N=Fc+Fs lie- zuweisen, dass unter der seltenen Einwirkungskom-
fert schließlich die Bestimmungsgleichung für die bination Vs<0,8 fyk ist. Bei statisch bestimmten Bau-
Druckzonenhöhe: teilen wird dies i. Allg. nicht maßgebend.

(3.3.55) Begrenzung der Betonspannungen. Eine Begrenzung


der Betondruckspannung im GZG wird durch die
Mit den bezogenen Größen bei einer Spannung von ca. 0,4 fc einsetzende und
ab ca. (0,6…0,8) fc bereits zu einer fortschrei-
tenden Auflösung des Betongefüges führende Mi-
krorissbildung erforderlich. Diese erreicht im Be-
reich (0,4…0,6) fc einen stabilen Zustand. Mit der
ergibt sich die dimensionslose Darstellung Vereinigung zu Makrorissen oder gar einem Versa-
gen ist hier i. Allg. nicht zu rechnen, wohl aber mit
(3.3.56) einer überproportionalen Zunahme der Kriechdeh-
nungen.
3.3 Massivbau 1097

DIN 1045 Teil 1 fordert daher in Fällen, in denen kann, sollte sie nicht als Ersatz für eine Begren-
die Gebrauchstauglichkeit oder Tragfähigkeit durch zung der Rissbreite angesehen werden.
Kriechverformungen beeinträchtigt wird, eine gene-
relle Beschränkung der quasi-ständigen Beton- Begrenzung der Rissbreite. Die Rissbildung in nicht
druckspannungen auf 0,45 fck. Diese Forderung ist vorgespannten Stahlbetonbauteilen ist Bestandteil
mitunter sehr restriktiv, da die Auswirkung der der Bauweise und i. Allg. kaum zu vermeiden. Die
nichtlinearen Kriechverformungen auf das Bauteil- Breite der Risse muss jedoch aus verschiedenen
verhalten von der Art der Beanspruchung und der Gründen begrenzt werden (vgl. DBV-Merkblatt
Querschnittsgeometrie abhängen. Unter reiner Bie- „Begrenzung der Rissbildung“):
gung führt das erhöhte Kriechen bei gedrungenen Zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes der
Querschnitten zu einer Umlagerung der Druckspan- Bewehrung und damit der Dauerhaftigkeit sind die
nungen von den stärker beanspruchten Randberei- Rissbreiten bei Stahlbetonbauteilen auf 0,3 mm
chen in das Bauteilinnere und somit zu einer Abnah- (0,4 mm bei Innenbauteilen) zu beschränken (vgl.
me der Randspannungen (vgl. 3.3.10.2). Die Aus- 3.3.1.1). Da dies dem langfristigen Erhalt der Trag-
wirkungen auf die Querschnittssteifigkeit bleiben fähigkeit dient, sind diese Grenzwerte verbindlich.
dann gering [Zilch/Fritsche 1999], weshalb die Be- Die Karbonatisierung der Rissufer ist ein langfristi-
schränkung bei solchen Bauteilen weniger streng ger Prozess, eine kurzzeitige Überschreitung der
gehandhabt werden kann. Bei im wesentlichen zen- zulässigen Rissbreiten erscheint daher unbedenk-
trisch gedrückten Bauteilen oder Bauteilen mit aus- lich, sofern sich die Risse bei Rückgang der Belas-
geprägten Druckgurten ist diese Umlagerung dage- tung weitgehend wieder schließen. Die Nachweise
gen nicht möglich. der Rissbreitenbegrenzung können daher unter der
Bei Spannungen über 0,6 fck ist mit der Bildung quasi-ständigen Lastkombination mit dem zeit-
von Makrorissen parallel zur Hauptdruckspan- lichen Mittelwert der Rissbreite geführt werden,
nungsrichtung zu rechnen, die zu einer Reduktion wenn gleichzeitig eine Begrenzung der Stahlspan-
des Korrosionsschutzes der in den betroffenen Be- nung unter der seltenen Kombination sichergestellt
reichen liegenden Bewehrung führt. Für Bauteile wird.
unter aggressiven Umweltbedingungen ist daher Werden z. B. besondere Anforderungen an die
nach DIN 1045 Teil 1 eine Begrenzung der sel- Wasserdichtigkeit des Bauwerks gestellt (z. B. wei-
tenen Betonspannungen auf 0,6 fck erforderlich, ße Wannen), so ist eine relativ strenge Beschrän-
sofern der verminderte Korrosionsschutz nicht kung der Rissbreite erforderlich. Dabei ist zu unter-
durch eine erhöhte Betondeckung ausgeglichen scheiden zwischen durchlaufenden Trennrissen
wird. Alternativ zur Spannungsbegrenzung kann (wk”0,1…0,2 mm) und Biegerissen, bei denen die
die Öffnung der Längsrisse durch eine (senkrecht Dichtigkeit durch die ungerissene Druckzone si-
zum Riss verlaufende) Umschnürungsbewehrung chergestellt werden kann. Hinweise enthält die WU-
verhindert werden. Wegen der ab ca. 0,4 fck abneh- Richtlinie des DAfStb. Da es sich hierbei i. d. R. um
menden Steifigkeit des Betons liegt eine Span- reine Gebrauchsnachweise handelt, enthalten die
nungsermittlung unter Annahme linearen Verhal- Richtlinien nur Empfehlungen. Die zulässige Riss-
tens für die Betonspannungen auf der sicheren Sei- breite muss im Einzelfall aufgrund der spezifischen
te. Wirklichkeitsnahe Vc-Hc-Beziehungen liefern Umstände zwischen dem Tragwerkplaner und dem
günstigere Ergebnisse. Bauherrn auch aus haftungsrechtlichen Gründen
Eine Begrenzung der Betonzugspannungen ist vereinbart werden.
für Stahlbetonbauteile in DIN 1045 Teil 1 norma- Gleiches gilt für die Beschränkung der Riss-
tiv nicht geregelt; sie kann bei Bauteilen mit stren- breite aus ästhetischen Gründen. Da Risse trotz
gen Anforderungen an die Verformungen zur Be- ihrer Unvermeidlichkeit subjektiv als Mangel
grenzung der Rissbildung jedoch sinnvoll sein. empfunden werden, sollte zur Wahrung eines an-
Grenzwerte sollten unter Berücksichtigung der sprechenden Erscheinungsbildes nach DIN1045
Dauerzugfestigkeit fallspezifisch festgelegt wer- Teil 1 eine Breite wk ” 0,4 mm angestrebt werden.
den. Da eine Rissbildung aufgrund von Eigenspan- Auch wenn solche Risse mit dem bloßen Auge
nungen aber kaum sicher ausgeschlossen werden i. Allg. kaum wahrnehmbar sind, kommt es durch
1098 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Schmutzablagerungen an den Rissufern zu einem


Nachzeichnen und Hervorheben der Risse.
Oft vergessen wird die Tatsache, dass viele der
üblichen Nachweise und empirischen Beziehungen
im Grenzzustand der Tragfähigkeit implizit eine Be-
schränkung der Rissbreite voraussetzen, v. a. zur
Übertragung von Schubspannungen über Risse.
Auch wenn eine Rissbreitenbeschränkung im Grenz-
zustand der Gebrauchstauglichkeit die Tragfähigkeit
nicht direkt erfasst, kann sie doch zum Erreichen des
angenommenen Tragmechanismus beitragen.
Die Begrenzung der Rissbreite kann auf die in
3.3.5.2 geschilderten Grundlagen zurückgeführt
werden, wenn anstelle des Balkens ein Zugstab be-
trachtet wird, dessen Höhe gleich der effektiven Abb. 3.3-33 Zusammenhang zwischen Bewehrungsgrad
und zulässigem Stabdurchmesser
Höhe nach Abb. 3.3-22 ist. Der für den Nachweis
maßgebende obere Fraktilwert der Rissbreite ergibt
sich nach DIN 1045 Teil 1 für den maximal mög- Für Platten mit einlagiger Bewehrung ist durch
lichen Rissabstand sr,max=2lt unter Verwendung cha- Einführung der Bewehrungsmenge je Längenein-
rakteristischer Werte der Verbundspannung. heit as=‡s2ʌ/(4s) analog zur Begrenzung der Stab-
Die Vorhersagegenauigkeit der Rissbreitenbe- durchmesser eine Rückführung der Rissbreitenbe-
rechnung ist wegen der stark streuenden Eingangs- schränkung auf eine Beschränkung der Stabab-
größen und der vereinfachten Modelle relativ ge- stände s möglich. Diese sind in DIN 1045 Teil 1
ring. Die berechnete Rissbreite sollte daher nicht ebenfalls tabelliert.
als Prognose der im Bauwerk wirklich zu erwar- Durch den begrenzten Einflussbereich der Be-
tenden Rissbreite verstanden werden, sondern eher wehrung kann es in größerem Abstand von der Be-
als Rechengröße zur Ableitung objektiver Kons- wehrung zur Bildung von breiten Sammelrissen
truktionsregeln. kommen. Im Stegbereich hoher Balken sollte da-
Die wesentlichen Einflussfaktoren für wk sind her zusätzlich eine konstruktive Mindestbeweh-
Stabdurchmesser ‡s und Bewehrungsgrad Ueff im rung angeordnet werden.
Wirkungsbereich der Bewehrung. Löst man wk
nach dem Stabdurchmesser auf, so ergibt sich der
3.3.6.3 Querkraft
bei gegebener Bewehrungsmenge zulässige Stab-
durchmesser zu (Abb. 3.3-33) Im Bereich zwischen den Auflagern und den
Lasteinleitungsstellen treten im Balken nach Abb.
(3.3.59) 3.3-23 neben den Biegemomenten auch Querkräfte
VS=P auf. Im ungerissenen Zustand entsteht hieraus
zunächst ein zweiachsialer Spannungszustand aus
Normalspannungen V infolge Biegung und Schub-
Hieraus lassen sich vereinfachte Verfahren zur Be- spannungen W. Vernachlässigt man die Wirkung der
grenzung der Rissbreite durch eine Begrenzung Schubverzerrungen, so bleiben die Querschnitte
des Stabdurchmessers ableiten, indem zunächst auch hier eben; die Bestimmung der Schubspan-
unabhängig von Ueff der kleinste zu einer Stahl- nungen kann dann am differentiellen Element aus
spannung Vs gehörende Stabdurchmesser ‡s als dem Gleichgewicht der Kräfte in Längsrichtung er-
Grenzwert angesetzt wird. Entsprechende Tabellen folgen. Die Spannungen Vz verschwinden in ausrei-
enthält DIN 1045 Teil 1. Da die Vernachlässigung chender Entfernung von den Lasteinleitungsstellen.
von Ueff u. U. sehr konservativ ist, erlaubt DIN Spannungen in der Schubbewehrung treten somit
1045 Teil 1 eine entsprechende Modifikation des nur infolge der Querdehnung aus den Vx auf; diese
Grenzdurchmessers. sind vernachlässigbar klein.
3.3 Massivbau 1099

Die Hauptspannungen verlaufen geneigt gegen kräften größer. Hierbei ist auch die Reihenfolge der
die Trägerrichtung, wobei der Neigungswinkel Belastung zu beachten. Wird das Bauteil z. B. vor
vom Verhältnis der Schnittgrößen MS, NS, VS ab- dem Aufbringen der äußeren Last durch Zwang in-
hängig ist. Allgemein verlaufen die Druckspan- folge Schwinden beansprucht, so entstehen die
nungstrajektorien bei Drucknormalkräften eher in Risse wegen der beim Aufreißen fehlenden Quer-
Richtung der Balkenachse, bei Zugnormalkräften kraft senkrecht zur Bauteilachse. Über diese ersten
eher senkrecht dazu. Risse hinweg können sich unter Belastung weitere
Bei Überschreitung der Zugfestigkeit kommt es geneigte Risse bilden. Zwischen den Rissen verblei-
zur Rissbildung. Der Ort der maximalen Hauptzug- ben intakte „Betonzähne“, die eine kammartige
spannung und damit der Rissentstehung ist vom Struktur bilden.
Verhältnis der wirkenden Schnittgrößen und von der Eine Aufnahme der freiwerdenden Betonzug-
Querschnittsgeometrie abhängig. Im Allgemeinen spannungen durch die Bewehrung ist zunächst
entstehen Risse auch bei gleichzeitiger Wirkung nicht möglich, da diese i. Allg. nicht in Richtung
von Querkraft und Moment als Biegerisse am Quer- der Hauptspannungstrajektorien verläuft. Eine
schnittsrand und nur bei Bauteilen mit breiten Zug- freie Öffnung der Risse wird jedoch durch die un-
und Druckgurten sowie schmalen Stegen evtl. im gerissene Druckzone behindert. Nimmt man an,
Bereich des Steges. Im Gegensatz zu rein biegebe- dass sich die zwischen den Rissen gelegenen Be-
anspruchten Bereichen verlaufen die Risse nicht tonzähne als Starrkörper verschieben, so erhält
senkrecht zur Balkenachse, sondern wie die Haupt- man die in Abb. 3.3-34a skizzierte Kinematik. Da-
spannungen im Zustand I geneigt. Sie folgen den bei lässt sich folgendes feststellen:
Hauptspannungstrajektorien jedoch nicht exakt, da
es bereits bei Beginn der Rissbildung zu Umlage- – Infolge der Rotation der Zähne bei Rissöffnung
rungen der Spannungen kommt. Für Bauteile ohne ändert sich die Höhe des Balkens. Die Bügel
Normalkräfte ist der Neigungswinkel der Risse etwa werden gedehnt, und es entsteht eine Bügel-
E§40°…45°, mit Druckkräften kleiner und mit Zug- spannung Vsw.

Abb. 3.3-34 Abtragung der Querkraft im gerissenen Zustand


1100 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

– Die Biegezugbewehrung und die Bügel erhalten neigten Bügelbewehrung ergibt sich der Traganteil
im Riss zwischen zwei Zähnen einen Knick, der der Bewehrung durch eine analoge Betrachtung
aufgrund der endlichen Biegesteifigkeit der Be- bei unverändertem Vc zu
wehrung in Wirklichkeit nicht auftreten kann.
Aus der Verdübelung entsteht somit ein Wider- . (3.3.63)
stand gegen die Rissöffnung.
– Bei Öffnung der Risse entsteht gleichzeitig eine Die Ermittlung der Spannungen in den Bügeln und
gegenseitige Parallelverschiebung der Rissufer. aus der Rissverzahnung erfordert zusätzlich die Be-
Diese wird jedoch durch die Verzahnung der rücksichtigung von Kompatibilitätsbedingungen und
Rissufer behindert; es entstehen Schub- und Stoffgesetzen für Beton, Stahl, Verbund und Rissver-
(Druck-) Normalspannungen im Riss. zahnung [Kupfer u. a. 1983]. Eine empirische Ab-
– Die freie Verdrehung der Zähne gegen die schätzung ist auch aufgrund der in Versuchen gemes-
Druckzone kann sich nicht einstellen, da beide senen Bügelspannungen möglich [Leonhardt/Walter
biegesteif verbunden sind. 1962]. Der Traganteil der Rissreibung zusammen mit
den übrigen, oben vernachlässigten Traganteilen ist
Somit stehen auch im gerissenen Beton Mechanis- demnach für verschiedene Lastniveaus nahezu kons-
men zur Querkraftübertragung zur Verfügung (Abb. tant. Die Bügelspannungen bleiben bei kleinem VS
3.3-34b). Die Vertikalanteile der Tragmechanismen zunächst gering, erst wenn VS den Widerstand der
Rissverzahnung, Dübelwirkung, Schubübertragung Rissverzahnung übersteigt, nimmt der Traganteil der
in der Druckzone und der Bügelkraft müssen der an- Bewehrung nennenswert zu.
greifenden Querkraft das Gleichgewicht halten. Aus Die Modellierung des Tragverhaltens unter
dem Momentengleichgewicht an einem von der Querkraft kann auch durch Betrachtung eines (fik-
Druckzone abgetrennten Betonzahn folgt (bei Ver- tiven) Stabwerks erfolgen, in dem die Druckspan-
nachlässigung der Einspannung in die Druckzone): nungen des Betons und die Zugspannungen der
Bewehrung zu diskreten Streben zusammengefasst
werden (Abb. 3.3-35a). Für den allgemeinen Fall
(3.3.60) erhält man die Strebenkräfte

Bei Bauteilen mit üblichen Schubbewehrungsgra-


den kann die Wirkung der Verdübelung vernachläs-
sigt werden. Die Änderung der Biegezugkraft auf
der Länge sr folgt aus der Momentenänderung und
ist damit proportional zur Querkraft (z § konst):

(3.3.61)

Die Bügelkraft ergibt sich aus den Bügelspan-


nungen und der im Bereich eines Betonzahns lie-
genden Bügelmenge Asw/s sr. Damit folgt

(3.3.62)

Es verbleibt also ein Anteil der Schubbewehrung


und der Rissverzahnung. Für den allgemeinen Fall Abb. 3.3-35 Beschreibung der Querkrafttragverhaltens mit
einer mit dem Winkel D gegen die Balkenachse ge- Stabwerken
3.3 Massivbau 1101

(3.3.64) Druckzone und Zugbewehrung aufgenommen wer-


den. Man erhält also die Kräfte

Mit der Breite der Druckstrebe


(3.3.71)
ad = z (cot T + cot D) sin T (3.3.65)

und der im Bereich einer Zugstrebe liegenden Bü-


gelmenge Die Beanspruchung der Biegedruckzone wird ver-
ringert, die der Zugzone um die gleiche Kraft ver-
(3.3.66) größert. Da die Steifigkeit der Druckzone i. Allg.
wesentlich größer ist als die der Zugbewehrung, re-
erhält man die Spannungen sultiert daraus eine zusätzliche Krümmung des Bau-
teils. Diese wird i. d. R. jedoch vernachlässigt.
(3.3.67) Die Ermittlung der aus V resultierenden Schub-
verzerrung des Balkens im gerissenen Zustand ist
aufgrund des komplexen Tragverhaltens schwierig.
Sie kann anhand der Dehnungen von Beton und Bü-
(3.3.68) gelbewehrung unter Verwendung der Kinematik des
Stabwerkmodells qualitativ abgeschätzt werden,
wobei allerdings der durch die Rissuferverschie-
Einzige Unbekannte in dem sonst statisch be- bung auftretende Verformungsanteil vernachlässigt
stimmten Modell ist der Druckstrebenwinkel T. wird. Der Abfall der Schubsteifigkeit im Vergleich
Über ihn lässt sich ein direkter Zusammenhang zum Zustand I ist von der Bügelmenge abhängig
zwischen dem Stabwerkmodell und dem Modell und wegen der erforderlichen Spannungsumlage-
mit Rissverzahnung herstellen. Da beide Modelle rungen zur Aktivierung der Tragmechanismen
für die gleiche Querkraft die gleiche Bügelspan- i. Allg. größer als der Abfall der Biegesteifigkeit.
nung liefern müssen, erhält man durch Vergleich
von Gl. (3.3.67) und Gl. (3.3.62) für den Druckstre- Tragfähigkeit im GZT
benwinkel die Beziehung (D=90°) Die Nachweise im GZT können auf der Grundlage
eines Modells mit Rissreibung oder eines Stabwerk-
(3.3.69) modells erfolgen. Die Bemessung mit Stabwerkmo-
dellen erfordert die Festlegung eines Druckstreben-
winkels T. Unter Voraussetzung einer unbeschränkten
Die aktivierbare Rissverzahnung Vc erlaubt also je Rissverzahnung und einer unbegrenzten Duktilität
nach angreifender Querkraft VS eine Abweichung der Materialien kann T frei gewählt werden; da mit
des Druckstrebenwinkels vom Risswinkel. kleineren Winkeln die erforderliche Schubbeweh-
Die Auswirkung der Querkraft auf die Biege- rung und die Tragfähigkeit der Druckstreben abneh-
zug- und -druckzone erhält man durch Betrachtung men, liegt es nahe, T so klein zu wählen, dass die
eines Schnittes senkrecht zur Bauteilachse (Abb. Tragfähigkeit der Druckstrebe eben noch ausreicht.
3.3-35b). Die horizontalen Komponenten der Bü- Für eine gegebene Bewehrungsmenge folgt der zur
gel- und Druckstrebenkräfte ergeben eine fiktive Aufnahme einer Querkraft VSd erforderliche
Normalkraft Druckstrebenwinkel aus Gl. (3.3.67), wobei entspre-
chend den Annahmen der Plastizitätstheorie ein Flie-
NV = cos T Fd – cosD Fw ßen der Bewehrung vorausgesetzt wird (D=90°):
= V(cot T– cotD). (3.3.70)
(3.3.72)
Da der Angriffspunkt von NV in der Mitte der
Schubzone liegt, muss die Kraft zur Hälfte von
1102 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Die maximale Querkraft erhält man durch Einset- Die genannten Voraussetzungen – unbegrenzte
zen in Gl. (3.3.68), wenn man Vc gleich der Rissverzahnung und Duktilität – gelten für Stahl-
Druckstrebenfestigkeit Dc fcd (s.u.) setzt. Nach ei- betonbauteile jedoch nicht. Daher muss für T eine
nigen Umformungen erhält man für die maximal pauschale Begrenzung eingeführt werden, z. B.
aufnehmbare Querkraft bei gegebenem Beweh- 1<cotT <2,5 nach den in EC 2 empfohlenen Grenz-
rungsgrad eine Kreisgleichung (Plastizitätskreis) werten. Hierdurch wird der Plastizitätskreis unten
und oben abgeschnitten.
ȣud2 = Ȧw – Ȧw2 (3.3.73) Das Modell in DIN 1045 Teil1, das auch im deut-
schen nationalen Anhang zum EC 2 eingeführt wird,
mit den bezogenen Größen kombiniert Stabwerkmodell und Rissverzahnung,
indem es aus der aktivierbaren Rissverzahnung nach
Gl. (3.3.69) einen unteren Grenzwert Tgrenz des
(3.3.74) Druckstrebenwinkels ermittelt. Innerhalb des Be-
reichs cot Tgrenz>cot T>1 kann der Druckstreben-
winkel für die Nachweise am Stabwerkmodell im
Abbildung 3.3-36 zeigt den Plastizitätskreis im Sinne der Plastizitätstheorie frei gewählt werden.
Xud-Zw-Diagramm. Ein fester Winkel T entspricht Rissverzahnung und Rissneigung werden dabei
einer Ursprungsgeraden mit der Neigung tan T, die mit halbempirischen Ansätzen berechnet:
Winkelhalbierende (T =45°) stellt den klassischen
Bemessungsansatz mit rissparallelen Druckstreben (3.3.75)
nach Mörsch dar, der für ein Bauteil ohne Rissver-
zahnung anzunehmen wäre.
Das Maximum von Xud tritt hier (D=90°) bei (3.3.76)
T=45° auf; für diesen Winkel wird die Druckstreben-
tragfähgigkeit maximal, bei kleineren und größeren
Winkeln nimmt sie ab. Im Rahmen der Bemessung Für Leichtbetone ist VRd,c wegen der eingeschränkten
sind Winkel T>45° daher i. Allg. nicht sinnvoll, da Rissverzahnung zu mindern. Dabei wird der Effekt
hier die Bügelbewehrung größer ist als für T<45°. der bei Wirkung einer Drucknormalkraft flacher
Lediglich die Beanspruchung in der Biegezugbeweh- werdenden Risswinkel sowie der verbesserten Riss-
rung wird hierdurch verringert, vgl. Gl. (3.3.99). verzahnung qualitativ berücksichtigt. Das Ergebnis
für T=Tgrenz zeigt Abb. 3.3-36; eine begrenzte Riss-
verzahnung erlaubt keine Ausnutzung der vollplasti-
schen Tragfähigkeit. Die Ausnutzung der Rissver-
zahnung impliziert eine Begrenzung der Schubriss-
breite, was große plastische Stahldehnungen und
somit die Ausnutzung der Verfestigung ausschließt;
daher ist bei der Bemessung der Schubbewehrung
Vs=fyd zu setzen.
Für kleine X liegt die Gerade nach DIN 1045 Teil
1 außerhalb des Plastizitätskreises; hier wäre dem-
nach die Tragfähigkeit der Druckstrebe überschrit-
ten, was für entsprechend kleine Bewehrungsgrade
jedoch den im Versuch beobachteten Versagensme-
chanismen widerspricht. In diesem Bereich können
die vereinfachten Ansätze das Bauteilverhalten nicht
widergeben, was für die praktische Anwendung aber
ohne große Bedeutung ist, da dieser Bereich durch
Abb. 3.3-36 Zusammenhang zwischen bezogener Querkraft die konstruktive Mindestbügelbewehrung abge-
und Bewehrungsgrad: Plastizitätskreis; DIN 1045 Teil 1 deckt wird.
3.3 Massivbau 1103

Druckstrebenfestigkeit. In die Druckstreben werden


durch den Verbund mit der den Riss kreuzenden
Schubbewehrung Querzugspannungen eingeleitet,
die nach Abb. 3.3-7 die Festigkeit auf Dc fcd abmin- (3.3.77)
dern. Die Größe des Abminderungsfaktors Dc ist
vom Rissabstand, der Rissbreite, dem Verbundver-
halten der Bügelbewehrung usw. abhängig. In expe- Die tatsächlich aufzunehmende Zugkraft ergibt
rimentellen Untersuchungen an Stahlbetonscheiben sich also aus dem Biegemoment, das um al neben
unter Druck- und Querzugbelastung wurde Dc§0,8… der betrachteten Stelle angreift. Grafisch erhält
0,85 ermittelt, solange die Dehnung der kreuzenden man die Zugkraftlinie durch das Verschieben der
Bewehrung im Bereich der Fließdehnung bleibt M/z-Linie um das Versatzmaß (s. Abb. 3.3-43).
[Kolleger/Mehlhorn 1990]. Bei sehr großen Stahl- Bei Bauteilen mit geneigtem Druck- oder Zug-
dehnungen (Hs >10‰) ergibt sich eine stärkere Ab- gurt entsteht in den Gurten ein Anteil senkrecht
minderung, die baupraktisch allerdings kaum rele- zur Balkenachse, der bei der Bemessung berück-
vant ist, da solche Verzerrungszustände in Balken- sichtigt werden muss bzw. darf. Dieser Anteil
stegen i. Allg. nicht auftreten [Roos 1995]. wirkt günstig, wenn der Verlauf der Gurte dem
Eine gleichzeitige Aktivierung der Rissverzah- Momentenverlauf angepasst ist, wenn also der in-
nung (EzT) führt zu einer weiteren Abnahme der nere Hebelarm bei steigendem Moment zunimmt
Druckstrebenfestigkeit. In [Schlaich/Schäfer 2001] (Abb. 3.3-37), da hier die gesamte Querkraft V0d
wird daher für rissparallele Druckspannungsfelder mit der schuberzeugenden Querkraft VSd und den
eine Abminderung der Druckstrebenfestigkeit auf in gleicher Richtung wirkenden Vertikalanteilen
0,8fcd und für Druckspannungsfelder mit kreuzenden von Fs, Fc im Gleichgewicht stehen muss, d. h. in
Rissen auf 0,6fcd vorgeschlagen. Abb. 3.3-37a
In DIN 1045 Teil 1 wurde pauschal Dc=0,75 ge-
setzt, da die mögliche Abweichung zwischen Riss- V0d =VSd + sin(Ic)|Fc| + sin(Is) Fs (3.3.78)
und Druckstrebenwinkel im Modell durch die
Rissverzahnung begrenzt ist. und in Abb. 3.3-37b

Interaktion Querkraft – Biegung. Nach Gl. (3.3.71) tre- V0d =VSd – sin(Ic)|Fc| – sin(Is) Fs . (3.3.79)
ten infolge Querkraft auch Beanspruchungen in
der Biegedruckzone und der Biegezugbewehrung Nachweise im GZG
auf. Die Auswirkungen auf die Betondruckzone Die Stahlspannungen bleiben nach Bildung der
können auf der sicheren Seite liegend vernachläs- Schubrisse zunächst klein. Auf einen Nachweis der
sigt werden. Die Erhöhung der Stahlzugkraft lässt Rissbreitenbeschränkung kann daher i. Allg. ver-
sich mit Hilfe des Versatzmaßes al=z/2(cot T–cot D) zichtet werden, sofern eine konstruktive Mindest-
beschreiben. Setzt man VSd= dMSds/dx in Gl. (3.3.71) bewehrung vorhanden ist.
ein, so erhält man

Abb. 3.3-37 Auswirkung geneigter Gurte bei der Querkraftbemessung


1104 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.3.6.4 Torsion
Ein Torsionsmoment TS verursacht im Querschnitt
Schubspannungen, die die Gleichgewichtsbe-
dingung

TS = TR = œA (y Wxz–z Wxy) dA (3.3.80)

erfüllen müssen. Im Allgemeinen entstehen infol-


ge TS auch Normalspannungen aus der behinderten
Verwölbung des Querschnitts; diese sind jedoch
bei kompakten Querschnitten in ausreichendem
Abstand von Lasteinleitungsstellen vernachlässig-
bar gering. Zur Bestimmung der Schubspannungen
im ungerissenen Zustand siehe z. B. [Mussche-
lischwili 1971; Gruttmann u. a. 1998].
Am Bauteil resultiert aus Torsion eine Verdre-
hung -, die im ungerissenen Zustand mit dem Tor- Abb. 3.3-38 Verlauf der Schubspannungen
sionsmoment über die Torsionssteifigkeit Gc ITi
verknüpft ist:
der Torsion im gerissenen Zustand i. d. R. das Er-
(3.3.81) satzmodell des fiktiven Hohlkastens mit der Wand-
dicke t zugrunde gelegt (Abb. 3.3-38).
In den Wänden des Hohlkastens ergibt sich der
Die gemeinsame Wirkung von Bewehrung und Be- Schubfluss unter Annahme eines konstanten Ver-
ton kann durch einen ideellen Querschnittswert ITi laufes über die Wanddicke nach der Bredtschen
berücksichtigt werden. Dabei bleiben senkrecht Formel:
zur Bauteilachse stehende Bügel im ungerissenen
Zustand spannungsfrei. Der Anteil der Längsbe- (3.3.82)
wehrung ist i. Allg. vernachlässigbar.
Die aus den Schubspannungen resultierenden
Hauptspannungen verlaufen unter reiner Torsion Der Term Ak bezeichnet darin die von der Mittelli-
mit 45° Neigung gegen die Achse wendelförmig nie der Hohlkastenwände umschlossene Fläche;
um das Bauteil, entsprechend auch die bei Über- Uk ist im Folgenden der Umfang des Hohlkastens.
schreiten der Betonzugfestigkeit entstehenden Für Rechteckquerschnitte ist Ak= (b–t)(h–t) und
Risse. Das Risstorsionsmoment Tcr folgt für reine Uk=2(b+h–2t). Die Schubbeanspruchung in den
Torsion und elastisches Verhalten aus VI=Wmax=Tcr/ Wänden entspricht der eines Balkensteges infolge
WT=fct,eff (WT und IT siehe z. B. [Grasser 1997]). Querkraft, es gelten im Wesentlichen die gleichen
Da jedoch (analog zur Biegezugfestigkeit) mit Be- Aussagen über das Tragverhalten.
ginn der Rissbildung eine gewisse Plastifizierung Die Betrachtung eines dünnwandigen Querschnitts
einsetzt, liegen die experimentell beobachteten stellt für übliche Querschnittsabmessungen eine
Rissmomente etwas höher [Lampert/Thürlimann starke Idealisierung dar. Durch die Verdrehung des
1968]. Querschnitts verwinden sich die Seitenflächen zu hy-
Da Bügel- und Längsbewehrung i. Allg. am perbolischen Paraboloiden (Abb. 3.3-39), was eine
Rand des Querschnitts angeordnet sind, erfolgt die zusätzliche Biegebeanspruchung in den Betondruck-
Lastabtragung im gerissenen Zustand v. a. dort, streben verursacht [Lampert/Thürlimann 1968].
d. h., der Querschnitt besteht dann aus einer aktiven Das T--c-Diagramm zeigt einen ähnlichen Ver-
(bewehrten) Schale und einem nahezu passiven lauf wie die M-N-Beziehung unter Biegung mit un-
Betonkern [Leonhardt/Schelling 1974; Lampert/ gerissenem, gerissenem und Fließzustand. Aller-
Thürlimann 1968]. Daher wird bei der Betrachtung dings fällt die Steifigkeit mit Beginn der Rissbil-
3.3 Massivbau 1105

(3.3.84)

Die Drehachse des Querschnitts (d. h. der Schub-


mittelpunkt) wandert bei Rissbildung in Richtung
der steiferen Querschnittsteile, also bei gleichzei-
tiger Biegung und Torsion in die wesentlich st-
eifere Biegedruckzone.

Abb. 3.3-39 Verwindung der Seitenflächen zu hyperbo- Tragfähigkeit im GZT


lischen Paraboloiden Die Bemessung der Hohlkastenwände kann analog
zur Querkraftbemessung durchgeführt werden.
Man erhält nach Abb. 3.3-40a,b mit den Gln.
dung wegen der Reduzierung des mitwirkenden (3.3.67) und (3.3.68)
Querschnitts und der erforderlichen Spannungs-
umlagerung deutlich stärker ab. Die qualitative (3.3.85)
Abschätzung kann wie für die Querkraftbeanspru-
chung mit Stabwerkmodellen erfolgen. Die innere
und äußere Arbeit am freigeschnittenen differenti- (3.3.86)
ellen Element unter dem Torsionsmoment T ist

Zusätzlich ist die in Balkenlängsrichtung wirkende


Komponente der Druckstreben nach Gl. (3.3.70) in
(3.3.83) den einzelnen Wänden durch eine Längsbeweh-
rung aufzunehmen:

Der Anteil in den Druckstreben ist i. Allg. vernach- (3.3.87)


lässigbar, die Druckstrebenneigung lässt sich nä-
herungsweise durch eine Minimierung der inneren
Arbeit bestimmen. Damit erhält man die Torsions- Da die Torsionsbeanspruchung anders als die
steifigkeit Querkraft nicht an das Biegemoment gekoppelt ist,

a kompakter Querschnitt b profilierter Querschnitt

Abb. 3.3-40 Bemessung für Torsion


1106 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

muss die Längsbewehrung gesondert ermittelt und gen Wanddicken der Einfluss der Biegebeanspru-
zur Biegebewehrung addiert werden. chung gering bleibt und durch die meist auf beiden
Wie bei der Querkraft wirkt sich eine wendel- Seiten der Wand vorhandenen Bügel eine Um-
förmige Neigung der Bügel D<90° günstig auf die schnürung der Eckbereiche erreicht wird.
Beanspruchungen der Streben aus. Wegen des ein-
facheren Einbaus und der Verwechslungsgefahr auf Profilierte Querschnitte. Diese können durch eine
der Baustelle ist ein orthogonales Bewehrungsnetz Zerlegung in Rechteckquerschnitte erfasst werden,
aus Bügeln und Längsstäben jedoch vorteilhaft. auf die das angreifende Torsionsmoment zur Be-
Hinsichtlich der Neigung der Druckstrebe T rücksichtigung der Verträglichkeit entsprechend
gelten grundsätzlich die bei der Querkraft gemach- der Steifigkeit des jeweiligen Teilquerschnitts ver-
ten Aussagen. Eine explizite Berücksichtigung der teilt wird (Abb. 3.3-40b). Meist ist eine Abschät-
Rissverzahnung ist allerdings schwieriger, weshalb zung mit der Steifigkeit nach Zustand I ausreichend
T nach DIN 1045 Teil 1 i. Allg. auf der sicheren genau, man erhält also mit IT,i=Kxi3 yi für den Teil-
Seite liegend zu 45° gesetzt wird. Hierfür ergibt querschnitt i näherungsweise die Beanspruchung
sich bei D=90° auch das Minimum der Gesamtbe-
wehrung aus Asw und Asl.
(3.3.88)
Die ideelle Wanddicke t ist bei kompakten Quer-
schnitten unter Annahme ideal plastischen Verhal-
tens frei wählbar. Wegen der größeren Kernfläche
Ak nimmt As mit t ab; ein unterer Grenzwert für t wobei xi,yi die Seitenlängen der Teilquerschnitte
ergibt sich aus der Beanspruchung der Druckstrebe sind (xi ” yi).
Vc. Zusätzlich ist jedoch die Umlenkung der
Druckstrebenkräfte in den Eckpunkten des Quer- Interaktion Torsion–Querkraft. Unter kombinierter
schnitts zu berücksichtigen, die nur für die inner- Beanspruchung aus Querkraft und Torsion ist der
halb der Bügel gelegenen Teile der Strebe durch die Schubfluss je Steg des gedachten Hohlkastens
Abstützung auf Bügeln und Längsbewehrung (die ,woraus sich die erforderliche Bügelbe-
daher zumindest teilweise in den Ecken anzuordnen
ist) erfolgen kann, für die außerhalb gelegenen da- wehrung ergibt. Prinzipiell kann die Bewehrung
gegen durch Betonzugspannungen. Dies begrenzt t für Torsion und Querkraft auch getrennt ermittelt
zusätzlich nach unten. Nach DIN 1045 Teil1 wird und nachträglich addiert werden, was allerdings
die Wanddicke t daher so festgelegt, dass die Längs- voraussetzt, dass in beiden Fällen die Neigung der
bewehrung in der Schwerlinie der Wand liegt. Druckstrebe gleich angesetzt wird. Bei der Additi-
on der Bügelmengen ist zu berücksichtigen, dass
Druckstrebenfestigkeit. Wegen der aus der Verfor- die Bewehrungsmenge für Querkraft für den Ge-
mung der Oberflächen zum hyperbolischen Para- samtquerschnitt ermittelt wird, die für Torsion je-
boloid resultierenden Biegebeanspruchung wird doch für eine Hohlkastenwand. Daher wirken für
die im Modell des ideellen, dünnwandigen Hohl- die Abtragung der Querkraft beide Bügelschenkel,
kastens angenommene, über die Wanddicke kons- für die der Torsion jedoch nur einer, so dass gilt
tante Spannungsverteilung in den Druckstreben bei
begrenzter Duktilität i. Allg. nicht erreicht (Abb. (3.3.89)
3.3-40a,b). Bei Beibehaltung des Modells ist daher
ein zusätzlicher Wirksamkeitsfaktor einzuführen,
der auch die ungünstigen Einflüsse der Umlenkung Für den Nachweis der Druckstreben ist bei Voll-
in den Querschnittsecken berücksichtigen muss. querschnitten die Betrachtung nur der Hohlkasten-
Nach DIN 1045 Teil 1 wird die Druckstreben- wände sehr konservativ, da die im Inneren des fik-
festigkeit zur Berücksichtigung der genannten Ef- tiven Hohlkastens gelegenen Bereiche an der Ab-
fekte mit einem abgeminderten Faktor Dc,red=0,7 tragung der Querkraft beteiligt sind. Daher ist es
Dc reduziert. Ausgenommen hiervon sind echte prinzipiell zulässig, die Betondruckspannungen in-
Hohlkästen, da bei den in diesem Fall i. d. R. gerin- nerhalb des Querschnitts entsprechend Abb. 3.3-41
3.3 Massivbau 1107

Abb. 3.3-41 Mögliche Verteilungen der Druckstrebenkräfte im Querschnitt

zu verteilen. Alternativ hierzu kann der Nachweis


durch folgende, quadratische Interaktionsbedin-
gung geführt werden:

(3.3.90)

Dabei sind VRd,max und TRd,max die durch die Druck-


strebe maximal aufnehmbaren Schnittgrößen unter
reiner Querkraft bzw. Torsion für den gewählten Win-
kel T. Bei echten Hohlkastenquerschnitten ergibt sich
dagegen eine lineare Interaktionsbeziehung.

Interaktion Torsion–Biegung. Unter gleichzeitiger Wir- Abb. 3.3-42 Interaktionsdiagramm für Torsion und Bie-
kung von Biegung und Torsion werden die Hohlkas- gung
tenwände neben dem Schubfluss aus Torsion durch
Biegedruck- und -zugkräfte beansprucht. Für einen
stark idealisierten Querschnitt mit in den Ecken kon- und die Gesamtkraft in den Bewehrungslagen
zentrierter Längsbewehrung ist die Interaktion der
aufnehmbaren Biege- und Torsionsmomente in Abb. (3.3.93)
3.3-42 dargestellt. Das Versagen des Betons auf
Druck wird zunächst nicht betrachtet.
Aus einer vollplastischen Betrachtung folgt bei Das Erreichen des Grenzzustands folgt aus dem
Fließen der Bügel der Druckstrebenwinkel unter Fließbeginn der oberen oder unteren Bewehrung,
einem Torsionsmoment TSd zu d. h. No=fydAso oder Nu=fydAsu. Damit lässt sich
die Grenzbedingung dimensionslos schreiben:
(3.3.91)

Daraus folgt die je Bewehrungslage aufzuneh- (3.3.94)


mende Normalkraftkomponente der Druckstreben-
kraft zu

(3.3.92) Die aufnehmbaren Schnittgrößen bei reiner Bie-


gung oder Torsion sind
1108 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

sauberer) Bezug der Schnittgrößen auf die jeweils


maßgebende Festigkeit an:

(3.3.97)

mit TRd0 = Ak t Dc,red fcd ,


MRd0 = z b t fcd .
Für den unsymmetrisch bewehrten Querschnitt wird
das maximale Torsionsmoment bei gleichzeitig wir- Nachweise im GZG
kendem positivem Biegemoment erreicht. Für Der Nachweis der Rissbreitenbegrenzung unter
kleinere Biegemomente erfolgt das Versagen durch Torsion wird i. Allg. nicht explizit, sondern durch
ein Fließen der oberen Bewehrung, obwohl infolge Einhaltung von Konstruktionsregeln, d. h. eine Be-
Biegung Druckbeanspruchungen entstehen. grenzung des Stababstands geführt. Eine Vertei-
Sofern die Bemessung nicht für die kombinierte lung der Längsbewehrung über den Umfang er-
Beanspruchung durchgeführt wird, können die weist sich als günstig. Nach DIN 1045 Teil 1 ist bei
Nachweise näherungsweise getrennt geführt wer- Einhaltung der Regeln für die bauliche Durchbildung
den; bei der Ermittlung der Längsbewehrung muss kein weiterer Nachweis erforderlich.
die im jeweiligen Querschnittsteil vorhandene Bie-
gezug- bzw. Biegedruckkraft mit der aus der
3.3.6.5 Verhalten an Lasteinleitungsstellen
Schubbeanspruchung entstehenden Normalkraft
überlagert werden. In der Biegedruckzone wird da- Die oben geschilderten Modelle gelten zunächst nur
her i. Allg. keine Längsbewehrung erforderlich für ungestörte Bereiche, die man wegen des Eben-
sein, während die Bewehrungsmengen in der Bie- bleibens der Querschnitte nach der Bernoulli-Hypo-
gezugzone zu addieren sind. these als B-Bereiche bezeichnet. An Lasteinleitungs-
Beim Nachweis der Druckstreben ist die Inter- stellen bzw. Auflagern, den sog. „D-Bereichen“
aktion von Biegedruck und Torsionsschub zu be- (Diskontinuitäten), sind einige zusätzliche Beson-
rücksichtigen. Da bei großen Biegedruckkräften derheiten zu berücksichtigen. Die technische Bal-
keine Zugkraft in der Längsbewehrung entstehen kenbiegetheorie idealisiert das Bauteil als in der
kann, folgt aus NT=M/z der Druckstrebenwinkel in Breiten- und Höhenrichtung ausdehnungslosen Stab,
der Biegedruckzone was dazu führt, dass eingeleitete Lasten sich wegen
der nicht erfassten Spannungsausbreitung senkrecht
zur Stabachse unmittelbar in einer Änderung der
(3.3.95) Schnittgrößen auswirken. Für die lokale Bemessung
ist diese Idealisierung aber nicht sinnvoll.
und die Druckstrebenspannung Ähnliche Abweichungen von der Balkenbiege-
theorie ergeben sich an geometrischen Singulari-
täten wie sprunghaften Querschnittsänderungen.
Zur Untersuchung eignet sich v. a. die Methode der
Stabwerkmodelle (s. 3.3.8.3).
(3.3.96)
Direkte Lasteinleitung
Bei direkter Lasteinleitung bzw. Stützung werden
Durch Begrenzung von Vc auf die Festigkeit erhält Lasten bzw. Auflagerkräfte durch Druckspan-
man die Grenzbedingung für den Druckstreben- nungen am Bauteilrand eingeleitet. Da den Biege-
nachweis. Allerdings sind die effektiven Festigkei- und Schubspannungen des Balkens hier eine Span-
ten mit Dc,red fcd für Torsion und fcd für Biegung nung Vz < 0 senkrecht zur Balkenachse überlagert
unterschiedlich. Um einen glatten Übergang zu er- wird, bilden sich die Risse und Druckstreben fä-
möglichen, bietet sich ein (mechanisch nicht ganz cherförmig aus (Abb. 3.3-43).
3.3 Massivbau 1109

Abb. 3.3-43 End- und Zwischenauflager eines Durchlaufträgers

Am Auflager eines durch Gleichlast bean- Man erhält das gleiche Ergebnis mit der Versatz-
spruchten Balkens wandert daher ein Teil der Last maßregel.
direkt in das Auflager, ohne eine Beanspruchung in An den Zwischenauflagern von Durchlaufträ-
der Schubbewehrung zu erzeugen. Bildet man an gern bewirkt die steilere Druckstrebenneigung eine
einem parallel zur Druckstrebe abgeschnittenen Abnahme des Versatzmaßes al, so dass die Zug-
Trägerende das Gleichgewicht, so erhält man für kraft in der Bewehrung weniger stark ansteigt als
die mit Bügeln zu übertragende Querkraft das Moment. In der Auflagermitte liefert das Mo-
mentengleichgewicht
(3.3.98)
(3.3.100)
also die in einem Schnitt im Abstand x=z cot T ne-
ben dem Auflagerrand wirkende. Die Bemessung
der Bügel muss somit nicht für den Maximalwert Bei Auflagern mit endlicher Breite bewirkt der
der Querkraft direkt über dem Auflager erfolgen. rückdrehende Anteil der Auflagerpressung also
Dies gilt jedoch nicht für den Nachweis der eine Ausrundung des Verlaufes von Fs.
Druckstrebenbeanspruchung. Eine monolithische Verbindung des Balkens mit
Die am Auflager zu verankernde Zugkraft in dem unterstützenden Bauteil ermöglicht zusätzlich
der Längsbewehrung ergibt sich aus dem Momen- eine Vergrößerung des inneren Hebelarms z durch
tengleichgewicht um die Auflagermitte bei kurzen Ausstrahlung der Betondruckkraft in die Unterstüt-
Auflagern (bsup § 0) und einer senkrecht zur Bal- zung. Der Maximalwert der Kraft Fs ergibt sich
kenachse stehenden Schubbewehrung zu dann am Auflagerrand, so dass die Bemessung für
das dort wirkende Moment erfolgen kann.
Bei konzentrierten Einzellasten in der Nähe der
(3.3.99)
Auflager überlagern sich die Fächer von Last und
1110 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Druckstrebenfächer aus. Da T konstant ist, muss die


Bewehrung die volle Zugkraft aus Biegung, Nor-
malkraft und Querkraft aufnehmen (Abb. 3.3-45a).
Die Versatzmaßregel ist nicht anwendbar. Eine Ab-
minderung der Querkraft nach Gl. (3.3.98) oder Gl.
(3.3.101) ist nicht zulässig. Indirekte Lagerungen
bzw. Lasteinleitungen treten z. B. bei Trägerrosten
auf, bei denen Haupt- und Nebenträger in einer Ebe-
ne liegen (Abb. 3.3-45b).

3.3.6.6 Profilierte Querschnitte


Mitwirkende Breite
Abb. 3.3-44 Tragwirkung bei einer auflagernahen Einzel-
last Bei stark profilierten Querschnittsformen kann das
Ebenbleiben der Querschnitte über die Breite nicht
mehr vorausgesetzt werden; mit zunehmendem
Auflager; ein Teil der Belastung wird über die Abstand von den Stegen entziehen sich Druck- und
Druckstreben direkt in das Auflager eingeleitet Zuggurte der Lastabtragung durch nichtebene Ver-
(Abb. 3.3-44). Nach DIN 1045 Teil 1 darf dies für zerrungen des Querschnitts. Um die Berechnung
a<2,5d berücksichtigt werden. Da für eine direkt der Gurte als Scheiben zu vermeiden, wird die
über dem Auflager angreifende Last (a=0) offen- unebene Spannungsverteilung durch einen flä-
sichtlich gar keine Schubbewehrung erforderlich chengleichen Block mit gleichem Spitzenwert
ist, liegt es nahe, für die Ermittlung von Asw die ersetzt, der reale Querschnitt also durch einen fik-
Querkraft aus der Einzellast linear abzumindern: tiven Ersatzquerschnitt mit der mitwirkenden
Breite beff, der unter Annahme einer ebenen Deh-
nungsverteilung die gleichen maximalen Span-
(3.3.101) nungen wie der sich verzerrende reale Querschnitt
liefert. Die Breite beff hängt v. a. vom statischen
Indirekte Lasteinleitung System, der Lastanordnung und der Querschnitts-
Die Krafteinleitung erfolgt durch Zugkräfte; für geometrie ab.
diese ist eine Aufhängebewehrung erforderlich. Da Das einfache Modell in Abb. 3.3-46 gibt nicht
ein Teil der Kraft durch den Verbund über die Bau- die exakte Lösung des Scheibenproblems [Girk-
teilhöhe verteilt eingeleitet wird, bildet sich kein mann 1959] wieder, ist jedoch zum Verständnis

Abb. 3.3-45 Indirektes Auflager


3.3 Massivbau 1111

Abb. 3.3-47 Anschluss eines Gurtes

te übertragen werden. Aus dem Gleichgewicht


folgt nach Abb. 3.3-47

œ(a) vfl dx = ¨ Ffl . (3.3.102)

Ffl ergibt sich dabei aus der gesamten Gurtkraft


(i. Allg. Biegedruck- oder Zugkraft) im Verhältnis
der abgetrennten (mitwirkenden) Gurtfläche zur
Abb. 3.3-46 Mitwirkende Breite eines Zweifeldträgers gesamten Gurtfläche. Nach elastischer Rechnung
wäre vfl etwa affin zur Querkraft. Eine bauprak-
tisch sinnvolle, in Bereichen konstante Querbe-
hilfreich. Die ungleichförmige Spannungsvertei- wehrungsmenge lässt sich durch Ausnutzung plas-
lung beruht demnach auf der Ausstrahlung der tischer Umlagerungen erreichen, wenn dort vfl
Spannungen in die Platte ausgehend vom Steg, der konstant angenommen, d. h. gemittelt wird. Die
durch Schubspannungen die Biegezug- und -druck- Länge, über die vfl gemittelt werden darf, ist we-
kräfte in die Gurte einleitet. Entscheidend für die gen der eingeschränkten Duktilität nach DIN 1045
Spannungsverteilung in der Platte ist demnach der Teil 1 auf den halben Abstand zwischen Momen-
Abstand der betrachteten Stelle von den Punkten tennullpunkt und -maximum beschränkt.
der Krafteinleitung in die Flansche, d. h. bei Biege- Da die in den Gurten aktivierbare Längskraft
beanspruchung von den Momentennullpunkten. von der Schubtragfähigkeit im Anschluss abhängt
Bei vorgespannten Bauteilen müssen als Einlei- wirkt sich diese auch auf beff aus. Umgekehrt kann
tungsstellen der Normalkraft die Verankerungen es zur Vermeidung hoher Anschlussbewehrungen
der Spannglieder angesehen werden. In Abb. 3.3- sinnvoll sein, beff und damit Ffl im GZT gegenüber
46 wirkt demnach im Stützbereich die Normalkraft dem elastischen Wert abzumindern. Zur Wahrung
aus Vorspannung bereits auf den gesamten Quer- der Gebrauchstauglichkeit sollte hiervon aber nur
schnitt, das Biegemoment dagegen nicht. Dies ist eingeschränkt Gebrauch gemacht werden.
insbesondere im GZG zu beachten.
Eine hohe Genauigkeit bei der Ermittlung von Krafteinleitung
beff ist i. d. R. nicht angemessen, da die in der Lite- Bei der Untersuchung der Lasteinleitung in den
ratur angegebenen Ansätze unter Annahme elasti- Querschnitt begnügt man sich i. d. R. mit der ge-
schen Materialverhaltens abgeleitet wurden und trennten Betrachtung von Längs- und Querrich-
im GZT nur als Abschätzung angesehen werden tung. Für die Berechnung in der Längsrichtung
können; i. Allg. nimmt beff durch Rissbildung und werden die Auflagerreaktionen der Querrichtung
Plastifizierung zu. Der Einfluss auf das Bemes- auf das Längssystem aufgebracht, in Abb. 3.3-48
sungsergebnis ist i. d. R. ohnehin gering. getrennt auf jeden der beiden Stege.
Bei einstegigen Plattenbalken folgen die Schnitt-
Gurtanschluss größen der Längsrichtung unmittelbar aus dem
Zur Aktivierung von Längsspannungen in den Gleichgewicht. Bei mehrstetigen Plattenbalken
Gurten müssen am Anschluss zum Steg Schubkräf- und Hohlkastenquerschnitten ist die Verteilung der
1112 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

nach 3.3.9.1 erfolgen. Nach DIN 1045 Teil 1 ist es


jedoch zulässig, die erforderlichen Bewehrungs-
mengen für Schub as,v und Querbiegung as,m ge-
trennt zu ermitteln. Auf der Biegedruckseite sollte
dann 1/2as,v, auf der Biegezugseite der größere Wert
von 1/2as,v und as,m angeordnet werden.

3.3.6.7 Verformungen
Die Querschnittsverzerrungen sind (im Rahmen
einer geometrisch linearen Theorie) über –ws=N–Jc
und uc=H0 an die Durchbiegung w und die Längs-
verschiebung u gekoppelt. Die Berechnung der
Verformungen erfolgt durch Integration über die
Bauteillänge, z. B. mit dem Prinzip der virtuellen
Kräfte:

(3.3.103)

Abb. 3.3-48 Plattenbalken


Dies gilt unabhängig vom linearen oder nichtline-
aren Materialverhalten, da die virtuellen Schnitt-
Schnittgrößen in der Platte in Querrichtung und größen nur geometrische Wichtungsfunktionen für
auf die Stege in Längsrichtung durch statisch un- den Einfluss einer Verzerrung auf die gesuchte
bestimmte Rechnung über die Verträglichkeit der Verformung sind. Zu beachten ist, dass bei geris-
Verformungen in Längs- und Querrichtung zu er- senen Bauteilen auch unter reiner Biegebeanspru-
mitteln (Abb. 3.3-48). Symmetrische Lasten er- chung eine Verlängerung der geometrischen
zeugen in den Stegen Torsion infolge der Verfor- Schwerachse des Bauteils auftritt.
mung der Platte. Unsymmetrische Lasten werden In der Praxis wird der Anteil der Schubverfor-
durch St.-Venantsche Torsion der Teilquerschnitte mung i. Allg. vernachlässigt (N=–ws). Dies ist we-
und gegensinnige Querkräfte in den Stegen abge- gen des starken Abfalls der Schubsteifigkeit im
tragen (Wölbkrafttorsion). Zustand II nicht unbedingt gerechtfertigt. Bei ge-
Lediglich bei Vernachlässigung der St.-Ve- drungenen Balken sollte J daher zumindest quali-
nantschen Torsionssteifigkeit der Stege wird das tativ erfasst werden, z. B. über eine reduzierte elas-
Quersystem statisch bestimmt; die Kräfte verteilen tische Schubsteifigkeit, s. [Grasser/Thielen 1991].
sich nach dem Hebelgesetz auf die Stege. Diese Die zeitabhängige Zunahme der Verformungen
Näherung ist im üblichen Hochbau zulässig. Im muss in jedem Fall berücksichtigt werden (s.
Brückenbau sind genauere Untersuchungen erfor- 3.3.10). Die Länge der als gerissen anzunehmenden
derlich (s. [Holst 1998]). Zur Aufnahme der Torsi- Bereiche muss neben der bei der Durchbiegungs-
onsmomente ist i. Allg. eine Verbindung der Stege berechnung angesetzten Last evtl. auch vorherge-
mit Querträgern (meist nur im Auflagerbereich) er- hende höhere Lasten (i. Allg. die seltene Einwir-
forderlich, die die gegenseitige achsiale Verdre- kungskombination) berücksichtigen.
hung behindern. Bei der Auswertung von Gl. (3.3.103) sind zu-
nächst die aus den wirkenden Schnittgrößen resul-
Nachweise tierenden Verzerrungen (unter Berücksichtigung
Die Bemessung der Gurte kann für die Schubbean- der Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen)
spruchung vSd,fl, die Biegebeanspruchung mSd,q in in einer ausreichenden Anzahl von Punkten ent-
Querrichtung und die Spannung in Längsrichtung lang der Stabachse und die virtuellen Schnittgrö-
3.3 Massivbau 1113

ßen für die gesuchte Verformung zu bestimmen.


Die Integration erfolgt numerisch, z. B. mit der
Simpson-Regel.
Die numerische Genauigkeit hängt von der Zahl
der verwendeten Stützstellen ab. Bei nur einer Stütz-
stelle und Annahme eines zum Moment affinen Ver-
laufs der Krümmung ergibt sich in Abb. 3.3-49

(3.3.104)

Da der angenäherte Verlauf völliger ist als der


wirkliche, wird die Verformung überschätzt. Im
Allgemeinen nähert man sich dem (numerisch)
richtigen Ergebnis bei einer Erhöhung der Zahl der Abb. 3.3-49 Berechnung der Durchbiegung eines Einfeld-
Stützstellen von oben an. trägers
Die Integration der Verzerrungen bewirkt eine
Mittelung des Bauteilverhaltens über die Länge.
Da lokale Störungen auf diese Weise ausgeglichen
werden, können Verformungen für die Nachweise
im GZG und GZT meist unter Ansatz der stochas-
tischen Mittelwerte der Materialeigenschaften be-
rechnet werden.
Hinsichtlich der Zuverlässigkeit einer Durch-
biegungsberechnung ist zu bedenken, dass die
hierfür maßgebenden Materialparameter (Elastizi-
tätsmodul und Zugfestigkeit des Betons) i. Allg.
nicht experimentell bestimmt, sondern lediglich
aus der Druckfestigkeit abgeleitet werden, vgl. Gl.
(3.3.5)–(3.3.7). Die Vorhersagegenauigkeit ist da-
her begrenzt.

Begrenzung im GZG
Zu unterscheiden sind Durchbiegung (Verformung,
bezogen auf die unverformte, spannungslose Lage
des Bauteils) und Durchhang (Stich der Biegeli- Abb. 3.3-50 Verformung
nie, bezogen auf die ideale Systemlinie, z. B. die
Verbindungslinie der Auflager). Durchhang und
Durchbiegung unterscheiden sich um das Maß der Maschinen, die Entwässerung von flachen Dächern
Überhöhung beim Betonieren. etc. zu berücksichtigen. Wegen der Vielfalt der
Die Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken möglichen Schäden ist die Festlegung allgemein
kann durch Verformungen erheblich eingeschränkt gültiger Grenzwerte nicht möglich. In DIN 1045
werden (Abb. 3.3-50). Die Forderung nach einer Teil 1 werden in Anlehnung an ISO 4356 folgende
Begrenzung der Durchbiegung folgt i. Allg. aus der Grenzen angegeben:
Begrenzung der durch die Verformung verursach-
ten Schäden an der tragenden und nichttragenden – Zur Vermeidung von Schäden in Trennwänden
Konstruktion. Daneben sind aber auch die Auswir- darf die Durchbiegung 1/500 der Spannweite
kungen auf das subjektive Wohlbefinden von Per- nicht überschreiten. Entscheidend ist hier aber
sonen, das einwandfreie Funktionieren installierter auch die konstruktive Ausbildung und der Zeit-
1114 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

punkt des Einbaus, da nur der Teil der Durchbie- neben einer ausreichenden Dämpfung v. a. einen
gung, der nach dem Einbau der Wand noch auf- ausreichenden Abstand zwischen Eigen- (Z) und
tritt, wirksam wird. Dieser ist um den Anteil des Erregerfrequenz (:), (vgl. 1.5 und [CEB 1991a]).
Bauteileigengewichts und die bereits eingetre- Da i. Allg. :<Z angestrebt wird, entspricht dies ei-
tenen Kriechverformungen geringer. ner Mindestanforderung an die Steifigkeit und ist
– Andere Schäden können i. Allg. durch eine Be- demnach an die Beschränkung der Durchbiegung
grenzung des Durchhangs auf 1/250 der Spann- unter ruhender Last gekoppelt.
weite vermieden werden. Die Verformungen
können in diesem Fall durch eine Überhöhung
z. T. ausgeglichen werden. Die Überhöhung 3.3.7 Statisch unbestimmte Balken
sollte jedoch so vorsichtig gewählt werden, dass
3.3.7.1 Bauteilverhalten
sie von der Verformung mit Sicherheit über-
schritten wird, da ein sonst entstehender nega- Im Gegensatz zu statisch bestimmten Balken kön-
tiver Durchhang i. d. R. schädlicher ist als ein nen Schnittgrößen aus Gleichgewichtsbedingungen
positiver. nicht eindeutig bestimmt werden. Daher ist zusätz-
lich die Beachtung von Verträglichkeitsbedin-
Unter periodischen Einwirkungen (z. B. durch in- gungen erforderlich. Diese fordern für den in Abb.
stallierte Maschinen, Menschen, Fahrzeuge) erfor- 3.3-51 dargestellten Träger ein Verschwinden der
dert die Begrenzung der Schwingungsamplituden Verdrehung an den Einspannstellen:

Abb. 3.3-51 Krümmungen und Verträglichkeit der Verformungen


3.3 Massivbau 1115

eine (wesentliche) Zunahme des Stützmoments sehr


(3.3.105)
stark zu. Eine weitere Lasterhöhung muss nun allein
durch eine Vergrößerung des Feldmoments aufge-
Solange der Träger ungerissen bleibt gilt dabei nommen werden; das Bauteil wirkt nun wie ein Ein-
überall N=M/EcI, wenn der Einfluss ggf. unter- feldträger mit einem Randmoment MSt,y. Da sich die
schiedlicher ideeller Querschnittswerte bei unglei- plastischen Krümmungen auf einen relativ kurzen
cher Bewehrung im Feld- und Stützbereich ver- Bereich konzentrieren, werden sie i. Allg. zur Ver-
nachlässigt wird. Die Krümmung ist dann parabel- drehung eines (fiktiven) plastischen Gelenks zu-
förmig, und es folgt: sammengefasst. Die Zunahme der Krümmung im
Feld bei Steigerung der Feldmomente verursacht
(3.3.106) eine Verdrehung des plastischen Gelenks; durch den
entstehenden Knick ist die Verträglichkeit der Ver-
formungen nicht mehr gewährleistet.
Die ersten Risse entstehen an der Einspannung. Da Der Grenzzustand der Tragfähigkeit ist erreicht,
N im gerissenen Zustand größer ist als nach elasti- wenn mit der Bildung eines weiteren Fließgelenks
scher Rechnung entsteht eine zusätzliche Winkel- in Feldmitte eine kinematische Kette entsteht. An-
verdrehung ¨ISt<0, die dem Integral über dem ders ausgedrückt bedeutet dies, dass die Schnitt-
Krümmungszuwachs entspricht (neg. schraffierte größenverteilung im GZT durch die im Bauteil
Fläche in Abb. 3.3-51 b): vorhandene Bewehrung bestimmt wird, da sich
eine entsprechende Momentenlinie durch Fließge-
lenkbildung automatisch einstellt; dies entspricht
dem statischen Grenzwertsatz der Plastizitätstheo-
(3.3.107) rie. Voraussetzung für die vollständige Aktivierung
des Feldmoments ist eine ausreichende Duktilität
(Rotationsfähigkeit) der Stützbereiche, die in der
Lage sein müssen, die hierfür erforderliche plasti-
Die Verträglichkeit kann demnach nur gewährleis- sche Verdrehung aufzunehmen.
tet werden, wenn |MSt| kleiner ist als der aus einer Die Abweichung der tatsächlichen Biegemomente
elastischen Rechnung folgende Wert ql2/12. Das M von den nach E-Theorie berechneten Mel wird als
Feldmoment folgt dann allein aus dem Gleichge- Momentenumlagerung bezeichnet. Der Umlage-
wicht zu MF=MSt+ql2/8. Zum gleichen Ergebnis rungsfaktor ist definiert als G=MSt/ MSt,el. Das Aus-
kommt man, wenn die aus der Lasterhöhung ge- maß der Umlagerung in den einzelnen Laststufen
genüber der Erstrisslast resultierenden Schnittgrö- ist von zahlreichen Parametern abhängig, v. a. den
ßen durch eine statisch unbestimmte Rechnung Bewehrungsmengen ASt, AF, der Querschnittsform
bestimmt werden, bei der den gerissenen Stützbe- (Rechteck, Plattenbalken) und der Belastung (Form
reichen die reduzierte Steifigkeit im Zustand II zu- der Momentenlinie). Den qualitativen Verlauf für ei-
gewiesen wird. nen beidseitig eingespannten Träger unter Gleichlast
Bei weiterer Laststeigerung entstehen auch im mit Rechteckquerschnitt und gleicher Bewehrung im
Feldbereich Risse, die durch die vergrößerte Krüm- Feld und an der Stütze zeigt Abb. 3.3-52. Da bei glei-
mung einen zusätzlichen Drehwinkel ¨IF >0 verur- cher Bewehrung auch die Steifigkeit im Zustand II
sachen. Die Steifigkeit fällt auch dort auf den Wert im Feld- und Stützbereich gleich ist, verläuft die Li-
im Zustand II ab. Die weitere Entwicklung der nie im voll gerissenen Zustand parallel zur elasti-
Schnittgrößenverteilung ist wesentlich von der vor- schen. Im Allgemeinen ist die Bewehrungsmenge im
handenen Bewehrung abhängig. Für As,St>>As,F ist Stützbereich jedoch größer als im Feld; wegen der
die Steifigkeit im Stützbereich im Zustand II wesent- dann größeren Steifigkeit der Stützbereiche nähert
lich größer, was zu einem Anstieg der Stützmomente sich die Schnittgrößenverteilung nach Abschluss der
über den elastisch berechneten Wert führen kann. Rissbildung wieder der elastischen an.
Mit dem Erreichen des Fließmomentes MSt,y im Bei unsymmetrischen Querschnitten (Platten-
Stützbereich nehmen dort die Krümmungen ohne balken mit Wo>>Wu) beginnt die Rissbildung u. U.
1116 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.3-52 Momentenumlagerung am beidseitig eingespannten Träger

im Feld. In diesem Fall werden die Schnittgrößen durch das Erreichen der Fließgrenze in der Beweh-
zunächst vom Feld zur Stütze umgelagert. Ebenso rung im Schnitt 1 und des Bruchmoments im Schnitt
kann bei As,St>>As,F das erste Fließgelenk im Feld 2 bestimmt. Sie hängt damit v. a. vom Verhältnis zwi-
entstehen. Dieser Fall ist bei Balken mit Gleichlast schen dem Fließ- und Bruchmoment des Querschnitts
und üblicher Bewehrungsanordnung von geringer sowie der Querkraft ab, also der Steigung der Mo-
praktischer Bedeutung und wird daher nicht weiter mentenlinie im Bereich des Gelenkes, wobei die
behandelt. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Ausrundung der Zugkraftlinie über direkten Aufla-
folgenden Erläuterungen hierfür nicht unmittelbar gern (Abb. 3.3-43) zu beachten ist. Die üblicherwei-
anwendbar sind, da in einem solchen Gelenk V=0 ist se angegebenen Rotationsfähigkeiten sind daher auf
und somit die Rotationsfähigkeit kleiner ausfällt. indirekte Auflager nicht ohne weiteres übertragbar.
Die maximale plastische Krümmung wird von
Einfluss der Schubverzerrung der Duktilität der Bewehrung und des Betons, dem
Bei Zweifeldträgern und den Randfeldern von Verbundverhalten und dem Bewehrungsgrad beein-
Durchlaufträgern wird v. a. bei gedrungenen Bal- flusst (Abb. 3.3-30). Für Stahlversagen ergibt sie
ken das Stützmoment und damit die Durchlaufwir- sich über die Risse gemittelt zu Num= Hsu,m/(d–x), für
kung reduziert. Bei profilierten Querschnitten mit Betonversagen zu Num=|Hcu,m|/x. Somit ist die bezo-
dünnen Stegen ist der Einfluss der Schubverzer- gene Druckzonenhöhe ein geeigneter Summenpara-
rung bereits bei größeren Schlankheiten erkennbar, meter für die Duktilität (Abb. 3.3-54). Für sehr klei-
ebenso bei gerissenen Stahlbetonbauteilen wegen
der i. Allg. relativ geringen Schubsteifigkeit.
In der Praxis wird dieser Effekt meist vernachläs-
sigt, was im Rahmen des statischen Grenzwertsatzes
der Plastizitätstheorie gerechtfertigt ist. Bei hoch-
ausgenutzten Tragwerken kann eine Berücksichti-
gung der Abnahme der Stützmomente bzw. der Ro-
tation in den plastischen Gelenken sinnvoll sein.

Rotationsfähigkeit plastischer Gelenke


Die mögliche Rotation eines Fließgelenks ergibt sich
aus dem Integral über den plastischen Krümmungs-
anteilen im Bereich des Gelenks (Abb. 3.3-53) [CEB
1998; Eligehausen u. a. 1997]. Die Länge lpl wird Abb. 3.3-53 Ermittlung der möglichen Rotation șpl
3.3 Massivbau 1117

ginn des Iterationsschrittes entwickelt: se (i+1) =


kte(i) ¨ve+se (i). kte(i) heißt dabei tangentiale Steifig-
keitsmatrix und folgt analog zur elastischen Rech-
nung aus

kte(i)= œle HeT E(i) He dx (3.3.109)

mit der tangentialen Querschnittssteifigkeit E(i)


nach Gl. (3.3.39). Die Integration muss wegen der
Veränderlichkeit von E im Element i. Allg. nume-
Abb. 3.3-54 Bemessungswerte der zulässigen Rotation
risch durchgeführt werden (Gauß-Quadratur), sie-
eines plastischen Gelenks für hochduktile Bewehrungs- he z. B. [Bathe 1986].
stähle nach DIN 1045 Teil 1 (O = 3) Die Elementsteifigkeitsmatrizen können wie in
der Elastizitätstheorie zur Systemmatrix Kt(i) kombi-
niert werden. Die Lösung der linearisierten Gleich-
ne Werte U bzw. x/d nimmt Tpl wegen der zuneh- gewichtsbedingung Kt(i)¨V= P–aT·s(i) liefert einen
menden versteifenden Mitwirkung des Betons zwi- verbesserten Verformungszustand V(i+1)=V(i)+¨V.
schen den Rissen ab. Für große x/d versagt die Die Iteration wird abgebrochen, wenn der Verfor-
Druckzone vor Fließbeginn der Bewehrung. Die mungszuwachs ¨V hinreichend klein oder die glo-
Rotationsfähigkeit ist dann gleich Null. Der Ein- bale Gleichgewichtsbedingung hinreichend genau
fluss der Querkraft wird durch die Schubschlankheit erfüllt ist.
O=MSd/(VSdd) erfasst, indem der Grundwert mit Im Allgemeinen kann bei Stabtragwerken mit
dem Faktor multipliziert wird. dem einfachen Newton-Raphson-Algorithmus Kon-
vergenz erzielt werden; zur Vermeidung von Diver-
genzen und zur Reduzierung der Rechenzeit emp-
3.3.7.2 Schnittgrößenermittlung
fiehlt sich jedoch eine Modifikation durch Line-
Nichtlineare Schnittgrößenermittlung search-Algorithmen oder Sekanten-Verfahren (Qua-
Wirklichkeitsnahe Berechnungen unter Berück- si-Newtonsche Methoden) siehe z. B. [CEB 1996].
sichtigung von Rissbildung und Plastifizierung er- Eine schrittweise (inkrementelle) Steigerung der
folgen heute i. d. R. unter Verwendung der Metho- Last erweist sich i. d. R. als vorteilhaft. Zu Einzel-
de der Finiten Elemente (zu den Grundlagen s. heiten der nichtlinearen Berechnungen siehe z. B.
1.5). Die Knotenkräfte des Elements ergeben sich [Hofstetter/Mang 1995; Stempniewski/Eibl 1996].
hier jedoch als nichtlineare Funktion der Knoten- Bei der Wahl der Elementansätze zur nichtline-
verschiebungen: aren Berechnung von Stahlbetontragwerken ist
insbesondere die Kopplung von Biegung und Nor-
se = se(ve) = œle HeT V(ve) dx+ soe (3.3.108) malkraft zu berücksichtigen. Bei den gängigen,
schubstarren Stabelementen mit zwei Knoten wird
mit dem Elementlastvektor soe und den Ansatzpo- N linear interpoliert, H0 dagegen konstant. Somit
lynomen für die Elementverzerrungen He. Die Er- kann sich die zur Krümmung zugehörige Längs-
mittlung des Schnittgrößenvektors V erfolgt für dehnung nicht frei einstellen, es entstehen fiktive,
den aus den Knotenverschiebungen ve resultie- im Element veränderliche Normalkräfte. Als vor-
renden Verzerrungszustand nach Gl. (3.3.31). teilhaft erweisen sich daher Elementtypen, die für
Eine Lösung für die Systemgleichgewichtsbe- Verzerrungsgrößen N und H0 Ansatzpolynome glei-
dingung P=aT·s mit der Transformationsmatrix a cher Ordnung verwenden [Zilch 1993].
und dem Vektor der äußeren Knotenkräfte P kann Das Verhalten plastischer Gelenke kann mit
i. Allg. nur iterativ gewonnen werden. Hierfür wer- schubstarren Elementen nicht zutreffend erfasst
den meist analog zu Gl. (3.3.39) die Knotenkräfte werden, da der Einfluss der Querkraft nicht be-
nach den Verschiebungen in eine Taylorreihe um rücksichtigt wird. Hierfür sind ggf. Modifikationen
einen geschätzten Verformungszustand V(i) am Be- erforderlich.
1118 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Elastische Schnittgrößenermittlung schrieben wird, werden diese i. Allg. für die Schnitt-
Da die nichtlineare Berechnung von Stahlbeton- größenermittlung angesetzt. Die Querschnittsbe-
tragwerken i. Allg. für die praktische Anwendung messung lässt sich aber von der Traglastermittlung
zu aufwändig und fehleranfällig ist, werden nicht trennen, so dass die ermittelte Systemtraglast
Schnittgrößen in der Praxis heute meist auf Basis mit einem globalen Sicherheitsbeiwerte JR abge-
der linearen Elastizitätstheorie ermittelt. Dies ent- mindert werden muss [Eibl/Schmidt-Hurtienne
spricht einer Approximation durch die Tangenten- 1995]. Um für Beton- und Stahlversagen gleiche JR
steifigkeit im Ursprung und ist somit v. a. auf nied- zu erhalten, wird nach DIN 1045 Teil 1 die System-
rigen Laststufen, insbesondere solange der Beton traglast mit Rechenwerten der Materialeigen-
ungerissen bleibt, zutreffend oder zumindest eine schaften ermittelt, die so festgelegt sind, dass sich
gute Annäherung an die Realität. für reines Beton- oder Stahlversagen mit JR=1,3 die
Für höhere Lasten weicht die Näherung zuneh- gleichen Traglasten ergeben wie unter Verwendung
mend von der Wirklichkeit ab, ist für die praktische der Bemessungswerte, d. h. für die Betondruckfestig-
Arbeit i. d. R. jedoch hinreichend genau, wenn die keit fcR/JR § fcd und die Fließgrenze der Bewehrung
Schnittgrößen nicht von der Gesamtsteifigkeit, fyR/JR § fyd [König et al. 1997].
sondern nur von der örtlichen Verteilung der Stei- Die globale Abminderung der Tragfähigkeit im-
figkeiten im System abhängen. Unter Zwangbean- pliziert jedoch auf Querschnittsebene eine Abmin-
spruchung und bei einer Berechnung nach Theorie derung der Schnittgrößen bei festgehaltener Ver-
II. Ordnung liefert sie jedoch keine sinnvollen Er- zerrung und damit auch der E-Moduln. Für stark
gebnisse. verformungsbeeinflusste Grenzzustände nach The-
orie II. Ordnung liegt die Methode daher evtl. weit
auf der sicheren Seite [König/Quast 2000]. Für sol-
3.3.7.3 Nachweiskonzepte
che Fälle bietet es sich an, von vornherein mit den
Nachweis im GZT Bemessungswerten der Materialeigenschaften zu
Nichtlineare Berechnung. Der konsequenteste Nach- rechnen oder für die mit den Mittelwerten berech-
weis im GZT ist die Ermittlung der Systemtraglast neten in den kritischen Schnitten eine Bemessung
durch eine nichtlineare Systemberechnung; der unter Verwendung von Bemessungswerten durch-
Nachweis ist erbracht, sofern sichergestellt wird, zuführen. Die zweite Möglichkeit ist nicht konsis-
dass für den Bemessungswert der Einwirkungen in tent, da bei Schnittgrößenermittlung und Quer-
jeder denkbaren Anordnung ein Gleichgewichtszu- schnittsbemessung unterschiedliche Dehnungszu-
stand gefunden werden kann. Lediglich Schnitt- stände vorausgesetzt werden; sie liefert aber i. Allg.
größen, denen im Rahmen der gewählten Modell- sinnvolle Ergebnisse.
bildung keine Verformungen zugewiesen werden
(z. B. Querkraft bei schubstarren Elementen), müs- Elastische Schnittgrößenermittlung. Die Querschnitts-
sen für die im Traglastzustand vorliegenden Schnitt- bemessung wird für die elastisch berechneten
größen gesondert nachgewiesen werden. Schnittgrößen nach 3.3.6 durchgeführt, die Betrach-
Da die Verteilung der Schnittgrößen jedoch we- tung von System (Schnittgrößenermittlung) und
sentlich von der vorhandenen Bewehrung abhängt, Querschnitt (Bemessung) also entkoppelt. Dies be-
die zu bestimmen der eigentliche Zweck der Be- deutet, dass das Verhalten des Querschnitts die Ver-
messung ist, kann diese nur noch iterativ erfolgen. teilung der Schnittgrößen nicht beeinflusst und
Die Iteration lässt sich evtl. umgehen, wenn die Be- mögliche Umlagerungen durch Fließgelenkbildung
wehrung zunächst im GZG für die Schnittgrößen nicht erfasst werden können. Die globale Tragfähig-
nach der Elastizitätstheorie bestimmt und damit keit des Systems ist somit definiert durch die lokale
schließlich die Tragfähigkeit mit einer nichtline- Tragfähigkeit des schwächsten Querschnitts.
aren Berechnung nachgewiesen wird. Wegen des starken Näherungscharakters der Elas-
Die Berücksichtigung der Unsicherheiten der tizitätstheorie erlaubt sie nur im Rahmen des sta-
Materialseite ist im Rahmen des Teilsicherheits- tischen Grenzwertsatzes der Plastizitätstheorie eine
konzeptes schwierig. Da das globale Verhalten des sichere Bemessung, da sie einen möglichen Gleich-
Tragwerks am besten durch die Mittelwerte be- gewichtszustand liefert. Zum Erreichen der vollen
3.3 Massivbau 1119

Abb. 3.3-55 Momentenumlagerung beim Zweifeldträger

Tragfähigkeit ist eine (relativ geringe) Mindestdukti- zipiell nachzuweisen. In Abb. 3.3-57 gilt bei Ver-
lität erforderlich; nach DIN 1045 Teil 1 ist daher die nachlässigung der Schubverzerrungen:
Druckzonenhöhe in den Bemessungsschnitten auf x/
d”0,45(x/d” 0,35 ab C 55/67) zu begrenzen. (3.3.110)

Plastische Nachweisverfahren. Die Ausnutzung der Die erforderliche Rotation T ist mit der möglichen
Umlagerung durch Fließgelenkbildung bei der Be- Tpl, d nach Abb. 3.3-54 zu vergleichen. Die Krüm-
messung im GZT bietet mung darf bei Ermittlung der erforderlichen Rota-
tion mit den Mittelwerten der Baustoffeigen-
– konstruktive Vorteile durch Entlastung hochbe-
schaften berechnet werden; im plastischen Gelenk
anspruchter Bereiche (Vermeidung von Beweh-
sind dagegen Bemessungswerte anzusetzen.
rungskonzentrationen) sowie
Vor allem bei hohen Bewehrungsgraden und
– wirtschaftliche Vorteile aus einer günstigeren
schmalen Druckzonen, z. B. bei durchlaufenden
Momentengrenzlinie (Abb. 3.3-55).
Plattenbalken mit schmaler Druckzone über einer
Plastische Nachweisverfahren gehen daher direkt Innenstütze, bleiben so die möglichen Schnittgrö-
von der zum Versagen führenden Fließgelenkkette ßenumlagerungen begrenzt. Zu beachten ist auch,
im Grenzzustand der Tragfähigkeit aus. Das Auffin- dass bei einer Umlagerung der Momente aus Gleich-
den des maßgebenden Mechanismus bereitet bei
Stabtragwerken i. Allg. keine Probleme, wenn die
ersten Fließgelenke über den Stützen eingeführt und
die Schnittgrößen im Feld aus den Gleichgewichts-
bedingungen bestimmt werden (z. B. Einhängen ei-
ner Parabel mit dem Stich ql2/8, Abb. 3.3-56). Man
erhält so unmittelbar den Zusammenhang zwischen
der Tragfähigkeit der Stützbereiche MRd, St und
Feldbereiche MRd,F und der Traglast.
Das Verhältnis MRd, St /MRd, F ist bei ideal-plasti-
schen Baustoffen beliebig, bei Stahlbetontragwer-
ken mit eingeschränkter Duktilität aber durch die
Rotationsfähigkeit begrenzt. Diese ist daher prin- Abb. 3.3-56 Plastische Traglastermittlung bzw. Bemessung
1120 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

(3.3.112)

Die erste Bedingung entspricht jeweils dem Beton-


versagen, die zweite dem Stahlversagen. Bei hoch-
festen Betonen sind die zulässigen Umlagerungen
wegen der geringeren Verformungsfähigkeit des Be-
tons kleiner.

Abb. 3.3-57 Rotationsnachweis beim Zweifeldträger


Nachweise im GZG
Die Nachweise in den Grenzzuständen der Ge-
brauchstauglichkeit werden nach 3.3.6 geführt.
gewichtsgründen auch die Querkräfte und evtl. an- Die Schnittgrößen werden dabei i. Allg. elastisch
dere Schnittgrößen umgelagert werden müssen und ermittelt, obwohl durch die Rissbildung bereits bei
der Momentennullpunkt sich verschiebt, was bei geringen Einwirkungen Umlagerungen auftreten,
der Anordnung der Bewehrung zu berücksichtigen deren Verfolgung mit nichtlinearen Berechnungs-
ist. Da bei der Ermittlung der Fließmomente Be- methoden möglich und zulässig ist. Die Anwen-
messungswerte der Festigkeiten angesetzt werden, dung plastischer Verfahren ist dagegen wegen der
die wirklichen Festigkeiten i. Allg. jedoch weit hö- hier vorausgesetzten Plastifizierungen im GZG
her liegen, tritt die Fließgelenkbildung bei den an- nicht zulässig.
genommenen Bemessungslasten evtl. noch nicht Da bei einer Bemessung unter Ausnutzung plas-
auf (Überfestigkeit). Um ein vorzeitiges Versagen tischer Umlagerungen die Schnittgrößen nicht pro-
durch spröde Mechanismen (z. B. Querkraft) unter portional zu den äußeren Lasten sind, werden ein-
den evtl. ungünstigeren Schnittgrößen ohne Umla- zelne Bereiche im GZG relativ hoch ausgenutzt
gerung auszuschließen, sind ggf. Grenzwertbetrach- (z. B. Stützbereich in Abb. 3.3-55). Die Nachweise
tungen erforderlich. im GZG werden dort häufig bemessungsrelevant,
Die Ausnutzung der Verfestigung, d. h. der Zunah- und zwar umso eher, je größer die angenommene
me vom Fließ- zum Bruchmoment in den plasti- Umlagerung (1 – G) im GZT ist.
schen Gelenken, ist im Sinne der Plastizitätstheorie Nach DIN 1045 Teil 1 sind die Spannungen in
nicht konsequent, da zum Erreichen der Bruchmo- Beton und Bewehrung für G<0,85 daher grund-
mente im Feld eine wesentlich größere plastische sätzlich zu überprüfen. Dies begrenzt zusätzlich zur
Rotation erforderlich ist als zum Erreichen der Rotationsfähigkeit die ausnutzbare Umlagerung und
Fließmomente, was bei Berechnung des Rotations- stellt Mindestanforderungen an die Bewehrungs-
bedarfs mit Mittelwerten der Materialeigenschaften führung (z. B. die Länge der Stützbewehrung) dar.
aber nicht erfasst wird. Im Allgemeinen ist dies
aber tolerierbar. Zwangsschnittgrößen
Auf einen expliziten Nachweis der Rotations- Zwangsschnittgrößen entstehen durch eingeprägte
fähigkeit darf nach DIN 1045 Teil 1 verzichtet Verformungen und sind abhängig von der Steifig-
werden, wenn die Umlagerung in Abhängigkeit keit des Systems. Daher besteht für Bauteile mit
von der bezogenen Druckzonenhöhe x/d begrenzt nichtlinearem Verhalten ein fundamentaler Unter-
bleibt (linear-elastische Berechnung mit Umlage- schied zu Schnittgrößen infolge Lasten.
rung). Für normalfeste Betone (bis C 50/60) gilt Das Prinzip lässt sich am Beispiel des Zugsta-
bei Verwendung hochduktiler Stähle bes erläutern (Abb. 3.3-58). Der erste Riss entsteht
unabhängig vom Bewehrungsgehalt des Bauteils,
sobald die Dehnung ¨s/l des Bauteiles die Riss-
(3.3.111) dehnung fct/Ec des Betons überschreitet. Im Riss
wird ein Teil der Zwangsverformung abgebaut, die
und bei Verwendung normalduktiler Stähle Zugkraft reduziert sich um den Anteil w/¨s.
3.3 Massivbau 1121

(3.3.114)

Act ist die im ungerissenen Zustand unter Zug-


spannungen stehende Fläche. Der Faktor kc lässt
sich aus einer Gleichgewichtsbetrachtung gewin-
nen. Bei zentrisch gezogenen Bauteilen ist die
Rissschnittgröße offensichtlich Ncr=fct,eff Act und
somit kc=1,0. Für einen Rechteckquerschnitt unter
reiner Biegung ist Mcr=fct,eff b h2/6; die Stahlzug-
kraft im gerissenen Zustand ist mit dem geschätzten
inneren Hebelarm z§0,8h und Act=b h/2 gleich

Abb. 3.3-58 Verhalten unter Zwangsbeanspruchung (3.3.115)

Beginnt der Stahl im Riss zu fließen, so fällt die Damit ist kc=0,4. Die aufzunehmende Kraft ist also
Zugkraft auf fy As ab, so dass die elastischen Deh- kleiner als die Biegezugkraft des ungerissenen
nungen des Betons in den ungerissenen Bereichen Querschnitts 1/2 Act fct,eff, was auf die Zunahme des
ebenfalls abnehmen und im Bauteil kein weiterer inneren Hebelarms von 2/3 h bei linearer Span-
Riss entstehen kann, da die Zugfestigkeit des Betons nungsverteilung auf 0,8 h zurückzuführen ist. Für
nicht mehr erreicht wird. Daher wird fast der ge- kombinierte Beanspruchungen aus Zug und Bie-
samte Zwang ¨s in einem einzigen, sehr breiten Riss gung liegt der Wert bei 0,4<kc<1,0 und für Biegung
abgebaut. mit Längsdruck bei 0<kc<0,4; s. auch Gl. (3.3.201).
Kann die Bewehrung die Zugkraft dagegen auf- Bei gleichzeitiger Wirkung von Eigenspan-
nehmen ohne zu plastifizieren, so steigt bei einer nungen (infolge ungleichmäßigen Schwindens, un-
weiteren Steigerung von ¨s die Zugkraft wieder gleichmäßiger Temperaturspannungen aus Abflie-
an, bis der nächste Riss entsteht. Dabei kann sie ßen der Hydratationswärme) ergibt sich die Gesamt-
die Rissschnittgröße nicht bzw. nur im Rahmen der spannung aus der Summe von Eigenspannung und
Schwankung der Betonzugfestigkeit innerhalb des äußerem Zwang und muss am Rand fct ergeben
Bauteils überschreiten, solange das Bauteil im Zu- (Abb. 3.3-59). Demnach verbleibt für den äußeren
stand der Einzelrissbildung bleibt. Bei gleich- Zwang nur eine abgeminderte Zugfestigkeit k fct.
zeitiger Wirkung von Last- und Zwangsbean- Da aus den Eigenspannungen definitionsgemäß kei-
spruchungen gelten diese Aussagen sinngemäß. ne Schnittgröße resultiert, reduzieren sich die Riss-
Die Zwangsschnittgröße kann dann maximal die schnittgrößen Ncr, Mcr entsprechend. Die Größe der
Differenz zwischen Last- und Rissschnittgröße be- Eigenspannungen ist von der Bauteildicke abhän-
tragen.
Die explizite Berücksichtigung von Zwän-
gungen ist daher bei Nachweisen im GZG für
Tragwerke des üblichen Hochbaus i. d. R. nicht er-
forderlich, sofern die vorhandene Bewehrung zur
Aufnahme der Rissschnittgrößen ausreicht. Diese
ergeben sich aus

(3.3.113)

Die erforderliche Mindestbewehrung lässt sich in Abb. 3.3-59 Eigenspannung, Spannung aus äußerem
der folgenden Form schreiben: Zwang und resultierende Spannung
1122 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

gig; i. Allg. ist 0,5<k<1,0. Eigenspannungen werden toniert werden: As,min für Zwang aus abfließender
jedoch mit der Zeit durch Kriechen abgebaut. Die Hydratationswärme. Die Einleitung/Weiterleitung
Abminderung sollte daher nur ausgenutzt werden, in den Kernen sollte ebenfalls betrachtet werden.
wenn die gleichzeitige Wirkung von Zwang und Ei- – Gleiches gilt für Bodenplatten mit Verformungs-
genspannung vorausgesetzt werden kann, d. h. wenn behinderung durch den Baugrund. Dabei kann es
beide die gleiche Ursache haben (z. B. behindertes aber sinnvoll sein, zu untersuchen, ob die Riss-
Schwinden). kraft durch die Reibung zwischen Bodenplatte
Treten die ersten Risse, etwa bei Zwang infolge und Baugrund im Bauzustand überhaupt erzeugt
abfließender Hydratationswärme, schon vor dem werden kann. Falls nicht: Rissbreitennachweis
Erreichen der endgültigen Festigkeit auf, so kann für die durch Reibung eingeleitete Zwangskraft.
die Zugfestigkeit entsprechend reduziert werden. – Bauteile mit Verformungsbehinderung und großen
Allgemein sollte jedoch bedacht werden, dass die Änderungen der mittleren Bauteiltemperatur im
in der üblichen Bemessung angesetzten Festigkei- Jahresverlauf (z. B. in nicht beheizten Gebäuden)
ten untere Grenzwerte darstellen, die in den realen oder nutzungsbedingt (Industriebau): As,min für
Bauwerken z. T. erheblich überschritten werden zentrischen Zwang mit voller Zugfestigkeit und
und bei der Ermittlung der Mindestbewehrung auf k = 1.
der unsicheren Seite liegen. Daher schreibt DIN – Durchlaufende/eingespannte Balken oder Platten
1045 Teil 1 einen Mindestwert von 3 MPa vor. mit hohen Temperaturgradienten (z. B. Bauteile
Die Stahlspannung Vs folgt i. d. R. aus der Be- in der Gebäudehülle) oder mit erheblicher Stüt-
schränkung der Rissbreite; unter reiner Zwangsbe- zensenkung (z. B. weicher Baugrund): As,min für
anspruchung sollte der Ermittlung der Rissbreite der Biegezwang mit voller Zugfestigkeit und k = 1.
Zustand der Einzelrissbildung zugrunde gelegt wer- – Platten/Balken mit rechnerisch nicht berücksich-
den. Bei massigen Bauteilen mit Zwang aus abflie- tigten Tragwirkungen/Lagerungen, z. B. durch
ßender Hydratationswärme und Schwinden führt monolithische und damit biegesteife Verbindung
dies jedoch zu unwirtschaftlichen Ergebnissen. Hier mit Stützen oder Wänden am Endauflager: in DIN
macht man sich die Bildung von Sekundärrissen 1045-1 durch konstruktive Regeln berücksichtigt.
(Abb. 3.3-22) zunutze, indem die Begrenzung der
Rissbreite nur für die Randzonen mit der zur Sekun- Der planende Ingenieur hat einen erheblichen Er-
därrissbildung erforderlichen Kraft fct,eff ˜ Ac,eff nach- messensspielraum, indem er aufgrund von Erfah-
gewiesen wird. Dabei ist k = 1 zu setzen, da nach rungen und ingenieurmäßigen Betrachtungen ent-
Abb. 3.3-59 die Abminderung der Rissschnittgröße scheiden muss. Da die Mindestbewehrung v. a. für
durch Eigenspannungen zwar für den Gesamtquer- flächige Bauteile häufig maßgebend ist, wird viel-
schnitt, nicht aber für die Randzonen gilt. Um eine fach versucht, Zwangsbeanspruchungen wegzudis-
Sekundärrissbildung sicherzustellen, muss ein Flie- kutieren. Man sollte jedoch bedenken, dass ein
ßen der Bewehrung bei Primärrissbildung vermie- großer Teil der in der Praxis auftretenden Schäden
den werden, d. h. die Mindestbewehrung muss zu- auf die Fehleinschätzung von Zwängungen zurück-
sätzlich Gl. (3.3.114) mit Vs = fyk erfüllen. zuführen ist. Fallweise kann eine Vermeidung von
Die Frage, ob eine Mindestbewehrung zur Be- Zwängungen durch die Wahl des Tragsystems
grenzung der Rissbreite überhaupt erforderlich ist, (Ausbildung von Gelenken oder Fugen) sinnvoll
und für welche Beanspruchung diese zu bemessen sein; hier sollten Kosten und Nutzen aber kritisch
ist, kann in der Norm nicht allgemeingültig beant- abgewogen werden.
wortet werden. Für einige typische Fälle werden In Sonderfällen kann der Verformungszuwachs
die folgenden Ansätze empfohlen, diese sind evtl. bei Einzelrissbildung nicht ausreichen. Dann ist
auch zu überlagern: eine explizite Berechnung (nichtlinear oder mit ab-
geminderter elastischer Steifigkeit) der Zwangs-
– Platten im Hochbau mit behinderter Horizontal- schnittgröße oder eine ingenieurmäßige Abschät-
verformung, z. B. durch statisch unbestimmte An- zung erforderlich. Dies gilt z. B. auch für örtlich
bindung an mehrere Kerne, sowie Wände, die auf (z. B. durch Öffnungen) geschwächte Bereiche in
bereits erhärtete Bauteile (z. B. Fundamente) be- zwangsbeanspruchten Bauteilen, die durch die Riss-
3.3 Massivbau 1123

schnittgrößen der angrenzenden, ungeschwächten


Bereiche beansprucht werden.
Im GZT werden Zwangsschnittgrößen bei Be-
ginn der Plastifizierung weiter abgebaut, da das
System in einen statisch bestimmten und schließlich
kinematischen Zustand übergeht. Eingeprägte Ver-
formungen wirken sich auf die Rotation in den
plastischen Gelenken aus; i. Allg. ist der resultie-
rende Drehwinkel jedoch vernachlässigbar. Im üb-
lichen Hochbau dürfen Zwangsschnittgrößen da-
her bei der Bemessung im GZT vernachlässigt Abb. 3.3-60 Differentielles Element im unverformten und
werden. Sie sollten jedoch bei der konstruktiven verformten Zustand
Durchbildung berücksichtigt werden.

Berechnung unter Berücksichtigung von Membran-


3.3.7.4 Membraneffekte
kräften muss also auch diese Effekte sowie das
Bedingt durch die Verschiebung der Nulllinie ent- Kriechen und evtl. vorhandene Zugspannungen
steht in gerissenen Stahlbetonbauteilen auch unter aus dem behinderten Schwinden berücksichtigen.
reiner Biegebeanspruchung eine Dehnung in der Modellbildung und Definition der Auflagerbedin-
Schwerachse und somit eine Verlängerung des Bau- gungen erfordern erheblich mehr Aufmerksamkeit
teils. Bei in Längsrichtung statisch unbestimmt ge- als bei Anwendung der E-Theorie.
lagerten Bauteilen (d. h. bei zwei unverschieblichen
Auflagern) werden hierdurch Drucknormalkräfte
3.3.7.5 Torsion in statisch unbestimmten
(Membrankräfte) aktiviert. Diese können v. a. bei
Tragwerken
gering bewehrten Bauteilen eine erhebliche Trag-
laststeigerung hervorrufen (Bogentragwirkung). Treten in statisch unbestimmten Systemen Torsi-
Ihre Ausnutzung in der Bemessung ist jedoch onsbeanspruchungen auf (Abb. 3.3-61a), so wird
problematisch, da die in der Berechnung unter- das Tragverhalten wesentlich vom deutlichen Ab-
stellten völlig starren Auflager in der Praxis nicht fall der Torsionssteifigkeit bei Rissbildung beein-
vorkommen und die Aufnahme der Membrankräfte flusst. Eine elastische Schnittgrößenermittlung mit
nicht sichergestellt werden kann. Zudem überla- den vollen Torsions- und Biegesteifigkeiten liefert
gert sich der materiellen Nichtlinearität eine geo- i. Allg. unrealistische Ergebnisse. Für die Torsions-
metrische. Die Länge eines Stabelements im ver- steifigkeit sind daher abgeminderte Werte anzuset-
formten Zustand ergibt sich zu (Abb. 3.3-60) zen, siehe z. B. [Grasser/Thielen 1991].
In der Praxis hat dies und die Tatsache, dass die
(3.3.116) Aufnahme großer Torsionsmomente u. U. mit er-
heblichen konstruktiven Problemen verbunden ist,
für kleine Dehnungen ((du/dx)2 § 0) folgt zu folgender Vereinfachung geführt: Bei Verträg-
lichkeitstorsion, d. h. Torsionsmomenten, die zum
Erhalt des Gleichgewichts nicht erforderlich sind
(3.3.117) und nur aus der Verträglichkeit der Verformungen
resultieren, darf auf eine Bemessung für T verzich-
Mit zunehmender Verformung entsteht also infol- tet werden und bei der Schnittgrößenermittlung
ge wc eine im Rahmen geometrisch linearer Theo- eine freie Verdrillbarkeit der Stäbe um ihre Achse
rien vernachlässigte Zugdehnung der Schwerach- angenommen werden, was zwangsläufig mit einer
se, die die Bauteilverlängerung teilweise kompen- Erhöhung anderer Schnittgröße, z. B. des Biege-
siert. Ebenso vergrößern sich die Biegemomente moments in Feldmitte in Abb. 3.3-61a, verbunden
durch Gleichgewichtsbildung am verformten Sys- ist. Zur Vermeidung breiter Risse und anderer un-
tem nach Theorie II. Ordnung. Eine nichtlineare erwünschter Tragwirkungen ist dann jedoch eine
1124 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.3-61 Torsionsbeanspruchung

konstruktive Mindestbewehrung anzuordnen. Bei spannungszustand (Druckspannungsfeld) vorliegt.


Gleichgewichtstorsion, die zum Erhalt des sta- Aus dem Gleichgewicht an den zwei Elementen in
tischen Gleichgewichts erforderlich ist, muss eine Abb. 3.3-62 folgt dann
entsprechende Bemessung dagegen durchgeführt
werden (Abb. 3.3-61b). fsx = (3.3.118)

fsy = (3.3.119)
3.3.8 Scheiben
fc = (3.3.120)
3.3.8.1 Differentielles Scheibenelement
Am Element wirken die Schnittgrößen nx, ny, nxy, Dabei ist h die Scheibendicke, asx, asy die Beweh-
die sich in die Hauptrichtungen [ K mit n[K=0 rung je Länge in beiden Richtungen. Hinsichtlich
transformieren lassen. Diese fallen i. Allg. nicht des Druckfeldwinkels T gelten die Aussagen aus
mit der Richtung der Bewehrung x, y zusammen. 3.3.6.3 sinngemäß.
Zur Bestimmung des zugehörigen Verzerrungszu-
stands Hx, Hy, Hxy siehe [Vecchio/Collins 1986,
3.3.8.2 Tragfähigkeit im GZT
Kaufmann 1998].
Vereinfacht kann angenommen werden, dass im Unter Annahme ideal-plastischen Materialverhal-
gerissenen Zustand im Beton ein einachsialer Druck- tens kann T für die Bemessung frei gewählt wer-

Abb. 3.3-62 Ermittlung der Bemessungsschnittgrößen in einer Scheibe


3.3 Massivbau 1125

den. Bei ausgenutzter Bewehrung in x-Richtung


ergibt sich dann der Druckfeldwinkel nach Gl.
(3.3.118) zu

(3.3.121)

Eingesetzt in (3.3.119) erhält man die Interaktions-


beziehung für das Fließen der Bewehrung

(asx fyd – nx) (asy fyd – ny) – |nxy|2 • 0. (3.3.122)

Ebenso erhält man unter Annahme kleiner Beweh-


rungsgrade für die Beanspruchung des Druckfel-
des (Vc=Dc fcd , vgl. 3.3.6.3) Abb. 3.3-63 Erforderliche Scheibenbewehrung

(Dc fcd h + nx) (Dc fcd h + ny) – |nxy|2 • 0. (3.3.123)


Stabwerkmodelle
Im Spannungsraum beschreiben die beiden Bezie- Ausgehend vom statischen Grenzwertsatz der Plas-
hungen das Innere zweier Kegelflächen. tizitätstheorie werden bei der Bemessung mit
Da ein beliebiger Druckstrebenwinkel aufgrund Stabwerkmodellen die Hauptdruckspannungen des
der eingeschränkten Rissuferverzahnung nicht Betons und die Stahlzugkräfte zu einem fachwerk-
möglich ist, empfiehlt sich eine Beschränkung an- artigen System von diskreten Druck- und Zugstre-
alog zur Querkraftbemessung. Bei Zug- oder ge- ben zusammengefasst, die in den Knoten gelenkig
ringen Druckbeanspruchungen nx, ny kann verein- gekoppelt werden [Schlaich/Schäfer 2001; Muttoni
facht T = 45° gesetzt werden. Hierfür ergibt sich u. a. 1996].
auch das Minimum der Bewehrung asx+asy und der
Betonspannung. Für hohe Druckbeanspruchungen Stabwerkgeometrie. Die Geometrie des Stabwerks
-nx, -ny > |nxy| erhält man eine realistische Abschät- ist im Sinne der Plastizitätstheorie (d. h. für ideal-
zung des Winkels unter der Annahme, dass die plastische Materialien) zunächst frei wählbar, so-
Zugkraft in der zugehörigen Bewehrung ver- fern Gleichgewicht möglich ist. Wegen der einge-
schwindet. Für nx<–|nxy| folgt dann aus asx Vsx=0 schränkten Fließfähigkeit und Rissuferverzahnung
der Winkel tanT=–nx/|nxy|. Insgesamt erhält man so bei Stahlbetonbauteilen müssen die erforderlichen
die vier in Abb. 3.3-63 dargestellten Fälle. Diese Plastifizierungen durch eine geeignete Wahl des
können auch für die Nachweise im GZG verwen- Stabwerks und eine qualitative Sicherstellung der
det werden. Verträglichkeit der Verformungen begrenzt wer-
den.
Hierfür sind v. a. die Winkel zwischen Beweh-
3.3.8.3 Schnittgrößenermittlung
rung und Druckstreben in den Knoten zu begrenz-
Elastische Berechnung en (30°<T<60°). Einen ersten Anhaltspunkt für ei-
Die Ermittlung der Schnittgrößen kann nach der nen sinnvollen Strebenverlauf bieten die Haupt-
Elastizitätstheorie erfolgen (s. 1.5). Eine Bemes- spannungstrajektorien aus einer Berechnung nach
sung für die so ermittelten Schnittgrößen liefert im der Elastizitätstheorie. Ein objektives Kriterium
Sinne der Plastizitätstheorie ein sicheres Ergebnis, zur Beurteilung der Qualität eines Modells ist die
erfasst das Tragverhalten im GZT jedoch nur in bis zum Erreichen des Fließzustands zu leistende
sehr grober Näherung. Zudem sind die resultie- (elastische) Verformungsarbeit, wobei wegen der
renden Bewehrungsführungen aus baupraktischer i. Allg. geringen Betondruckspannungen nur die
Sicht oft wenig sinnvoll. Arbeit der Zugstreben berücksichtigt wird:
1126 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Gleichgewichts frei erfolgen. In der Praxis ge-


(3.3.124) schieht dies durch die Zerlegung in mehrere sta-
tisch bestimmte Teilsysteme, denen ein Teil der
Darin sind Nj , Hj , lj Kraft, Dehnung und Länge der Last zugewiesen wird. Für die Bemessung werden
einzelnen Streben, wobei unter Annahme eines die Strebenkräfte der Teilsysteme überlagert. Bei
gleichzeitigen Fließbeginns in allen Streben Hj=Hy der Aufteilung der Last sollte die Steifigkeit der
gesetzt werden kann. Unter mehreren möglichen Teilsysteme zur Vermeidung extremer Plastifizie-
Systemen ist das am geeignetsten, das die minima- rungen qualitativ berücksichtigt werden.
le Arbeit leistet und demnach auch die geringsten
Verformungen des Bauteiles erfordert. Nachweise im GZT. Bei der Bewehrungsermittlung
Lage und Richtung der Zugstreben liegen jedoch kann die Stahlmenge i. Allg. mit der Fließspannung
durch die Anordnung der Bewehrung fest. Da diese bestimmt werden:
i. d. R. unter baupraktischen Gesichtspunkten ge-
wählt wird (z. B. nur vertikal und horizontal) erge- (3.3.125)
ben sich zusätzliche Randbedingungen für die Stab-
werkgeometrie (Abb. 3.3-64). Beispiele enthalten
[Schlaich/Schäfer 2001; Zilch/Zehetmaier 2010]. Da die Druckstreben zwischen den Knoten den in
Die Methode der Stabwerkmodelle führt nie zu Abb. 3.3-65 dargestellten flaschenförmigen Ver-
eindeutigen Lösungen und bietet erhebliche Frei- lauf annehmen, erfolgt der Nachweis der Beton-
heiten bei der Bemessung. Das gewählte Stabwerk druckspannungen in den Knoten (|Vc|= max). Zur
kann kinematisch sein, solange sichergestellt ist, Aufnahme der Umlenkkräfte zwischen den Knoten
dass im realen Tragwerk ein Kollaps durch die aus- ist jedoch meist eine orthogonale Netzbewehrung
steifende Wirkung des rechnerisch nicht berück- anzuordnen.
sichtigten Betons verhindert wird. Sind mehrere Abbildung 3.3-66 zeigt einige typische Knoten-
Lastfälle zu untersuchen, so kann die Betrachtung formen, auf die sich nahezu alle praktisch vorkom-
verschiedener Modelle erforderlich werden. menden Knoten zurückführen lassen (s. auch
[Schlaich/Schäfer 2001]). Die Abmessungen der
Berechnung. Die Ermittlung der Kräfte in den Zug- Druckstreben bc in den Knoten folgen aus den geo-
und Druckstreben erfolgt mit den elementaren metrischen Verhältnissen der Knoten mit den Nei-
Mitteln der Statik (Knotengleichgewicht, Ritter- gungen der Streben T.
schnitt). Bei statisch unbestimmten Modellen führt Die effektive Druckfestigkeit des Betons ist
dies nicht zu eindeutigen Lösungen; wegen der vom Spannungszustand im Knoten abhängig. Liegt
vorausgesetzten Plastifizierung kann die Auftei- ein zwei- oder dreiachsiger Druckspannungszu-
lung der Kräfte auf die Streben im Rahmen des stand vor, so steigt die Druckfestigkeit an z. B. bei

Abb. 3.3-64 Beispiel für die Anwendung von Stabwerkmodellen


3.3 Massivbau 1127

Unter Querzugspannungen fällt die effektive


Festigkeit dagegen auf Dc fcd ab. Beispiele hierfür
sind die Knoten a) für den Fall großer Zugkräfte Z1,
Z2 (F1>0) sowie Knoten c, da senkrecht zur Ebene
der Umlenkung Spaltzugkräfte im Beton wirken;
der Nachweis von Knoten c wird jedoch meist durch
einen Mindestwert für den Biegerollendurchmesser
der Bewehrung und eine konstruktive Bewehrung
senkrecht zu Krümmungsebene erbracht. Wird die
Zugkraft Z über Verbund verankert, so gehört Kno-
ten b ebenfalls in diese Kategorie, da durch die Rip-
penpressung Spaltzugkräfte entstehen.
Abb. 3.3-65 Druckstrebenform zwischen den Knoten Die erforderliche Verankerungslänge lb eines
Stabes im Knoten ergibt sich aus dem Gleichge-
wicht zwischen Stabkraft und Verbundspannun-
Knoten a, wenn die angreifenden Zugkräfte Z1, Z2 gen. Bei einem mit der Fließgrenze ausgenutzten
sehr klein sind, d. h., wenn F1 eine Druckbeanspru- Stab ist
chung ist. Beim Nachweis der Betondruckspan-
nungen kann die Festigkeit auf 1,1 fcd erhöht wer- (3.3.126)
den (vgl. Abb. 3.3-7).

Abb. 3.3-66 Typische Knotenbereiche


1128 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Dabei ist fbd der Bemessungswert der Verbundfes- Der Traganteil der Bewehrung ist dabei im Zustand
tigkeit, d. h. der über die Verankerungslänge ge- I praktisch immer vernachlässigbar.
mittelten Verbundspannungen. Bei nicht voll aus- Aus mx, my, mxy lassen sich Hauptmomente mI,
genutzten Stäben oder Haken bzw. Querstäben am mII analog zu den Hauptspannungen am Scheiben-
Stabende kann lb abgemindert werden. Bei Knoten element ableiten. Sie gehorchen dabei den gleichen
b beginnt die vorhandene Verankerungslänge am Transformationsbedingungen (beide sind Tensoren
Schnittpunkt von Bewehrung und Druckstrebe, II. Stufe) und können am Mohrschen Kreis gra-
also etwa an der Auflagervorderkante. Da die Auf- phisch dargestellt werden. Es gilt:
lagerpressungen einen Querdruck auf die Beweh-
rung erzeugen, reduziert sich lb wegen der Verbes-
serung des Verbunds nach DIN 1045 Teil 1 um 1/3. (3.3.129)

Nachweise im GZG. Da sich die Methode der Stab-


werkmodelle aus der Plastizitätstheorie ableitet, ist Die ersten Risse entstehen, wenn die größte Haupt-
sie für Nachweise im GZG prinzipiell ungeeignet. zugspannung die Zugfestigkeit erreicht:
Sollte sie in Ausnahmefällen trotzdem zur Anwen-
dung kommen, ist bei der Entwicklung der Stab- (3.3.130)
werkgeometrie besondere Sorgfalt erforderlich
und eine Anpassung der Streben am Trajektorien-
verlauf nach elastischer Rechnung sinnvoll. Mit Beginn der Rissbildung müssen die Momente
wie beim Balken im Wesentlichen durch Beton-
druck- und Stahlzugkräfte aufgenommen werden.
3.3.9 Platten Die Steifigkeit fällt ab. Da sie im Zustand II v. a.
von der vorhandenen Bewehrung abhängt und die-
3.3.9.1 Biegung und Normalkraft
se in x- und y-Richtung i. Allg. nicht gleich ist,
Am differentiellen Element wirken die Momente geht die Isotropie verloren. Insbesondere die Drill-
mx,my, mxy, im verallgemeinerten Fall zusätzlich steifigkeit nimmt wegen der von der Beweh-
die Membrankräfte nx, ny, nxy. Der Dehnungszu- rungsrichtung abweichenden Beanspruchung stark
stand wird bei Annahme einer ebenen Dehnungs- ab [Schießl 1996]. Es ergibt sich wie beim Balken
verteilung durch die drei Krümmungen Nx, Ny, Nxy eine Verschiebung der Spannungsnulllinie in Rich-
und die drei Mittelflächendehnungen Hx0, Hy0, Hxy0 tung der Druckzone und folglich eine Kopplung
beschrieben. Die Momente definieren sich dabei von Krümmung und Dehnungen in der Mittelflä-
durch die hervorgerufenen Spannungen; ein Mo- che. Der zu einer gegebenen Beanspruchung gehö-
ment mx bzw. my erzeugt Spannungen Vx bzw. Vy, rende Verformungszustand kann durch Variation
erfordert also eine Bewehrung in der x- bzw. y- der Verzerrungsgrößen und Kontrolle des Gleich-
Richtung. Wegen der gelegentlich abweichenden gewichts gefunden werden [Kollegger 1991].
Definition über die Richtung des Momentenvek- Für die praktische Anwendung ist dies zu auf-
tors ist bei der Anwendung von Tafelwerken und wendig. Eine einfache Lösung erhält man, wenn
Programmen Vorsicht geboten. man die Platte in zwei Scheiben an Ober- und Un-
Bei einer elastischen (ungerissenen) Platte sind terseite mit einer dazwischen liegenden Schubzone
die am differentiellen Plattenelement wirkenden zerlegt. Im Folgenden werden nur Platten mit or-
Momente durch die elastische Plattensteifigkeit thogonalen Bewehrungsnetzen behandelt; für all-
gemeine Bewehrungsführungen wird auf das
(3.3.127) Schrifttum verwiesen [Baumann 1972]. Die Koor-
dinatenrichtungen x, y sollen dabei mit den Rich-
an die Krümmungen gekoppelt: tungen der Bewehrung zusammenfallen.
Aus den Momenten mx, my, mxy entstehen an der
mx = B (Nx + Q Ny), my = B (Q Nx + Ny), Unterseite die Scheibenkräfte nx,u, ny,u, nxy,u, die
mxy = B (1 – Q ) Nxy . (3.3.128) nach Gl. (3.3.118) in der Bewehrung die Kräfte
3.3 Massivbau 1129

Die Beanspruchungen der Betondruckzone wer-


(3.3.131) den mit den Gl. (3.3.132) und (3.3.133) nur nähe-
rungsweise erfasst. Für eine reine Drillbeanspru-
chung mxy erhält man je Seite eine Betondruckkraft
von fc=–2|mxy|/z (tan T=1), bei einer reinen Biegebe-
hervorrufen. Multipliziert man beide Seiten mit dem anspruchung mx nur fc= –mx/z. Da mit zunehmender
Hebelarm z, so erhält man bei analoger Betrachtung Betondruckkraft der innere Hebelarm z abnehmen
der y-Richtung die Bemessungsmomente: muss, stellt die Verwendung eines gleichen Hebel-
arms für alle Beanspruchungen eine starke Vereinfa-
(3.3.132) chung dar; der resultierende Fehler ist jedoch bei
üblichen Bewehrungsgraden vernachlässigbar.
Für den allgemeinen Fall eines gleichzeitigen
Ebenso ist die Plattenoberseite zu betrachten: Auftretens von Momenten und Normalkräften
kann analog vorgegangen werden, wenn die Schei-
(3.3.133) benkräfte um die Normalkräfte erweitert werden:

(3.3.136)
Die so ermittelten Momente können zur Bestim-
mung der Bewehrungsmengen oder zur Ermittlung (andere Richtungen analog). Die Bemessung er-
der Stahlspannungen verwendet werden. Hinsicht- folgt direkt für die Scheiben mit den Dicken ho, hu
lich der Druckstrebenneigung gelten die in 3.3.8.1 an Ober- und Unterseite. Der Hebelarm z wird vor-
gemachten Aussagen sinngemäß. Durch geeignete ab geschätzt (z=h–1/2(ho+hu) § 0,75 h) und iterativ
Wahl von To, Tu können einzelne Bewehrungskräf- so verbessert, dass die Betondruckfestigkeit gera-
te bei hinreichend kleinen Drillmomenten zu Null de ausgenutzt ist. Die Scheibendicken ho, hu kön-
gesetzt werden, und auf die entsprechende Beweh- nen jedoch i. d. R. nicht kleiner werden als der dop-
rung kann verzichtet werden. pelte Abstand der Bewehrung von der Betonober-
fläche.
Tragfähigkeit im GZT
Die Bemessung für die Bewehrung an Ober- und
3.3.9.2 Querkraft
Unterseite erfolgt unter Verwendung der transfor-
mierten Schnittgrößen nach den Gl. (3.3.132) und Platten werden wegen der Schwierigkeiten beim
(3.3.133) wie bei Stabtragwerken. Eine Berück- Einbau aus wirtschaftlichen Gründen meist nicht mit
sichtigung zweiachsialer Spannungszustände in einer Schubbewehrung zur Aufnahme der Querkraft
der Druckzone von Platten erfolgt wegen der meist versehen. Im gerissenen Zustand stehen zur Übertra-
geringen Ausnutzung der Druckzone i. Allg. nicht, gung der Querkraft die Tragmechanismen Rissver-
obwohl eine Abminderung von fcd auf Dc fcd bei zahnung, Dübelwirkung und Schubübertragung in
Druckzonen, die in Querrichtung gerissen sind, der Druckzone zur Verfügung [Reineck 1991].
sinnvoll wäre. Der Anteil der Druckzone vD ist von der Ein-
Aus den Bemessungsmomenten lässt sich fol- spannung des Zahnes in die Druckzone abhängig,
gende Fließbedingung für die Bewehrung an Plat- die jedoch i. Allg. bereits vor Erreichen der Bruch-
tenunter- und -oberseite ableiten: last versagt (horizontale Verlängerung des Risses
unterhalb der Druckzone). Eine Vergrößerung der
(3.3.134) Druckzone – etwa durch eine äußere Drucknor-
malkraft – führt zu einem Anstieg von vD. Der
(3.3.135) Hauptanteil wird jedoch durch die Rissverzahnung
vcr übertragen, die wegen der fehlenden Schubbe-
mRdx bzw. mcRdx sind die Fließmomente bei Be- wehrung nicht mit der nach Gl. (3.3.75) gleichge-
anspruchung durch positive bzw. negative Mo- setzt werden kann. vcr ist von der Rissöffnung ab-
mente mx. hängig. Da diese bei gleicher Krümmung mit der
1130 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Bauteilgröße zunimmt, ergibt sich ein unterpro-


portionaler Anstieg der aufnehmbaren Querkraft
mit der Bauteilhöhe (Maßstabeffekt). Die Beweh-
rung trägt neben der Dübelwirkung v. a. durch die
Begrenzung der Rissbreite zur Schubtragfähigkeit
bei. Ihre Konzentration am Querschnittsrand ver-
stärkt den Maßstabeffekt. Das Versagen wird i. d. R.
durch eine horizontale Verlängerung des Risses
entlang der Bewehrung (Versagen der Dübelwir-
kung) eingeleitet. Abb. 3.3-67 Querkräfte am Plattenelement
Für die Querkrafttragfähigkeit ohne Schubbe-
wehrung muss die Betonzugfestigkeit ausgenutzt
werden. Dies ist bei Flächentragwerken weniger Darin ist N1 ein zusätzlicher Maßstabfaktor zwischen
problematisch als bei Balken, da solche Bauteile 0,0525 für d d 600 mm und 0,0375 für d t 800 mm.
die Möglichkeit besitzen, bei Überschreitung der Bei nicht ausreichender Querkrafttragfähigkeit
Tragfähigkeit an einzelnen lokalen Fehlstellen die kann diese durch eine Schubbewehrung erhöht wer-
Schnittgrößen auf alternativen Lastpfaden um die- den. Für die Bemessung gilt 3.3.6.3. Bei dünnen
se Bereiche herum zu leiten. Eine nur lokal ver- Platten ist die Verankerung der Bügel in der Druck-
minderte Zugfestigkeit wirkt sich auf das globale zone jedoch problematisch; daher müssen schubbe-
Tragverhalten des Bauteils kaum aus. Die Zugfes- wehrte Platten eine Mindestdicke von 20 cm nach
tigkeit wird so von der Material- zur Systemeigen- DIN 1045 Teil 1 besitzen. In vielen Fällen ist eine
schaft. Voraussetzung hierfür ist die zweiachsige Vergrößerung der Plattendicke oder der Biegebe-
Lastabtragung, für die auch bei einachsig ge- wehrung zur Erhöhung der Tragfähigkeit sinnvoller
spannten Platten eine Querbewehrung von 20% als eine Schubbewehrung.
der Hauptbewehrung anzuordnen ist. Die einwirkende Querkraft kann nicht ohne Wei-
teres den Schnittgrößen vSd,x bzw. vSd,y gleichgesetzt
Bemessung im GZT werden. Am differentiellen Plattenelement folgt aus
Die Ableitung analytischer Modelle ist wegen der dem vertikalen Gleichgewicht (Abb. 3.3-67):
Komplexität der an der Querkraftabtragung betei-
ligten Mechanismen äußerst schwierig und bisher vSd ds = vSd,x dx + vSd,y dy Ÿ
nur ansatzweise gelöst [Bazant/Kim 1984; Reineck vSd = vSd,x cos T+ vSd,y sin T (3.3.138)
1991; Fischer 1997]. Im Rahmen der Bemessung
kommen daher empirische, an Versuchen kalib- Durch Quadrieren und einige trigonometrische
rierte Formeln zur Anwendung. Die in DIN 1045 Umformungen erhält man daraus:
Teil 1 übernommene Beziehung

(3.3.139)
(3.3.137)
Als Maximalwert erhält man somit für dvSd/dT= 0
wurde ausgehend von der Beziehung in MC 90 in
[Hegger u. a. 1999] abgeleitet. Darin erfasst N=1+ die Bemessungsquerkraft Da
deren Wirkungsrichtung i. Allg. nicht mit der Rich-
” 2 (d in m) den Maßstabeffekt. Für kleine
tung der Bewehrung übereinstimmt, muss in Gl.
Bewehrungsgrade wird ein unterer Grenzwert der
(3.3.137) ein effektiver Bewehrungsgrad in der be-
Schubtragfähigkeit definiert:
trachteten Richtung eingesetzt werden, der sich
nach MC 90 ergibt zu:
.
U=Ux cos4T +Uy sin4 T (3.3.140)
3.3 Massivbau 1131

Abweichend hiervon dürfen die Nachweise nach sene Zugzone zutreffenden Wert Q§0 angenommen
DIN 1045-1 in den beiden Richtungen getrennt ge- werden. Im GZG sollte wegen der i. Allg. geringen
führt werden. Eine ggf. erforderliche Schubbeweh- Rissbildung Q§0,2 gesetzt werden.
rung ist ebenfalls getrennt zu ermitteln und zu ad-
dieren. Plastische Nachweisverfahren
Statische Verfahren. Durch Vernachlässigung der
Drillmomente und der Querdehnung erhält man
3.3.9.3 Schnittgrößenermittlung
aus Gl. (3.3.141) die Differentialgleichung der
Wirklichkeitsnahe, nichtlineare Berechnungen sind elastischen, drillweichen Platte:
mit der FE-Methode nach den in 3.3.7.2 ge-
schilderten Prinzipien unter Verwendung zweiach- (3.3.143)
siger Stoffgesetze für Beton prinzipiell möglich,
für die praktische Anwendung z. Z. jedoch noch
nicht geeignet. Daher kommen geeignete Idealisie- Die beiden verbleibenden Terme können als Trag-
rungen zur Anwendung. anteile zweier in x- und y-Richtung gespannter tor-
Grundlage hierfür ist die elementare Gleichge- sionsweicher Balkenscharen interpretiert werden
wichtsbedingung der Platte: (Abb. 3.3-68a). Fordert man eine gleiche Durchbie-
gung im Kreuzungspunkt zweier Balken, so erhält
(3.3.141) man die klassische Streifenmethode nach Markus.
Bei der Hillerborgschen Streifenmethode er-
folgt dagegen eine willkürliche Aufteilung der
Elastische Schnittgrößenermittlung Einwirkungen auf die beide Tragrichtungen ohne
Durch Einsetzen von Gl. (3.3.128) in Gl. (3.3.141) Berücksichtigung der Kompatibilität. Dies erlaubt
erhält man die elastische Plattengleichung die Behandlung komplizierter Plattengeometrie in
einer Handrechnung (Abb. 3.3-68b). Die völlige
(3.3.142) Vernachlässigung der Drillmomente und der Ver-
träglichkeit kann das Verhalten im GZG wesent-
lich beeinträchtigen. Da Platten im ungerissenen
Zur Lösung stehen für Standardfälle zahlreiche Ta- Zustand immer drillsteif sind, ist zur Ausbildung
felwerke zur Verfügung [Czerny 1999]; für allge- der angenommenen Tragwirkung eine erhebliche
meine Fälle ist die (elastische) FE-Methode Stand Schnittgrößenumlagerung durch Rissbildung er-
der Technik (s. 1.5). forderlich. Zur Begrenzung der Rissbreite ist eine
Die Querdehnzahl kann im Rahmen des Grenz- konstruktive Drillbewehrung anzuordnen.
wertsatzes der Plastizitätstheorie im GZT zwischen Da in drillweichen Platten keine abhebenden
dem elastischen Wert Q§0,2 und dem für die geris- Eckkräfte entstehen, liefert eine Berechnung nach

Abb. 3.3-68 Streifenmethode


1132 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Gl. (3.3.143) eine zwar nicht realistische, aber auf tischen Grenzwertsatz der Plastizitätstheorie ein ki-
der sicheren Seite liegende Lösung für Platten, bei nematisch zulässiger Mechanismus lediglich eine
denen ein Abheben der Ecken nicht behindert wird. obere Schranke für die wirkliche Traglast liefert und
Wegen mxy =0 liegt die Streifenlösung i. Allg. auf ein beliebiger Gelenkmechanismus die Einhaltung
der sicheren Seite. Verfeinerte Methoden verwen- der Fließbedingung in den dazwischen liegenden
den statisch zulässige Ansätze für die Momente mx, Plattensegmenten nicht unbedingt sicherstellt. Das
my, mxy, die in allen Punkten der Platte die Gleich- Ergebnis liegt somit für alle anderen als den maßge-
gewichtsbedingung (3.3.141) und die Randbedin- benden Mechanismus auf der unsicheren Seite.
gungen erfüllen müssen und die Fließbedingungen Für eine Quadratplatte liegt aus Symmetriegrün-
nicht verletzen [Nielsen 1984; Marti 1981]. den ein Mechanismus nach Abb. 3.3-69a nahe. Nach
Für den einfachen Fall einer Quadratplatte un- dem Prinzip der virtuellen Verschiebungen erhält
ter Gleichlast mit mRdx=mRdy=mR und mcRdx= man mit Gw in Plattenmitte die äußere Arbeit
mcRdy=mcR liefern die Ansätze
(3.3.146)


(3.3.144) sowie mit der Gelenkverdrehung GI = 2 ¥2 Gw/l
die geleistete innere Arbeit durch Integration ent-
lang der Fließgelenklinie:
in Gl. (3.3.141) die Traglast q=24 mR/l2. Durch
Einsetzen in die Fließbedingung verifiziert man (3.3.147)
außerdem, dass mit mR=mcRGl. (3.3.134) überall
erfüllt, Gl. (3.3.135) in den Ecken gerade erfüllt Aus Wi=–Wa folgt q=24mR/l2. Dies entspricht für
und nirgends verletzt ist. Die Auflagerkräfte erge- mR=mcR dem Ergebnis nach der statischen Metho-
ben sich zu de; die gewählte Bruchlinienfigur ist somit die
maßgebende.
(3.3.145)

Die abhebende Eckkraft ist R=2 mxy=2 mR.


Reduziert man die Menge der oberen Beweh-
rung so weit, dass mcR=mR/2, so wäre Gl. (3.3.135)
in den Ecken oben verletzt. Zur Einhaltung der
Fließbedingung sind die Drillmomente mxy eben-
falls zu halbieren (mxy=–mR2xy/l2). Die Traglast
reduziert sich dann auf q=20mR/l2. Bei fehlender
oberer Bewehrung muss mxy=0 sein; die Traglast
q=16mR/l2 entspricht dann der Lösung nach der
Hillerborgschen Streifenmethode.

Kinematische Verfahren. Grundgedanke der Bruchli-


nientheorie ist die Vorstellung, dass sich bei Annä-
herung an die Traglast sukzessive ein System von
Fließgelenk- oder Bruchlinien ausbildet, bis ein ki-
nematischer, d. h. ohne weitere Lasterhöhung frei
verformbarer Mechanismus entsteht [Nielsen 1984;
Park/Gamble 1979].
Die Schwierigkeit der Methode liegt in der Wahl
des Fließgelenkmechanismus, da nach dem kinema- Abb. 3.3-69 Bruchlinienverlauf
3.3 Massivbau 1133

Bei fehlender oberer Bewehrung ergibt sich für genden ungerissenen Abschnitte deren Verlänge-
den untersuchten Fließgelenkmechanismus die rung behindern und als Zugring wirken [Park/
gleiche Traglast, da die oben liegende Bewehrung Gamble 1979]. Hinsichtlich der Ausnutzung bei
keinen Beitrag zur Energiedissipation liefert. In der Bemessung gelten die Aussagen aus 3.3.7.4.
den Plattenecken ist jedoch die Fließbedingung
verletzt. Der in Abb. 3.3-69b dargestellte Mecha-
3.3.9.4 Punktförmig gestützte Platten
nismus liefert eine kleinere Traglast.
Für allgemeine Plattengeometrien kann die Su- Platten, die ohne Unterzüge unmittelbar auf Stüt-
che des maßgebenden Mechanismus als mathema- zen aufgelagert werden (Flachdecken), erfordern
tisches Optimierungsproblem q=min prinzipiell einen geringeren Schalungsaufwand und eine ge-
gelöst werden, erweist sich jedoch als schwierig. ringere Bauhöhe als konventionelle Decken mit
Eine Zusammenstellung von Lösungen enthält [Jo- Unterzügen. Zudem ist die glatte Deckenuntersicht
hansen 1972]. für die Führung von haustechnischen Installationen
vorteilhaft. Der Stahlbedarf ist i. Allg. höher als bei
Rotationsfähigkeit. Der Nachweis der Rotationsfä- konventionellen Platten. Dies wird jedoch durch
higkeit ist für zweiachsig gespannte Platten kaum geringere Lohnkosten kompensiert. Die Ermitt-
zu führen, da die Rotation in den Fließgelenken lung der Schnittgrößen kann mit FEM oder in ein-
ohne aufwendige nichtlineare Rechnung nicht er- fachen Fällen anhand der Streifenmethode [Gras-
mittelt werden kann. Daher wird bei der plastischen ser/Thielen 1991] erfolgen.
Berechnung ohne expliziten Nachweis nach DIN
1045 Teil 1 die Rotationsfähgikeit durch eine kon- Durchstanzen
servative Begrenzung der Druckzonenhöhe in den Im Bereich der punktförmigen Auflager (oder ana-
Fließgelenken auf x/d”0,25 und die ausschließliche log unter konzentrierten Einzellasten) lässt sich
Verwendung hochduktiler Stähle sichergestellt. Die bei Überschreiten der Tragfähigkeit ein Durchstan-
Anwendung wird damit stark eingeschränkt, da die zen, d. h. das Herausbrechen eines kegelförmigen,
bei Platten im Hochbau übliche Mattenbewehrung um die Last annähernd rotationssymmetrischen
als normalduktil einzustufen ist. Bruchkörpers, beobachten (Abb. 3.3-70). Die Nei-
gung der Kegelfläche gegen die Platte liegt i. Allg.
Membraneffekte bei ca. 25° bis 30°. Außerhalb der Kegelfläche
Die unter 3.3.7.4 geschilderten Membraneffekte bricht die Platte in sektorenförmige Elemente. Es
treten hier auch als innere Membranspannungszu- handelt sich um ein komplexes, kombiniertes Bie-
stände auf, da die um die gerissenen Bereiche lie- ge-/Schubversagen.

Abb. 3.3-70 Durchstanzen


1134 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Ein relativ vollständiges Modell wurde in [Kin-


nunen/Nylander 1960] durch Gleichgewichts- und
Verträglichkeitsbetrachtungen am Sektorenele-
ment entwickelt. In der Bemessungspraxis greift
man jedoch auf einfachere Modelle zurück, die
den Nachweis auf einen Schubnachweis entlang
eines fiktiven kritischen Rundschnitts zurückfüh-
ren. Wegen des starken Näherungscharakters und
der Entkopplung von der Biegebeanspruchung ist
eine ausreichende Biegetragfähigkeit Vorausset-
zung für die Gültigkeit des Bemessungsmodells. Abb. 3.3-71 Querkräfte am Plattenelement
Diese wird nach DIN 1045 Teil 1 durch die Bemes-
sung für Mindestmomente sichergestellt.
Die wirksame Querkraft aus der Punktlast bzw. reduzieren. Zur Berücksichtigung von Unsicher-
Auflagerkraft VSd ergibt sich aus vSd= VSd/Ucrit, heiten in der tatsächlichen Verteilung der Boden-
wobei Ucrit der Umfang des kritischen Rund- pressung und des tatsächlich maßgebenden Nach-
schnittes ist. Dieser ist nach DIN 1045 Teil1 im weisschnitts darf nach DIN 1045 Teil 1 jedoch nur
Abstand 1,5 d vom Stützenanschnitt anzunehmen. die Hälfte der Resultierenden aus den Bodenpres-
Bei nicht rotationssymmetrischen Fällen muss der sungen innerhalb des kritischen Rundschnitts abge-
kritische Rundschnitt angepasst werden, insbeson- zogen werden. Alternativ kann der Nachweis in
dere bei einer Lasteinleitung am Plattenrand. einem Rundschnitt im Abstand 1,0 d vom Stützen-
Der Nachweis vSd”vRd entlang des kritischen anschnitt geführt werden mit einer um den Faktor
Rundschnittes erfolgt für Bauteile ohne Durch- ucrit,r=1,5d / ucrit,r=1,0d erhöhten Tragfähigkeit.
stanzbewehrung analog zu Gl. (3.3.137) unter Be-
rücksichtigung der günstigen Wirkung der Rotati-
3.3.9.5 Durchbiegungen
onssymmetrie:
Die Berechnung der Durchbiegungen von Stahlbe-
vRd,ct = (0,21/Jc N (100 U fck)1/3 – 0,12 Vcd) d. tonplatten ist in der Praxis angesichts des hohen
(3.3.148) Rechenaufwands und der großen Unsicherheiten
in den Eingangsparametern vielfach nicht gerecht-
Bei nicht ausreichender Tragfähigkeit kann diese fertigt. Daher wird die Begrenzung i. Allg. indirekt
mit Durchstanzbewehrung erhöht werden. Hierfür durch eine Beschränkung der Biegeschlankheit l/d
werden heute i. d. R. vorgefertigte Bewehrungsele- nachgewiesen. Der in DIN 1045 Teil 1 empfohlene
mente (z. B. Dübelleisten) mit allgemeiner bauauf- Grenzwert von l/d=35 für Einfeldplatten im Hoch-
sichtlicher Zulassung verwendet. Alternativ kann bau geht auf die Auswertung tatsächlich beobach-
die Plattendicke im Bereich der Stützen vergrößert teter Schadensfälle zurück. Lediglich bei Decken,
werden. In diesem Fall wird zusätzlich ein Nach- die verformungsempfindliche Trennwände tragen
weis am Übergang von der verstärkten zur unver- sollte die Schlankheit auf l/d=150/l (l in m) redu-
stärkten Platte erforderlich. ziert werden [Mayer/Rüsch 1967].
Werden durch die Stütze auch Biegemomente in Die Grenzwerte lassen sich kaum verifizieren,
die Platte eingeleitet, so ist die Verteilung der wenn man für die so bemessenen Platten die Durch-
Schubspannungen um den Umfang nicht mehr biegungen mit üblichen Verfahren rechnerisch er-
gleichförmig (Abb. 3.3-71). Im üblichen Hochbau mittelt; diese überschreiten die Grenzwerte nach
darf die Wirkung unplanmäßiger Momente verein- 3.3.6.7 z. T. erheblich. In der Praxis sind jedoch bei
facht durch eine Erhöhung von vSd=E VSd/ Ucrit mit Einhaltung der Grenzschlankheiten kaum Schäden
E >1 berücksichtigt werden. aufgetreten. Sie sind für Standardfälle daher empi-
Bei Einzelstützen auf Fundamentplatten treten risch abgesichert, sollten aber in Sonderfällen
konzentrierte Sohlspannungen direkt unter der Stüt- durch rechnerische Abschätzungen der Durchbie-
ze auf, die die in der Platte zu übertragenden Kräfte gung ersetzt werden.
3.3 Massivbau 1135

3.3.10 Einfluss zeitabhängiger die den Spannungsabbau unter konstanter Deh-


Verformungen nung beschreibt:

3.3.10.1 Grundlagen (3.3.153)

Wegen der Schwierigkeiten bei der Erfassung


nichtlinearer Kriecheffekte und der i. Allg. gerin- Bei veränderlicher Dehnung gilt mit Gl. (3.3.151)
gen, dauerhaft vorhandenden Betonspannungen
(|Vc|<0,4fc) wird üblicherweise die Linearität des
Kriechens vorausgesetzt. Die Dehnung unter sprung-
haft veränderlichen Spannungen kann damit unter (3.3.154)
Anwendung des Superpositionsprinzips mit Gl.
(3.3.12) durch
Setzt man näherungsweise F=1, so gilt mit dem ef-
Hc(t) = Vc,0 J(t, t0) + ™¨Vc, j J(t, tj) + Hcs(t) fektiven E-Modul Ec,eff=Ec/(1+I :
(3.3.149)
Vc (t) = (Hc (t) – Hcs (t)) Ec,eff . (3.3.155)
beschrieben werden; durch einen Grenzübergang
erhält man daraus
3.3.10.2 Querschnitt
Der Dehnungszustand kann unter Verwendung von
Gl. (3.3.154) nach Gl. (3.3.39) ermittelt werden.
(3.3.150)
Hierbei ist es sinnvoll, die aus dem Kriechen infol-
Für den allgemeinen Fall Vc zkonst ist keine ge- ge des vorab zu bestimmenden Verformungszu-
schlossene Lösung der Integralgleichung möglich; stands zum Zeitpunkt t0 sowie dem Schwinden re-
numerische Lösungen können durch zeitliche Dis- sultierenden Schnittgrößenanteile dem Lastvektor
kretisierung auf der Grundlage von Gl. (3.3.149) P zuzuschlagen.
gewonnen werden [Bazant 1988]. Vereinfacht kann jedoch eine geradlinige Span-
Für praktische Anwendungen kann das Integral nungsverteilung in der Druckzone angenommen
in Gl. (3.3.150) mit dem Relaxationsbeiwert F nä- werden (was allerdings wegen der Verschiebung
herungsweise ersetzt werden durch [Trost 1967]: der Nulllinie für t>t0 auch bei linearem Kriechver-
halten nur eine Näherung darstellt). Aus der Deh-
nungsverteilung am gerissenen Querschnitt folgt
(Abb. 3.3-72)
(3.3.151)
(3.3.156)
mit I=I(t,t0). Da der Relaxationsbeiwert F den Ver-
lauf von Vc im Zeitraum [t0, t] beschreibt, ergibt er
sich formal aus der Lösung der Integralgleichung.
Er hängt v. a. vom Alter des Betons bei Belastungs-
beginn t0 und dem zeitlichen Verlauf der Spannungs-
änderung ab und ist üblicherweise 0,5”F”1,0. Meist
liefert F=0,8 hinreichend genaue Ergebnisse; ge-
nauere Angaben enthält [CEB 1993b].
Durch Umformen der Kriechfunktion erhält
man die Relaxationsfunktion

(3.3.152) Abb. 3.3-72 Spannungsverteilung im Zustand II unter Be-


rücksichtigung von Kriechen und Schwinden
1136 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

und mit den Gln. (3.3.53) und (3.3.155) sowie Im Allgemeinen führen die zeitabhängigen Ver-
N=Fc+Fs für den Querschnitt mit nur einer Beweh- formungen bei gerissenen Querschnitten zu einer
rungslage die Bestimmungsgleichung für die deutlichen Zunahme der Druckzonenhöhe x. Aus
Druckzonenhöhe z§d–x/3 folgt damit eine (meist geringe) Zunahme
der Biegezug- und -druckkraft, die zu einem An-
(3.3.157) stieg der Stahlspannungen führt. Die Betondruck-
spannungen nehmen wegen der Vergrößerung von
mit x dagegen deutlich ab. Die Verformungzunahme
fällt bei gerissenen Querschnitten geringer aus als
(3.3.158) bei ungerissenen, da bei gerissenen das Kriechen
nur auf der Biegedruckseite stattfindet, bei unge-
rissenen dagegen auf Zug- und Druckseite.
Die Verkrümmung folgt aus N=(Hs–Hc2)/d.
Die durch die Bewehrung behinderte Schwind- Ergänzte Querschnitte
dehnung des Betons wirkt wie eine zusätzliche Bei Fertigteilen, die zum Zeitpunkt t1 durch Ortbe-
Normalkraft Ncs auf Höhe der Bewehrung. Mit ton ergänzt werden, entstehen durch unterschied-
dieser Erkenntnis lässt sich auch der ungerissene liches Schwinden der Betone ebenfalls Eigenspan-
Zustand I erfassen. Mit Ncs=As Es Hcs ergibt sich nungen und Verkrümmungen. Die Berechnung
das Moment Mcs=As Es Hcs zs und daraus eine Ver- zum Zeitpunkt t>t1 erfolgt wie vorherstehend mit
krümmung infolge Schwinden: der Schwindnormalkraft Ncs = ¨Hcs Ao Ec,eff,o, wo-
bei ¨Hcs die Differenz zwischen dem Schwinden
(3.3.159) des Ortbetons und der Zunahme des Schwindens
im Fertigteil im Zeitraum [t1,t] ist (Abb. 3.3-73).
Spannungen, die vor dem Aufbringen und Erhär-
Für den gerissenen Querschnitt ist eine additive ten des Ortbetons im Fertigteil wirken (z. B. aus Ei-
Aufteilung in Lastverkrümmung und Schwindver- gengewicht Fertigteil und Ortbeton) werden durch
krümmung infolge der Verschiebung der Nullli- das Kriechen z.T. in den Ortbeton umgelagert. Bei
nienlage durch das Schwinden streng genommen ungerissenen Querschnitten kann die Berechnung
nicht möglich. Näherungsweise gilt Gl. (3.3.159) analog zum Schwinden erfolgen. Der Verzerrungs-
mit der Steifigkeit III im Zustand II anstelle von Ii zustand des Querschnitts wird nach dem Ergänzen
jedoch auch hier, wenn [ infolge der äußeren Last zunächst gedanklich festgehalten; dabei reduzieren
berechnet und zs auf die Nulllinie bezogen wird. sich die Schnittgrößen im Fertigteil (NF, MF) um

Abb. 3.3-73 Fertigteil mit Ortbetonergänzung


3.3 Massivbau 1137

der Anteil aus der Schwindverkrümmung. Ist die-


ser zusätzlich gleich Null, so tritt keine Änderung
der Schnittgrößen ein, da die Verformung des Bau-
werks mit der Zeit nur affin vergrößert wird.
In der Praxis sind die genannten Vorausset-
zungen i. Allg. nicht erfüllt, da durch die Rissbil-
dung und das ungleiche Langzeitverhalten von
Stahl und Beton die Homogenität der Struktur ver-
lorengeht. Bei monolithisch hergestellten Stahlbe-
tontragwerken kann auf eine Berücksichtigung der
zeitabhängigen Umlagerung durch Lasten hervor-
gerufener Schnittgrößen meist jedoch verzichtet
Abb. 3.3-74 Kriechen eines Zweifeldträgers werden, da sie im Rahmen der übrigen Unsicher-
heiten bedeutungslos ist.
Durch Zwang hervorgerufene Schnittgrößen
(3.3.160) können durch Kriechen erheblich abgebaut wer-
den. Für eine plötzliche Fundamentsetzung ¨s un-
ter dem Mittelauflager entsteht für t=t0 eine
Die verbleibenden Ungleichgewichtskräfte (¨ N, Zwangskraft von X1=¨s/G11. Aufgrund der Relaxa-
¨ M) werden auf den Gesamtquerschnitt aufge- tion gilt jedoch
bracht. Dabei sind die alters- und evtl. festigkeits-
bedingt unterschiedlichen effektiven E-Moduln
der beiden Betone zu berücksichtigen. (3.3.163)

3.3.10.3 Systemumlagerung
Für I(t,t0)=2 und F=0,8 beträgt die Zwangskraft
Ein Überblick über baupraktische Verfahren zur nur noch X1(t)=0,23 X1(t0).
Berechnung der Schnittgrößenumlagerung in Sys- Bei horizontaler Festhaltung der beiden Rand-
temen findet sich in [Rüsch/Jungwirth 1976]. Bei- auflager entsteht infolge der Schwindverkürzung
spielhaft wird der in Abb. 3.3-74 dargestellte Zwei- eine zentrische Normalkraft im Bauteil, für die
feldträger durch Freischneiden der Innenstütze mit eine Mindestbewehrung nach Gl. (3.3.114) vorge-
dem Kraftgrößenverfahren unter Voraussetzung sehen werden sollte. Zu berücksichtigen ist die
eines ungerissenen Querschnitts untersucht. Zum Zwangsschnittgröße auch bei der Bemessung der
Zeitpunkt t=t0 gilt aufgrund der Kompatibilität Lager oder der unterstützenden Bauteile. Da sie
G1q+X1 G11=0. Für t=t0+¨ t vergrößert sich die nicht schlagartig auftritt und so durch das Kriechen
Durchbiegung infolge q auf G1q (1+Iq), infolge der bereits während ihrer Entstehung wieder abgebaut
anfänglichen Stützkraft auf X1G11(1+I1). Zusätz- wird, bleibt sie weit unter dem Wert, der sich bei
lich tritt eine Verformung G1cs infolge der Schwind- elastischem Materialverhalten einstellen würde:
verkrümmung auf. Aus der Kompatibilität
(3.3.164)
G1q(1 + Iq) + G1cs + X1 G11(1 + I1)
+¨X1 G11 (1 + F I1) = 0 (3.3.161)

folgt die Änderung der Auflagerkraft ¨ X1: 3.3.10.4 Systemwechsel


Bei der abschnittsweisen Herstellung von Ortbe-
(3.3.162) tonbauwerken oder der nachträglichen Verbindung
von Fertigteilen ändert sich das statische System
Für ein vollkommen homogenes System gilt Iq=I1; während der Bauzeit. Zur Veranschaulichung der
im Zähler verbleibt wegen G1q+X1G11=0 lediglich Umlagerung von Schnittgrößen aus Lasten, die vor
1138 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.3.11 Spannbeton

3.3.11.1 Prinzip der Vorspannung


Die Rissbildung kann stark reduziert oder ganz ver-
mieden werden, indem durch Vorspannen der Be-
wehrung ein Eigenspannungszustand erzeugt wird,
der die Zugspannungen aus äußeren Einwirkungen
kompensiert. Vorgespannte Bauteile verhalten sich
somit wesentlich steifer und ermöglichen kleinere
Abb. 3.3-75 Änderung des statischen Systems durch Ver- Querschnittsabmessungen als Stahlbetonbauteile.
binden zweier Einfeldträger Die Dauerhaftigkeit wird ebenfalls verbessert.
Am Gesamtquerschnitt aus Spannstahl und Be-
ton erzeugt die Vorspannkraft P zunächst keine
dem Verbinden aufgebracht wurden, wird ein aus Schnittgrößen, am Betonquerschnitt dagegen
zwei nachträglich verbundenen Fertigteilen zu- i. Allg. Normalkraft, Querkraft und Biegemoment
sammengesetzter Zweifeldträger untersucht (Abb. Np,Vp, Mp (Abb. 3.3-76). Mit der Spanngliednei-
3.3-75). Zum Zeitpunkt t0 des Einbaus werden die gung tanTp=dzp/dx und der Lage zp, bezogen auf
Träger durch ihr Eigengewicht belastet. Über dem den Schwerpunkt des Betonquerschnitts, ist
Mittelauflager entsteht eine gegenseitige Verdre-
hung infolge Kurzzeitverformung G10, die bei ge- Np = –P cos Tp , Vp = –P sin Tp ,
lenkig verbundenen Einfeldträgern zum Zeitpunkt Mp = –P cos Tp zp . (3.3.167)
t durch das Kriechen auf G10(1+I(t, t0)) steigen
würde. Werden die beiden Einfeldträger jedoch in Im Allgemeinen kann cosTp=1, sinTp=Tp gesetzt
t=t1 über der Stütze miteinander verbunden, so werden.
wird die Verbindungsstelle in diesem Zustand Man erhält Np, Mp,Vp auch durch Betrachtung
„eingefroren“, der gegenseitige Verdrehwinkel der vom Spannglied auf den Beton wirkenden Ver-
G10(1+I(t1, t0)) ändert sich nicht mehr. Daher muss ankerungs- und Umlenkkräfte. Die Umlenkkraft
ein Stützmoment ¨ X1 aktiviert werden, dass der ergibt sich aus der Krümmung der Spannglieder:
Kriechverformung entgegenwirkt:
(3.3.168)

(3.3.165)
Die Ankerkräfte und -momente ergeben sich ana-
log zu Gl. (3.3.167). Verlaufen die Spannglieder
affin zum Moment, so stehen die Umlenkkräfte mit
Dabei ist G10/G11 das Stützmoment eines monoli- einem Teil der Last im Gleichgewicht und erzeu-
thisch hergestellten Tragwerks. gen im Bauteil keine Schnittgrößen außer einer
Gleichung (3.3.165) lässt sich so verallgemei- Normalkraft.
nern, dass der tatsächliche Spannungszustand zwi- Die Höhe der Vorspannung wird i. d. R. durch
schen dem des Bauzustands MB (ohne Kriechen) die Nachweise im GZG bestimmt. Eine Bestim-
und dem eines (fiktiven) monolithisch hergestellten mung der Vorspannung aus dem GZT ist meist
Tragwerks ME interpoliert wird; näherungsweise nicht sinnvoll, da eine vorgespannte Bewehrung
gilt (t1§t0): hier keinen wesentlichen Vorteil bietet und eine
Bemessung mit Betonstahl wirtschaftlicher ist. Zu
(3.3.166) Technologie und Anwendung des Spannbetons s.
[Kupfer/Hochreiter 1993].

Zur genaueren Berechnung s. [Trost/Wolff 1970].


3.3 Massivbau 1139

Abb. 3.3-76 Schnittgrößen am Betonquerschnitt eines Einfeldträgers

3.3.11.2 Vorspannen im Spannbett


Das Vorspannen von Fertigteilen erfolgt überwie-
gend im Spannbett. Dabei werden die Spannglieder
(i. Allg. sieben drahtige Litzen) im Fertigteilwerk
zunächst in der noch leeren Schalung zwischen zwei
massiven Verankerungsblöcken (Spannbett) vorge-
spannt und anschließend Bewehrung und Beton ein-
gebracht. Sobald der Beton eine ausreichende Fes-
tigkeit erreicht hat, wird die Verankerung der Spann-
glieder gelöst. Eine Verkürzung der Spannglieder ist
nur möglich, bis die durch den Verbund im Beton
entstehenden Druckspannungen der abnehmenden
Spannstahlkraft das Gleichgewicht halten (Abb. Abb. 3.3-77 Vorspannung im Spannbett
3.3-77). Die Gesamtdehnung des Spanngliedes setzt
sich zusammen aus der Vordehnung im Spannbett
und einer Zusatzdehnung ¨Hp. (3.3.169)
Beton und Spannstahl wirken hier von Anfang
an als Verbundquerschnitt (Vorspannung mit so- Die Spannungsänderung im Spannglied gegenüber
fortigem Verbund). In ausreichender Entfernung dem Spannbettzustand (Hc=0) ist
von den Einleitungsbereichen gilt daher im unge-
rissenen Zustand Hc(zp)=¨Hp. Das Zusammenwir- (3.3.170)
ken von Spannstahl und Beton lässt sich im Zu-
stand I mit den ideellen Querschnittswerten (s.
Abb. 3.3-25) erfassen. Die Spannung im Beton un- Die Spannglieder verlaufen im Bauteil i. d. R. ge-
ter der Spanngliedkraft im Spannbett P0 und den radlinig, da eine Umlenkung der vorgespannten,
äußeren Schnittgrößen M, N ist aber noch nicht einbetonierten Spannglieder auf-
1140 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

wendig ist. Werden in Abb. 3.3-77 die für die Mo- – innerhalb des Betonquerschnitts in Hüllrohren
mente in Feldmitte bemessenen Spannglieder voll- aus Blech oder Kunststoff (interne Spannglieder
ständig bis zum Auflager durchgeführt, so entsteht mit oder ohne Verbund) oder
dort bei stark exzentrischer Anordnung ein großes – außerhalb des Betonquerschnitts, aber innerhalb
negatives Moment aus Vorspannung, dem keine der Querschnittsumhüllenden, z. B. im Inneren
Momente aus äußeren Einwirkungen entgegenwir- von Hohlkastenquerschnitten (externe Spann-
ken. Dies kann für die Druckspannungen an der Un- glieder), verlaufen.
terseite und die Zugspannungen an der Oberseite
bemessungsrelevant werden. Um dies zu vermei- Interne Spannglieder stehen auf ganzer Länge mit
den, kann ein Teil der Spannglieder an den Aufla- dem Betonquerschnitt in Kontakt und können da-
gern durch Überschieben eines Hüllrohrs verbund- her fast beliebigen Raumkurven folgen, was eine
los gemacht (abisoliert) werden, so dass die Vor- sehr gute Anpassung an den Momentenverlauf und
spannkraft erst in einer definierten Entfernung vom somit eine optimale Tragwirkung ermöglicht. Üb-
Trägerende in das Bauteil eingeleitet wird. lich sind Parabeln 2. Ordnung, ggf. mit dazwi-
schenliegenden geraden Abschnitten. Zur Be-
schreibung genügen dann die Lage der Endpunkte
3.3.11.3 Vorspannen gegen den
und der Parabelstich f (Abb. 3.3-76):
erhärteten Beton
Spanngliedführung (3.3.171)
Bei Ortbetonbauwerken werden die Spannglieder
aus baupraktischen Gründen erst nach dem Erhär-
ten des Betons vorgespannt. Dabei können die Wegen zpƎ=konst ergibt sich eine konstante Um-
Spannglieder (Abb. 3.3-78) lenkkraft.

Abb. 3.3-78 Innenfeld eines Brückenträgers; Umlenkkräfte (Längsschnitt überhöht)


3.3 Massivbau 1141

Externe Spannglieder dagegen verlaufen ab- Aus diesen drei Größen ergibt sich der Spannweg,
schnittsweise geradlinig und erfordern an den Eck- d. h. die Verschiebung zwischen Spannglied und
punkten des Polygonzugs aufwendige Umlenk- bzw. Beton an der Presse
Verankerungskonstruktionen. Sie erlauben jedoch
eine Reduktion der Abmessungen des Betonquer- a = P1 (Gp,11 + Gc,11) +Gc,1g . (3.3.175)
schnittes, der keine Spannglieder aufnehmen muss,
und bieten die im Hinblick auf die Korrosionsemp- Die Auswertung der Integrale kann i. Allg. mit den
findlichkeit des Spannstahls wichtige Möglichkeit, Gik-Tafeln erfolgen (vgl. 1.5). Bei der Ermittlung
Spannglieder auf Schäden zu inspizieren und ggf. der Querschnittswerte ist die Fläche der nicht ver-
auszutauschen. pressten Hüllrohre abzuziehen (Nettoquerschnitt).
Der Unterschied zum Bruttoquerschnitt, d. h. dem
Vorspannen statisch bestimmter Tragwerke Querschnitt inklusive Hüllrohrfläche ist jedoch
Das Anspannen erfolgt mit hydraulischen Pressen, meist vernachlässigbar.
die sich gegen den Betonkörper abstützen. Der Für eine nach dem Anspannen aufgebrachte äu-
Zeitpunkt für das Aufbringen der Vorspannung auf ßere Last q ergibt sich die Änderung der Spannstahl-
den Beton folgt aus technischen und wirtschaft- spannung aus der Bedingung, dass an den Veranke-
lichen Überlegungen. Zum einen muss die Festig- rungsstellen keine Verschiebung auftreten kann:
keit des Betons bereits hoch genug sein, um die
Kräfte v.a. im Verankerungsbereich aufnehmen zu ¨P (Gp,11 + Gc,11) +Gc,1q = 0 . (3.3.176)
können. Andererseits verbietet der Bauablauf meist
lange Erhärtungszeiten. Häufig wird ein Teil der Das Anspannen mehrerer Spannglieder in einem
Vorspannkraft bereits sehr früh, i. Allg. nach zwei Bauteil erfolgt i. d. R. nacheinander, was einen
bis drei Tagen, aufgebracht, um durch das Erzeu- Abbau der Spannung in den vorher gespannten
gen kleiner Druckspannungen die Rissbildung in- Spanngliedern verursacht. Die Verkürzung des
folge der Eigenspannungen aus Schwinden und Spannglieds 1 beim Anspannen von 2 auf die Kraft
Abfließen der Hydratationswärme zu unterdrü- P2=1 ist
cken.
Beim Spannen des ersten Spannglieds auf die (3.3.177)
Kraft P1=1 entsteht auf Höhe des Spannglieds eine
Betondehnung Hcp. Aus ihrem Integral folgt (unter
der Voraussetzung cosTp§1) die Verkürzung des Die Kraft im ersten Spannglied reduziert sich um
Betons in der Spanngliedachse [Kupfer 1994]:
(3.3.178)
(3.3.172)

Um nach Beendigung des Anspannens aller Spann-


Die Verlängerung des Spannglieds ist glieder eine Kraft P im Spannglied zu erreichen,
muss die Pressenkraft um die Verlustanteile der da-
(3.3.173) nach vorgespannten erhöht werden.

Reibung und Ankerschlupf


Meist verursacht das Anspannen eine Hebung des Durch die Relativverschiebung zwischen Spann-
Bauteils aus der Schalung, so dass das Eigenge- glied und Beton sowie die Umlenkkräfte tritt Rei-
wicht (bei nachfedernder Schalung ein Teil davon) bung auf, die sich mit dem Reibungsbeiwert —
aktiviert wird. Hieraus resultiert eine Verlängerung durch die Differentialgleichung der Seilreibung be-
des Betons auf Höhe der Spanngliedachse: schreiben lässt:

(3.3.174) (3.3.179)
1142 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Dabei ist P0 die durch die Presse aufgebrachte Vorspannung vor und nach dem Verankern gleich
Kraft, x der Abstand vom Spannende (Abb. 3.3- ist, ihre Richtung (vgl. Abb. 3.3-79b). Die Summe
79a). Das Integral der Krümmung entspricht dem der dort auftretenden Dehnungsänderungen muss
Umlenkwinkel zwischen zwei Punkten. Daneben dem Keilschlupf ¨lsl entsprechen.
ist noch ein durch die ungewollte Abweichung des Wird die Exponentialfunktion in Gl. (3.3.179)
Hüllrohres aus seiner idealen Lage verursachter linearisiert (ex§1+x), so entspricht die zu integrie-
Anteil k zu berücksichtigen: rende Fläche einem Dreieck:

(3.3.180) (3.3.181)

Werte für —, k sind der Zulassung des Spannver- Für eine konstante Spanngliedkrümmung erhält
fahrens zu entnehmen. Die unter Vernachlässigung man dann den Schnittpunkt des Spannkraftverlaufs
der Reibung abgeleiteten Beziehungen (3.3.172) vor und nach dem Verankern
bis (3.3.178) gelten näherungsweise, wenn für Pi
der Mittelwert der Kraft über die Spanngliedlänge
gesetzt wird. Der Vergleich zwischen Pressenkraft
und Spannweg erlaubt Aussagen darüber, ob die in und damit
der Berechnung angesetzte Vorspannung planmä-
ßig erreicht wurde.
Die Verankerung von Litzenspanngliedern er- (3.3.182)
folgt nach dem Spannen i. Allg. mit Keilen (Abb.
3.3-80). Zum Herstellen eines kraftschlüssigen
Kontakts ist ein Keilschlupf ¨lsl im Millimeterbe-
reich erforderlich. Durch die Verkürzung des Nachträglicher Verbund
Spannglieds wird die aufgebrachte Vorspannung Der Korrosionsschutz der Spannglieder in den
vermindert. Im Bereich der Verankerung wechselt Hüllrohren kann durch Verpressen mit Zement-
die Reibung auf einer Länge lsl, an deren Ende die mörtel hergestellt werden. Dabei entsteht ein kraft-
schlüssiger Verbund zwischen Spannglied und Be-
ton (Vorspannung mit nachträglichem Verbund).
Alle nach Herstellen des Verbunds aufgebrachten
Beanspruchungen wirken auf den Verbundquer-
schnitt. Die Berechnung erfolgt hierfür zweckmä-
ßig mit ideellen Querschnittswerten, soweit der
Querschnitt im Zustand I verbleibt.
Das Verpressen erfolgt auf der Baustelle. Zur
Vermeidung von Korrosionsschäden vor dem Ver-
pressen muss die Verweildauer der Spannglieder
im unverpressten Hüllrohr gering gehalten, das

Abb. 3.3-80 Litzenspannglied mit Plattenverankerung, be-


Abb. 3.3-79 Spannen gegen den erhärteten Beton weglicher Kopplung und Innenverankerung (Verbundanker)
3.3 Massivbau 1143

Hüllrohr vor dem Einbau des Spannglieds gereini-


gt und ein fehlerfreies Verpressen ohne Hohlräume
sichergestellt werden. Mangelhaft verpresste Hüll-
rohre waren in der Vergangenheit Ursache von
Korrosionsschäden.

Verbundlose Vorspannung
Beim Verpressen mit Fett oder ähnlichen Materi-
alien bleibt das Spannglied verbundlos (Vorspan-
nung ohne Verbund). Das Verpressen erfolgt im Abb. 3.3-81 Modellierung bei verbundloser Vorspannung
Herstellwerk. Zur Anwendung s. [Eibl u. a. 1995].
Das Zusammenwirken von Stahl und Beton
3.3.11.4 Statisch unbestimmte Wirkung
muss auch im Endzustand durch Systembetrach-
tungen analog zu den Gl. (3.3.172) bis (3.3.178) Der durch die Vorspannung induzierte Eigenspan-
untersucht werden; für die elektronische Berech- nungszustand erzeugt i. Allg. eine Verformung des
nung kann das System wie in Abb. 3.3-81 abgebil- Bauteils, die bei statisch unbestimmt gelagerten
det werden. Die Integration der Betondehnungen Systemen zu zusätzlichen Schnittgrößen führt. Die-
über die Bauteillänge entspricht einer Mittelwert- se werden als statisch unbestimmte Wirkung (Index
bildung. Die Spannungsänderung bei Änderung ind) der Vorspannung bezeichnet. Im Gegensatz
der äußeren Einwirkung fällt somit weit geringer zur bisher betrachteten statisch bestimmten Wir-
aus als die eines bei gleichem Verlauf im Verbund kung (Index dir) des Eigenspannungszustands am
liegenden Spannglieds an den höchstbeanspruch- Querschnitt erzeugt sie auch am Gesamtquerschnitt
ten Stellen. Verbundlose Spannglieder sind dem- Schnittgrößen. Diese lassen sich über die Spann-
nach bei der Querschnittsbemessung weniger gliedführung nahezu beliebig verändern. Man kann
effektiv, aber auch weniger ermüdungsgefährdet, sie daher gezielt zur Umlagerung von Vorspann-
v. a. beim Übergang in den Zustand II. Der höhere momenten im Tragwerk nutzen, im Beispiel des
Betonstahlbedarf wird durch den Wegfall des auf- Zweifeldträgers typischerweise vom Feld in die
wendigen Verpressvorgangs und die verbesserte Stütze. Die Bestimmung kann auf zwei Arten er-
Dauerhaftigkeit z. T. kompensiert. folgen (Abb. 3.3-82).
Bei der Ermittlung des Spannungszuwachses im Bei der Berücksichtigung als Vorverformung
GZT ist die Berücksichtigung der Rissbildung aus werden die Krümmungen und Dehnungen
Gründen der Wirtschaftlichkeit sinnvoll. Dabei ist
jedoch zu beachten, dass der Zuwachs mit zuneh- (3.3.183)
mender Verformung steigt. Die Berücksichtigung
der Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen
sowie eines oberen Grenzwertes der Betonzugfe- infolge des statisch bestimmten Anteils der Vor-
stigkeit (d. h. einer möglichst geringen Rissbildung) spannung als spannungslose Verformungen auf das
ist daher meist erforderlich. Nach DIN1045Teil 1 System aufgebracht. Die resultierenden Schnitt-
ist für die Erhöhung ¨Vp ein Sicherheitsbeiwert größen (statisch unbestimmte Wirkung) können
Jpz1 zu berücksichtigen. In den Umlenkpunkten ist mit den üblichen Verfahren der Baustatik berech-
die Verschiebung zwischen Spannglied und Beton net werden.
durch die Reibung behindert; eine volle Festhal- Alternativ können die Verankerungs- und Um-
tung kann im GZT i. Allg. jedoch nicht angenom- lenkkräfte der Spannglieder als äußere Lasten auf das
men werden. In der Praxis verzichtet man häufig statisch unbestimmte System aufgebracht werden,
auf die Berücksichtigung des Spannungszuwachses. woraus sich die gesamten Schnittgrößen aus Vor-
Anker- und Umlenkkräfte können dann als äußere spannung ohne die Trennung in den statisch bestimm-
Lasten auf das Tragwerk angesetzt werden. Dies ten und unbestimmten Anteil ergeben, die dann nach-
entspricht der Betrachtung als Stahlbetonbauteil träglich vorgenommen werden muss. Nachteilig ist
mit Längskraft. hier die bei nicht durch mathematische Funktionen
1144 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.3-82 Bestimmung der statisch unbestimmten Schnittgrößen

definierten Spanngliedführungen aufwendige Ermitt- Statisch bestimmte Systeme


lung der Umlenkkräfte. Das Verfahren lässt sich je- Zum Zeitpunkt t=t0 sei die Spannung im Spann-
doch problemlos auf Flächentragwerke anwenden. gliedstrang i gleich Vp0,i und die Spannung im Be-
Im Allgemeinen wird unter der statisch unbe- ton auf Höhe zp,i des Stranges aus der Vorspannung
stimmten Wirkung nur die aus behinderter Biege- und der äußeren, ständig wirkenden Einwirkung
verformung entstehende Schnittgröße verstanden. Vcp0,i. Zum Zeitpunkt t hat sich die Betonspannung
Bei behinderter Längsverformung können jedoch infolge der Spannkraftverluste ¨Vp,j um
auch statisch unbestimmte Normalkräfte entstehen.
Im Brückenbau tritt dieser Fall i. d. R. nicht auf, da (3.3.184)
durch spezielle Lager eine in Längsrichtung statisch
bestimmte Lagerung erreicht werden kann. In mo-
nolithischen Tragwerken des Hochbaus ist dies geändert. Die Dehnungsänderung im Beton ist
meist nicht der Fall. Bei statisch unbestimmter An-
ordnung vertikaler Aussteifungselemente können in (3.3.185)
diesen erhebliche Zwangsschnittgrößen entstehen,
so dass nur ein Teil der Vorspannung in das vorzu-
spannende Bauteil eingeleitet wird. Aus Vorspan- Die wirksame Schwinddehnung Hcs ist dabei die
nung resultierende Verformungen müssen daher ge- zwischen dem Vorspannen und dem betrachteten
nau verfolgt werden. In Extremfällen empfiehlt es Zeitpunkt auftretende Zunahme.
sich, auf die Berücksichtigung der Normalkraft in- Bei Vorspannung im Verbund ist die Änderung
folge Vorspannung ganz zu verzichten. Die Wirkung der Betondehnung gleich der Änderung der Spann-
der Umlenkkräfte kann jedoch unabhängig hiervon stahldehnung ¨Hp,i=¨Hcp,i. Zusammen mit den Re-
vorausgesetzt werden [Wicke/Maier 1998]. laxationsverlusten ¨Vpr folgt

¨Vp,i = ¨Vpr,i +¨Hp,i , Ep. (3.3.186)


3.3.11.5 Zeitabhängige Verluste
Das zeitabhängige Verformungsverhalten von Be- Durch Einsetzen und Umformen erhält man ein
ton und Spannstahl verursacht einen mit der Zeit lineares Gleichungssystem zur Bestimmung der
fortschreitenden Abbau der Vorspannung um ca. Spannungsverluste. So gilt bei zweisträngiger Vor-
10% bis 20%. Zur Vereinfachung der Berechnung spannung
werden Spannglieder mit ungefähr gleichem zp zu
einem Strang zusammengefasst.
3.3 Massivbau 1145

3.3.11.6 Verankerung der Spannglieder


An den Verankerungs- und Umlenkstellen werden
große Kräfte konzentriert in den Beton eingeleitet.
(3.3.187) Zur Aufnahme der hinter den Ankerplatten auftre-
tenden hohen Druckspannungen sind i. Allg. Wen-
deln entsprechend der Zulassung des Spannverfah-
rens anzuordnen, die durch die Umschnürungswir-
kung einen dreiachsialen Druckspannungszustand
mit erzeugen. Die aus der Kraftausbreitung resultie-
renden Spaltzugkräfte sind durch Bewehrung aufzu-
(3.3.188) nehmen. Zur Bestimmung werden i. Allg. Stabwerk-
modelle verwendet (Abb. 3.3-83). Beim Anspannen
mehrerer Spannglieder sind auch Zwischenzustände
Bei einsträngiger Vorspannung erhält man die in zu betrachten. Die durch die Verbundverankerung
DIN 1045 Teil 1 angegebene Gleichung bei Vorspannung im Spannbett entstehenden Spalt-
zugkräfte sind ebenfalls durch Bewehrung aufzu-
nehmen. Hinweise enthält [Kupfer 1994].
(3.3.189) In abschnittsweise hergestellten Bauwerken
werden die Spannglieder nach jedem Bauabschnitt
am Rand des zuletzt fertiggestellten Abschnittes
gekoppelt und im Bauzustand vorübergehend ver-
Bei verbundloser Vorspannung können die Verlus- ankert. Da das Anspannen nach dem Erhärten des
te in analoger Weise ermittelt werden, wobei aller- nächsten Bauabschnitts wie die Einleitung einer
dings die Kompatibilität systembezogen eingeführt Einzelkraft im Bauteilinneren an der Koppelfuge
werden muss, vgl. die Gln. (3.3.172) bis (3.3.177). wirkt, verbleibt auch im Endzustand eine Störung
Man erhält zu die Gln. (3.3.187) und (3.3.189) der Dehnungsverteilung. Eine Kopplung aller
analoge Bestimmungsgleichungen, wobei aller- Spannglieder in einem Querschnitt sollte daher
dings vermieden werden.
Wegen der eingeschränkten Wirkung der Vor-
spannung werden Koppelfugen i. Allg. in Berei-
chen geringer Beanspruchungen angeordnet (Mo-
(3.3.190) mentennullpunkte unter ständiger Last). Es ist je-

zu setzen ist. Das entspricht den Mittelwerten ent-


lang der Spanngliedachse.

Statisch unbestimmte Systeme


Hier ist die statisch Überzählige zusätzlich als
Unbekannte in die Berechnung einzuführen
[Mehlhorn 1998]. Die Berücksichtigung der
Momentenwirkung eines Stranges kann nähe-
rungsweise durch einen effektiven Hebelarm

für zp,j in Gl. (3.3.188)

bzw. (3.3.190) erfolgen. Abb. 3.3-83 Stabwerkmodelle


1146 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

doch zu beachten, dass durch veränderliche Lasten luste rinf=0,95 bzw. rsup=1,05 bei Spanngliedern
und gleichzeitige Wirkung von Zwang auch dort mit sofortigem bzw. ohne Verbund.
Momente auftreten können. Daher ist eine ange- Bei den Nachweisen werden die statisch unbe-
messene Betonstahlbewehrung vorzusehen. Die stimmten Schnittgrößen auf der Seite der Einwir-
Mindestbewehrung nach 3.3.11.8 ist hierfür i. d. R. kungen berücksichtigt, die statisch bestimmten dage-
ausreichend. gen i. Allg. als Widerstand. Im GZT kann die statisch
unbestimmte Wirkung durch Fließgelenkbildung ab-
gebaut werden. Hiervon wird wegen der infolge der
3.3.11.7 Nachweise
großen Normalkräfte i. d. R. geringen Rotationsfä-
Vorgespannte Bauteile werden durch eine äußere higkeit rechnerisch kein Gebrauch gemacht.
Einwirkung und eine Vorspannung, die Schnitt-
größen etwa gleicher Größenordnung, aber entge- Nachweise im GZG
gengesetzten Vorzeichens erzeugen, beansprucht Da das Vorspannen der Bewehrung auch wesent-
(Abb. 3.3-76). Daher kann neben der maximalen lich der Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit
äußeren Einwirkung auch die minimale, v. a. in dient, besitzen diese Nachweise eine größere Be-
Bauzuständen, maßgebend werden. deutung als bei Stahlbetonbauteilen. Hinzu kommen
Für die Höhe der Vorspannung und die Exzent- die erhöhten Anforderungen an die Dauerhaftig-
rizität der Spannglieder ergeben sich hierdurch keit wegen der größeren Korrosionsempfindlich-
Grenzen, v. a. beim Vorspannen im Spannbett, da keit der Spannstähle. Ständig oder häufig offene
der Vorspannung zunächst nur das i. Allg. geringe Risse müssen v. a. in chloridhaltiger Umgebung
Eigengewicht der Fertigteile entgegenwirkt. Beim und bei wechselnder Durchfeuchtung vermieden
Vorspannen gegen den erhärteten Beton kann es werden. Ausgenommen sind hiervon Spannglieder
erforderlich werden, die Vorspannung schrittweise ohne Verbund, da deren Korrosionsschutz unab-
mit dem Baufortschritt (d. h. der Zunahme der äu- hängig vom umgebenden Beton sichergestellt wird.
ßeren Einwirkungen) bzw. dem Ablassen des Lehr- Für diese gelten die Anforderungen an Stahlbeton-
gerüstes aufzubringen. Die durch das Vorspannen bauteile. Nach DIN 1045 Teil 1 sind i. Allg. fol-
hervorgerufenen Krümmungen können zu erheb- gende Nachweise zu führen:
lichen Umlagerungen der Kräfte im Lehrgerüst
führen; diese sind rechnerisch nachzuweisen. Dekompression. Unter einer in Abhängigkeit von
Daneben führt die Differenz etwa gleich großer den Umgebungsbedingungen zu wählenden Einwir-
Zahlen zu einer starken numerischen Empfindlich- kungskombination (quasi-ständige, häufige oder
keit der resultierenden Gesamtschnittgrößen aus seltene) ist nachzuweisen, dass die Spannglieder im
Vorspannung und äußerer Einwirkung, d. h., eine überdrückten Beton liegen, d. h. nicht vom Riss ge-
geringe Änderung des Vorspannmoments kann ei- kreuzt werden (Dekompression). Zur Vermeidung
nen Vorzeichenwechsel der Spannung am Quer- von Unklarheiten hinsichtlich des Ansatzes für den
schnittsrand erzeugen. Dies erfordert bei der gezogenen Beton (gerissen oder ungerissen) ist nach
Schnittgrößenberechnung v. a. im GZG eine hö- DIN 1045 Teil 1 im Endzustand eine volle Über-
here Genauigkeit als bei Stahlbetontragwerken. Da drückung des Querschnitts gefordert, obwohl dies
hiermit wegen der in der Baupraxis unvermeid- für den Korrosionsschutz nicht erforderlich ist.
lichen Unsicherheiten nur ein Teil des Problems Unter Annahme einer linearen V-H-Beziehung für
erfasst wird, sind die Schnittgrößen aus der Vor- den gedrückten Beton kann aus
spannung als obere oder untere charakteristische
Werte Pk=rPm anzusetzen. Der Variationskoeffizi- (3.3.191)
ent ist wegen der streuenden Kriech- und Schwind-
verformungen sowie der unsicheren Reibungsbei-
werte von den Spannkraftverlusten abhängig. Da- die erforderliche Vorspannung ermittelt werden.
her ist nach DIN 1045 Teil 1 rinf=0,9 bzw. rsup=1,1 Bei Beanspruchung durch Zwang ist zu beach-
bei Vorspannung im nachträglichen Verbund und ten, dass der durch die Rissbildung verursachte
wegen der fehlenden bzw. geringen Reibungsver- Steifigkeitsabfall hier nicht eintritt. Eingeprägte
3.3 Massivbau 1147

Verformungen müssen daher in jedem Fall bei der 3.3-84). Am Ende der Verbundstörlänge befinden
Schnittgrößenermittlung berücksichtigt werden. sich Beton- und Spannstahl im nahezu starren Ver-
bund. Dazwischen müssen sie die gleiche Verlänge-
Begrenzung der Rissbreite. Da eine gelegentliche rung erfahren. Vereinfacht wird ein affiner Verlauf
Überschreitung der Dekompressionslast durch die der Spannungen Vs, ¨Vp entlang von lts bzw. ltp vor-
Wahl der Einwirkungskombination zugelassen wird, ausgesetzt:
ist zusätzlich eine Beschränkung der Rissbreite auf
wk=0,2 mm nachzuweisen, sofern unter der hierfür (3.3.192)
maßgebenden Einwirkungskombination Zugspan-
nungen entstehen. Für die Ermittlung des Deh-
nungszustands kann die Druckzonenhöhe nach Gl. Das entspricht Gleichheit der unterlegten Flächen
(3.3.56) bestimmt werden, wenn die aus der Vor- in Abb. 3.3-84. Mit dem Gleichgewicht entlang der
spannung resultierenden Schnittgrößen P0, Mp0 als Verbundstörlänge
äußere Einwirkungen und die Spannglieder wie eine
schlaffe Bewehrung berücksichtigt werden.
Im Allgemeinen liegt im Bauteil neben den (3.3.193)
Spanngliedern eine Bewehrung aus Betonstahl.
Wegen der geringeren Profilierung der Oberfläche
und der v. a. bei Litzenbündeln weit größeren
Durchmesser ist der Verbund des Spannstahls er- und Gl. (3.3.192) folgt
heblich weicher als der des Betonstahls. Die An-
nahme eines starren Verbunds liefert keine realisti-
sche Abschätzung der Stahlspannungen. Für die
Nachweise der Rissbreitenbegrenzung ist eine ge- (3.3.194)
nauere Betrachtung erforderlich.
Im Zustand der Einzelrissbildung ergeben sich Vereinfacht wird angenommen Ep§ Es und
unterschiedliche Verbundstörlängen lts, ltp (Abb. Vs1=¨Vp1§0:

Abb. 3.3-84 Spannungen zwischen den Rissen


1148 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

weise der Rissbreitenbegrenzung analog zum


(3.3.195) Stahlbeton geführt werden.
Die am Zugstab abgeleiteten Beziehungen kön-
nen für andere Bauteile verallgemeinert werden. Lie-
Bei Einzelrissbildung ist die angreifende Kraft gen Beton- und Spannstahl näherungsweise in einer
(einschl. der auf der Einwirkungsseite berücksich- Lage, so kann die Kraft Fs+¨P zunächst unter Annah-
tigten Vorspannung) gleich der Rissschnittgröße: me starren Verbundes berechnet werden. Die Auftei-
lung erfolgt dann wie für den Zugstab der Höhe heff
fct Aci = Vs2 As + ¨Vp2 Ap = Vs2 (As + [1 Ap) . (Abb. 3.3-22). Für andere Fälle können analoge Be-
ziehungen über die ebene Verteilung der mittleren
Die Stahlspannungen im Riss sind also: Dehnungen abgeleitet werden. Es ist zu beachten,
dass die Rissabstände bei weit auseinander liegenden
Bewehrungslagen durch Sammelrissbildung unter-
schiedliche sein können [Alvarez 1998].
(3.3.196) Im Zustand der Einzelrissbildung kann bei ausrei-
chend großer Vorspannung das Gleichgewicht im ge-
Der maximale Rissabstand ergibt sich aus (ns, np rissenen Zustand auch ohne Bewehrung hergestellt
Anzahl der Bewehrungsstäbe bzw. Spannglieder) werden. Da die Rissbreite bei gegebener Krümmung
etwa proportional zur Risstiefe ist, kann von einer
ausreichenden Begrenzung ausgegangen werden,
(3.3.197) wenn die Risstiefe auf den kleineren Wert von h/2
und 0,5 m begrenzt wird [König/Fehling 1989]. Für
den Rechteckquerschnitt ergibt sich daraus eine
Spannung in der Schwerachse Vc=–P/Ac=–max
Bei abgeschlossenem Rissbild treten auf ganzer {h;1}·fct,eff (h in m). Bei der Ermittlung der Mindest-
Länge Verbundspannungen auf. Unter Annahme im bewehrung nach Gl. (3.3.114) kann daher nach DIN
Mittel eben bleibender Querschnitte gilt Hsm=¨Hpm: 1045 Teil 1

(3.3.201)

Mit
gesetzt werden. Das entspricht einer linearen Inter-
polation zwischen kc = 0 für den vorstehend ge-
(3.3.198) nannten Fall mit einer zusätzlichen Sicherheit 1,5
und kc=0,4 für Vc=0. Die Mindestbewehrung darf
ganz entfallen, wenn unter der seltenen Einwir-
und dem Gleichgewicht im Riss kungskombination am Querschnittsrand Druck-
spannungen von mindestens –1 MPa verbleiben.
F – P0 = Vs2 As + ¨Vp2 Ap , (3.3.199)
Nachweise im GZT
wobei P0 die (fiktive) Spannbettkraft ist, die sich Der Nachweis am Querschnitt erfolgt analog zum
bei spannungslosem Betonquerschnitt ergibt, folgt Stahlbeton mit der Vordehnung Hp0 in den Spann-
gliedern, die unter Berücksichtigung der zum je-
weiligen Zeitpunkt eingetretenen Verluste als cha-
rakteristischer Wert anzusetzen ist.
(3.3.200) Die Anwendung der üblichen Hilfsmittel bei
der Biegebemessung ist möglich, wenn die statisch
Mit der Betonstahlspannung, Gl. (3.3.200), und bestimmte Wirkung mit einer zunächst zu schät-
dem Rissabstand, Gl. (3.3.197), können die Nach- zenden Spannstahlspannung (i. Allg. der Fließ-
3.3 Massivbau 1149

spannung) als zusätzliche Einwirkung angesetzt


wird. Ergebnis ist die erforderliche Betonstahlbe-
wehrung. Alternativ kann die Bemessung zunächst
für eine reine Spannstahlbewehrung erfolgen. Die
Differenz zur vorhandenen Spannstahlmenge, die
sich i. d. R. aus dem GZG ergibt, ist durch eine
gleichwertige Betonstahlbewehrung abzudecken.
Beim Nachweis für Querkraft bzw. Durchstan-
zen darf der geneigte Anteil der Spanngliedkraft
Vp berücksichtigt werden.
Abb. 3.3-85 Spannungsverteilung vor und nach dem Auf-
reißen
3.3.11.8 Robustheit
Wichtiger Bestandteil der Sicherheitskonzepte im Dabei ist ¨P die Zunahme der Spannstahlkraft im
Massivbau ist die Vorankündigung des Versagens Riss. Daraus folgt
durch die Bildung breiter Risse bei Annäherung an
die Tragfähigkeit. Diese ist bei ausgewogener Be-
wehrung im Stahlbetonbau i. Allg. sichergestellt. (3.3.204)
Vorgespannte Bauteile bleiben unter den häufig auf-
tretenden Lasten i. d. R. weitgehend ungerissen. Ihr
äußeres Erscheinungsbild lässt dann keine Aussage Für den Fall des Rechteckquerschnitts ist Wc/
über den Zustand der Bewehrung zu. In seltenen, Ac=h/6, und mit zc§ h/3 ergibt sich eine Abminde-
aber denkbaren Fällen kann durch fortschreitende rung des durch Fs, ¨ P aufzunehmenden Moments
Korrosion der Spannglieder die Vorspannung so um P(t)·h/6. Für den Grenzfall des Zweipunktquer-
weit abgebaut werden, dass eine geringfügige Erhö- schnitts ist dagegen Wc/Ac=zc, so dass die Vor-
hung der äußeren Last eine Überschreitung der Zug- spannung P(t) keinen Beitrag zur Aufnahme des
festigkeit herbeiführt. Reicht der im Querschnitt freiwerdenden Moments liefert. Bei den meisten
vorhandene Betonstahl und der noch nicht korro- Querschnittsformen im Spannbetonbau ist der An-
dierte Spannstahl zur Aufnahme der Schnittgrößen teil von P(t) ebenfalls vernachlässigbar.
nicht aus, so kommt es zum schlagartigen Versagen. Zur Sicherstellung der Robustheit ist daher eine
Durch eine ausreichende Betonstahlbewehrung lässt Mindestbewehrung As anzuordnen, die bei voller
sich dies vermeiden. Ausnutzung bis zur Fließgrenze in der Lage ist, die
Die zum Aufreißen führende Belastung eines Rissschnittgröße fctm·Wc aufzunehmen. Die Berück-
nur auf Biegung beanspruchten Bauwerks folgt sichtigung von Sicherheitsbeiwerten ist wegen der
mit der zum Zeitpunkt t noch vorhandenen Vor- geringen Auftretenswahrscheinlichkeit nicht erfor-
spannkraft der nicht korrodierten Spannglieder derlich. Auf diese Mindestbewehrung darf der nicht
P(t) aus [König u. a. 1994] korrodierte Spannstahl mit der Differenz zwischen
Vorspannung und Fließspannung angerechnet wer-
den. Der ungeschädigte Spannstahlquerschnitt lässt
(3.3.202) sich aus Gl. (3.3.202) bestimmen, wenn das Mo-
ment MS, das mit hoher Wahrscheinlichkeit auftritt
Bei statisch bestimmten Tragwerken muss das ge- (z. B. das Moment aus der häufigen Lastkombinati-
samte Moment MS nach der Rissbildung von Be- on), bekannt ist. Es sollte jedoch berücksichtigt
ton- und Spannstahl aufgenommen werden. Es gilt werden, dass bei Ausfall eines Spannglieds eine
(Abb. 3.3-85) Schädigung der unmittelbar benachbarten wegen
der mehr oder weniger identischen korrosionsför-
dernden Bedingungen wahrscheinlich ist. Nach DIN
(3.3.203) 1045 Teil 1, Absatz 13.1.1 darf pauschal ein Drittel
der Spannglieder angerechnet werden.
1150 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Bei der Bestimmung der erforderlichen Beweh- zung zur Erkennung von Spanngliedausfällen, diese
rung wurde vorausgesetzt, dass die Abnahme von wird erst durch eine Kontrolle in angemessenen In-
Ap kontinuierlich erfolgt. Da Ap mit Ausfall eines tervallen mit ausreichend genauen Methoden si-
kompletten Spannglieds sprunghaft abnimmt, gel- chergestellt. Da mit einer Korrosion der Spann-
ten die vorgenannten Zusammenhänge nur, wenn glieder aber frühestens einige Jahrzehnte nach der
durch eine Mindestanzahl von Spanngliedern im Fertigstellung des Bauwerks gerechnet werden
Querschnitt die Abnahme von Ap hinreichend ge- muss, sind hierfür langfristige Inspektionspläne er-
glättet ist. Liegt im Grenzfall nur ein einziges forderlich.
Spannglied vor, so muss nach dessen Ausfall an-
stelle des Rissmoments die gesamte Beanspru-
chung vom verbleibenden Betonstahl aufgenom- 3.3.12 Stabilität und Theorie
men werden. II. Ordnung
Bei statisch unbestimmten Systemen kann ein
Bei druckbeanspruchten Bauteilen sowie schlanken
Teil des freiwerdenden Rissmoments in andere
Biegeträgern entstehen durch die Verformung zu-
Tragwerkbereiche umgelagert werden. Je nach Lage
sätzliche Beanspruchungen, die durch eine Gleich-
des betrachteten Querschnitts im System ergibt sich
gewichtsbetrachtung am verformten System (Theo-
hieraus eine Abminderung der erforderlichen Min-
rie II. Ordnung) erfasst werden müssen. Dies ist bei
destbewehrung, sofern die Rotationsfähigkeit nach-
Erweiterung von Gl. (3.3.109) um die entspre-
gewiesen werden kann. Dieses Vorgehen ist jedoch
chenden Terme durch nichtlineare Berechnung
aufwendig; auf der sicheren Seite liegend kann da-
möglich. Für viele praktische Fälle können jedoch
her eine Mindestbewehrung analog zu statisch be-
vereinfachte, ausreichend genaue Verfahren abge-
stimmten Systemen angeordnet werden.
leitet werden.
Neben der Schadensbegrenzung gewinnt zuneh-
mend die Schadensvermeidung an Bedeutung.
3.3.12.1 Einzelstützen
Grundgedanke ist der Versuch, die die Standsicher-
heit der Konstruktion gefährdende Korrosion von An dem gelenkig gelagerten Stab in Abb. 3.3-86
Spanngliedern rechtzeitig zu erkennen und vor dem ergibt sich nach Theorie I. Ordnung ein parabelför-
Eintreten irreversibler Schäden Sanierungsmaß- miges Moment mit dem Maximalwert M0. Das zu-
nahmen zu ergreifen. Dies setzt voraus, dass bereits sätzliche Moment nach Theorie II. Ordnung ergibt
bei der Planung Möglichkeiten zur Kontrolle und sich am verformten System zu ¨M=e |N|. Gesucht
ggf. zum Austausch geschädigter Spannglieder vor- ist der Zustand des Gleichgewichts zwischen dem
gesehen werden, was bei verbundlosen Spannglie- angreifenden Moment MS=M0+¨M und dem Bau-
dern prinzipiell möglich ist. Allerdings ist die Kont- teilwiderstand MR. Dabei wird nur der bauprak-
rollierbarkeit allein keine hinreichende Vorausset- tisch relevante Fall N<0 betrachtet.

Abb. 3.3-86 Einzelstütze


3.3 Massivbau 1151

Elastische Näherungslösung proportional zu QSd·O2 mit den bezogenen Größen


Die Verformung aus M0 ergibt sich mit dem Prin-
zip der virtuellen Kräfte unter Annahme ungeris- und QSd = NSd/(Ac fcd) ist. Zur Ab-
sener Querschnitte zu grenzung schlanker (d. h. nach Theorie II. Ordnung
zu betrachtender) Stützen gilt nach DIN 1045 Teil
1 daher die Grenzschlankheit
(3.3.205)
(3.3.210)
Der Verlauf kann in guter Näherung durch eine
quadratische Parabel approximiert werden. Infolge
der Verformung entsteht dann ein ebenfalls para- Stahlbeton
belförmiges Moment ¨M1=|N| e0. Die Verformung Durch Rissbildung und nichtlineares Verhalten des
hieraus ist Betons auf Druck nehmen die Krümmungen mit
dem Moment überproportional zu. Die Verfor-
(3.3.206) mungen e ergeben sich durch Integration von N. Ab-
bildung 3.3-87 zeigt den Verlauf des inneren Mo-
ments MR in Stützenmitte für den linearen und den
Durch wiederholte Verformungsberechnung erhält nichtlinearen Fall in Abhängigkeit von der Verfor-
man schließlich die Gesamtverformung als geo- mung e. Im Schnittpunkt mit der Linie des äußeren
metrische Reihe Moments MS herrscht Gleichgewicht (MR=MS). Das
zugehörige Moment ist bei Berücksichtigung der
Nichtlinearität größer, sie ist daher aus Gründen der
(3.3.207) Sicherheit erforderlich.
Je nach Größe von N und M0 erhält man entwe-
der zwei, einen oder keinen Schnittpunkt (es sei
sowie den Verformungszuwachs darauf hingewiesen, dass neben der MS-Linie we-

(3.3.208)

Für NoNcrit=–48/5 EI/l02 geht eo’; dies ent-


spricht der Knicklast des Systems, die von der ex-
akten Eulerschen Knicklast Ncrit=–ʌ2 EI/l02 nur ge-
ringfügig abweicht. Die Schnittgrößen nach Theo-
rie II. Ordnung können somit näherungsweise mit
einem Erhöhungsfaktor aus denen nach Theorie
I. Ordnung ermittelt werden:

(3.3.209)

Der Vergrößerungsfaktor gilt streng genommen


nur für einen parabelförmigen (bzw. zur Knickfi-
gur affinen) Verlauf von M0, kann für andere Fälle
jedoch als Näherung angesehen werden.
Der Einfluss der Verformungen ist v. a. von der Abb. 3.3-87 Abhängigkeit des äußeren und inneren Mo-
Knicksicherheit Ncrit/N abhängig, die indirekt mentes von der Auslenkung
1152 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

gen der Abhängigkeit der M-N-Beziehung von der


Normalkraft auch die MR-Linie von N abhängt).
Im letzten Fall ist die Knicklast des Systems über-
schritten, ein Gleichgewicht nicht mehr möglich.
Liegen zwei Gleichgewichtszustände vor, so ist
der erste stabil, bei einer Verminderung der Aus-
lenkung ist immer MR<MS, so dass das System in
den Gleichgewichtszustand zurückwandert, eben-
so wie bei einer Erhöhung der Auslenkung, da
dann MR>MS ist. Punkt 2 stellt dagegen ein labiles
Gleichgewicht dar, da jede infinitesimale Ände-
rung der Auslenkung entweder zurück nach Punkt 1
oder zum Kollaps führt (vgl. Kugelanalogie in Abb.
3.3-87). Im Fall eines einzigen Schnittpunkts ist die
Systemtraglast gerade erreicht; da die Steigung Abb. 3.3-88 Modellstütze
der beiden Kurven in diesem Punkt gleich ist, han-
delt es sich um ein indifferentes Gleichgewicht,
d. h. ein Stabilitätsversagen, das bei nichtlinearem Betrachtung auf einen Querschnittsnachweis zu-
Materialverhalten folglich auch bei Stützen mit rückgeführt werden.
Momenten nach Theorie I. Ordnung auftreten
kann. Für M0=0 entspricht MS einer Ursprungsge- Bemessung
raden; es liegt ein echtes (elastisches) Knick- Für die Bemessung, d. h. die Bestimmung der Be-
problem vor. wehrung, ist eine Modifikation des Verfahrens er-
Die Ermittlung der MR-Linie ist aufwändig. forderlich, da die M-N-Beziehung vorab nicht be-
Eine iterative Lösung ist wie im linearen Fall mög- kannt ist. Das Modellstützenverfahren in DIN 1045
lich, wenn in jedem Iterationsschritt die zum Ge- Teil 1 legt formal eine Kragstütze der Länge h=l0/2
samtmoment gehörende Krümmung entlang der zugrunde (Abb. 3.3-88). Die Rückführung anderer
Stabachse ermittelt und zur Verformung integriert Lagerungsbedingungen auf den Grundfall erfolgt
wird. Da das Superpositionsprinzip nicht gilt, muss durch die Ersatzlänge l0, die i. Allg. der elastischen
anstelle des Zuwachses im Iterationsschritt die ge- Knicklänge entspricht (s. aber [Quast 1986]).
samte Verformung berechnet werden. Hilfsmittel zur Bestimmung enthält [Kordina/
Zur Vereinfachung der Berechnung kann ein af- Quast 1979].
finer Verlauf von MII und N angenommen werden; Die Bemessung erfolgt an der Einspannung der
das entspricht einer Approximation der M-N-Be- Modellstütze oder allgemeiner im mittleren Drittel
ziehung durch eine Sekante. Die Anwendung von der Ersatzlänge. Das Moment dort ist
Gl. (3.3.209) ist unter Verwendung der Sekanten-
steifigkeit möglich, liegt wegen der Vernachlässi- MII = M0 + ¨M =V h + |N| · (e0 + ea + e) . (3.3.212)
gung der höheren Steifigkeit in den ungerissenen
Bereichen jedoch auf der sicheren Seite. Krümmung. Zur Verformungsberechnung wird eine
Die Verformung e lässt sich allein auf die Krüm- obere Abschätzung der Krümmung N verwendet.
mung in Stützenmitte zurückführen: Da die MR-Linie nach Erreichen des Fließmoments
im Nachweisschnitt nicht mehr wesentlich an-
e = D l 02 N (3.3.211) steigt, muss der Schnittpunkt mit MS immer links
davon liegen. Fließmoment und Fließkrümmung
Der Völligkeitsbeiwert D ergibt sich für einen pa- stellen damit obere Grenzwerte dar.
rabelförmigen Momentenverlauf zu D=5/48. Für Stützen werden i. Allg. symmetrisch bewehrt
beliebige Verläufe kann D§1/10 gesetzt werden. (As1=As2). Vor allem bei hohen Bewehrungsgraden
Der Vergleich zwischen MR und MS kann dann auf bewirkt das Fließen der Druckbewehrung einen
der Ebene einer M-N-Beziehung geführt, d. h. die ähnlichen Steifigkeitsabfall wie das Fließen der
3.3 Massivbau 1153

Zugbewehrung. Im Grenzfall des gleichzeitigen


Fließens ist x/h=0,5; die zugehörige Normalkraft
Nbal entspricht der Betondruckkraft, da sich die
Bewehrungskräfte aufheben (Fs1=–Fs2), d. h.

(3.3.213)

Die zugehörige Krümmung ist unabhängig vom


Bewehrungsgrad:

(3.3.214)

Bei kleineren Normalkräften (|NSd|<|Nbal|) nimmt


die Fließkrümmung etwas ab, da die Stauchungen Abb. 3.3-89 Ermittlung der Fließkrümmung
auf der Druckseite abnehmen; Gl. (3.3.214) kann
jedoch als gute Näherung angesehen werden. Für
|NSd|>|Nbal| kann N zwischen Gl. (3.3.214) und ei- mit l = Länge der Stütze entspricht. Der Verlauf
ner reinen Normalkraftbeanspruchung (NSd=Nud, der Imperfektion ist bei Anwendung von Gl.
N=0) interpoliert, d. h. mit (3.3.212) ohne Bedeutung, da nur der Bemessungs-
querschnitt betrachtet und der Völligkeitsbeiwert
(3.3.215) der Krümmung unabhängig vom Momentenver-
lauf angesetzt wird. Bei nichtlinearer Rechnung
kann ea affin zur Knickfigur angesetzt werden.
abgemindert werden (Abb. 3.3-89). Da Nud von der
Bewehrung abhängt, ist bei der Bemessung i. Allg. Kriechverformungen. Die Kriechverformungen füh-
ein iteratives Vorgehen erforderlich, das jedoch auf ren bei Stahlbetondruckgliedern zu einer Zunahme
der sicheren Seite liegend mit K2=1 vermieden von MII für t>t0. Zur Berechnung wird ein infinite-
werden kann. simales Zeitintervall betrachtet, in dem sich der Zu-
Bei Querschnitten mit um den Umfang verteilter wachs der Kriechverformung unter Annahme unge-
Bewehrung existiert kein scharfer Knick der M-N- rissener Querschnitte näherungsweise aus der elas-
Linie. Obige Abschätzung stellt dann nur eine sehr tischen Verformung eel zu dec=dI eel ergibt
grobe Näherung dar. Für sehr schlanke Stützen und [Dischinger 1937]. (Das zugrunde liegende Kriech-
kleine planmäßige Ausmitten liegt der Schnittpunkt modell stimmt nicht mit den Ausführungen in
MR=MS weit vor dem Fließmoment des Querschnitts. 3.3.10.1 überein, kann jedoch als geeignete Nähe-
Gleichung (3.3.214) ist hier anwendbar, da sie einen rung angesehen werden.) Da die Kriechverformung
möglichen Gleichgewichtszustand darstellt, liegt wie eine zusätzliche Anfangsausmitte wirkt, ergibt
aber u. U. erheblich auf der sicheren Seite. sich hieraus nach Gl. (3.3.208) eine elastische Ver-
formung
Imperfektionen. Zur Berücksichtigung struktureller
und materialbedingter Imperfektionen wie Vor-
krümmungen, Eigenspannungszustände oder un-
gleichmäßige Verteilungen der Steifigkeiten im
Querschnitt ist eine ungewollte Ausmitte ea zu be-
rücksichtigen, die nach DIN 1045 Teil 1 einer (3.3.217)
Schiefstellung der Modellstütze
Integration beider Seiten und Anpassung an die
(3.3.216) Anfangsbedingungen liefert die Lösung
1154 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

höhung der Normalkraft sich ungünstig auf die Be-


messung auswirkt. Vor allem bei gedrungenen Stüt-
(3.3.218) zen sind daher auch Einwirkungskombinationen
mit minimaler Normalkraft zu untersuchen.

Biegung um zwei Achsen


Da mit Gl. (3.3.207) gilt Bei einem möglichen Ausweichen in den zwei
Hauptrichtungen ist eine getrennte Betrachtung
wegen der Kopplung der Steifigkeiten i. Allg. nicht
möglich (s. [Grasser/Galgoul 1986; Grzeschkowitz
u. a. 1992]). Nach DIN 1045 Teil 1 sind getrennte
Nachweise nur zulässig, wenn die Momente nach
Theorie I. Ordnung überwiegend in einer Richtung
ergibt sich die Kriechverformung zu wirken. Bei großen Ausmitten in Richtung der
starken Achse ist zur Vermeidung des „Seitwärts-
(3.3.219) knickens“ in Richtung der schwachen Achse zu-
sätzlich ein reduzierter Querschnitt anzusetzen.
Bei der Ableitung wird lineares Verhalten vorausge- Allgemein erfolgt die Bemessung zweckmäßig
setzt; zur Berücksichtigung des nichtlinearen Ver- programmgesteuert.
haltens s. [Kordina/Warner 1975]. Nach DIN 1045-
1 darf das Kriechen vereinfacht durch eine Vergrö-
3.3.12.2 Rahmen
ßerung der Krümmung nach Gl. (3.3.214) mit dem
Faktor kI = 1 + E ˜ Ieff berücksichtigt werden. Dabei Grundsätzlich sind ausgesteifte und nicht ausgesteifte
ist E = 0,35 + fck / 200 - O / 150 ein Anpassungsfak- Rahmen zu unterscheiden (s. hierzu auch 3.2).
tor. Da nur die ständig wirkenden Schnittgrößen
Mperm ein Kriechen bewirken, darf die Kriechzahl I Ausgesteifte Rahmen
zur effektiven Kriechzahl Ieff = I ˜ Mperm / MSd abge- Die Horizontallasten (v. a. Wind, Abtriebslasten
mindert werden. Die Verwendung der Momente aus Imperfektionen) werden überwiegend durch
nach Theorie I. Ordnung liegt stets auf der sicheren einzelne, sehr steife Tragelemente (Treppenhaus-
Seite. In vielen praktischen Fällen kann auf eine Be- kerne, durchlaufende Wandscheiben) aufgenom-
rücksichtigung der Kriechverformungen verzichtet men. Der Beitrag einzelner Stützen ist vernachläs-
werden, da die quasi-ständigen Momente sehr klein sigbar (Abb. 3.3-90a).
sind (z. B. bei dominierender Windeinwirkung) und Bei Annahme starrer Deckenscheiben existieren
die Kriechverformungen nicht affin zu den Knickfi- im Grundriss Verschiebungen in x- und y-Richtung
guren verlaufen. sowie eine Verdrehung um den Schubmittelpunkt.
Sofern die Größe der Verschiebungen bzw. Verdre-
Nachweise. Die Bemessung erfolgt an der Ein- hung klein bleibt (d. h. die zugeordnete Steifigkeit
spannstelle mit den üblichen Hilfsmitteln. Die Be- ausreichend groß ist), kann eine Bemessung der
wehrung ist grundsätzlich ungestaffelt durchzu- Aussteifungselement nach Theorie I. Ordnung un-
führen, da bei der Ermittlung von e eine konstante ter Berücksichtigung einer Schiefstellung der Pen-
Steifigkeit entlang der Stütze vorausgesetzt wird. delstützen (Imperfektion) erfolgen. Zur Ermittlung
Ansonsten ist in Gl. (3.3.211) ein erhöhter Faktor der erforderlichen Steifigkeit wird ein Kragstab mit
D=1/8 anzusetzen. der Gebäudehöhe htot und der Ersatzsteifigkeit
Es ist zu beachten, dass bei der Querschnittsbe- EcIc, die sich aus der Summe der Steifigkeiten aller
messung für |NSd|<|Nbal| die Drucknormalkraft Aussteifungselemente in der betrachteten Richtung
günstig wirkt. Andererseits führt eine größere Nor- ergibt, mit angeschlossenen Pendelstützen betrach-
malkraft nach Gl. (3.3.212) zu größeren Biegemo- tet [König/Liphardt 2003]. Man erhält einen Mo-
menten MII, so dass aufgrund der gegenläufigen mentenzuwachs unter 10%, sofern mit der gesam-
Effekte oft nicht a priori erkennbar ist, ob eine Er- ten Vertikallast ™ F für die Labilitätszahl D gilt
3.3 Massivbau 1155

Abb. 3.3-90 Ausgesteifter Rahmen, Modellbildung

Überlagerung darf daher aus den Endmomenten


(3.3.220) ein Ersatzmoment

Me = max {0,6 M02 + 0,4 M01; 0,4 M02} (3.3.221)


wobei m die Zahl der Stockwerke ist. Hierbei wer-
den ungerissene Querschnitte vorausgesetzt; für ge- ermittelt werden. In diesem Fall ist zu beachten,
rissene Querschnitte kann in Überschlagsrechnungen dass das maximale Gesamtmoment auch an den
eine abgeminderte Steifigkeit angesetzt werden. Stützenenden auftreten kann (z. B. für ¨MII=0).
Eine entsprechende Bedingung lässt sich für die
Torsionssteifigkeiten EcIZ, GcIT ableiten. Ein ex- Nicht ausgesteifte Rahmen
pliziter Nachweis ist jedoch nicht erforderlich, Die Abtragung der Horizontallasten erfolgt durch
wenn eine ausreichende Steifigkeit durch die An- die einzelnen Stützen und deren Einspannung in
ordnung der Wandscheiben im Grundriss offen- die Riegel. In Einzelfällen kann die Verformung
sichtlich ist. des Tragwerks so klein sein, dass der Einfluss der
Die Imperfektionen sind bei Rahmen als Schief- Knotenverschiebung auf die Schnittgrößen ver-
stellung der Stützen mit dem Winkel nachlässigt werden kann (unverschiebliche Rah-
men). Meist ist jedoch eine Betrachtung des Sys-
bzw. äquivalente Horizontalkräfte zu berücksichti- tems nach Theorie II. Ordnung erforderlich. Diese
gen, wobei l die Gebäudehöhe ist (DIN1045 Teil erfolgt am sinnvollsten durch nichtlineare Berech-
1). Da jedoch eine gleichmäßige Schiefstellung al- nung des Systems oder elastische Rechnung mit
ler n Stützen mit dem Maximalwert unwahrschein- abgeminderten Ersatzsteifigkeiten. Für einfache
lich ist, ist eine Abminderung mit dem Faktor Fälle kann ein vereinfachter Nachweis geführt
werden, bei dem der Einfluss der Verformungen
zulässig. durch eine Vergrößerung der Horizontallasten er-
Einzelne Stützen können vereinfacht als Pendel- fasst wird [Fey 1966; Kordina/Quast 2000].
stützen bemessen werden; eine Berücksichtigung Die Bemessung regelmäßiger Rahmen lässt sich
der Einspannung in die Riegel ist durch Abminde- näherungsweise auf Einzelstützen zurückführen. Zur
rung der Ersatzlänge möglich (s. [Kordina/Quast Ermittlung der Ersatzlänge s. [Kordina/Quast 2000].
2000]). Biegemomente aus der Knotenverdrehung
der Riegel nach Theorie I. Ordnung sind jedoch v. a.
3.3.12.3 Kippen
bei Randstützen immer zu berücksichtigen.
Bei Pendelstützen mit Randmomenten fallen Das seitliche Ausweichen der Druckzone schlan-
die Momentenmaxima nach Theorie I. und II. Ord- ker Biegeträger (Kippen) ist v. a. bei weit ge-
nung nicht zusammen (Abb. 3.3-90b). Für die spannten Fertigteilbindern von Bedeutung. Typi-
1156 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

scherweise besitzen diese einen T- oder I-förmigen Seite, da bei einem Lastangriff an der Balkenober-
Querschnitt, deren Druckgurt- und Stegbreite zur seite auch aus der Verdrehung T um M ein Torsi-
Gewichtsersparnis beim Transport möglichst ge- onsmoment resultiert.
ring gehalten sind. Für die überschlägige Berech- Die Verformungen des Systems ergeben sich für
nung solcher Bauteile wurden Näherungsverfahren parallelgurtige Träger aus Schnittgrößen und Im-
entwickelt. perfektionen zu
Am gabelgelagerten Biegeträger mit einer seit-
lichen Verformung v und einer Verdrehung T entste-
hen zusätzlich Querbiegemomente Mz und Torsi-
onsmomente T (Abb. 3.3-91). Mit sinus- bzw. cosi-
nusförmigen Verschiebungsansätzen für T, v erhält (3.3.223)
man aus dem Gleichgewicht am halbierten System
folgende Maximalwerte der Schnittgrößen:

(3.3.222) Für Ta=va=0 erhält man das ideelle Kippmoment:

(3.3.224)

Dabei wird vereinfachend angenommen, dass die


Last q im Schubmittelpunkt M des Querschnitts Hiermit lassen sich analog zu Gl. (3.3.209) Erhö-
angreift. Diese Annahme liegt bei üblichen Stahlbe- hungsfaktoren für die Schnittgrößen nach Theorie
tonquerschnitten geringfügig auf der unsicheren I. Ordnung (einschl. Imperfektionen) ableiten:

Abb. 3.3-91 Kippen


3.3 Massivbau 1157

va§l0t/500 empfohlen, ggf. verdoppelt zur Berück-


sichtigung von Kriechverformungen.
Um den relativ aufwendigen expliziten Nach-
weis der Kippsicherheit zu vermeiden, ist nach DIN
1045 Teil 1 ein überschlägiger Nachweis durch Be-
(3.3.225) schränkungen der Querschnittsgeometrie zulässig.
Die Kippstabilität kann als gesichert angesehen
werden, wenn die Breite des Druckgurtes b, die Trä-
gerhöhe h und der Abstand der Gabellager l0t die
folgende Bedingung erfüllen [König/Pauli 1992]:

Der Nachweis der Tragfähigkeit kann durch eine (3.3.226)


Bemessung des Trägers für zweiachsige Biegung
geführt werden. Da Dachbinder i. Allg. keine wirk-
same Torsionsbewehrung besitzen, müssen die
Torsionsmomente am Auflager durch Betonzug- 3.3.13 Brandschutz
spannungen aufgenommen werden; das Torsions-
rissmoment Tcr=fct·WT darf also nicht überschritten 3.3.13.1 Anforderungen
werden. TSd muss auch von der Gabellagerung auf- Der Brandfall stellt im Sinne unserer Lastannah-
genommen werden. Falls hieraus nennenswerte men eine außergewöhnliche Einwirkung dar; den-
Verdrehungen entstehen, müssen diese in der Be- noch lässt sich ein erheblicher Teil der katastro-
rechnung der Kippmomente berücksichtigt werden phalen Schadensfälle hierauf zurückführen. Brand-
[Streit/Gottschalk 1986]. schutznachweise sind daher v. a. im Hoch- und In-
Die Querbiege- und Torsionssteifigkeit kann dustriebau wichtiger Bestandteil der Bemessung.
vereinfacht mit dem Wert an der höchstbeanspruch- Man unterscheidet abwehrenden (Löschmaßnah-
ten Stelle angesetzt werden [König/Pauli 1992]. Da men) und vorbeugenden Brandschutz; letzterer
die maximalen Torsionsmomente am meist ungeris- umfasst organisatorische Maßnahmen zur Brand-
senen Auflager auftreten, ist die Berücksichtigung erkennung (Meldeanlagen) und Bekämpfung im
der entlang der Achse veränderlichen Steifigkeiten Entstehungsstadium (Sprinkleranlagen), sowie den
v. a. bei GcIT aus wirtschaftlicher Sicht jedoch eigentlichen baulichen Brandschutz [Kordina/
sinnvoll. Dies kann durch allgemeine Lösung der Kersken-Bradley 1996].
Differentialgleichung mit veränderlicher Steifig- Bauwerke müssen so entworfen werden, dass
keit [Mehlhorn u. a. 1991; Röder 1997] oder Ver- eine ausreichende Tragfähigkeit (R-Kriterium nach
wendung konstanter Ersatzsteifigkeiten geschehen EC 2-1-2) erhalten und der Brand örtlich begrenzt
[Kraus/Ehret 1992]. Dabei werden GcIT, EcIz i. d. R. bleibt, was durch die Anordnung von Brandwänden
parabelförmig zwischen den Werten in Feldmitte und anderen trennenden Bauteilen (Decken) erreicht
und am Auflager interpoliert. In den gerissenen wird, die das Bauwerk in einzelne Brandabschnitte
Bereichen wird für GcIT, EcIz i. Allg. nur die Beton- unterteilen, zwischen denen ein Übergreifen des
druckzone angesetzt, die sich für das Biegemoment Feuers zu verhindern ist. Die Trennbauteile müssen
MSd,y ergibt. Um das nichtlineare Verhalten zu be- daher die Ausbreitung von Flammen und heißen
rücksichtigen können für Ec,Gc=Ec/[2(1+Q)] mitt- Gasen verhindern (E-Kriterium) sowie eine ausrei-
lere Sekantenmoduln in der Druckzone verwendet chende Wärmedämmung gewährleisten, um eine
werden. Entzündung an der brandabgewandten Seite zu ver-
Da meist keine planmäßigen Querbiege- und hindern (I-Kriterium).
Torsionsmomente auftreten, hängt das Ergebnis Die Forderungen lassen sich i. Allg. nur für eine
v. a. von den Imperfektionen ab. Systematische bestimmte Branddauer erfüllen, z. B. REI 30 für eine
Untersuchungen hierzu liegen nicht vor. In den zi- 30-minütige Widerstandsdauer. Diese muss eine
tierten Veröffentlichungen werden Ta§1/200 und Evakuierung und Brandbekämpfungsmaßnahmen
1158 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

ermöglichen. Anforderungen sind in den Landes- Entspannung des Überdrucks zusätzliche Maßnah-
bauordnungen geregelt, s. hierzu [Kordina/Meyer- men erforderlich [König/Grimm 2000]. Durch Zu-
Ottens 1999]. gabe von Kunststoffasern, die im Brandfall ver-
Tragende Bauteile werden heute noch nach DIN dampfen und ein künstliches Porensystem schaffen,
4102 mit dem Buchstaben F, der nachgestellten Feu- kann das Problem entschärft werden. Eine flächen-
erwiderstandsdauer in Minuten und den Buchstaben hafte Schutzbewehrung kann das Abfallen der ab-
A, B für die Brennbarkeit der Baustoffe gekenn- gesprengten Schichten verhindern.
zeichnet. Die Feuerwiderstandsklassen reichen je
nach Art und Nutzung des Gebäudes für die einzel- Querschnittsverhalten
nen Bauteile von feuerhemmend (F30–B) bis feuer- Unter Brandeinwirkung erwärmt sich der Quer-
beständig aus nichtbrennbaren Baustoffen (F90–A). schnitt ausgehend von beflammten Oberflächen.
Es stellt sich ein instationärer Zustand ein, d. h.,
die Temperaturverteilung im Bauteil ist eine Funk-
3.3.13.2 Verhalten und Bemessung
tion der Zeit. Die Erwärmung verläuft umso
im Brandfall
schneller, je kleiner der Querschnitt und je größer
Materialverhalten die beflammte Oberfläche ist; man unterscheidet
Die in 3.3.2 bis 3.3.4 angegebenen, von der Tem- einseitig (z. B. Deckenplatten, Wände) und mehr-
peratur weitgehend unabhängigen Materialeigen- seitig (z. B. Innenstützen) beflammte Querschnitte.
schaften gelten nur innerhalb des üblichen Tempe- Wegen ihrer großen Masse und thermischen Träg-
raturbereichs. Unter den wesentlich erhöhten Tem- heit erwärmen sich Stahlbetonquerschnitte i. Allg.
peraturen im Brandfall (bis über 1000°C) nehmen relativ langsam.
Festigkeit und Steifigkeit ab ca. 200°C bis 300°C Die Tragfähigkeit kann durch Brandversuche
signifikant ab (Abb. 3.3-92). Zusätzlich treten er- oder Rechnung ermittelt werden. Der rechnerische
hebliche thermische Dehnungen auf. Angaben Nachweis erfordert eine Kopplung von thermischer
hierzu, zur spezifischen Wärme und zur ther- und mechanischer Analyse, d. h., als Ausgangspunkt
mischen Leitfähigkeit des Betons enthält EC 2-1-2 für die Bemessung ist zunächst die Temperaturver-
sowie [Kordina/Meyer-Ottens 1999]. teilung im Bauteil zu bestimmen. Die Brandeinwir-
Durch das Verdampfen des Porenwassers ent- kung wird i. d. R. durch eine genormte Einheitstem-
stehen Spannungen in den Porenräumen, die zu peratur-Zeit-Kurve beschrieben. Diagramme für die
explosiven Abplatzungen ganzer Betonschichten Temperaturverteilung in üblichen Bauteilen enthält
führen können. Sie können jedoch durch die Ein- [CEB 1991b, Kordina/Meyer-Ottens 1999].
haltung von Mindestabmessungen verhindert wer- Bei bekannter Temperaturverteilung können die
den. Bei hochfesten Betonen sind wegen des i. Allg. zu einem Verzerrungszustand gehörenden Schnitt-
sehr dichten Gefüges und der fehlenden Kanäle zur größen bestimmt werden, indem von den Gesamt-

Abb. 3.3-92 Spannungs-Dehnungs-Beziehungen bei verschiedenen Temperaturen, normiert auf die Festigkeit bei 20 °C
3.3 Massivbau 1159

Abb. 3.3-93 Querschnitt unter Brandbeanspruchung

dehnungen zunächst der thermische Anteil HT sub-


trahiert wird. Aus den verbleibenden Dehnungen HV
folgen mit den rechnerischen, temperaturabhän-
gigen V-H-Beziehungen die Spannungen und durch Abb. 3.3-94 Schnittgrößenumlagerung eines von unten be-
Querschnittsintegration die Schnittgrößen (Abb. flammten Zweifeldträgers
3.3-93). Vereinfachte Verfahren zur Bestimmung
der Querschnittstragfähigkeit sind in EC 2-1-2 ent-
halten. Deren Anwendung ist in Deutschland nur in Systemverhalten
Verbindung mit einem nationalen Anhang zulässig. Da z. B. Deckenplatten i. Allg. nur einseitig mit der
Bei üblichen Bauteilen resultiert der Abfall der Brandtemperatur beaufschlagt werden und sich
Tragfähigkeit v. a. aus der Erwärmung der Beweh- demzufolge auch nur die auf einer Seite liegende
rung. Die kritische Temperatur Tcrit im Schwerpunkt Bewehrung erwärmt, existieren bei Durchlaufträ-
der Bewehrung folgt aus der Forderung, dass diese gern Tragreserven, die im Rahmen einer plasti-
mit der für außergewöhnliche Einwirkungskombi- schen Schnittgrößenumlagerung ausgenutzt wer-
nationen geforderten 1,0-fachen Sicherheit in der den können (Abb. 3.3-94). Die Bauteilkataloge in
Lage sein muss, die wirkenden Schnittgrößen auf- EC 2-1-2 und DIN 4102 Teil 4 berücksichtigen
zunehmen, was etwa bei fyk(Tcrit)/fyk=0,5…0,6 oder dies durch eine Abminderung der erforderlichen
Tcrit=500°C der Fall ist. Hieraus können Mindestab- Achsabstände der Bewehrung. Dabei ist allerdings
messungen und Mindestachsabstände des Beweh- zu beachten, dass sich die Momentennullpunkte
rungsschwerpunkts von der Oberfläche abgeleitet zur Feldmitte hin verschieben, die Stützbewehrung
werden. Entsprechende Bauteilkataloge für übliche also entsprechend verlängert werden muss.
Querschnitte und verschiedene Feuerwiderstands- Durch die thermische Dehnung entstehen
klassen sind in EC 2-1-2 und DIN 4102 Teil 4 in Zwangsschnittgrößen, die i. d. R. durch die Anord-
Verbindung mit Teil 22 enthalten. In vielen Fällen nung von Dehnfugen zu begrenzen sind [Kordina/
sind die aus anderen Gründen gewählten Abmes- Meyer-Ottens 1999]. Es ist zu beachten, dass die
sungen für den Nachweis bereits ausreichend. Fugen die Anforderungen an den Raumabschluss
Bei großen Betondeckungen (c>50 mm) besteht ebenso erfüllen müssen wie das Bauteil selbst.
die Gefahr des Abplatzens der außerhalb der Be-
wehrung gelegenen Schichten. Sie sind daher
durch eine Schutzbewehrung zu sichern. 3.3.14 Ermüdung
Bei Stützen ist der Einfluss der Steifigkeitsab-
nahme für die Schnittgrößen nach Theorie II. Ord- Unter wechselnden Lasten kann ein Bauteil durch
nung zu berücksichtigen. In den Bauteilkatalogen Ermüdung auch bei Spannungen weit unterhalb
ist daher als zusätzlicher Parameter die Ausnut- der rechnerischen Kurzzeitfestigkeit versagen. Die
zung NSd / NRd bei der Kaltbemessung enthalten. Ermüdung stellt somit einen Grenzzustand der
Wegen der engen Anwendungsgrenzen der Kata- Tragfähigkeit dar. Während die üblichen Nach-
loge ist vielfach eine explizite Heißbemessung mit weise der Tragfähigkeit für ein einmaliges Eintre-
ingenieurmäßigen Verfahren erforderlich, s. [VPI ten mit dem Bemessungswert der Beanspruchung
2008; Hosser 2010; Richter 2010]. geführt werden, ist für die Ermüdung die Integration
1160 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

(3.3.227)

verwendet. Der Beiwert Ecc(t0) berücksichtigt die


Tatsache, dass die Festigkeit bei Aufbringen der
Wechselbeanspruchung durch die Nacherhärtung
i. Allg. über dem Nennwert nach 28 Tagen liegt.
Die bei gegebener Ober- und Unterspannung
ertragbare Lastwechselzahl unter Druckschwellbe-
anspruchung kann durch die folgende, zweipara-
metrige Wöhler-Linie beschrieben werden:

Abb. 3.3-95 Nachweis der Tragfähigkeit unter Kurzzeit-


beanspruchung und Ermüdung
(3.3.228)

der Lasten über die Lebensdauer des Bauwerks er-


forderlich, da das Versagen durch die Akkumulati-
on der Schädigungswirkung aller Einwirkungen Für gegebene Lastspielzahlen N lassen sich aus Gl.
ausgelöst wird (Abb. 3.3-95). (3.3.228) Grenzbedingungen für die Ober- und
Folgen für die Bemessung ergeben sich bei Unterspannungen ableiten (Goodman-Diagramm),
Bauwerken bzw. -teilen mit hohem Anteil an wech- z. B. für N=1·107 (Abb. 3.3-96):
selnder Beanspruchung, z. B. Brücken, Kranbahnen.
Bei üblichen Hochbauten wird die Ermüdung we- (3.3.229)
gen der geringen Anteile veränderlicher Lasten
i. Allg. nicht bemessungsrelevant.
Ausführliche Darlegungen zum Ermüdungs- Betonstahl
nachweis finden sich z. B. in [Zilch/Zehetmaier/ Unter zyklischer Beanspruchung weiten sich an-
Gläser 2004 und Zilch/Zehetmaier 2010]. fänglich vorhandene Anrisse aus, bis der verblei-
bende Restquerschnitt spröde versagt. Bei geripp-
ten Stäben entwickeln sich die Anrisse i. Allg. vom
3.3.14.1 Baustoffverhalten
Übergang einer Rippe zum Stabkern aus. Bei nack-
Beton ten Stäben tritt das Versagen an der schwächsten
Die Ermittlung der Ermüdungsfestigkeit erfolgt Stelle der Probekörperlänge ein. Diese liegt bei
i. d. R. im Einstufenversuch unter sinusförmiger Be- einbetonierten Stäben nur mit geringer Wahr-
anspruchung; gemessen wird die Zahl der Lastwech- scheinlichkeit an der Stelle maximaler Spannungen
sel bis zum Versagen. Ein Überblick über experimen- (d. h. im Riss), so dass tendenziell höhere Ermü-
tell gewonnene Erkenntnisse findet sich in [König/ dungsfestigkeiten zu erwarten wären. Diese wer-
Danielewicz 1994]. Eine zyklische Beanspruchung den jedoch weitgehend kompensiert durch zusätz-
führt zu einer fortschreitenden Mikrorissbildung und liche Reibbeanspruchungen, die im Riss aus dem
Gefügezerstörung. Die Schädigungswirkung eines Schlupf entstehen. Die Ermüdungsfestigkeit ist da-
Lastzyklus ist dabei von der erreichten Oberspan- her im einbetonierten Zustand nachzuweisen.
nung Vc,max und der Schwingbreite ¨Vc (bzw. der Festigkeitsmindernd wirken Schweißungen (z. B.
Unterspannung Vc,min) abhängig. Bei Bezug dieser bei Betonstahlmatten), starke Stabkrümmungen
Werte auf die Kurzzeitfestigkeit ist die Ermüdungs- sowie i. Allg. mechanische Kopplungen (vgl. bau-
festigkeit bei Normalbetonen unabhängig von der aufsichtliche Zulassung).
Betonfestigkeitsklasse, bei hochfesten Betonen Der Einfluss der Oberspannung bei gegebener
nimmt sie wegen der größeren Sprödigkeit ab. Daher Schwingbreite ist gering, solange die Fließgrenze
wird als Bezugswert eine modifizierte Festigkeit nicht erreicht wird. Zur Beschreibung genügt daher
3.3 Massivbau 1161

Abb. 3.3-96 Beton

eine einparametrige, i. Allg. aus zwei Geraden zu-


sammengesetzte Wöhler-Linie (Abb. 3.3-97). Die
Parameter N*, ¨VRsk, k1, k2 enthält DIN 1045 Teil 1.

Spannstahl
Das Verhalten entspricht qualitativ dem des Be-
tonstahls. Von größerer Bedeutung ist hier jedoch
der Einfluss von Korrosionsnarben sowie der Rei-
bung zwischen einzelnen Drähten bzw. Litzen und
zwischen Spannglied und Hüllrohr (Reibermü-
dung). Kunststoffhüllrohre bewirken deutlich hö-
here Ermüdungsfestigkeiten als Stahlhüllrohre. In
Spanngliedkopplungen und -verankerungen ist die
Festigkeit im Vergleich zur freien Länge erheblich
reduziert.
Abb. 3.3-97 Betonstahl
3.3.14.2 Bauteilverhalten
Das Biegetragverhalten kann mit den Modellen me der Rissverzahnung unter Wechsellasten zu
nach 3.3.6.2 beschrieben werden. Zugspannungen berücksichtigen; vereinfacht kann
dürfen wegen möglicher Vorschädigungen nach
DIN 1045 Teil 1 nicht berücksichtigt werden. Da (3.3.230)
die Spannungen i. Allg. deutlich unter der Festig-
keit bleiben, kann eine lineare Vc-Hc-Beziehung gesetzt werden. Für Bauteile ohne Schubbewehrung
verwendet werden. Für den Nachweis der Druck- kann der Nachweis über rechnerische Schubspan-
zone liegt dies auf der sicheren Seite, da unter nungen analog zu Gl. (3.3.229) geführt werden.
Biegung Spannungsumlagerungen innerhalb der Die Schnittgrößen können in statisch unbe-
Druckzone möglich sind. stimmten System i. d. R. nach der Elastizitätstheo-
Der Nachweis der Querkraftbeanspruchung rie, ggf. mit den abgeminderten Steifigkeiten im
schubbewehrter Bauteile kann mit Stabwerkmo- Zustand II, ermittelt werden, da sich das endgül-
dellen nach Gl. 3.3.6.3 erfolgen. Bei der Festle- tige Rissbild bereits nach wenigen Lastwechseln
gung des Druckstrebenwinkels Tfat ist die Abnah- einstellt [Frey/Thürlimann 1983] und für die fol-
1162 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

genden Beanspruchungen keine Umlagerungen


mehr stattfinden.
Vorgespannte Querschnitte können unter Wech-
selmomenten ¨M vom voll überdrückten in den ge-
rissenen Zustand übergehen. In diesem Fall nehmen
die Wechselspannungen ¨Vs, bei Spanngliedern im
Verbund auch ¨Vp stark zu (Abb. 3.3-98), wobei der
Einfluss der unterschiedlichen Verbundsteifigkeiten
auf die Spannungsamplituden im Betonstahl nach
3.3.11.7 zu berücksichtigen ist. Die Größe des
Grundmoments M0 aus ständigen Lasten und
Zwangsschnittgrößen im Vergleich mit dem Dekom- Abb. 3.3-98 Zusammenhang zwischen Moment und
pressionsmoment MDeko ist von entscheidender Be- Spannstahlspannung bei vorgespannten Bauteilen
deutung. Daher müssen auch Einwirkungen, die we-
gen geringer Lastwechselzahlen an sich nicht ermü-
dungsrelevant sind, z. B. im Tagesverlauf wechseln- maximal aufnehmbaren Ni gemäß der jeweiligen
de Temperaturverkrümmungen, sowie evtl. deren Wöhler-Linie definiert. Durch Summierung aller i
zeitliche Korrelation mit ¨M im Grundmoment be- Klassen ergibt sich die Gesamtschädigung
rücksichtigt werden. Falls das Dekompressionsmo-
ment nicht überschritten wird, besteht i. Allg. keine (3.3.231)
Ermüdungsgefahr. Ansonsten empfiehlt sich die An-
ordnung einer ausreichend dimensionierten Beton-
stahlbewehrung, die zu einer Reduktion der Span- Der Grenzzustand der Ermüdung ist erreicht, so-
nungsamplituden in den Spanngliedern führt. bald DS=1 ist. Wird dieser Wert innerhalb der ge-
forderten Lebensdauer des Bauwerks nicht er-
reicht, so ist der Nachweis erfüllt.
3.3.14.3 Nachweis der Betriebsfestigkeit
Im Gegensatz zum Einstufenversuch treten unter Nachweis mit Betriebslastfaktoren
Betriebslasten Spannungswechsel mit unterschied- Das Vorgehen kann durch Einführung eines äqui-
lichen Schwingbreiten auf. Der Nachweis der Be- valenten Einstufenkollektivs vereinfacht werden,
triebsfestigkeit kann wie folgt geführt werden: das die folgende Bedingung erfüllt:

Nachweis über Beanspruchungskollektiv (3.3.232)


Für ein gegebenes Verkehrslastmodell wird unter
Berücksichtigung dynamischer Effekte der Zeit-
verlauf von Schnittgrößen und Spannungen ermit- Die äquivalenten Spannungsschwingbreiten rufen
telt. Mit geeigneten Zählverfahren, z. B. der Rain- bei nequ Lastspielen die gleiche Schädigungswir-
flow-Methode [Clormann/Seeger 1986] wird die kung hervor wie das gegebene Beanspruchungs-
reale Spannungsgeschichte in einzelne Klassen kollektiv [Bagayoko 1999]. Betriebslastfaktoren
gleicher Schwingbreite (Stahl) bzw. gleicher Ober- zur Ermittlung von ¨Vequ bei Brücken enthält DIN
und Unterspannung (Beton) zerlegt; diese werden Fachbericht 102.
gezählt und im Histogramm mit der jeweiligen
Häufigkeit dargestellt (Beanspruchungskollektiv). Nachweis der Dauerfestigkeit
Bei der Ermittlung der Schadenswirkung DS Der Nachweis kann auf der sicheren Seite liegend
des Kollektivs wird aus Gründen der Einfachheit durch einen Vergleich oberer Grenzwerte der
die Hypothese von Palmgren-Miner angewandt (li- Schwingbreiten (bzw. der Ober-/Unterspannungen)
neare Schadensakkumulation). Die Schadenswir- mit der Dauerschwingfestigkeit, d. h. einer Schwing-
kung einer Klasse von Schwingspielen wird als breite, die unendlich oft ertragen werden kann, ge-
Verhältnis der auftretenden Lastspielzahl ni zur führt werden. Da weder die tatsächliche Lastwech-
3.3 Massivbau 1163

selzahl noch die Verteilung der Spannungsamplitu- CEB (Hrsg) (1991a) Vibration Problems in Structures. Co-
den berücksichtigt wird, ist der Nachweis i. Allg. mité Euro-International du Béton, Lausanne (Bulletin
sehr konservativ. Bei fehlender echter Dauerfestig- d’information No. 209)
keit wird als technischer Wert derjenige angesetzt, CEB (Hrsg) (1991b) Fire Design of Concrete Structures in
accordance with CEB-FIP Model Code 90. Comité
der zu einer Lastwechselzahl gehört, die über der
Euro-International du Béton, Lausanne (Bulletin
insgesamt am Bauwerk zu erwartenden liegt. d’information No. 208)
Nach DIN 1045 Teil 1 gilt hier für ungeschweißten CEB (Hrsg) (1993a) CEB-FIP Model Code 1990. Thomas
Betonstahl ¨Vs” 70 MPa; für Beton unter Druckbe- Telford, London
anspruchungen gilt Gl. (3.3.229). Die auftretenden CEB (Hrsg) (1993b) Structural Effects of time-dependent
Beanspruchungen sind unter der häufigen Einwir- behaviour of concrete. Comité Euro-International du
kungskombination, jeweils in der maßgebenden Béton, Lausanne (Bulletin d’information No. 215)
Stellung für Ober- und Unterspannungen, zu ermit- CEB (Hrsg) (1996) RC Elements under Cyclic Loading.
teln. Sie sind streng genommen keine Obergrenzen, Comité Euro-International du Béton, Lausanne (Bulle-
tin d’information No. 230)
da eine Überschreitung möglich ist. Diese stellen je-
CEB (Hrsg) (1998) Ductility of Reinforced Concrete Struc-
doch meist nur einen geringen Anteil der auftre- tures. Comité Euro-International du Béton, Lausanne
tenden Lastwechsel dar. (Bulletin d’information No. 242)
Clormann UH, Seeger T (1986) Rainflow HCM: Ein Zähl-
Abkürzungen zu 3.3
verfahren für Betriebsfestigkeitsnachweise auf werkstoff-
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3.4 Stahlbau 1167

Zilch K, Rogge A (2000) Grundlagen der Bemessung von 3.4 Stahlbau


Beton-, Stahlbeton und Spannbetonbauteilen nach DIN Gerhard Sedlacek
1045 Teil 1. In: Betonkalender 2000, Ernst & Sohn,
Berlin Dieses Kapitel geht besonders auf die Bemessungs-
Zilch K, Zehetmaier G, Gläser C (2004) Ermüdungsnach-
regeln im Stahlbau und ihre Hintergründe ein. Da-
weis für Massivbrücken. In: Betonkalender 2004. Ernst
bei wird besonders auf die europäisch einheitlichen
& Sohn, Berlin
Zilch K, Zehetmaier G (2010) Bemessung im konstrukti-
Regeln in den Eurocodes, vor allem auf EN 1993-
ven Betonbau. 2. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/ Eurocode 3 für den Stahlbau und die dort in Bezug
New York genommenen nationalen Festlegungen im Natio-
nalen Anhang DIN-NA-EN 1993 eingegangen.
Normen, Merkblätter
DIN 488: Betonstahl (Entwurf 11/2006)
DIN 1045 Teil 1: Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Be- 3.4.1 Allgemeines, Normen und
messung und Konstruktion (08/2008) Genehmigungsverfahren
DIN 1048: Prüfverfahren für Beton (06/1991)
DIN 4102: Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen 3.4.1.1 Allgemeines
– Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassi-
fizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile
Die Verwendung von Stahl im Bauwesen umfasst
(03/1994) praktisch alle Bauweisen. Stahlbau im eigentlichen
– Teil 22: Anwendungsnorm zu DIN 4102-4 auf der Be- Sinne besteht da, wo bestimmte Stahlprodukte wie
messungsbasis von Teilsicherheitsbeiwerten (11/2004) Stahlprofile, Stahlbleche oder Seile als vorherr-
DIN EN 1992: Eurocode 2, Bemessung und Konstruktion schende Tragelemente zum Einsatz kommen, wobei
von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken Verbundwirkungen z. B. mit Stahl- und Spannbeton,
– Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln Holz, Glas oder Kunststoffen als Verbundbauwei-
für den Hochbau (10/2005, 2010) sen oder Mischbauweisen mit eingeschlossen sind.
– Nationaler Anhang zu Teil 1-1 (2010)
Wie alle Bauweisen unterliegt der Stahlbau ne-
– Teil 1-2: Allgemeine Regeln – Tragwerksbemessung
für den Brandfall (10/2006)
ben den privatrechtlichen Vorschriften einer Reihe
– Nationaler Anhang zu Teil 1-2 (Entwurf 2010) von öffentlichen Baubestimmungen [Bossenmayer
– Teil 2: Betonbrücken – Bemessungs- und Konstrukti- 1999], die im Hinblick auf die Standsicherheit und
onsregeln (02/2007) das Brandverhalten baulicher Anlagen gelten. Das
– Nationaler Anhang zu Teil 2 (Entwurf 2009) Bauaufsichtsrecht zielt darauf ab, bauliche Anla-
DIN EN 10080: Stahl für die Bewehrung von Beton – gen so zu errichten, zu ändern und instand zu hal-
Schweißgeeigneter Betonstahl – Allgemeines (08/2005) ten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
DIN EN 10138: Spannstähle (10/2000) – insbesondere Leben und Gesundheit – nicht ge-
DIN EN 12390: Prüfung von Festbeton
fährdet werden. Dazu bestehen in Deutschland
– Teil 3: Druckfestigkeit von Probekörpern
Landesbauordnungen, die die allgemeinen Anfor-
– Teil 5: Biegezugfestigkeit von Probekörpern
– Teil 6: Spaltzugfestigkeit von Probekörpern derungen an Bauwerke und Bauprodukte definie-
ISO 4356: Grundlagen für die Beschreibung von Tragwer- ren und auf technische Baubestimmungen, nämlich
ken; Formänderungen von Gebäuden (durch äußere durch öffentliche Bekanntmachung eingeführte
Einflüsse) in Bezug auf die zulässige Grenze hinsicht- technische Regeln für Bauprodukte sowie für den
lich der Benutzbarkeit (11/2007) Entwurf und die Bemessung baulicher Anlagen
DAfStb-Richtlinie Wasserundurchlässige Bauwerke aus und Bauprodukte, hinweisen.
Beton (WU-Richtlinie) (11/2003) Dabei sind „Bauprodukte“ Baustoffe, Bauteile
DIN Fachbericht 102; Betonbrücken (03/2009)
und Anlagen, die hergestellt werden, um dauerhaft
DBV-Merkblatt Abstandhalter (07/2002)
in Gebäude oder sonstige Anlagen eingebaut zu
DBV-Merkblatt Begrenzung der Rissbildung im Stahlbe-
ton- und Spannbetonbau (01/2006) werden, sowie aus Baustoffen und Bauteilen vor-
DBV-Merkblatt Betondeckung und Bewehrung (07/2002) gefertigte Anlagen, die hergestellt werden, um mit
dem Erdboden verbunden zu werden, (z. B. Fertig-
hallen oder Silos). Sie dürfen aus Gründen der öf-
fentlichen Sicherheit i. d. R. nur eingesetzt werden,
1168 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

wenn sie das deutsche Ü-Zeichen oder das europäi- re über Lastannahmen, die Berechnung, Bemes-
sche CE-Zeichen tragen. Voraussetzung dafür ist sung und Ausführung von Bauprodukten und
der Nachweis der Konformität mit den dem Bau- baulichen Anlagen.
produkt zugrundeliegenden Regeln nach unter-
schiedlich strengen Verfahren (sechs Verfahren Bei Bekanntmachung durch die oberste Baurechts-
nach Systemen 1+ bis 4), die alle die werkseigene behörde als Technische Baubestimmungen erhal-
Produktionskontrolle des Herstellers (Eigenüber- ten Technische Regeln den Charakter von Rechts-
wachung) und darüber hinaus je nach Produktbe- normen.
deutung strengere Kontrollen durch externe Prüf-, Von den in der Bauregelliste A bekannt gemach-
Überwachungs- oder Zertifizierungsstellen (PÜZ- ten Technischen Regeln für geregelte Bauarten
Stellen) enthalten. Für alle Stahlbauprodukte gilt (z. B. Bemessungsregeln) kann abgewichen wer-
System 2+ [Bossenmayer 1999]. den, da sie ihrem Charakter entsprechend nur eine
Bauprodukte nach geltenden deutschen Vor- Möglichkeit zeigen, die Anforderungen der Bau-
schriften sind in der Bauregelliste A des Deutschen ordnung im Hinblick auf die Abwehr von Gefahren
Instituts für Bautechnik (DIBt) bekannt gemacht; zu erfüllen. Auch andere Wege sind erlaubt. Dabei
für den Metallbau gilt Kapitel 4 der Bauregelliste A ist nachzuweisen, dass die Ausführung insgesamt
Teil 1. Sie gilt für Bauprodukte nach bekannt ge- trotz der Abweichung den baurechtlichen Anforde-
machten technischen Regeln, nach allgemeinen rungen gerecht wird.
bauaufsichtlichen Zulassungen des DIBt oder nach Bei wesentlichen Abweichungen sind Anwend-
allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen einer barkeitsnachweise in Form einer allgemeinen bau-
anerkannten Prüfstelle. Für Bauprodukte nach euro- aufsichtlichen Zulassung oder einer Zustimmung
päischen Vorschriften gilt die Bauregelliste B. im Einzelfall für die Bauart erforderlich. Durch
Neben den Bauprodukten gibt es den Begriff diese Öffnung für Abweichungen wird der inno-
„Bauarten“, im Sinne der Landesbauordnungen ent- vativen Dynamik des Bauwesens Rechnung ge-
standen durch Zusammenfügen von Bauprodukten tragen.
zu baulichen Anlagen oder Teilen davon, (z. B. eine Die Liste der Technischen Baubestimmungen
konventionell errichtete Halle). Bauarten, die den hat folgende Gliederung:
technischen Baubestimmungen entsprechen, bedür-
1. Technische Regeln zu Lastannahmen,
fen keines besonderen Anwendbarkeitsnachweises.
2. Technische Regeln zur Bemessung und Ausfüh-
Bauarten, die von technischen Baubestimmungen
rung,
wesentlich abweichen oder für die es allgemein an-
3. Technische Regeln zum Brandschutz,
erkannte Regeln der Technik nicht gibt (nicht gere-
4. Technische Regeln zum Wärme- und zum Schall-
gelte Bauarten) dürfen nur verwendet werden, wenn
schutz,
für sie eine bauaufsichtliche Zulassung des DIBt
5. Technische Regeln zum Bautenschutz,
oder eine Zustimmung im Einzelfall der zuständi-
6. Technische Regeln zum Gesundheitsschutz,
gen obersten Bauaufsichtsbehörde erteilt ist.
7. Technische Regeln als Planungsgrundlagen, An-
Bauarten bedürfen keiner Kennzeichnung mit dem
lagen zu den Technischen Regeln.
Ü-Zeichen oder CE-Zeichen; es genügt die schrift-
liche Bestätigung der Übereinstimmung mit den zu-
grundeliegenden technischen Regeln, Zulassungen,
3.4.1.3 Europäische Normen zur
Prüfzeugnissen oder Zustimmungen im Einzelfall.
Bemessung und Ausführung
im Stahlbau
3.4.1.2 Technische Baubestimmungen
Die europäischen vereinheitlichten Normen zur
Technische Baubestimmungen sind Bemessung und Ausführung im Stahlbau sind für
– in der Bauregelliste A bekannt gemachte tech- die Bemessung als EN 1993 und für die Ausfüh-
nische Regeln für Bauprodukte, rung als EN 1090 veröffentlicht worden. Die EN
– in der Liste der Technischen Baubestimmungen 1993-Reihe für den Stahlbau umfasst die Grund-
aufgenommene technische Regeln, insbesonde- norm EN 1993-1 mit den Teilen
3.4 Stahlbau 1169

1-1 Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln 2. Anforderung an die Verarbeitbarkeit, z. B. Schweiß-


für den Hochbau eignung (beeinflusst durch chemische Zusam-
1-2 Tragwerksbemessung für den Brandfall mensetzung, z. B. das Kohlenstoffäquivalent und
1-3 Kaltgeformte dünnwandige Bauteile Nachbehandlung), Kaltumformbarkeit (abhängig
1-4 Nichtrostende Stähle von G5) oder Verzinkbarkeit (abhängig vom Sili-
1-5 Plattenbeulen ziumgehalt).
1-6 Schalentragwerke 3. Anforderung bei verschiedenen Temperaturen,
1-7 Plattenförmige Bauteile z. B. Warmfestigkeits- oder Kriechverhalten (bei
1-8 Anschlüsse Warm- und Heißbetrieb), Festigkeitsverhalten
1-9 Ermüdung im Brandfall oder Bruchverhalten bei niedrigen
1-10 Sprödbruchbemessung Temperaturen.
1-11 Zugglieder, Seile 4. Verhalten bei Korrosionsangriff, z. B. Stahl mit
1-12 Hochfeste Stähle normalem Korrosionsverhalten ohne oder mit
sowie die Anwendungsnormen Korrosionsschutz durch Beschichtung oder Über-
zug, wetterfester Stahl, nichtrostender Stahl.
EC 3-2 Brückenbau
EC 3-3-1 Türme und Maste, 3-3-2 Schornsteine Im Sonderfall können noch weitere Anforderungen,
EC 3-4-1 Tankbauwerke, 3-4-2 Silos, z. B. hinsichtlich des Verschleißwiderstands oder
3-4-3 Pipelines der Magnetisierbarkeit, dazukommen.
EC 3-5 Pfähle und Spundwände
EC 3-6 Kranbahnträger. Herstellungsmethoden
Es gibt heute mehrere Stahlerzeugungsrouten [Bleck
3.4.2 Werkstoffeigenschaften und 1999]. Die konventionelle Hochofen-Konverter-
Grenzzustände Route arbeitet mit flüssigem Roheisen, das im Kon-
verter gefrischt wird (Abb. 3.4-1); die Schrott-Licht-
3.4.2.1 Herstellungsmethoden, Erzeugnisse, bogenroute verwendet feste Einsatzprodukte, also
Bezeichnungen Schrott oder Eisenschwamm als Ergebnis direkter
Anforderungen an Baustähle Reduktionsverfahren (s. hierzu 3.1).
Stähle durchlaufen bei der Herstellung in Abhängig- Bei historischen genieteten Stahlkonstruktionen
keit von ihrer chemischen Zusammensetzung und [Petersen 1994] wird noch Schweißeisen (Puddel-
Wärmebehandlung im Festkörper verschiedene Pha- eisen) angetroffen, bei dem das Frischen des Roh-
senumwandlungen, verändern ihre Mikrostruktur, eisens aus dem Hochofen mit 3% – 4% Kohlen-
und es entstehen charakteristische Gefüge mit spezi- stoffgehalt auf für Schmieden und Walzen geeig-
fischen physikalischen und chemischen Eigenschaf- nete Gehalte von ca. 0,1% C handwerklich im
ten. Ein Stahl kann durch eine definierte Zusammen- Flammofen (Puddelofen) erfolgte.
setzung, (z. B. den C-Gehalt), und durch eine gezielte Mit der Erfindung des Blas-Frischverfahrens
Einstellung des Gefüges – das ist der bei mikrosko- des Roheisens mit Luft (Windfrischverfahren) in
pischer Vergrößerung erkennbare innere Aufbau des der Bessemer-Birne und der Verbesserung dieses
Werkstoffs – für unterschiedliche Anwendungsgebie- Verfahrens zum Frischen von auch phosphorhal-
te maßgeschneidert werden: Er kann beispielsweise tigem Roheisen nach dem Thomas-Verfahren wur-
sehr weich für beste Umformbarkeit oder hart für ho- de ab ca. 1900 das industrielle Frischverfahren zur
hen Verschleißwiderstand eingestellt werden. Herstellung von wesentlich homogeneren und
Die Werkstoffwahl für Stahlbauten orientiert wirtschaftlichen Flussstählen eingeleitet. Günsti-
sich i. d. R. an folgenden Anforderungen, zu denen gere Qualitäten als mit diesem Konverterverfahren
es bestimmte Werkstoffeigenschaften gibt: wurden mit dem aus dem Puddelverfahren ent-
wickelten Herdfrischverfahren (SM (Siemens-
1. Festigkeitsanforderungen, z. B. charakteristische Martin)-Verfahren) wegen des längeren und kont-
Werte der Streckgrenze fy und Zugfestigkeit fu (in rollierteren Frischvorgangs erzielt. Dabei kann
Verbindung mit der Dehnung İu bei Bruch). auch Schrott verarbeitet werden. Beide Verfahren
1170 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-1 Unterschiedliche Stahlerzeugungsrouten [Bleck 1999]

bildeten die Grundlage der Massenbaustähle. Zur heute durch UHP-Lichtbogen in Ministahlwerken
Unterscheidung von Altstahlproben nach dem Her- und großen Anlagen für Massenstähle eingesetzt.
stellungsverfahren s. [Langenberg 1995]. Angesichts der Einsparung der aufwendigen Erz-
Heute ist das Thomas-Verfahren vollständig und Kohlevorbereitung sowie der metallurgischen
und das Siemens-Martin-Verfahren zum größten Reduktionsarbeit ist sie ein kostengünstiger und
Teil durch das Sauerstoff-Konverterverfahren er- umweltfreundlicher Produktionsweg, mit dem
setzt, bei dem technisch reiner Sauerstoff auf (LD- bereits mehr als 30% des Stahls weltweit herge-
Verfahren) oder/und durch das Schmelzbad gebla- stellt wird.
sen wird. Dabei wird etwa 20 % Schrott zugegeben. Nach dem Frischen wird der flüssige Stahl mit
Mit diesen modernen Verfahren werden besonders Aluminium beruhigt (desoxydiert) und in Kokillen
hochwertige Stahlgüten erzielt mit niedrigen Ge- zu Blöcken oder heute meist im Stranggießver-
halten an Spuren- und Begleitelementen. fahren endproduktnah in Brammen oder Rohpro-
Auf der Schrott-Lichtbogen-Route wird der file vergossen, um so bei der Warmumformung
Rohstoff Schrott zur Stahlerzeugung genutzt. Frü- die Zahl der Walzstiche für das Endprodukt zu
her wurde diese Route vornehmlich für Edelstahl, senken.
3.4 Stahlbau 1171

Verbesserung der Festigkeits- mung und Abkühlung erhält (Abb. 3.4-3). Kenn-
und Zähigkeitseigenschaften zeichnend ist für die Walzung der TM-Stähle die
Die Streckgrenzenbereiche schweißgeeigneter Bau- Herabsetzung der Endwalztemperatur soweit, dass
stähle gehen aus Abb. 3.4-2 hervor [Zimnik/Freier/ keine Rekristallisation des Austenits mehr erfolgt
Seifert 1991]. Verbesserte Festigkeits- und Zähig- oder sogar der bereits umgewandelte Ferrit durch
keitseigenschaften können durch Kornverfeinerung Umformung direkt verfestigt wird. Dabei werden
und Vergleichmäßigung des Gefüges erzeugt wer- Wärmebehandlungsprozesse, die sonst hinterein-
den, die durch ander erfolgen, in einen Vorgang integriert [Dahl/
Hesse/ Krabiell 1991].
a) Legierungsbestandteile,
Ein niedriger Kohlenstoffgehalt von 0,08 % bis
b) geeignete thermische Behandlung, (z. B. Nor-
0,12 % C führt bei den Feinkornbaustählen zu einer
malisieren, Vergüten) oder durch thermomecha-
verbesserten Zähigkeit in der Wärmeeinflusszone
nische Behandlung (TM)
WEZ und ermöglicht Schweißen von größeren
bewirkt werden. Blechdicken auf der Baustelle ohne Vorwärmen.
Der klassische S355N normalgeglüht nach EN
10025-2 erhält z. B. seine Festigkeit durch C-Ge- Quer- und Dickeneigenschaften
halte bis 0,22 % und zusätzliche 1,6 % Mn und Bedingt durch den Umformvorgang besitzen
0,55% Si, während der Feinkornstahl S 355 M nach Bleche in Walzrichtung ein günstigeres Dehnungs-
EN 10025-3 seine Festigkeit und Zähigkeit durch vermögen als in Quer- und Dickenrichtung, da die
eine Abstimmung der eng definierten Legierungs- Auswalzung nichtmetallischer Begleiter, v.a. von
zusammensetzung (speziell der kornfeinernden Ele- Mangansulfiden, zu zeilenförmigen Einschlüssen
mente V, Ti, Nb) mit tiefen Kohlenstoff-Äquiva- führen kann. Bei Zwängungen in Dickenrichtung
lenten mit einer temperaturgesteuerten Warmumfor- können sog. Terrassenbrüche auftreten.

Abb. 3.4-2 Streckgrenzenbereiche schweißgeeigneter Baustähle [Zimnik 1991]


1172 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-3 Warmwalzverfahren zur thermomechanischen Behandlung [Dahl/Hagen u. a. 1991]

Die Terrassenbruchgefahr kann durch besonde- Die Abweichungen dieser Eigenschaften von den
re Entschwefelungsverfahren, die zu Z-Güten der Sollwerten werden als geometrische und struktu-
Stähle nach DIN EN 10164 führen, beseitigt wer- relle Imperfektionen bezeichnet. Soweit sie sich
den. Wann solche Z-Güten erforderlich sind, kann auf die Tragfähigkeit auswirken, werden sie in den
mit Verfahren in EN 1993-1-10 ermittelt werden. Berechnungsverfahren berücksichtigt.

Lieferformen Bezeichnungen
Warmgewalzte Erzeugnisse für die Weiterverar- Baustähle werden nach der Streckgrenze und nach
beitung sind Walzprofile, Stabstähle, Breitflach- ihrer Zähigkeit, ausgedrückt in Kerbschlagarbeit bei
stähle, Bänder und Bleche. Bleche werden auch als einer bestimmten Temperatur, in Stahlsorten unter-
Halbzeug mit oder ohne Oberflächenbeschich- teilt. Die Stahlbezeichnungen gehen auf Stahlsor-
tungen und metallischen Überzügen in Kaltwalz- ten, Sonderbehandlung und Nachbehandlung ein.
werken zu Profilblechen und Kaltprofilen weiter Abbildung 3.4-4 gibt einen Überblick über Stahlbe-
verarbeitet. Hohlprofile werden nahtlos warmge- zeichnungen.
walzt oder aus gewalzten Flachstählen geschweißt.
Einen Überblick über lieferbare Profile enthält
3.4.2.2 Festigkeits- und Zähigkeitseigen-
z. B. [Schneider 1998].
schaften als Funktion der Temperatur
Alle Lieferungen unterliegen Streuungen der
Festigkeitseigenschaften
1. Geometrie wie Querschnittsabmessungen, Recht-
Die Festigkeitseigenschaften der Werkstoffe werden
winkligkeit und Ebenheit, Stegzentrierung und
an standardisierten Rundzugproben oder Flachpro-
Geradheit, die durch Liefertoleranzen einge-
ben nach DIN EN 10002 ermittelt, die die tech-
schränkt sind;
nische Spannungs-Dehnungslinie der Probe oder
2. Werkstoffeigenschaften wie Festigkeitswerte,
die wahre Spannungs-Dehnungslinie des Stahls
Zähigkeitskennwerte der Proben, die durch Min-
liefern (Abb. 3.4-5). In den Werkstoffnormen sind
destwerte begrenzt sind;
Mindestwerte für die Streckgrenze fy und die Zug-
3. Eigenspannungen und ungleichmäßigen Streck-
festigkeiten fu spezifiziert.
grenzenverteilungen, die durch ungleichmäßige
Für die üblichen Baustähle mit ferritisch-perli-
Abkühlungsvorgänge oder Kaltverformungen
tischem Gefüge unterschiedlicher Festigkeit sind
eingeprägt sind.
die wahren Spannungs-Dehnungslinien parallel
verschoben; sie führen über das Stabilitätskriteri-
3.4 Stahlbau 1173

um V · GA = A · GV zu unterschiedlichen Zugfestig- artigem Querschnittsfehler in Abhängigkeit von


keiten fu und Gleichmaßdehnungen der Proben der Temperatur und in Verbindung mit den Last-
[Dahl/Hesse/Krabiell 1983]. Die wahren Span- verformungskurven und dem globalen makrosko-
nungs-Dehnungslinien kennzeichnen das Werk- pischen Bruchverhalten im unteren Teilbild und
stoffverhalten und können für FE-Untersuchungen dem lokalen mikroskopischen Bruchmechanismus
eingesetzt werden; die technische Spannungs-Deh- Spalt- oder Gleitbruch im oberen Teilbild.
nungslinie gilt nur für den Zugversuch mit standar- Der Temperaturbereich oberhalb Tm kennzeich-
disierten Prüfkörpern. net den Bereich mit großen plastischen Verfor-
Abbildung 3.4-6 zeigt schematisch das Bruch- mungen vor Bruch, die den plastischen Ausgleich
verhalten von zugbeanspruchten Bauteilen mit riss- lokaler Spannungsspitzen und die Bildung globaler

Abb. 3.4-4 Stahlbezeichnungen [SZS 1997]


1174 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-5 Wahre Spannungs-Dehnungslinien und Technische Spannungs-Dehnungslinien, ermittelt für Rundzugproben
B 8 × 80, Prüftemperatur RT [Dahl/Hesse/Krabiell 1983]

Abb. 3.4-6 Festigkeit-Temperatur-Diagramm [Liessem 1996]


3.4 Stahlbau 1175

Fließmechanismen aus Bruttoquerschnittsfließen


ermöglichen. Damit wird die Anwendung plasti-
scher Berechnungsverfahren für die Schnittgrö-
ßenverteilung möglich (z. B. Fließgelenkverfah-
ren). Der Bereich oberhalb von Ta wird als „Hoch-
lage“ bezeichnet und ist durch makroskopisch
zähes Bruchverhalten mit vollständig mikrosko-
pischem Gleitbruch gekennzeichnet.
Unterhalb Tm schließt sich mit fallender Tempe-
ratur das „Übergangsgebiet“ an, in dem makrosko-
pisch geringere plastische Verformungen auftreten. Abb. 3.4-7 CT-Probe zur Ermittlung des J-Wertes, CTOD-
Im Bereich zwischen Tm und Tgy (Index gy für ge- Wertes oder K-Wertes [Verein Deutscher Eisenhüttenleute
1992]
neral yield = Erreichen der Streckgrenze im Netto-
querschnitt) reichen die plastischen Verformungen
aus, um mindestens Nettoquerschnittsfließen zu reich, in dem Risswachstum ausschließlich instabil
erzeugen. Das führt auf jeden Fall zum Abbau von (Spaltbruch, Index c) auftritt, und nach dem Be-
Spannungsspitzen im Querschnitt. Für die Berech- reich, in dem ein stabiler, d. h. nur unter Lastzu-
nung der Schnittgrößenverteilung liegt die elasti- nahme wachsender Riß initiiert wird (Index i,
sche Systemberechnung auf der sicheren Seite. Gleitbruch), von Bedeutung.
Definitionsgemäß trennt die Temperatur Tgy den Bruchmechanische Kennwerte aus Kleinproben
Bereich des makroskopisch spröden vom makrosko- für stabile oder instabile Rissinitiierung (Indizes i
pisch zähen Bruchverhalten. Ti kennzeichnet den oder c) gelten allgemein als geometrieunabhängig
Temperaturübergang von einem zum anderen mi- und auf Bauteile übertragbar. Die Temperatur Ti
kroskopischen Bruchmechanismus bei Rissinitiie- kennzeichnet den Übergang zwischen diesen Be-
rung und liegt i. Allg. oberhalb Tgy. reichen.
In einem mit „u“ indizierten Übergangsbereich
Zähigkeitseigenschaften findet nach der Initiierung von stabilem Rißwachstum
Die qualitativen Zähigkeitseigenschaften der Werk- noch ein Umklappen (u) des Bruchmechanismus in
stoffe werden bruchmechanisch mittels standardi- einen instabilen Riss statt, bevor die Maximallast er-
sierter Kleinproben ermittelt (Abb. 3.4-7). Die reicht wird. Oberhalb der Temperatur Tm kann man
bruchmechanische Zähigkeit kann in Form eines trotz der genaueren Definition mit Ta bereits von
kritischen Wertes des J-Integrals oder der Rissöff- Hochlageverhalten sprechen, weil dort kein instabi-
nung CTOD ausgedrückt werden (Abb. 3.4-8). Im les Bruchverhalten vor Erreichen der Maximallast
linear elastischen Bereich wird auch der Spannungs- stattfindet. Bruchmechanische Übergangswerte (In-
intensitätsfaktor K verwendet, der mit dem J-Inte- dex u) und Maximalwerte (Index m) aus Kleinpro-
gral durch ben sind geometrieabhängig und daher nicht über-
tragbar auf beliebige Bauteilkonfigurationen.
Der Einfluß stoßartiger Belastung (z. B. bei An-
prallast) kann über das gleiche Temperaturdiagramm
(3.4.1) wie in Abb. 3.4-8 berücksichtigt werden, indem die
Temperaturkurve der bruchmechanischen Zähigkeit
Kc oder Jc um

verknüpft ist (Querkontraktionszahl Q = 0,3). (3.4.2)


Abbildung 3.4-8 zeigt analog zu Abb. 3.4-6 im
Werkstoffzähigkeits-Temperaturdiagramm den Ver-
lauf der bruchmechanischen Zähigkeitskennwerte nach rechts (ungünstig) verschoben wird. Mit zu-
und ihren Anwendungsbereich. Bruchmechanisch nehmender Streckgrenze nimmt der Einfluss der
ist die Unterscheidung nach dem Temperaturbe- Dehngeschwindigkeit H· ab [Liessem 1996].
1176 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-8 Zähigkeit-Temperatur-Diagramm [Liessem 1996]

Der Einfluss der Kaltverformung und Alterung Temperaturen TAV = T27J angegeben, bei denen die
kann in ähnlicher Weise durch eine Verschiebung Mindestwerte der Kerbschlagarbeit (z. B. AV = 27 J)
'Te abgeschätzt werden. Dazu existieren Untersu- erreicht werden müssen.
chungen für bestimmte Stähle. Moderne Stähle wer-
den aluminiumberuhigt vergossen, und die Stick- Warmfestigkeit und Kriechen
stoffgehalte werden auf unter 0,01% eingestellt; sie Normale Baustähle sind nur bis zu Temperaturen
gelten als alterungsbeständig. von 300 bis 350°C verwendbar. Oberhalb dieser
Anstelle der bruchmechanischen Werkstoffkenn- Temperaturen (z. B. im Kraftwerksbau) können
werte werden i. d. R. für die Stahlsortenbezeich- Gefügeänderungen (Gefügeänderungen mit Kriech-
nungen Werkstoffkennwerte des Kerbschlagbiege- erscheinungen) auftreten, die die Wahl warmfester
versuchs verwendet, bei dem für standardisierte ge- Stähle (z. B. 15 Mo 3) erforderlich machen [Verein
kerbte Probekörper die Schlagenergie AV (in Joule) Deutscher Eisenhüttenleute 1992].
abhängig von der Temperatur TAV ermittelt wird. Für die Sicherheitsnachweise unter höheren
Die AV-T-Kurve (Abb. 3.4-9) hat einen ähnlichen Temperaturen werden unter konstanten Spannungen
Verlauf wie die Temperaturkurve der bruchmecha- Kriechkurven ermittelt (Abb. 3.4-10), die die Be-
nischen Zähigkeit, lässt aber keinen direkten quanti- stimmung der Bruchspannung VBt oder Spannung
tativen Sicherheitsnachweis zu. Daher wird über die mit festgelegter Kriechverformung (z. B. V0,2t) in
Sanz-Korrelation ein Temperaturzusammenhang Abhängigkeit von der Standzeit aus einer Festig-
zwischen der AV-T-Kurve und der Kc-T-Kurve her- keitskurve im doppeltlogarithmischen Zeit-Festig-
gestellt (s. 3.4.3.2). In den Werkstoffnormen werden keitsdiagramm (V-t-Diagramm) ermöglichen.
3.4 Stahlbau 1177

Abb. 3.4-9 Verläufe der Av-T-Kurve und der J-T-Kurve [Liessem 1996]

Abb. 3.4-10 Kriechkurven und Grenzspannungen [Verein Deutscher Eisenhüttenleute 1992]

Werkstoffeigenschaften für – die Temperaturdehnung Dt ,


den Brandschutznachweis – die spezifische Wärmekapazität ca und
Für den Brandschutznachweis wird zwischen ther- – die Wärmeleitfähigkeit Oa,
mischen und mechanischen Werkstoffeigenschaften
unterschieden. Thermische Werkstoffeigenschaften die sämtlich temperaturabhängig sind (s. [Schau-
sind mann 1998]). Für vereinfachte Brandschutznach-
weise kann mit den Werten
1178 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

gerechnet werden.
Die mechanischen Werkstoffkenngrößen werden
in der Weise bestimmt, dass das Kriechen des Stahls
in die Beschreibung einer Spannungs-Dehnungsli-
nie einbezogen wird. Dazu werden an standardisier-
ten Prüfkörpern Aufheizversuche durchgeführt. Die Abb. 3.4-11 Elastizitätsmodul und Fließgrenze eines Bau-
Probe wird mit einer konstanten Last unter Raum- stahls in Abhängigkeit von der Temperatur [Hirt/Bez 1998]
temperatur belastet, dann wird die Probentempera-
tur erhöht, bis Versagen eintritt. Die Erwärmungs-
geschwindigkeit beträgt z. B. 10 K/min. Gemessen Ermüdungsfestigkeiten
werden die Temperatur Ĭ und die Dehnung. Die Für die Anwendungen des Stahlbaus werden Er-
Versuche werden mit unterschiedlichen Lastniveaus müdungsfestigkeiten nach Möglichkeit mit bau-
wiederholt. Aus den bei einer bestimmten Tempera- teilähnlichen Prüfkörpern bestimmt, in denen die
tur für die einzelnen Lastniveaus erreichten Deh- Maßstabeffekte, die metallurgischen und geometri-
nungen können die Spannungs-Dehnungslinien und schen Bedingungen der Herstellung (z. B. bei
die temperaturabhängigen Daten für den E-Modul Schweißnähten) und die Eigenspannungen mög-
und die Festigkeitswerte abgelesen werden [Heine- lichst wirklichkeitsnah enthalten sind (s. 3.4.5).
meyer 2000]. Für Zwecke der Ermüdungsbemessung werden
Die mechanischen Daten unter erhöhter Tempe- Prüfkörper mit standardisierten Details schwin-
ratur, wie sie für die Brandbemessung angegeben genden Belastungen mit konstantem Spannungs-
werden, sind aufgrund der darin enthaltenen Kriech- spiel 'VR unterzogen und die Bruchlastspielzahlen
verformungen nur für die Brandbemessung oder NR registriert. Im doppeltlogarithmischen Maßstab
ähnliche kurzzeitige Temperatureinwirkungen ver- 'V-N ergeben Linien gleicher Bruchwahrschein-
wendbar. lichkeit für jedes Detail eine Gerade (Wöhler-
Für vereinfachte Brandschutznachweise darf Linie) mit der Neigung m, die unter normalen Kor-
ein bilinearer Spannungs-Dehnungsverlauf mit den rosionsbedingungen (nicht Seewasser) eine Dauer-
Werten E4= kE4 E, fy4= ky4 fy mit Bezug auf die festigkeit 'VD kennt (Abb. 3.4-12).
Werte E und fy bei Raumtemperatur angenommen Die bruchmechanische Berechnung der Ermü-
werden (Abb. 3.4-11). dung geht vom Vorhandensein von Anfangsrissen
a0 und einem Risswachstum wa/wN aufgrund der
Werkstoffeigenschaften für das Feuerverzinken schwingenden Belastung bis zu einer kritischen
Beim Feuerverzinken vorgefertigter Stahlbauteile Rissgröße acrit aus, bei der Bruch stattfindet. Das
können – abhängig von den Eigenschaften des Risswachstumsgesetz folgt der Paris-Gleichung
Werkstoffs Stahl, der konstruktiven Durchbildung
der Bauteile, der Zinkbadzusammensetzung und (3.4.3)
der Durchführung des Verzinkungsprozesses im
Zinkbad – Risse (Flüssigmetallinduzierte Rissbil-
dung) auftreten, die die Tragfähigkeit der ver- mit Konstanten C und m, die experimentell ermit-
zinkten Bauteile beeinträchtigen können. telt werden. Bei geschweißten Konstruktionen, bei
Zur Vermeidung solcher Risse ist die DASt- denen die Ermüdungsfestigkeit ausschließlich aus
Richtlinie 022 – Feuerverzinken im Stahlbau – zu dem bruchmechanischen Risswachstum erklärt
beachten, die zusätzlich zu den Normen für den werden kann, sind die Neigungswerte m, Dauer-
Verzinkungsprozess, z. B. EN 1461, heranzuziehen festigkeiten und Schwellenwerte nach Abb. 3.4-13
ist. miteinander verknüpft [Kunz 1992].
3.4 Stahlbau 1179

Abb. 3.4-12 Ermüdungsfestigkeit aus Bauteilversuchen [Hirt/Bez 1998]

Abb. 3.4-13 Vergleich der Ermüdungsfestigkeitskurve mit der Risswachstumskurve [Kunz 1992]

3.4.2.3 Grenzzustände und Anforderungen Dementsprechend gibt es bei der Bemessung


Gebrauchstauglichkeitsnachweise und Tragsicher-
Grenzzustände heitsnachweise, die für sog. Grenzzustände der
Stahlbauten sind so zu entwerfen und zu bauen, Gebrauchstauglichkeit und der Tragsicherheit ge-
dass sie gegenüber den Einwirkungen z. B. aus Kli- führt werden. Abbildung 3.4-14 veranschaulicht
ma und Nutzlasten tragsicher und gebrauchstauglich die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und
sind. Die Tragsicherheit ergibt sich aus der Bauord- der Tragfähigkeit an der Last-Verformungskurve
nung und liegt im öffentlichen Interesse. Die Bemes- eines Biegeversuchs mit einem Stahlträger, bei dem
sungsnormen (z. B. EN 1993) stellen Regeln für die für die Gebrauchsbelastung Sd = ȥ ER die Einhal-
Bemessung bereit, mit denen die Tragsicherheits- tung einer Verformungsgrenze Cd = max G und für
anforderung erfüllt wird. Die Gebrauchstauglichkeit die Bemessungslast Ed = Ȗ ER ausreichende Trag-
wird im Stahlbau i. d. R. nicht in Bemessungs- fähigkeit Rd , ausgedrückt durch das Maximum der
normen geregelt; die Definition der Gebrauchstaug- Last-Verformungskurve, gefordert ist.
lichkeitsgrenze und die Wahl des Nachweisverfah- Die Nachweise erfolgen in Form von Bilanzen:
rens sind zwischen Bauherrn und Planer je nach
Funktionsanforderung zu vereinbaren. (3.4.4)
1180 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.4-1 In Werkstoffnormen spezifizierte Werkstof-


feigenschaften und Grenzzustände

Abb. 3.4-14 Grenzzustände der Tragfähigkeit ULS und


der Gebrauchstauglichkeit SLS am Beispiel der Lastverfor-
mungskurve eines Biegeversuchs

wobei die Werte Ek und Ed Belastungsniveaus ei- nach EN 1993-1-10), der ein pauschaler Zähig-
ner statistischen Verteilung darstellen, die im Hin- keitsnachweis zugrunde liegt.
blick auf die geforderte Zuverlässigkeit durch Für die meisten Grenzzustände der Tragfähig-
bestimmte extrem hohe Fraktilen oder Wiederkehr- keit, wie Versagen von Zugstäben, Biegeträgern,
perioden charakterisiert sind. Ebenso ist der Be- Knicken von Stützen, Beulen von Flächentragwer-
messungswert der Tragfähigkeit Rd als definierte ken oder Schalen, treten bei den Versuchen Last-
untere Fraktile einer statistischen Verteilung von R verformungsverläufe mit ausgeprägten Maxima
zu verstehen. auf, deren Form in der Weckung plastischer Reser-
ven und Wiederverfestigungen im stabilen Bereich
Werkstoffdaten und Grenzzustände sowie der Wirkung von Einschnürungen und Beu-
Während für die Gebrauchstauglichkeitsnach- len im abfallenden Ast begründet ist.
weise, die durch Verformungs- oder durch Schwin- Die Streckgrenze fy in Verbindung mit der plasti-
gungskriterien bestimmt sind, der Elastizitätsmo- schen Verformbarkeit, ausgedrückt durch die Gleich-
dul E oder die thermische Ausdehnungszahl Dt von maßdehnung, ist daher ein wesentlicher Werkstoff-
Bedeutung ist, spielt bei Grenzzuständen der Trag- parameter für die Höhe der plastischen Beanspruch-
fähigkeit eine ganze Reihe von in den Werkstoff- barkeiten beim Knicken, Platten- und Schalenbeulen.
normen spezifizierten Werkstoffeigenschaften eine Die Gleichmaßdehnung ist stark von der Streck-
Rolle (Tabelle 3.4-1). grenze abhängig und liegt zwischen ca. 22 % bei
Normale Stahlbauten wie Hochbauten, Brücken niedrigfesten und ca. 2 % bei ultrahochfesten Bau-
und Maste werden für normale Temperaturen be- stählen. Demgemäß muß die konstruktive Gestal-
messen, und die Tragfähigkeiten R sind aufgrund tung von Bauteilen aus hochfesten Baustählen mehr
von Versuchen ermittelt worden, die im Labor bei auf das begrenzte plastische Dehnvermögen einge-
Raumtemperatur unter Voraussetzung von Hochla- hen als bei niedrigfesten Baustählen.
geverhalten durchgeführt wurden. In der Regel wird bei der Bemessung nicht über
Um diese Voraussetzung auch bei niedrigen die plastische Beanspruchbarkeit fy mit Rücksicht
Temperaturen sicherzustellen, ist ein zusätzlicher auf die Begrenzung der Bauteilverformungen hin-
Sicherheitsnachweis gegen Sprödbruch erforder- ausgegangen, außer in einzelnen beschränkten Be-
lich. Dieser erfolgt selten explizit anhand der spe- reichen, z. B. im Bereich von Nettoquerschnitten
zifizierten Werkstoffzähigkeiten (s. 3.4.3.2), son- geschraubter Anschlüsse, wenn das lokale Fließen
dern i. d. R. durch geeignete Stahlgütewahl (z. B. in diesen Anschlüssen keine große Wirkung auf die
3.4 Stahlbau 1181

Gesamtverformung hat. Zugnachweise in Netto- 3.4.3 Grundlagen der


querschnittsflächen geschraubter Verbindungen er- Bemessungsregeln
folgen deshalb nicht gegen Fließbegrenzungen,
sondern gegen Bruch, und die Zugfestigkeit fu ist 3.4.3.1 Anforderungen und Sicherheit
der maßgebende Werkstoffparameter für Netto-
querschnittsnachweise und Lochleibungsnachwei- Die Sicherheitsanforderungen sind in EN 1990 an-
se. Für die Schrauben selbst gelten die Kennwerte gegeben (zu den Grundlagen der Ermittlung von
fyb und fub des Schraubenwerkstoffs, und fub ist Bemessungswerten in den Eurocodes s. auch 1.6).
der maßgebende Parameter für Scherversagen und Für die Ermittlung der Bemessungswerte für die
Zugversagen. Beanspruchbarkeiten liegt mit den getroffenen Ver-
Bei Schweißnähten wird für Bauteile aus Stählen einbarungen (Sicherheitsindex E = 3,80 und Sensiti-
S235 bis S460 unterstellt, dass die Nahtfestigkeiten vitätsbeiwert DR = 0,80 für Widerstandswerte, also
immer über den Festigkeiten des verschweißten DR E = 3,04) ein Verfahren zur Bestimmung von cha-
Grundwerkstoffs liegen, sodass die Werkstoffkenn- rakteristischen Festigkeitswerten Rk und Teilsicher-
werte des Grundwerkstoffs für die Nahtfestigkeiten heitsfaktoren JM vor, das im Anhang D der EN 1990
herangezogen werden können. Das gilt auch für niedergelegt ist. Das Verfahren wurde zur Herlei-
Kehlnähte, für die demnach die Zugfestigkeit des tung der Bemessungsformeln in EN 1993 aufgrund
Grundwerkstoffs der für die Tragfähigkeit maßge- von Versuchen in großem Umfang angewendet.
bende Parameter ist. Eine Besonderheit besteht bei Das Verfahren in Abb. 3.4-15 wird so angewen-
Bauteilen von Tragwerken, die bei Erdbebenbelas- det, dass für einen Grenzzustand eine mechanisch
tungen planmäßig Energiedissipationen durchfüh- sinnvolle Widerstandsfunktion Rc für die Bestim-
ren sollen, indem sie auf zyklische Belastungen mung der Tragfähigkeit angenommen wird und
hin mit elastisch-plastischem Hystereseverhalten hiermit Bauteilversuche nachgerechnet werden.
reagieren sollen. Solche Bauteile werden für Druck Das führt zu einem Wertepaar Rexi und Rci für jeden
und Zug auf die Möglichkeit plastischer Dehnun- Versuch und mit allen Versuchen zu der Möglich-

gen hin dimensioniert, um so zu einem Verhaltens- keit, die Mittelwertabweichung b und die Streu-
faktor q > 1 beizutragen, mit dem die Erdbebenbe- korrektur G für die ursprünglich angenommene
lastung reduziert werden darf. Für solche dissipa- Widerstandsfunktion ermitteln zu können. Sind die
tiven Bauteile werden die Anschlüsse so bemessen, Versuche nach Anzahl und Qualität ausreichend

daß sie die plastischen Schnittgrößen der Bauteile und repräsentativ, dann kann mit Hilfe von b und
aushalten, so daß kein Bruch des Anschlusses vor dem Variationkoeffizienten vG die Bemessungs-
Bauteilfließen auftritt (Kapazitätsbemessung). In funktion Rd einfach abgeleitet werden.
diesem Fall sind hohe Streckgrenzenverhältnisse
fu/fy wünschenswert.
Das Streckgrenzenverhältnis steuert in Verbin-
dung mit der Zähigkeit auch die Empfindlichkeit
von zugbeanspruchten Konstruktionen hinsichtlich
rissähnlicher Fehler. Größere Streckgrenzenverhält-
nisse und höhere Zähigkeiten erlauben größere
Fehlstellen. Daher sind bei hochfesten Stählen grö-
ßere Ausführungsqualitäten erforderlich, da die Zä-
higkeitsanforderung mit dem Quadrat der ange-
legten Spannung wächst.
Für Tragsicherheitsnachweise für höhere Be-
triebstemperaturen gelten besondere Werkstoff-
kennwerte (s. 3.4.3.4), ebenso für den Katastro-
phenlastfall Brand (s. 3.4.3.5).
Abb. 3.4-15 Bestimmung von Rd durch Kalibration des
Bemessungsmodells Rc an Versuchsergebnissen Rexp
1182 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-16 Annäherung der statistischen Verteilung durch eine Normalverteilung

In der Regel sind jedoch die Verhältniswerte (3.4.7)


Rexi/Rci nicht normal verteilt, ihre Aufreihung auf
Gauß-Papier ergibt also keine Gerade, sondern
eine Kurve (Abb. 3.4-16). Eine Ersatznormalver- In der praktischen Bemessung wird aber von Nenn-
teilung im Bemessungspunkt wird dadurch erzeugt, werten für die Querschnittskennwerte (z. B. fy und
dass an den unteren Ast der Kurve eine Tangente fu nach den Liefernormen) ausgegangen, die keine
angelegt wird, die zu der Ersatzmittelwertabwei- charakteristischen Werte sind, sondern Mindest-

chung b und der Ersatzstreugröße QG führt. werte. Daher ergibt sich ein anderer JM*-Wert:
Meistens sind die angenommenen Bemessungs-
funktionen zu sehr vereinfacht, als dass sie alle Pa- (3.4.8)
rameter ausreichend berücksichtigen. Das schlägt
sich in großen Streuungen nieder. Die Streuungen
können verkleinert werden, indem die Rexi/Rci- Aus umfangreichen Auswertungen für verschie-
Werte über den Parametern aufgetragen und die dene Grenzzustände ergeben sich viele verschie-
Funktion R verbessert wird oder indem die gesamte dene JM -Werte, die folgende Reduktion auf drei
Versuchsanzahl in Untergruppen, für die die Para- Klassen von JM -Werten zulassen:
meter konstant sind, aufgeteilt und dafür die Ver-
JM0 = 1,00 für alle elastischen und plastischen
suchsauswertungen getrennt durchgeführt werden.
Querschnittswiderstände R(fy), die für Quer-
Das führt zu besonderen Auswertungen, z. B. ge-
schnittsnachweise zur Vermeidung extremer
trennt nach Werkstoffgüten für Schrauben.
Verformungen verwendet werden,
Steht der Auswertemodus fest, so wird bei einer –
JM1 = 1,10 für alle Bauteilwiderstände R(fy, O),
genügend großen Anzahl von Versuchen wie folgt
die mit Stabilitätsversagen verbunden sind,
vorgegangen: Da sich der Bemessungswert
JM2 = 1,25 für alle Bauteil- und Verbindungsmittel-
widerstände R(fu), bei denen Bezug auf die
(3.4.5)
Zugfestigkeit fu genommen wird.
aus dem charakteristischen Wert Rk (meist die 5%- Indem diese festen JM -Werte vorausgesetzt wer-
Fraktile) und aus dem JM-Wert zusammensetzt, den, werden die charakteristischen Werte Rk mit
können diese Werte zunächst ermittelt werden, um Nennwerten Rnen mittels eines Faktors K so be-
die Größenordnungen zu erhalten: stimmt, dass die Bemessungswerte Rd erreicht
werden:
(3.4.6)
3.4 Stahlbau 1183

Das Sicherheitselement in der Nachweisglei-


(3.4.9) chung sollte zweckmäßigerweise aus der Streuung
der JMat-Werte über der Temperatur ermittelt wer-
den und durch eine Temperaturverschiebung 'Ta
Mit diesem Verfahren wurden alle Bemessungsre- bei der Ermittlung von JMat,d definiert werden. Es
geln in EN 1993 an Versuchen kalibriert. berücksichtigt auch die lokalen Eigenspannungen,
die durch die Herstellung des betrachteten Schweiß-
details (z. B. in einem bauteilähnlichen Probekör-
3.4.3.2 Tragsicherheit im
per) entstehen.
Temperaturübergangsbereich
Einfacher als mit den J-Werten erfolgt der
Der Tragsicherheitsnachweis im Temperaturüber- Nachweis über Spannungsintensitätsfaktoren K
gangsbereich wird mit bruchmechanischen Zähig-
keitskennwerten geführt, indem vorausgesetzt wird, (3.4.11)
das Bauteil sei imperfekt, d. h. durch einen rissähn-
lichen Fehler vorgeschädigt. Dieser rissähnliche
Fehler wird als ein Sicherheitselement in Form ei- wobei zur Erfassung der Nichtlinearität des Werk-
ner Imperfektion ähnlich den geometrischen oder stoffs eine Korrektur nach den R6-Verfahren vor-
strukturellen Imperfektionen bei druckbeanspruch- genommen wird und U näherungsweise zu null ge-
ten Bauteilen angesehen; er kann von der Fertigung setzt wird, da die Wirkung der lokalen Eigenspan-
oder Montage oder vom Betrieb (z. B. Ermüdungs- nungen bereits durch das Sicherheitselement 'Ta
riss) her eingebracht sein (DASt-Richtlinie 009). bei der Bestimmung von KMat,d berücksichtigt
Der Tragsicherheitsnachweis kann allgemein wird. Der Vorteil von Gl. (3.4.11) liegt in der Ver-
lauten: wendbarkeit von Handbüchern für die Bestimmung
von Kappl,d (z. B. nach Raju-Newman).
(3.4.10) Für einen pauschalen Nachweis als Grundlage
einer Normenregelung für die Stahlgütewahl, der
wobei die bruchmechanische Beanspruchung Jappl auf die in den Liefernormen spezifizierten Zähig-
für die Geometrie des Bauteils, die Lage und Größe keitskennwerte T27J Bezug nimmt, muß in Gl.
des Fehlers sowie die angelegte Spannung ermittelt (3.4.11) der Wert KMat,d (TE,d) durch eine standardi-
wird. JMat,d ist die bruchmechanische Beanspruchbar- sierte Kc-TK-Kurve (nach Wallin) und eine Korre-
keit, die aus Kleinproben für die tiefste Temperatur lation zwischen TK und T27J (nach Sanz) ersetzt
TE,d, für die der Nachweis geführt wird, mit geeig- werden. Dies führt zu
neten Verfahren bestimmt wird. Als niedrigste Bau-
teiltemperatur wird die tiefste Lufttemperatur (etwa
50 Jahre Wiederkehrperiode) und eine geeignete Ab-
senkung durch Kältestrahlung (|5°C bei Brücken)
angenommen (in Deutschland TE,d |–30°C).
Aufgrund des katastrophalen Charakters des Ein- (3.4.12)
treffens der tiefsten Temperatur zusammen mit dem
hypothetischen Fehler wird für die Ermittlung der mit dem Sicherheitselement ¨Ta und der effektiven
angelegten Spannung Vp die außergewöhnliche Länge der Rissfront beff .
Lastkombination angenommen, d. h. ständige Las- Durch Logarithmieren von Gl. (3.4.11) erhält
ten gehen mit JG = 1.00 und veränderlichen Lasten man schließlich das Nachweisschema mit Tempe-
mit \1 · QK (häufiger Wert) in Vp = VG + \1VQ ein. raturen nach Abb. 3.4-17, in dem auch der Dehnra-
Über die Spannung aus Lasten Vp hinaus sollte zu- teneinfluss, der bei Fahrzeuganprall oder sonstiger
sätzlich eine Zwängungsspannung VS berücksichtigt stoßartiger Beanspruchung besteht, berücksichtigt
werden, die aus der Fernwirkung von Schrump- werden kann. Damit sind mit der Maßgabe, dass
fungen herrührt. Diese wird in EN 1993-1-10 mit Anfangsfehler bei der Herstellung des Bauwerks
100 N/mm2 angesetzt. übersehen werden und infolge Ermüdungsschädi-
1184 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-17 Elemente des bruchmechanischen Tragsicherheitsnachweises unter Berücksichtigung des Dehnratenein-
flusses (DASt-Richtlinie 009)

gung über eine Strecke von etwa einem Viertel der Nachweisspannungen vernachlässigt und ein loka-
gesamten Lebensdauer des Bauwerks bis zum Er- ler plastischer Spannungsausgleich oberhalb der
kennen bei den Bauwerksinspektionen wachsen Fließdehnungen mit der Folge der Vergleichmäßi-
kann, Tabellen für zuverlässige Blechdicken abhän- gung der Spannungen unterstellt.
gig von Stahlgüte, Temperatur TEd und Beanspru- Die Nachweise berücksichtigen auch keine Eigen-
chungshöhe in EN 1993-1-10 entwickelt worden. spannungen. Wie schon bei den Nennspannungen
Bei einer Stahlgütewahl nach dieser Tabelle ist wird unterstellt, dass diese bei Überschreitung der
Sprödbruchsicherheit und ausreichende Schadens- Streckgrenze herausplastizieren. Die Eigenspannun-
toleranz des Bauteils bei Auftreten von rissähn- gen sind nur mittelbar in den Festigkeitsfunktionen
lichen Fehlern erreicht. für druckbeanspruchte Bauteile berücksichtigt, wo
sie bei ungünstigem Vorzeichen eine Reduktion
der Tragfähigkeit bewirken können. Ihr Einfluss ist
3.4.3.3 Tragsicherheit bei Normaltemperatur
auch in der Größe der geometrischen Ersatzimper-
Die Tragsicherheitsnachweise bei Normaltempera- fektion, die anstelle genauerer struktureller und ge-
tur werden als Festigkeitsnachweise im Hochla- ometrischer Imperfektionsansätze bei der Berech-
genbereich der Zähigkeit geführt. Die Modelle für nung der Tragfähigkeit druckbeanspruchter Bauteile
die Nachweise zielen darauf ab, die Maxima der angesetzt werden, enthalten.
Lastverformungskurven möglichst realitätsnah zu Die Nachweise arbeiten auch mit vereinfachten
erfassen, um infolge kleinerer Streuungen wirt- statischen Modellen für das wirkliche Tragwerk,
schaftlichere Ergebnisse zu bringen. Daher enthal- z. B. Fachwerke mit angenommenen Gelenken in
ten die Modelle die Wirkungen von Werkstoff- den Knoten statt wirklicher kontinuierlicher Knoten-
nichtlinearitäten und geometrischen Nichtlineari- ausbildung, da sekundäre Zwängungsmomente an
täten [Petersen 1994; Roik 1978; Hirt/Bez 1998]. den Knoten infolge der Fachwerkverformung wegen
Die Nachweise werden hauptsächlich mit „Nenn- plastischen Ausgleichs vernachlässigt werden.
spannungen“ geführt. Damit werden die Wirkungen Diese vereinfachten Berechnungsansätze mit
von Dehnungsspitzen, die aus Löchern, Ausschnit- plastischem Spannungsausgleich gelten nur für die
ten, ungleichen Lastverteilungen in Schrauben oder Tragsicherheitsnachweise; für Ermüdungsnachweise
Schweißnähten u. ä. herrühren können, auf die müssen dagegen die Spannungsschwingbreiten unter
3.4 Stahlbau 1185

Abb. 3.4-18 Nachweismöglichkeiten bei höherer Temperatur [Verein Deutscher Eisenhüttenleute 1992]

Berücksichtung elastischen Werkstoffverhaltens mit


allen Kerb- und Sekundäreffekten ermittelt werden.

3.4.3.4 Tragsicherheit bei höherer


Betriebstemperatur
Bei höheren Betriebstemperaturen wird entweder
ein Spannungsnachweis gegen die Grenzspannung
Vb,tA für den Kriechzeitraum tA oder ein Nutzungs-
dauernachweis für das Spannungsniveau Vb,tA/J
gegen den Grenzzeitraum tB geführt (Abb. 3.4-18)
[Verein Deutscher Eisenhüttenleute 1992].
Bei zeitveränderlichen Spannungen oder Tem-
peraturen kann, wenn sich die Kriechbedingungen
ändern, eine Akkumulationshypothese angewendet
werden, Abb. 3.4-19 Schädigungsakkumulation bei Kriechschädi-
gung [Verein Deutscher Eisenhüttenleute 1992]
(3.4.13)

(3.4.15)
indem die relativen Zeitanteile als Schädigungen ad-
diert werden (Abb. 3.4-19). Bei höheren Frequenzen
der Spannungsänderungen, für die Ermüdungsschä- Angaben zum Grenzwert L sind in den Vorschriften
digungen nach der Miner-Regel auftreten können, zu finden.

(3.4.14) 3.4.3.5 Tragsicherheit im Brandfall


Die Eurocodes EN 1991 und EN 1993 bieten ein
besteht die Möglichkeit, die Schädigung aus dem umfassendes Brandschutzkonzept an, das – ausge-
Kriechen mit der Schädigung aus der Ermüdung zu hend von den Maßnahmen für den Personenschutz
akkumulieren: – im Brandfall die Möglichkeit liefert, das Trag-
1186 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

verhalten des Gebäudes in dieser Brandsituation Ta,t maßgebende Bauteiltemperatur; das ist die
zu prüfen [Schleich 1998]. Bauteiltemperatur, die bei ISO-Brand nach
Im Jahr 2010 schien der Nationale Anhang zu EN der in den Brandschutzanforderungen festge-
1991-1-2, in dem auf der Grundlage eines neuen Si- legten Zeit, (z. B. 30 min für F30) oder bei
cherheitskonzeptes die Raumtemperaturentwicklung Naturbrand nach Ablauf der äquivalenten
im Brandfall berechnet werden kann. Branddauer erreicht wird.
Der Brandfall gilt als außergewöhnlicher Last- Tcrita kritische Temperatur, die direkt aus dem Aus-
fall mit den mechanischen Einwirkungen EdT aus nutzungsgrad des betrachteten Bauteils be-
ständigen Lasten, Nutzlasten und Verformungen, stimmt wird.
denen der Bauwerkswiderstand RdT entgegenzuset-
zen ist, der durch die thermische Einwirkung, die Bei den etwas eingehenderen „Tragfähigkeitsver-
Temperatur T, vermindert ist. fahren“ wird das betrachtete Bauteil für die maß-
Abbildung 3.4-20 gibt einen Überblick über die gebende Bauteiltemperatur festigkeitsmäßig unter-
in den Eurocodes angebotenen drei Berechnungs- sucht, indem
verfahren, die ein unterschiedliches Eingehen auf
die bauliche Situation erfordern. (3.4.17)
Das einfachste „Tcrit-Verfahren“ verlangt
gefordert wird. Hierbei sind Efi,d die Schnittgrößen
(3.4.16) aus dem außergewöhnlichen Lastfall und Rfi,d,t die
Bauteilwiderstände zum Zeitpunkt t des Brandes,
mit die in weitgehender Analogie zur „kalten Bemes-

Abb. 3.4-20 Nachweisverfahren für den Brandschutz [Heinemeyer 2000]


3.4 Stahlbau 1187

sung“ bei der „warmen Bemessung“ mit infolge lineare Rotationskurve angesetzt wird, bei der die
der Temperatur zum Zeitpunkt t abgeminderten Beanspruchbarkeit des Gelenks als vom Rotations-
Steifigkeiten und Streckgrenzen ermittelt werden. winkel unabhängige konstante Größe angesehen
Die weitestgehende Methode ist das „Erweiterte wird. Das Rotationsplateau ist allerdings durch die
Berechnungsverfahren“, bei dem das Erwärmungs- Rotationskapazität Mrot begrenzt, die meist als be-
verhalten des gesamten Gebäudes bei Brand an ei- zogene Größe RR = Mrot/Mel – 1 ausgedrückt wird.
ner bestimmten Stelle in einem Zeitschrittverfah- Bei Anwendung des speziellen Fließgelenk-
ren simuliert wird. Ebenso wird zu jedem Zeitpunkt nachweises für die Tragfähigkeitsbestimmung ist
für die gerade erreichte Temperatur die Tragfähig- deshalb ein zusätzlicher Rotationsnachweis für die
keit des Gebäudes an jeder Stelle überprüft. Die aktiven Gelenke RE dRR unumgänglich, da der Ro-
Berechnung wird beendet, wenn das Ende der tationsnachweis nicht wie beim allgemeinen Fließ-
Brandkurve erreicht wird oder wenn das Tragwerk gelenkverfahren im Verfahren selbst enthalten ist.
versagt. Bei Tragwerksversagen interessiert, ob Um einen solchen zusätzlichen Rotationsnach-
die erforderliche Feuerwiderstandsdauer erreicht weis einzusparen, sind vorneweg für verschiedene
wurde. Tragwerke Rotationsuntersuchungen durchgeführt
worden, die zu einer Klassifizierung von Quer-
schnitten und Verfahren geführt haben. Für die
3.4.4 Tragfähigkeitsnachweise Begrenzung der Rotationsfähigkeit von Bauteilen
oder Anschlüssen sind nämlich im Hochlagen-
3.4.4.1 Tragfähigkeit von Tragwerken bereich der Zähigkeit des Werkstoffs und bei
Kapazitätsbemessung der Schweißverbindungen
Die Tragfähigkeitsnachweise für die gewöhnlichen die Beulbedingungen der mit Druck beanspruchten
Belastungssituationen sind i. d. R. Nachweise für Querschnittsteile und Komponenten verant-
statische Belastungen, d. h., Eigengewicht, Nutz- wortlich, die am besten durch die b/t-Verhältnisse
lasten, Schnee und Wind werden so aufgefasst, als der Beulfelder ausgedrückt werden können (Abb.
würden sie ständig wirken. Ein für solche Lasten 3.4-23).
möglichst wirklichkeitsnah geführter Nachweis Abbildung 3.4-24 zeigt den Verlauf der plasti-
orientiert sich wieder an dem Versuch (s. 3.4.2.3), schen Anteile der Momenten-Rotationskurven
den man mit dem Tragwerk unter den Bemessungs- abhängig von den Querschnittsklassen, die nach
werten der Lasten und der Beanspruchbarkeiten Abb. 3.4-25 von den b/t-Verhältnissen abhängig
durchführen könnte. sind.
Das in den Versuchen beobachtete Verhalten der Abbildung 3.4-25 zeigt auch die unterschied-
Bauteile des Tragwerks geht in das Gesamtverhal- lichen Tragfähigkeiten, die für die verschiedenen
ten des Tragwerks ein, z. B. das Momenten-Rotati- Querschnittsklassen gelten. Tabelle 3.4-2 gibt eini-
onsverhalten von Biegeträgern. Abbildung 3.4-21 ge Zahlenwerte für b/t-Verhältnisse für die verschie-
zeigt beispielsweise, wie aus den Momenten-Rota- denen Querschnittsausnutzbarkeiten und Rechen-
tionskurven der Elementarträger eines Durchlauf- verfahren an. Auf die Eigenschaften von Anschlüs-
trägers die Momenten-Rotationskurve des Durch- sen hinsichtlich der Verformungen und Rotation
laufträgers zusammengesetzt und so die Trag- wird in 3.4.4.5 eingegangen.
fähigkeit bestimmt werden kann [Hoffmeister Von der praktischen Seite her wird immer das
1998]. elastische Berechnungsverfahren mit Annahme
Die einfachste Bestimmung der Tragfähigkeit elastischer oder plastischer Querschnittswiderstän-
erfolgt mit dem allgemeinen Fließgelenkverfahren, de (also Klasse 2 oder Klasse 3) der erste Ansatz
bei dem nur die „plastischen“ Anteile der Mo- bei der Vorbemessung sein, da die Fließgelenkver-
menten-Rotationskurven verwendet und als Eigen- fahren für Klasse-1-Querschnitte und die Verfah-
schaften von Fließgelenken gedeutet werden (Abb. ren für die Berechnung der Beanspruchbarkeiten
3.4-22). Daraus hat sich das spezielle Fließgelenk- für Klasse-4-Querschnitte bereits nähere Vorstel-
verfahren entwickelt, bei dem anstelle der wirk- lungen von den Abmessungen der Querschnitte
lichen „plastischen“ Rotationskurve eine ideelle voraussetzen.
1188 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-21 Zusammensetzung der J-M-Kurve eines Tragwerks aus den J-M-Kurven der Elementarträger [Hoffmeister 1998]

Bei elastischen Berechnungsverfahren werden 3.4.4.2 Behandlung der geometrischen


zunächst Schnittgrößen ermittelt und dann Quer- Nichtlinearität
schnittsnachweise oder Nachweise für Bauele- Die geometrische Nichtlinearität (Theorie 2. Ord-
mente wie Anschlüsse, Zugstäbe, Druckstäbe und nung) muss da berücksichtigt werden, wo sie für die
Biegeträger geführt, während bei plastischen Tragsicherheit einen wesentlichen Beitrag liefert. Als
Berechnungsverfahren die Gesamtsicherheit des wesentlich wird der Beitrag dann angesehen, wenn
Systems durch Betrachtung des Gesamtverhaltens die Biegemomente im Tragwerk infolge Theorie 2.
im Grenzzustand bestimmt werden kann (Abb. Ordnung MII gegenüber Biegemomenten nach Theo-
3.4-26). rie 1. Ordnung MI um mehr als 10% anwachsen:
3.4 Stahlbau 1189

Abb. 3.4-22 Gesamtrotationskurven und Rotationskurven für die plastischen Anteile Mplast

(3.4.18)

Für Tragwerke mit einem Verformungsverhalten,


das weitgehend durch die 1. Knickeigenform, d. h.
die Biegelinie, die zur niedrigsten Knicklast ge-
hört, beschrieben werden kann, kann das Kriteri-
um in

(3.4.19)
Abb. 3.4-23 Verhältnisse b/t und h/t druckbeanspruchter
Querschnittsteile als Maßzahlen für Beulanfälligkeit und
Rotationsverhalten ausgedrückt werden, wobei

Abb. 3.4-24 Beispiele für die plastischen Anteile von Momenten-Rotationskurven und Zuordnung zu den Querschnitts-
klassen
1190 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-25 Berechnungsverfahren und Querschnittsausnutzbarkeit in Abhängigkeit vom b/t-Verhältnis

Tabelle 3.4-2 Grenzverhältnisse b/t für Druckflansche für verschiedene Berechnungsverfahren und Querschnittsausnut-
zungen

(3.4.20) M I nach Theorie 1. Ordnung und den Normalkräf-


ten NEd entstehen (Abb. 3.4-28). Dabei wird vor-
ausgesetzt, dass die GI-Verformungen ungefähr den
das Verhältnis der Normalkraftverteilung NEd zur Knickverformungen unter Ncrit entsprechen.
kritischen Normalkraftverteilung Ncrit am Trag- Bei Einfluss der Theorie 2. Ordnung verändert
werk ist, die man bei Weglassung aller Biegemo- sich das Lastverformungsverhalten von Systemen
mente erhält (Abb. 3.4-27). von dem Verhalten nach Abb. 3.4-26 in das Ver-
Anstelle des Systemkriteriums kann auch das halten nach Abb. 3.4-29, wobei die Tragfähigkeit
lokale Kriterium schon vor Bildung der Fließgelenkkette erreicht
werden kann.
(3.4.21)
3.4.4.3 Behandlung der Imperfektionen
treten, wobei ¨MI die zusätzlichen Momente sind, Die strukturellen und geometrischen Imperfektio-
die infolge der Verformungen GI aus den Momenten nen der Querschnitte und Bauteile werden durch
3.4 Stahlbau 1191

Abb. 3.4-26 Last-Verschiebungsfigur des Tragwerks unter der Last Jp bis zur Bildung der Fließgelenkkette mit den
plastischen Momenten Mpl. Ju ist der Quotient der virtuellen Arbeiten Am der Fließgelenke und Ap der äußeren Lasten

nach 3.4.4.4, der an Knickversuchen kalibriert


wurde. Die Ersatzimperfektion ist also von den
Randbedingungen und vom Berechnungsverfahren
abhängig. Die Berechnung kann auch mit Ersatz-
querlasten qfict durchgeführt werden.
Liegen keine gelenkig gelagerten Einzelstäbe
vor, dann lautet die Ersatzimperfektion für das
Biegeknicken

. (3.4.22)

Dabei ist ȘƎcrit der Krümmungsverlauf, der der


Knickeigenform Șcrit entspricht.
Die Rahmenimperfektionen orientieren sich an
den beobachteten Abweichungen bei Bauausfüh-
Abb. 3.4-27 Ermittlung der „Knicklast“ Ncrit = DcritNEd bei rungen und sind so gewählt, dass eine einzige Ge-
Tragwerken mit beliebiger Belastung p samtschiefstellung des gesamten Gebäudes und
keine mehrfache Schiefstellung für jedes Stock-
werk betrachtet werden muss.
geometrische Ersatzimperfektionen berücksichtigt, Das Zusammenwirken von Stabimperfektion
die für Einzelstäbe und Tragwerke getrennt formu- und Rahmenimperfektion bei der statischen Be-
liert sind (s. Abb. 3.4-30) (EN 1993-1-1). rechnung des Tragwerks darf bei
Die Formulierung der Stabimperfektionen eO
für Einzelstäbe ist derart, dass eine Berechnung
mit eO und Querschnittsnachweisen dieselbe Bean- (3.4.23)
spruchbarkeit ergibt wie der Knickstabnachweis
1192 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-28 Ermittlung des Verhältnisses 'MEdI/MEdI aus Momenten MEdI und Verformungen <iI nach Theorie 1. Ord-
nung über fiktive Horizontalkräfte Hfikt = NEd<iI

Abb. 3.4-29 Last-Verformungsfigur des Tragwerks unter der Last Jp bis zum Erreichen des Maximums ({ Ju), hier iden-
tisch mit der Bildung der Fließgelenkkette mit den plastischen Momenten Mpl

vernachlässigt werden. Bei Vernachlässigung der


Stabimperfektionen ist jedoch darauf zu achten, (3.4.24)
dass Einzelstabknicken durch einen Einzelknick-
nachweis nach 3.4.4.4 berücksichtigt wird. oder auf der sicheren Seite
Rahmenimperfektionen dürfen vernachlässigt
werden, wenn ihre Wirkung über die fiktiven
(3.4.25)
Horizontalkräfte gegenüber der Wirkung sonstiger
Horizontalkräfte HEd vernachlässigbar ist. Das ist
i. d. R. der Fall, wenn stockwerksweise gilt:
3.4 Stahlbau 1193

Abb. 3.4-30 Geometrische Ersatzimperfektionen für Einzelstäbe oder Stockwerksrahmen in der Haupttragebene nach
EN 1993-1-1

3.4.4.4 Nachweise für Bauteile Versuchsdefinitionen ergeben. Für Seile gilt ge-
und Verbindungen genüber der Seilbruchkraft JMSeil = 2,40.
Zugstab – Querschnittsnachweise
Zentrisch belastete Druckstäbe –
Für Zugstäbe gilt ein Doppelnachweis für die Quer- Bauteilnachweise
schnitte: Aus Druckstabversuchen sind mit dem Modell des
imperfekten Stabes die Europäischen Knickkurven
1. Sicherheit gegen die Fließlasten des Gesamtsta-
hergeleitet worden (EN 1993-1-1), die im Bereich
bes, –
ON ” 0,2 die plastische Quetschlast ermöglichen und
2. Sicherheit gegen lokalen Bruch. –
für ON > 0,2 den Imperfektionseinfluss beschreiben:
Die Fließlast wird mit der Streckgrenze ermittelt:
(3.4.28)
(3.4.26)
mit
Auswertungen von Werten Npli, die aus der Mes-
sung von Ai für Walzprofile, Stabprofile und Bleche
und den gleichzeitig vorhandenen Streckgrenzen
fyi herrühren, zeigen, dass bei Bezug auf die Nenn-
werte für Npl , JM0=1,00 angesetzt werden darf.
Für den Bruchlastnachweis gilt

(3.4.27)
Für die Nachweise ist

mit JM2 = 1,25. Dieser Nachweis entspricht auch (3.4.29)


dem Bruchnachweis für zugbeanspruchte Schrau-
ben im Gewindequerschnitt (EN 1993-1-8).
Für andere Zugelemente (z. B. Seile) sind ande- (3.4.30)
re Sicherheitsfaktoren anzusetzen, die sich aus den
jeweiligen Grenzbeanspruchungsdefinitionen und mit
1194 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

EA Beiwert für den effektiven Querschnittswert ab- – Querschnittsnachweisen und


hängig von der Querschnittsklasse, hier EA = 1,00 – Bauteilnachweisen
für Klassen 1 bis 3 und EA < 1,00 für Klasse 4,
unterschieden werden, wobei Bauteilnachweise im
Die Zahlenwerte für und sind im Natio- Wesentlichen Stabilitätsnachweise sind, die mehr
nalen Anhang festgelegt. Parameter als die Querschnittsparameter einschlie-
In Abbildung 3.4-31 sind Knickkurven angege- ßen. Dazu gehören das Knicken und das Biege-
ben. Abbildung 3.4-31 zeigt auch die Größe der drillknicken aus der Biegeebene oder der Nachweis
Imperfektionsbeiwerte. Tabelle 3.4-3 gibt ein Bei- für Beulen aus der Blechebene (EN 1993-1-1).
spiel für eine Knickkurvenzuordnung zu Quer- Bei Klasse-3-Querschnitten gelten die aus
schnitten, die im Wesentlichen von den Eigenspan- Spannungsnachweisen für einen Querschnittspunkt
nungsverteilungen über die Querschnitte abhängt. abgeleiteten allgemeinen Interaktionsformeln
Der Beiwert EA liefert für Klasse-4-Querschnitte
die wirksame Quetschlast

(3.4.31) (3.4.32)

Er wird mit Beulnachweisen ermittelt und gestattet


den Nachweis für zentrisch belastete Druckstäbe, Tabelle 3.4-3 Zuordnung der Knickkurven zu Walzprofi-
wenn sich bei reiner Druckbelastung die Querschnitts- len und deren Knickachsen für S235 bis S420 (S460)
achsen des effektiven Querschnitts Ared nicht ge-
genüber den Querschnittsachsen des Bruttoquer-
schnitts verändern. Sonst ist Druck mit Biegung
aufgrund der aus der Achsverschiebung entstehen-
den Exzentrizitäten zu beachten.

Biegeträger – Querschnittsnachweise
Biegeträger sind durch Biegemomente MId und
Querkräfte VId belastet. Bei den Tragsicherheits-
nachweisen kann nach

Abb. 3.4-31 Knickspannungslinien mit Gültigkeitsbereich F <1,00


3.4 Stahlbau 1195

mit
(3.4.36)

Bei Querschnitten der Klasse 1 und Klasse 2, bei


denen von plastischen Querschnittsreserven Ge-
brauch gemacht wird, dürfen diese für

Für die Schubspannungen gilt


(3.4.37)

(3.4.33) unter Verwendung plastischer Spannungsblöcke


ermittelt werden (Abb. 3.4-32).
Dabei dürfen anstelle der vollständig elastisch er- Die Interaktionen der plastischen Schnittgrößen
mittelten Beanspruchbarkeiten N, M und V sind von der Querschnittsausbildung
abhängig. Wird nicht die Interaktion für Klasse-3-
Querschnitten benutzt, so ist z. B. für I-Profile die
Interaktion (EN 1993-1-1)

(3.4.38)

mit
(3.4.34)

die aus dem Gleichgewicht mit den V-Spannungen


herrühren, auch teilplastisch ermittelte Beanspruch-
barkeiten

eine Möglichkeit. Die zusätzliche Interaktion mit der


Querkraft kann durch eine reduzierte Streckgrenze fyƍ

(3.4.39)
(3.4.35)
mit
verwendet werden, bei denen die über die Quer-
schnittsteile AV konstant angenommene Spannungs-
verteilung aus dem Ansatz konstanter Schubver-
formungen herrührt (z. B. über den Steg). Dieser
Ansatz ist dadurch gerechtfertigt, dass die maxima- in den betroffenen Teilen AV berücksichtigt werden.
len Spannungen VEd und WEd nicht an gleicher Stel- Dabei berücksichtigt der ȡ-Wert, der erst bei VEd/
le auftreten und eine lokale Überschreitung der Vpl,Rd > 0,5 anspringt, dass die Inanspruchnahme der
Streckgrenze keinen wesentlichen Einfluss auf die Wiederverfestigung nach lokalem Durchschreiten
Bauteilverformungen hat. des Fließplateaus lokal möglich ist.
Für die Interaktion von Schub und Biegung Zu beachten ist, dass die plastische Interaktion
gilt nur angewendet werden darf, wenn Theorie-2.-
1196 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-32 Definition plastischer Schnittgrößen durch Spannungsblöcke

Ordnung-Effekte aus Torsion konstruktiv vermie- Hierbei ist Șcrit,Fl der Verlauf der Eigenform des
den sind. gedrückten Flansches, die aus der Eigenform
des gesamten Trägers (Șcrit, ijcrit) beim Biege-
Biegeträger – Bauteilnachweise drillknicken resultiert.
Biegeträger-Bauteilnachweise decken folgende Mit dem Ansatz dieser Vorimperfektion
Effekte ab: kann bei Anwendung von FE-Methoden mit
einem Querschnittsnachweis des Flansches an
1. Vergrößerung von Biegemomenten zwischen
der ungünstigsten Stelle sowohl der Biegedrill-
den Stabenden, die durch Stabimperfektionen
knickfall als auch der Fall von Biegedrillkni-
und Theorie 2. Ordnung bedingt sind. Dieser
cken mit zusätzlicher Belastung quer zur Haupt-
Fall tritt besonders bei Biegeträgern mit Druck-
tragebene (Querbiegung und Torsion) behandelt
kraft auf, wenn durch die Querschnittsausbil-
werden.
dung (torsionssteife Hohlprofile) oder kons-
truktive Maßnahmen (Stützung) Torsionsver-
2. Der Nachweis mit FE-Methoden kann sich aber
drehungen verhindert sind.
auch auf die Ermittlung des Lasterhöhungsfak-
2. Biegedrillknicken in Richtung der schwachen
tors Įcrit, der an der äußeren Belastung in der
Achse des Biegeträgers, wenn der Biegeträger
Haupttragebene anzubringen ist, um den Ver-
planmäßig nur in der Hauptachsenrichtung be-
zweigungspunkt Biegedrillknicken zu errei-
ansprucht wird.
chen, beschränken.
Für die Berücksichtigung dieser Effekte gibt es Der Querschnittsnachweis kann dann mit
mehrere Verfahren: Biegedrillkurven durchgeführt werden, die aus
den Biegeknickkurven abgeleitet werden.
1. Wird der Schnittgrößenverlauf in der Haupttra- Die für den Querschnittsnachweis erforder-
gebene des Biegeträgers von vornherein mit liche Tragfähigkeit lautet:
Theorie 2. Ordnung gerechnet, so dass nur das
stabilitätsbedingte Ausweichen quer zur Haupt- für (3.4.41)
tragebene interessiert, so kann für dieses Aus-
weichen eine geometrische Ersatzimperfektion
angesetzt werden, die der Eigenform (Șcrit, ijcrit) für
des Biegedrillknickfalles entspricht. Die maxi-
male Amplitude der Krümmung beträgt an der mit
Stelle des gedrückten Flansches
ȕw Beiwert für den effektiven Querschnitts-
. (3.4.40) wert, z. B. für I-Träger, ȕw = 1,14 für
Querschnittsklasse 1 und 2, ȕw = 1,0 für
3.4 Stahlbau 1197

Querschnittsklasse 3 und ȕw < 1,0 für gebenden Stelle xd bietet EN 1993-1-1 auch
Querschnittsklasse 4, eine Näherung mit einem Nachweis an der Stel-
ȖM0, ȖM1 Teilsicherheitsbeiwerte, deren Betrag le x mit der höchsten Beanspruchung in der
im Nationalen Anhang festgelegt ist, Haupttragebene an, z. B. an der Stelle x = 0 bei
z. B. ȖM0 = 1,00, ȖM1 = 1,10, ungleichen Randmomenten. Dazu wird der Kur-
ȤM Abminderungsbeiwert entsprechend der venverlauf wie folgt modifiziert:
Biegedrillknickkurve.

Die Biegedrillknickkurve ȤM für den Quer-


schnittsnachweis an der maßgebenden Stelle xd (3.4.44)
längs des Bauteils, an der die Überlagerung der
Beanspruchungen in der Haupttragebene und
infolge der Imperfektion quer zur Haupttrag-
ebene ein Maximum erzeugt, lautet:

(3.4.42)
Hierbei gelten:

ȜM, 0 = 0,4
mit ȕ = 0,75
f =
.
mit kc nach Tabelle 6.6 in EN 1993-1-1.
(3.4.43)
4. Für Biegeträger mit gleichzeitiger Wirkung von
Hierbei ist Biegemoment und Druckkraft kann das Biege-
knicken und Biegedrillknicken aus der Haupt-
ĮM = der Imperfektionsfaktor für den Flansch,
tragebene heraus einfach dadurch erfasst wer-
gemäß EN 1993-1-1 Tabelle 6.2 für Knicken
den, dass die Werte Įult, k und Įcrit für die gleich-
rechtwinklig zur z-z-Achse
zeitige Wirkung Ed von Biegemoment und
Druckkraft ermittelt werden,

so dass ein ein-
ziger Schlankheitswert ȜLT herauskommt. Die
Nähe der Biegedrillknickkurve zur Biegedrill-
knickkurve wird einfach durch das Verhältnis
Įult, k Lasterhöhungsfaktor, um das Moment ȕw
Wel, y fy zu erreichen, gesteuert. Der Nachweis lautet dann mit
Įcrit Lasterhöhungsfaktor, um das kritische Mo-
dem ȤLT -Wert
ment Mcrit zu erreichen,
Į*crit Lasterhöhungsfaktor, um das kritische Mo-
. (3.4.45)
ment M *crit bei Vernachlässigung der
St. Venant’schen Torsionssteifigkeit zu er-
reichen.
Eine zusätzliche Belastung quer zur Haupttrag-
Der Quotient , der den Imperfektionsfak- ebene in Form von Biegung und Torsion kann
durch Erweiterung von Gl. (3.4.45) z. B. mit
tor ĮM abmindert, gibt an, wie weit sich die Bie- folgender Näherung erfasst werden [Naumes
gedrillknickkurve ȤM von der Biegeknickkurve 2010]:
ȤN entfernt.
3. Anstelle des Nachweises mit dem durch -
modifizierten Imperfektionsbeiwert Į an der maß- (3.4.46)
1198 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

5. In EN 1993-1-1 wird zusätzlich zu dem Nach- 2. die Wirkung wirksamer Breiten aus der Beulen-
weis (3.4.45) eine alternative Nachweismetho- bildung in gedrückten Gurtteilen,
de mit einer Interaktion zwischen Biegeknicken 3. die Bildung effektiver Breiten aus der Interaktion
und Biegedrillknicken angeboten: von mittragenden Breiten und wirksamen Breiten.

(3.4.47) Abbildung 3.4-33 zeigt die Regelungen (EN 1993-1-


5) für die mittragenden Breiten für Bleche, die nicht
ausgesteift oder ausgesteift sind, und die Bestim-
mit
mung der effektiven Breiten, wenn sich mittragende
Breiten und wirksame Breiten überlagern.
Die Bestimmung der wirksamen Breite (EN
1993-1-5) ist das Ergebnis einer dreisträngigen
Behandlung des Beulproblems (Abb. 3.4-34) [Jo-
. hansson et al. 1999]. Danach werden die Wir-
kungen von Längsspannungen VxEd, Schubspan-
nungen WEd und quer zum Stab eingeleiteten Span-
Dabei wird von einer Zerlegung der gemischten nungen VzEd getrennt verfolgt, da für jedes dieser
Belastung in reine Normalkraft NEd und reines Probleme eine andere Beulkurve gilt. Erst nach
Biegemoment MEd ausgegangen, für die jeweils Kenntnis der Ausnutzungsgrade KVx, KW, KVy für die
die Einzelnachweise mit verschiedenen Knick- einzelnen Beulphänomene werden Interaktionsbe-
und Biegedrillknickkurven ȤN und ȤM durchzu- ziehungen zwischen den Ausnutzungsgraden zur
führen sind. Voraussetzung ist Gabellagerung Erfassung des Gesamtzustand angewandt.
des betrachteten Stabes an beiden Enden. Die wirksamen Breiten werden der Wirkung der
6. Für den Fall von Biegung My, Ed und Druckkraft Längsdruckspannungen infolge der Normalkräfte
NEd in der Haupttragebene und zusätzlicher Be- NEd und Momente MEd zugeschrieben. Während
lastung Mz, Ed quer zur Haupttragebene bietet für ausgesteifte Blechfelder mit Längs- und Quer-
EN 1993-1-1 eine erweiterte Interaktionsformel steifen (z. B. von Brückenhauptträgern) die Abmin-
(6.62) derungsfaktoren Uc zur Ermittlung der wirksamen
Breiten aus der Wirkung knickstabähnlichen Ver-
haltens und plattenähnlichen Verhaltens interpo-
liert werden, liegt bei Klasse-4-Querschnitten in
der Regel nur plattenartiges Verhalten vor, und die
(3.4.48) effektiven Querschnittswerte können nach Abb.
an. 3.4-35 ermittelt werden [ECCS 1991].
Dabei wird in EN 1993-1-1 und EN 1993-1-5
Die Funktionen ky und kz, die die Wirkung ver- die Plattenbeulformel
schiedener Parameter auf die Interaktion erfas-
sen, sind in zwei Varianten nach unterschied- (3.4.49)
lichen Verfahren ermittelt worden und in An-
hängen zu EN 1993-1-1 angegeben. mit
Klasse-4-Querschnitte
Klasse 4-Querschnitte sind dünnwandig, so daß
bei druckbeanspruchten Teilen wegen des geringen
plastischen Verformungsausgleichs i. allg. drei
Wirkungen betrachtet werden müssen:

1. die Wirkung der mittragenden Breite aus der angewendet, die zur Berücksichtigung des Ein-
Schubverzerrung breiter Gurte, flusses des Spannungsgradienten \ in [Maquoi/ de
3.4 Stahlbau 1199

Abb. 3.4-33 Interaktion von mittragender Breite aus Schubverzerrung und wirksamer Breite infolge Beulens nach
DIN EN 1993-1-5 [Johansson/Maquoi u. a. 1999]
1200 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-34 Flussdiagramm zur Bemessung von Blechfeldern nach DIN EN 1993-1-5 [Johansson/Maquoi u. a. 1999]
3.4 Stahlbau 1201

Abb. 3.4-35 Ermittlung effektiver Querschnittswerte für Klasse-4-Querschnitte [ECCS 1991] (Druck positiv)

Ville de Goyet 1999] entsprechend Abb. 3.4-36 Für die Querschnittsinteraktion gilt die Formel
verbessert wurde. Bei nicht voller Ausnutzung der für elastische Spannungsverteilung, also wie bei
Streckgrenze fy darf die Plattenschlankheit um Klasse-3-Querschnitten, jedoch mit den abgemin-
derten Tragfähigkeiten

(3.4.50)

verkleinert werden. (3.4.51)


1202 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-36 Formel für die wirksame Breite nichtausgesteifter Bleche [Maquoi/de Ville de Goyet 1999]

wobei der Bestimmung der Abminderungsbeiwerte 2. Ermittlung des Lasterhöhungsfaktors Dcrit, der zu
EA, Ewy und Ewz die jeweils zutreffende Verteilung Beulversagen des Beulfeldes bei hyperelasti-
der wirksamen Breiten zugrunde liegt. schem Verhalten des Beulfeldes führt,
Tritt bei der Ermittlung der effektiven Fläche 3. Ermittlung der Gesamtschlankheit
EA · A eine Achsenverschiebung eyN oder ezN auf, so
und des Abminderungsfaktors-
sind diese als Exzentrizitäten für NEd bei der Er-
mittlung der Biegemomente MyEd und MzEd zu be- F aus der zugehörigen Beulkurve (EN 1993-1-5),
rücksichtigen. 4. Ermittlung der Sicherheit Ju = FDult,k • JM1
Bei der Ermittlung der Schubbeulsicherheit hängt
die Plattenschlankheit davon ab, ob die Bleche längs Dieses Verfahren ist besonders vorteilhaft bei
und quer, nur quer oder gar nicht ausgesteift sind. Stegblechen, die nicht den Voraussetzungen des
Die Plattenbeulformel für Schub unterscheidet, ob dreisträngigen Berechnungsmodells entsprechen,
sich im Steg eine Zugkraft bilden kann, die in biege- z. B. mit regelmäßigen und unregelmäßigen Aus-
steifen Endpfosten verankert werden kann (steife schnitten.
Endpfosten) oder nicht (verformbare Endpfosten).
Auch die Vergrößerung der Schubtragfähigkeit durch
3.4.4.5 Verbindungsmittel und Anschlüsse
steife Flansche kann berücksichtigt werden.
Beulen infolge eingeleiteter Querlasten wird für Allgemeines
drei verschiedene Einleitungsmuster behandelt und Tabelle 3.4-4 gibt eine Übersicht über verschie-
erfordert eine dritte Plattenbeulkurve. dene Verbindungstechniken. Davon sind die häu-
Anstelle des Nachweises mit den vorerwähnten figst verbreiteten Techniken das Schweißen und
drei verschiedenen Nachweissträngen, die jeweils das Schrauben. Die Überlegungen zum Einsparen

eigene Schlankheitswerte Op und eigene Beulkurven von Montageaufwand führen aber zunehmend zu
definieren, kann auch mit dem Spannungsfeld bei Techniken, bei denen die Montageschritte
gleichzeitiger Wirkung von VxEd, WEd und VyEd ohne
– Ausrichten,
Aufteilung in die Nachweisstränge gerechnet wer-
– Absetzen und Sichern,
den, wenn mit Finiten Elementen nach folgendem
– Verschlossern
Schema vorgegangen wird:
durch geeignete konstruktive Ausbildungen be-
1. Ermittlung des Lasterhöhungsfaktors Dult,k, der schleunigt werden. Das führt zu Schnellverbin-
zu plastischem Versagen des Beulfeldes ohne Be- dungen mit geringen Kranhaltezeiten und Ver-
rücksichtigung von Beulverformungen führt, schlosserungsaufwand wie in Abb. 3.4-37 (weitere
3.4 Stahlbau 1203

Tabelle 3.4-4 Übersicht über Verbindungstechniken

Schrauben und Schraubenverbindungen


Schrauben entsprechen der Produktnorm EN 1090-2
(Abb. 3.4-38). Sie werden mit verschieden Stahlgü-
ten (Tabelle 3.4-5) und Schaftdurchmessern (Tabel-
le 3.4-6) geliefert. Hochfeste Schrauben können wie
Stahlbauschrauben oder als vorgespannte Schrau-
ben eingesetzt werden. Schrauben können auf Ab-
scheren, auf Zug oder kombiniert auf Abscheren
und Zug belastet werden.
Tabelle 3.4-7 zeigt die angenommenen Festig-
Abb. 3.4-37 Sigma-Knoten von Rüter [Stahl-Informations-
keitsfunktionen für die verschiedenen Beanspru-
Zentrum 2000]
chungen und Bruchstellen. Die Versuchsauswer-
tungen nach 3.4.3.1 führten zu den in Tabelle 3.4-7
Beispiele s. [Bauberatung Stahl 1996; Stahl-Infor- angegebenen Bemessungsfunktionen [ECCS 1991].
mations-Zentrum 2000]). Neben den Versagensformen in den Schrauben
Die Bemessungstechniken für Verbindungen selbst sind auch Versagensformen im Grundwerk-
können am besten anhand der Schraubenver- stoff zu beachten (Tabelle 3.4-8). Diese gliedern sich
bindungen und Schweißverbindungen überblickt in Lochleibungsversagen und Nettoquerschnittsver-
werden. sagen entweder in Blechen oder Winkeln.

Abb. 3.4-38 Stahlbauschrauben und hochfeste Schrauben [Hirt/Bez 1998]


1204 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.4-5 Mechanische Eigenschaften von Schraubenstählen

Tabelle 3.4-6 Kennwerte und Sinnbilder von Schrauben [Hirt/Bez 1998]

Tabelle 3.4-7 Bemessungsfunktion Schrauben


3.4 Stahlbau 1205

Tabelle 3.4-8 Festigkeit von Schrauben und Schraubenverbindungen

Die aus den Versuchsauswertungen ermittelten Schrauben, die im Hinblick auf Abscher- oder
Bemessungsfunktionen in Tabelle 3.4-8 stehen in Lochleibungsversagen bemessen werden, bilden
Zusammenhang mit den Randabständen e und den Scherlochleibungs (SL)-Verbindungen. Diese wir-
Lochabständen p, die mit folgenden Mindest- und ken i. d. R. mit Spiel 1 bis 3 mm, können aber auch,
Höchstwerten für die Konstruktion spezifiziert z. B. bei Belastungen mit Richtungsumkehr, als
sind: Passschrauben mit sehr kleinem Spiel (Toleranzen
H11/h11 entsprechen einem Spiel von 0,2 mm)
eingesetzt werden.
Hochfeste SL-Schrauben werden auch vorge-
spannt, um einen festen Sitz der Muttern zu erzie-
len. Vorsicht ist bei kleinen Klemmlängen und
(3.4.52) Vorspannung über Beschichtungen und Überzügen
angebracht, bei denen Vorspannverluste durch
In Tabelle 3.4-9 sind für empfohlene Abstände, die Kriechen der Beschichtungen und Überzüge auf-
zu hoher, mittlerer oder niedriger Tragfähigkeit treten können [Katzung/Pfeiffer/Schneider 1996].
führen, die charakteristischen Festigkeiten für 10- Die Vorspannung der hochfesten Schrauben ist
mm-Bleche angegeben. u. a. bei Zug-(Z)-Verbindungen sinnvoll, da die
1206 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.4-9 Lochleibungswiderstände [ECCS 1991]

Vorspannung eine Kompression der vorgespannten auf die vorgespannte Fuge. Das Kleinhalten der
Fuge erzeugt, die in ihrer gesamten Fläche die an- Schraubenbelastung aus Ft,Ed ist besonders wich-
gelegte Zugbelastung bis zur Dekompression über- tig, wenn Ft,Ed zu ermüdungswirksamen Lastspie-
nimmt und dadurch die Schraubenbelastung aus len ¨Ft führt, da die Ermüdungsfestigkeit im
äußerer Zugbelastung klein hält [Katzung et al. Schraubengewinde klein ist (s. Abb. 3.4-43).
1996]. Abbildung 3.4-39 zeigt ein typisches Kom- Sind die Kontaktflächen für Gleitfestigkeit vor-
pressionsdiagramm infolge der Vorspannkraft Fp,cd bereitet (s. Tabelle 3.4-10), dann kann die vorge-
und die Aufteilung der außen angelegten Zugbelas- spannte Verbindung als Gleitfeste-Vorgespannte
tung Ft,Ed in die Zuganteile auf die Schrauben und (GV)-Verbindung eingesetzt werden, die die Ab-
3.4 Stahlbau 1207

Abb. 3.4-39 Vorspannungsdiagramm und Wirkung von Zugkräften Ft,Ed auf den Gleitwiderstand FS,Rd

Tabelle 3.4-10 Reibbeiwerte für gleitfeste vorgespannte Schrauben

scherkräfte in den Fugen nicht über die Abscher- Tabelle 3.4-11 Kategorien für geschraubte Anschlüsse
festigkeit im Schraubenschaft, sondern durch Rei-
bung in der Kontaktfläche überträgt. Dabei wird
danach unterschieden, ob die Gleitfestigkeit nur
als Gebrauchstauglichkeitsforderung besteht und
nach dem Rutschen oberhalb der Gebrauchsgren-
zen die SL-Verbindung für die Tragfähigkeit an-
springen kann oder ob GV-Eigenschaften auch für
den Tragsicherheitsnachweis gefordert werden. Im
letzten Fall darf im Grenzzustand der Tragfähig-
keit kein Fließen im Nettoquerschnitt des Grund-
werkstoffs auftreten, da infolge der mit dem Flie- Tabelle 3.4-11 gibt einen Überblick über die
ßen verbundenen Querkontraktion die Vorspan- möglichen Schraubenkategorien je nach Behand-
nung abfallen würde. Abbildung 3.4-39 zeigt auch, lung von Schrauben, Kontaktfuge und Einsatz-
wie die Gleitfestigkeit der Verbindung FS,Rd bei ei- zweck.
ner angelegten Zugbelastung Ft,Ed abfällt. Das ausgeprägte plastische Last-Verformungs-
Methoden zur Aufbringung der Vorspannung, vermögen von SL-beanspruchten Schrauben macht
deren Mindestwert Fp,cd = 0,7 · fub · AS erreicht wer- es möglich, bei der Tragsicherheitsbemessung von
den muss, sind das Drehmomentenverfahren mit de- Schraubengruppen von einfachen elastischen oder
finiertem Drehmoment, das Drehwinkelverfahren plastischen Lastverteilungsmodellen auszugehen.
mit definiertem Drehwinkel nach festem Anziehen Abbildung 3.4-40 zeigt solche Modelle für die Be-
und das kombinierte Verfahren, siehe EN 1090-2. anspruchung von Schraubengruppen durch Mo-
1208 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-40 Kräfteverteilung bei Scherverbindungen

mente, Zug, Druck oder Querkräfte oder durch eine erhebliche Hebeleffekte auf, die die Schrauben-
Kombination von Querkräften und Momenten. kräfte vergrößern. Daher ist besonders bei Ermü-
Grenzen für die Anwendung solcher vereinfachten dungsbelastung ¨Ft darauf zu achten, dass der Fall
Modelle treten nur dann auf, wenn Grenzen der Ver- A realisiert wird.
formungsfähigkeit erreicht werden (Abb. 3.4-41).
Die vorgenannten elastischen und plastischen Träger-Stützen-Verbindungen
Modelle gelten auch im Grenzzustand der Trag- Die früheren Methoden zur Dimensionierung von
sicherheit für GV-Verbindungen des Typs C, da die Schraubenverbindungen wurden von Nietkonstruk-
plastischen Ausgleichsmöglichkeiten durch Rut- tionen abgeleitet. Dabei war das schrittweise Vor-
schungen einzelner Schrauben erreicht werden. gehen:
Bei Z-Verbindungen mit nicht vorgespannten
– Berechnung der Schnittgrößen an der Stoßstelle,
Kopfplatten ist gemäß Abb. 3.4-42 besonders darauf
– Aufteilung der Kräfte aus den Schnittgrößen auf
zu achten, daß – bedingt durch die Verbiegemög-
einzelne zu stoßende Bauteile,
lichkeit der Kopfplatte – Hebelkräfte Q auftreten
– Stoß dieser Bauteile derart, dass Festigkeits- und
können, die die Schrauben über die angelegten Zug-
Steifigkeitskontinuität besteht.
kraft FtEd hinaus belasten können. Nur eine steife
Kopfplatte, die zu vollständiger Klaffung der Fuge Wendet man dieses Vorgehen auf eine Rahmenecke
führt, kann die Hebelkräfte vermeiden. an, so erhält man zwangsläufig Aussteifungen und
Sind die Kopfplatten vorgespannt (Abb. 3.4-43), Detailverstärkungen (Abb. 3.4-44).
so hängt die Frage, ob dies zu einer Entlastung der Von Offshore-Konstruktionen ist für das Kons-
Schrauben führt, im Wesentlichen davon ab, wo truieren mit Hohlprofilen eine andere Vorgehens-
sich die komprimierten Flächen befinden: Liegen weise übernommen worden. Man gibt nicht die
diese auf der direkten Linie des Lastdurchgangs, Kräfte vor und konstruiert danach, sondern gibt
dann sind die Schrauben entlastet (Fall A). Liegen wirtschaftliche steifenlose Konstruktionen vor und
diese dagegen am Plattenrand (Fall B), so treten fragt nach deren Festigkeit (Abb. 3.4-45). Abbildung
3.4 Stahlbau 1209

Abb. 3.4-41 Begrenzung der Tragfähigkeit von langen Schraubenverbindungen oder bei Exzentrizitäten

Abb. 3.4-42 Kräfteverteilung bei zugbeanspruchten Kopf- Abb. 3.4-43 Einfluss der Gestaltung von Kopfplattenver-
plattenverbindungen bindungen auf die Zugbeanspruchung der Schrauben
1210 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-44 Ausgesteifte Rahmenecke Abb. 3.4-46 Steifenlos geschweißte Walzprofilknoten

Abb. 3.4-47 Winkelverformungen (Rotationen F) im Rah-


Abb. 3.4-45 Steifenlos geschweißte Hohlprofilknoten menknoten aufgrund verformbarer steifenloser Anschlüsse

3.4-46 zeigt ähnlich ausgebildete steifenlose Walz- die sogenannte Momenten-Rotationskurve aufge-
trägerverbindungen. nommen wird (Abb. 3.4-48). Man erhält typische
Während sich bei Fachwerken die Steifenlosig- Kurven für bestimmte Verbindungstypen, die ne-
keit in Knoten im Wesentlichen in geringerer Festig- ben der Tragfähigkeit MRd auch Aufschluss über
keit niederschlägt und die lokalen elastischen und Anfangssteifigkeit und Rotationsverhalten geben.
plastischen Verformungen bei ausreichender Be- Durch Vergleich mit der Tragfähigkeit Mpl des an-
messung der Schweißnähte genügen, um die der Be- geschlossenen Trägers erhält man zunächst eine
rechnung zugrunde gelegten Bedingungen für Ge- erste Klassifizierungsmöglichkeit nach der Tragfä-
lenkfachwerke herzustellen, entstehen bei Rahmen- higkeit, nämlich in gelenkige Verbindungen, voll-
knoten neben dem lokalen Festigkeitsabfall auch tragfähige Verbindungen und die dazwischen lie-
lokale Winkelverformungen in den Verbindungen, gende Teiltragfähigkeit.
die einen erheblichen Beitrag zur Gesamtverfor- Die zweite Klassifizierungsmöglichkeit betrifft
mung liefern können und damit die Verteilung der die Steifigkeit, wobei sich die elastische Ini-
Schnittgrößen beeinflussen können (Abb. 3.4-47). tialsteifigkeit als zweckmäßig für die Klassenbil-
Die Beschreibung des Verbindungsverhaltens dung herausstellt (Abb. 3.4-49); für eine bilineare
erfolgt anhand von Bauteilversuchen, bei denen Approximation der Momenten-Rotationskurven
die Beziehung zwischen Moment und Verdrehung, wird natürlich eine geringere Sekantensteifigkeit
3.4 Stahlbau 1211

Abb. 3.4-48 Klassifizierung von Anschlüssen nach Tragfähigkeit gemäß der Momenten-Rotationskurve

Abb. 3.4-49 Steifigkeitswerte aus der Momenten-Rotationskurve

verwendet. Die Steifigkeitsklassifizierung geht aus formbar“, also einer Steifigkeit so groß wie nö-
Abb. 3.4-50 hervor, wobei nach seitlich unver- tig, eine Gestaltungsoptimierung im Hinblick auf
schieblichen und seitlich verschieblichen Rahmen- ausreichende Festigkeit vorgenommen.
elementen unterschieden wird. Die Bewertung der – Es wird mit Steifigkeits- und Festigkeitsvariati-
Initialsteifigkeit der Verbindung erfolgt durch Be- onen optimiert und dazu die Verformung der Ver-
zug auf die Steifigkeit der angeschlossenen Träger. bindungen in das statische Modell für das Gesamt-
Die Grenzkurven für „starr“, „verformbar“ und tragwerk einbezogen. Das kann zu einem Opti-
„gelenkig“ erlauben eine rasche Einteilung. mum einer verformbaren Verbindung an der Gren-
Die Kostenoptimierung für steifenlose Verbin- ze zwischen „verformbar“ und „gelenkig“ führen.
dungen kann also folgende Wege gehen [Weynand – Es wird planmäßig mit dem Auftreten plastischer
1997; Dt. Stahlbau-Verband 2000; EN 1993-1-8]: Gelenke an den Verbindungen gerechnet.

– Es wird wie bisher die Anforderung nach „star- Für die einfache Bestimmung der Festigkeits- und
rer“ Verbindung beibehalten und mit einer Stei- Steifigkeitseigenschaften von Verbindungen exis-
figkeit an der Grenze zwischen „starr“ und „ver- tieren einfache Berechnungsmodelle in EN 1993-
1212 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-50 Klassifizierung von Anschlüssen nach der Verformungssteifigkeit

1-8, die darauf beruhen, dass man die Verbindungen


in Grundkomponenten zerlegt. Eine Komponente
ist z. B. der T-Stummel zur Erfassung der Flansch-
biegung (Abb. 3.4-51). Weitere Komponenten, die
Festigkeit, Steifigkeit und Rotationsverhalten be-
einflussen, sind
– Stützensteg (Schub, Druck, Zug),
– Stützenflansch (Biegung),
– Kopfplatte (Biegung),
– Betonstahl (Zug),
– Beton (Druck).
Jeder dieser Komponenten kann ein typisches Fe-
derverhalten und ein bestimmtes Versagen mit ei-
ner typischen Festigkeit zugeordnet werden, und
durch Abbildung der gesamten Verbindung als Fe- Abb. 3.4-51 T-Stummel als Modell für das Verhalten der
dermodell mit Federn in Serie und Reihe können Komponente „Flansch“
die Initialsteifigkeit und die Festigkeit der gesam-
ten Verbindung bestimmt werden (Abb. 3.4-52). einem besonderen Qualitätssicherungsverfahren un-
EN 1993-1-8 liefert einen Katalog standardi- terworfen ist (s. 3.4.1), dass für Stahlsorten S235 bis
sierter Verbindungen (Tabelle 3.4-12), für die das S460 die Festigkeit der Nähte mindestens der Fes-
Verhalten der einzelnen Komponenten durch For- tigkeit des verschweißten Grundwerkstoffs ent-
meln beschrieben wird. Die Berechnung der Ver- spricht. Damit entfallen alle besonderen Tragsicher-
bindungen ist damit mit kleinen Rechnern ein- heitsnachweise für durchgeschweißte Nähte, da für
fach möglich, sodass Kostenoptimierungen schnell Nähte die Festigkeitswerte des Grundwerkstoffs
durchgeführt werden können. verwendet werden dürfen. Besondere Nachweise
Grundsätzlich sind die Verfahren für die Be- gelten nur für die Ermüdung von Schweißnähten, da
handlung von Träger-Stützenverbindungen auch auf die geometrischen und „metallurgischen“ Kerben
Rahmenecken oder Rahmenfußpunkte anwendbar. einer Naht besondere Auswirkungen auf die Ermü-
dungsfestigkeit haben (s. 3.4.5).
Schweißverbindungen Bei Kehlnähten und anderen nicht durchge-
Für Schweißverbindungen gelten die Bezeich- schweißten Nähten wird von einer wirksamen
nungen nach Tabelle 3.4-13 und Abb. 3.4-53. Grund- Nahtdicke a ausgegangen, die sich als Höhe des
sätzlich gilt für Schweißnähte, deren Herstellung eingeschriebenen Dreiecks gerechnet für die Kon-
3.4 Stahlbau 1213

Abb. 3.4-52 Modellierung des Verformungsverhaltens von Verbindungen aus Komponenten

Tabelle 3.4-12 Beispiele aus dem Katalog von Verbin- turen der Nahtvorbereitung ergibt (Abb. 3.4-54).
dungstypen in prEN 1993-1-8 Bei durch Schweißverfahrensprüfung belegtem
größeren Einbrand darf die Nahtdicke auch einen
Teil der Einbrandtiefe mit berücksichtigen. Die
Nahtfestigkeit bezieht sich auf den durch die Naht-
dicke a und die Nahtlänge " aufgespannten Naht-
querschnitt (Abb. 3.4-55).
Für die Ermittlung der Beanspruchung gibt es
zwei Verfahren (EN 1993-1-1):
1. Ein Verfahren, das unabhängig von der Ausrich-
tung des Nahtquerschnitts zur Kraft ist, bei dem
also der Nahtquerschnitt in eine der beiden
Nahtschenkelflächen geklappt werden darf.
Dann lautet der Nachweis (Abb. 3.4-56):

(3.4.53)

2. Ein Verfahren, das abhängig von der Ausrichtung


des Nahtquerschnitts ist, bei dem der Nachweis
lautet (Abb. 3.4-57):

(3.4.54)

Die Beiwerte Ew = 0,8/0,9/1,0 für S 235/S 355/S 460


sind aus Versuchen ermittelt; sie gelten für JMw =
1,25 für alle Richtungen, die die Nahtachse zur
1214 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.4-13 Ausführungsmöglichkeiten verschiedener Verbindungs- und Nahtformen [Hirt/Bez 1998]

Abb. 3.4-53 Beispiele durchgeschweißter Nähte und ihre symbolische Darstellung [Hirt/Bez 1998]

Kraftrichtung einnimmt, sodass die Festigkeiten ringer als bei durchgeschweißten Nähten. Auch die
von Nahtabschnitten unabhängig von der Richtung Spannungsspiele ¨Vw und ¨Ww werden beim Ermü-
addiert werden können. dungsnachweis von Schweißnähten anders gehand-
Bei langen überlappten Anschlüssen mit Kehl- habt als beim Grundmaterial (s. 3.4.5).
nahtlängen " > 150a, bei denen ungleichmäßige
Spannungsverteilungen zu Überlastungen führen Geschweißte Anschlusskonstruktionen
können, ist die Nahtfestigkeit mit Für geschweißte Träger-Stützen-Verbindungen
oder die geschweißten Kopfplattenanschlüsse von
(3.4.55) geschraubten Träger-Stützen-Verbindungen müssen
die Schweißnähte so bemessen werden, dass sie
zusätzlich abzumindern. Näheres siehe EN 1993-1-8. die Kräfte und Verformungen, die den Komponen-
Die Ermüdungsfestigkeit nicht durchgeschweiß- ten abverlangt werden, ohne Bruch überstehen.
ter Nähte ist wegen der Kraftumlenkungen und Die Bemessung erfolgt also nach der Kapazi-
größeren Kerbwirkungen an den Nahtwurzeln ge- tätsbemessungsmethode für die plastischen Schnitt-
3.4 Stahlbau 1215

Abb. 3.4-54 Definition der rechnerischen Nahtdicke D[Hirt/Bez 1998]

Abb. 3.4-55 Kraftübertragung einer Kehlnaht und Nahtquerschnitt al [Hirt/Bez 1998]

Abb. 3.4-56 Definition der Spannungskomponenten VA, Abb. 3.4-57 Definition der Spannungskomponenten VA,
WA und W__ nach Klappen des Nahtquerschnitts al in eine der WA und W__ am nicht geklappten Nahtquerschnitt
Nahtschenkelflächen
1216 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

größen der angeschlossenen Teile. In der Regel 3.4.5 Ermüdungsnachweise


führt das zur Wahl durchgeschweißter Nähte oder
gleichfester nichtdurchgeschweißter Nähte (z. B. 3.4.5.1 Historisches
Kehlnähte). Das gleiche Prinzip der Kapazitätsbe- Frühere Berechnungsvorschriften beruhten auf Er-
messung gilt auch für geschweißte Hohlprofil- müdungsfestigkeiten, die anhand von Ermüdungs-
konstruktionen oder geschweißte Mischkonstruk- versuchen mit kleinen Proben ermittelt wurden,
tionen aus Hohlprofilen und offenen Profilen. zunächst als Wöhler-Kurven aus Bruchspielzahlen
Bei diesen steifenlosen Anschlüssen rekrutieren für mehrere Niveaus 'V = Vo – Vu bei einer vorge-
sich die Tragfähigkeiten aus Kräfteumlagerungen gebenen Unterspannung Vu. Bei 2 · 106 Lastwech-
infolge plastischer Verformungen, und die Tragfä- seln wurde die Versuchsreihe abgebrochen und in
higkeiten sind nicht mehr in einfacher Form aus 'VRD eine ausreichende Annäherung an die Dauer-
Gleichgewichts- und elastischen Verformungsmo- festigkeit gesehen. Im doppeltlogarithmischen
dellen für die Einzelteile der Anschlüsse herleitbar. Maßstab würde diese Auswertung zu der biline-
Es gelten vielmehr Festigkeitsfunktionen, die an aren Festigkeitsfunktion nach Abb. 3.4-58 führen.
den Ergebnissen von Tragfähigkeitsversuchen, die Ausgehend von der Dauerfestigkeit 'VRD, die
in bestimmten Bereichen geometrischer und werk- der Nutzlastwirkung Vo – Vu zugeschrieben werden
stofflicher Parameter durchgeführt wurden, nach kann, kann über der Unterspannung Vu eine maxi-
dem Verfahren in 3.4.3.1 kalibriert wurden (Tabel- male Beanspruchbarkeit Vo definiert werden, die
le 3.4-14). bei Vorgabe von Sicherheitsfaktoren Jy für das Er-
Zu den Ermüdungsnachweisen für solche stei- reichen der Streckgrenzen fy und Jf für das Errei-
fenlosen Konstruktionen s. 3.4.5. chen der Oberspannung Vo zu zulässigen Span-

Tabelle 3.4-14 Beispiel für die Gestaltfestigkeit von geschweißten Anschlüssen aus Hohlprofilstreben und einem I- oder
H-Profil-Gurtstab nach DIN V ENV 1993-1-1
3.4 Stahlbau 1217

Abb. 3.4-58 Wöhler-Linie im doppeltlogarithmischen Maß- Abb. 3.4-59 Zulässige Beanspruchbarkeit bei schwingen-
stab der Beanspruchung über Unterspannung

nungen unter Berücksichtigung von ¨VRD führt


(Abb. 3.4-59). Eine Auftragung dieser zulässigen
Spannungen über R = Vu/Vo führt zu dem Verlauf in
Abb. 3.4-60, der prinzipiell dem Verlauf der zuläs-
sigen Spannungen bei den früheren Eisenbahnvor-
schriften entspricht.

3.4.5.2 Grundlagen der Ermüdungsfestigkeit


in EN 1993-1-9
Die Ermüdungsregelungen in EN 1993-1-9 basie-
ren auf den Empfehlungen der EKS und des IIW,
die auf Versuchsergebnissen von Ermüdungsver-
Abb. 3.4-60 Zulässige Beanspruchbarkeit bei schwingen-
suchen mit großen, bauteilähnlichen Proben beru-
der Beanspruchung über R = Vu/Vo
hen. Diese ließen folgende Schlussfolgerungen zu:

1. Für geschweißte Konstruktionen ist die Ermü- von ND wird der Einhängepunkt in Anlehnung an
dungsfestigkeit ¨VR aber abhängig von der Span- die Vorgehensweise von Wöhler bei 2 ·106 Last-
nungsspielen ¨V und unabhängig von den Span- wechseln gewählt.
nungsniveaus Vo und Vu, also z. B. unabhängig 5. Die Ermüdungsfestigkeiten sind weitgehend un-
davon, ob sie im Zugbereich oder Druckbereich abhängig von der Stahlsorte und Stahlgüte. Sie
ermittelt wurde, da die Eigenspannungen die Mit- gelten also z. B. in gleicher Weise für S 235 und
telspannung aus der Last überlagern. S690.
2. Die statistische Auswertung der Versuche führt
Damit ist eine Wöhler-Festigkeitsfunktion für ein
zu Geraden für Mittelwerte (m) und Mittelwerte
bestimmtes Konstruktionsdetail durch die Funk-
minus 2 u Standardabweichung (m – 2V), die für
tion (Abb. 3.4-61)
geschweißte Details etwa die Neigung 1/m=1/3
haben. (3.4.56)
3. Die Dauerfestigkeit liegt eher bei ND = 5 ·106
Lastwechseln. beschrieben, und die Dauerfestigkeit beträgt
4. Die charakteristische Ermüdungsfestigkeit wird
durch die (m – 2V) | Pü = 95 %-Gerade bestimmt,
(3.4.57)
und im Hinblick auf die Unsicherheit zur Größe
1218 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

gleiche Prinzip beibehalten. Kerbfalltabellen enthält


EN 1993-1-9.
Für nicht geschweißte Konstruktionsdetails
ohne Eigenspannungen oder geschweißte und
spannungsfrei geglühte Bauteile dürfen die Regeln
wie bei geschweißten Konstruktionsdetails auf der
sicheren Seite liegend angewendet werden. Der
Vorteil, den die Ermüdungsbelastung im Druckbe-
reich liefert, darf nach Abb. 3.4-63 dadurch berück-
sichtigt werden, daß die ermüdungsschädigende
Wirkung der Druckkomponente des Spannungs-
spiels 'Vi auf 60 % reduziert oder die Ermüdungs-
festigkeit 'VR gleichwirkend erhöht wird.

3.4.5.3 Behandlung von ı-t-Verläufen


Abb. 3.4-61 Definition der Ermüdungsfestigkeit nach prEN
1993-1-9 für geschweißte Konstruktionsdetails In der Regel liegen die wirklichen Zeitverläufe V-t
der Ermüdungsbeanspruchungen nicht als harmo-
nische mit konstanter Amplitude wie im Ermü-
Für die Einstufung vieler Details bot sich ein Gera- dungsversuch vor, sondern als unregelmäßige
denraster mit gleichen Abständen nach Abb. 3.4-62 Spannungszeitverläufe (Abb. 3.4-64).
an, wobei der Abstand nach der Normzahlenreihe Solche Zeitverläufe können aus Messungen, aus
R20 = 1,12 gewählt wurde und ausgehend von rechnerischer Auswertung von Betriebsvorgängen
'Vc = 100 N/mm2 die Festigkeitsreihe festgelegt (z. B. Auswertung von Einflusslinien bei Brücken),
wurde. In Sonderfällen, in denen die Wöhler-Lini- oder dynamischen Simulationen des Betriebs von
enneigung flacher ist als 1/3 (z. B. 1/5 bei Schubbe- Bauwerken ermittelt werden. Für die Auswertung
anspruchungen 'W), wurde – wenn möglich – das gibt es anerkannte Zählmethoden, z. B. die Rain-

Abb. 3.4-62 Normierte Ermüdungsfestigkeitskurven [Hirt/Bez 1998]


3.4 Stahlbau 1219

zugewiesen werden. Der Bruch ist erreicht, wenn


Di = 1,0 (Abb. 3.4-65).
Bei verschiedenen Blöcken 'Vi , ni können die
Schädigungen Di nach der Miner-Regel akkumu-
liert werden, und der Gesamtschaden lautet

(3.4.59)

Damit ist für das unregelmäßige Histogramm der


verschiedenen Ermüdungsbeanspruchungen 'Vi ,
Abb. 3.4-63 Vergrößerungsfaktoren P für die Ermüdungs- ni ein schadensäquivalentes Einstufenhistogramm
festigkeit 'VR in Abhängigkeit von der Mittelspannung Vm
mit der Amplitude 'Ve und der Gesamtzahl 6ni be-
rechenbar, das direkt mit der Wöhler-Linie vergli-
chen werden kann:
flow-Methode oder die Reservoir-Methode, die in
Abb. 3.4-64 dargestellt ist. Das Ergebnis der Aus- (3.4.60)
wertung ist entweder ein Histogramm, geordnet
nach der Spannungsspielhöhe 'Vi , oder eine Dich- oder
teverteilung für 'Vi .
(3.4.61)
3.4.5.4 Schädigungsverhalten
und Schadensäquivalenz
3.4.5.5 Ermüdungsnachweis
Jedem der Beanspruchungsblöcke 'Vi , ni kann im
Bereich oberhalb der Dauerfestigkeit der Wöhler- Ausgangspunkt des Ermüdungsnachweises ist der
Linie eine Schädigung Ermüdungsschädigungsnachweis

(3.4.58) (3.4.62)

Abb. 3.4-64 Auswertung von Spannungszeitverläufen mit Zählmethode Rainflow oder Reservoir und Ordnung der 'Vi,
ni-Werte in Histogrammen oder Dichteverteilungen
1220 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-65 Schadensakkumulation nach der Miner-Regel und schadensäquivalentes Spannungsspiel

oder

(3.4.63)

Dieser Nachweis wird für die meisten Anwen- in


dungen in einen Nachweis mit Spannungsspielen
(3.4.66)
umgeschrieben:
mit
(3.4.64)
mit

umgeschrieben werden und hat damit das gleiche


Aussehen wie Gl. (3.4.64).
Für den Fall 3 nach Abb. 3.4-66, bei dem Teile
Dieser Nachweis gilt für den Fall 1 nach Abb. 3.4-66, der Spannungsspiele 'Vi oberhalb der Dauerfes-
wenn sich alle Spannungsspiele von 'Vmax bis 'Vmin tigkeit 'VD liegen und Teile darunter, muß beach-
im Bereich der Wöhler-Geraden befinden, also tet werden, dass die Dauerfestigkeit infolge der
'Vmin t'VD gilt. Ermüdungsschädigung absinkt, also nach Aufbrin-
Für den Fall 2 nach Abb. 3.4-66, wenn sich alle gen von Spannungsspielen 'Vi oberhalb 'VD auch
Spannungsspiele 'Vi unterhalb der Dauerfestigkeit Spannungsspiele unterhalb von 'VD zur Ermü-
befinden, also keine Begrenzung der Nutzungs- dungsschädigung beitragen können.
dauer besteht, gilt die Bedingung Dies wird dadurch berücksichtigt, dass die Wöh-
ler-Linie für die Auswertung über die Dauerfestig-
(3.4.65) keit hinaus mit einer Neigung (2m – 1), im Fall
m = 3 also mit der Neigung m = 5, verlängert wird.
Dieser Nachweis kann mit Nur Spannungsspiele unterhalb des Schwellen-
wertes der Ermüdungsfestigkeit (Cut-off-Punkt)
3.4 Stahlbau 1221

Abb. 3.4-66 Nachweisfälle bei verschiedener Position der Dichteverteilung von 'Vi zur Dauerfestigkeit 'VD

werden nicht mehr berücksichtigt, da sie nach


bruchmechanischer Deutung keinen Beitrag mehr
wobei mit
zum Risswachstum liefern, da sich ¨K unterhalb
von ¨Kth befindet (s. Abb. 3.4-13).
Der Ermüdungsnachweis lautet dann mit den
Schädigungsanteilen

der Nachweis lautet:


(3.4.67)
(3.4.68)
mit
Vereinfacht kann man nach Abb. 3.4-66 auf der
sicheren Seite liegend nur den Anteil mit m = 5 der
Wöhler-Linie in Anspruch nehmen, sodass mit
1222 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Bei zusammengesetzten Beanspruchungen mit V mulation, die zur plastischen Verformungsakku-


und W an einer Kerbstelle dürfen die Nachweise mulation (Shake-down-Effekt) führen könnte.
wie folgt geführt werden: Für bestimmte Detailpunkte, die in die Details
in EN 1993-1-9 nicht unmittelbar einstufbar sind,
1. Verlaufen die V-Spannungen und W-Spannungen
sich aber von bestimmten Schweißdetails nur durch
an einer Kerbstelle im Grundmaterial zeitlich in
geometrische Veränderungen des Bauteils unter-
Phase, dann ist für das Grundmaterial die Haupt-
scheiden, darf das „geometrische Verfahren“ ange-
spannung wirksam, und 'VH bezeichnet die
wendet werden. Dabei wird die Nennspannung 'V,
Hauptspannungsspiele.
für die das Schweißdetail gilt, mit dem Kerbfaktor
2. Verlaufen die V-Spannungen und W-Spannungen
vergrößert, der sich bei Annahme elastischen Ver-
an einer Kerbstelle im Grundmaterial zeitlich
haltens aus der gegenüber dem Schweißdetail ver-
nicht in Phase oder handelt es sich um
änderten Geometrie ergibt, und dann der Nachweis
Schweißnahtspannungen quer mit der Ermüdungsfestigkeit geführt, die sich ohne
Kerbfaktor ergibt. Ein wichtiges Feld, in dem sol-
zur Naht und Ww = WII längs zur Naht, (s. auch
che Kerbfaktoren angewendet werden, bilden ge-
3.4.4.5), dann gilt der Nachweis für die Schädi-
schweißte Hohlprofilkonstruktionen.
gungssumme
Für einfache Fälle solcher geschweißter Hohl-
(3.4.69) profilkonstruktionen gibt es auch Wöhler-Linien-
einstufungen, in denen die ungünstigsten Kerb-
oder mit schadensäquivalenten Beanspruchungen faktoren auf der Festigkeitsseite berücksichtigt
sind, sodass man direkt mit Nennspannungen ar-
beiten kann (EN 1993-1-9).
(3.4.70) Wenn die geometrischen Verfahren nicht ausrei-
chen, um ein Kerbdetail einzustufen, dann kann dies
Zur Abgrenzung von Spannungsspielen 'Vi gegen nach dem sog. „kombinierten“ Verfahren durchge-
die obere Gültigkeitsbegrenzung des Wöhler-Linien- führt werden, bei dem zwei Phasen der Ermüdungs-
bereichs, durch die plastische Dehnungsspiele ausge- schädigungen unterschieden werden (Abb. 3.4-67)
schlossen werden sollen (s. auch 3.4.5.8), wird noch [Jo 1991]:

(3.4.71) – die Rissinitinierungsphase bis zum Entstehen von


kleinen Rissen ao ~0,25 mm; diese Phase kann nach
gefordert. Damit wird erreicht, dass sich die Span- dem Kerbgrundverfahren beschrieben werden.
nungsschwingspiele im elastischen Bereich ein- – die Rissfortschrittsphase, bei der – ausgehend von
schwingen. Gleichzeitig ist dieser Nachweis auch Anfangsrissen – Risswachstum stattfindet, bis die
eine Sicherung gegen plastische Dehnungsakku- kritische Rissgröße zum Bruch erreicht wird. Die-

Abb. 3.4-67 Zusammensetzung der Gesamtnutzungsdauer Nt [Jo 1991]


3.4 Stahlbau 1223

Tabelle 3.4-15 Unterschiede bei der Spezifizierung der Er- Damit kann
müdungsbelastung
(3.4.72)
berechnet werden.
Für Brücken werden ermüdungswirksame Fahr-
zeuge als Bezugsfahrzeuge für die Belastung angege-
ben, mit denen eine Bezugsspannung 'Vref bestimmt
werden kann, um dann mit mehreren O-Werten die
schadensäquivalente Beanspruchung 'Ve ermitteln
zu können. Für Eisenbahnbrücken lautet z. B.

(3.4.73)
mit
)2 dynamischer Vergrößerungsbeiwert,
O1 Spannweitenbeiwert,
O2 jährliches Verkehrsaufkommen,
O3 Lebendauer,
O4 Begegnungshäufigkeit,
se Phase kann mit bruchmechanischen Verfahren
'Vuic = 'Vref für UIC-Belastung.
beschrieben werden.
Für andere ermüdungswirksame Belastungen (z. B.
Die Rissinitiierungsphase liefert den überwiegen-
Maschinen oder für Schwingungen aus Winderre-
den Anteil der Nutzungsdauer NR bei kleinen Bau-
gung), gibt es Berechnungsverfahren für 'Ve und
teilen, (z. B. Schrauben oder Maschinenbauteilen)
n, die in den Normen (z. B. EN 1991-1-4 für Wind
oder bei dünnen Blechkonstruktionen.
oder EN 1991-5 für Maschinen) zu finden sind.
Die Rissfortschrittsphase liefert den überwie-
genden Anteil der Nutzungsdauer bei üblichen ge-
schweißten Stahlbauteilen größerer Abmessungen 3.4.5.7 Sicherheitskonzept für
und wird deshalb in diesen Bereichen vorwiegend Ermüdungsnachweise
eingesetzt. Die Anfangsgröße wird so gewählt, dass
Für den Ermüdungsnachweis gelten Teilsicher-
sie ¨K-Werte liefert, die gerade oberhalb des Thresh-
heitsfaktoren auf der Beanspruchungs- und Bean-
hold-Wertes ¨Kth liegen, es sei denn, es müssen grö-
spruchbarkeitsseite:
ßere Anfangsrisse a priori angenommen werden.
3.4.5.6 Ermüdungsbelastung (3.4.74)
Ermüdungsbelastungen liegen entweder als ge-
messene oder gerechnete Spannungszeitverläufe V-t
Grundsätzlich wird bei allen Konstruktionen, die
vor, sind in Form von Dichteverteilungen oder
wesentliche Ermüdungsbelastungen erfahren, so-
Spannungsspektren der Spannungsschwingbreiten
dass sie auf Ermüdungssicherheit hin zu dimensio-
schon aufbereitet, oder werden in Normen oder
nieren sind, vorausgesetzt, dass sie in bestimmten
Spezifikationen bereits als schadensäquivalente
Zeiträumen (den sog. Prüfintervallen) geprüft wer-
Größen angegeben (Tabelle 3.4-15).
den, um mögliche Schäden zu erkennen.
Typisch für solche Angaben sind die ermü-
Wenn die Konstruktion und die Werkstoffe im-
dungswirksamen Kranlasten auf Kranbahnträgern,
mer so gewählt sind, dass ein Ermüdungsschaden
für die drei Parameter vorgegeben werden:
bei den Prüfungen rechtzeitig erkennbar wird, be-
– Lastmodell zur Bestimmung der Bezugsgröße vor er für die Tragsicherheit gefährlich wird,
'Vmax, spricht man von Konstruktionen, die hinsichtlich
– Lastwechselzahl 6n, der Ermüdung schadenstolerant sind. Dieser Fall
– Standardisiertes Spektrum. trifft für die meisten Konstruktionen zu.
1224 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Der Nachweis der Schadenstoleranz erfolgt mit Tabelle 3.4-16 Sicherheitsbeiwerte in prEN 1993-1-9
dem Betriebszeitintervall-Nachweis. Dieser for-
dert, daß ein rißähnlicher Schaden, der infolge
Ermüdung zu einer bei der Prüfung erkennbaren
Größe angewachsen ist, aber bei einer solchen
Prüfung übersehen wird, über mindestens ein
weiteres Betriebszeitintervall bis zur nächsten Prü-
fung ohne Gefährdung der Tragsicherheit wachsen
kann. Dieser Nachweis wird bruchmechanisch
geführt.
Bei modernen Konstruktionen, bei denen die
Stahlgütewahl nach dem in 3.4.3 angegebenen Ver- 3.4.5.8 Ermüdungssicherheit bei plastischen
fahren getroffen wurde, ist bei funktionierenden Verformungen
Inspektionen die Schadenstoleranz gegeben. Auch
bei Mehrfachanordnung von Bauteilen besteht Treten bei hohen Lasten, für die mit plastischen
Schadenstoleranz, wenn Brüche erkennbar sind. Bauwerksreaktionen gerechnet wird, Beanspru-
Häufig besteht Schadenstoleranz auch, wenn die chungswechsel auf (z. B. bei Erdbebenbelastung
Ermüdungsbelastung nicht lastinduziert, sondern oder bei extremer Starkwindbelastung), dann inte-
zwängungsinduziert ist, d. h. mit der Rissbildung ressiert die Sicherheit gegen alternierende Plasti-
sofort abfällt, sodass der Riss stehen bleibt. zierung.
Im Fall der Schadenstoleranz und für die Prü- Für das Spannungs-Dehnungsverhalten im nie-
fung gut zugänglicher Konstruktionen dürfen die drigzyklischen Bereich gilt eine zyklische Span-
Sicherheitsfaktoren JFf und JMf mit dem Wert 1,0 nungs-Dehnungslinie und eine Wöhler-Linie, die
angesetzt werden (s. Tabelle 3.4-16), und alte Kons- aus einer Wöhler-Linie für die wahren Spannungs-
truktionen dürfen auch dann, meist mit zusätzlichen wechsel 'V und einer Wöhler-Linie für die wahren
Maßnahmen, sicher weiterbetrieben werden, wenn plastischen Dehnungswechsel 'Hpl zusammenge-
die rechnerische Grenzschädigung des Ermüdungs- setzt ist (Abb. 3.4-68).
nachweises schon erreicht ist, ohne dass Ermü- In der Regel können für Stahlprofile mit alter-
dungsschäden aufgetreten sind. Denn die Prüfungen nierender Plastizierung in plastischen Gelenken
liefern ja rechtzeitige Vorwarnungen. die lokalen wahren Spannungen und plastischen
Bei nicht schadenstoleranten Konstruktionen Dehnungen wegen Beulenbildung in diesen Be-
wäre es dagegen möglich, dass Ermüdungsrisse reichen nicht angegeben werden. Deshalb verzich-
auftreten, die ohne Vorwarnung zum Bruch führen tet man auf eine Mikrobehandlung und führt den
können. Daher bestehen erhöhte Sicherheitsanfor- Nachweis im Makrobereich gegen Wöhler-Linien
derungen für den Ermüdungsnachweis, und die für die plastischen Rotationswinkel 'Mpl durch, die
Konstruktion muss nach Ablauf der rechnerischen experimentell aus Bauteilversuchen bestimmt wer-
Grenzschädigung sofort aus dem Betrieb genom- den (Abb. 3.4-69) [Sedlacek et al. 1994].
men werden. Die Sicherheitsfaktoren werden in Die Auswertung erfolgt mit der Wöhler-Linie
diesem Fall nach zwei Kriterien abgestuft: der plastischen Rotationswinkel unter Anwendung
der Reservoirmethode und der Miner-Regel analog
– Wird die Ermüdungsbelastung während des Be- zum Vorgehen im elastischen Bereich [Sedlacek/
triebs hinreichend genau kontrolliert, sodass die Kuck/Feldmann 1994]. In den plastischen Nach-
Bedingungen des rechnerischen Ermüdungs- weisregeln für Windbelastungen nach EN 1993
nachweises nicht überschritten werden. und Erdbebenbelastungen nach EN 1998 sind die
– Sind solche Überprüfungen der Ermüdungsbe- Sicherheiten gegen alternierende Plastizierung von
lastungen nur mit Abschätzungen, z. B. bedingt Stahlbauten bereits enthalten.
durch schlechte Zugänglichkeit zum Detail-
punkt, möglich.
3.4 Stahlbau 1225

Abb. 3.4-68 Zyklische Spannungs-Dehnungslinie und Wöhler-Linie für wahre Dehnungsschwingbreite 'H

Abb. 3.4-69 Sicherheitsnachweis für das Spektrum 'Mpl,n gegen die Wöhler-Linie der plastischen Rotationswinkel [Sedlacek/
Kuck/Feldmann 1994]

3.4.6 Fertigung und Montage 3.4.6.2 Rationalisierung von Fertigung


3.4.6.1 Auftragsabwicklung in und Montage
der Einzelfertigung Für die Wirtschaftlichkeit von Stahlkonstruktionen
Die Auftragsabwicklung in der Einzelfertigung sind zwei Komponenten entscheidend:
von Stahlbauten geht aus Abb. 3.4-70 hervor. Die
– die Kostenentwicklung von Material und Lohn,
technische Bearbeitung kann in der Genehmi-
– die konstruktive Gestaltung und der damit ver-
gungsplanung (Herstellung geprüfter Konstrukti-
bundene Bearbeitungsaufwand.
onszeichnungen und statische Berechnung) und
der Planung für Werkstatt und Montage (Werk- Aus der Entwicklung der Stundenlöhne (1955: 2,2
stattzeichnungen und Stücklisten, Terminplanung, DM/h; 1995: 48 DM/h) und der Stahlpreise (1955:
Fertigungsplanung, Versand, Montageplanung und 460/DM/t; 1995: 1100 DM/t) folgt die Notwendig-
Abnahme) in einer Hand oder in aufeinanderfol- keit der Arbeitseinsparung durch Rationalisierung
genden Schritten bestehen. der Fertigungsmethoden, der Montagemethoden
Abbildung 3.4-71 gibt eine Übersicht über eine und des Konstruktionsentwurfs zur Einsparung
typische Stahlbaufertigung. von Arbeitskosten.
Es gilt die Ausführungsnorm EN 1090.
1226 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.4-70 Auftragsabwicklung in der Stahlbaueinzelfertigung [Gibitz 2000]

Abb. 3.4-71 Schema einer Stahlbaufertigung [Gibitz 2000]


3.4 Stahlbau 1227

3.4.6.3 Fertigungsmethoden – Verlagerung von Zusammenbau-, Schweiß- und


Die Rationalisierung in der Fertigungstechnik ist Anpassarbeiten sowie Montagevorbereitungen
gekennzeichnet durch und Korrosionsschutzmaßnahmen in die Werk-
statt, um einfacher rationalisieren zu können und
– den Einsatz NC-gesteuerter halb- und vollauto-
einen zügigen Montageablauf zu gewährleisten.
matischer Fertigungsverfahren (Brenn-, Bohr-,
– Integrierung von Montagehilfen, Schalungen,
Schweiß- und Konservierungsanlagen),
Arbeitsschutzvorkehrungen und Wartungsein-
– die universelle Verbreitung der Schweißtechnik
richtungen in die endgültige Konstruktion.
und die Entwicklung der hochfesten Verschrau-
– Reduktion des Schweißnahtvolumens durch grö-
bung zu einer die Schweißtechnik ideal ergän-
ßeren Materialeinsatz (weniger Abstufung) und
zenden Verbindungsmethode,
hochfeste Werkstoffe (geringere Blechdicken).
– Rollgänge als dominierende Transportmittel,
– Ansätze zur Entwicklung vollautomatischer Fer-
Abkürzungen zu 3.4
tigungsstraßen.
VDEh Verein Deutscher Eisenhütten-
leute, Düsseldorf
3.4.6.4 Montagemethoden
DASt-Richtlinie Richtlinie des Deutschen Aus-
Die Rationalisierung der Montage besteht in schusses für Stahlbau
– verbesserten Transportmöglichkeiten, die zu grö- DIBt Deutsches Institut für Bautech-
ßeren und schwereren Montageeinheiten, Trans- nik, Berlin
porten ohne Umladen, Containereinsatz für Per- ECCS European Convention for Cons-
sonal usw. führen, tructional Steelwork
– verbesserte Hebeeinrichtungen, z. B. durch Ver- EKS Europäische Konvention für
wendung von Baustellenkranen, Mobil- und Au- Stahlbau
tokranen, hydraulischer Hebesysteme und von GV-Verbindung gleitfeste vorgespannte Verbin-
Bauaufzügen, dung
– verbesserte Verbindungstechniken, z. B. Schlag- IIW International Institute for Wel-
schrauben hochfest vorgespannter Schrauben, ding
verbesserte Elektroden für Baustellenschwei- SL-Verbindung Scherlochleibungsverbindung
ßung, Dübeltechnik zum Beton hin, selbstschnei- SM-Verfahren Siemens-Martin-Verfahren
dende Blechschrauben und Setzbolzen, Auf- TM-behandelt Thermo-Mechanisch-behandelt
schweißen von Kopfbolzen mit Pistole. UHP-Lichtbogen Ultra-High-Power (Hochleis-
tungs-Elektrolichtbogen-Ver-
3.4.6.5 Konstruktionsentwurf fahren)
Ein guter Konstruktionsentwurf geht auf kosten- WEZ Wärmeeinflusszone
günstige Fertigung und Montage ein. Dabei gelten Z-Verbindung Zugverbindung
folgende Leitlinien:
Literaturverzeichnis Kap. 3.4
– Entwicklung eines Tragwerkes mit günstiger
Gliederung für Bauberatung Stahl (1996) Geschoßbau in Stahl, Flachde-
– Schaffung von Wiederholteilen bei der Ferti- ckensysteme Dokumentaion 605, Hrsg: Bauberatung
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ger, Berlin
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sand und Montage möglichst vom Transport- Zukunft. In: Stahlbeton-Kalender 1999. Ernst u. Sohn,
mittel aus ohne Umschlag und Zwischenlager, Berlin
– Anschlüsse und Verbindungen, die günstige Dahl W, Hesse W, Krabiell A (1983) Zur Verfetigung von
Fertigung und schnelle Montage ohne Pass- Stahl und dessen Einfluß auf die Kennwerte des Zug-
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1228 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

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3.5 Verbundbau 1229

DIN EN 1993-2: Eurocode 3: Bemessung und Konstruk- gestellte Auswahl umreißt die Vielfalt der Konstruk-
tion von Stahlbauten. Teil 2: Stahlbrücken (02/2007) tionsformen, die dem planenden Ingenieur zur Ver-
EN 1090-2: Ausführung von Stahltragwerken und Alumi- fügung stehen. Die Hauptanwendungsgebiete des
niumtragwerken. Teil 2: Technische Regeln für die Aus-
Verbundbaus liegen heute neben dem Brückenbau
führung von Stahltragwerken (07/2008)
EN 10025 – Teil 1 bis 6: Warmgewalzte Erzeugnisse aus
[Nather 1990, 1997; Haensel 1992; Seifried/Stetter
Baustählen 1995; Schwarz/Haensel 1995; Hagedorn 1997] ins-
EN 10210 – Teil 1 und 2: Warmgefertigte Hohlprofile für besondere im Geschoss-, Hochhaus- und Industrie-
den Stahlbau aus unlegierten Baustählen und aus Fein- bau sowie im Hallen- und Parkhausbau [Muess 1982,
kornbaustählen 1996; Muess/Schaub 1985; Braschel/Schmid 1989;
EN 10219 – Teil 1 und 2: Kaltgefertigte geschweißte Hohl- Mascioni u. a. 1990; Spang/Hass 1986; Joest/Hans-
profile für den Stahlbau aus unlegierten Baustählen und wille u. a. 1992; Kobarg 1992; Ladberg 1996; Tschem-
aus Feinkornbaustählen mernegg 1996; Eichhorn/Kühn/Muess 1996; Baum-
gärtner/Krampe u. a. 1997; Hanswille 1997; Lange/
Ewald 1998; Wolperding 2002; Muess u. a. 2004].
3.5 Verbundbau Bei konsequenter Nutzung der technischen Möglich-
Gerhard Hanswille keiten ergeben sich für den Bauherrn, den Planer und
die ausführenden Firmen eine Reihe von Vorteilen.
3.5.1 Einleitung, Regelwerke Die industrielle Vorfertigung von Verbundbauteilen
ermöglicht hohe Maßgenauigkeit sowie weitgehen-
Verbundkonstruktionen aus Stahl und Beton eröff- de Witterungsunabhängigkeit, die erhebliche Bau-
nen neben den traditionellen Bauweisen des reinen zeitverkürzungen zur Folge hat. Durch die hohen
Stahl- und Massivbaus eine Vielzahl von neuen Tragfähigkeiten von Verbundbauteilen ergeben sich
Möglichkeiten, da bei Verbundbauteilen durch eine kleine Querschnittsabmessungen, die zu größeren
optimale Querschnittsgestaltung die hohe Zugfes- Nutzungsflächen und der damit verbundenen Flexi-
tigkeit des Baustahls und die große Druckfestigkeit bilität führen. Die Ausbaufreundlichkeit von Ver-
des Betons gleichzeitig ideal ausgenutzt werden kön- bundtragwerken zeigt sich in einer großen Installati-
nen. Durch die schubfeste Verbindung von biege- onsfreiheit, da bei Verbunddecken großflächige Ab-
steifen Stahlprofilen mit Betonteilen werden beide hängesysteme zum Einsatz kommen und bei Trägern
Materialien zur gemeinsamen Tragwirkung herange- und Stützen zusätzliche Befestigungsmöglichkeiten
zogen. Auf diese Weise entstehen Konstruktionsele- an den sichtbaren Stahlflanschen bestehen. Die
mente wie Verbunddecken, Flachdecken, Träger, frühere Nutzung infolge kürzerer Montagezeit führt
Stützen und Rahmenkonstruktionen, die sich durch zu finanziellen Vorteilen für den Investor. Die im
hohe Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit sowie durch Geschoss- und Industriebau gestellten Anforde-
große Steifigkeit auszeichnen. Die in Abb. 3.5-1 dar- rungen an den Brandschutz können mit unterschied-

Abb. 3.5-1 Konstruktionselemente des Verbundbaus


1230 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.5.2 Übersicht über den derzeitigen Stand der Regelwerke für Verbundkonstruktionen (Stand 2009)

lichen Methoden erfüllt werden. Neben den her- Regelwerke für Verbundkonstruktionen mit den zu-
kömmlichen Plattenbekleidungen und Putzbeschich- gehörigen Referenznormen und die zukünftigen Eu-
tungen werden heute i. d. R. Stahlprofile mit Kam- ropäischen Regelwerke zeigt Abb. 3.5-2.
merbeton verwendet, der mit Kopfbolzendübeln und
Steckhaken aus Bewehrungsstahl verankert wird.
Die Regelwerke für Verbundkonstruktionen aus
3.5.2 Grundlagen der Bemessung
Stahl und Beton zeichnen sich in den letzten Jahren
3.5.2.1 Allgemeines, Sicherheitskonzept
durch eine innovative Weiterentwicklung aus. Die
Bemessung und Ausführung von Verbundkonstruk- Zur Sicherstellung eines ausreichenden Zuverlässig-
tionen kann derzeit auf der Grundlage nationaler keitsniveaus bezüglich der Tragfähigkeit und Dauer-
und europäischer Regelwerke (Eurocodes) erfolgen. haftigkeit sowie einer ausreichenden Gebrauchstaug-
Im Jahr 2006 wurde die Deutsche Fassung des Eu- lichkeit wird bei Verbundtragwerken zwischen Nach-
rocode 4 (DIN EN 1994-1-1) und im Dezember weisen in den Grenzzuständen der Tragsicherheit
2010 der zugehörige Nationale Anhang veröffent- und der Gebrauchstauglichkeit unterschieden. Die
licht. Parallel zu der Erarbeitung der Eurocodes er- Dauerhaftigkeit ist dabei eine entscheidende Voraus-
folgte die Bearbeitung von DIN 18800-5, die im setzung für die im folgenden erläuterten rechne-
Jahr 2007 veröffentlicht und bauaufsichtlich einge- rischen Nachweise in den Grenzzuständen der Trag-
führt wurde. Da DIN 18800-5 und Eurocode 4 be- fähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit. Eine ausrei-
züglich der Regelungsinhalte und Nachweisformate chende Dauerhaftigkeit wird durch konstruktive Re-
praktisch identisch sind, wurde mit der Veröffentli- geln und durch rechnerische Nachweise, die i. Allg.
chung von DIN 18800-5 für den Bereich des Ver- für das Gebrauchslastniveau geführt werden, sicher-
bundbaus bereits eine vollständige Anpassung an gestellt. Bei den Einwirkungen F wird zwischen
die zukünftigen Europäischen Regelwerke vollzo- direkten und indirekten Einwirkungen und nach
gen. Die bauaufsichtliche Einführung der Eurocodes ihrer zeitlichen Veränderlichkeit zwischen ständigen
ist derzeit für den Zeitraum 2011–2012 geplant. Einwirkungen G, veränderlichen Einwirkungen Q,
Eine Übersicht über die derzeit gültigen Nationalen außergewöhnlichen Einwirkungen FA und Einwir-
3.5 Verbundbau 1231

kungen P aus planmäßig eingeprägten Deformati- Einwirkungen Fd ermittelten Beanspruchungen Ed


onen oder Spanngliedvorspannung unterschieden. (z. B. Schnittgrößen oder Spannungen) die mit den
Aus dem Kriechen und Schwinden des Betons resul- Bemessungswerten der Widerstandsgrößen ermit-
tieren bei Verbundbauteilen Eigenspannungen im telten Beanspruchbarkeiten Rd nicht überschreiten.
Querschnitt sowie Krümmungen und Längsdeh- Tritt der Grenzzustand durch Bruch oder übermä-
nungen in Bauteilen. Die bei statisch bestimmten Sys- ßige Verformung eines Bauteils ein, so ist nach
temen auftretenden Eigenspannungszustände werden Abb. 3.5-3 nachzuweisen, dass
als primäre Beanspruchungen bezeichnet. In statisch
unbestimmten Systemen treten aufgrund der Verträg-
lichkeitsbedingungen zusätzliche Zwängungen auf,
die als sekundäre Beanspruchungen (Zwangsbean- (3.5.1)
spruchungen) bezeichnet werden. Die zugehörigen Die Bemessungswerte der Einwirkungen Fd ergeben
Einwirkungen, i. Allg. Auflagerkräfte, werden als in- sich in den Grenzzuständen der Tragsicherheit aus
direkte Einwirkungen behandelt. den mit dem Teilsicherheitsbeiwert JF nach Tabelle
3.5-1 und gegebenenfalls mit einem Kombinations-
beiwert \i vervielfachten charakteristischen Wert
3.5.2.2 Grenzzustand der Tragfähigkeit
der Einwirkungen Fk. Die charakteristischen Werte
In den Grenzzuständen der Tragsicherheit ist nach- Fk sowie die Kombinationsbeiwerte \i sind dabei
zuweisen, dass die mit den Bemessungswerten der den Regelwerken für Einwirkungen (DIN 1055 bzw.
DIN EN 1990 und DIN EN 1991) zu entnehmen.
Bei Verbundtragwerken kann der Beanspru-
chungszustand mittels planmäßig eingeprägter De-
formationen vorteilhaft beeinflusst werden. Die
aus planmäßig eingeprägten und kontrollierten De-
formationen (z. B. durch planmäßiges Absenken an
den Innenstützen von Durchlaufträgern) resultie-
renden Beanspruchungen können bei Verbundtrag-
werken nicht mit den Beanspruchungen aus dem
Eigengewicht zu einer resultierenden ständigen
Einwirkung zusammengefasst werden, da die Un-
sicherheiten bezüglich der Beanspruchungen in
erster Linie aus den Streuungen der Steifigkeit
(Elastizitätsmodul des Betons und Rissbildung)
sowie den zeitabhängigen Einflüssen aus dem
Kriechen resultieren. Für Tragwerke, die nach ela-
stischen Berechnungsverfahren bemessen werden,
wurden auf der Grundlage probabilistischer Unter-
suchungen von Hanswille (1999) die Teilsicher-
heitsbeiwerte nach Tabelle 3.5-1 hergeleitet. Die
Beanspruchungen aus dem Schwinden können we-
gen der relativ großen Streuung der Schwindmaße
nur grob abgeschätzt werden. Ein Teilsicherheits-
beiwert JF=1,0 ist jedoch gerechtfertigt, da größere
Schwindmaße bei Durchlaufträgern zu einer ver-
stärkten Rissbildung im Betongurt führen, die ei-
nen nennenswerten Abbau der sekundären Bean-
spruchungen zur Folge hat.
Abb. 3.5-3 Grenzzustände der Tragfähigkeit und Gebrauchs- Die Bemessungswerte der Beanspruchbarkeit,
tauglichkeit Rd, (z. B. aufnehmbare Schnittgrößen) werden mit
1232 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.5-1 Teilsicherheitsbeiwerte für Einwirkungen (Grundkombination) und Kombinationsbeiwerte


Bemessungswert der Einwirkung: Fd = ȖF ȥi Fk
Teilsicherheitsbeiwerte für Einwirkungen Kombinationsbeiwerte
Auswirkung Einwirkung ȥ0 ȥ1 ȥ2
Art der Einwirkung
Verkehrslasten
günstig ungünstig auf Decken
ständig ȖG 1,00 1,35 – Wohn- und Büroräume 0,7 0,5 0,3
veränderlich ȖQ – 1,50 – Versammlungs- und Verkaufsräume 0,7 0,7 0,6
Schwinden ȖF 1,00 1,00 – Lagerräume 1,0 0,9 0,8
Temperatur ȖQ – 1,50 Windlasten 0,6 0,5 0
planmäßig eingeprägte Deformation ȖP 1,00 1,10 Schneelasten für Orte bis NN + 1000 m 0,5 0,2 0
Spanngliedvorspannung ȖP 1,00 1,00 Alle anderen Einwirkungen 0,8 0,7 0,5

Tabelle 3.5-2 Teilsicherheitsbeiwerte zur Berechnung der Beanspruchbarkeit

Baustahl, profiliertes Beton- oder Beton Verbundmittel


Kombination Stahlblech Ȗa Spannstahl Ȗs bzw. Ȗp Ȗc Ȗf
Grundkombination 1,1*) 1,15 1,5 1,25
außergewöhnliche Kombination 1,0 1,0 1,3 1,0
*) 1,0 bei Bauteilen ohne globale und lokale Stabilitätsgefahr

den Bemessungswerten der Festigkeiten fi,d=fi,k/ festgelegten Bedingungen Cd für die Funktion und
JM,i der Werkstoffe bzw. den Bemessungswerten die äußere Erscheinung (z. B. Rissbreite oder Ver-
PRd der Verbundmittel berechnet. Sie ergeben sich formung) nicht mehr erfüllt sind. Es muss die Be-
aus den charakteristischen Werten der Festigkeiten dingung
fi,k und den jeweiligen Teilsicherheitsbeiwerten JM
(3.5.3)
nach Tabelle 3.5-2 zu
nachgewiesen werden (s. Abb. 3.5-3). Hierbei ist Ed
der jeweilige Bemessungswert der Lastauswir-
(3.5.2)
kungen, der bei mehreren Einwirkungen mit den in
DIN EN 1990 bzw. DIN 1055-100 angegebenen
Die charakteristischen Werte der Festigkeiten für Einwirkungskombinationen zu ermitteln ist. Grenz-
Beton (fck) und Beton- und Spannstahl (fsk bzw. fpk) zustände der Gebrauchstauglichkeit betreffen bei
sowie für Baustahl (fyk) und für die Schubtragfä- Verbundtragwerken die Rissbreitenbeschränkung,
higkeit von Verbundmitteln (PRk) werden in 3.5.2.4 Spannungsbeschränkungen, Verformungen, Steg-
behandelt. Der Teilsicherheitsbeiwert für Baustahl blechatmen sowie das Schwingungsverhalten.
Ja = 1,1 gilt nur für Verbundbauteile mit lokaler
und globaler Stabilitätsgefahr (lokales Beulen,
3.5.2.4 Werkstoffe
Biegedrillknicken, Stabknicken). In allen anderen
Fällen darf im Grenzzustand der Tragfähigkeit Ja = Nachfolgend sind die wichtigsten Grundlagen für
1,0 zugrunde gelegt werden. die Bemessung zusammengestellt. Bezüglich wei-
tergehender Angaben wird auf 3.1, 3.3 und 3.4 ver-
wiesen.
3.5.2.3 Grenzzustand der
Gebrauchstauglichkeit
Baustahl, Profilbleche
Die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit sind Für die charakteristischen Werte der Festigkeit der
diejenigen Zustände, bei deren Überschreitung die Baustähle sind die Werte nach DIN EN 10025 und
3.5 Verbundbau 1233

Tabelle 3.5-3 Nennwerte (charakteristische Werte) der Streckgrenze fya und der Zugfestigkeit fua nach DIN 18800-5

Nennwert der Blechdicke t in (mm)


Stahlsorte t ” 40 mm 40 mm ” t ” 80 mm
fy (N/mm2) fu(N/mm2) fy(N/mm2) fu(N/mm2)
S235 JR, JO und J2 240 360 215 340
S355 JR, JO und J2 360 490 335 490
S460 460 550 430 530

Abb. 3.5-4 Rechnerische Spannungs-Dehnungslinien für Beton, Baustahl und Betonstahl

DIN EN 10113 anzunehmen. Die Regelungen im tone sind derzeit in den nationalen und europäischen
Eurocode 4-1-1 und in DIN 18800-5 gelten für die Regelwerken für Verbundkonstruktionen nicht ge-
Stahlsorten S235, S275, S355 und S460 nach DIN regelt, da die Bemessungsverfahren im Grenzzu-
EN 10025 (Tabelle 3.5-3). Bei Verwendung der stand der Tragfähigkeit plastische Tragreserven aus-
höherfesten Feinkornbaustähle S420 und S460 nutzen, die eine ausreichende Duktilität erfordern.
sind bei Anwendung plastischer Bemessungsver- Als Spannungs-Dehnungsbeziehung für die Ermitt-
fahren teilweise Einschränkungen erforderlich, die lung der Beanspruchbarkeit darf für Beton das Para-
nachfolgend noch erläutert werden. Der Bemes- bel-Rechteck-Diagramm und vereinfacht eine bili-
sung wird die in Abb. 3.5-4 dargestellte bilineare neare Spannungs-Dehnungsbeziehung zugrunde
Spannungs-Dehnungslinie zugrunde gelegt. Die gelegt werden (Abb. 3.5-4). Die Langzeitfestigkeit
mechanischen Kennwerte für Profilbleche sind in des Betons ist geringer als die im Kurzzeitversuch
Eurocode 4-1-1 sowie in bauaufsichtlichen Zulas- ermittelte Festigkeit. Diese Tatsache sowie weitere
sungen geregelt. Für die Bemessung wird wie beim ungünstige Auswirkungen aus der Art der Lastein-
Baustahl eine bilineare Spannungs-Dehnungsbe- tragung werden in DIN 18800-5 beim Bemessungs-
ziehung nach Abb. 3.5-4 verwendet. wert der Druckfestigkeit fcd=Dc fck/Jc durch einen
zusätzlichen Abminderungsfaktor Dc erfasst. Dieser
Beton hängt von der Form der Druckzone und der Art des
Für die Bemessung wird der charakteristische Wert Betons (Normal- oder Leichtbeton) ab. Für Normal-
der Zylinderdruckfestigkeit, fck, zugrunde gelegt. betone darf bei Verbundbauteilen mit Dc=0,85 ge-
Nach Eurocode 4-1-1 und DIN 18800-5 dürfen für rechnet werden. In Eurocode 4 wird abweichend ein
Verbundtragwerke mit Normal- und Leichtbeton Abminderungsbeiwert Dc=1,0 zugrunde gelegt. Die
Betonfestigkeitsklassen kleiner als C 20/25 bzw. LC Berücksichtigung der zuvor genannten Einflüsse er-
20/22 nicht verwendet werden. Nach Eurocode 4-1-1 folgt nur bei Anwendung plastischer Berechnungs-
sind Betonfestigkeitsklassen bis C 50/60 und nach verfahren durch einen Anpassungsfaktor von 0,85
DIN 18800-5 für Verbundträger und Verbunddecken (Abminderung des charakteristischen Wertes der
Betonfestigkeitsklassen bis C 60/75 sowie für Ver- Betondruckfestigkeit) für den plastischen Span-
bundstützen bis C 50/60 zugelassen. Höherfeste Be- nungsblock des Betonquerschnitts.
1234 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Der Elastizitätsmodul Ecm ist als Sekantenmo- auf den charakteristischen Wert der Stahldehnung
dul zwischen den Spannungen Vc=0 und Vc= 0,4·fck unter Höchstlast, Hukt0,025, zu begrenzen. Wenn
definiert. Die Querdehnzahl für die elastische Deh- eine vollplastische Bemessung ohne Dehnungsbe-
nung darf mit Q=0,2 und, wenn Rissbildung zu er- schränkung durchgeführt wird, sind bei Verbund-
warten ist, näherungsweise zu null angenommen bauteilen zusätzliche Anforderungen an den Beweh-
werden. Für Normalbeton darf der Temperaturaus- rungsgrad und die Duktilität des Betonstahls zu
dehnungskoeffizient vereinfachend wie für Bau- stellen. In diesen Fällen dürfen nur hochduktile Be-
stahl und für Leichtbeton mit DT=7·10-6 K–1 ange- tonstähle verwendet werden (s. 3.3).
nommen werden. Die Festigkeits- und Formände-
rungsbeiwerte für Leichtbeton können in Abhän- Verbundmittel
gigkeit von der Rohdichte aus den entsprechenden Die charakteristischen Werte der Tragfähigkeit,
Werten für Normalbeton umgerechnet werden (s. PRk, sowie die der Werkstofffestigkeit von Ver-
3.3). Zeitabhängige Betonverformungen aus dem bundmitteln sind als 5%-Fraktilwerte definiert.
Kriechen und Schwinden werden bei Verbundtrag- Die in Eurocode 4-1-1, DIN 18800-5 und in bau-
werken i. Allg. durch einen reduzierten Elastizi- aufsichtlichen Zulassungen angegebenen Werte
tätsmodul des Betons und daraus resultierende Re- basieren auf Versuchen.
duktionszahlen für die Querschnittskenngrößen
der Betonquerschnittsteile erfasst. Bezüglich der Be-
stimmung der Kriechzahl M(t,t0) und des Schwind- 3.5.3 Verbundträger
maßes Hcs(t,ts) wird auf 3.3 verwiesen.
3.5.3.1 Allgemeines
Betonstahl, Spannstahl Verbundträger bestehen aus einem biegesteifen
Für gerippte Betonstähle als Stabstahl oder Matte Stahlprofil oder aus Fachwerkträgern, die mit einem
gelten die Regelungen nach Eurocode 2-1-1 bzw. E oder zwei Betongurten (Doppelverbund) sowie im
DIN 1045-1. Die mechanischen Werte von Spann- Hoch- und Industriebau zusätzlich mit dem zwi-
stählen sind bauaufsichtlichen Zulassungsbeschei- schen den Flanschen angeordneten Kammerbeton
den zu entnehmen. Als charakteristischer Wert der schubfest verbunden sind. Die Betongurte und der
Streckgrenze von Betonstahl ist bei Erzeugnissen Kammerbeton sind i. d. R. schlaff bewehrt. Auch im
ohne ausgeprägte Streckgrenze die 0,2%-Dehngren- Brückenbau werden in Trägerbereichen mit Zugbe-
ze zu verwenden. Für die Querschnittsbemessung anspruchungen im Betongurt heute nur noch sehr
sind die rechnerischen Spannungs-Dehnungsbezie- selten Spannglieder angeordnet. Typische Quer-
hungen nach Abb. 3.5-4 zu verwenden; vereinfa- schnitte von Trägern des Hoch- und Industriebaus
chend darf für Betonstahl (wie für Baustahl) auch sind in Abb. 3.5-5 dargestellt. Querschnitte ohne
ein horizontaler oberer Ast angenommen werden (s. Betongurt, jedoch mit Kammerbeton, werden als
Abb. 3.5-4). Die Dehnung Hs ist bei der Bemessung Profilverbundquerschnitte bezeichnet. Die Gurte

Abb. 3.5-5 Typische Verbundquerschnitte des Hoch- und Industriebaus


3.5 Verbundbau 1235

von Verbundträgern dienen im Hoch- und Industrie- derliche Rotationskapazität der Querschnitte wer-
bau gleichzeitig als aussteifende Bauteile und in den im Eurocode 4-1-1 und in DIN 18800-5 vier
erster Linie zur Abtragung der örtlichen Deckenlas- Querschnittsklassen unterschieden. Mit Hilfe der
ten. Als Gurte werden alle aus dem Massivbau be- Querschnittsklassen werden die Methode der
kannten Deckensysteme verwendet. Neben Ortbe- Schnittgrößenermittlung und die Berechnungsan-
tondecken kommen heute vielfach Teilfertigteil- und nahmen für die Querschnittstragfähigkeit festgelegt.
Fertigteildecken zum Einsatz. Eine weitere oft aus- Querschnitte der Klasse 1 (plastische Querschnitte)
geführte Variante sind Verbunddecken. Sie bestehen können die vollplastische Querschnittstragfähigkeit
aus einem profilierten Stahlblech, das mit dem Auf- und gleichzeitig plastische Gelenke mit einer so gro-
beton einen Verbundquerschnitt bildet. ßen Rotationskapazität entwickeln, dass eine voll-
Das Tragverhalten von Verbundträgern wird ent- ständige Schnittgrößenumlagerung ermöglicht wird,
scheidend durch die Ausbildung der Verdübelung d. h. es ist eine Berechnung nach der Fließgelenk-
zwischen Stahlprofil und Beton bestimmt (s. Abb. theorie zulässig. Kompakte Querschnitte der Klasse
3.5-31). In Deutschland werden überwiegend Kopf- 2 können ebenfalls die vollplastische Querschnitts-
bolzendübel mit Durchmessern von 19, 22 und tragfähigkeit entwickeln. Durch lokales Beulen
25 mm verwendet, die im Bolzenschweißverfahren und/oder Zerstören des Betons ist die Rotation in
mit Hubzündung halbautomatisch aufgeschweißt Fließgelenken jedoch eingeschränkt. Bei der
werden. Bei Parkhäusern und bei Konstruktionen, Schnittgrößenermittlung darf die Momentenumla-
bei denen die Forderung nach Demontierbarkeit be- gerung infolge Rissbildung sowie Teilplastizierung
steht, kommt auch der sog. Reibungsverbund zum vor Entstehen des ersten Fließgelenks berücksich-
Einsatz [Beck/Hennisch 1972; Roik/Bürkner 1978; tigt werden. Die Querschnitte der Klasse 3 werden
Roik/Hanswille 1984a]. Vereinzelt wurden bei ver- als halb-kompakte Querschnitte bezeichnet. Bei ih-
schiedenen Bauvorhaben auch Dübelleisten einge- nen ist im Druckflansch des Stahlträgers nur eine
setzt [Andrä 1985]. Neben den genannten Verbund- (elastische) Ausnutzung des Querschnitts bis zur
mitteln werden im europäischen Ausland noch Streckgrenze möglich. Eine Momentenumlagerung
Schenkel- und Winkeldübel verwendet. Die zu Be- im System wird im Wesentlichen nur durch Rissbil-
ginn des Verbundbaus oft verwendeten Blockdübel dung im Betongurt und durch lokales Fließen in
und Schlaufenanker werden heute aus wirtschaft- zugbeanspruchten Stahlteilen und in der Bewehrung
lichen Gründen nicht mehr verwendet. Diese Dü- ermöglicht. Schlanke Querschnitte der Klasse 4 sind
belformen besitzen nur eine geringe Duktiltät und bei elastischer Druckbeanspruchung wegen des lo-
sind bei Trägern, bei denen nach modernen Bemes- kalen Beulens im Baustahlquerschnitt nicht bis zur
sungsverfahren plastische Querschnitts- und Sys- Streckgrenze ausnutzbar. Momentenumlagerungen
temreserven ausgenutzt werden, ungeeignet. im System werden nur durch Rissbildung im Be-
tongurt hervorgerufen. Der Zusammenhang zwi-
3.5.3.2 Tragverhalten von Verbundträgern – schen Querschnittsklassifizierung, Querschnitts-
Grundlagen tragfähigkeit und Schnittgrößenermittlung ist in
Allgemeines Abb. 3.5-6 dargestellt. Weiteres kann [Bode/Fichter
Das Trag- und Verformungsverhalten von Ver- 1986; Bode/Minas/Sauerborn 1996; Johnson/Chen
bundträgern wird entscheidend durch die Rotations- 1991; He 1991; Sedlacek/Hiffmeister 1997] ent-
kapazität der Querschnitte, die Belastungsge- nommen werden.
schichte, die Rissbildung im Beton, die Einflüsse Die Zuordnung eines Querschnittes zu einer der
aus dem Kriechen und Schwinden des Betons so- vier Querschnittsklassen erfolgt über die b/t-Werte
wie das Verformungsverhalten der Verbundmittel der Gurte bzw. Stege, die Lage der plastischen
und den Verdübelungsgrad beeinflusst. Nulllinie und den Bewehrungsgrad des Betongurts.
Mit der Beschränkung der b/t-Werte wird das ört-
Rotationskapazität sowie plastische liche Beulen der Stahlquerschnittsteile erfasst. Die
Querschnitts- und Systemreserven Regelwerke für Verbundkonstruktionen beziehen
Im Hinblick auf die Ausnutzung plastischer Quer- sich dabei auf die Normen für Stahlbauten. Für die
schnitts- und Systemreserven sowie die dazu erfor- Stege ist bei den Querschnittsklassen 1 und 2 die
1236 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.5-6 Querschnittsklassifizierung, Querschnittstragfähigkeit und Schnittgrößenermittlung

plastische Spannungsverteilung und bei den Quer- Belastungsgeschichte, Herstellungsverfahren


schnitten der Klassen 3 und 4 die elastische Span- Für das Verformungs- und Tragverhalten sind in
nungsverteilung unter Berücksichtigung des Krie- Abhängigkeit von der Querschnittsklasse die Ein-
chens zugrunde zu legen. Da das örtliche Beulen flüsse aus der Belastungsgeschichte von Bedeutung.
bei Querschnitten mit Kammerbeton wesentlich In Abb. 3.5-7 ist ein einfeldriger Verbundträger dar-
günstiger zu beurteilen ist, sind für diese Quer- gestellt, der mit drei unterschiedlichen Bauabläufen
schnitte höhere Grenzwerte zulässig, die für die hergestellt wird. Beim Träger A wird der Stahlträger
Einstufung der Gurte etwa 40% über den Werten während des Betonierens nicht unterstützt. Das Ei-
für Stahlträger ohne Kammerbeton liegen. gengewicht der Betonplatte und des Stahlträgers
Bei Anwendung der Fließgelenktheorie liegen wird somit vom Stahlträger aufgenommen. Ständi-
bisher noch keine ausreichenden experimentellen ge Beanspruchungen aus Ausbaulasten sowie die
Erfahrungen hinsichtlich der Auswirkung des Kam- Verkehrslasten wirken nach Erhärten des Betons auf
merbetons auf die vorhandene Rotationskapazität den Verbundquerschnitt. Es liegt ein Verbundträger
vor. Es ist zu erwarten, dass der stabilisierende Ein- ohne Eigengewichtsverbund vor. Der Träger B wird
fluss des Kammerbetons bei größeren Rotationen während des Betonierens durch Hilfsstützen unter-
in den Fließgelenken und einem damit verbunde- stützt. Der Stahlträger bleibt somit beim Betonieren
nen Überschreiten der Grenzdehnungen im Beton praktisch spannungslos. Nach Freisetzen der Hilfs-
teilweise verloren geht. Auf der sicheren Seite lie- stützen wirken alle Eigengewichtslasten und ständi-
gend wird daher die Einstufung bei Trägern der gen Lasten sowie die Verkehrslasten auf den Ver-
Klasse 1 wie bei Querschnitten ohne Kammerbeton bundträger. Man spricht dann von einem Träger mit
vorgenommen. Bei der Klassifizierung der Stege Eigengewichtsverbund. Der Träger C wird wie im
dürfen Stege der Klasse 3 in die Klasse 2 eingeord- Fall B hergestellt. Vor dem Betonieren werden je-
net werden, wenn die Kammern des Trägers ausbe- doch die Hilfsstützen angedrückt. Der Stahlträger
toniert sind und der Kammerbeton mit Bügeln und wird „vorgespannt“ und erhält im Bauzustand ein
Dübeln entsprechend verankert wird. negatives Biegemoment Ma.
3.5 Verbundbau 1237

Abb. 3.5-7 Einfluss der Belastungsgeschichte und des Herstellungsverfahrens

Wie Abb. 3.5-7 verdeutlicht, beeinflusst das Her- Träger erreichen dann die vollplastische Momenten-
stellungsverfahren die Verformungen unter Ge- tragfähigkeit Mpl,Rd des Verbundquerschnitts. Beim
brauchslast sowie den Beginn des Fließens im Un- Träger A wird im Untergurt des Stahlträgers sehr
tergurt des Stahlträgers (Biegemoment Mel). Auf die früh die Fließgrenze erreicht, da infolge der auf den
Grenztragfähigkeit des Trägers hat das Herstel- Stahlträger wirkenden Eigengewichtslasten bereits
lungsverfahren keinen Einfluss, wenn der Quer- relativ hohe Untergurtspannungen entstanden sind.
schnitt so ausgebildet wird, dass ein lokales Beulen Nach Überschreiten der Fließgrenze im Untergurt
der Stahlbauteile ausgeschlossen werden kann. Alle des Stahlträgers plastiziert der Stahlquerschnitt und
1238 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

die Beanspruchungen des Stahlträgers infolge des nungen ein ideeller Gesamtquerschnitt zugrunde
Eigengewichtsmomentes lagern sich auf den Ver- gelegt. Dabei wird das Ebenbleiben des Gesamt-
bundquerschnitt um. Im Träger B wird die Streck- querschnitts sowie die Gültigkeit des Hookeschen
grenze im Untergurt des Stahlträgers erst unter Gesetzes für Beton und Baustahl angenommen.
einem höheren Lastniveau erreicht, da alle Lasten Die ideellen Querschnittskenngrößen werden auf
auf den Verbundquerschnitt wirken. Im Grenzzu- den Elastizitätsmodul des Baustahls bezogen und
stand der Tragfähigkeit stellt sich auch hier eine können mit einem fiktiven Stahlquerschnitt be-
vollplastische Spannungsverteilung im Querschnitt rechnet werden, bei dem die Querschnittsfläche Ac
ein. Der Träger C besitzt einen Eigenspannungszu- des Betongurts und das Trägheitsmoment Ic des
stand aus dem Anheben der Hilfsstützen, der im Un- Betongurts mit der Reduktionszahl n0=Ea/Ecm re-
tergurt des Stahlträgers „entlastende“ Druckspan- duziert werden. Bei Beanspruchungen aus ständi-
nungen erzeugt. Die Streckgrenze wird daher erst gen Einwirkungen führt das Kriechen des Betons
bei einem deutlich höheren Lastniveau überschrit- bei Verbundquerschnitten zu querschnittsinternen
ten. Mit Erreichen der plastischen Grenzlast ist je- Umlagerungen der Teilschnittgrößen.
doch der Eigenspannungszustand aus dem Anheben Die in Abb. 3.5-8 dargestellten Teilschnittgrö-
der Hilfsstützen herausplastiziert, und es stellt sich ßen Nc0 und Mc0 des Betongurts bei Belastungsbe-
wie bei den Trägern A und B eine vollplastische ginn werden durch Kriechen umgelagert, d. h. die
Spannungsverteilung ein. Teilschnittgrößen des Betongurts werden durch die
Das in Abb. 3.5-7 dargestellte Verhalten kann aus dem Kriechen resultierenden Umlagerungs-
nur dann beobachtet werden, wenn vor Erreichen größen Ncr und Mcr verringert und die Beanspru-
der Traglast keine Instabilitäten (lokales Beulen chungen im Stahlträger entsprechend vergrößert.
oder Biegedrillknicken) auftreten. Dies ist bei den Die Umlagerungsgrößen Mcr und Ncr aus dem Krie-
zuvor beschriebenen Querschnitten der Klassen 1 chen bilden mit den zugehörigen Teilschnittgrößen
und 2 der Fall. Bei der Berechnung der Schnittgrö- im Stahlquerschnitt einen Eigenspannungszustand,
ßen für den Grenzzustand der Tragfähigkeit darf der in den Regelwerken als primärer Beanspru-
daher die Belastungsgeschichte des Trägers ver- chungszustand aus dem Kriechen bezeichnet wird.
nachlässigt werden. Querschnitte der Klassen 3 Die aus dem primären Beanspruchungszustand
und 4 dürfen nur bis zur Streckgrenze bzw. bis zur (Umlagerungsgrößen) resultierenden Krümmungen
Tragspannung infolge Beulens ausgenutzt werden. und Längsdehnungen erzeugen in statisch unbe-
Da das erste Erreichen der Streckgrenze stark von stimmten Systemen aufgrund der Verträglichkeitsbe-
der Belastungsgeschichte abhängt, ist für diese dingungen Zwangsschnittgrößen, die als sekundäre
Querschnittsklassen beim Nachweis des Grenzzu- Beanspruchungen bezeichnet werden. Abbildung
stands der Tragfähigkeit die Belastungsgeschichte 3.5-8 zeigt ein typisches Beispiel eines Zweifeld-
stets zu berücksichtigen. Grenzzustände der Ge- trägers. Die aus den primären Beanspruchungen im
brauchstauglichkeit, wie der Nachweis von Verfor- Feld A resultierenden Krümmungen rufen aus Grün-
mungen oder die Beschränkung der Rissbreite im den der Verträglichkeit ein sich mit der Zeit auf-
Betongurt, sind für alle Klassen ebenfalls immer bauendes Zwangsmoment MPT (sekundäre Beanspru-
unter Berücksichtigung der Belastungsgeschichte chung) hervor. Das Schwinden des Betons führt bei
zu untersuchen, da das Herstellungsverfahren die Verbundquerschnitten infolge der Behinderung der
Verformungen sowie die Schnittgrößen unter Ge- Schwindverformungen durch den sich elastisch ver-
brauchslast nennenswert beeinflusst. haltenden Stahlquerschnitt ebenfalls zu einem primä-
ren Beanspruchungszustand, der in statisch unbe-
Elastische Berechnung und zeitabhängige stimmten Systemen wiederum sekundäre Beanspru-
Betonverformungen aus Kriechen chungen zur Folge hat.
und Schwinden Zur praktischen Berechnung der Beanspru-
Für kurzzeitig wirkende Beanspruchungen aus chungen aus dem Kriechen und Schwinden werden
Verkehr, Wind und Temperatur sowie für die Bean- heute zwei Berechnungsmethoden verwendet. Bei
spruchungen aus ständigen Einwirkungen bei Be- der ersten werden die aus dem Kriechen resultie-
lastungsbeginn wird für die Berechnung der Span- renden Umlagerungsgrößen im Beton und Stahl-
3.5 Verbundbau 1239

Abb. 3.5-8 Primäre und sekundäre Beanspruchungen aus dem Kriechen

querschnitt direkt berechnet. Die Beanspruchungen [Haensel 1975] wird gezeigt, dass beide Verfahren
der Teilquerschnitte zu einem Zeitpunkt t ergeben zu identischen Ergebnissen führen, da die lastfall-
sich dann aus den Teilschnittgrößen bei Belastungs- abhängigen Reduktionszahlen aus den Lösungen
beginn t0 und den aus dem Kriechen resultierenden nach dem Verfahren der Teilschnittgrößen herge-
Umlagerungsgrößen. Dieses Verfahren wird als Teil- leitet werden können. Die Kriechbeiwerte \A,L und
schnittgrößenverfahren bezeichnet [Sattler 1959]. \I,L sind von der Beanspruchungsart abhängig. Bei
Für die praktische Berechnung ist das sog. Ge- der Berechnung muss zwischen zeitlich konstanten
samtquerschnittsverfahren [Haensel 1975, Hans- Beanspruchungen (L=P), Beanspruchungen aus
wille 1999] von größerer Bedeutung. Bei diesem dem Schwinden des Betons (L=S), Beanspru-
Verfahren wird der Einfluss des Kriechens analog chungen aus sich zeitlich affin zum Kriechen auf-
zur Berechnung bei kurzzeitigen Beanspruchungen bauenden Schnittgrößen (L=PT) und Beanspruchun-
durch lastfallabhängige Reduktionszahlen nA,L für gen infolge eingeprägter Deformationen (L=D) un-
die Betonfläche und nI,L für das Betonträgheitsmo- terschieden werden.
ment erfasst, die von der Kriechzahl Mt und den In den Tabellen 3.5-4 bis 3.5-6 sind die Bezie-
Kriechbeiwerten \A,L und \I,L abhängen: hungen zur Berechnung der ideellen Querschnitts-
kenngrößen, der Reduktionszahlen, der Teilschnitt-
(3.5.4) größen (Abb. 3.5-9), der Längsschubkräfte in der
Verbundfuge und der Spannungen zusammengestellt.
(3.5.5) Die Querschnittskenngrößen Ast und Ist beziehen
sich auf den aus Bewehrung und Baustahl bestehen-
Die Spannungen können dann direkt an einem den Gesamtstahlquerschnitt. Die Querschnittskenn-
ideellen Gesamtquerschnitt berechnet werden. In größen des reinen Baustahlquerschnittes werden mit
1240 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.5-4 Ideelle Querschnittskenngrößen des Verbundquerschnittes

Reduktionszahl für Kurzzeitbelastung:

Reduktionszahlen unter Berücksichtigung des Kriechens


(It- Kriechzahl des Betons)

Kriechbeiwerte ȥA,L , ȥI,L siehe Tabelle 3.5-8

Reduzierte Querschnittskenngrößen des Betongurtes

Fläche des ideellen Verbundquerschnittes

Lage der Schwerachse des Verbundquerschnittes

ideelles Trägheitsmoment des Gesamtquerschnittes

Tabelle 3.5-5 Kriechbeiwerte <A,L und <I,L

Kriechbeiwerte für Momentenbeanspruchung ML


Art der Beanspruchung Kriechbeiwert \A,L Kriechbeiwert \I,L
ständig
(L=P)

zeitlich veränderlich (L=PT) und


Schwinden (L=S)
eingeprägte
Deformation (L=D)

Kriechbeiwerte für Normalkraftbeanspruchung NL


ständig
(L=P)

zeitlich veränderlich (L=PT)

Aa und Ia bezeichnet. Wie aus Tabelle 3.5-6 ersicht- Kriechbeiwerten für Momentenbeanspruchung ge-
lich ist, ergeben sich bei strenger Betrachtungsweise rechnet werden. Nach DIN 18800-5 und Eurocode 4
bei ständigen Beanspruchungen unterschiedliche sind bei der Ermittlung der Reduktionszahlen wei-
Kriechbeiwerte bei Momente und Normalkraftbean- tere Vereinfachungen zulässig. Danach dürfen die
spruchung. Reduktionszahlen zur Berücksichtigung des Krie-
Für die praktische Berechnung kann vereinfa- chens auch mit konstanten Zahlenwerten für die
chend auch bei Normalkraftbeanspruchung mit den Kriechbeiwerte \A,L und \I,L ermittelt werden. Für
3.5 Verbundbau 1241

Tabelle 3.5-6 Teilschnittgrößen und Spannungen bei Momentenbeanspruchung sowie Längsschubkraft in der Verbundfuge

Betonquerschnitt Stahlquerschnitt
Teilschnittgrößen bei Momentenbeanspruchung ML

Spannungen bei Momentenbeanspruchung ML

Teilschnittgrößen bei Normalkraftbeanspruchung

Spannungen bei Normalkraftbeanspruchung

Längsschubkräfte in der Verbundfuge

Längsschubkraft infolge einer Querkraft Vz,Sd:

resultierende Längsschubkraft bei Einleitung einer Längskraft FSd


Lasteinleitung im Betongurt: Lasteinleitung im Baustahlquerschnitt

resultierende Längsschubkraft an Betonierabschnittsgrenzen:

ständige Einwirkungen darf vereinfachend \P=1,1, liche Reduktionszahl nL=nA,L=nI,L für die Betonflä-
für Schwinden und zeitlich veränderliche Einwir- che und das Betonträgheitsmoment verwendet:
kungen \S=\PT=0,55 und für planmäßig einge-
prägte Deformationen \D=1,5 angenommen wer- (3.5.6)
den. Bei der vereinfachten Berechnung wird wie bei
der Berechnung für kurzzeitige Beanspruchungen Diese Näherung [Hanswille 1999] ist für übliche
nicht mehr zwischen den unterschiedlichen Reduk- Tragwerke des Hochbaus sowie für Brückentrag-
tionszahlen für die Betonfläche und das Betonträg- werke ohne Spanngliedvorspannung ausreichend
heitsmoment unterschieden sondern eine einheit- genau, da bei einer Bewertung der Berechnungs-
1242 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.5-9 Bezeichnungen und Teilschnittgrößen

verfahren insbesondere berücksichtigt werden mungsvermögen verwendet werden und eine plasti-
muss, dass die Kriechzahl und der Elastizitätsmo- sche Umlagerung der konzentrierten Endschubkräf-
dul des Betons erheblich von den normativ vorge- te im Bereich der Einleitungslänge möglich ist. In
gebenen Werten abweichen können. den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit stel-
An Betonierabschnittsgrenzen und bei konzent- len sich wegen des elastischen Verhaltens der Ver-
rierter Einleitung von Normalkräften FSd ergeben bundmittel deutlich kleinere Einleitungslängen Lv
sich nach Abb. 3.5-10 konzentrierte Schubkräfte in ein. Für Nachweise in den Grenzzuständen der Ge-
der Verbundfuge, die aus der Differenz der Teil- brauchstauglichkeit sollte anstelle der vollen mittra-
schnittgrößen zwischen den kritischen Schnitten vor genden Gurtbreite beff die mittragende Teilgurtbreite
und hinter der Querschnittsänderung bzw. der bei des Gurtes mit der größeren geometrischen Brei-
Lasteinleitung der Längskraft ermittelt werden kön- te bi zugrunde gelegt werden (s. Abb.3.5-22).
nen. Die resultierende Längsschubkraft VL,Sd darf Wie bereits zuvor erläutert, resultieren in sta-
entsprechend Abb. 3.5-10 über die Einleitungslänge tisch unbestimmten Systemen aus dem Kriechen
Lv verteilt werden. Dabei ist beff die mittragende sekundäre Beanspruchungen (Zwangsschnittgrö-
Gurtbreite und bei Lasteinleitung in den Stahlträger ßen), die sich zeitlich affin zum Kriechen aufbauen.
e=ev der vertikale Abstand der Kraft FSd von der Bei Anwendung des Gesamtquerschnittsverfahrens
Verbundfuge. Wird die Normalkraft im Abstand können diese Zwangsschnittgrößen vorteilhaft mit
e=eh in den Betongurt eingeleitet, so ist für e der dem Kraftgrößenverfahren oder bei Verwendung
Abstand eh bis zur Stegachse zu berücksichtigen. von Stabwerkprogrammen mit Hilfe eines äquiva-
Die Beziehungen zur Berechnung der resultierenden lenten Temperaturlastfalles einfach berechnet wer-
Längsschubkraft VLN bei Einleitung einer Längs- den. Die Zusammenhänge lassen sich an dem in
kraft FSd sind in Tabelle 3.5-6 angegeben. An Beto- Abb. 3.5-11 dargestellten System besonders gut
nierabschnittsgrenzen ergeben sich bei Momenten- veranschaulichen.
beanspruchung die resultierenden Längsschubkräfte Die Momentenverteilung MP0 aus der ständigen
VLE aus den Teilschnittgrößen des Baustahlquer- Einwirkung ergibt sich zum Zeitpunkt t0 mit den
schnitts. In diesem Fall wird von einer dreieckför- zugehörigen Biegesteifigkeiten EaIi,0 unter Ver-
migen Verteilung der Längsschubkraft über die wendung der Reduktionszahl n0. Wird das Moment
Länge Lv nach Abb. 3.5-10 ausgegangen. Sowohl an der Innenstütze B als statisch unbestimmte
DIN 18800-5 als auch Eurocode 4 erlauben, dass Größe eingeführt, so sind die Verformungen an der
die Verteilung der konzentrierten Längsschubkräfte Mittelstütze mit zunehmendem Belastungsalter
über die Lv = beff erfolgen kann, wobei beff die ge- nicht mehr verträglich, da die Biegesteifigkeit des
samte mittragende Gurtbreite entsprechend Abb. Verbundquerschnitts von EaIi,o auf den Wert EaIi,P
3.5-22 ist. Diese Annahme für Lv ist nur für den abfällt. Die Verträglichkeitsbedingung an der Mit-
Grenzzustand der Tragfähigkeit zulässig, wenn duk- telstütze erfordert somit eine sich zeitlich aufbau-
tile Verbundmittel mit einem ausreichenden Verfor- ende Zwangsschnittgröße MPT. Da die Momenten-
3.5 Verbundbau 1243

Abb. 3.5-10 Längsschubkraft bei örtlicher Lasteinleitung von Normalkräften und an Betonierabschnittsgrenzen

Abb. 3.5-11 Ermittlung der sekundären Beanspruchungen (Zwangsschnittgrößen) infolge Kriechens

verteilung M0=MP0 zeitlich konstant ist, sind die schnittskenngrößen und die zeitlich veränderlichen
zugehörigen Verformungen GPi0 zum Zeitpunkt ti Momentenanteile MPT mit den mit nA,PT und nI,PT
unter Verwendung der mit nA,P und nI,P berechne- berechneten Querschnittskenngrößen zu bestim-
ten Biegesteifigkeit EaIi,P zu bestimmen. Für das men. Wenn gleichzeitig Normalkräfte auftreten
statisch unbestimmte, zeitlich veränderliche Zwangs- (z. B. bei Vorspannung mit Spanngliedern), ist zu-
moment (statisch Unbestimmte XiPT) sind die zu- sätzlich der aus der Änderung der Schwerachse re-
gehörigen Verformungsgrößen GPTi,k mit der Bie- sultierende Momentenanteil infolge der Normal-
gesteifigkeit EaIi,PT unter Verwendung der Reduk- kraft zu berücksichtigen.
tionszahlen nA,PT und nI,PT zu ermitteln. Bei Ermittlung der Schnittgrößen mit konventi-
Die resultierenden Teilschnittgrößen und Span- onellen Stabwerkprogrammen können die zeitlich
nungen sind dann für die ständigen Momentenan- veränderlichen Zwangsschnittgrößen einfach mit
teile MP0 mit den mit nA,P und nI,P ermittelten Quer- Hilfe eines äquivalenten Temperaturlastfalls ermit-
1244 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

telt werden. Dabei wird die Krümmungsänderung Aus dem Schwinden resultieren in statisch be-
'Ncr infolge Kriechens durch einen äquivalenten stimmten Systemen primäre Beanspruchungen. Sie
Temperaturunterschied 'tcr erfasst: können mit Hilfe des in Abb. 3.5-12 dargestellten
Modells ermittelt werden. Dabei wird die Beton-
platte im ersten Schritt in Gedanken vom Stahlträ-
ger gelöst und die aus der freien Schwinddehnung
(3.5.7) resultierende Unverträglichkeit durch Einführung
der Schwindnormalkraft NSh (Sh: shrinkage) rück-
gängig gemacht:

Werden bei der Systemberechnung die Biegesteifig- (3.5.8)


keiten EaIi,PT für zeitlich veränderliche Einwirkungen
zugrunde gelegt, so sind die aus dem äquivalenten
Temperaturlastfall resultierenden Zwangsschnitt- Im zweiten Schritt wird die Schwindnormalkraft
größen mit den zeitlich veränderlichen Zwangs- entgegengesetzt wieder auf den Verbundquer-
schnittgrößen MPT aus Kriechen identisch. Sich zeit- schnitt aufgebracht. Hieraus resultiert im Verbund-
lich entwickelnde Normalkraftzwängungen (z. B. in querschnitt eine Normalkraftbeanspruchung N=
Rahmentragwerken) können analog durch eine äqui- –NSh und eine Momentenbeanspruchung MSh=–NSh
valente Temperaturschwankung und einen zusätz- zic,S. Die resultierenden primären Beanspruchungen
lichen Temperaturunterschied, der die Momentenbe- ergeben sich aus der Überlagerung der Schritte A
anspruchung aus dem Schwerachsenversatz erfasst, und B nach Abb. 3.5-12. Die Beziehungen zur Be-
berechnet werden. rechnung der Teilschnittgrößen und Spannungen

Abb. 3.5-12 Modell zur Berechnung der primären Beanspruchungen aus dem Schwinden, Endschubkräfte an Trägerenden
3.5 Verbundbau 1245

Tabelle 3.5-7 Teilschnittgrößen und Spannungen aus den primären Beanspruchungen infolge des Schwindens

Betonquerschnitt Stahlquerschnitt
Teilschnittgrößen aus primären Beanspruchungen

Spannungen aus primären Beanspruchungen

resultierende Längsschubkraft am Trägerende

aus dem Schwinden sind in Tabelle 3.5-7 zusam-


mengestellt.
An den Trägerenden resultieren aus den pri-
mären Beanspruchungen konzentrierte Längs-
schubkräfte VLE,S, die aus der Teilschnittgröße des
Baustahlquerschnitts ermittelt werden können (s.
Tabelle 3.5-7). Für die Verteilung der resultie-
renden Endschubkraft in Trägerlängsrichtung darf
die in Abb. 3.5-12 dargestellte dreieckförmige Ver-
teilung angenommen werden. Bei duktilen Ver-
bundmitteln kann im Grenzzustand der Tragfähig-
keit eine Lasteinleitungslänge Lv=beff und im
Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit Lv=bei
angenommen werden. In statisch unbestimmten
Tragwerken resultieren aus den primären Bean-
spruchungen Zwangsschnittgrößen (sekundäre Be-
anspruchungen), die mit Hilfe des Kraftgrößen-
verfahrens (Abb. 3.5-13) oder eines äquivalenten
Temperaturlastfalles unter Ansatz der Biegestei-
figkeit EaIi,S bestimmt werden können. Bei der Be-
Abb. 3.5-13 Ermittlung der Zwangsschnittgrößen (sekun-
rechnung mit Hilfe eines äquivalenten Tempera- dären Beanspruchungen) aus Schwinden
turlastfalls folgt für den Temperaturunterschied

(3.5.9)
Durchlaufträgern, beeinflusst werden, wobei der
Abbau dieser Beanspruchungen durch das Krie-
Der Beanspruchungszustand kann bei Verbund- chen des %etons berücksichtigt werden muss. Bei
tragwerken durch planmäßiges Einprägen von De- der Berechnung der zeitabhängigen Einflüsse aus
formationen, z. B. Absenken von Lagern bei dem Kriechen können zwei Berechnungsmethoden
1246 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Einfluss der Rissbildung, Mitwirkung


des Betons zwischen den Rissen
In Bereichen, in denen die Zugfestigkeit des Betons
überschritten wird, führt die Rissbildung zu einer
Reduzierung der Dehn- und Biegesteifigkeit des
Stahlbetongurtes und bewirkt eine Umlagerung der
Teilschnittgrößen vom Betongurt auf den Stahlträ-
ger, d. h., die Normalkräfte im Betongurt und im
Stahlträger sowie das Moment im Betongurt werden
abgebaut, und das Biegemoment im Stahlträger
wächst an. Gleichzeitig führt die Rissbildung dazu,
dass die primären Beanspruchungen aus dem
Schwinden stark abgebaut werden. Bei Durchlauf-
trägern findet die Rissbildung nur im Bereich der
Innenstützen (negativer Momentenbereich) statt.
Die mit der Rissbildung verbundene Abnahme der
Biegesteifigkeit bewirkt somit für Beanspruchungen
Abb. 3.5-14 Ermittlung der Schnittgrößen aus planmäßig
eingeprägten Deformationen bei Trägern mit konstanten aus äußeren Einwirkungen eine Umlagerung der
Querschnittskenngrößen Biegemomente in die Feldbereiche. Die bei statisch
unbestimmten Systemen aus den primären Bean-
spruchungen infolge Schwindens resultierenden se-
verwendet werden. Die Methode I geht von den kundären Beanspruchungen werden durch Rissbil-
zuvor erläuterten Reduktionszahlen nA,D und nI,D dung ebenfalls abgebaut, da in den gerissenen Trä-
für eingeprägte Deformationen aus. Sie kann nur gerbereichen ein erheblicher Abbau der primären
angewendet werden, wenn in Trägerlängsrichtung Beanspruchungen stattfindet.
konstante bzw. näherungsweise konstante Quer- Die grundlegenden Zusammenhänge zwischen
schnitte vorhanden sind (Durchlaufträger mit dem Biegemoment MEd und der Krümmung N bzw.
konstanter Bauhöhe). Das Moment MD,t zum be- der Gurtnormalkraft Ns und dem Biegemoment MEd
trachteten Zeitpunkt t ergibt sich durch Reduzie- sind in Abb. 3.5-15 dargestellt [Hanswille 1986, 1996;
rung des Moments MD0 bei Erstbelastung mit dem Roik/Hanswille 1986, 1991; Maurer 1992]. Bei der
Verhältniswert der Biegesteifigkeit EaIi,D zum Berechnung der Teilschnittgrößen und Spannungen
Zeitpunkt t und EaIi0 zum Zeitpunkt t0 (Abb. 3.5- ist dabei zwischen den Bereichen A bis C nach Abb.
14). Die Teilschnittgrößen und Spannungen kön- 3.5-15 zu unterscheiden. Der Bereich A beschreibt
nen dann mit den Querschnittskenngrößen unter das Verhalten des ungerissenen Querschnitts, der
Zugrundelegung der Reduktionszahlen nA,D und Bereich B den Zustand der Erstrissbildung und der
nI,D nach Tabelle 3.5-6 bestimmt werden. Bereich C den Zustand der abgeschlossenen Rissbil-
Bei dem Berechnungsmodell II werden die zum dung. Im Vergleich zu den Verformungen und Teil-
Zeitpunkt t0 eingeprägten Beanspruchungen als schnittgrößen des reinen Zustand-II-Querschnitts
zeitlich konstant betrachtet (Reduktionszahlen nA,P (Gesamtstahlquerschnitt) führt die Mitwirkung des
und nI,P ), und die zeitabhängigen Zwängungen Betons zwischen den Rissen zu einer Reduzierung
werden wie bei ständigen Einwirkungen ermittelt. der Krümmung des Gesamtquerschnitts, d. h. zu ei-
Dieses Verfahren gilt allgemein und kann bei be- ner Erhöhung der Biegesteifigkeit. Diese führt dazu,
liebigen Steifigkeitsverteilungen in Trägerlängs- dass im Vergleich zum reinen Zustand II die Nor-
richtung angewendet werden. Bei der Berechnung malkraft des Stahlbetongurtes durch die Mitwir-
der Schnittgrößen mit Stabwerkprogrammen kann kung des Betons zwischen den Rissen vergrößert
ebenfalls die für die ständigen Einwirkungen be- und das Biegemoment des Stahlquerschnitts verrin-
schriebene Methode mit Hilfe eines äquivalenten gert wird.
Temperaturlastfalls nach Gl. (3.5.7) angewendet Das Rissmoment MR bei Erstrissbildung ergibt
werden. sich aus der Bedingung, dass infolge der primären
3.5 Verbundbau 1247

Abb. 3.5-15 Zusammenhang zwischen Biegemoment MSd, Teilschnittgröße Ns des Betongurtes und der Krümmung ț des
Gesamtquerschnitts

Beanspruchungen aus dem Schwinden und dem Teilschnittgrößen aus dem äußeren Moment MEd zu-
Rissmoment MR in der Randfaser des Betongurtes sammen. Der Abbau der primären Beanspruchungen
die mittlere Betonzugfestigkeit fctm erreicht wird: NsH und MsH kann näherungsweise durch die in Abb.
3.5-15 dargestellte lineare Interpolation zwischen
(3.5.10) dem Rissmoment MR bei Erstrissbildung und dem
Biegemoment MRn bei abgeschlossener Rissbildung
erfasst werden [Hanswille 1994]. Das Biegemoment
Die Randspannung Vc,H=Vc,S aus den primären Bean- bei abgeschlossener Rissbildung ergibt sich zu
spruchungen infolge Schwindens kann dabei nach
Tabelle 3.5-7 berechnet werden. Wie Abb. 3.5-15
zeigt, setzen sich die Beanspruchungen Ns und Ms
(3.5.11)
des Stahlbetongurtes im Bereich der Erstrissbildung
aus den primären Beanspruchungen infolge des
Schwindens (Teilschnittgrößen NsH und MsH) und den
1248 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

(3.5.12)

Dabei ist Nsr,n die Gurtkraft bei abgeschlossener


Erstrissbildung, die sich aus dem 1,3-fachen Wert
der Gurtkraft Nsr,1 bei Erstrissbildung ergibt, As die
Betonstahlfläche innerhalb der mittragenden Gurt-
breite, zst,s der Abstand zwischen den Schwerach-
sen des Gesamtstahlquerschnitts und der Schwer-
achse des Betonstahlquerschnitts und Us der Be-
wehrungsgrad des Betongurtes. Der Beiwert Et
kann mit 0,4 angenommen werden.
Die Gurtnormalkraft Nsr,1 resultiert mit den
Querschnittskenngrößen des ungerissenen Quer- Abb. 3.5-16 Ermittlung der schädigungsäquivalenten Nor-
schnitts aus dem Rissmoment MR und der Gurt- malkraftamplituden des Betongurtes beim Nachweis der Er-
kraft infolge der primären Beanspruchungen aus müdung
dem Schwinden. Im Bereich der abgeschlossenen
Rissbildung (Bereich C) kann der Einfluss der pri-
mären Beanspruchungen vernachlässigt werden. 3.5-16 dargestellten Zusammenhänge, die für die
Die Teilschnittgrößen und Spannungen können Berechnung der Spannungsschwingbreiten beim
dann aus den Teilschnittgrößen des reinen Zustand- Nachweis der Ermüdung benötigt werden [Hans-
II-Querschnitts und den in Abb. 3.5-15 dargestell- wille 1994]. Man erkennt, dass die Teilschnittgrö-
ten Umlagerungsgrößen aus der Mitwirkung des ßen bei einer Entlastung von der während der Nut-
Betons zwischen den Rissen bestimmt werden. Für zungsdauer aufgetretenen maximalen Momenten-
den Bereich der abgeschlossenen Rissbildung beanspruchung Mmax abhängen. In DIN 18800-5
erhält man z. B. für die Spannung im Bewehrungs- und in Eurocode 4 wird beim Nachweis der Ermü-
stahl dung auf der sicheren Seite liegend davon ausge-
gangen, dass Mmax mit dem maximalen Biegemo-
ment Mmax,f im Grenzzustand der Ermüdung iden-
tisch ist.
(3.5.13) Für den Nachweis des Baustahlquerschnitts
liegt die Vernachlässigung der Einflüsse aus der
Die effektive Biegesteifigkeit des Verbundquer- Mitwirkung des Betons stets auf der sicheren Sei-
schnitts unter Berücksichtigung der Mitwirkung te. Bei der Bewehrung und bei den Dübeln muss
des Betons zwischen den Rissen kann aus der Bie- der Einfluss dagegen berücksichtigt werden. Die
gesteifigkeit des Baustahlquerschnitts und der zu- Doppelspannungsamplituden in der Bewehrung
gehörigen Krümmung des Baustahlquerschnitts infolge der Ermüdungsbelastung können mit Hilfe
berechnet werden: der Beanspruchungen infolge Mmax,f und der zuge-
hörigen Spannung Vs,max,f nach Gl. (3.5.16) einfach
ermittelt werden, weil die aus der Ermüdungsbe-
(3.5.14) lastung resultierenden Spannung infolge Mmin,f
näherungsweise linear von den Werten infolge
Mmax,f abhängen (Abb. 3.5.16). Die Spannungen
Der qualitative Verlauf der von der Momentenbe- im Betonstahl ergeben sich für das Biegemoment
anspruchung abhängigen Biegesteifigkeit ist eben- Mmax,f nach Gl. (3.5.15), wobei wegen des abneh-
falls in Abb. 3.5-15 dargestellt. menden Einflusses der Mitwirkung des Betons
Die zuvor erläuterten Zusammenhänge gelten zwischen den Rissen bei nicht vorwiegend ru-
für eine erstmalige Beanspruchung des Quer- hender Beanspruchung für den Beiwert Et ein ab-
schnitts. Bei Entlastung ergeben sich die in Abb. geminderter Wert Et,f=0,2 berücksichtigt wird.
3.5 Verbundbau 1249

dem Verdübelungsgrad von Bedeutung sind [Bode/


Becker/Kronenberger 1994].
Bei allen Verbundmitteln ist eine mehr oder we-
(3.5.15)
niger große Nachgiebigkeit in der Verbundfuge
(3.5.16) (Schlupf) zu beobachten. Es wird daher zwischen
starrer und nachgiebiger Verdübelung unterschie-
den. Bei starrer Verdübelung ist der Einfluss des
Die Biegemomente Mmax,f und Mmin,f ergeben sich Schlupfes so klein, dass seine Auswirkungen auf
dabei aus den ständigen Einwirkungen, dem häufi- die Teilschnittgrößen, Spannungen und Verfor-
gen Wert der Temperatureinwirkung, dem charak- mungen vernachlässigbar sind, d. h., im Quer-
teristischen Wert der Vorspannung bzw. planmäßig schnitt stellt sich eine Dehnungsverteilung mit ei-
eingeprägten Deformation und dem schädigungs- ner Dehnungsnulllinie ein. Der Schubkraftverlauf
äquivalenten Verkehrslastanteil. Wenn infolge Mmin,f ist dann bei elastischem Materialverhalten affin
im Betongurt Druckbeanspruchungen entstehen, zum Querkraftverlauf (Abb. 3.5-17). Bei nachgie-
sind die Spannungen Va,min und Vs,min mit den bigem Verbund stellt sich im Querschnitt eine Deh-
Querschnittskenngrößen des ungerissenen Quer- nungsverteilung mit zwei Nulllinien ein. Die An-
schnitts zu berechnen. Die Längsschubkraftampli- nahme vom Ebenbleiben des Querschnitts gilt hier
tude 'VL,equ ergibt sich mit Abb. 3.5-16 aus der nur für die Teilquerschnitte. Der nachgiebige Ver-
Differenz der Normalkräfte des Betongurtes zwi- bund führt zu einer Umlagerung der Teilschnittgrö-
schen zwei kritischen Schnitten zu ßen auf den Stahlquerschnitt und zu einer Reduzie-
rung der Längsschubkräfte (Abb. 3.5-17).
Bei elastischem Materialverhalten können die
(3.5.17)
Beanspruchungen nach der Theorie des elastischen
Verbunds [Hoischen 1954; Sattler 1955; Heilig
Die maximalen und minimalen Querkräfte Vmax,f 1953] berechnet werden. Im Grenzzustand der
und Vmin,f sowie die zugehörigen Biegemomente Tragfähigkeit führen Teilplastizierungen im Stahl-
Mmax,f und Mmin,f sind dabei für die beschriebene querschnitt zu einem Anwachsen der Längsschub-
Kombination zu ermitteln. Wenn das zu Vmin,f zu- kräfte in den plastizierten Trägerbereichen, weil mit
gehörige Biegemoment Mmin,f im Betongurt Druck- der Plastizierung ein überlineares Anwachsen der
beanspruchungen hervorruft, muss die zugehörige Normalkräfte im Stahlquerschnitt und somit ein
Normalkraft Ns,min,f mit den Querschnittskenn- Anstieg der Längsschubkraft verbunden ist. Es
größen des ungerissenen Querschnitts ermittelt stellen sich dann die in Abb. 3.5-17 dargestellten
werden. Schubkraftspitzen in den plastizierten Trägerberei-
chen ein, d. h., die Affinität zwischen Querkraft-
Verbundsicherung und Verformungsverhalten und Schubkraftverlauf geht verloren.
der Verbundmittel Der Einfluss des Verdübelungsgrades soll zu-
Das Tragverhalten eines Verbundträgers wird ent- nächst an dem in Abb. 3.5-18 dargestellten Ein-
scheidend durch die Ausbildung der Verdübelung feldträger und dem zugehörigen Teilverbunddia-
zwischen Stahlträger und Betongurt entscheidend gramm verdeutlicht werden. Verzichtet man auf
beeinflusst. Die Schubkräfte in der Verbundfuge eine Verdübelung zwischen Stahlträger und Be-
ergeben sich aus der Normalkraftänderung im tongurt, so wird die Tragfähigkeit durch die plasti-
Stahl- bzw. Betonquerschnitt. Der Verlauf der sche Momententragfähigkeit des reinen Stahlpro-
Längsschubkraft kann im Grenzzustand der Trag- fils bestimmt (Punkt A). Eine optimale Tragfähig-
fähigkeit von dem nach der Elastizitätstheorie er- keit des Verbundträgers ergibt sich, wenn sich die
mittelten Verlauf unter Zugrundelegung der Hypo- im Punkt C dargestellte vollplastische Spannungs-
these vom Ebenbleiben des Gesamtquerschnitts verteilung einstellt. In diesem Fall wird das ge-
erheblich abweichen, da im Traglastzustand die samte Stahlprofil durch Zugspannungen und der
Einflüsse aus der Plastizierung im Stahlträger und Betongurt nur durch Druckspannungen bean-
aus der Nachgiebigkeit der Verbundmittel sowie sprucht. Die vollplastische Momententragfähigkeit
1250 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.5-17 Starrer und nachgiebiger Verbund, Einfluss von Plastizierungen im Stahlträger

Mpl,Rd=Npl,a,z ergibt sich aus der vollplastischen


Normalkrafttragfähigkeit Npl,a des Stahlprofils und
dem zugehörigen inneren Hebelarm z. Die über
die betrachtete Trägerlänge zugehörige resultie-
rende Längsschubkraft in der Verbundfuge zwi-
schen Stahlprofil und Betongurt ist gleich der
vollplastischen Normalkraft des Stahlprofils. Man
spricht in diesem Fall von einem Träger mit voll-
ständiger Verdübelung mit einem Verdübelungs-
grad K=n/nf=1,0. Die zugehörige Anzahl nf der
Verbundmittel bei vollständiger Verdübelung er-
gibt sich mit dem Bemessungswert der Dübeltrag-
fähigkeit PRd zu nf=Npl,a/PRd.
Eine Reduzierung des Verdübelungsgrades führt
zu einer teilweisen Verdübelung (Bereiche A bis C
in Abb. 3.5-18). Bei teilweiser Verdübelung stellt
sich in der Verbundfuge Schlupf ein, und es ent-
steht eine Spannungsverteilung mit zwei plasti-
schen Nulllinien. In diesem Fall wird die Mo-
mententragfähigkeit durch die Längsschubtragfä-
higkeit in der Verbundfuge begrenzt. Da in der
Verbundfuge eine gegenseitige Verschiebung zwi-
schen Stahlprofil und Beton (Schlupf) auftritt,
müssen die Verbundmittel eine ausreichende Duk-
tilität besitzen. Um bei Trägern infolge übermäßi- Abb. 3.5-18 Teilweise und vollständige Verdübelung
3.5 Verbundbau 1251

Abb. 3.5-19 Verformungsverhalten von duktilen und nicht-


duktilen Verbundmitteln

gen Schlupfes ein Abscheren der Verbundmittel zu


verhindern, wird in den Regelwerken ein Min-
destverdübelungsgrad gefordert. Dieser Mindest-
verdübelungsgrad hängt neben der Steifigkeit der Abb. 3.5-20 Zur Momentendeckung bei äquidistanter Dü-
beleinteilung
Verbundmittel von der Art der Einwirkung (Gleich-
streckenlasten, Einzellasten), von der Trägerstütz-
weite, der Querschnittsausbildung und der Streck- lasten kann bei vollständiger und teilweiser Verdü-
grenze des Baustahls ab. Auf diese Weise wird belung bei der Berechnung mit ausreichender Ge-
sichergestellt, dass der Schlupf in der Verbund- nauigkeit von einer starren Verdübelung ausgegan-
fuge den charakteristischen Wert des Verfor- gen werden. Eine Ausnahme bilden Verbundträger
mungsvermögens, Gk, nach Abb. 3.5-19 nicht über- mit teilweiser Verdübelung und sehr nachgiebigen
schreitet. Verbundmitteln wie Träger mit Profilblechen und
Die im Traglastzustand und bei teilweiser Verdü- großen Rippenhöhen. Im Traglastzustand ist insbe-
belung mit der Umlagerung der Schubkräfte ver- sondere bei teilweiser Verdübelung immer ein
bundenen Relativverschiebungen in der Verbundfu- nachgiebiger Verbund vorhanden.
ge (Schlupf) erfordern eine ausreichende Duktilität Wie Abb. 3.5-17 verdeutlicht, führen die Teil-
der Verbundmittel. Ein duktiles Verhalten ist zudem plastizierungen und die Nachgiebigkeit der Verbund-
für den Ausgleich von Schubkraftspitzen im Bereich mittel zu einem Ausgleich der Schubkräfte in Trä-
von Querschnittsänderungen und bei der Einleitung gerlängsrichtung. Im Hochbau wird daher für die
von konzentrierten Kräften in Trägerlängsrichtung Verbundmittel eine äquidistante Dübeleinteilung be-
erforderlich. Verbundmittel werden als duktil be- vorzugt, insbesondere dann, wenn Träger mit Profil-
zeichnet, wenn ein Verformungsverhalten nach Abb. blechdecken verwendet werden. Eine äquidistante
3.5-19 mit einem charakteristischen Verformungs- Verteilung der Verbundmittel setzt grundsätzlich
vermögen von Gk=6 mm vorhanden ist. Im Gegen- duktile Verbundmittel voraus. Ferner ist zu beach-
satz zu den duktilen Verbundmitteln stellt sich bei ten, dass über die Trägerlänge eine ausreichende
Verbundmitteln ohne ausreichende Duktilität un- Momentendeckung vorhanden ist, da auch bei Trä-
mittelbar nach Erreichen der Traglast ein plötzlicher gern mit vollständiger Verdübelung und äquidistan-
Lastabfall oder ein unangekündigter Bruch ein. ter Verteilung der Verbundmittel zwischen kriti-
Ein duktiles Verhalten ist bei Kopfbolzendübeln schen Schnitten bereichsweise ein Verdübelungsgrad
und Reibabscherverdübelungen gegeben. Blockdü- Kt1,0 vorhanden sein kann. Die nach der Teilver-
bel nach Abb. 3.5-31 weisen insbesondere dann, bundtheorie berechnete Momententragfähigkeit MRd
wenn der Bruch in der Schweißnaht auftritt, nur kann dann kleiner als das aus den äußeren Lasten
eine sehr geringe Duktilität auf. Unter Gebrauchs- resultierende Biegemoment MEd sein (Abb. 3.5-20),
1252 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

wenn das Stahlprofil keine ausreichende plastische


Momententragfähigkeit Mpl,a,Rd besitzt. Dies ist z. B.
der Fall, wenn Baustahlquerschnitte ohne Obergurt
oder mit sehr kleinem Obergurt verwendet werden.

3.5.3.3 Grenzzustand der Tragfähigkeit


Erforderliche Nachweise
Bei Verbundträgern sind in kritischen Schnitten im
Grenzzustand der Tragfähigkeit die in Abb. 3.5-21
zusammengestellten Nachweise zu führen. Als kri-
tische Schnitte sind beim Nachweis der Quer-
schnittstragfähigkeit neben den in Abb. 3.5-21 dar-
gestellten Stellen (extremale Biegemomente und
Querkräfte, Querschnittssprünge) auch Angriffs-
punkte von Einzellasten und Einleitungspunkte Abb. 3.5-21 Nachweise im Grenzzustand der Tragfähig-
von konzentrierten Kräften in Trägerlängsrichtung keit, kritische Schnitte
(z. B. aus Spanngliedvorspannung) zu untersuchen.
Beim Nachweis der Längsschubtragfähigkeit im
Schnitt IV-IV nach Abb. 3.5-21 wird die maßge- Auflager zugrunde zu legen. Die mittragenden
bende kritische Länge durch zwei benachbarte kri- Teilgurtbreiten bei ergeben sich in Abhängigkeit
tische Schnitte begrenzt. Bei diesem Nachweis von der äquivalenten Stützweite Le. Als äquiva-
sind zusätzlich die Enden von Kragarmen und bei lente Stützweite Le ist der Abstand der Momenten-
Trägern mit Querschnitten der Klasse 3 und 4 so- nullpunkte anzusetzen. Bei Durchlaufträgern mit
wie bei Trägern mit nichtduktilen Verbundmitteln veränderlichen Einwirkungen darf die äquivalente
die plastizierten Trägerbereiche als kritische Län- Stützweite nach Abb. 3.5-22 bestimmt werden.
ge zu betrachten. Bei Trägern mit veränderlicher
Bauhöhe sind beim Nachweis der Längsschubtrag- Schnittgrößenermittlung
fähigkeit ferner Trägerabschnitte, bei denen das Eine exakte Berechnung der Schnittgrößen von
Verhältnis der Flächenmomente zweiten Grades durchlaufenden Verbundträgern bereitet in der Pra-
den Wert 2 überschreitet, als kritische Länge zu be- xis relativ große Schwierigkeiten, da im Grenzzu-
trachten. Im Fall nicht vorwiegend ruhender Bean- stand der Tragfähigkeit der Einfluss aus der Schub-
spruchung sind zusätzlich für den Stahlträger, die verformung der Betongurte (mittragende Gurtbrei-
Bewehrung und die Verdübelung ausreichende Er- te), das Langzeitverhalten des Betons (Kriechen
müdungsfestigkeiten nachzuweisen. und Schwinden), die Rissbildung im Betongurt
und der Einfluss der Mitwirkung des Betons zwi-
Mittragende Gurtbreite schen den Rissen, die Ausbildung von Fließzonen
Bei biegebeanspruchten Verbundträgern mit brei- und örtliches Stabilitätsverhalten im Stahlträger,
ten Betongurten ist die Voraussetzung des Eben- die Nachgiebigkeit der Verbundmittel sowie die
bleibens des Gesamtquerschnittes wegen der Herstellungs- und Belastungsgeschichte berück-
Schubverzerrungen der Gurtscheiben nicht mehr sichtigt werden müssen. In den Regelwerken wer-
erfüllt. Dieser Einfluss darf bei der Ermittlung der den daher zur Berechnung der Schnittgrößen von
Querschnittstragfähigkeit und der Schnittgrößen Durchlaufträgern Näherungsverfahren auf der
durch Einführung einer mittragenden Gurtbreite Grundlage der Elastizitätstheorie und der Fließge-
erfasst werden. Bei der Ermittlung der Schnittgrö- lenktheorie angegeben, die eine auf der sicheren
ßen von Durchlaufträgern darf eine feldweise Seite liegende Abschätzung des Beanspruchungs-
konstante mittragende Breite angenommen wer- zustands erlauben. Die Anwendung der unter-
den. Hierbei ist i. Allg. der Wert der mittragenden schiedlichen Verfahren hängt dabei von der Quer-
Breite in Feldmitte und für Kragarme der Wert am schnittklasse ab.
3.5 Verbundbau 1253

ner elastischen Schnittgrößenermittlung zwischen


einem „Allgemeinen Berechnungsverfahren“ und
zwei Näherungsverfahren. Das „Allgemeine Be-
rechnungsverfahren“ ist in der Regel bei Tragwer-
ken anzuwenden, bei denen die Rissbildung einen
großen Einfluss auf die Schnittgrößenverteilung hat.
Dies ist z. B. bei seitlich verschieblichen Rahmen-
tragwerken, bei Durchlaufträgern mit stark unter-
schiedlichen Stützweiten sowie bei stark gevouteten
Trägern der Fall. In diesen Fällen ist zunächst die
Schnittgrößenverteilung unter der Annahme unge-
rissener Querschnitte (Biegesteifigkeit EaI1) unter
Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens
des Betons durchzuführen. In Trägerbereichen, in
denen die Betonrandspannung Vc den Grenzwert der
zweifachen mittleren Betonzugfestigkeit fctm unter
der charakteristischen Kombination überschreitet,
wird vereinfachend angenommen, dass sich im
Grenzzustand der Tragfähigkeit eine ausgeprägte
Rissbildung und eine signifikante Steifigkeitsredu-
zierung einstellt. In diesen Bereichen darf die Bie-
gesteifigkeit auf den Wert EaI2 abgemindert werden.
Dabei ist EI2 die Biegesteifigkeit des Querschnitts
ohne Berücksichtigung des Betons (Biegesteifigkeit
des Gesamtstahlquerschnittes). Die sich so erge-
bende neue Steifigkeitsverteilung darf dann der
endgültigen Schnittgrößenermittlung zugrunde ge-
legt werden. Der für die Bestimmung der gerissenen
Trägerbereiche mit der Länge Lcr nach Abb. 3.5-22
angenommene Grenzwert für die Betonrandspan-
Abb. 3.5-22 Mittragende Gurtbreite nung Vc,grenz =2 fctm berücksichtigt zwei wesentliche
Einflüsse. Infolge der Mitwirkung des Betons zwi-
Elastische Tragwerksberechnung. Eine elastische Be- schen den Rissen fällt die Biegesteifigkeit nicht
rechnung der Schnittgrößen ist grundsätzlich für ganz bis auf den Wert des voll gerissenen Quer-
alle Querschnittsklassen zulässig. Das nichtlineare schnitts ab. Daraus resultieren bei Durchlaufträgern
Verhalten aus der Rissbildung im Betongurt, aus geringere Momentenumlagerungen in die Feldbe-
örtlicher Plastizierung im Stahlträger und in der reiche, die durch den Ansatz Vc,grenz =2 fctm und die
Bewehrung sowie das Herausplastizieren von pri- daraus resultierenden kleineren rechnerischen Län-
mären und sekundären Beanspruchungen aus dem gen Lcr kompensiert werden. Ferner werden durch
Kriechen und Schwinden des Betons werden nähe- die Grenzspannung Einflüsse aus Überfestigkeiten
rungsweise durch von der Querschnittsklasse ab- der Betonzugfestigkeit mit berücksichtigt. Neben
hängige Prozentwerte für die Momentenumlage- dem Allgemeinen Berechnungsverfahren werden in
rung erfasst. Bei Trägern mit Querschnitten der den Regelwerken zwei Näherungsmethoden ange-
Klasse 3 und 4 ist dabei zu beachten, dass sich die geben. Bei der Methode I wird bei der Schnittgrö-
in den Regelwerken angegebenen Momentenumla- ßenermittlung über die gesamte Trägerlänge die
gerungen nur auf die Momentenanteile nach Her- Biegesteifigkeit EaI1 des ungerissenen Verbund-
stellung des Verbunds beziehen. querschnitts zugrunde gelegt. Die so ermittelten
Der Eurocode 4 und DIN 18800-5 unterscheiden Biegemomente dürfen bei Verbundträgern mit feld-
hinsichtlich des Einflusses der Rissbildung bei ei- weise konstanter Bauhöhe in Abhängigkeit von der
1254 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.5-23 Methoden I und II bei der elastischen Tragwerkberechnung, zulässige Momentenumlagerungen

Querschnittsklasse und unter Beachtung der Gleich- Trägern mit Querschnitten der Klasse 1 oder 2
gewichtsbedingungen nach Abb. 3.5-23 von der werden die so ermittelten Biegemomente im
Stütze zum Feld umgelagert werden. Die in Abb. Grenzzustand der Tragfähigkeit durch örtliches
3.5-23 angegebenen Umlagerungsprozentsätze er- Plastizieren weiter umgelagert. Dieser Einfluss
fassen bei dieser Methode Einflüsse aus der Rissbil- wird in den Regelwerken durch eine zusätzliche
dung und aus dem nichtlinearen Materialverhalten Momentenumlagerung nach Abb. 3.5-23 erfasst.
des Beton- und des Baustahls. Die primären und sekundären Beanspruchun-
Bei der Methode II wird der Einfluss der Riss- gen aus Kriechen und Schwinden werden bei Trä-
bildung im Betongurt auf die Momentenverteilung gern mit Querschnitten der Klasse 1 oder 2 im
näherungsweise durch Ansatz der Biegesteifigkeit Grenzzustand der Tragfähigkeit durch Plastizieren
(EaI2) nach Abb. 3.5-23 berücksichtigt. Näherungs- des Baustahlquerschnitts und der Bewehrung
weise darf dabei bei Trägern, bei denen das Ver- sowie durch Rissbildung im Beton nahezu voll-
hältnis benachbarter Stützweiten die Bedingung ständig abgebaut. Sie dürfen daher wie die Ein-
Lmin/Lmax•0,6 erfüllt, die als gerissen angenom- flüsse aus der Belastungsgeschichte vernachlässigt
mene Trägerlänge Lcr mit 15% der Stützweite der werden, wenn gleichzeitig ein Versagen durch
angrenzenden Felder angenommen werden. Bei Biegedrillknicken ausgeschlossen werden kann.
3.5 Verbundbau 1255

Bei Querschnitten der Klassen 3 und 4 wird die


Tragfähigkeit durch das lokale Stabilitätsverhalten
der Stege und Gurte im Bereich der Innenstützen
bestimmt, so dass die Einflüsse aus dem Kriechen
und Schwinden für die Beurteilung der Tragfähig-
keit von Bedeutung sind. Da im Bereich der Innen-
stützen der Betongurt im Grenzzustand der Tragfä-
higkeit gerissen ist und die primären Beanspru-
Abb. 3.5-24 Biegesteifigkeiten bei Trägern mit Kammer-
chungen aus dem Kriechen und Schwinden durch beton
die Rissbildung nahezu vollständig abgebaut wer-
den, müssen bei den Tragfähigkeitsnachweisen
von Trägern mit Querschnitten der Klasse 3 oder 4 aus den Biegesteifigkeiten EaI1 und EaI2 genom-
nur die sekundären Beanspruchungen aus dem men wird. Bei der Ermittlung der Biegesteifigkeit
Kriechen und Schwinden berücksichtigt werden. des gerissenen Querschnitts darf die Druckzonen-
Einflüsse aus der Belastungsgeschichte sind bei höhe im Kammerbeton näherungsweise aus der
der Schnittgrößenermittlung von Trägern mit Lage der plastischen Nulllinie berechnet werden
Querschnitten der Klasse 3 oder 4 grundsätzlich (Abb. 3.5-24). Wie bereits zuvor erläutert, können
immer zu berücksichtigen. Verbundträger mit Kammerbeton bei negativer
Bei der Wahl der Näherungsmethoden I oder II Momentenbeanspruchung wegen fehlender experi-
ist zu bedenken, dass die Methode I zwar einen ge- menteller Erfahrungen bezüglich des gedrückten
ringeren Aufwand bedeutet, für den Grenzzustand Kammerbetons nicht in die Querschnittsklasse 1
der Gebrauchstauglichkeit jedoch i. d. R. eine eingestuft werden. Die in Abb. 3.5-23 angegebenen
genauere Berechnung unter Berücksichtigung der Werte für die Momentenumlagerung für die Klasse
Rissbildung erforderlich ist. Eine zweifache Be- 1 dürfen daher nur angesetzt werden, wenn der
stimmung der Schnittgrößen wird bei Anwendung Kammerbeton bei der Querschnittstragfähigkeit
der Methode II vermieden. Die in Abb. 3.5-23 an- nicht berücksichtigt wird.
gegebenen Umlagerungen für den Einfluss aus Bei Trägern mit Vorspannung durch planmäßig
dem Plastizieren des Stahlträgers gelten für Träger, eingeprägte Deformationen und/oder Vorspannung
die überwiegend durch Gleichstreckenlasten bean- mit Spanngliedern sowie bei Tragwerken mit Quer-
sprucht werden, da sich in diesem Fall die plasti- schnitten der Klasse 3 oder 4, bei denen die Schnitt-
schen Zonen zunächst im Bereich der Innenstützen größenverteilung durch die Rissbildung im Be-
ausbilden und eine Umlagerung der Momente ins tongurt stark beeinflusst wird (z. B. Mischsysteme
Feld bewirken. Bei großen Einzellasten bilden sich aus Verbundquerschnitten und reinen Stahlbeton-
die plastischen Zonen nahezu gleichzeitig in den bzw. Stahlquerschnitten), sollten genauere Berech-
Feld- und Stützbereichen, so dass eine nennens- nungsverfahren angewendet werden.
werte Umlagerung der Momente in die Feldbe-
reiche nicht stattfindet [Bode/Fichter 1986]. Bei Berechnung nach der Fließgelenktheorie. Unter be-
der Schnittgrößenermittlung sollte daher die Me- stimmten Voraussetzungen ist eine Berechnung
thode I nicht angewendet werden und bei Anwen- nach der Fließgelenktheorie I. Ordnung mit der
dung der Methode II die Momentenumlagerungen Annahme uneingeschränkter Rotationsfähigkeit
nur zu 50% ausgenutzt werden. der Fließgelenke möglich. Da die vorhandene Ro-
Für Verbundträger mit Kammerbeton sollten tationskapazität von Verbundquerschnitten durch
die Schnittgrößen grundsätzlich mit der Methode das Dehnungsverhalten des Betons bei Druckbean-
II ermittelt werden. Dabei ist in den Feldbereichen spruchung t eingeschränkt ist, muss bei der Be-
der Einfluss der Rissbildung im Kammerbeton zu- messung sichergestellt werden, dass in Fließgelen-
sätzlich zu berücksichtigen. Wie Trägerversuche ken mit Rotationsanforderungen die vorhandene
gezeigt haben, wird die effektive Biegesteifigkeit Rotationskapazität Rvorh stets größer als die zur
(EI)eff in den Feldbereichen (gerissener Kammer- Ausbildung einer Fließgelenkkette erforderliche
beton) realistisch ermittelt, wenn der Mittelwert Rotationskapazität Rerf ist. Die erforderliche Rota-
1256 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.5-25 Anforderungen an die Querschnitte und Systeme bei Anwendung der Fließgelenktheorie

tionskapazität hängt bei Durchlaufträgern von der immer ein direkter Nachweis der erforderlichen
Art der Belastung (Gleichstreckenlast, Einzellast), und vorhandenen Rotationskapazität erforderlich.
dem Stützweitenverhältnis und dem Verhältnis der Die zuvor genannten Bedingungen für die An-
plastischen Momententragfähigkeiten der Quer- wendung der Fließgelenktheorie können als erfüllt
schnitte an den Innenstützen und im Feld ab. angesehen werden, wenn im Bereich von Fließge-
Da bei Verbundträgern die plastischen Mo- lenken Querschnitte der Klasse 1 und in den rest-
mententragfähigkeiten bei negativer Momentenbe- lichen Bereichen Querschnitte der Klasse 2 vor-
anspruchung i. Allg. erheblich kleiner sind als bei handen sind. In den Bereichen von Fließgelenken
positiver, ergeben sich an den Innenstützen von müssen ferner in Bezug auf die Stegachse symme-
Durchlaufträgern nennenswert größere erforder- trische Baustahlquerschnitte vorhanden sein. Der
liche Rotationen als bei reinen Stahltragwerken. Druckgurt des Stahlträgers muss im Bereich von
Eine ausreichende vorhandene Rotationskapazität Fließgelenken seitlich gehalten sein, und die Ab-
wird in den Regelwerken bei Verwendung der messungen des Stahlträgers und weiterer stabili-
Baustähle S235 und S355 durch Anforderungen an sierender Bauteile müssen so gewählt werden, dass
die Querschnittsausbildung sichergestellt. Systeme ein Biegedrillknickversagen ausgeschlossen ist.
mit hohen Rotationsanforderungen, z. B. Träger Bei Durchlaufträgern mit Gleichstreckenbelastung
mit stark unterschiedlichen Stützweiten, werden bilden sich die ersten Fließgelenke mit Rotations-
durch Beschränkung der Stützweitenverhältnisse anforderungen i. d. R. an den Innenstützen, d. h.,
ausgeschlossen (Abb. 3.5-25) und [Bode/Fichter der Untergurt und der Steg des Baustahlquer-
1986; Bode/Uth 1987; Kemp 1991]. Bei Verwen- schnitts werden gedrückt, und der Betongurt liegt
dung der hochfesten Baustähle S420 und S460 ist in der Zugzone des Querschnitts. Die Rotationsfä-
3.5 Verbundbau 1257

higkeit wird dann außer durch das örtliche Stabili-


tätsverhalten der gedrückten Bereiche des Stahl-
querschnitts auch durch das Verhalten des Beton-
zuggurtes bestimmt. Im Betonzuggurt führt die
Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen im
Betonstahl zu plastischen Dehnungskonzentrati-
onen an den Rissen. Es dürfen daher nur hochduk-
tile Betonstähle verwendet werden.
Gleichzeitig ist zur Sicherstellung einer ausrei-
chenden Duktilität ein Mindestbewehrungsgrad
nach Abb. 3.5-25 und Gl. (3.5.18) vorzusehen, der
eine ausreichende Rissverteilung und ein vorzeitiges
Versagen der Bewehrung durch örtliche Dehnungs- Abb. 3.5-26 Zur Ermittlung der Momententragfähigkeit
konzentrationen an Rissen verhindert. Querschnitte MRd
mit Kammerbeton in der Druckzone erfüllen nicht
die Bedingungen der Klasse 1. Eine Bemessung örtliches Stabilitätsversagen des Steges und/oder
nach der Fließgelenktheorie ist daher nur zulässig, des Untergurtes infolge Beulens ausgeschlossen
wenn der Kammerbeton bei der Querschnittstrag- wird. Für die Bewehrung und den Beton sind die in
fähigkeit nicht in Rechnung gestellt wird. Bei Trä- Abb. 3.5-5 dargestellten Spannungs-Dehnungsbe-
gern mit großen Einzellasten in den Feldern können ziehungen zugrunde zu legen.
die ersten Fließgelenke mit Rotationsanforderungen Die dehnungsbeschränkte Berechnung ist i. Allg.
im Feld entstehen. In diesen Fällen wird die Rota- sehr aufwändig, weil der maßgebende Dehnungszu-
tionskapazität des Querschnitts durch Erreichen stand iterativ berechnet werden muss. Für die prak-
der Grenzdehnungen im gedrückten Betongurt be- tische Berechnung werden daher einige Vereinfa-
schränkt. Bei Trägern, bei denen mehr als die Hälf- chungen gemacht, die das tatsächliche Tragverhal-
te der Bemessungslast auf einer Länge von einem ten ausreichend genau abschätzen. Für Querschnitte
Fünftel der Stützweite konzentriert ist, darf dann der Klassen 1 und 2 ist im Baustahlquerschnitt keine
der Abstand der plastischen Nulllinie von der Rand- Beschränkung der Dehnungen erforderlich. Wie aus
faser des Betongurtes nicht größer als 15% der Ge- Abb. 3.5-26 hervorgeht, weicht die tatsächliche
samthöhe des Querschnitts sein (s. Abb. 3.5-25). Spannungsverteilung dann nur geringfügig von der
Die erforderlichen plastischen Momente im Feld vollplastischen Spannungsverteilung des Quer-
und an den Innenstützen können mit Hilfe des Prin- schnitts ab. Die Momententragfähigkeit kann in die-
zips der virtuellen Verrückungen einfach ermittelt sen Fällen vollplastisch berechnet werden.
werden [Duddeck 1972].
Vollplastische Querschnittstragfähigkeit für Querschnitte
Querschnittstragfähigkeit für Biegung der Klassen 1 und 2 bei vollständiger und teilweiser Ver-
und Querkraft dübelung. Bei der Ermittlung der vollplastischen
Die Momententragfähigkeit MRd von Verbundquer- Momententragfähigkeit wird angenommen, dass
schnitten ist bei vollständiger Verdübelung i. Allg. jede Querschnittsfaser ohne Begrenzung der Deh-
unter Zugrundelegung einer linearen Dehnungsver- nungen plastiziert. Bei positiver Momentenbean-
teilung unter Beachtung von Dehnungsbeschrän- spruchung und hochliegender plastischer Nulllinie
kungen zu ermitteln. Im Stahlträger sind die Zug- liegt die tatsächliche Momententragfähigkeit über
dehnungen unbegrenzt; im Druckbereich ist bei der vollplastischen Momententragfähigkeit, weil
Querschnitten der Klassen 1 und 2 ebenfalls keine der Baustahlquerschnitt im Untergurt in den Ver-
Dehnungsbegrenzung erforderlich, wenn keine Bie- festigungsbereich kommt und im Betondruckgurt
gedrillknickgefahr besteht. Bei Querschnitten der die Dehnungen relativ klein sind.
Klassen 3 und 4 muss die Dehnung im Untergurt so Wenn die plastische Nulllinie des Querschnitts zu
begrenzt werden, dass ein seitliches Ausweichen weit in den Steg des Stahlträgers absinkt, wird die
des Untergurts infolge Biegedrillknicken bzw. ein Momententragfähigkeit durch Erreichen der Grenz-
1258 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

dehnung im Betongurt beschränkt. Dies kann der


Fall sein, wenn die mittragende Breite des Be-
tongurtes sehr klein ist (z. B. bei größeren Decken-
durchbrüchen im Gurt) oder wenn hochfeste Bau-
stähle verwendet werden. Nach DIN 18800-5 und
Eurocode 4 ist aus diesem Grund bei Querschnitten
mit Stahlgüten S420 und S460 eine Abminderung
der vollplastischen Momententragfähigkeit für Wer-
te zpl/h>0,15 mit dem Faktor Epl nach Abb. 3.5-27
erforderlich. Andernfalls muss die Momententrag-
fähigkeit dehnungsbeschränkt unter Beachtung der
Spannungs-Dehnungslinien nach Abb. 3.5-4 ermit-
telt werden. Bei negativer Momentenbeanspruchung
führt die Mitwirkung des Betons zwischen den Ris-
sen dazu, dass die plastischen Verformungen im Be-
tonstahl nur in der unmittelbaren Umgebung der
Risse auftreten. Um einen vorzeitigen Bruch der
Bewehrung zu verhindern, muss daher ein ausrei-
chender Mindestbewehrungsgrad vorhanden sein
und die Betonstahlbewehrung eine ausreichende
Duktilität besitzen, insbesondere, wenn die Bemes- Abb. 3.5-27 Ermittlung der vollplastischen Momenten-
sung nach der Fließgelenktheorie erfolgt. Nach DIN tragfähigkeit
18800-5 und [Hanswille/Schmitt 1996] ist für die
Baustähle S235, S355 und S460 der folgende Min-
destbewehrungsgrad Us,min erforderlich, wenn hoch- In Trägerbereichen, in denen der Betongurt in
duktiler Betonstahl verwendet wird: der Druckzone liegt, darf das Grenzmoment MRd für
Querschnitte der Klassen 1 und 2 auf der Grundlage
(3.5.18) der Theorie der teilweisen Verdübelung mit zwei
plastischen Nulllinien ermittelt werden, wenn duk-
tile Verbundmittel verwendet werden. Wie bereits
Dabei sind fsk und fyk die charakteristischen Werte zuvor erläutert, wird die Momententragfähigkeit bei
der Streckgrenze von Bewehrung und Baustahl, fctm teilweiser Verdübelung durch die Längsschubtrag-
die mittlere Betonzugfestigkeit und kc ein Beiwert, fähigkeit der Verbundfuge bestimmt. Die Druck-
der sich nach Gl. (3.5.34) ergibt. Der Wert G ist bei kraft Nc in der Betonplatte ergibt sich dann in Ab-
Querschnitten der Klasse 2 mit G=1,0 und bei hängigkeit vom Verdübelungsgrad K zu Nc=K Ncf,
Querschnitten der Klasse 1 mit G=1,1 anzunehmen. wobei Ncf die Betondruckkraft bei vollständiger
Wie bereits erläutert, wird bei der Ermittlung der Verdübelung ist. In Tabelle 3.5-9 sind die Bezie-
vollplastischen Momententragfähigkeit davon aus- hungen zur Ermittlung der Momententragfähigkeit
gegangen, dass alle Fasern des Querschnitts plasti- MRd bei teilweiser Verdübelung für Träger ohne
ziert sind. Die Lage der plastischen Nulllinie wird Kammerbeton zusammengestellt.
bei vollständiger Verdübelung und reiner Biegung Die Querkrafttragfähigkeit VRd wird bei Verbund-
aus der Bedingung bestimmt, dass die Summe der querschnitten ohne Kammerbeton aus der vom
aus den plastischen Spannungsblöcken resultie- Stahlquerschnitt aufnehmbaren Querkraft mit der
renden inneren Kräfte null ist. Das vollplastische Stegfläche Av bestimmt. Sie darf vollplastisch ermit-
Moment ergibt sich dann aus den inneren Kräften telt werden, wenn die in Tabelle 3.5-10 angegebenen
und den zugehörigen Hebelarmen. In Tabelle 3.5-8 d/t-Werte nicht überschritten werden. Andernfalls ist
sind die Beziehungen zur Ermittlung des vollplas- der Einfluss des Schubbeulens durch Reduzierung
tischen Moments für vollständig verdübelte Träger der vollplastischen Querkrafttragfähigkeit mit dem
ohne Kammerbeton zusammengestellt. Abminderungsfaktor NW zu berücksichtigen:
3.5 Verbundbau 1259

Tabelle 3.5-8 Vollplastische Biegemomente für Querschnitte ohne Kammerbeton bei vollständiger Verdübelung

Vollplastische Momente bei positiver Momentenbeanspruchung:

A
Nulllinie im Betongurt

B
Nulllinie im Stahlträgerobergurt

C
Nulllinie im Steg

Vollplastisches Moment bei negativer Momentenbeanspruchung:


1260 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.5- 9 Vollplastische Momententragfähigkeit MRd bei teilweiser Verdübelung

Lage der plastischen Nulllinie

Ncf = Normalkraft im Betongurt bei vollständiger Verdübelung


A
plastische Nulllinie im
Stahlträgerobergurt

B
plastische Nulllinie im Steg

Tabelle 3.5-10 Grenzwerte grenz (d/t) nach DIN 18800-5


für die vollplastische Ermittlung der Querkrafttragfähigkeit
von nicht ausgesteiften Stegen
(3.5.19)
Querschnitt grenz (d/t)

ohne Kammerbeton mit fyk in


N/mm2
Der Abminderungsfaktor NW (bezogene Tragbeul- mit Kammerbeton
spannung) ist in Abhängigkeit von der bezogenen

Schlankheit O p und der idealen Plattenbeulspan-
nung WPi nach Eurocode 3-1-5 oder nach DIN
18800-3 zu ermitteln. Bei Verbundträgern mit fen dabei die Querkrafttragfähigkeit des Stahlpro-
Kammerbeton, bei denen die in Tabelle 3.5-10 an- fils bzw. des Kammerbetons nicht überschreiten.
gegebenen Grenzwerte eingehalten sind, darf der Die Aufteilung der Bemessungsquerkraft in die
Kammerbeton bei der Ermittlung der Querkraft- Anteile, die vom Stahlprofil und vom Kammerbe-
tragfähigkeit berücksichtigt werden. Die anteiligen ton aufgenommen werden, darf im Verhältnis ihrer
Querkräfte des Stahlprofils und des Betonteils dür- Beiträge zur Momententragfähigkeit erfolgen. In
3.5 Verbundbau 1261

den Kammern sind dabei entweder an den Steg an- Tragfähigkeit darf der Einfluss aus der Mitwirkung
geschweißte Bügel oder in jeder Kammer geschlos- des Betons zwischen den Rissen bei der Ermittlung
sene Bügel anzuordnen. der Spannungen im Betonstahl vernachlässigt wer-
Bei größeren Querkraftbeanspruchungen muss den. Bei den Querschnitten der Klasse 4 muss zu-
der Einfluss der Querkraft auf die Momententrag- sätzlich das örtliche Beulen der Stege und Gurte
fähigkeit berücksichtigt werden (Interaktion Bie- berücksichtigt werden. Dies kann mit zwei verschie-
gung und Querkraft). Auf eine Abminderung der denen Nachweismodellen erfolgen (Abb. 3.5-29).
Momententragfähigkeit darf verzichtet werden, Bei dem Modell 1 wird ein Beulnachweis nach DIN
wenn der Bemessungswert VEd den 0,5-fachen 18800-3 oder Eurocode 3-1-5, Abschnitt 10 unter
Wert der Querkrafttragfähigkeit VRd nicht über- Zugrundelegung des geometrischen Querschnitts
schreitet. Wenn diese Bedingung nicht eingehalten geführt, d. h., für den Steg bzw. für den Gurt darf die
werden kann, muss der Anteil des Steges an der Spannung VSd die jeweilige Grenzbeulspannung
Momententragfähigkeit mit dem Faktor U nach Gl. Vx,P,Rd nach DIN 18800-3 bzw. Eurocode 3-1-5 nicht
(3.5.20) abgemindert werden. Bei der praktischen überschreiten. Bei gleichzeitiger Wirkung von Nor-
Berechnung wird zweckmäßig entsprechend Abb. mal- und Schubspannungen sind die Interaktionsbe-
3.5-28 im Steg eine reduzierte Streckgrenze Ufyd dingungen nach DIN 18800-3 bzw. Eurocode 3-1-5
angesetzt oder alternativ eine reduzierte Stegdicke einzuhalten. Alternativ kann der Nachweis mit
Utw des Stahlprofils bei der Ermittlung der Mo- einem effektiven (wirksamen) Querschnitt nach
mententragfähigkeit berücksichtigt. DIN 18800-2, Abschn. 7 bzw. Eurocode 3-1-5 ge-
führt werden (Modell 2). Dabei wird der wirksame
Querschnitt in Abhängigkeit von der bezogenen
(3.5.20)
Plattenschlankheit der Stege bzw. Gurte ermittelt.
Die am wirksamen Querschnitt elastisch ermittelten
Elastische Querschnittstragfähigkeit. Bei Querschnit- Spannungen dürfen die Bemessungswerte der Fes-
ten der Klasse 3 sind die Spannungen auf die jewei- tigkeiten nicht überschreiten.
ligen Bemessungswerte der Festigkeiten zu be-
schränken. Dabei sind der Einfluss aus der Belas- Biegedrillknicken
tungsgeschichte, die Rissbildung und die Einflüsse Bei Durchlaufträgern ist im Bereich der Innenstüt-
aus dem Kriechen und Schwinden zu berücksichti- zen eine ausreichende Sicherheit gegen Biegedrill-
gen. Bei Nachweisen in den Grenzzuständen der knicken, d. h. gegen das seitliche Ausweichen des

Abb. 3.5-28 Interaktion zwischen Querkraft und Biege- Abb. 3.5-29 Elastische Momententragfähigkeit
moment
1262 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.5-30 Biegedrillknicken bei Verbundträgern

Tabelle 3.5-11 Biegedrillknicknachweis nach DIN 18800

Querschnittsklasse 1 und 2 3 und 4


Nachweis

bezogene Schlankheit

” 0,4 kein Biegedrillknicknachweis erforderlich țM=1,0

Abminderungsfaktor țM geschweißte Querschnitte: n = 2,0


gewalzte Profile: n = 2,5

Mpl,Rk, Mel,Rk: vollplastische bzw. elastische Momententragfähigkeit, ermittelt mit den


charakteristischen Werten der Streckgrenze von Baustahl und Bewehrung

gedrückten Untergurtes, nachzuweisen. Wie Abb. DIN 18800-2 angegeben. Bei einer Berechnung
3.5-30 verdeutlicht, ist das Biegedrillknicken bei nach Eurocode 4 ist der Abminderungsfaktor ana-
Verbundträgern im Vergleich zu Stahlträgern we- log nach Eurocode 3-1-1 zu ermitteln. Für die Be-
sentlich günstiger zu beurteilen, da der Stahlquer- rechnung der bezogenen Schlankheit und des Ab-
schnitt durch die Betonplatte seitlich gehalten und minderungsfaktors NM muss das ideale Biegedrill-
zusätzlich drehelastisch gehalten wird. Das Versa- knickmoment MKi bzw. in der Schwerachse des
gen wird ferner durch das Verformungsverhalten gedrückten Gurtes die Spannung VKi infolge des
des Steges beeinflusst (Profilverformung). idealen Biegedrillknickmoments bekannt sein. Zur
Eine ausreichende Tragfähigkeit gegen Biege- Berechnung von MKi werden die in Abb. 3.5-30
drillknicken ist gegeben, wenn bei einer Berech- dargestellten Lagerungsbedingungen angenom-
nung nach DIN 18800-5 die in Tabelle 3.5-11 an- men. Der Betongurt bewirkt eine seitliche Halte-
gegebenen Bedingungen eingehalten sind. In Ta- rung am Obergurt sowie eine kontinuierliche dreh-
belle 3.5-11 ist der Abminderungsfaktor NM nach elastische Bettung. Der Einfluss der Profilverfor-
3.5 Verbundbau 1263

mung kann ebenfalls bei der Ermittlung der dreh-


elastischen Bettung erfasst werden [Roik/Hanswille
1990]. Das ideale Biegedrillknickmoment kann
z. B. nach [Fischer/Berger 1997] und [Hanswille/
Lindner 1998] ermittelt werden.
In vielen Fällen kann auf einen direkten Biege-
drillknicknachweis verzichtet werden [Roik/Hans-
wille 1990]. Durchlaufträger des Hoch- und Indus-
triebaus, die über die gesamte Trägerlänge als Ver-
bundträger ausgebildet sind und überwiegend
durch Gleichstreckenlasten beansprucht werden,
dürfen ohne zusätzliche seitliche Halterungen zwi-
schen den Auflagerpunkten ausgeführt werden,
wenn sich die Stützweiten benachbarter Felder, be- Abb. 3.5-31 Verbundmittel
zogen auf die kürzere Stützweite, um nicht mehr
als 20% unterscheiden, das Verhältnis von ständi-
ger Einwirkung zu Gesamtlast größer als 0,4 ist, gehalten werden. Hierbei ist VL,Ed der Bemessungs-
die Verdübelung zwischen Stahlträgerobergurt und wert der Längsschubkraft und VL,Rd die übertragbare
Betongurt nach den im folgenden Abschnitt be- Längsschubkraft, die sich aus der im betrachteten
schriebenen Grundsätzen ausgeführt ist und die Trägerabschnitt vorhandenen Anzahl n der Ver-
Profilhöhen ha des Stahlträgers die in Tabelle 3.5- bundmittel und der Grenzscherkraft PRd des Ver-
12 angegebenen Grenzhöhen nicht überschreiten. bundmittels ergibt. Die Verbundmittel sind i. Allg.
Zusätzlich darf die Biegeschlankheit der Be- in Trägerlängsrichtung nach dem Verlauf der Längs-
tongurte quer zur Trägerrichtung den Grenzwert l/ schubkraft VL,Sd anzuordnen. Die Berechnung der
d=35 bei Durchlaufplatten und l/d=25 bei Einfeld- Längsschubkraft sowie die Verteilung der Verbund-
platten nicht überschreiten. Bei Trägern mit Kam- mittel hängt dabei von der Querschnittsklasse und
merbeton dürfen die in Tabelle 3.5-12 angegebenen von der Duktilität der Verbundmittel ab.
Grenzhöhen um 200 mm vergrößert werden. Für Kopfbolzendübel kann bei der Verwendung
von Normalbeton und bei der Verbundsicherung
Verbundsicherung mittels Reibungsverbund von einem duktilen Ver-
Die Verbundmittel zwischen dem Stahlträger und halten der Verbundmittel ausgegangen werden.
dem Betongurt müssen in Trägerlängsrichtung so Die anderen in Abb. 3.5-31 dargestellten Verbund-
angeordnet werden, dass die Längsschubkräfte VL mittel werden in den Regelwerken als Verbund-
zwischen Betongurt und Stahlträger im Grenzzu- mittel ohne ausreichende Duktilität eingestuft. Die
stand der Tragfähigkeit übertragen werden können. gleichzeitige Verwendung von duktilen Verbund-
Der natürliche Haftverbund darf dabei nicht be- mitteln und Verbundmitteln ohne ausreichende
rücksichtigt werden. Typische Verbundmittel sind Duktilität sollte vermieden werden, da die auf die
in Abb. 3.5-31 dargestellt. Zwischen kritischen einzelnen Verbundmittel entfallende Längsschub-
Schnitten muss die Bedingung VL,Ed/VL,Rdt1,0 ein- kraft vom Verformungsverhalten der Verbundmit-
tel abhängt.

Tabelle 3.5-12 Grenzprofilhöhen h (mm) für Querschnitte Träger mit Querschnitten der Klasse 1 und 2 und duk-
ohne Kammerbeton tilen Verbundmitteln. Zwischen kritischen Schnitten
Profil Stahlsorte ergeben sich bei Trägern mit Querschnitten der
S235 S355 S460 Klassen 1 und 2 die Längsschubkräfte bei vollstän-
diger Verdübelung (K=1) aus der Differenz der
IPE 600 400 270
Normalkräfte des Betongurtes bzw. der Beton-
HEA 800 650 500
stahlbewehrung infolge der vollplastischen Grenz-
HEB 900 700 600
schnittgrößen (Abb. 3.5-32). Die zwischen den
1264 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Hierbei sind Mpl,a,Rd das plastische Grenzmoment


des Baustahlquerschnitts, Mpl,Rd das plastische
Grenzmoment des Verbundquerschnitts bei voll-
ständiger Verdübelung und Ncf die zugehörige
Druckkraft des Betongurtes. Bei Trägern mit Kam-
merbeton ist in Gl. (3.5.21) Mpl,a,Rd durch das
Grenzmoment des kammerbetonierten Profilver-
bundquerschnitts zu ersetzen.
Die Dübel dürfen zwischen kritischen Schnitten
äquidistant verteilt werden, wenn das vollplastische
Grenzmoment des Baustahlquerschnitts Mpl,a,Rd den
0,4-fachen Wert des vollplastischen Grenzmoments
des Verbundquerschnitts Mpl,Rd nicht unterschreitet.
Anderenfalls ist unter Berücksichtigung der zwi-
schen kritischen Schnitten bereichsweise teilweisen
Verdübelung eine ausreichende Momentendeckung
über den jeweiligen Trägerabschnitt nachzuweisen.
Bei äquidistanter Anordnung der Verdübelung tre-
ten im Grenzzustand der Tragfähigkeit in der Ver-
bundfuge größere Relativverschiebungen auf. Die
Größe des Schlupfes hängt dabei neben der Ver-
formbarkeit der Dübel von der Ausbildung des Ver-
bundquerschnitts, von der Stützweite des Trägers
und von der Belastung (Gleichstreckenlasten, Ein-
zellasten) ab [Bode 1994]. In den Regelwerken wird
daher der Verdübelungsgrad in Abhängigkeit von
diesen Parametern beschränkt.
Abb. 3.5-32 Kritische Schnitte und Längsschubkräfte bei Für Träger mit Gleichstreckenlasten und Kopf-
vollständiger und teilweiser Verdübelung (Endfeld eines
bolzendübeln sind die in Tabelle 3.5-13 angege-
Durchlaufträgers)
benen Mindestverdübelungsgrade einzuhalten. Für
die Feldbereiche von Durchlaufträgern darf nähe-
betrachteten kritischen Schnitten erforderliche Dü- rungsweise anstelle der Stützweite L die wirksame
belanzahl bei vollständiger Verdübelung wird mit Stützweite Le nach Abb. 3.5-22 verwendet werden.
nf bezeichnet. Die in Tabelle 3.5-13 angegebenen Mindestverdü-
Bei Einfeldträgern und im positiven Momenten- belungsgrade stellen sicher, dass bei Trägern mit
bereich von Durchlaufträgern darf die Längsschub- Gleichstreckenbelastung der maximale Schlupf
kraft nach der Theorie der teilweisen Verdübelung auf den Wert Guk=6,0 mm beschränkt wird. Bei
vollplastisch berechnet werden. In Abhängigkeit Trägern mit überwiegender Beanspruchung durch
vom Verdübelungsgrad K ist eine ausreichende Mo- Einzellasten ist der Schlupf in der Verbundfuge ge-
mentendeckung nachzuweisen, oder die für die Er- ringer als bei Gleichstreckenlasten. In diesen Fäl-
mittlung der Längsschubkraft erforderlichen Nor- len sind daher auch geringere Verdübelungsgrade
malkräfte des Betongurtes werden vereinfacht an zulässig, wenn durch eine nichtlineare Berechnung
den kritischen Schnitten nach Gl. (3.5.21) berech- nachgewiesen wird, dass der charakteristische
net, d. h., es wird von einer linearen Interpolation Wert des Verformungsvermögens nicht überschrit-
zwischen den Punkten A und C nach Abb. 3.5-18 ten wird.
ausgegangen:
Träger mit Verbundmitteln ohne ausreichende Duktilität
(3.5.21) oder mit Querschnitten der Klasse 3 oder 4. Bei Trägern
mit Querschnitten der Klasse 3 oder 4 erfolgt die
3.5 Verbundbau 1265

Tabelle 3.5-13 Mindestverdübelungsgrade bei Trägern mit Querschnitten der Klasse 1und 2 und teilweiser Verdübelung nach
Eurocode 4-1-1

doppeltsymmetrische Baustahlquerschnitte doppeltsymmetrische Baustahlquerschnitte


mit Vollbetonplatten und Kopfbolzendübeln mit Profilblechen, Kopfbolzendübeln ‡19 u. 22
‡16,19,22 und 25 mm mit h/d t 4 hp d 60 mm und b0/hp t 2,0

Bemessung auf der Grundlage der Elastizitätstheo-


rie, wobei Ebenbleiben des Gesamtquerschnitts
angenommen wird. Von dieser Annahme ist stets
auszugehen, wenn unabhängig von der Quer-
schnittsklasse Verbundmittel ohne ausreichende
Duktilität verwendet werden, da sich in diesem
Fall keine plastischen Umlagerungen der Längs-
schubkräfte sowie keine Dehnungsverteilung mit
zwei Dehnungsnulllinien (Schlupf in der Verbund-
fuge) einstellen kann. Wenn sich das gesamte Trag-
werk elastisch verhält, ergeben sich die Längs-
schubkräfte nach Tabelle 3.5-6 aus den auf den
Verbundquerschnitt wirkenden Beanspruchungen.
Bei Trägern mit Querschnitten der Klassen 3 und 4
sind dabei die Einflüsse aus dem Kriechen und Abb. 3.5-33 Zusammenhang zwischen der Gurtkraft Nc
Schwinden zu berücksichtigen. An den Träger- und dem Biegemoment MSd
enden, an Betonierabschnittsgrenzen und an Ein-
leitungsstellen von Normalkräften sind zusätzlich
die konzentrierten Schubkräfte zu beachten. teilplastischen Zustand durch die in Abb. 3.5-33
Bei Durchlaufträgern mit Querschnitten der dargestellte linearisierte Beziehung angenähert
Klasse 3 oder 4 an den Innenstützen sind in den werden.
Feldbereichen i. d. R. Querschnitte der Klasse 1 Der Bereich A bis B beschreibt das elastische
oder 2 vorhanden, d. h., die Querschnittstragfä- Verhalten des Querschnitts. Bei Trägern ohne Ei-
higkeit wird an diesen Stellen vollplastisch berech- gengewichtsverbund resultiert aus dem auf den
net. Die Längsschubkräfte nehmen in den teil- Stahlträger wirkenden Anteil Ma,Ed keine Normal-
plastizierten Bereichen deutlich zu, weil das zum kraft und somit auch keine Längsschubkraft. Im
vollplastischen Moment gehörige Kräftepaar auf plastischen Zustand (Bereich B bis C) ergibt sich
relativ kurzer Länge aufgebaut werden muss (Abb. die Normalkraft Nc durch lineare Interpolation
3.5-17). Der Schubkraftverlauf muss dann aus der zwischen den Werten bei Erreichen des elastischen
Differenz der Normalkräfte im Betongurt berech- Grenzmoments Mel,Rd und des vollplastischen Mo-
net werden. Der Zusammenhang zwischen Bie- ments Mpl,Rd. Für die Gurtkraft Nc im Bereich
gemoment und Gurtnormalkraft kann dabei im Mel,Rd<MSdtMpl,Rd erhält man
1266 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

(3.5.22)

Dabei ergibt sich Mel,Rd aus der Bedingung, dass in


der Randfaser des Stahl- bzw. Betonstahlquer-
schnitts die Grenzspannungen fyd bzw. fsd erreicht
werden. Bei Trägern ohne Eigengewichtsverbund
ergibt sich Mel,Rd aus der Summe der Bemessungs-
momente vor Herstellung des Verbunds (Ma,Sd)
und desjenigen Momentenanteils 'MSd auf den
Verbundquerschnitt, der in den maßgebenden Rand-
fasern die resultierenden Spannungen fyd bzw. fsd
hervorruft. Auf der sicheren Seite liegend, darf die
Gurtkraft und die erforderliche Dübelanzahl im-
mer durch lineare Interpolation zwischen den
Punkten A und C nach Abb. 3.5-33 bestimmt wer-
den. Der Verdübelungsgrad K=Nc/Ncf sollte den
Grenzwert 0,4 nicht unterschreiten. Abb. 3.5-34 Kopfbolzendübel in Vollbetonplatten
Bei duktilen Verbundmitteln ist bei Querschnitten
der Klassen 3 und 4 ein Einschneiden in die
Deckungslinie der Längsschubkraft zulässig, wenn Stahlträger geschweißten Dübel gestülpt, oder die
die ermittelte Längsschubkraft die Längsschub- Dübel werden auf der Baustelle direkt durch die
tragfähigkeit örtlich um nicht mehr als 15% über- Bleche durchgeschweißt. Das Durchschweißen von
schreitet und die Gesamtanzahl der Verbundmittel Kopfbolzendübeln ist nur unter bestimmten Bedin-
zwischen kritischen Schnitten ausreichend ist. In gungen zulässig [Bode/Künzel 1991]. In Deutsch-
plastizierten Trägerbereichen darf bei Verwendung land wurden in der Vergangenheit mit der Durch-
von duktilen Verbundmitteln näherungsweise von schweißtechnik keine gute Erfahrungen gesammelt.
einer konstanten Längsschubkraft zwischen kri- Die Bleche werden daher i. d. R. vorgelocht.
tischen Schnitten ausgegangen werden. Zur Beschreibung des relativ komplizierten
Tragverhaltens von Kopfbolzendübeln existieren
Beanspruchbarkeit von Verbundmitteln. Wie bereits in bisher keine einfachen mechanischen Berechnungs-
3.5.3.1 erläutert, werden heute überwiegend Kopf- modelle. Die Regelungen in den Normen basieren
bolzendübel zur Verbundsicherung verwendet. auf experimentellen Untersuchungen von Ollgard
Nachfolgend werden daher nur diese Verbundmit- (1971), Oehlers/Johnson (1987), Johnson/Huang
tel näher behandelt. Kopfbolzendübel bestehen aus (1995), Roik/Bürkner (1980, 1981), Roik/Hanswil-
kaltverformten Rundstählen mit aufgestauchten le (1983), Bode/Schanzenbach (1989), Bode/Kün-
Köpfen. Die Abmessungen und Materialeigen- zel (1990) und Hanswille/Jost (1998). Der Bemes-
schaften sind in DIN EN ISO 13918 festgelegt. Die sungswert der Beanspruchbarkeit (Grenzscherkraft)
Kopfbolzen werden mittels Bolzenschweißanlage ergibt sich für Dübel in Vollbetonplatten aus Nor-
und Schweißpistole im Bolzenschweißverfahren malbeton und mit Schaftdurchmessern d1”25 mm
mit Hubzündung halbautomatisch verschweißt und einem Verhältnis h/d1>3,0 aus dem jeweils
[Trillmich 1997, DIN EN ISO 14555]. Bezüglich kleineren Wert der Gleichungen
der Tragfähigkeit muss zwischen Bolzen in Vollbe-
tonplatten und Bolzen in Kombination mit Profil- (3.5.23)
blechen unterschieden werden (Abb. 3.5-34 und
3.5-35). Bei Verwendung von Kopfbolzendübeln
mit Profilblechen werden die Bleche entweder vor- (3.5.24)
gelocht und auf der Baustelle über die auf den
3.5 Verbundbau 1267

Abb. 3.5-35 Kopfbolzendübel bei Verwendung von Profilblechen

Dabei ist Dicke des Stahlflansches ist so zu wählen, dass eine


d1 Schaftdurchmesser des Dübels mit d1t25 mm, einwandfreie Schweißung und eine ordnungsge-
fu spezifizierte Zugfestigkeit des Bolzenmateri- mäße Einleitung der Dübelkraft in den Stahlflansch
als (fu darf höchstens mit 450 N/mm2 in Rech- ohne örtliche Überbeanspruchungen oder übermä-
nung gestellt werden), ßige Verformungen sichergestellt ist. Werden die
fck charakteristischer Wert der Zylinderdruckfes- Dübel nicht direkt über dem Steg des Stahlprofils
tigkeit des Betons im entsprechenden Alter, angeordnet, so sollte der Durchmesser des Dübels
Ecm Elastizitätsmodul des Betons, den 2,5-fachen Wert der Flanschdicke des Stahlträ-
kc ein aus Versuchen bestimmter Beiwert, der gers nicht überschreiten.
nach DIN 18800-5 mit kc= 0,25 und nach Eu- Bei Kopfbolzendübeln in Kombination mit Pro-
rocode 4 mit kc=0,29 anzunehmen ist. filblechen erfolgt die Ermittlung der Bemessungs-
D Beiwert zur Berücksichtigung des Einflusses werte der Tragfähigkeit in Abhängigkeit von der
der Dübelhöhe Orientierung des Profilbleches durch Abminde-
(D=0,2 [(h/d1)+1] für 3<h/d1<4 und D=1,0 für rung des Bemessungswertes der Tragfähigkeit für
h/d1•4), Vollbetonplatten. Verlaufen die Profilbleche pa-
Jv Teilsicherheitsbeiwert. Nach DIN 18800-5 ist rallel zur Trägerachse (Abb. 3.5-35 b), so ist die
der Teilsicherheitsbeiwert Jv=1,25 und nach dem Grenzscherkraft des Dübels aus der Grenzscher-
Nationalen Anhang zu Eurocode 4 wegen des kraft für Vollbetonplatten durch Multiplikation mit
größeren Beiwertes kc im Eurocode 4 der Teilsi- dem Abminderungsbeiwert
cherheitsbeiwert Jv=1,50 zu berücksichtigen.
(3.5.25)
Die Gln. (3.5.23) und (3.5.24) setzen voraus, dass
innerhalb der Dübelumrissfläche eine Querbeweh-
rung angeordnet wird. Bezüglich der Maximal- und zu ermitteln.
Mindestabstände sowie der konstruktiven Ausbil- Die Dübelhöhe h darf in Gl. (3.5.25) nur mit ma-
dung der Verbundfuge sind die in Abb. 3.5-34 zu- ximal hp+75 mm in Rechnung gestellt werden. Bei
sammengestellten Bedingungen einzuhalten. Die offener Profilblechgeometrie, Profilblechhöhen hp
1268 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

größer als 60 mm und über dem Träger gestoßenen


Profilblechen ist eine zusätzliche Schubbewehrung
erforderlich, die wie bei gevouteten Trägern mit
Vollbetonplatten auszubilden und zu bemessen ist.
Für Dübel in Rippen von Profilblechen, die
senkrecht zur Trägerachse verlaufen (Abb. 3.3-
35a), ergibt sich die Grenzscherkraft durch Abmin-
derung der Tragfähigkeit für Vollbetonplatten mit
dem Abminderungsbeiwert

(3.5-26)

Der obere Grenzwert kt,max ist dabei Tabelle 3.5-14


zu entnehmen [Hanswille/Kajzar/Faßbender 1993]. Abb. 3.5-36 Kritische Schnitte im Plattenanschnitt und in
In Gl. (3.5.26) ist nR die Anzahl der Bolzendübel je der Dübelumrissfläche
Rippe, die rechnerisch den Wert 2 nicht überschrei-
ten darf. Die geringste Breite von ausbetonierten tongurt (Dübelumrissfläche) vermieden wird. Im
Rippenzellen darf nicht kleiner als 50 mm sein. Plattenanschnitt erfolgt die Bemessung in Über-
Werden die Dübel sowohl aus dem Trägerver- einstimmung mit den Regelungen für Plattenbalken
bund als auch aus dem Deckenverbund bean- in Massivbauweise (s. 3.3). Neben der Bemessung
sprucht, so ist bei gleichzeitiger Wirkung dieser im Plattenanschnitt ist die örtliche Ausleitung der
Schubkräfte die Bedingung Längsschubkräfte im Bereich der sog. Dübelum-
rissfläche nach Abb. 3.5-36 nachzuweisen.
(3.5.27) Der in dem jeweils betrachteten Schnitt maßge-
bende Bemessungswert der Längsschubkraft vL,Ed
pro Längeneinheit wird dabei aus der für den
einzuhalten. Hierbei ist VL die Längsschubkraft je Grenzzustand der Tragfähigkeit erforderlichen Dü-
Dübel aus dem Trägerverbund und Vt die recht- belanzahl ermittelt. Der Nachweis kann nach DIN
winklig dazu wirkende Schubkraft je Dübel aus 1045-1 oder Eurocode 2-2 geführt werden. In den
der Verbundwirkung mit der Decke. für das Längsschubversagen maßgebenden Schnit-
ten dürfen die Werte vRd1 und vRd2 nach den Gln.
Schubsicherung des Betongurtes (3.5.28) und (3.5.29) nicht überschritten werden.
Die Querbewehrung des Betongurtes ist für den Dabei gibt vRd1 den oberen Grenzwert der Schub-
Grenzzustand der Tragfähigkeit so zu bemessen, tragfähigkeit bei Versagen der schiefen Druckstre-
dass ein Versagen des Betongurtes infolge Längs- ben im Betongurt und vRd,2 die Tragfähigkeit bei
schub bzw. örtlicher Krafteinleitung in den Be- Versagen der Querbewehrung an.

Tabelle 3.5-14 Obere Grenzwerte kt,max für den Faktor kt

Anzahl der Dübel Blechdicke t des durchgeschweißte Dübel vorgelochte Profilbleche und Dübel
pro Rippe Profilbleches in mm d1 < 20 mm d1=19 mm und
d1=22 mm

nR = 1 d 1,0 mm 0,85 0,75


> 1,0 mm 1,0 0,75
nR = 2 d 1,0 mm 0,70 0,60
> 1,0 mm 0,85 0,60
3.5 Verbundbau 1269

Ermüdung
(3.5.28) Für Verbundträger unter nicht vorwiegend ru-
hender Beanspruchung ist für die Verbundmittel
ein Nachweis der Ermüdung erforderlich. Die
Spannungen infolge der Ermüdungsbelastung sind
stets durch eine elastische Tragwerksberechnung
(3.5.29) zu bestimmen. Dabei kann i. d. R. von einer starren
Verdübelung ausgegangen werden, da mit dieser
Hierbei ist fcd der Bemessungswert der Zylinder- Annahme die Längsschubkräfte in der Verbundfu-
druckfestigkeit des Betons in N/mm2, T die Druck- ge auf der sicheren Seite liegend ermittelt werden.
strebenneigung, Dc ein Abminderungsbeiwert für Bezüglich des Nachweises der Ermüdung für den
die Druckstrebenneigung, Acv die im jeweils be- Baustahlquerschnitt, den Beton und die Beweh-
trachteten Schnitt maßgebende Querschnittsfläche rung wird auf 3.3 und 3.4 verwiesen. Nachfolgend
des Betons pro Längeneinheit und Asv die anre- werden nur die Besonderheiten beim Nachweis der
chenbare Querbewehrung pro Längeneinheit. Bei Verdübelung erläutert. Bei wiederholter Beanspru-
Druckgurten kann in der Regel cot T=1,2 und bei chung wird bei Kopfbolzendübeln in Vollbeton-
Zuggurten cot T=1,0 zugrunde gelegt werden. Bei platten der Beton im Bereich des Schweißwulstes
der Ermittlung des Traganteils der Bewehrung mit zunehmender Lastspielzahl geschädigt. Diese
nach Gl. (3.5.29) darf der Traganteil Vpd = Ap fypd Schädigung ist neben der Schubkraftdoppelampli-
von senkrecht zur Trägerachse verlaufenden Pro- tude auch von der Oberlast abhängig. Die Schädi-
filblechen mit der Fläche Ap dem Bemessungswert gung führt zu einer verstärkten Biegebeanspru-
der Streckgrenze fypd angerechnet werden, wenn chung des Bolzenschaftes und schließlich zu den
die Profilbleche über dem Träger durchlaufen oder in Abb. 3.5-37 dargestellten Ermüdungsbrüchen
kraftschlüssig angeschlossen werden. [Roik/Hanswille 1987, 1989, Hanswille/Porsch/
Bei Verwendung von senkrecht zur Trägerachse Üstündag 2006, 2007 Hanswille/Porsch 2009].
verlaufenden Profilblechen, die über dem Träger In Betondruckgurten werden die Brüche vom
nicht gestoßen sind, ist es nicht erforderlich, Schnit- Typ A oder B nach Abb. 3.5-37 beobachtet, d. h.
te vom Typ b-b zu untersuchen, wenn die Tragfähig-
keit der Kopfbolzendübel unter Berücksichtigung
des Abminderungsbeiwerts kt nach Gl. (3.5.26) er-
mittelt wird. Bei der Ermittlung der anrechenbaren
Flächen Acv von Trägern mit senkrecht zur Träger-
achse verlaufenden Profilblechen darf der Beton in
den Rippen nicht in Rechnung gestellt werden.
Bei den Schnitten in der Dübelumrissfläche vom
Typ b, c und e darf in Gl. (3.5.29) nur die Beweh-
rung angerechnet werden, die die jeweils betrachte-
te Schnittebene kreuzt. Bei kombinierter Beanspru-
chung durch den aus der Trägerwirkung resultie-
renden Längsschub und örtliche Querbiegung ist
nach DIN 1045-1 oder Eurocode 2 der größere er-
forderliche Stahlquerschnitt anzuordnen, der sich
aus der Trägerwirkung oder aus der örtlichen Quer-
biegebeanspruchung ergibt. Für die Mindestbeweh-
rung im Plattenanschnitt und in der Dübelumrissflä-
che gelten die Regelungen für Stahlbeton-Platten-
balken. Der Mindestbewehrungsgrad ist bei Trägern
mit Profilblechen auf die maßgebende Betonfläche Abb. 3.5-37 Ermüdungsbrüche und Rissfortschritt bei
oberhalb des Profilbleches zu beziehen. Kopfbolzendübeln in Vollbetonplatten
1270 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Rissbeginn am Schweißwulst und Rissfortschritt schwingbreite im Bolzenschaft mit der in Abb. 3.5-
durch den Schaft, den Schweißwulst oder durch die 38 dargestellten Ermüdungsfestigkeitskurve beur-
Wärmeeinflusszone im Flansch. In Gurten mit Zug- teilt werden [Roik/Hanswille 1987, 1989, Hanswil-
beanspruchung kann der Typ C beobachtet werden, le/Porsch 2009].
d. h., der Riss beginnt wie bei den Typen A und B am In Trägerbereichen, in denen der Betongurt in
Schweißwulst und wandert dann durch den Flansch der Druckzone liegt, kann der Ermüdungsnachweis
des Trägers. Aus der Betonschädigung resultiert mit mit Hilfe der rechnerischen Spannungsschwing-
zunehmender Lastspielzahl eine Zunahme des breite 'W im Bolzenschaft geführt werden. Bezieht
Schlupfes, die kurz vor dem Ermüdungsbruch be- man die schadensäquivalente Spannungsamplitude
sonders ausgeprägt ist. Die maßgebenden Größen auf die Lastspielzahl n=2·106, so ergibt sich:
zur Beurteilung der Ermüdungsfestigkeit sind die
Schubspannungsschwingbreite im Bolzenschaft und (3.5.30)
die Oberlast. Neuere Untersuchungen zeigen ferner,
dass insbesondere bei hohen Oberlasten durch die
Schädigung eine deutliche Reduzierung der sta- Für Vollbetonplatten aus Normalbeton ergibt sich
tischen Resttragfähigkeit hervorgerufen wird [Hans- nach Abb. 3.5-38 die Ermüdungsfestigkeit 'WR für
wille/Porsch/Üstündag 2006, 2007]. Aus diesem die Bezugslastspielzahl n=2·106 zu 'WC=95 N/mm2.
Grunde wird in den Regelwerken zusätzlich zum Bei Betongurten mit unterbrochener Verbundfuge
Nachweis der Doppelschubkraftamplitude eine Be- (Profilblechdecken) ist das Ermüdungsverhalten der
grenzung der Oberlast unter der charakteristischen Dübel ungünstiger zu beurteilen. Für spezielle Pro-
Kombination auf den 0,6-fachen Bemessungswert filblechgeometrien können die Ermüdungsfestig-
der Dübeltragfähigkeit PRd nach den Gln. (3.5.23) keitskurven der Literatur entnommen werden
und (3.5.24) gefordert. Die Ermüdungsfestigkeit [Bode/Becker 1993; Becker 1997]. Für Brücken
kann dann allein mit Hilfe der Schubspannungs- sind die ermüdungswirksamen Verkehrslasten zur

Abb. 3.5-38 Ermüdungsfestigkeitskurven für Kopfbolzendübel in Vollbetonplatten


3.5 Verbundbau 1271

Ermittlung von 'WD,E im Eurocode 4-2 angegeben. bundträgern durch übermäßige Rissbildung im Be-
Für übliche Hochbauten kann 'WD,E vereinfacht mit tongurt, durch übermäßige Verformungen sowie
der häufigen Lastkombination ermittelt werden. durch das Schwingungsverhalten eingeschränkt
Die Teilsicherheitsbeiwerte dürfen nach Eurocode sein. In den Regelwerken wird ferner beim Nach-
4-1-1 mit JMf=1,0 und JFf =1,0 angenommen wer- weis der Gebrauchstauglichkeit in Sonderfällen
den. In Trägerbereichen mit negativer Momenten- die Einhaltung von Grenzspannungen gefordert.
beanspruchung (Betongurt in der Zugzone und Dabei ist zu bedenken, dass die Begrenzung von
Rissbildung im Betongurt) ergeben sich im Ober- Spannungen unter Gebrauchslastniveau sowie bei
gurt des Stahlträgers nennenswerte Spannungsam- aggressiven Umweltbedingungen die Rissbrei-
plituden. Das Ermüdungsverhalten wird dann zu- tenbeschränkung strenggenommen keine reinen
sätzlich durch die Spannungsamplituden 'V im Gebrauchstauglichkeitsnachweise darstellen, weil
Obergurt des Stahlträgers bestimmt (s. Abb. 3.5-37), mit diesen Nachweisen eine ausreichende Dauer-
Versagenstyp C. Der Ermüdungsnachweis ist dann haftigkeit nachgewiesen wird und somit diese
mit der Interaktionsbedingung (3.5-31) zu führen, Nachweise eine Voraussetzung für die in 3.5.3.3
vgl. Abb. 3.5-38. Dabei ist 'VE die schadensäqui- beschriebenen Nachweise im Grenzzustand der
valente Spannungsschwingbreite im Stahlträgero- Tragfähigkeit bilden.
bergurt für nE=2·106. Beim Nachweis der Interak-
tionsbedingung (3.5.31) ist insbesondere eine rea- Berechnung der Schnittgrößen, Spannungen
listische Berücksichtigung des Einflusses aus der und Verformungen
Rissbildung im Betongurt sowie des Einflusses aus Die Schnittgrößen und Verformungen sind bei den
der Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen Nachweisen in den Grenzzuständen der Gebrauchs-
von Bedeutung, da sowohl die Spannung im Stahl- tauglichkeit auf der Grundlage der Elastizitätsthe-
trägerobergurt als auch die Schubbeanspruchung orie unter Berücksichtigung der Rissbildung, von
des Kopfbolzendübels hierdurch signifikant beein- Kriechen und Schwinden sowie der Belastungsge-
flusst werden. Wenn keine genaueren Berech- schichte zu berechnen. Der Einfluss der Schub-
nungen durchgeführt werden, sind stets auf der si- weichheit des Betongurtes darf durch eine mittra-
cheren Seite liegend zwei Grenzfälle zu untersu- gende Gurtbreite nach Abb. 3.5-22 berücksichtigt
chen, bei denen die Spannungsschwingbreite im werden. Bei der Ermittlung der Verformungen ist
Stahlträgerobergurt und die zugehörige Schubspan- die Nachgiebigkeit der Verbundmittel nur in Son-
nungsschwingbreite im Bolzenschaft sowohl mit derfällen zu berücksichtigen.
den Querschnittskenngrößen des als ungerissen an- In Trägerbereichen mit gerissenen Betongurten
genommenen Betongurtes als auch mit den Quer- sind die Spannungen im Betonstahl bzw. Spann-
schnittskenngrößen des als gerissen angenommenen stahl unter Berücksichtigung der Mitwirkung des
Betongurtes zu ermitteln sind. Betons zwischen den Rissen zu ermitteln. Da die
Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen nur
beim Beton- bzw. Spannstahl zu einer Erhöhung
(3.5.31) der Beanspruchungen führt, können die Spannungen
für den Baustahlquerschnitt auf der sicheren Seite
liegend auch ohne Berücksichtigung der Mitwir-
kung des Betons zwischen den Rissen bestimmt
werden. Bei Trägern ohne Eigengewichtsverbund
mit Querschnitten der Klassen 1 und 2, die im
3.5.3.4 Grenzzustand der
Grenzzustand der Tragfähigkeit nach der Fließge-
Gebrauchstauglichkeit
lenktheorie oder unter Berücksichtigung der Mo-
Allgemeines mentenumlagerungen nach Abb. 3.5-23 bemessen
In den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit werden, kann im Grenzzustand der Gebrauchstaug-
ist nachzuweisen, dass bestimmte Anforderungen lichkeit örtliches Plastizieren auftreten. Die daraus
an Bauwerks- oder Bauteileigenschaften erfüllt resultierenden Verformungen können vereinfacht
werden. Die Gebrauchstauglichkeit kann bei Ver- mit Hilfe der Fließgelenktheorie bestimmt werden.
1272 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Andernfalls ist nachzuweisen, dass für die jeweils und den primären Beanspruchungen aus dem
betrachtete Kombination kein inelastisches Verhal- Schwinden bei Erstrissbildung. Der Beiwert kE=0,8
ten auftritt. erfasst den Einfluss von nichtlinear verteilten Ei-
genspannungen aus dem Schwinden und der Bei-
Rissbreitenbeschränkung wert kR=0,9 den Einfluss aus der Umlagerung der
Die Anforderungen an die Beschränkung der Riss- Gurtnormalkraft in den Stahlträger infolge Erst-
breite werden im Wesentlichen durch die Umwelt- rissbildung und Schlupfes in der Verbundfuge.
bedingungen bestimmt. Grundlage ist die Forde- Mit der Betonstahlspannung Vs=Nc+s,r/As erhält
rung einer Mindestbewehrung zur Beschränkung man für den erforderlichen Mindestbewehrungs-
von möglichen Einzelrissen in Trägerbereichen grad
mit wahrscheinlicher Rissbildung. Als Bereiche
wahrscheinlicher Rissbildung sind diejenigen Trä- (3.5.35)
gerbereiche anzusehen, in denen sich aus der sel-
tenen Lastkombination rechnerisch Zugbeanspru-
chungen im Beton ergeben. Dabei ist zu bedenken, Wenn keine Anforderungen an die Rissbreite ge-
dass die Beanspruchungen aus dem Schwinden nur stellt werden, darf in Gl. (3.5.35) für die Beton-
mit relativ großer Ungenauigkeit rechnerisch er- stahlspannung Vs maximal der charakteristische
mittelt werden können und in Verbundträgern zu- Wert der Streckgrenze fsk eingesetzt werden. Bei
sätzlich aus der Entwicklung der Hydratationswär- Anforderungen an die Rissbreite ist Vs in Abhän-
me primäre und sekundäre Beanspruchungen re- gigkeit vom verwendeten Stabdurchmesser und
sultieren, die im Allgemeinen rechnerisch nicht dem Bemessungswert der geforderten Rissbreite
berücksichtigt werden [Pamp 1992]. In den Regel- einzusetzen. Der Bemessungswert der geforderten
werken wird die erforderliche Mindestbewehrung Rissbreite ist von den Umweltbedingungen abhän-
in Anlehnung an die Regelungen für den Massiv- gig und wird in Übereinstimmung mit den Rege-
bau aus der bei Erstrissbildung resultierenden Be- lungen für Massivbauten festgelegt (s. 3.3).
tonstahlspannung und aus dem für die einzuhalten- In Trägerbereichen, in denen der für den Grenz-
de Rissbreite w maßgebenden Stabdurchmesser zustand der Tragfähigkeit erforderliche Bewehrungs-
bestimmt. Für die resultierende Normalkraft Nc+s,r querschnitt den Mindestbewehrungsquerschnitt
des Betongurtes und der Bewehrung unter dem nach Gl. (3.5.35) überschreitet, ist die Betonstahl-
Rissmoment MR und den primären Beanspru- spannung entweder in Abhängigkeit vom Stab-
chungen aus dem Schwinden folgt mit Gl. (3.5.10) durchmesser oder in Abhängigkeit vom Stababstand
und den Näherungen zcoªhc/2 sowie zicªzic,s zu beschränken. Die Spannungen sind bei diesem
Nachweis für die quasi-ständige Kombination und
unter Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons
zwischen den Rissen nach Gl. (3.5.13) zu ermit-
(3.5.32) teln.

Von Maurer (1992) und Hanswille (1997) wurde Verformungen


gezeigt, dass Gl. (3.5.32) durch Bei Hoch- und Industriebauwerken sind die Ver-
formungen i. Allg. für die quasi-ständige Kombina-
(3.5.33) tion der Einwirkungen zu bestimmen. Bei Trägern
ohne Eigengewichtsverbund müssen die Eigenge-
(3.5.34) wichtslasten des Stahlträgers und des Betongurtes
vom Stahlträger allein aufgenommen werden. Da-
raus resultieren bei großen Trägerstützweiten nen-
gut approximiert werden kann. nenswerte Durchbiegungen, die durch eine Über-
Der Faktor kc nach Gl. (3.5.34) berücksichtigt höhung der Träger ausgeglichen werden müssen.
dabei näherungsweise den Einfluss der Spannungs- Aber auch bei Trägern mit Eigengewichtsverbund
verteilung im Betongurt aus dem Rissmoment MR sind bei größeren Stützweiten i. Allg. Überhöhun-
3.5 Verbundbau 1273

Verformung Gw zugrunde zu legen. Zur Vermei-


dung von Schäden an Ausbauteilen ist diese Än-
derung der Verformung für die häufige Ein-
wirkungskombination auf 1/500 der Stützweite zu
beschränken.
Die Auswirkungen der Nachgiebigkeit in der
Verbundfuge können bei Trägern mit vollständiger
Verdübelung vernachlässigt werden. Bei Trägern
mit teilweiser Verdübelung kann der Einfluss auf die
Verformungen ebenfalls vernachlässigt werden,
wenn es sich um einen Träger ohne Eigengewichts-
verbund handelt, der Verdübelungsgrad größer als
0,5 ist oder die Beanspruchungen der Verbundmit-
Abb. 3.5-39 Überhöhung bei Verbundträgern tel unter der quasi-ständigen Einwirkungskombina-
tion den 0,7-fachen charakteristischen Wert der
Dübeltragfähigkeit nicht überschreiten. Wenn die
gen erforderlich. Bei der Festlegung der Überhö- genannten Bedingungen nicht eingehalten sind,
hung sind dabei die folgenden Verformungsanteile müssen die Verformungen nach der Theorie des
zu unterscheiden (Abb. 3.5-39): elastischen Verbundes berechnet werden. In vielen
Fällen ist es ausreichend, den Einfluss der Nach-
G1 Durchbiegung aus dem Eigengewicht der Be- giebigkeit der Verdübelung mit Hilfe von Nähe-
tonplatte und des Stahlträgers, rungsverfahren (Hanswille/Schäfer 2007) zu erfas-
G2 Durchbiegung aus Ausbaulasten (Fußbodenauf- sen. Dabei wird das ideelle Trägheitsmoment des
bau, Trennwände, Installationen, abgehängte Verbundquerschnitts nach Tabelle 3.5-4 mit Hilfe
Decken usw.), einer effektiven Reduktionszahl no,eff für die Flä-
G3 Verformungen aus Kriechen und Schwinden che des Betongurtes nach Gl. (3.5.36) ermittelt.
des Betons,
G4 Verformungen aus Verkehrslasten und eventuell
zu berücksichtigenden Temperaturunterschieden
zwischen der Ober- und Unterseite des Trägers.
(3.5.36)
Neben den Verformungsanteilen G1, G2 und G3 wer-
den i. d. R. bei Bauwerken mit einem hohen ständi-
gen Anteil der Verkehrslasten (z. B. Büchereien,
Lagerräume usw.) auch die Verformungsanteile Dabei ist L die Trägerstützweite und cs die Feder-
der ständig wirkenden Verkehrslast überhöht. steifigkeit der Verbundfuge. Sie ergibt sich mit der
Für Beschränkungen bezüglich des maximalen Federsteifigkeit CD des einzelnen Dübels, der An-
Durchhangs (Lichtraumprofil) ist die in Abb. 3.5- zahl nq quer zur Trägerlängsrichtung angeordneten
39 angegebene maximale Verformung Gmax maßge- Dübel und des Dübelabstandes eL der Dübel in
bend. Der mögliche Durchhang aus den nicht über- Trägerlängsrichtung zu cs= CD nq/eL. Für Kopfbol-
höhten Verkehrslastanteilen und der Temperatur ist zendübel in Vollbetonplatten liegt die Dübelfeder-
bei Verbundträgern relativ klein. Im Hinblick auf steifigkeit CD in der Größenordnung von 3000 kN/
mögliche Schäden an Ausbauteilen (z. B. nichttra- cm. Bei Trägern mit unterbrochener Verbundfuge
gende Innenwände, Fassadenelemente) ist zu be- hängt die Dübelsteifigkeit stark von der Profil-
denken, dass die durch Überhöhung ausgegli- blechgeometrie ab. Für Profilbleche mit Höhen
chenen Verformungen aus Kriechen und Schwin- nicht größer als 60 mm und Dübeln mit Schaft-
den für die Ausbauteile voll wirksam werden. Zur durchmessern von 19 oder 22 mm kann von einer
Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit von Aus- mittleren Federsteifigkeit CD= 2000 kN/cm ausge-
bauteilen ist somit die in Abb. 3.5-39 angegebene gangen werden.
1274 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Spannungsbegrenzungen nigung durchgeführt werden. Näherungsverfahren


Bei Trägern des üblichen Hoch- und Industriebaus werden z. B. von Gerasch und Wolperding (2001)
ohne Vorspannmaßnahmen und unter vorwiegend angegeben. Grenzwerte der zulässigen Schwing-
ruhender Beanspruchung sind unter Gebrauchslas- weggeschwindigkeiten und Schwingbeschleuni-
ten i. d. R. keine Spannungsbegrenzungen erforder- gungen finden sich in ISO 10137 sowie in der
lich. Wenn jedoch bei Durchlaufträgern mit Quer- VDI-Richtlinie 2057.
schnitten der Klasse 1 oder 2 im Grenzzustand der
Tragfähigkeit Momentenumlagerungen vom Feld zur
Stütze ausgenutzt werden, ist eine Begrenzung der 3.5.4 Verbunddecken
Spannungen erforderlich, da es unter Gebrauchslas-
3.5.4.1 Allgemeines
ten zu größeren plastischen Verformungen kommen
kann. Hinsichtlich der einzuhaltenden Grenzspan- Verbunddecken bestehen aus durch Kaltwalzung
nungen und der zugehörigen Einwirkungskombinati- profilierten verzinkten Stahlblechen mit Dicken
onen gelten für Betonquerschnittsteile die Rege- zwischen 0,75 und 1,0 mm sowie Aufbeton. Die
lungen nach DIN 1045 bzw. Eurocode 2 und für Bleche werden zunächst von Hand ausgelegt und
Stahlquerschnittsteile die Regelungen nach DIN dienen als Schalung für den Frischbeton. Nach dem
18800 bzw. Eurocode 3. Bezüglich Spannungs- Erhärten des Betons steht das Blech mit dem Beton
begrenzungen bei Brückentragwerken wird auf in schubfester Verbindung, und es entsteht ein ge-
den Eurocode 4-2 verwiesen. meinsam tragender Verbundquerschnitt. Diese Bau-
weise bietet eine Reihe von Vorteilen, da das Blech
Schwingungsverhalten von Hand verlegt werden kann und anschließend
Die Regelwerke enthalten keine Angaben zur Be- sofort als Arbeitsbühne zur Verfügung steht. Im Be-
urteilung des Schwingungsverhaltens von Trägern. tonierzustand dient es als Schalung und zur Stabili-
Das Schwingverhalten kann jedoch in bestimmten sierung der Deckenträger. In den Sicken von hinter-
Fällen ein wesentliches Kriterium für die Ge- schnittenen Profilen können Installationen und Ab-
brauchstauglichkeit sein. In der Literatur zu fin- hängungen schnell und sicher befestigt werden.
dende Angaben bezüglich einzuhaltender Mindest- Die dauerhafte Übertragung der Längsschub-
werte der Eigenfrequenz bei Nutzung von Gebäu- kräfte zwischen dem Profilblech und dem Beton
den durch Personen (3 Hz bei Bürogebäuden und 5 kann durch eine oder mehrere der in Abb. 3.5-40
Hz bei Turnhallen und Tanzsälen) sind in vielen dargestellten Verbundarten sichergestellt werden:
Fällen nicht ausreichend. Die Extremwerte der
(a) mechanischer Verbund, hervorgerufen durch
Schrittfrequenz fs können z. B. beim Gehen (s.
spezielle Formgebung des Bleches (Sicken oder
auch [Bachmann 1995]) zwischen fs=1,5 Hz und
Nocken),
maximal fs = 2,5 Hz liegen. Dies bedeutet, dass Re-
(b) Reibungsverbund für Profile mit hinterschnitte-
sonanz im Frequenzbereich von 1,5 Hz d fs d 2,5
ner Querschnittsgeometrie (nur zulässig in
Hz infolge der 1. Harmonischen der Belastungs-
Kombination mit (c)),
funktion, im Frequenzbereich von 3,0 Hz dfs d 5,0
(c) Endverankerung durch aufgeschweißte Kopfbol-
Hz infolge der 2. Harmonischen der Lastfunktion
zendübel oder andere örtliche Verbindungen (z. B.
und im Frequenzbereich von 4,5 Hz d fs d 7,5 Hz
Setzbolzen) in Kombination mit (a) oder (b),
infolge der 3. Harmonischen der Lastfunktion auf-
(d) Endverankerung durch Verformung der Rippen
treten kann. In der Praxis werden vielfach auch
an den Enden in Kombination mit (b).
Anregungen infolge der 2. und 3. Harmonischen
der Belastungsfunktion als sehr störend empfun- Zusätzlich ist bei niedrigen Belastungen eine na-
den. In der Literatur werden daher teilweise auch türliche Haftung (Adhäsion) zwischen Blech und
deutlich schärfere Bedingungen für die Eigenfre- Beton wirksam. Mit zunehmender Rissbildung und
quenz angegeben. Bei schlanken Verbundträgern den daraus resultierenden Schubspannungsspitzen
sollte daher stets eine genauere Untersuchung des geht dieser Haftverbund jedoch weitgehend verlo-
Schwingungsverhaltens mittels Begrenzung der ren. Er darf daher rechnerisch nicht in Ansatz ge-
Schwinggeschwindigkeit bzw. Schwingbeschleu- bracht werden.
3.5 Verbundbau 1275

Abb. 3.5-40 Typischer Aufbau einer Verbunddecke und Verbundarten

Der Reibungsverbund (Abb. 3.5-40 b) wird Gabelstaplerbetrieb als tragende Konstruktionen


durch die hinterschnittene Profilierung der Bleche eingesetzt werden. Eine Anrechnung der Profil-
ermöglicht. Sie erzeugt eine Klemmwirkung, die bleche ist dann jedoch nur möglich, wenn für die
es erlaubt, im gerissenen und im ungerissenen Be- Decke eine bauaufsichtliche Zulassung für dyna-
ton Reibungskräfte dauerhaft zu übertragen. Durch mische Belastung vorliegt.
das Einprägen von Rippen oder Noppen oder das Die möglichen Spannweiten im Bauzustand
Einstanzen von Löchern nach Abb. 3.5-40 a wird werden durch das Frischbetongewicht, die Profil-
eine verbesserte „mechanische Verdübelung“ des höhe und die Blechdicke sowie das statische Sys-
Bleches mit dem Beton erreicht, die planmäßig tem (einfeldriges oder durchlaufendes Blech) be-
sehr große Längsschubkräfte übertragen kann. Bei stimmt. Wenn bei größeren Stützweiten die Trag-
glatten Blechen mit offener Profilgeometrie (Abb. fähigkeit des Bleches für Frischbetonlasten nicht
3.5-40 c) führt die Querkontraktion des Blechs bei ausreicht oder die Verformungen zu groß werden,
Zugbeanspruchung zu einem Ablösen des Bleches müssen im Bauzustand Hilfsunterstützungen ange-
vom Beton. In diesem Fall sind zusätzliche ordnet werden. Eine Montageunterstützung mit
Endverankerungen an den Deckenauflagern er- Hilfsstützen ist insbesondere bei größeren Ge-
forderlich. schosshöhen unwirtschaftlich. Hinzu kommt, dass
Zur Sicherstellung einer ausreichenden Quer- durch Hilfsstützen der Ausbau in den darunterlie-
verteilung der Lasten muss bei allen Verbundde- genden Geschossen stark eingeschränkt wird.
cken eine Querbewehrung angeordnet werden. Die- Um größere Spannweiten ohne Zwischenunter-
se wird in aller Regel direkt auf dem Profilblech stützungen zu erreichen, können die Decken zwei-
verlegt. Falls bei sehr großen Stützweiten die Trag- lagig betoniert werden. Dabei wird das Blech nur
fähigkeit der Verbunddecke nicht ausreicht, kann in durch das Eigengewicht der unteren Betonschicht
Längsrichtung noch eine zusätzliche Betonstahlbe- sowie durch die Verkehrslasten während des Beto-
wehrung angeordnet werden. Im Eurocode 4-1-1 nierens beansprucht. Nachdem der Beton der ers-
und in DIN 18800-5 sowie in den bauaufsicht- ten Lage erhärtet ist, wirkt der Querschnitt für die
lichen Zulassungen für Verbunddecken ist für beide restlichen Betonierlasten bereits wie eine dünne
Richtungen eine konstruktive Mindestbewehrung Verbunddecke. Die Aufbetondicke der ersten Lage
(Schwindbewehrung) von 1,0 cm2/m vorgeschrie- sollte mindestens 40 mm betragen. Zur Sicherstel-
ben. Die statisch vorhandene Bewehrung kann da- lung des Verbunds in der Arbeitsfuge ist eine ent-
bei voll als Schwindbewehrung mit angerechnet sprechende Bewehrung in Form von Gitterträgern
werden. Verbunddecken können in Gebäuden mit sowie eine ausreichend raue Oberfläche der ersten
1276 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Betonierschicht erforderlich. Nach dem Betonie- gen Durchstanzen (s. 3.3). Nachfolgend werden
ren der ersten Lage ist ferner auf eine sorgfältige daher nur die für Verbunddecken typischen Nach-
Nachbehandlung des Betons zu achten. weise für die Schnitte I und II näher erläutert. Da-
bei ist insbesondere die Frage der Längsschubtrag-
fähigkeit und der Duktilität des Verbunds zwischen
3.5.4.2 Grenzzustand der Tragfähigkeit
Profilblech und Beton von Bedeutung.
Allgemeines, erforderliche Nachweise Verbunddecken werden nach Eurocode 4-1-1
Verbunddecken sind stets für den Bauzustand und und DIN 18800-5 als duktil bezeichnet, wenn bei
den Endzustand nachzuweisen. Im Bauzustand Versuchen nach deutlichem Endschlupf zwischen
wirkt das Blech als Schalung. Die erforderlichen Blech und Beton die Prüflast um mehr als 10% ge-
Tragsicherheitsnachweise sind im Eurocode 3 bzw. steigert werden kann und bei weggeregelten Versu-
in DIN 18807 geregelt. Die Schnittgrößen sind da- chen kein plötzlicher Lastabfall stattfindet. Da die
bei nach der Elastizitätstheorie unter Berücksichti- Längsschubtragfähigkeit von Blechen nur mit Hil-
gung von Montage- und Ersatzlasten aus Arbeits- fe von Versuchen ermittelt werden kann, sind die
betrieb zu ermitteln. Wenn die maximale Durch- Bemessungswerte der Längsschubtragfähigkeit in
biegung des Bleches unter seinem Eigengewicht bauaufsichtlichen Zulassungen geregelt. Dies gilt
und dem Gewicht des Frischbetons im Grenzzu- auch für die Tragfähigkeit von Endverankerungen.
stand der Gebrauchstauglichkeit geringer als 1/10 Der Nachweis der Längsschubtragfähigkeit kann
der Deckendicke ist, darf das Mehrgewicht des Be- nach den Regelwerken mit der sog. „m+k-Metho-
tons infolge der Durchbiegung des Bleches bei der de“ und bei Decken mit duktilem Verbundverhalten
Bemessung vernachlässigt werden. nach der Teilverbundtheorie geführt werden [Bode/
Im Grenzzustand der Tragfähigkeit sind für Sauerborn 1992; Bode/Minas/Sauerborn 1996;
Verbunddecken die in Abb. 3.5-41 dargestellten Minas 1997]. Bei der „m+k-Methode“ handelt es
kritischen Schnitte zu untersuchen. Die Längs- sich um ein in den USA entwickeltes, halbempiri-
schubtragfähigkeit in der Verbundfuge zwischen sches Bemessungsverfahren, das für Decken ohne
Blech und Beton (Schnitt II-II) bestimmt dabei ausreichende Duktilität entwickelt wurde.
meistens die maximale Momententragfähigkeit,
d. h., es liegt i. d. R. eine teilweise Verdübelung vor. Schnittgrößenermittlung
Biegeversagen im Schnitt I-I wird nur bei vollstän- Die Schnittgrößen für Verbunddecken können in
diger Verdübelung maßgebend. Der Nachweis der Übereinstimmung mit den Regelungen für Stahl-
Querkrafttragfähigkeit im Schnitt III-III sowie der betonplatten ermittelt werden, d. h., es dürfen line-
Nachweis der Momententragfähigkeit im nega- ar-elastische Verfahren mit und ohne Momenten-
tiven Momentenbereich (Schnitt IV-IV) erfolgen umlagerung oder Verfahren auf der Grundlage der
in Übereinstimmung mit den Regelungen für Stahl- Plastizitätstheorie mit Kontrolle der Rotationsfä-
betonplatten. Dies gilt auch für den Nachweis ge- higkeit verwendet werden. Eine Berechnung nach
der Fließgelenktheorie ohne direkte Kontrolle der
Rotationsfähigkeit ist nur zulässig, wenn an den
Innenstützen die in DIN1045-1 angegebenen Be-
dingungen bezüglich der Druckzonenhöhe und
der Duktilität des Betonstahls eingehalten werden,
Profilbleche mit hinterschnittener Profilblechgeo-
metrie und mechanischem Verbund verwendet wer-
den und die Stützweite 6,0 m nicht überschreitet
[Sauerborn 1995].

Querschnittstragfähigkeit
Verbunddecken gelten als vollständig verdübelt,
Abb. 3.5-41 Maßgebende kritische Schnitte beim Nach- wenn die für das vollplastische Grenzmoment er-
weis des Grenzzustands der Tragfähigkeit forderlichen Längsschubkräfte zwischen Profil-
3.5 Verbundbau 1277

blech und Beton übertragen werden können, an- Das vollplastische Biegemoment Mpl,r des Profil-
dernfalls liegt eine teilweise Verdübelung vor. Bei bleches bei gleichzeitiger Wirkung der Normalkraft
vollständiger Verdübelung darf bei positiver Mo- Np=K Ap fypd kann dabei vereinfacht mit der Normal-
mentenbeanspruchung (Profilblech in der Zugzo- kraft-Momenten-Interaktion für Stahlquerschnitte
ne) das Grenzmoment Mpl,Rd wie bei Verbundträ- berechnet werden und ergibt sich mit dem vollplas-
gern nach Abb. 3.5-42 a vollplastisch berechnet tischen Biegemoment Mpl,a,Rd des Profilblechs zu
werden, wenn die plastische Nulllinie nicht im Mpl,r=1,1 Mpl,a,Rd (1–K). Bei Anordnung von Zula-
Profilblech liegt. gebewehrung muss ferner die Bedingung (As fsd)/(Ap
fypd)t0,7 erfüllt sein. Der Verdübelungsgrad K ergibt
(3.5.37) sich dabei aus der zwischen den kritischen Schnit-
ten übertragbaren Längsschubkraft. Sie wird mit
dem Bemessungswert der Verbundfestigkeit Wu,Rd
ermittelt, der die Längsschubtragfähigkeit bezogen
auf die Deckengrundfläche angibt. Betrachtet man
(3.5.38) im Teilverbundiagramm nach Abb. 3.5-43 den Quer-
schnitt im Abstand Lx vom Endauflager, so ergibt
Bei Decken mit duktilem Verbundverhalten kann sich die bis zum Schnitt übertragbare Längsschub-
das Grenzmoment MRd in Übereinstimmung mit kraft zu VL,Rd=Wu,Rd b Lx. Den zugehörigen Verdübe-
der Vorgehensweise bei Verbundträgern nach der lungsgrad K erhält man dann zu
Teilverbundtheorie berechnet werden. Für das
Grenzmoment erhält man mit Abb. 3.5-42 b in Ab- (3.5.41)
hängigkeit vom Verdübelungsgrad K

(3.5.39) Im Abstand Lx=LSf=Ap fypd/(b Wu,Rd) vom Auflager


entfernt ist die Längsschubtragfähigkeit ausreichend,
um die vollplastische Normalkraft des Profilblechs
zu aktivieren. Für Längen LxtLSf liegt somit voll-
ständiger Verbund vor. Für Lx<Lsf kann die Mo-
(3.5.40) mententragfähigkeit bei teilweiser Verdübelung auch
durch lineare Interpolation zwischen den Punkten A
und B nach Abb. 3.5-43 ermittelt werden.

Abb. 3.5-42 Plastische Spannungsverteilungen zur Ermittlung des vollplastischen Moments Mpl, Rd und des Grenzmo-
ments MRd bei teilweiser Verdübelung
1278 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.5-43 Ermittlung der Momententragfähigkeit nach der Teilverbundtheorie

Das Tragverhalten von Verbunddecken ent- Schublänge sowie m und k in Versuchen ermittelte
spricht bei negativer Momentenbeanspruchung Werte, die bauaufsichtlichen Zulassungen entnom-
dem Verhalten von Stahlbetondecken. Bei der Be- men werden können. Der Teilsicherheitsbeiwert
messung muss jedoch die durch die Profilgeome- Jvs für das verwendete Blech ist ebenfalls in den
trie des Bleches hervorgerufene Schwächung der jeweiligen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulas-
Betondruckzone berücksichtigt werden. Nach DIN sungen angegeben. Für den Nachweis nach Gl.
18800-5 darf die Ermittlung der negativen Mo- (3.5.42) ist bei Einfeldträgern als Schublänge Ls
mententragfähigkeit auch unter Anrechnung des für gleichmäßig verteilte Belastung über die ge-
Profilblechs erfolgen, wenn das Blech an Innen- samte Stützweite der Wert L/4 zugrunde zu legen.
stützen durchlaufend ist und das örtliche Beulen Wenn die Decken als durchlaufende Verbund-
des Bleches berücksichtigt wird. decken ausgeführt werden, muss die Bemessung
der Längsschubtragfähigkeit für äquivalente Ein-
Längsschubtragfähigkeit feldträger mit der Stützweite Leff erfolgen. Die ef-
Bei Anwendung der m+k-Methode gilt nach Abb. fektive Stützweite ergibt sich dabei aus dem Ab-
3.5-44 der Nachweis der Längsschubtragfähigkeit stand der Momentennullpunkte bei Annahme einer
als erbracht, wenn die größte Bemessungsquerkraft konstanten Beanspruchung in allen Feldern.
VSd die Grenzquerkraft Bei Anwendung des Teilverbundverfahrens gilt
der Nachweis der Längsschubtragfähigkeit als er-
(3.5.42) bracht, wenn nachgewiesen wird, dass das Bemes-
sungsmoment MEd das Grenzmoment MRd nach Gl.
(3.5.40) an keiner Stelle überschreitet. Abbildung
nicht überschreitet. 3.5-45 zeigt diesen Nachweis exemplarisch für
Dabei sind b die Breite des Querschnitts, dp die eine einfeldrige Decke.
statische Nutzhöhe nach Abb. 3.5-42, Ap die wirk- Wenn Kopfbolzendübel als Endverankerungen
same Querschnittsfläche des Profilblechs, Ls die berücksichtigt werden, vergrößert sich die Beton-
3.5 Verbundbau 1279

Abb. 3.5-44 Nachweis der Längsschubtragfähigkeit nach Abb. 3.5-45 Nachweis der Längsschubtragfähigkeit nach
der m+k-Methode der Teilverbundtheorie

druckkraft Nc um die Grenzscherkraft Ved der End- der Nachweis der Verformungen nicht indirekt
verankerung. Dies kann beim Nachweis nach Abb. durch Begrenzung der Schlankheit erfolgt, sollte
3.5-45 durch eine Verschiebung des Teilverbund- als effektive Biegesteifigkeit der Mittelwert der
kurve für MRd in der Lx-Richtung um den Betrag Biegesteifigkeiten des gerissenen und des ungeris-
Ved /(b Wu,Rd) erfasst werden. Die aus den Auflager- senen Querschnitts verwendet werden. Der Ein-
kräften REd der Decke resultierende Endverankerung fluss des Kriechens kann vereinfacht durch eine
Ved=P REd infolge Reibung darf bei der Bemessung reduzierte Biegesteifigkeit mit den Reduktions-
nur dann angerechnet werden, wenn dieser Einfluss zahlen nach Tabelle 3.5-4 berücksichtigt werden.
nicht bereits bei der experimentellen Ermittlung der
Verbundfestigkeit Wu,Rd berücksichtigt wurde. Der
Reibungsbeiwert P hängt von der Oberflächenbe- 3.5.5 Verbundstützen und
schaffenheit der Profilbleche ab und wird in den je- Rahmentragwerke
weiligen bauaufsichtlichen Zulassungen angegeben.
3.5.5.1 Einleitung, Nachweisverfahren
3.5.4.3 Grenzzustand der
Verbundstützen werden bevorzugt aus voll oder
Gebrauchstauglichkeit
teilweise einbetonierten Stahlprofilen oder aus be-
Die Nachweise der Rissbreitenbeschränkung in tongefüllten Hohlprofilen hergestellt. Typische
negativen Momentenbereichen sind in Überein- Querschnitte zeigt Abb. 3.5-46. Sie zeichnen sich
stimmung mit den Regelungen für Stahlbetonde- gegenüber reinen Stahl- und Stahlbetonstützen
cken zu führen. Dies gilt auch für die Begrenzung durch hohe Tragfähigkeiten bei kleinen Quer-
von Verformungen. Bei einfeldrigen Verbundde- schnittsabmessungen und gegenüber Stahlbeton-
cken und in den Endfeldern von Durchlaufdecken stützen durch eine größere Duktilität aus. Bei der
kann der Schlupf zwischen Profilblech und Beton Wahl des Querschnitts sind neben architekto-
zu einer Vergrößerung der Verformungen führen. nischen und herstellungstechnischen Gesichts-
Dieser Einfluss darf vernachlässigt werden, wenn punkten insbesondere die Brandschutzanforde-
in den jeweiligen Zulassungen für das Profilblech rungen und die Konsequenzen für die konstruktive
keine abweichenden Angaben enthalten sind. Wenn Ausbildung der Anschlüsse von Bedeutung.
1280 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

– Vollständig einbetonierte Stahlprofile. Die Quer- – Betongefüllte Hohlprofile. Dieser Querschnitts-


schnitte sind hinsichtlich der Materialkosten we- typ wird vielfach aus architektonischen Gründen
gen des hohen Beton- und Bewehrungsanteils gewählt. Er erlaubt wegen der optimalen Materi-
günstig zu beurteilen. Auch bei voller Lastaus- alverteilung die Ausführung besonders schlanker
nutzung kann eine Feuerwiderstandsklasse bis Stützen und ist insbesondere bei zweiachsiger
R180 ohne weitere Maßnahmen erreicht werden. Biegung vorteilhaft. Bei kleinen Stückzahlen
Nachteilig sind die hohen Schalungskosten und sind die relativ hohen Materialkosten für die
die sehr aufwendige konstruktive Ausbildung von Rohre und im Vergleich zu kammerbetonierten
Anschlüssen sowie die fehlende Möglichkeit ei- Profilen das relativ aufwendige Betonieren von
ner nachträglichen Verstärkung. Nachteil. Bei hohen Brandschutzanforderungen
– Teilweise einbetonierte Stahlprofile. Auch dieser ist dieser Querschnittstyp ungünstiger zu beur-
Stützentyp kann insbesondere bei geschweißten teilen, da das Rohr im Brandfall nahezu vollstän-
Stahlprofilen mit einem hohen Beton- und Be- dig ausfällt und durch Bewehrung ersetzt werden
wehrungsanteil ausgeführt werden und ist somit muss.
besonders wirtschaftlich. Für die Herstellung ist – Betongefüllte Hohlprofile mit zusätzlichen Ein-
keine Schalung erforderlich und die Anschlüsse stellprofilen. Bei Verwendung von betongefüllten
von Trägern können einfach ausgeführt werden. Hohlprofilen in Kombination mit zusätzlichen
Die freiliegenden Flansche erlauben zudem eine Einstellprofilen (gewalzte oder geschweißte I-
nachträgliche Verstärkung und die Befestigung Profile bzw. Vollkernprofile) ergeben sich extrem
von Ausbauteilen. Ein zusätzlicher Kantenschutz hohe Tragfähigkeiten. Gleichzeitig wird eine
ist bei diesem Stützentyp nicht erforderlich. Bei hohe Tragfähigkeit bei Anforderungen an die
Brandschutzanforderungen ist auf eine brand- Feuerwiderstandsdauer sichergestellt. Bei die-
schutztechnisch günstige Querschnittsgestaltung sem Querschnittstyp ist zudem bei mehrgeschos-
zu achten. Da die Flansche im Brandfall ausfal- sigen Bauwerken und insbesondere Hochhäusern
len, ist in jedem Fall eine Längsbewehrung erfor- eine Ausführung der Stütze mit konstanten Au-
derlich. ßenabmessungen über alle Geschosse möglich,

Abb. 3.5-46 Typische Querschnitte von Verbundstützen


3.5 Verbundbau 1281

da der Querschnitt des eingestellten Profils von vor. Dieses Verfahren erlaubt auch die Bemessung
Geschoß zu Geschoß optimal abgestuft werden von Verbundstützen mit ausbetonierten Hohlprofi-
kann. len und massiven inneren Stahlkernen. Diese Profile
sind derzeit durch DIN 18800-5 und Eurocode 4-1-
In den nationalen und europäischen Regelwerken 1 nicht abgedeckt (Hanswille 2003).
werden zwei Methoden für die Bemessung von
Verbundstützen angegeben: ein allgemeines Be-
3.5.5.2 Vereinfachtes Bemessungsverfahren
messungsverfahren, mit dem die Tragfähigkeit von
Stützen mit beliebigen und über die Stützenlänge Allgemeines, Anwendungsgrenzen
veränderlichen Querschnitten beurteilt werden Der vereinfachte Tragsicherheitsnachweis gilt für
kann, und ein vereinfachtes Bemessungsverfahren Stützen mit doppeltsymmetrischen und über die
für Stützen mit doppeltsymmetrischem und über Stützenlänge konstanten Verbundquerschnitten mit
die Stützenlänge konstantem Querschnitt. gewalzten, kaltprofilierten oder geschweißten
Bei Anwendung des allgemeinen Bemessungsver- Stahlprofilen. Im Rahmen der Bemessung sind fol-
fahrens sind beim Nachweis der Gesamtstabilität die gende Nachweise zu führen:
Auswirkungen der Theorie II. Ordnung unter Be-
– Tragfähigkeit der Stütze für Druck, Biegung und
rücksichtigung von geometrischen und struktu-
Querkraft,
rellen Imperfektionen sowie örtlichen Instabilitä-
– örtliches Beulen von Stahlteilen,
ten zu beachten. Ferner sind die Einflüsse aus der
– Schubtragfähigkeit der Verbundfuge,
Rissbildung, dem nichtlinearen Materialverhalten
– Krafteinleitung an den Stützenenden bzw. an den
sowie dem Kriechen und Schwinden des Betons zu
Einleitungsstellen von großen Querlasten und
berücksichtigen. Bei der Berechnung kann i. Allg.
Momenten sowie an Stellen mit Querschnittsän-
vollständiger Verbund zwischen Stahlprofil und
derungen.
Beton angenommen werden. Detaillierte Angaben
zu diesem Verfahren enthält [Bergmann 1981, Hans- Das vereinfachte Bemessungsverfahren wurde
wille/Lippes 2008]. Bei Anwendung des Allgemei- durch Vergleich mit Versuchsergebnissen und
nen Bemessungsverfahrens ist ein Nachweis auf durch Vergleichsrechnungen mit genaueren Be-
der Grundlage des probabilistischen Sicherheits- rechnungsverfahren hergeleitet [Bergmann 1981;
konzeptes mit Teilsicherheitsbeiwerten auf der Wi- Roik/Bergmann 1989, Bergmann 1996, Lindner
derstandsseite nicht mehr möglich, da bei Anwen- 1998, Hanswille 2003]. Bei der Anwendung sind
dung nicht-linearer Verfahren auf den Mittelwerten daher neben den genannten Voraussetzungen wei-
der Werkstoffkennwerte basierende Spannungs- tere Anwendungsgrenzen zu beachten. Der Quer-
dehnungslinien verwendet werden müssen [Hans- schnittsparameter G, der das Verhältnis der Bemes-
wille 2003]. Weitere Details können DIN 18800-5 sungswerte der Normalkrafttragfähigkeit des Bau-
entnommen werden. stahlquerschnitts und des Verbundquerschnitts an-
Das vereinfachte Bemessungsverfahren nach gibt, muss folgende Bedingung erfüllen:
Eurocode 4-1-1 und DIN 18800-5 basiert für zen-
trisch beanspruchte Stützen auf dem Ersatzstabver-
(3.5.43)
fahren unter Verwendung der Europäischen Knick-
spannungskurven. Für Druck mit Biegung wird in

Eurocode 4-1-1 und in DIN 18800-5 ein verein- Ferner darf der bezogene Schlankheitsgrad O den
fachtes Nachweisverfahren auf der Grundlage der Wert 2,0 nicht überschreiten. Bei vollständig einbe-
Elastizitätstheorie II. Ordnung angegeben. Die in tonierten Profilen nach Abb. 3.5-46a dürfen rechne-
den Regelwerken enthaltenen Nachweisverfahren risch maximal die Betondeckungen max cz=0,3hc
für Verbundstützen gelten für Baustahlgüten S235 bzw. max cy=0,4bc berücksichtigt werden, und das
bis S460 sowie für die Betonfestigkeitsklassen Verhältnis von Querschnittshöhe h zu Querschnitts-
C20/25 bis C50/60. Für die Bemessung von Stützen breite b muss zwischen 0,2 und 5 liegen. Eine vor-
mit hochfesten Betonen liegt ein vereinfachtes handene Längsbewehrung darf rechnerisch maximal
Nachweisverfahren von Hanswille/Lippes (2008) mit 6% der Betonfläche berücksichtigt werden. Der
1282 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.5-15 Grenzwerte grenz(d/t) für betongefüllte,


Hohlprofile und grenz(b/t) für teilweise einbetonierte I-Pro-
file mit fy,k in N/mm²

Querschnitt Grenzwerte

Abb. 3.5-47 Interaktionskurve für Druck und einachsige


Biegung

stahl, Beton und Betonstahl. Bei der Ermittlung


von fcd berücksichtigt der Beiwert Dc den Einfluss
der Dauerstandfestigkeit des Betons. Er darf bei
betongefüllten Hohlprofilquerschnitten mit Dc =
1,0 und bei voll- oder teilweise einbetonierten Pro-
Nachweis gegen örtliches Beulen von Stahlteilen in filen mit Dc=0,85 angesetzt werden. Der erhöhte
Verbundstützen darf bei vollständig einbetonierten Wert Dc =1,0 bei ausbetonierten Hohlprofilen ist
Stahlprofilen entfallen, wenn die Betondeckung der im Wesentlichen durch die bessere Nacherhärtung
Flansche von I-Profilen 40 mm oder 1/6 der Flansch- des Betons bei diesen Stützen begründet.
breite nicht unterschreitet. Für teilweise einbeto- Die Bemessung für Druck und Biegung basiert
nierte I-Profile und für ausbetonierte Hohlprofile auf der vollplastischen Interaktionskurve des Quer-
darf der Nachweis entfallen, wenn die Grenzwerte schnitts. Zur Ermittlung der Interaktionskurve nach
grenz(d/t) bzw. grenz(b/t) nach Tabelle 3.5-15 einge- Abb. 3.5-47 wird – ausgehend von der plastischen
halten werden. Spannungsverteilung bei reiner Momentenbean-
spruchung – die plastische Nulllinie so weit über
Querschnittstragfähigkeit dem Querschnitt verschoben, bis der gesamte Quer-
Grundlage des vereinfachten Nachweisverfahrens schnitt überdrückt ist. Die Summe der Resultie-
ist die vollplastische Querschnittstragfähigkeit. renden aus den Spannungsblöcken ergibt jeweils die
Die Grenznormalkraft eines Verbundquerschnitts innere Normalkrafttragfähigkeit NRd, und das Mo-
im vollplastischen Zustand ergibt sich aus der Ad- ment aus den Resultierenden der Spannungsblöcke
dition der Bemessungswerte der Grenznormalkräf- (bezogen auf die Mittelachse des Querschnitts) lie-
te der einzelnen Querschnittsteile. fert die zugehörige Momententragfähigkeit MRd.
Der Einfluss von Querkräften ist bei der Ermitt-
(3.5.44) lung der Querschnittsinteraktionskurve zu berück-
sichtigen, wenn die anteilige Querkraft des Stahl-
profils den 0,5-fachen Wert der vollplastischen
Hierbei sind Aa, Ac und As die Querschnittsflächen Grenzquerkraft des Stahlprofils überschreitet. Die
von Profilstahl, Beton und Bewehrung, fyd, fcd und Aufteilung der Bemessungsquerkraft VEd in die
fsd die Bemessungswerte der Festigkeiten von Bau- Anteile, die vom Stahlprofil (Va,Ed) und vom Stahl-
3.5 Verbundbau 1283

betonquerschnitt (Vc,Ed) aufgenommen werden,


kann näherungsweise im Verhältnis der Momenten-
tragfähigkeiten erfolgen, die aus der Spannungs-
verteilung im vollplastischen Zustand (ohne Be-
rücksichtigung der Querkraft und Normalkraft)
resultieren.

(3.5.45)

Wenn die Querkraft beim Nachweis der Quer-


schnittstragfähigkeit zu berücksichtigen ist, kann
der Einfluss der Querkraft auf die Normalkraft-
und Momententragfähigkeit (s. Abb. 3.5-47) durch
eine reduzierte Streckgrenze in den querkraftüber-
tragenden Stahlquerschnittsteilen berücksichtigt
werden. Der Abminderungsfaktor U ist dabei nach
Gl. (3.5.20) zu ermitteln. Im Stahlprofil darf die
anteilige Querkraft Va,Ed die Grenzquerkraft Vpl,a,Rd
des Stahlprofils nicht überschreiten. Die Quer-
krafttragfähigkeit des Stahlbetonteils ist für die an-
teilige Querkraft Vc,Ed nachzuweisen.
Die Querschnittsinteraktionskurve nach Abb.
3.5-47 kann durch den in Abb. 3.5-48 dargestellten
Polygonzug mit den Punkten A bis D approximiert
werden [Bergmann 1984].
– Punkt A beschreibt den Zustand der zentrischen
Abb. 3.5-48 Approximation der Interaktionskurve für Druck
Normalkraftbeanspruchung:
und einachsige Biegung durch einen Polygonzug

(3.5.46)
Dabei sind Wpl,a, Wpl,c und Wpl,s die plastischen
Widerstandsmomente des Baustahl-, Beton- und
– In Punkt D stimmt die Lage der plastischen
Betonstahlquerschnitts. Sie sind für einige Pro-
Nulllinie mit der Querschnittsmittellinie überein.
file in Tabelle 3.5-16 zusammengestellt.
Aus der zugehörigen plastischen Spannungs-
– Punkt B beschreibt den Zustand bei reiner Mo-
verteilung ist ersichtlich, dass sich bei dieser Ver-
mentenbeanspruchung (NB,Rd=0). Die Mo-
teilung die maximale Momententragfähigkeit
mententragfähigkeit MB,Rd kann aus der plasti-
MD,Rd = Mmax,Rd ergibt. Die zugehörige Normal-
schen Spannungsverteilung in Punkt D herge-
kraft ND,Rd erhält man aus der Resultierenden
leitet werden. Da die Normalkrafttragfähigkeit
des plastischen Spannungsblocks des Betonquer-
in Punkt B gleich null ist, muss die in Punkt D
schnitts, da sich die Anteile in der Bewehrung
vorhandene innere Normalkrafttragfähigkeit
und im Baustahlquerschnitt aufheben:
nur aus den zusätzlich überdrückten Quer-
(3.5.47) schnittsbereichen resultieren. Mit ND,Rd nach
Gl. (3.5.47) kann der Wert hn und somit die
Lage der plastischen Nulllinie in Punkt B direkt
berechnet werden. Bezeichnet man das aus den
(3.5.48)
Spannungsblöcken im Bereich 2 · hn resultie-
1284 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

rende Biegemoment mit Mn,Rd, so folgt für die dabei für den ungerissenen Betonquerschnitt zu
Momententragfähigkeit in Punkt B berechnen. Der Faktor Ke wurde aus Versuchen
und genaueren Traglastberechnungen errechnet
und berücksichtigt den Einfluss der Rissbildung
(3.5.49) auf die Biegesteifigkeit. Er darf zu Ke=0,6 ange-
nommen werden. Bei Stützen ergibt sich infolge
des Einflusses aus den Verformungen auf die
(3.5.50) Schnittgrößen eine Reduzierung der Tragfähigkeit
aus Kriechen und Schwinden [Roik/Bode/Berg-
In Tabelle 3.5-16 sind die Beziehungen zur Be-
mann 1982; Roik/Mangerig 1987; Roik/Bergmann
rechnung von hn und der zugehörigen plastischen
1990]. Bei der Berechnung der effektiven Biege-
Widerstandsmomente Wpl,an, Wpl,cn und Wpl,sn zu-
steifigkeit wird zur Berücksichtigung des Lang-
sammengestellt.
zeitverhaltens des Betons daher ein effektiver
– Punkt C der Interaktionskurve ist dadurch ge-
Elastizitätsmodul Ec,eff nach Gl. (3.5.55) angesetzt.
kennzeichnet, dass das Moment MC,Rd genau so
Der Sekantenmodul Ecm des Betons wird dabei in
groß ist wie das plastische Moment Mpl,Rd in
Abhängigkeit vom Bemessungswert der Normal-
Punkt B. Der Abstand zwischen der plastischen
kraft NEd, dem ständig wirkenden Anteil NG,Ed so-
Nulllinie und der Querschnittsmittellinie muss
wie der Kriechzahl M(t,t0) abgemindert:
dann hn sein, weil sich diejenigen Momentenan-
teile aufheben, die aus den Spannungsblöcken
(3.5.55)
im Bereich 2·hn resultieren. Die Normalkraft-
tragfähigkeit NC,Rd ist dann doppelt so groß wie
im Punkt D:
Berechnung der Schnittgrößen, geometrische
(3.5.51) Ersatzimperfektionen
Für Einzelstützen und Stützen in Rahmentragwerken
Bezogener Schlankheitsgrad und mit unverschieblichen und verschieblichen Knoten
charakteristischer Wert der wirksamen sind die Biegemomente nach Elastizitätstheorie II.
Biegesteifigkeit Ordnung zu berechnen, wenn die Bedingung
Der bezogene Schlankheitsgrad für die betrachtete
Biegeachse ergibt sich zu: (3.5.56)

(3.5.52) nicht eingehalten werden kann. In Gl. (3.5.56) ist


NKi,d die nach der Elastizitätstheorie mit der wirk-
samen Biegesteifigkeit (EI)eff ermittelte Normal-
(3.5.53) kraft unter der kleinsten Verzweigungslast. Die für
die Bestimmung der Biegemomente und der Ver-
In Gl. (3.5-52) ist NKi,k die Normalkraft unter der zweigungslast maßgebende effektive Biegesteifig-
kleinsten Verzweigungslast, die mit der effektiven keit ergibt sich mit Ke=0,5 und K0=0,9 zu
Biegesteifigkeit (EI)eff,O nach Gl. (3.5.54) zu be-
rechnen ist: (3.5.57)

(3.5.54) Durch Einführung der effektiven Biegesteifigkeit


wird berücksichtigt, dass insbesondere der Elasti-
Dabei sind Ea Ia die Biegesteifigkeit des Baustahl- zitätsmodul des Betons und die Einflüsse aus der
querschnitts, Es Is die Biegesteifigkeit der Beweh- Rissbildung größeren Streuungen unterworfen
rung und Ec,eff Ic die Biegesteifigkeit des Beton- sind. Wenn der Einfluss des Kriechens und Schwin-
querschnitts. Das Flächenmoment 2. Grades Ic ist dens berücksichtigt werden muss, ist in Gl. (3.5.57)
3.5 Verbundbau 1285

gen auch die Zuordnung der Querschnitte zu den


Europäischen Knickspannungskurven. Detaillierte
Informationen zur Ermittlung der geometrischen Er-
satzimperfektionen sind von Lindner (1998), Berg-
mann (1996) Hanswille (2003), Bergmann/Hans-
wille (2004) und Hanswille/Lippes (2008) angege-
ben worden.
Für den Ansatz von Vorverdrehungen können
die Regelungen nach DIN 18800-2 oder Eurocode
3-1-1 angewendet werden. Bei seitlich verschieb-
Abb. 3.5-49 Ansatz von geometrischen Ersatzimperfekti- lichen Rahmentragwerken müssen bei der Berech-
onen, Vorkrümmungen und gleichwertige Ersatzlasten nung der Einfluss der Rissbildung in den Rahmen-
riegeln, der Einfluss aus dem Kriechen und
Schwinden des Betons sowie die Belastungsge-
der reduzierte Elastizitätsmodul Ec,eff nach Gl. schichte berücksichtigt werden. Der gleichzeitige
(3.5.55) zu berücksichtigen. Ansatz von Vorverdrehungen und Vorkrümmungen
Bei der Berechnung der Schnittgrößen darf der ist bei Rahmentragwerken nur für Stützen erfor-
Einfluss von geometrischen und strukturellen Im- derlich, die am verformten Stabwerk Stabdrehwin-
perfektionen mit Hilfe von geometrischen Ersatz- kel aufweisen können und bei denen die Stabkenn-
imperfektionen berücksichtigt werden. Sie erfassen zahl Hd nach Gl. (3.5.59) größer als 1,6 ist. Für
neben den geometrischen Imperfektionen auch die Stützen, die innerhalb eines Rahmensystems als
Einflüsse aus Walz- bzw. Schweißeigenspannungen, Pendelstützen ausgeführt werden, ist grundsätzlich
aus Werkstoffinhomogenitäten sowie die Ausbrei- immer eine Vorkrümmung zu berücksichtigen:
tung von Fließzonen und die Rissbildung im Beton-
querschnitt. Bei den geometrischen Ersatzimperfek- (3.5.58)
tionen wird zwischen Vorkrümmungen und Vorver-
drehungen unterschieden. Sie sind in ungünstigster
Richtung so anzusetzen, dass sie sich der zum nied- Hinsichtlich des Einflusses der Belastungsgeschichte
rigsten Eigenwert gehörigen Verformungsfigur mög- zeigt Abb. 3.5-50 ein typisches Beispiel. Im Bauzu-
lichst gut anpassen. Vorverdrehungen sind für Stäbe stand mit der Normalkraftbeanspruchung NB ist der
und Stabzüge anzusetzen, die am verformten Trag- Riegel vor Herstellung des Verbunds ein reiner Stahl-
werk Stabdrehwinkel aufweisen können und durch querschnitt, die Stützen sind bereits Verbundstützen.
Normalkräfte beansprucht werden. Anstelle von Er- Nach Herstellung des Riegels als Verbundquerschnitt
satzimperfektionen können bei der Ermittlung der wird das System im Endzustand durch die Normal-
Schnittgrößen gleichwertige Ersatzlasten verwendet kräfte NE beansprucht. Im Bauzustand ergeben sich
werden. Beispiele für den Ansatz von gleichwer- aus der Stützenschiefstellung (geometrische Ersatz-
tigen Ersatzlasten zeigt Abb. 3.5-49. imperfektion) Horizontalverformungen nach Theorie
Bei Einzelstützen und unverschieblichen Rah- II. Ordnung. Wenn nach Herstellung des Verbund-
mentragwerken ist eine parabel- oder sinusförmige querschnitts des Riegels das System durch weitere
Vorkrümmung mit dem Maximalwert nach Tabelle Normalkräfte aus Ausbau- und Verkehrslasten bean-
3.5-17 bei der Ermittlung der Schnittgrößen zu be- sprucht wird, sind für die Ermittlung der aus diesen
rücksichtigen. Die angegebenen geometrischen Er- Lastanteilen resultierenden Biegemomente die geo-
satzimperfektionen wurden so ermittelt, dass sich metrischen Ersatzimperfektionen (Vorverdrehungen)
bei Ermittlung der zentrischen Normalkrafttragfä- und zusätzlich die aus dem Bauzustand resultie-
higkeit der Stütze mit Hilfe der Europäischen Knick- renden Verdrehungen nach Theorie II. Ordnung zu
spannungskurven die gleichen Tragfähigkeiten wie berücksichtigen. In der Regel wird eine aufwendige
bei einer Bemessung nach Theorie II. Ordnung er- Berechnung der Schnittgrößen unter Berücksichti-
geben. Tabelle 3.5-17 enthält daher neben den geo- gung der Belastungsgeschichte und der Steifigkeits-
metrischen Ersatzimperfektionen für Vorkrümmun- änderungen während der Belastungsgeschichte erfor-
1286 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.5-16 Ermittlung von Mpl,Rd für vollständig und teilweise einbetonierte Profile

Nulllinie außerhalb des Profils: h/2 d hn  hc/2 Nulllinie außerhalb des Profils: b/2 d hn  bc/2

Nulllinie im Flanschbereich: h/2-tf  hn  h/2 Nulllinie im Flanschbereich: tw/2  hn  b/2

Nulllinie im Stegbereich: hn d h/2-tf Nulllinie im Stegbereich: hn d tw/2


3.5 Verbundbau 1287

(b − 2 t ) (d − 2 t ) 2 2 3 d
W , = − r − r 2 (4 − π ) ( − r ) − W ,
4 3 2
bd2 2 3 d
W pl,a = − ra − ra2 (4 − π ) ( − ra ) − Wpl,c − Wpl, s
4 3 2
n
W pl,s = Σ As i e zi
i=1

1
N pm ,Rd = Ac fcd M max, Rd = W pl,a fyd + W pl,c fcd + W pl,s fsd
2

N pm ,Rd − A sn (2 f sd − fcd )
hn =
2bf cd + 4 t (2 f yd − f cd )

W pl,an = 2 t hn2

Anmerkungen: Anmerkung:
a) Die Berechnung für Biegung um die z-Achse erfolgt Die getroffene Annahme von ,geraden‘ Außenwandungen
durch Ersetzen von ,b‘ durch ,d‘ sowie ,z‘ durch ,y‘ im Bereich von ,2hn‘ führt zu einem geringen Fehler
und umgekehrt in allen Gleichungen
b) Das Vernachlässigen der Terme mit ,ra‘ und ,ri‘ führt
nur zu geringen Ungenauigkeiten

W pl,cn = (b − 2 t ) hn2 − W pl,sn


n
W pl,sn = ∑ Asni e zi
i =1

1
Mn ,Rd = W pl,an fyd + W pl,cn fcd + W pl,sn fsd
2
1288 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.5-17 Zuordnung der Verbundquerschnitte zu den Knickspannungslinien und geometrische Ersatzimperfekti-
onen für die Vorkrümmung

Querschnitt Anwendungs- Ausweichen recht- Knickspannungs- Stich der Vor-


grenzen winklig zur Achse kurve krümmung
vollständig einbetonierte gewalzte oder y-y b L/200
geschweißte I- Querschnitte

z-z c L/150

teilweise einbetonierte gewalzte oder y-y b L/200


geschweißte I-Querschnitte

z-z c L/150

kreisförmige und rechteckige Hohlprofile ȡs ” 3% y-y und a L/300


z-z

3% < ȡs ” 6% y-y und b L/200


z-z

geschweißte Kastenquerschnitte y-y und b L/200


z-z

ausbetonierte Rohre mit zusätzlichen y-y b L/200


gewalzten oder geschweißten I-Profilen als
Einstellprofil
z-z b L/200

teilweise einbetonierte Profile aus gewalzten y-y und b L/200


oder geschweißten gekreuzten I-Profilen z-z
3.5 Verbundbau 1289

Tragfähigkeitsnachweis für planmäßig


zentrischen Druck
Der Nachweis kann entweder nach dem folgenden
Abschnitt nach Theorie II. Ordnung unter Berück-
sichtigung von geometrischen Ersatzimperfekti-
onen oder mit Hilfe der Europäischen Knickspan-
nungskurven geführt werden. Für die maßgebende
Ausweichrichtung ist bei einer Bemessung auf der
Grundlage der Europäischen Knickspannungskur-
ven eine ausreichende Tragfähigkeit nachgewie-
Abb. 3.5-50 Einfluss der Belastungsgeschichte und Ein- sen, wenn die Bedingung
fluss von Systemwechseln

(3.5.60)
derlich. Diese aufwändige Vorgehensweise kann ver-
mieden werden, wenn eine mit dem Faktor
eingehalten ist.
Der Abminderungsfaktor N (=Ny bzw. Nz) ergibt
sich in Abhängigkeit von der bezogenen Schlank-

(3.5.59) heit O K nach Gl. (3.5.52) und der zugehörigen
Knickspannungskurve nach Tabelle 3.5-17. Für
– –
O K”0,2 gilt N=1, und für 0,2<OK”2,0 ergibt sich
der Abminderungsfaktor zu
vergrößerte Vorverdrehung bei der Berechnung der
Schnittgrößen mit den Steifigkeiten des Endzu-
stands berücksichtigt wird.
Bei der Ermittlung des Erhöhungsfaktors D sind (3.5.61)
NB,Ed und NE,Ed jeweils die Summe aller im Bauzu-
stand bzw. im Endzustand in dem betrachteten Ge-
schoss und in der betrachteten Rahmenebene zu Der Parameter D in Gl. (3.5.61) erfasst die für die
übertragenden Vertikallasten und KKi,B und KKi,E Querschnittstypen unterschiedlichen Einflüsse von
die zugehörigen Verzweigungslastfaktoren im strukturellen und geometrischen Imperfektionen
Bau- und Endzustand. Bei unverschieblichen Rah- auf die Tragfähigkeit und kann Tabelle 3.5-18 ent-
mentragwerken dürfen die Biegemomente in Rie- nommen werden.
geln mit Verbundquerschnitten der Klasse 1 oder 2
im Grenzzustand der Tragfähigkeit in Überein- Tragfähigkeitsnachweis für ein- und
stimmung mit 3.5.3.3 unter Beachtung der Gleich- zweiachsige Biegung mit Normalkraft
gewichtsbedingungen umgelagert werden. Eine Der Tragsicherheitsnachweis ist für das Auswei-
Berechnung nach der Fließgelenktheorie ist bei chen in der betrachteten Momentenebene unter
unverschieblichen Rahmentragwerken nur dann Verwendung der Interaktionskurve und der Schnitt-
zulässig, wenn die Querschnitte der Riegel in die größen nach Elastizitätstheorie II. Ordnung unter
Klasse 1 eingestuft werden können und Verbund- Einschluss von Imperfektionen nachfolgender Be-
stützen mit ausbetonierten Hohlprofilen verwendet dingung zu führen:
werden. Andere Stützenquerschnitte besitzen kei-
ne ausreichende Rotationskapazität. Es ist daher
nachzuweisen, dass in den Stützen keine Fließge- Tabelle 3.5-18 Parameter Į zur Berechnung des Abminde-
rungsfaktors
lenke mit Rotationsanforderungen entstehen. Bei
der Bemessung darf bei Anwendung der Fließge- Knickspannungskurve a b c
lenktheorie keine elastische Einspannung der Stüt-
Į 0,21 0,34 0,49
zen in die Riegel angenommen werden.
1290 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

DM=0,8 erfasst wird [Hanswille/Bergmann 2001].


Bei der Berechnung der Biegemomente MEd nach
Theorie II. Ordnung wird zudem eine über die Stab-
länge konstante effektive Biegesteifigkeit zugrunde
gelegt. Der Einfluss der Rissbildung im Beton auf
die Verformungen nach Theorie II. Ordnung kann
bei dieser vereinfachten Vorgehensweise nur nähe-
rungsweise erfasst werden.
Aus der Querschnittsinteraktionskurve ist zu er-
sehen, dass sich für Normalkräfte NEd<Nplc,Rd eine
Momententragfähigkeit ergibt, die größer als die
plastische Momententragfähigkeit Mpl,Rd ist, d. h.,
Pd ist größer als 1,0. Werte Pd>1,0 dürfen beim
Tragfähigkeitsnachweis nach Gl. (3.5.63) nur be-
rücksichtigt werden, wenn das Biegemoment MEd
und die zugehörige Normalkraft NEd nicht unabhän-
gig voneinander wirken können (z. B. wenn das Mo-
ment MEd nur aus einer Exzentrizität der Normal-
kraft NEd resultiert). Bei Stützen, bei denen die Bie-
gemomente und Normalkräfte aus unabhängigen
Einwirkungen resultieren (z. B. ständige Einwir-
kungen und Wind) ist beim Tragfähigkeitsnachweis
entweder der Wert Pd auf 1,0 zu beschränken, oder
es sind die Teilsicherheitsbeiwerte für diejenige
Schnittgröße auf 80% abzumindern, die zu einer Er-
Abb. 3.5-51 Tragfähigkeitsnachweis bei Druck und Bie- höhung der Beanspruchbarkeit führt.
gung, bezogene Momententragfähigkeiten —dy und —dz Bei zweiachsiger Biegung dürfen die bezoge-
nen Momententragfähigkeiten Pdy und Pdz nach
Abb. 3.5-51 für jede Hauptachse getrennt ermittelt
(3.5.62) werden. Der Einfluss von Imperfektionen ist nur
bei der stärker versagensgefährdeten Achse zu be-
rücksichtigen. Der Tragfähigkeitsnachweis ist mit
Der in Gl. (3.5.62) und Abb. 3.5-51 für die betrach- den nachfolgenden Bedingungen zu führen:
tete Momentenbeanspruchung maßgebende Bei-
wert Pd=Pdz bzw. Pdy ist hierbei die auf Mpl,Rd bezo-
gene Momententragfähigkeit des Querschnitts. Die
Begrenzung nach Bedingung (3.5.62) auf den Wert (3.5.63)
DM deckt zwei wesentliche Vereinfachungen im
Nachweis ab. Da die Interaktionskurve unter Ansatz
(3.5.64)
vollplastischer Spannungsverteilungen ermittelt
wird, ist eine Abminderung der vollplastischen
Tragfähigkeit im Vergleich zu einer genaueren Er-
3.5.5.3 Krafteinleitung und Verbundsicherung
mittlung der Querschnittstragfähigkeit unter Be-
rücksichtigung von Dehnungsbeschränkungen für Allgemeines
den Betonquerschnitt erforderlich. Für die normal- Bei der Bemessung der Stütze wird vom Ebenblei-
festen Stähle S235 und S355 ist der Beiwert DM=0,9 ben des Gesamtquerschnitts ausgegangen, d. h., es
zugrunde zu legen. Bei den höherfesten Stählen ist wird ein vollständiger Verbund der Querschnitts-
die Ausnutzung der plastischen Querschnittsreser- komponenten vorausgesetzt. Die Verbundsiche-
ven weiter eingeschränkt, was durch einen Beiwert rung in den Krafteinleitungsbereichen und in den
3.5 Verbundbau 1291

restlichen Bereichen ist daher so auszubilden, dass rücksichtigung der Interaktion aus den jeweiligen
kein nennenswerter Schlupf in der Verbundfuge plastischen Spannungsblöcken ermittelt werden.
zwischen Stahlprofil und Betonquerschnitt entste- Die Vorgehensweise ist in Abb. 3.5-53 exempla-
hen kann. Bei zentrisch beanspruchten Stützen ist risch dargestellt. Aus dem Vektor der auf die voll-
ein Nachweis nur für die Krafteinleitungsbereiche plastischen Tragfähigkeiten Npl,Rd und Mpl,Rd bezo-
erforderlich. Für Stützen mit Querkräften aus genen Schnittgrößen NEd und MEd erhält man den
Querlasten oder Randmomenten ist die Verbundsi- maßgebenden Beanspruchungszustand aus der In-
cherung für die Krafteinleitungsbereiche und für teraktionskurve (Punkt Rd in Abb. 3.5-53).
den Querkraftschub in maßgebenden kritischen Für die Schnittgrößenkombination NRd und MRd
Schnitten nachzuweisen. werden dann die vollplastischen Spannungsver-
teilungen des Verbundquerschnittes ermittelt und
Krafteinleitungsbereiche daraus die Teilschnittgrößen des Baustahls und des
Die Schubkräfte VL,Ed in den Krafteinleitungsbe- bewehrten Stahlbetonquerschnitts berechnet. Für die
reichen können im Grenzzustand der Tragfähigkeit Teilschnittgrößen infolge NEd und MEd folgen dann
aus den Teilschnittgrößen im vollplastischen Zu-
stand ermittelt werden. Bei Einleitung der Kräfte
über das Baustahlprofil ergibt sich die zu übertra-
gende Längsschubkraft im Krafteinleitungsbereich (3.5.66)
aus den Teilschnittgrößen des Beton- und Beton-
stahlquerschnitts (Abb. 3.5-52). Für reine Normal-
kraftbeanspruchung ergibt sich mit Abb. 3.5-52 (3.5.67)

(3.5.68)

(3.5.65)

Bei Einleitung von Normalkräften und Biegemo-


menten müssen die Teilschnittgrößen des Stahl-
und des bewehrten Betonquerschnittes unter Be-

Abb. 3.5-52 Ermittlung der Teilschnittgrößen bei Einlei- Abb. 3.5-53 Ermittlung der Teilschnittgrößen bei Einlei-
tung von Normalkräften tung von Normalkräften und Biegemomenten
1292 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Wenn die Krafteinleitung nur über den Betonquer-


schnitt erfolgt, werden die Längsschubkräfte durch
das Kriechen des Betons vergrößert, da sich die
Teilschnittgrößen mit zunehmender Kriechverfor-
mung auf das Stahlprofil umlagern. In diesem Fall
ist zusätzlich nachzuweisen, dass sich aus einer
elastischen Berechnung unter Berücksichtigung
des Kriechens und Schwindens keine ungünstige-
ren Schubkräfte ergeben [Roik/Bode 1981]. Die
rechnerische Lasteinleitungslänge LE darf bei
Verbundstützen i. d. R. mit Le = 2,0 d jedoch nicht
größer als 1/3 der Stützenlänge LE angenommen
werden, wobei d bei vollständig oder teilweise
einbetonierten Querschnitten und bei ausbeto-
nierten rechteckigen Hohlprofilen die kleinere der
beiden Außenabmessungen der Stütze und bei
Rohren der Außendurchmesser und Le die Stützen-
länge ist.
Werden die Lasten nur über den Stahl- bzw. den
Betonquerschnitt eingeleitet, so ist in den Kraft-
einleitungsbereichen eine Verdübelung erforder-
lich. Bei Verwendung von Kopfbolzendübeln in
den Kammern von I-Profilen darf dann die günsti- Abb. 3.5-54 Reibungskräfte bei Kopfbolzendübeln in den
ge Wirkung berücksichtigt werden, die aus den Kammern von I-Profilen
Reibungskräften an den Flanschinnenseiten resul-
tiert. Abbildung 3.5-54 zeigt das zugehörige Be-
rechnungsmodell, bei dem zusätzlich zur Tragfä- 1:2,5 verteilt werden. Als übertragbare Betonpres-
higkeit des Kopfbolzendübels PRd nach den Gln. sung kann dann bei vollständig oder teilweise ein-
(3.5.23) und (3.5.24) für jeden Flansch und jede betonierten Stahlprofilen die übertragbare Teilflä-
Reihe zusätzlich der Wert PPRd/2 in Rechnung ge- chenpressung des Betons nach DIN 1045-1 ange-
stellt werden darf, wobei ein Reibungsbeiwert nommen werden.
P=0,5 zu berücksichtigen ist. Der günstige Einfluss Bei quadratischen Hohlprofilen und bei Rohren
der Reibungskräfte wurde durch umfangreiche liegen günstigere Verhältnisse vor. Ein typisches
Versuche von Roik und Hanswille (1983) nachge- Beispiel, bei dem die Lasteinleitung mit Hilfe ei-
wiesen. Da diese Versuche für Profile mit lichten ner Kopfplatte und eines Steifenkreuzes erfolgt,
Flanschabständen bis zu 600 mm durchgeführt zeigt Abb. 3.5-55 a. Durch Versuche [Hanswille/
wurden, dürfen die zusätzlichen Reibungskräfte Bergmann 1999, Hanswille/Porsch 2003 und 2004]
bei größeren Profilen nicht in Ansatz gebracht wer- konnte nachgewiesen werden, dass bei Hohlprofi-
den. In den Krafteinleitungsbereichen ist ferner len unter den Steifen wegen der Umschnürungs-
eine Bügelbewehrung anzuordnen, die mit den von wirkung des Hohlprofils vom Beton sehr hohe
[Roik/Hanswille 1984 b] vorgestellten Fachwerk- Pressungen ertragen werden können.
modellen bemessen werden kann. Der Bemessungswert der Teilflächenpressung,
Bei einer Lasteinleitung über Kopfplatten ist Vc,Rd, kann nach Gl. (3.5.69) ermittelt werden. Ver-
keine Verdübelung erforderlich, wenn die Fuge gleichbare Verhältnisse liegen vor, wenn die Kraft-
zwischen Betonquerschnitt und Kopfplatte unter einleitung bei Rohren mit durchgesteckten Kno-
Berücksichtigung von Kriechen und Schwinden tenblechen ausgeführt wird (Abb. 3.5-55 b). Die
ständig überdrückt ist. Wenn die Lasteinleitungs- unter dem Knotenblech aufnehmbare Betonspan-
fläche kleiner als der Stützenquerschnitt ist, dürfen nung kann nach [Hanswille/Porsch 2003 und 2004]
die Lasten über die Kopfplattendicke im Verhältnis ebenfalls nach Gl. (3.5.69) ermittelt werden.
3.5 Verbundbau 1293

Abb. 3.5-55 Lasteinleitung bei Rohren

Tabelle 3.5-19 Bemessungswerte WRd für den Nachweis


(3.5.69) der Schubspannungen zwischen Stahlprofil und Beton

Querschnitt IJRd
N/mm2
Dabei sind fcd und fck der Bemessungswert und der
vollständig einbetonierte Profile 0,30
charakteristische Wert der Betondruckfestigkeit
Ausbetonierte Rohre 0,55
und fyk und fyd der charakteristische Wert bzw. der
betongefüllte rechteckige Hohlprofile 0,40
Bemessungswert der Streckgrenze des Hohlpro- Flansche von teilweise einbetonierten Profilen 0,20
fils, Ac ist die Betonquerschnittsfläche der Stütze Stege von teilweise einbetonierten Profilen 0,00
und A1 die Lasteinleitungsfläche nach Abb. 3.5-
55 a unterhalb der Kopfplatte bzw. unterhalb des
Knotenblechs, t ist die Wanddicke des Hohlprofils
und a der Durchmesser bei kreisförmigen Hohl- bundmittel dürfen näherungsweise nach dem Quer-
profilen oder die Seitenlänge bei quadratischen kraftverlauf verteilt werden. Wenn die in Tabelle
Hohlprofilen. Der Beiwert KcL berücksichtigt den 3.5-19 angegebenen Grenzwerte WRd nicht über-
Einfluss der Umschnürungswirkung durch das schritten werden, darf auf die Anordnung von Ver-
Hohlprofil und ergibt sich für Rohre KcL=4,9 und bundmitteln verzichtet werden.
für quadratische Hohlprofile KcL=3,5. Das Verhält-
nis Ac/A1 darf rechnerisch maximal mit 20 berück-
sichtigt werden.
3.5.6 Brandschutztechnische
Bemessung von Verbundbauteilen
Nachweis der Verbundsicherung außerhalb
3.5.6.1 Allgemeines, Nachweisverfahren
der Krafteinleitungsbereiche
Bei Stützen mit planmäßiger Querkraftbeanspru- Wenn bei Verbundkonstruktionen eine Feuerwi-
chung ist die Verbundsicherung auch außerhalb derstandsdauer im Brandfall gefordert wird, müs-
der Krafteinleitungsbereiche nachzuweisen. Die sen die Bemessung und die Ausführung sicherstel-
Schubkräfte können, wie erläutert, zwischen kri- len, dass das Tragwerk während der maßgebenden
tischen Schnitten aus der Differenz der Normal- Brandbeanspruchung über eine vorgegebene Brand-
kräfte des Stahlprofils ermittelt werden. Die Ver- dauer seine Tragfähigkeit nicht verliert. Dieses
1294 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Kriterium wird im Eurocode 4-1-2 entsprechend heitsbeiwert für ständige Einwirkungen ist dabei
der Feuerwiderstandsdauer unter Normbrandbe- mit JGA=1,0 anzusetzen. Für die Nachweisverfah-
dingungen durch die Klassen R30, R60, R90, R120 ren der Stufen 1 und 2 kann der Bemessungswert
und R180 ausgedrückt. Normbrandbedingungen Efi,d,t näherungsweise aus den Bemessungswerten
werden dabei durch den zeitlichen Verlauf der Rd bei Normaltemperatur ermittelt werden. Für
Brandraumtemperaturen entsprechend der Ein- normale Gebäude in Verbundbauweise darf mit
heitstemperaturzeitkurve definiert. Kfi=0,6 und für Konstruktionen der Kategorie
Der Nachweis einer ausreichenden Feuerwider- D nach Eurocode 4-1-2 mit Kfi=0,7 gerechnet
standsdauer kann nach Eurocode 4-1-2 durch Klas- werden.
sifizierung der Bauteile mit Hilfe von Tabellen
(Nachweisverfahren der Stufe 1) oder durch eine
vereinfachte brandschutztechnische Bemessung (3.5.71)
(Nachweisverfahren der Stufe 2) erfolgen. Die An-
wendung der Nachweisverfahren der Stufen 1 und
2 ist auf Einzelbauteile mit direkter Brandbean-
spruchung über die volle Bauteillänge beschränkt.
3.5.6.2 Nachweisverfahren der Stufe 1
Ferner wird unterstellt, dass die Brandbeanspru-
chung den Normbrandbedingungen entspricht, und Bei den Nachweisverfahren der Stufe 1 erfolgt der
eine einheitliche Querschnittstemperaturverteilung Nachweis mit Hilfe von klassifizierten Bemes-
über die Bauteillänge vorhanden ist. sungswerten in Tabellenform für bestimmte Bau-
Ein Nachweis mit Hilfe von „exakten Berech- teile (Träger, Stützen), denen die Normbrandbe-
nungsverfahren“ zur Simulation des Verhaltens dingungen zugrunde liegen. Der Bemessungswert
von Gesamttragwerken wird als Nachweisverfah- der Beanspruchbarkeit zum Zeitpunkt t ergibt sich
ren der Stufe 3 bezeichnet. Diese Methode basiert in Abhängigkeit vom Bemessungswert bei Nor-
auf der vollständigen thermischen und mecha- maltemperatur Rd zu
nischen Analyse des Tragwerks und kann allge-
mein für Bauteile und gesamte Tragwerke verwen- (3.5.72)
det werden. Für die Bemessungspraxis sind insbe-
sondere die Nachweisverfahren der Stufen 1 und 2 Dabei ist Rd nach Gl. (3.5.2) für den Kaltzustand
von Bedeutung, weil die Anwendung der Nach- zu ermitteln.
weisstufe 3 i. Allg. mit einem sehr hohen nume- In Abhängigkeit von Kfi,t und der geforderten
rischen Aufwand verbunden ist [Schleich 1988, Feuerwiderstandsklasse müssen entsprechende An-
1993]. forderungen an die Abmessungen und die kon-
Das Tragfähigkeitskriterium im Brandfall ergibt struktive Ausbildung der Querschnitte eingehalten
sich aus werden. Tabelle 3.5-20 zeigt ein typisches Beispiel
für die Einstufung von kammerbetonierten Ver-
(3.5.70) bundträgern nach Eurocode 4-1-2.
In Abhängigkeit vom Ausnutzungsfaktor und
Der Bemessungswert der Beanspruchbarkeit im dem Verhältnis von Profilhöhe zu Profilbreite sind
Brandfall, Rfi,d,t, ist dabei auf das Niveau des Be- die angegebenen Anforderungen an die Profilbrei-
messungswertes der Lastauswirkungen, Efi,d,t, ab- te und die Bewehrung zu erfüllen. Dabei gibt Kf die
gefallen. Der Bemessungswert Efi,d,t ergibt sich mit auf die Untergurtfläche des Stahlquerschnitts be-
der außergewöhnlichen Kombination unter Be- zogene erforderliche Längsbewehrung im Kam-
rücksichtigung indirekter Brandeinwirkungen so- merbeton an. Bei Anwendung von Tabelle 3.5-20
wie mit den Kombinationsbeiwerten nach Tabelle ist zu beachten, dass der Kammerbeton und die
3.5-1. Die Indizes fi (fire) und t (time) deuten dar- Längsbewehrung bei der Bemessung für Normal-
auf hin, dass die Einwirkungen und die Bean- temperaturen nicht in Ansatz gebracht werden dür-
spruchbarkeit von der maßgebenden Dauer der fen. Anderenfalls ist die Bemessung mit dem
Brandbeanspruchung abhängen. Der Teilsicher- Nachweisverfahren der Stufe 2 durchzuführen. Für
3.5 Verbundbau 1295

Tabelle 3.5-20 Mindestquerschnittsabmessungen min b und erforderlicher Bewehrungsgrad min Șf der Zulagebeweh-
rung für Verbundträger mit ausbetonierten Kammern

beff d 5,0 m
hc t 120 mm
tf d 2 ˜ tw tw d b/15
fsk = 500 N/mm²

Feuerwiderstandsklasse
Ausnutzungsfaktor R30 R60 R90 R120

Șfi,t d 0,3 min b min Șf min b min Șf min b min Șf min b min Șf
h t 0,9 x min b 70 0,0 100 0,0 170 0,0 200 0,0
h t 1,5 x min b 60 0,0 100 0,0 150 0,0 180 0,0
h t 2,0 x min b 60 0,0 100 0,0 150 0,0 180 0,0

Șfi,t d 0,5
h t 0,9 x min b 80 0,0 170 0,0 250 0,4 270 0,5
h t 1,5 x min b 80 0,0 150 0,0 200 0,2 240 0,3
h t 2,0 x min b 70 0,0 120 0,0 180 0,2 220 0,3
h t 3,0 x min b 60 0,0 100 0,0 170 0,2 200 0,3
Șfi,t d 0,7
h t 0,9 x min b 80 0,0 270 0,4 300 0,6 – –
h t 1,5 x min b 80 0,0 240 0,3 270 0,4 300 0,6
h t 2,0 x min b 70 0,0 190 0,3 210 0,4 270 0,5
h t 3,0 x min b 70 0,0 170 0,2 190 0,4 270 0,5
Mindestachsabstände
b (mm) Abstände u1 und u2 (mm)

170 u1 100 120 –


u2 45 60 –
200 u1 80 100 120
u2 40 55 60
250 u1 60 75 90
u2 35 50 60
t 300 u1 40 50 70
u2 25 45 60
1296 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Verbundstützen sind weitere Klassifizierungsta- 56 zeigt ein typisches Beispiel zur Ermittlung der
bellen in Eurocode 4-1-2 angegeben. Momententragfähigkeit für einen Verbundquer-
schnitt bei positiver Momentenbeanspruchung.
Weitere Hintergrundinformationen zu den in Euro-
3.5.6.3 Nachweisverfahren der Stufe 2
code 4-1-2 enthaltenen Nachweisverfahren bieten
Die Nachweisverfahren der Stufe 2 basieren auf [Hass 1986; Hass/Mayer-Ottens/Quast 1989; Dorn/
vereinfachten Annahmen für die Temperaturvertei- Hosser u. a. 1990; Dorn/Hosser/El-Nesr 1994; Hos-
lung im Querschnitt. Der Temperatureinfluss wird ser/Dorn/El-Nesr 1994]. Bezüglich der Veranke-
bei der Ermittlung der Beanspruchbarkeit Rfi,d,t rung des Kammerbetons sind weitere Konstrukti-
entweder durch Reduzierung der Materialfestig- onsregeln zu beachten, die dem Eurocode 4-1-2
keiten oder durch Reduzierung der nominellen entnommen werden können.
Querschnittsabmessungen anom erfasst. Der Trag- Wenn der Verformungseinfluss bei der Ermitt-
sicherheitsnachweis im Brandfall ist erbracht, lung der Beanspruchungen berücksichtigt werden
wenn die Bedingung (3.5.71) eingehalten ist. Für muss (z. B. bei Verbundstützen), ist zusätzlich der
den Bemessungswert der Beanspruchbarkeit gilt Einfluss der Temperatur auf die Steifigkeiten sowie
der Einfluss von thermischen Zwängungsspan-
nungen zu berücksichtigen. Siehe hierzu [Würker/
Klingsch/Bode 1984; Klingsch/Muess/Wittbecker
(3.5.73)
1988; Hass 1986] und Eurocode 4-1-2. Informati-
onen zur Beurteilung der Feuerwiderstandsdauer
von Anschlüssen finden sich in [Dorn/Hass/Quast
Dabei sind fck, fyk und fsk die charakteristischen 1988; Dorn 1991]. In Eurocode 4-1-2 werden für
Werte der Festigkeiten von Beton, Bau- und Be- typische Stützen Traglastdiagramme und verein-
tonstahl; PRk ist der charakteristische Wert der fachte Nachweisverfahren angegeben.
Tragfähigkeit der Verbundmittel bei Normaltem-
peratur (20°C). Abkürzungen zu 3.5
Die zugehörigen Abminderungsfaktoren kc, ka,
ks und kT berücksichtigen den Einfluss der Tempe- ASCE American Society of Civil Engineers, New
ratur auf die Beanspruchbarkeit. Der Beiwert ka York
erfasst die Reduzierung der nominellen Quer- DASt Deutscher Ausschuss für Stahlbau, Köln
schnittsabmessungen. Die Abminderungsfaktoren DIBt Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin
können nach Eurocode 4-1-2 in Abhängigkeit von DSTV Deutscher Stahlbauverband
der Feuerwiderstandsklasse und der Querschnitts- DVS Deutscher Verband für Schweißtechnik,
ausbildung ermittelt werden. Die Teilsicherheits- Hannover
beiwerte dürfen dabei mit Jfi,c=Jfi,a=Jfi,s=1,0 und
Jfi,v=Jv=1,25 angenommen werden. Abbildung 3.5- Literaturverzeichnis Kap. 3.5
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3.5 Verbundbau 1297

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3.6 Mauerwerk 1301

3.6 Mauerwerk maße Länge, Breite und Höhe angegeben. Hinsicht-


lich des Lochanteils ist zu unterscheiden zwischen
3.6.1 Baustoffe Vollsteinen mit einem Lochanteil von max. 15% und
Lochsteinen mit einem Lochanteil größer als 15%.
Wolfgang Brameshuber Die Lochungen dienen entweder der einfacheren, er-
3.6.1.1 Mauersteine gonomisch günstigeren Handhabung (Verlegung)
der Mauersteine – Grifflöcher, Grifföffnungen,
Allgemeines Griffhilfen – oder der Verbesserung der Wärmedäm-
Für Mauerwerk aus künstlich hergestellten Mauer- mung. Hierfür eignen sich besonders schmale,
steinen werden hauptsächlich folgende vier Mau- schlitzförmige Lochungen, die gegeneinander ver-
ersteinarten verwendet: setzt sind, um den Wärmestromweg ohne nennens-
werte Konvektion möglichst zu verlängern. Dies ist
– Mauerziegel,
technologisch nicht in allen Fällen möglich. Bei
– Kalksandsteine,
größeren Lochungen muss die im Mauerwerk oben-
– Porenbetonsteine und
liegende Lagerfläche der Steine geschlossen sein
– Leichtbeton- und Betonsteine.
(Deckel), damit der Mörtelauftrag möglich ist. Aus
Hinsichtlich der Steingröße ist zu unterscheiden Rationalisierungsgründen ist bei einer zunehmenden
zwischen Steinen mit einer Höhe < 113 bzw. 115 mm Anzahl von Steinen die Stoßfläche so ausgebildet,
und Blöcken mit einer Höhe > 113 bzw. 115 mm dass sie entweder nur noch teilweise (Mörtelta-
und < 238 bis 250 mm sowie Elementen mit größe- schen) oder gar nicht mehr vermörtelt (Nut und Fe-
ren Höhen. Das kleinste Steinformat ist das Format der-Ausbildung) werden muss (s. a. Abb. 3.6-2). Die
DF mit 240 mm Länge × 113 mm Breite × 52 mm Maßtoleranzen der Mauersteine müssen in Ab-
Höhe. Die Steinformate sind in DIN 4172 „Maßord- hängigkeit von der Vermörtelungsart (Normalfuge
nung im Hochbau“ im oktametrischen System oder Dünnbettfuge) entsprechend begrenzt wer-
(Grundmaßeinheit = 1/8 m = 125 mm) unter Be- den. Mauersteine für Dünnbettvermörtelung werden
rücksichtigung einer Stoßfugenbreite von 10 mm Plansteine genannt und besitzen eine hohe Maßge-
und einer Lagerfugendicke von 12 mm bei Mauer- nauigkeit, die in Steinhöhe r1,0 mm beträgt. Grund-
werk mit Normal- und Leichtmörtel bzw. von je- sätzlich zu unterscheiden sind genormte Mauerstei-
weils 1 bis 2 mm bei Mauerwerk mit Dünnbettmör- ne (Abb. 3.6-1) und Mauersteine, die aufgrund einer
tel festgelegt worden. Die Grundmaßeinheit dieser allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung verwen-
Maßordnung ergibt sich aus 115 + 10 mm = 125 mm det werden dürfen. Beispiele für Mauersteine zeigt
in der Länge und 113 + 12 mm = 125 mm in der Abb. 3.6-2.
Höhe. Neuere Entwicklungen der Baustoffindustrie
wie z. B. der Wegfall der Stoßfugenvermörtelung Mauerziegel
bei Plan- bzw. Nut- und Federsteinen und die Re- Mauerziegel werden aus den natürlichen Rohstoffen
duzierung der Lagerfugendicke auf 1–3 mm bei Ton und Lehm oder tonigen Massen hergestellt. Die
Dünnbettmauerwerk haben zu teilweise neuen Stein- Rohstoffe werden über Dampfrundbeschicker der
abmessungen geführt. Um eine Abänderung der Aufbereitung zugeführt. Häufig werden bei der Be-
Rohbau- und Nennmaße der üblichen Mauerwerk- schickung porenbildende Zusatzstoffe wie z. B. Po-
verbände zu vermeiden, wurden einige Mauersteine lystyrolschaumkugeln, Holzspäne, Strohhäcksel
von 240 auf 247 mm verlängert und von 238 auf bis oder Papierschlamm beigemischt, die während des
zu 248 mm erhöht. Das kleinste Steinformat ist das Brennvorgangs rückstandslos verdampfen und über-
sog. Dünnformat mit dem Formatkurzzeichen DF wiegend kugelförmige Luftporen hinterlassen. Da-
(240 mm · 113 mm · 52 mm). Aus diesem Grund- durch wird die Stoffrohdichte und somit die Wär-
format sind die meisten größeren Formate unter Be- meleitfähigkeit der Ziegel herabgesetzt bzw. deren
zug auf das Verhältnis der Steinvolumina einschließ- Wärmedämmverhalten verbessert. Bis zur Sinte-
lich des zugehörigen Fugenanteils abgeleitet (2 DF, rung gebrannte Mauerziegel mit hohem Frostwider-
5 DF, 10 DF usw.). Die Größe der Mauersteine wird stand und einer Scherbenrohdichte von mind. 1,90
als Vielfaches von DF oder durch die direkten Stein- kg/dm3 sowie einer Druckfestigkeitsklasse von
1302 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

tels Stahldrähten in einzelne Rohlinge geschnitten.


Es folgt eine Trocknungsphase, bei der den Stein-
rohlingen das Anmachwasser der Aufbereitung ent-
zogen wird, um ein Zertreiben des Tons beim an-
schließenden Brennvorgang zu vermeiden. Die Fes-
tigkeitsbildung der Mauerziegel erfolgt durch den
Brennvorgang, und zwar durch Trockensinterung
(Umwandlung der Rohstoffpartikel in einen festen
Zustand) oder Schmelzsinterung (Verkittung durch
partielle Schmelzflüsse). Die Brenntemperaturen
betragen dabei zwischen 900 und 1100°C. Die Tro-
ckensinterung findet bei Ziegeln, die Schmelzsinte-
rung bei Klinkern statt. Mit zunehmender Brenn-
temperatur steigen Rohdichte und Druckfestigkeit.
Nach dem Brennen und Abkühlen besitzen die
Mauerziegel ihre „endgültigen“ Eigenschaften und
sind verwendungsfähig. Für am häufigsten ange-
wendete Mauerziegel gelten folgende Kurzbe-
zeichnungen:
Mz Vollziegel
HLz Hochlochziegel
VMz Vormauer-Vollziegel
Abb. 3.6-1 Genormte Mauersteine VHLz Vormauer-Hochlochziegel

mind. 28 werden als Klinker bezeichnet. Die Her- Vormauerziegel mit ausreichend hohem Frostwi-
stellung von Mauerziegeln ist schematisch in Abb. derstand erhalten als Vorsatz zum Kurzzeichen den
3.6-3 dargestellt. Das aufbereitete Mischgut wird Buchstaben V (VMz, VHLz). Bei Leichthochloch-
einer Presse zugeführt, an deren Ende sich auswech- ziegeln mit besonders guten Wärmedämmeigen-
selbare Mundstücke befinden. Unter Druck wird der schaften sind am Markt häufig nicht die DIN-Be-
Tonstrang durch das Mundstück getrieben und mit- zeichnungen, sondern die Handelsnamen üblich.

Abb. 3.6-2 Mauersteine (Beispiele)


3.6 Mauerwerk 1303

Abb. 3.6-3 Herstellung von Mauerziegeln

Kalksandsteine mauersteine (mindestens Druckfestigkeitsklasse


Kalksandsteine sind bindemittelgebundene Mau- 12, ausreichender Frostwiderstand) und Kalksand-
ersteine, die aus kalk- und kieselsäurehaltigen Zu- verblender (mindestens Druckfestigkeitsklasse 20,
schlägen hergestellt werden. Ausgangsstoffe sind besondere Anforderungen an Maßhaltigkeit, Aus-
i. Allg. Quarzsand (0 bis 4 mm) und Branntkalk, blühneignung, Verfärbung und Frostwiderstand)
welcher durch Brennen von Kalkstein bei etwa sind für Sichtmauerwerk mit unterschiedlichen
900°C gewonnen wird. Der gebrannte Kalk wird Anforderungen bestimmt.
gemahlen, mit dem Sand vermischt und unter Zu- Für am häufigsten angewendete Kalksandsteine
gabe von Wasser in sog. Reaktoren zwischengela- gelten folgende Kurzbezeichnungen:
gert. Dabei entsteht das eigentliche Bindemittel KS Voll- und Blocksteine
Kalkhydrat. Anschließend wird die Mischung in KSL Loch- und Hohlblocksteine
Formkästen gefüllt, durch Pressen verdichtet und KSVm KS-Vormauersteine
geformt. Die Erhärtung der Steinrohlinge ergibt KSVb KS-Verblender
sich durch Reaktion des Kalkhydrates mit dem Si-
liciumoxid (SiO2) des Quarzsandes. Die festig- Porenbetonsteine
keitsbildende Reaktion findet unter Dampfdruck Ausgangsstoffe für die Herstellung von Porenbe-
und hohen Temperaturen (160 bis 220°C) im Auto- tonsteinen sind meist quarzhaltiger Sand, Binde-
klaven (Härtekessel) statt. Es entstehen Calciumsi- mittel (gemahlener Branntkalk und/oder Zement),
likathydrate, die den Hydratationsprodukten von Treibmittel (Aluminiumpulver), Wasser und ggf.
Zement ähnlich sind. Diese Verbindungen sind Zusatzstoffe. Die Herstellung von Porenbetonstei-
sehr widerstandsfähig und ergeben hohe Festigkei- nen und statisch bewehrten Porenbetonbauteilen
ten. Die Herstellung von Kalksandsteinen ist sche- erfolgt wie in Abb. 3.6-5 dargestellt. Die wässrige
matisch in Abb. 3.6-4 dargestellt. Kalksandvor- Rohstoffmischung wird in große Formen einge-
1304 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-4 Herstellung von Kalksandsteinen

füllt. Dort kommt es zu einer Reaktion des Treib- Für Porenbetonsteine gelten folgende Kurzbe-
mittels Aluminium mit dem Calciumhydroxid, zeichnungen:
wodurch Wasserstoffgas entsteht. Dieses erzeugt PB Porenbeton-Blocksteine
Poren und quellt die Rohmasse auf. Das Wasser- PP Porenbeton-Plansteine
stoffgas diffundiert schon während des Herstel-
lungsvorganges rückstandslos aus dem aufgetrie- Leichtbeton- und Betonsteine
benen Porenbeton, so dass sich danach nur noch Leichtbeton- und Betonsteine werden überwiegend
Luft in den Poren befindet. Nach dem Treib- und mit haufwerkporigem Gefüge hergestellt. Die Her-
Abbindevorgang erreicht der junge Porenbeton stellung von Leichtbeton- und Betonsteinen unter-
eine ausreichende Schneidefestigkeit und wird mit scheidet sich prinzipiell nicht maßgeblich voneinan-
Hilfe einer Schneideanlage sowohl vertikal als der. Die Ausgangsstoffe Bindemittel, Zuschläge und
auch horizontal in die jeweiligen Steinformate ge- Wasser werden gemischt und über Füllkästen in Vi-
schnitten. Anschließend erfolgt die Dampfhärtung brations-Steinformmaschinen eingebracht. Die Mi-
im Autoklaven analog zum Härtungsprozess bei schung wird unter Auflast und durch Vibration ver-
Kalksandsteinen. Es bildet sich hochdruckfester dichtet und somit in ihre endgültige Form gebracht.
Porenbeton aus Calciumsilikathydrat, das dem in Nach dem „Entformen“ erfahren die frisch geform-
der Natur vorkommenden Mineral Tobermorit ent- ten Steine („Grünlinge“) eine Nachbehandlung, bei
spricht. Sobald die Porenbetonsteine abgekühlt der die Steinoberfläche durch Bürsten von lockeren
sind, besitzen sie ihre endgültige Festigkeit. Teilchen und Graten befreit wird. Zur Vorhärtung
3.6 Mauerwerk 1305

Abb. 3.6-5 Herstellung von Porenbetonsteinen

werden die Steine dann eingelagert, bevor sie auf – Druckfestigkeit (ĺ Tragfähigkeit),
Paletten zu Steinpaketen gestapelt und bis zum Er- – Frostwiderstand (ĺ Vormauer-, Verblendstei-
reichen der erforderlichen Festigkeit im Freien gela- ne; Dauerhaftigkeit).
gert werden. Je nach Vorbehandlung (Lufthärtung,
Wärmebehandlung) erreichen die Mauersteine spä- In Klammern sind die betreffenden Mauerwerkei-
testens im Alter von 28 Tagen, zum Teil auch früher, genschaften angegeben. Die Tabellen 3.6-1 und
ihre Solldruckfestigkeit. 3.6-2 enthalten die möglichen, Tabelle 3.6-3 ent-
Es gelten folgende Kurzbezeichnungen, die je hält die üblichen Druckfestigkeits- und Rohdichte-
nach Anzahl der Lochungen bei den Hohlblöcken klassen für Mauersteine.
der Bezeichnung vorausgestellt werden:
Hbl Hohlblöcke aus Leichtbeton (zusätzlich Kam- Anwendung
merzahl, z. B.: 3 K Hbl) Aus Tabelle 3.6-3 ist zu entnehmen, dass sich für
V Vollsteine aus Leichtbeton Mauerwerk mit guten Wärmedämmeigenschaften
Vbl Vollblöcke aus Leichtbeton. Leichthochlochziegel, Porenbeton- und Leichtbe-
tonsteine eignen. Dieses Leichtmauerwerk besitzt
Mauersteineigenschaften eine niedrige bis mittlere Druckfestigkeit. Für
und- anforderungen Mauerwerk mit mittlerer bis hoher Druckfestigkeit
Die wichtigsten Eigenschaftskenngrößen mit Anfor- und guten bis sehr guten Schalldämmeigenschaften
derungen in den DIN-Normen für Mauersteine sind: (bezogen auf die Bauteilmasse) bieten sich Kalk-
sandsteine, Betonsteine und auch Voll- und Hoch-
– Maße, Maßtoleranzen, lochziegel an. Dünnbettmauerwerk erfordert we-
– Rohdichte (ĺ Lastannahmen, Wärmedäm- gen der geringen Mörtelfugendicke von 1 bis 3
mung, Schalldämmung), mm Mauersteine mit entsprechend geringen Maß-
1306 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.6-1 Druckfestigkeitsklassen (fst) Tabelle 3.6-2 Mauersteine – Rohdichte (Trockenrohdichte)

toleranzen – sog. Plansteine. Für Sichtmauerwerk keit der Druckfestigkeit genügen. Mauersteine für
müssen die Mauersteine ein dauerhaft gutes Aus- bewehrtes Mauerwerk nach DIN 1053-3 dürfen bis
sehen der Sichtfläche gewährleisten (keine Gefü- höchstens 35% Lochanteil aufweisen und müssen
gezerstörungen, keine dauerhaften Ausblühungen, bestimmte Anforderungen an die Steganordnung
keine Kantenabplatzungen u. ä.). Für der Witterung erfüllen. Sie sind mit BM (bewehrtes Mauerwerk)
ausgesetztes Sichtmauerwerk ist ein dauerhaft aus- zu kennzeichnen.
reichend hoher Widerstand gegen Witterungsein-
flüsse (i. w. Frostwiderstand) der Mauersteine
3.6.1.2 Mauermörtel
(Vormauersteine, Verblender) erforderlich. Groß-
formatige, schwere Mauersteine dürfen nur mit Allgemeines
mechanischen Verlegehilfen versetzt werden. Mauermörtel ist ein Gemisch aus Sand, Bindemit-
Grundsätzliche Anwendungsbeschränkungen ge- tel und Wasser, ggf. auch Zusatzstoff und Zusatz-
normter Mauersteine für Mauerwerk nach DIN mittel. Das Größtkorn des Sandes beträgt maximal
1053-1 bestehen nicht. Mauersteine für Mauer- 4 mm. Die Bestandteile müssen den bauaufsicht-
werk nach Eignungsprüfung (DIN 1053-2) müssen lichen Vorschriften für den Anwendungszweck ge-
bestimmten Anforderungen an die Gleichmäßig- nügen (Norm, Brauchbarkeitsnachweis).

Tabelle 3.6-3 Übliche Druckfestigkeits- und Rohdichteklassen bei Mauersteinen

DIN Kurzbezeichnung Druckfestigkeitsklasse Rohdichteklasse


105 Teil 1 Voll-, Hochlochziegel 8…28 1,2…2,2
105 Teil 2 Leichthochlochziegel 6…12 0,7…0,9
106 Teil 1 12…28 1,2…1,8
Kalksandsteine
106 Teil 2
4165 Porenbetonsteine 2…6 0,4…0,7
18 151 Hohlblöcke 2…6 0,5…0,8
18 152 Vollblöcke aus Leichtbeton 2…6 0,5…0,8
18 152 Vollsteine aus Leichtbeton 2…12 0,7…1,8
18 153 Mauersteine aus Normalbeton 4…12 0,9…1,8
3.6 Mauerwerk 1307

Abb. 3.6-6 Merkmale von Mauermörteln nach DIN 1053-1

Mörtelarten, Zusammensetzung Ud = 1,5 kg/dm³ ist und werden nach dem Rechen-
Mauermörtel sind im Anhang A der in DIN 1053-1 wert der Wärmeleitfähigkeit OR unterschieden in
bzw. DIN 18 580 in Verbindung mit DIN EN 998-2 LM 21 (OR = 0,21 W/m · K) und LM 36 (OR = 0,36
genormt. Grundsätzlich wird zwischen den Mör- W/m · K). Bei Dünnbettmörtel ist das Größtkorn
telarten Normalmörtel, Leichtmörtel und Dünn- aufgrund der Fugendicke (1–3 mm) auf 1 mm be-
bettmörtel unterschieden; s. Abb. 3.6-6. Normal- grenzt. Bei der Verwendung von Dünnbettmörtel
mörtel hat eine Trockenrohdichte von mindestens werden erhöhte Anforderungen an die Maßgenau-
Ud = 1,5 kg/dm³ und wird in die Mörtelgruppen igkeit der Mauersteine (z. B. Plansteine) gestellt.
MG I bis MG IIIa eingeteilt, die sich durch ver- Die Druckfestigkeit von Dünnbettmörtel entspricht
schiedene Anforderungen an die Druck- und Haft- der Mörtelgruppe MG III von Normalmörtel.
scherfestigkeit des Mörtels unterscheiden. Nor-
malmörtel können sowohl nach Rezepten, die in Lieferformen
DIN 1053-1 festgelegt sind (s. Abb. 3.3-6) als auch Normalmörtel können als Baustellen- und Werk-
nach Eignungsnachweis hergestellt werden. Bei mörtel hergestellt werden. Leicht- und Dünnbett-
Normalmörtel als Rezeptmörtel ohne weitere Zu- mörtel sind ausschließlich als Werkmörtel herzu-
sätze (Zusatzstoffe und Zusatzmittel) kann auf- stellen. Der Anteil an Werkmörteln liegt derzeit bei
grund der langjährigen Erfahrungen davon ausge- etwa 90%. Durch die werkmäßige Herstellung sind
gangen werden, dass die in der DIN 1053-1 ge- eine hohe Gleichmäßigkeit der Eigenschaftswerte
stellten Anforderungen erfüllt werden. Der heute erreichbar und eine gezielte Optimierung von Ei-
am meisten verwendete Normalmörtel ist Mörtel genschaftswerten für den jeweiligen Anwendungs-
der Gruppe IIa. Dieser Mörtel ist sehr gut verarbeit- fall möglich.
bar, ergibt i. d. R. ausreichend hohe Festigkeiten Bei Werkmörteln sind zu unterscheiden (s. a.
und ist zudem wegen seines nicht zu hohen E-Mo- Abb. 3.3-6):
duls noch genügend verformungsfähig, um Span-
nungen im Mauerwerk (z. B. durch das Schwin- Werk-Trockenmörtel (WTM):
den der Steine) vermindern zu können. Leichtmör- Ein fertiges Gemisch der Ausgangsstoffe, dem bei
tel haben eine Trockenrohdichte, die kleiner als der Aufbereitung auf der Baustelle nur noch Was-
1308 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

ser zugemischt wird, um eine verarbeitbare Kon- Normalmörtel – außer Rezeptmörtel –, Leichtmör-
sistenz zu erreichen. tel und Dünnbettmörtel. Durch diese Verbundprü-
fung zwischen Mörtel und einem Referenz-Kalk-
Werk-Vormörtel (WVM): sandstein soll eine nach Mörtel bzw. Mörtelgruppen
Ein Gemisch aus Zuschlägen und Kalk sowie ggf. abgestufte Mindestverbundfestigkeit gewährleis-
weiteren Zusätzen. Auf der Baustelle werden Ze- tet werden. Diese wird für die Bemessung von
ment (nach Herstellerangabe) und Wasser zugege- Mauerwerk auf Zug bzw. Biegezug und Schub
ben. Werk-Vormörtel ist vor allem in Norddeutsch- angesetzt. Beide Prüfungen, die Druckfestigkeit
land verbreitet. des Mörtels in der Fuge und die Haftscherfestig-
keit, sind bei Mörteln mit verlängerter Verarbei-
Werk-Frischmörtel (WFM): tungszeit jeweils zu Beginn und am Ende der an-
Gebrauchsfertiger Mörtel in verarbeitbarer Kon- gegebenen Verarbeitungszeit durchzuführen. Da
sistenz. besonders bei Leichtmörteln die Druckfestigkeit
des Mauerwerks durch die i. Allg. relativ große
Mehrkammer-Silomörtel: Querverformbarkeit des Mörtels in der Fuge ver-
In einem Silo sind in getrennten Kammern die ringert werden kann, wird bei diesen Mörteln der
Mörtelausgangsstoffe enthalten. Sie werden unter Querdehnungsmodul Eq als dafür charakteristi-
Wasserzugabe automatisch dosiert und gemischt, scher Eigenschaftswert ermittelt. Er ist der Sekan-
so dass am Mischerauslauf auf der Baustelle tenmodul aus der Spannung bei 1/3 der Höchst-
verarbeitungsfähiger Mörtel entnommen werden spannung und der zugehörigen Querdehnung, er-
kann. mittelt an einem größeren Mörtelprisma. Je kleiner
Eq ist, desto größer ist die Querverformbarkeit des
Mörteleigenschaften und -anforderungen Mörtels und desto geringer ist die Mauerwerk-
Wichtige Eigenschaften von Mauermörteln sind druckfestigkeit, vor allem bei höherfesten Mauer-
eine ausreichend gute Verarbeitbarkeit, ein auf steinen. Zur Abgrenzung von Normal- und Leicht-
die Steineigenschaften abgestimmtes Wasserrück- mörteln und deren Gruppenunterscheidung (LM
haltevermögen (Behinderung des Wasserabsau- 21, LM 36) ist die Trockenrohdichte zu bestim-
gens durch den Mauerstein), die Trockenrohdichte men. Bei den Dünnbettmörteln kann sich die
bzw. Wärmeleitfähigkeit bei Leichtmörteln, die Druckfestigkeit durch Feuchtlagerung wegen der
Druckfestigkeit und die Verbundfestigkeit zum vorhandenen organischen Bestandteile verringern.
Mauerstein (Haftscher-, Haftzugfestigkeit). Eine Durch eine entsprechende Prüfung muss nachge-
weitere wichtige Eigenschaft ist das Querver- wiesen werden, dass der Festigkeitsabfall nicht
formungsverhalten bei Leichmörteln, da dieses unakzeptabel hoch ist. Wichtig ist außerdem, dass
maßgeblich die Drucktragfähigkeit des Mauer- der angemischte Dünnbettmörtel ausreichend lan-
werks beeinflusst. Die Anforderungen an Normal-, ge verarbeitbar (Verarbeitbarkeitszeit) und nach
Leicht- und Dünnbettmörtel sind in Tabelle 3.6-4 Auftrag auf den Stein der aufzusetzende Stein
zusammengestellt. noch kurzfristig in seiner Lage im Dünnbettmörtel
Die Tabelle 3.6-5 gibt Hinweise auf die Bedeu- korrigiert werden kann (Korrigierbarkeitszeit).
tung der zu prüfenden Mörteleigenschaftswerte
für das Mauerwerk. Bei Normalmörtel – ausge- Anwendungen
nommen Rezeptmörtel – und Leichtmörtel ist au- Nicht zulässige Anwendungen von Normal-,
ßer der Druckfestigkeit nach Norm bei der Eig- Leicht- und Dünnbettmörteln sind in der Tabelle
nungsprüfung auch die Druckfestigkeit des Mör- 3.6-6 zusammengestellt. Die Anwendungsbe-
tels in der Lagerfuge nachzuweisen. Durch diese schränkungen für Normalmörtel der Gruppe I be-
Prüfung soll der Einfluss des Mörtel-Stein-Kon- ziehen sich auf statisches und durch Feuchte stär-
taktes (im Wesentlichen Absaugen von Mörtel- ker beanspruchtes Mauerwerk. Dies ist berechtigt
wasser durch den Stein) auf die Mörteldruckfes- und notwendig, da für Mörtel der Gruppe I keiner-
tigkeit im Mauerwerk berücksichtigt werden. Die lei Festigkeitsanforderungen bestehen und dieser
Anforderung an die Haftscherfestigkeit betrifft Mörtel überwiegend karbonatisch (durch Reaktion
3.6 Mauerwerk 1309

Tabelle 3.6-4 Anforderungen an Mauermörtel (außer Rezeptmörtel d)) nach DIN 1053-1 (Prüfalter: 28 d)

Prüfgröße Kurz- Eignungs-, Normalmörtel Leichtmörtel Dünnbett-


Prüfnorm zeichen Güte- mörtel
prüfung
Einheit (EP, GP) I II IIa III IIIa LM 21 LM 36
Mörtelzusammenset- – EP muss ermittelt werden
zung
Druckfestigkeit ȕD EP – t3,5 e) t7 e) t14 e) t25 e) t7 e) t7 e) t14 e)
DIN 18 555-3 N/mm² GP – t2,5 t5 t10 t20 t5 t5 t10
Druckfestigkeit Fuge f) ȕD,F EP – t2,5 t5,0 t10,0 t20,0 t5,0 t5,0 –
Vorl. Richtlinie N/mm² t1,25 t2,5 t5,0 t10,0 t2,5 t2,5
Druckfestigkeit bei ȕD,f EP – – – – – – – t70% vom
Feuchtlagerung N/mm² GP Istwert ȕD
(DIN 18 555-3)
Haftscherfestigkeit ȕHS EP – t0,10 t0,20 t0,25 t0,30 t0,20 t0,20 t0,5
DIN 18 555-5 N/mm²
Trockenrohdichte ȡd EP <1,5 d0,7 d1,0
DIN 18 555-3 kg/dm³ GP – max. Abweichung –
r10% vom
Istwert
Querdehnungsmodul Eq EP
DIN 18 555-4 N/mm² – >7500 >15000 –
GP g) g)

Längsdehnungsmodul El EP
DIN 18 555-4 N/mm² – >2000 >3000 –
GP – –
Wärmeleitfähigkeit Ȝ10,tr EP – d0,18 d0,27 –
DIN 52 612-1 W/(m˜K) h) h)

Verarbeitbarkeitszeit tV EP – – – t4
DIN 18 55-8 h
Korrigierbarkeitszeit tk EP – – – t7
DIN 18 55-8 min
d) Für diese gelten die Anforderungen als erfüllt. g) Trockenrohdichte als Ersatzprüfung.
e) Richtwert für Werkmörtel. h) Gilt als erfüllt bei Einhalten der Grenzwerte für ȡd in GP.
f) obere Zeile: Anforderungen für Würfeldruckverfahren;
untere Zeile: Anforderungen für Plattendruckverfahren

mit Luftkohlensäure) erhärtet, was bei ständig ho- trägliche Verfugen und in Bereichen von Verblend-
her Feuchtigkeit nicht möglich ist. Besonders bei schalen, die als bewehrtes Mauerwerk nach DIN
Verblendschalen soll der Mörtel gut und hohlraum- 1053-3 ausgeführt werden. Die Anwendungsbe-
frei verarbeitbar und sehr verformbar (kleiner schränkungen bei Leichtmörteln betreffen zum ei-
Elastizitätsmodul) sein, um eine möglichst große nen Gewölbe, wo wegen des Schwindens und der
Dichtigkeit gegen Regen und eine hohe Risssicher- größeren Querverformbarkeit des Leichtmörtels
heit der Verblendschale zu erreichen. Dies ist mit eine wesentliche Beeinträchtigung des Tragverhal-
Mörteln der Gruppen III und IIIa nicht oder nur tens zu erwarten ist, und zum anderen außenlie-
sehr eingeschränkt möglich. Deshalb sind diese gendes Sichtmauerwerk, wo höhere langzeitige
Mörtel für das Vermauern von Verblendschalen Durchfeuchtungen des Mörtels (Leichtzuschlag)
nicht zugelassen. Mörtel der Gruppe III sind ab- und Frostgefährdung eintreten können. Dünnbett-
weichend davon allerdings zulässig für das nach- mörtel kommen dann nicht in Frage, wenn durch
1310 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.6-5 Bedeutung der Mörtelkennwerte für die Mauerwerkeigenschaften


Mörtelkennwert beeinflusste Mauerwerkeigenschaften wichtig für Mörtelart
Druckfestigkeit Druckfestigkeit
– nach Norm ȕD, N ȕD,F ist aussagekräftiger als ȕD,N NM, LM
– nach Vorl. Richtlinie
(Fuge) ȕD, F
Haftscherfestigkeit ȕHS Zug-, Biegezug-, Schubfestigkeit NM, LM, DM
(Stein/Mörtel) Witterungsschutz
Dauerhaftigkeit
Quer-, Längsdehnungsmodul Eq, El Druckfestigkeit LM
Trockenrohdichte ȡd Wärmeschutz LM
Wärmeleitfähigkeit ȜR (Eigenlast, Schallschutz)

den Mörtel größere Maßtoleranzen auszugleichen Mauerwerk gestellten und bei der Auswahl der
sind (Gewölbe, Mauersteine mit normalen Maßto- Baustoffe berücksichtigten Anforderungen erfüllt
leranzen). Anwendungsempfehlungen gibt Tabelle werden. Hinweise zur Ausführung von Fugen im
3.6-7. Die heute am meisten verwendeten Normal- Mauerwerk sind im Folgenden zusammengestellt.
mörtel sind Mörtel der Gruppe IIa. Diese Mörtel
sind sehr gut verarbeitbar, ergeben genügend ho- Ausführung von Fugen
he Druckfestigkeits- und Haftscherfestigkeitswerte Lagerfugen
und sind zudem wegen ihres nicht zu hohen E-Mo- – Sicherstellung Kraftübertragung o vollflächig
duls noch ausreichend verformungsfähig, um Span- vermörteln
nungen im Mauerwerk (z. B. durch das Schwinden – Solldicke: 12 mm (Normalbettfuge)
der Steine) vermindern zu können. 1 bis 3 mm (Dünnbettfuge)

Stoßfugen
3.6.1.3 Ausführung von Mauerwerk Kraftübertragung bei Biegezug- und Schubbean-
Fugenarten, Verbandsregeln spruchung
und Ausführungsregeln
o vollvermörtelt: Solldicke 10 mm oder 1 bis 3 mm
Mauerwerk wird nach wie vor zu mehr als 90%
o teilvermörtelt: Mörteltasche, Steine knirsch
bauseits hergestellt. Es kann auch im Werk in
verlegt
Form von Einzelbauteilen weitestgehend vorgefer-
o unvermörtelt: Steine knirsch verlegt, Fugendicke
tigt werden (DIN 1053-4). In jedem Falle muss die
< 5 mm
Herstellung des Mauerwerks mit Verband der Mau-
ersteine erfolgen. Grundsätzlich kann bei den Fu- Längsfugen
gen im Mauerwerk zwischen Lager-, Stoß- und Kraftübertragung o vollflächig vermörteln
Längsfugen unterschieden werden (s. Abb. 3.6-7).
Beim Mauerwerk nach Abb. 3.6-7 handelt es sich Längs- und Lagerfugen sind zur Vermeidung von
um sog. Verbandsmauerwerk, d. h. Mauerwerk mit Spannungsspitzen durch teilflächige Belastung
Längsfuge bzw. mehr als einem Mauerstein in und zur Vermeidung von frostbedingten Schäden
Wanddicke. Entspricht die Wanddicke der Stein- vollflächig zu vermörteln. Stoßfugen im Mauer-
breite, wird das Mauerwerk als Einsteinmauerwerk werk können auf verschiedene Weisen ausgeführt
bezeichnet; das Mauerwerk besteht nur aus einem werden (s. Abb. 3.6-8). Grundsätzlich sind die in
Mauerstein in Wanddicke. Abb. 3.6-7 aufgeführten Ausführungsarten in der
Bei der Ausführung der Lager-, Stoß- und DIN 1053-1 festgelegt. Werden die Mauersteine in
Längsfugen ist zu gewährleisten, dass die an das der Stoßfuge planmäßig knirsch verlegt (Stein-
3.6 Mauerwerk 1311

Tabelle 3.6-6 Unzulässige Anwendungen (N) von Mauermörtel (nach DIN 1053-1 bis DIN 1053-3)

Anwendungsbereich Normalmörtel Leichtmörtel Dünnbettmörtel


MG
I II/II a III/III a
Gewölbe N i) – – N N
Kellermauerwerk N i) – – – –
Gebäude > 2 Vollgeschosse N – – – –
Wanddicke < 240 mm j) N – – – –
Nichttragende Außenschale von zweischaligen
Außenwänden
N – N k) N –
– Verblendschale N – N k) – –
– geputzte Vormauerschale
Der Bewitterung ausgesetztes Sichtmauerwerk N – – N –
Ungünstige Witterungsbedingungen (Nässe, N – – – –
niedrige Temperaturen)
Mauersteine mit einer Maßabweichung in der – – – – N
Höhe von mehr als 1,0 mm
Mauerwerk nach Eignungsprüfung – EM N – – – –
(DIN 1053-2)
Bewehrtes Mauerwerk nach DIN 1053-3 N N – N N
i) Ausnahme: Instandsetzung von mit MG I hergestelltem Natursteinmauerwerk
j) Bei zweischaligen Wänden mit oder ohne durchgehende Luftschicht gilt als Wanddicke die Dicke der Innenschale.
k) Außer nachträglichem Verfugen und für Bereiche, die als bewehrtes Mauerwerk nach DIN 1053-3 ausgeführt werden.

Tabelle 3.6-7 Anwendungsempfehlungen für Mauermörtel


Bauteil Normalmörtel Leichtmörtel Dünnbett-
mörtel
ohne Wetterschutz + – 0
einschalig (Sichtmauerwerk (vorzugsweise MG II, IIa)
Außenwände mit Wetterschutz (z. B. Putz) – l) bis + 0 bis + l) 0 bis +
Außenschale (Verblendschale) + – 0
zweischalig (MG II, IIa)
Innenschale + – bis + l) 0 bis +
schalldämmend + 0 +
Innenwände wärmedämmend 0 bis – + +
hochfest + – +
(MG III, IIIa)
+ empfehlenswert, 0 möglich, – nicht empfehlenswert
l) Bei wärmedämmendem Mauerwerk

stoßfläche an Steinstoßfläche mit geringst mög- Stoßfugen eine „Sollbruchstelle“ für den Wand-
lichem Zwischenraum – bis es „knirscht“), darf die putz entsteht.
Breite der offenen Stoßfuge nicht größer als 5 mm Mauerwerkbauteile müssen im Verband herge-
sein. Ansonsten ist die Stoßfuge beidseitig zu stellt werden, um innerhalb des Bauteils eine aus-
verschließen. Dadurch soll u. a.. vermieden wer- reichende Übertragung von Spannungen bzw. Kräf-
den, dass durch eine zu große Breite von offenen ten und eine Flächentragwirkung – vor allem bei
1312 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

spruchung sowie bei Zugbeanspruchung parallel zu


den Lagerfugen. Ein zu kleines Überbindemaß
führt z. B. bei einer teilflächigen Einleitung einer
Druckbeanspruchung in eine Mauerwerkwand
dazu, dass keine ausreichende Lastverteilung im
Mauerwerk stattfindet. Der nach DIN 1053-1 fest-
gelegte Lastausbreitungswinkel von 60° ist dann
entsprechend nicht mehr gültig.
Hinweise zur Ausführung von Mauerwerk ent-
hält Abb. 3.6-10.
Für die Herstellung eines Mauerwerkbauteils dür-
fen keine Steinbruchstücke verwendet werden, weil
diese beispielsweise bei Druckbeanspruchung eine
Abb. 3.6-7 Ausführung von Mauerwerk – Fugenarten ungleichmäßige Lastverteilung im Mauerwerk zur
Folge haben. Da sich die Festigkeiten der Mauerstei-
ne in Richtung Steinhöhe und Steinlänge teilweise
Zug-, Biegezug- und Schubbeanspruchung – zu ge- wesentlich unterscheiden, sind Mauersteine immer
währleisten. Deshalb sind die in Abb. 3.6-9 zusam- nur in der für sie vorgesehenen Richtung zu verbau-
mengestellten Anforderungen an das Überbinde- en. Vor allem bei Lochsteinen führt ein falscher Ein-
maß zu erfüllen. Das Überbindemaß ü ist die Über- bau der Mauersteine zu einer wesentlich geringeren
lappungslänge von zwei übereinander liegenden Druckbeanspruchbarkeit des Mauerwerks. Beson-
Mauersteinen. Häufig wird das auf die Mauerstein- ders zu beachten ist auch eine seitenrichtige Verle-
höhe bezogene Überbindemaß ü/hst angegeben. gung wärmedämmender Mauersteine, da bei ver-
Das Überbindemaß hat einen wesentlichen Einfluss kehrtem Einbau die Wärmedämmwirkung erheblich
auf das Tragverhalten bei Druck- und Schubbean- vermindert ist. Unterschiedliche Steinhöhen in einer

Abb. 3.6-8 Stoßfugenausbildung


3.6 Mauerwerk 1313

Abb. 3.6-9 Überbindemaß

Abb. 3.6-10 Hinweise zur Ausführung von Mauerwerk

Schicht verursachen eine unterschiedliche Anzahl schicht zum Höhenausgleich zulässig, wenn die da-
von Mörtelfugen. Da mit zunehmender Anzahl der für verwendeten Mauersteine und der Mauermörtel
Mörtelfugen bei Normal- und Leichtmörtel die mindestens die gleiche Festigkeitsklasse haben wie
Steifigkeit des Mauerwerks verringert wird, ergibt diejenigen im übrigen Mauerwerk und die Auf-
sich daraus eine ungleiche Spannungsverteilung, standsfläche der Mauersteine mindestens 115 mm
die vermieden werden soll. Nach DIN 1053-1 ist lang ist (s. Abb. 3.6-10). Ebenso dürfen innerhalb
deshalb nur dann an Wandenden und unter Stürzen eines Mauerwerkbauteils keine unterschiedlichen
maximal eine zusätzliche Lagerfuge je Mauer- Arten von Mauersteinen (Mischmauerwerk) wie
1314 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

z. B. Hochlochziegel in Kombination mit Kalk- Wegen der größeren Homogenität im Bereich


sandsteinen oder Steine unterschiedlicher Druck- der Fuge und der unempfindlicheren Ausführung
festigkeitsklassen verarbeitet werden, da sich in ist der Fugenglattstrich zu bevorzugen. In diesem
einem solchen Mauerwerk durch die unterschied- Falle wird der leicht herausquellende Fugenmörtel
lichen Formänderungen der Mauersteine kein nach ausreichendem Ansteifen an der Oberfläche
gleichmäßiger Lastabtrag einstellt. abgezogen, z. B. mit einem Schlauchende. Die
Zu beachten ist ferner, dass die Steinhöhe bei falsche Ausführung von Fugenabschlüssen führt
Mauerwerk mit Längsfugen nicht größer als die zu witterungsbedingten Schäden (Eindringen von
Steinbreite sein darf. Diese Forderung basiert auf der Niederschlagwasser, ungleiche Temperaturbean-
Erfahrung, dass Steine, die sehr viel höher als breit spruchung im äußeren Fugenbereich) und ist des-
sind, nicht ausreichend fluchtgerecht verlegt werden halb unbedingt zu vermeiden. Bei nachträglicher
können. Stark wassersaugende Steine sind vor dem Verfugung sind die Fugen etwa 15 bis 20 mm tief
Vermauern vorzunässen, damit sie dem Mörtel nicht auszuräumen. Zum Ausräumen sollten möglichst
zu viel Wasser entziehen. Mauern bei Frost ist nur weiche Materialien verwendet werden, um die
unter besonderen Schutzmaßnahmen gestattet. Auf Steinflanken nicht zu beschädigen. Beispielsweise
gefrorenem Mauerwerk darf nicht weitergemauert bietet sich ein Holzwerkzeug an. Der Verfugmörtel
werden. Der Einsatz von Salzen zum Auftauen des ist hohlraumfrei einzubauen.
Mauerwerks ist nicht erlaubt. Mauerwerkbauteile,
die durch Frost oder andere Einflüsse beschädigt Nachbehandlung
wurden, sind vor dem Weiterbau zu entfernen. Baustoffe und frisches Mauerwerk sind vor Durch-
feuchtung und Frost, aber auch zu schneller Austrock-
Ausführung von Sichtmauerwerk nung zu schützen, um z. B. Schwindrisse, Abplat-
Für die Ausführung von Sichtmauerwerk sind zungen, Ausblühungen und im Extremfall verminder-
Mauersteine und Mauermörtel mit hohem Frostwi- te Verbund- und Mörtelfestigkeiten zu vermeiden.
derstand zu verwenden (s. Abb. 3.6-11). Um hohe
Zwangspannungen zu vermeiden, sollten mög-
3.6.1.4 Eigenschaften von Mauerwerk
lichst Mauermörtel der Mörtelgruppen II und IIa
verwendet werden, da diese Mörtel durch einen Allgemeines
geringeren E-Modul vergleichsweise verformungs- Mauerwerk wird meist aus Mauermörtel und Mau-
weich sind. Die Fugen müssen vollfugig und hohl- ersteinen hergestellt. Der Mauermörtel verbindet
raumfrei vermörtelt werden, um u. a. Schäden die Mauersteine kraftschlüssig miteinander und
durch eindringendes Wasser zu vermeiden. gleicht deren MaßtoIeranzen aus. Mauerwerk ist

Abb. 3.6-11 Sichtmauerwerk


3.6 Mauerwerk 1315

daher ein Verbundbaustoff. Trockenmauerwerk be- Verkehrslasten oder auch horizontale Lasten infol-
steht nur aus besonders maßhaltigen Mauersteinen ge Wind und Erdbeben auf aussteifende Wände
(Plansteinen) ohne Mauermörtel und bedarf einer sein. Bei einer horizontalen Belastung infolge
allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung. Mauer- Wind und Erddruck rechtwinklig zur Mauerwerk-
werk ist ein Baustoff für den Hochbau. Wegen der wand liegt eine Plattenbeanspruchung vor, d. h.
vergleichbaren großen Flexibilität und vor allem Mauerwerk kann auf Druck, (Biege-)Zug und/oder
wegen der guten bauphysikalischen Eigenschaften Schub beansprucht werden. Wie Beton ist auch
wird Mauerwerk überwiegend im Wohnungsbau Mauerwerk ein Baustoff, der in erster Linie für
eingesetzt. Mehr als 85% der Wohnungsbauten eine Druckbeanspruchung geeignet ist. Die Bean-
werden in Mauerwerk ausgeführt. Aber auch im spruchbarkeit auf Zug, Biegezug und Schub ist
Industrie- und Verwaltungsbau wird Mauerwerk wesentlich geringer als die auf Druck. Mauerwerk
verwendet. Mauerwerk ist in DIN 1053-1 bis -4 wird daher in erster Linie zum Lastabtrag vertika-
und 100 genormt. Die DIN 1053-1 behandelt un- ler Lasten herangezogen. In den folgenden Ab-
bewehrtes Mauerwerk; Berechnung und Ausfüh- schnitten sind die für die unterschiedlichen Belas-
rung und zwar Rezeptmauerwerk (RM) und Mau- tungen maßgebenden Festigkeitseigenschaften des
erwerk nach Eignungsprüfung (EM). Die Bemes- Mauerwerks, d. h. Druckfestigkeit, Zug-/Biegezug-
sung (Berechnung) kann nach einem vereinfachten festigkeit und Schubfestigkeit, und das Tragver-
Nachweisverfahren unter Bezug auf zulässige halten des Mauerwerks unter den entsprechenden
Spannungen oder nach einem genaueren Verfahren Beanspruchungen näher beschrieben.
(Rechenfestigkeiten ȕR’ Traglastverfahren) erfol-
gen. Die Norm enthält neben detaillierten Ausfüh- Druckfestigkeit
rungshinweisen auch Regeln für die Konstruktion Wird eine Mauerwerkwand analog Abb. 3.6-12
und Ausführung von Mauerwerkbauten und die durch eine zentrische, vertikale Drucklast bean-
notwendige Beschreibung der verwendbaren Mau- sprucht entstehen in vertikaler Richtung gleichmä-
ermörtel mit den entsprechenden Anforderungen. ßige Druckspannungen in der gesamten Wand. In
DIN 1053 – 100 wurde eingeführt zur Umstellung der Regel weist der Mörtel eine größere Querver-
der Bemessung vom globalen (Teil 1) auf das Teil- formbarkeit auf als der Mauerstein, sodass dieser
sicherheitskonzept (Teil 100). In DIN 1053-2 bei einer freien Verformung, d. h. ohne Verbund
(Mauerwerkfestigkeitsklassen aufgrund von Eig- zum Mauerstein, eine größere Querverformung er-
nungsprüfungen) sind die Verfahrensweise für die fährt. Durch den Verbund von Mauerstein und
Eignungsprüfung und die Zuordnung von Rechen- Mauermörtel wird diese Verformung jedoch behin-
festigkeiten und Grundwerten der zulässigen dert, wodurch in horizontaler Richtung Druck-
Druckspannung geregelt. DIN 1053-3 behandelt spannungen im Mauermörtel und Zugspannungen
bewehrtes Mauerwerk, s. dazu Abschn. 3.6.1.5. im Mauerstein entstehen. Durch die Querzugspan-
Die DIN 1053-4 befasst sich mit Mauerwerk aus nungen im Mauerstein verringert sich die vertikale
Fertigbauteilen. Sie behandelt Fertigbauteile aus Druckfestigkeit der Mauersteine und damit auch
Mauerwerk – das sind Mauertafeln, Vergusstafeln die Mauerwerkdruckfestigkeit. Bei zunehmender
und Verbundtafeln. Kurz vor der Einführung steht vertikaler Belastung wird die Querzugfestigkeit
die neue Reihe der DIN 1053 mit ihren Teilen 11 der Mauersteine überschritten, und es entstehen
(vereinfachtes Nachweisverfahren für unbewehrtes vertikale Risse in den Mauersteinen. Der sich in-
Mauerwerk), 12 (Konstruktion und Ausführung folge einer vertikalen Druckbelastung VD1 einstel-
von unbewehrtem Mauerwerk), 13 (genaueres lende dreiaxiale Spannungszustand ist in Abb. 3.6-
Nachweisverfahren für unbewehrtes Mauerwerk) 12 dargestellt (Querzugspannungen im Mauerstein
und 14 (Bemessung und Ausführung von Mauer- VZ2 und VZ3, Querdruckspannungen im Mauermör-
werk aus Natursteinen). Mauerwerkwände werden tel VD2 und VD3).
je nach Ihrer Funktion durch unterschiedliche Las- Wesentliche Einflüsse auf die Druckfestigkeit
ten beansprucht. Lasten, die bei einer Scheibenbe- von Mauerwerk sind (wobei zwischen material-
anspruchung in der Mauerwerkebene wirken, kön- und ausführungsbedingten Einflussgrößen unter-
nen vertikale Lasten infolge Eigengewicht oder schieden wird):
1316 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-12 Tragverhalten und Spannungszustand von Mauerwerk unter Druckbeanspruchung

– die Druckfestigkeit der Mauersteine (genauer Die größte Mauerwerkdruckfestigkeit mit Mauer-
die Querzugfestigkeit), ziegeln wird erreicht, wenn trockene Steine ver-
– die Druckfestigkeit des Mauermörtels (genauer mauert werden; bei Kalksandsteinen dagegen mit
das Querverformungsverhalten unter Druckbe- feuchten Steinen. Hinsichtlich der Ausführungs-
anspruchung), qualität ist der Vermörtelungsgrad der Lagerfugen
– der Feuchtezustand der Mauersteine beim Ver- von großem Einfluss. Nach [Kirtschig/Meyer
mauern, 1989] verändert sich die Mauerwerkdruckfestig-
– die Dicke der Lagerfugen, keit proportional mit der Größe der auf die Ge-
– die Art des Mauerwerkverbandes, samtfläche der Lagerfuge (Sollfläche) bezogenen
– die Ausführungsqualität, insbesondere Vollfu- sachgerecht vermörtelten Fläche (Ist-Fläche). Die
gigkeit der Vermörtelung. Mauerwerkdruckfestigkeit kann experimentell nach
DIN 18 554-1 oder rechnerisch auf empirischer
Der Einfluss des Mauermörtels wird im Wesent- Basis aus der Steindruckfestigkeit und der Mörtel-
lichen durch die Querverformbarkeit des Mörtels druckfestigkeit wie folgt ermittelt werden [Mann
unter der Druckbeanspruchung sowie die Lagerfu- 1983]:
gendicke bestimmt. Steifere Mörtel und dünnere
Lagerfugen ergeben eine höhere Mauerwerkdruck- fmw = K · f αst · fȕmö für NM, LM
festigkeit. Eine deutlich geringere Mauerwerk- fmw = K · f αst für DM
druckfestigkeit entsteht, wenn sehr verformungs- (fst Mauersteindruckfestigkeit, fmö Mörteldruck-
fähige Leichtmörtel – aus wärmetechnischen festigkeit).
Gründen – verwendet werden. Plansteine und
Dünnbettmörtel führen zu den vergleichsweise Es handelt sich um eine reine Regressionsglei-
höchsten Druckfestigkeiten des Mauerwerks. Der chung, wobei die Exponenten und Konstanten mit-
Feuchtegehalt der Mauersteine beim Vermauern tels Auswertung von Literaturergebnissen er-
kann die Mauerwerkdruckfestigkeit erheblich, je folgten. Eine am ibac vorhandene Datenbank
nach Steinart unterschiedlich stark, beeinflussen. diente dabei als Basis für die DIN 1053-13 ent-
Bei Mauerziegeln ist der Einfluss des Feuchtege- nommenen Tabellen (Änderungen in den Faktoren
haltes nicht so groß wie bei anderen Mauersteinen. sind noch möglich):
3.6 Mauerwerk 1317

Tabelle 3.6-8 Parameter zur Ermittlung der Druckfestig- Tabelle 3.6-11 Parameter zur Ermittlung der Druckfestig-
keit von Mauerwerk aus Mauerziegeln sowie Kalksand- keit von Mauerwerk aus Mauerziegeln und Kalksandstei-
Loch- und Hohlblocksteinen mit Normalmauermörtel nen mit Leichtmörtel

Mittlere Mörtelart Parameter Mittlere Mörtelart Parameter


Steindruckfestig- K Į ȕ Steindruckfestig- K Į ȕ
keit N/mm² keit N/mm²
2,5 ” fst < 10,0 NM II 0,68 0,605 0,189 2,5 ” fst < 5,0 LM 21 0,74 0,495 –
NM IIa LM 36 0,85
NM III 0,70 5,0 ” fst < 7,5 LM 21 0,74
NM IIIa LM 36 1,00
7,5 ” fst ” 35,0 LM 21a 0,81
10,0 ” fst ” 75,0 NM II a 0,69 0,585 0,162
LM 36b 1,05
NM IIa b
NM III 0,79 a Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer an-
NM IIIa genommen werden als für Steinfestigkeiten fst = 15 N/mm².
b Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer an-
a Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer an- genommen werden als für Steinfestigkeiten fst = 10 N/mm².
genommen werden als für Steinfestigkeiten fst = 25 N/mm².
b Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf bei Mauerziegeln
nicht größer angenommen werden als für Steinfestigkeiten
fst = 20 N/mm² und bei Kalksand-Loch- und Hohlblockstei-
Unter Bezug auf Rohdichte- und Festigkeits-
nen nicht größer als für Steinfestigkeiten fst = 25 N/mm². klassen der Mauersteine sowie Mörtelart und -grup-
pe kann Mauerwerk nach Tabelle 3.6-14 in Leicht-
mauerwerk, Normalmauerwerk und hochfestes
Tabelle 3.6-9 Parameter zur Ermittlung der Druckfestig- Mauerwerk eingeteilt werden.
keit von Mauerwerk aus Kalksand-Vollsteinen und Kalk-
sand-Blocksteinen mit Normalmauermörtel Zug-, Biegezugfestigkeit
Steinart Mörtelart Parameter Zentrische Zugbeanspruchungen von Mauerwerk-
bauteilen treten vor allem durch Zwangbeanspru-
K Į ȕ
chungen auf. Dabei handelt es sich um Bauteile,
KS-Vollsteine, NM II, IIa a 0,95 0,585 0,162 die Formänderungen infolge Schwinden und Tem-
KS-Blocksteine NM III, IIIa b peratur erfahren, welche jedoch durch die Lage-
a Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer an-
rungsbedingungen der Wand verhindert werden.
genommen werden als für Steinfestigkeiten fst = 45 N/mm². Insbesondere bei Wänden ohne bzw. mit geringen
b Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer an- Auflasten können diese Zugspannungen nicht
genommen werden als für Steinfestigkeiten fst = 60 N/mm². überdrückt werden und damit Risse entstehen. Die

Tabelle 3.6-10 Parameter zur Ermittlung der Druckfestigkeit von Mauerwerk aus Kalksand-Plansteinen und Kalksand-
Planelementen mit Dünnbettmörtel

Steinart Mörtelart Parameter


K Į ȕ
KS-Planelemente XL 1,70 0,630 –
XL-N, XL-E DM a 0,80 0,800 –
KS-Vollsteine, KS-Blocksteine DM b –
KS-Lochsteine, DM c 1,15 0,585
KS-Hohlblocksteine
a Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer angenommen werden als für Steinfestigkeiten fst = 35 N/mm².
b Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer angenommen werden als für Steinfestigkeiten fst = 45 N/mm².
c Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer angenommen werden als für Steinfestigkeiten f = 25 N/mm².
st
1318 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.6-12 Parameter zur Ermittlung der Druckfestigkeit von Mauerwerk aus Leichtbeton- und Betonsteinen

Steinsorte Mittlere Steindruck- Mörtelart Parameter


festigkeit N/mm² K Į ȕ
Vollsteine V, Vbl NM a 0,67 0,74 0,13
DM b 0,72 0,88 –
Vbl-S, SW 2,5” fst <10,0 NM II a, NM IIa a 0,68 0,605 0,189
NM III a, NM IIIa a 0,70
10,0” fst <75,0 NM II a 0,69 0,585 0,162
NM IIa a, NM III a, NM IIIa a 0,79
DM b 0,65 0,88
Vn, Vbn NM II a, NM IIa a 0,88 0,60 0,19
NM III a 0,85 0,60 0,19
DM 1,07 0,62 –
Lochsteine Hbl I, Hbn I NM a 0,82 0,63 0,10
Hbl II, Hbn II 0,74 0,63 0,10
Hbl I, DM c 0,89 0,64 –
Hbl II 0,80 0,64 –
Hbn I 0,83 0,58 –
Hbn II 0,68 0,61 –
Voll- und Lochsteine LM21, LM36 d 0,79 0,66 –
a Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer angenommen werden als für Steinfestigkeiten fst = 7,5 N/mm² bei
MG II, fst = 15 N/mm² bei MG IIa, fst = 25 N/mm² bei MG III und MG IIIa. Außerdem darf die Steinfestigkeit nicht grö-
ßer sein als die dreifache Mörtelfestigkeit fst ” 3 · fm.
b Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer angenommen werden als für Steinfestigkeiten fst = 25 N/mm².
c Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer angenommen werden als für Steinfestigkeiten fst = 15 N/mm².
d Die Druckfestigkeit des Mauerwerks darf nicht größer angenommen werden als für Steinfestigkeiten fst = 10 N/mm².

Tabelle 3.6-13 Parameter zur Ermittlung der Druckfestig- blendschalen, aber auch freistehende Wände. Bei
keit von Mauerwerk aus Porenbetonsteinen der Zug- und Biegezugfestigkeit kann grundsätz-
Steinart Steinsorte Mörtelart Parameter lich jeweils zwischen einer Beanspruchung senk-
recht und parallel zu den Lagerfugen und jeweils
K Į ȕ
den zwei Versagensfällen Steinversagen und Fu-
Poren Vollsteine DM 0,84 0,83 – genversagen unterschieden werden. Die Zugfestig-
betonsteine keit kann versuchsmäßig nach [Backes 1983], die
Biegezugfestigkeit nach EN 1052-2 bestimmt
werden. Überschreiten die im Mauerwerk ent-
zentrische, einachsige Zugfestigkeit ist daher eine stehenden Zugspannungen die Zugfestigkeit des
wesentliche Kenngröße zur Beurteilung der Riss- Mauerwerks parallel zu den Lagerfugen, entstehen
sicherheit bei Bauteilen ohne wesentliche Auf- vertikale Risse im Mauerwerk. Es können zwei
last, wie Verblendschalen, Ausfachungsmauerwerk, unterschiedliche Versagensbilder auftreten (s. dazu
nichttragende innere Trennwände, aber auch bei auch Abb. 3.6-13):
Außen- und Innenwänden, die beispielsweise un-
– Versagen der Steine (gerader Rissverlauf),
terschiedlichen Formänderungen unterliegen. Bie-
– Versagen des Verbandes (getreppter Rissver-
gezugbeanspruchungen entstehen in erster Linie
lauf).
durch horizontale, äußere Lasten, wie Erddruck
oder Wind. Dabei handelt es sich z. B. um durch Die Mauerwerkzugfestigkeit EZ,mw ist für den ho-
Erddruck beanspruchte Kellerwände, oder durch mogenen Querschnitt definiert. Wie aus Abb. 3.6-
Wind beanspruchte Ausfachungswände oder Ver- 13 hervorgeht, kann die Zugfestigkeit parallel zu
3.6 Mauerwerk 1319

Tabelle 3.6-14 Einteilung von Mauerwerk

den Lagerfugen rechnerisch ermittelt werden. Bei mörtel ist der Ansatz der Haftzugfestigkeit in den
der Herleitung der Berechnungsansätze wurde da- Stoßfugen denkbar. Die Mauerwerkzugfestigkeit
von ausgegangen, dass in den vertikalen Stoßfu- ist erreicht, wenn die in der Lagerfuge auftretenden
gen, auch wenn sie vermörtelt sind, keine Zug- Schubspannungen W die Scherfestigkeit überschrei-
spannungen übertragen werden können. Der Grund ten. Wesentliche Einflussgrößen auf die Mauer-
hierfür ist, dass die Stoßfugen nicht überdrückt werkzugfestigkeit bei Fugenversagen sind daher
sind, der Mörtel i. d. R. schwindet und die Ausfüh- das auf die Mauersteinhöhe bezogene Überbinde-
rung häufig mangelhaft ist. Für den Fall Steinver- maß ü / hst und die Scherfestigkeit, die sich aus der
sagen bedeutet dies, dass die im Bereich einer Haftscherfestigkeit EHS und dem auflastabhän-
Steinlage und Mörtelfuge (Bereich zwischen ge- gigen Reibungsanteil — · VD zusammensetzt. Die
strichelten Linien in Abb. 3.6-13 hst + hmö) auftre- Haftscherfestigkeit ist dabei abhängig von der
tenden Zugspannungen nur durch einen halben Steinart, Lochung, Porenstruktur und dem Feuch-
Mauerstein und die Mörtelfuge übertragen werden tegehalt der Mauersteine und der Zusammenset-
können. Da die Dicke der Mörtelfuge i. d. R. deut- zung des Mörtels, s. Abschn. 3.6.1.3. Der Rei-
lich geringer ist als die Mauersteinhöhe, ist die bungsbeiwert wird im Wesentlichen durch Ober-
Mauerwerkzugfestigkeit näherungsweise halb so flächenstruktur und Lochanteil/-struktur, d. h. die
groß wie die Mauersteinzugfestigkeit. Wesentliche Verzahnung zwischen Mauerstein und Mauermör-
Einflussgröße für die Mauerwerkzugfestigkeit bei tel, beeinflusst.
Steinversagen ist daher die Mauersteinzugfestig-
keit EZ,st. Diese ist abhängig von Steinart, Lochan- Schubfestigkeit
teil und Lochbild. Bei Fugenversagen müssen die Durch horizontale Lasten wie Erdruck, Wind oder
im Bereich einer Steinlage und Mörtelfuge auftre- auch Erdbeben können Mauerwerkwände sowohl
tenden Zugspannungen über Schubspannungen W in Wandebene auf Scheibenschub als auch senk-
in der Lagerfuge auf der Überbindelänge ü in die recht zur Wandebene auf Plattenschub beansprucht
jeweilige nächste Steinlage übertragen werden. werden. Die Scheibenschubbeanspruchung ist ins-
Die übertragbare Zugkraft in den Stoßfugen kann besondere bei aussteifenden Wänden von Bedeu-
vernachlässigt werden (s. o.), da die Haftzugfestig- tung. Häufig werden diese Bauteile gleichzeitig
keit EHZ i. d. R. gering ist. Lediglich bei Dünnbett- durch vertikale Kräfte infolge Eigengewicht und
1320 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-13 Zugbeanspruchung

Lasten aus oberen Geschossen beansprucht. Hier- den Stoßfugen muss zur Erzielung des Kräfte-
durch entstehen in der Mauerwerkwand Schub- gleichgewichtes gegen Verdrehen des Mauersteins
spannungen W und Druckspannungen Vx. Die eine ungleichmäßige Normalspannungsverteilung
gleichzeitig wirkenden Druckspannungen haben in den Lagerfugen entstehen. Diese wurde verein-
einen wesentlichen Einfluss auf die Schubfestig- fachend als getreppter Verlauf angenommen (V1,
keit der Mauerwerkwand. Um die Schubbean- V2). Die theoretischen Überlegungen wurden durch
spruchbarkeit von Mauerwerk zu ermitteln, wur- Versuche belegt.
den in den 70er-Jahren theoretische Überlegungen Es ergeben sich folgende Versagensfälle:
zum Spannungszustand in einer schubbeanspruch-
ten Mauerwerkwand bei Scheibenschub durchge- (1) Fugenversagen
führt, s. Abb. 3.6-14 [Mann/Müller 1985]. Dabei Die Schubspannungen in der Lagerfuge über-
wird aus einer durch Horizontal- und Vertikalkräf- schreiten die übertragbare Scherfestigkeit (im
te beanspruchten Mauerwerkwand ein Element be- Bereich der geringer belasteten Steinhälfte ı2 in
trachtet, bei dem davon ausgegangen wird, dass an Abb. 3.6-14), die sich aus der Haftscherfestig-
diesem ein gleichmäßiger Schubspannungszustand keit ȕHS und dem auflastabhängigen Reibungs-
mit konstanter Druckspannung vorliegt. Aus die- anteil — · ıD zusammensetzt. Dieser Versagens-
sem Element wird wiederum ein Einzelstein he- fall tritt bei Mauersteinen mit hoher Zugfestig-
rausgeschnitten. An diesem Mauerstein wurden keit auf und führt zu einem getreppten, in den
Gleichgewichtsbetrachtungen durchgeführt. Es Fugen verlaufenden Riss.
wird davon ausgegangen, dass in den Stoßfugen (2) Steinzugversagen
keine Schubkräfte aufgrund von Schwindverkür- Durch die gleichzeitige Schub- und Druckbelas-
zungen des Mörtels oder mangelhafter Ausführung tung der Mauersteine entstehen schiefe Haupt-
übertragen werden können. Bei unvermörtelten zugspannungen in den Mauersteinen, die bei
Stoßfugen gilt dies analog. Durch die vorausset- Mauersteinen geringerer Festigkeit zum Über-
zungsgemäße fehlende Schubkraftübertragung in schreiten der Mauersteinzugfestigkeit ȕZ,st füh-
3.6 Mauerwerk 1321

Abb. 3.6-14 Mauerwerk unter Schubbeanspruchung – Spannungszustände


1322 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

ren. Dieser Versagensfall tritt i. d. R. bei größerer Dies betrifft den Feuchteschutz bei Außenbauteilen
vertikaler Auflast auf oder bei Dünnbettmörtel, sowie möglicherweise auch den Schallschutz. Durch
wenn höhere Scherkräfte in den Lagerfugen eine stärkere Durchfeuchtung können die Wärme-
übertragen werden können. Die Risse verlaufen dämmung vermindert werden und bei Frostbean-
durch die Mauersteine und teilweise durch die spruchung lokale Schäden entstehen. Derartige
(unvermörtelten) Stoßfugen. Rissschäden sind nur durch ausreichende Kenntnis
(3) Mauerwerkdruckversagen der Verformungseigenschaften von Mauerwerk und
Bei sehr hoher vertikaler Auflast wird die entsprechende Maßnahmen zu vermeiden. Dies
Druckfestigkeit des Mauerwerks ȕD,mw infolge muss bereits im Planungsstadium beachtet werden.
schiefer Hauptdruckspannungen (aus gleichzei-
tiger Schub- und Druckbeanspruchung) über- Formänderungsarten, Zahlenwerte
schritten. Abbildung 3.6-15 gibt einen Überblick über die
beim Mauerwerk auftretenden Formänderungs-
Die Versagenskriterien und Berechnungsglei- arten. Es sind bis auf das irreversible Quellen, das
chungen wurden für Mauerwerk aus kleinforma- bei Mauerziegeln auftreten kann, die gleichen Form-
tigen Mauersteinen und Normalmörtel hergeleitet. änderungsarten wie bei Beton. In der Tabelle der
Ziel vergangener Forschungsvorhaben [Caballero DIN 1053-13 sind Zahlenwerte für die Formände-
Gonzalez/Meyer 2008] war es, Bemessungsglei- rungen angegeben und zwar sowohl als Rechen-
chungen herzuleiten, die auch größere Formate be- wert (i. Allg. zutreffender Wert) und als Wertebe-
rücksichtigen und die Schubtragfähigkeiten reali- reich (unterer und oberer Grenzwert). Die Angaben
tätsnäher ableiten. Hierzu finden sich Erläute- in der DIN sind keine Anforderungen. Deutlich
rungen in Abschn. 3.6.2. sind die großen Unterschiede im Wertebereich für
die einzelnen Mauerwerkarten (Steinarten) sowie
Formänderungen und Risssicherheit vor allem die Unterschiede zwischen den verschie-
Allgemeines, Bedeutung denen Mauerwerkarten. Die Mörtelart kann zwar
Durch behinderte Formänderungen können auch bei auch die Formänderungswerte beeinflussen, der
Mauerwerk Spannungen mit der Folge von Riss- Einfluss ist jedoch gegenüber den Formänderungen
schäden entstehen. Diese beeinträchtigen i. d. R. der Mauersteine in den meisten Fällen vernachläs-
nicht die Standsicherheit von Bauteilen oder Gebäu- sigbar, vor allem bei großem Steinanteil in Mauer-
den, allerdings manchmal die Gebrauchsfähigkeit. werk (großformatige Steine).

Abb. 3.6-15 Formänderungen von Mauerwerk


3.6 Mauerwerk 1323

Lastunabhängige Verformungen Tabelle 3.6-15 Wärmedehnung von Mauerwerk


Wärmedehnung
Wärmedehnungen entstehen in Abhängigkeit der
Wärmeleitfähigkeit der jeweiligen Steine und des
Mörtels sowie der Bauteildicke durch unterschied-
lich große Temperaturunterschiede zwischen Bau-
teiloberfläche und -kernbereich und können wie
folgt berechnet werden:

HT = 'T . DT.

Der Wärmedehnungskoeffizient ĮT (10-6/K) ist eine


stoffspezifische Verformungskenngröße und kann
für den in der Baupraxis relevanten Temperaturbe-
reich von –20°C bis +80°C als konstant angenom-
men werden. Zur Ermittlung dieses Kennwertes
existiert derzeit kein genormtes Prüfverfahren. Als
Rechenwerte für den Wärmedehnungskoeffizient ĮT dem Vermauern und damit verbunden den Einbau-
der verschiedenen Mauerwerkarten aus künstlichen Feuchtegehalt sowie durch die Umgebungs- bzw.
Steinen dürfen die in Abb. 3.6-15 angegebenen Austrocknungsbedingungen (relative Luftfeuchte,
Werte angenommen werden (s. a. DIN 1053-1 und Luftbewegung). Wie in Abb. 3.6-16 dargestellt,
13). Die ĮT-Werte gelten für Mauerwerk mit Nor- vergrößert sich die Schwinddehnung HS mit zuneh-
malmörtel, näherungsweise können sie jedoch auch mender Einbaufeuchte der Steine.
für Mauerwerk mit Leicht- und Dünnbettmörtel an- Aus Untersuchungsergebnissen abgeleitete Kur-
gesetzt werden. Wie in Tabelle 3.6-15 dargestellt, ven für das Schwinden in Abhängigkeit von der
können die Verformungseigenschaften stark streuen. Schwinddauer sind in Abb. 3.6-17 dargestellt.
Die Bandbreite des Wärmedehnungskoeffizienten Anhand dieser Kurven, die als sehr grobe Nähe-
schwankt je nach Steinart zwischen 5 . 10-6/K und rung anzusehen sind, kann das Schwinden für ei-
15 . 10-6/K; in Ausnahmefällen können die angege- nen bestimmten Zeitraum abgeschätzt werden. Im
benen Grenzen der Wertebereiche auch überschrit- Allgemeinen ist das Schwinden von Innenbautei-
ten werden. Je nach Wärmeleitfähigkeit der Steine len bei annähernd konstantem Klima nach etwa
und des Mörtels sowie der Bauteildicke können drei bis fünf Jahren weitestgehend abgeschlossen.
unterschiedlich große Temperaturunterschiede zwi- Vor allem bei langsam austrocknenden Steinen und
schen Bauteiloberfläche und dem Kernbereich ent- dicken Bauteilen können sich oberflächennahes
stehen. Schwinden und Schwinden im Kernbereich des
Bauteils sehr unterscheiden.
Feuchtedehnung
Unter Feuchtedehnung werden alle durch Feuchte- Irreversibles Quellen
einwirkung bedingten Formänderungen verstan- Irreversibles Quellen ist eine Volumenvergröße-
den. Insbesondere das Schwinden und das irrever- rung durch Feuchteaufnahme in Form von moleku-
sible Quellen (bei einigen Mauerziegeln) sind von larer Wasserbindung. Es kann ausschließlich bei
entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Mauerziegeln auftreten und setzt unmittelbar nach
Risssicherheit von Mauerwerk. Beendigung des Brennvorgangs ein. Die Größe
und der Verlauf des irreversiblen Quellens sind ab-
Schwinden hängig von der stofflichen Zusammensetzung der
Schwinden ist die Längenabnahme durch Aus- Ziegel und den Brennbedingungen. Die Kurven in
trocknung. Die Größe der Schwinddehnung wird Abb. 3.6-18 verdeutlichen, dass das irreversible
beeinflusst durch die Stein- und Mörtelart, durch Quellen (Hcq) zeitlich sehr unterschiedlich verlau-
den Umfang der Vorbehandlung der Steine vor fen kann. Dargestellt sind die Dehnungen infolge
1324 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-16 Schwinddehnung – Feuchteeinfluss

Abb. 3.6-17 Zeitlicher Verlauf des Schwindens

irreversiblen Quellens in Abhängigkeit von der kein oder nur noch ein geringes Nachquellen der
Zeit. Es ist zu erkennen, dass die Verformungen Mauerziegel im Mauerwerk zu erwarten. Kritisch
sehr schnell, aber auch sehr langsam über einen und rissfördernd kann das irreversible Quellen
Zeitraum von mehreren Jahren auftreten können. nach Kurventyp 2 werden, wenn es über den Zeit-
Die Kurven 1 und 3 sind i. d. R. ohne Relevanz raum der Wandherstellung hinaus anhält, da die
für die Baupraxis, weil in diesen Fällen das irre- Verformungen durch den Verbund mit anderen
versible Quellen sehr schnell auftritt und nach ei- Bauteilen behindert werden und rissgefährliche
ner kurzen Dauer abgeschlossen ist. Es ist dann Spannungen bei der Verbindung mit sich gleich-
3.6 Mauerwerk 1325

Abb. 3.6-18 Verlauf des irreversiblen Quellens und Einflussgrößen

zeitig verkürzenden Bauteilen noch vergrößert der Faktoren kE sind in Tabelle 3.6-16 angegeben.
werden. Es ist deshalb – wie auch beim Schwinden DIN 1053-13 enthält entsprechend auf die charak-
– außerordentlich wichtig, die Feuchtedehnungs- teristischen Fertigkeiten bezogene Werte. Eine
eigenschaften der Mauersteine produktbezogen Übersicht über die E-Moduln der verschiedenen
möglichst genau zu kennen. Mauerwerkarten in Abhängigkeit von der Steinart-
und festigkeitsklasse sowie Mörtelart und -gruppe
Lastenabhängige Verformung ist in Tabelle 3.6-17 dargestellt [Schubert 1998].
Elastizitätsmodul, kurzzeitige Lasteinwirkung
In DIN 1053-1 wird der E-Modul unter Bezug auf Kriechen, langzeitige Lasteinwirkung
die Grundwerte der zulässigen Druckspannung V0 Die durch langzeitige Lasteinwirkung entstehende
angegeben. Die Rechenwerte und Wertebereiche Dehnung (Verkürzung in Lastrichtung) wird als

Tabelle 3.6-16 Elastizitätsmodul von Mauerwerk


1326 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.6-17 E-Modul-Werte von Mauerwerk in 103 N/mm2


3.6 Mauerwerk 1327

Kriechdehnung Hk bezeichnet. Kriechdehnungen Tabelle 3.6-18 Endkriechzahl von Mauerwerk


sind zum größten Teil irreversibel. Sie nehmen an-
fangs stark, danach immer weniger zu. Nach dem
derzeitigen Kenntnisstand ist das Kriechen von
Mauerwerk nach etwa drei bis fünf Jahren weit-
gehend abgeschlossen. Wesentlichen Einfluss auf
die Kriechdehnung haben die Mauerwerkart, der
Feuchtegehalt bei Belastungsbeginn, der Anteil
von Mauerstein zu Mauermörtel sowie die Belas-
tungsrichtung.
Bei Kenntnis der Kriechzahl M und der elasti-
schen Dehnung Hel ergibt sich die Kriechdehnung zu

Das Kriechen wird wie bei Beton aus der im Ver- schlechtert werden. Dies betrifft den Feuchteschutz
such ermittelten Gesamtdehnung des belasteten bei Außenbauteilen sowie in manchen Fällen auch
Prüfkörpers abzüglich der elastischen Dehnung und den Schallschutz. Durch eine stärkere Durchfeuch-
der Feuchtedehnung ermittelt (s. Tabelle 3.6-18): tung können die Wärmedämmung vermindert wer-
den und bei Frostbeanspruchung örtlich begrenzte
[mm/m bzw. 10-3]. Schäden entstehen. Derartige Rissschäden sind nur
durch ausreichende Kenntnis der Verformungs-
Die Rechenwerte für die Endkriechzahl von Mau- eigenschaften von Mauerwerk und entsprechende
erwerk Mf unterscheiden sich in Abhängigkeit von Maßnahmen zu vermeiden. Dies muss bereits im
der jeweiligen Steinart teilweise erheblich, s. Ta- Planungsstadium beachtet werden. Eine nachträg-
belle 3.6-18. Ein deutlicher Einfluss der Mörtelart liche Instandsetzung von Bauteilen mit Rissschäden
konnte aus den derzeit zur Verfügung stehenden ist i. Allg. sehr kostenintensiv. Wie aus Abb. 3.6-19
Untersuchungen nicht abgeleitet werden. ersichtlich, wird die Risssicherheit von Mauerwerk
durch eine Vielzahl von Einflüssen bestimmt, die
Risssicherheit von Mauerwerk z. T. nicht quantifizierbar sind. Ausführungsbedin-
Allgemeines, Definition, wesentliche Einflüsse gungen können i. Allg. nicht berücksichtigt werden,
Die Risssicherheit von Mauerwerk kann unter Be- da sie nicht bzw. nur unzureichend genau vorher-
zug auf die Bruchdehnung und die vorhandene sehbar sind. Wegen der weitgehend unbekannten
Dehnung sowie unter Bezug auf die maßgebende bauseitigen Einflüsse und der stark streuenden
Festigkeit und die vorhandene Spannung definiert Baustoffeigenschaftswerte ist die Beurteilung der
werden (s. Abb. 3.6-19). Risssicherheit von Mauerwerk nur in sehr grober
Rissgefährliche Spannungen entstehen dann, Näherung und nur in einigen Fällen möglich. Dies
wenn Formänderungen (z. B. durch Temperaturän- ist jedoch wesentlich besser als eine subjektive, ge-
derung, Austrocknung) behindert werden. Dies ist fühlsmäßige Beurteilung nach dem sog. „gesunden
i. d. R. der Fall, wenn Bauteile unterschiedlichen Ingenieurverstand“. Für kritische, d. h. rissgefähr-
Verformungsverhaltens und unterschiedlicher Stei- liche Fälle ist deshalb eine Beurteilung der Risssi-
figkeit miteinander verbunden sind. Es kommt zu cherheit im Planungsstadium durch Anwendung
Zwängungen infolge von Schwinden, Kriechen und der im Folgenden angegebenen Verfahren dringend
Temperaturänderungen, die Rissschäden im Mau- zu empfehlen. Dabei kann grundsätzlich davon
erwerk verursachen können. Diese Risse beein- ausgegangen werden, dass ein Verformungsunter-
trächtigen i. d. R. nicht die Standsicherheit von schied zwischen zwei – gedanklich voneinander
Bauteilen oder Gebäuden, es kann jedoch die getrennten – Bauteilen 'H d 0,2 mm/m rissunge-
Gebrauchsfähigkeit im Einzelfall wesentlich ver- fährlich ist. In der Regel genügt es, als Formände-
1328 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-19 Risssicherheit von Mauerwerk

rungen Schwinden und irreversibles Quellen zu schalen, Ausfachungen, nichttragende, innere


berücksichtigen. Eine erste grobe Abschätzung der Trennwände), bei denen rissgefährliche Zugspan-
Risssicherheit kann mit Hilfe des sog. 'H-Verfah- nungen durch behindertes Schwinden und/oder
rens erfolgen. Die Kriterien zur näherungsweisen Temperaturabnahme entstehen können. Die Fol-
Beurteilung der Risssicherheit lauten wie folgt: ge sind meist weitgehend vertikal, in etwa halber
Wandlänge verlaufende Risse im Fugen- und/
Fall 1 ¨ İ < 0,2 mm/m o relativ sicher, daher
oder Steinbereich.
keine Rissbildung
Fall 2 0,2 mm/m ” Verformungsfall V
¨ İ ” 0,4 mm/m o genauer zu unter- Bei Verformungsfall V ist zwischen Fall V1, bei
suchen dem sich die Innenwände stärker verkürzen wollen
als die Außenwände, und Fall V2 mit umgekehrten
Fall 3 ¨ İ > 0,4 mm/m o erhebliche Rissgefahr,
Verhältnissen zu unterscheiden.
daher rechnerischer
Nachweis und kons- – Verformungsfall V1
truktive Durchbildung
In der Innenwand bilden sich Schrägrisse, die von
Verformungsfälle unten nahe der Außenwand schräg nach innen
Allgemeines ansteigen; die Risse verlaufen meist im Fugenbe-
Rechnerisch beurteilt werden können im Wesent- reich (Stoß-, Lagerfugen) und stets über die ge-
lichen zwei Verformungsfälle: samte Wanddicke (s. Abb. 3.6-20).
– Verformungsfall V2
– Verformungsfall V: Fall V bezieht sich auf mit-
einander verbundene Innen- und Außenwände, Beim Verformungsfall V2 entstehen i. d. R. nahezu
die sich in vertikaler Richtung sehr unterschied- horizontal verlaufende Risse in der Außenwand,
lich verformen. im Bereich der anbindenden Innenwand, meist in
– Verformungsfall H: Fall H bezieht sich auf länge- Höhe der Lagerfugen verlaufend (s. Abb. 3.6-21).
re, wenig belastete Mauerwerkwände (Verblend-
3.6 Mauerwerk 1329

Abb. 3.6-20 Risssicherheit – Verformungsfall V1

Abb. 3.6-21 Risssicherheit – Verformungsfall V2

Rissursachen, Einflussgrößen gar nicht schwindet und kriecht, ggf. sogar noch ir-
reversibel quillt. Entscheidend für die Rissbildung
– Verformungsfall V1
sind die Feuchtedehnungen (Schwinden Hs und irre-
Die Formänderungsunterschiede zwischen Innen- versibles Quellen Hcq). Da die Verformungen der
wand (IW) und Außenwand (AW) in vertikaler Rich- beiden Wände nicht unbehindert verlaufen können,
tung sind zu groß; die Innenwand verkürzt sich ge- entstehen schräggerichtete Zugspannungen in der
genüber der Außenwand infolge Schwinden und Innenwand und bei Überschreiten der Festigkeit die
Kriechen, während die Außenwand weniger oder in Abb. 3.6-20 dargestellten Schrägrisse. Die Riss-
1330 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

gefahr wird außer von den Formänderungen noch


von den Steifigkeitsverhältnissen der Innen- und
Außenwand beeinflusst. Eine gegenüber der Außen-
wand bzw. des Außenwandpfeilers (bei Fensteröff-
nungen) steifere Innenwand (größerer Wandquer-
schnitt, höherer E-Modul) wirkt sich günstig aus,
d. h. die Rissgefahr verringert sich.
– Verformungsfall V2
Schwindet die Außenwand in vertikaler Richtung
wesentlich stärker als die Innenwand – die ggf. noch
irreversibel quellen kann –, so kommt es bei einem
zu großen Verformungsunterschied zu Rissen. Die
für die Risssicherheit wesentlichsten Formände-
rungsarten sind auch in diesem Fall das Schwinden
Hs (Verkürzung) und das irreversible Quellen Hcq
(Verlängerung). Verformungen infolge Temperatur-
änderungen HT sowie infolge Lasteinwirkung Hel Abb. 3.6-22 Verformungsfall V1-Verkürzung Innenwand (1)
(sofortige Verformung) und Hk (Kriechen) beeinflus-
sen die Risssicherheit i. Allg. nur unwesentlich. Die
Rissgefahr ist z. B. bei Außenmauerwerk aus Leicht- nungen in der Innenwand. In Abb. 3.6-24 ist der
betonsteinen und Innenmauerwerk aus Mauerzie- Berechnungsgang zur Beurteilung der Risssicher-
geln vergleichsweise groß. heit für den Fall V1 verkürzt dargestellt.
In Tabelle 3.6-19 sind die zur Ermittlung des
Rechnerische Beurteilung, Berechnungsbeispiel maßgebenden Verformungsunterschieds erforder-
Die rechnerische Beurteilung der Risssicherheit mit lichen Abminderungsbeiwerte DK in Abhängigkeit
Hilfe des zuvor beschriebenen 'H-Verfahrens ist des Steifigkeitsverhältniswertes k dargestellt.
sehr stark vereinfacht und hat den Nachteil, dass die Abweichend vom Berechnungsgang für den
Wirkung der Steifigkeit miteinander verbundener Fall V1 ist beim Verformungsfall V2 der Kehrwert
Außen- und Innenwände unberücksichtigt bleibt. des Steifigkeitsverhältniswertes anzusetzen. Au-
Ein neueres auf theoretischen Untersuchungen ba- ßerdem beträgt zul 'H lediglich 0,1 mm/m.
siertes Beurteilungsverfahren berücksichtigt diese Von wesentlichem Einfluss auf die Rissgefahr
Steifigkeitsverhältnisse und wird im Folgenden in ist der Formänderungsunterschied zwischen Au-
den Grundzügen dargestellt. Angaben zum rechne- ßen- und Innenwand. Dieser wird durch die ange-
rischen Beurteilungsverfahren finden sich in den wendete Mauerwerkart beeinflusst. Bei bestimm-
Abb. 3.6-22 und 3.6-23. Bei der Anwendung des ten Mauerwerkkombinationen für die Innen- und
Beurteilungsverfahrens hat sich herausgestellt, dass
für die Risssicherheit praktisch nur die Formände-
Tabelle 3.6-19 Verformungsfall V – Beiwerte für Steifig-
rungen infolge Feuchtedehnung und ggf. Tempera- keitsverhältnis
turunterschieden zwischen Außen- und Innenwand
maßgebend sind. Die Steifigkeitsverhältnisse zwi-
schen Innen- und Außenwand wirken sich auf
den spannungsverursachenden Formänderungsunter-
schied zwischen Innen- und Außenwand erheblich
aus. Will sich zum Beispiel eine sehr steife Innen-
wand gegenüber einer sehr weichen Außenwand
verkürzen, so wird der Außenwand ein Großteil die-
ser Verkürzung „aufgezwungen“ und nur der ver-
bleibende Anteil der Verkürzung führt zu Zugspan-
3.6 Mauerwerk 1331

Abb. 3.6-23 Verformungsfall V1-Verkürzung Innenwand (2)

tragende, innere Trennwände), können Formände-


rungen in horizontaler Richtung infolge Schwin-
den und/oder Abkühlen unter die Herstelltempera-
tur des Bauteils zu Rissen führen. Die Folge sind
meist weitgehend vertikale, in etwa halber Wand-
länge verlaufende Risse im Fugen- und/oder Stein-
bereich.
Abb. 3.6-24 Verformungsfall V2-Verkürzung Außenwand Die horizontalen Verformungen des Mauer-
werks werden durch das untere Auflager (s. Abb.
Außenwand ist die Rissgefahr vergleichsweise 3.6-26) ggf. auch durch seitliche Halterungen
hoch (s. Tabelle 3.6-25). In diesen Fällen sollte (Anbinden der Bauteile) behindert, sodass Zug-
stets eine rechnerische Beurteilung erfolgen. spannungen entstehen, die bei Überschreiten der
Mauerwerkzugfestigkeit parallel zu den Lagerfu-
Verformungsfall H gen vertikal verlaufende Risse verursachen. In
Bei längeren, wenig belasteten Mauerwerkwän- Abb. 3.6-27 sind beide Versagensmöglichkeiten –
den (Verblendschalen, Ausfachungswände, nicht- Steinversagen und Verbundversagen – dargestellt.

Abb. 3.6-25 Verformungsfall V – Ungünstige Kombinationen


1332 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-26 Verformungsfall H – Zwang aus Dehnungsbehinderung

Abb. 3.6-27 Verformungsfall H – Versagensarten


3.6 Mauerwerk 1333

Rissursachen, Einflussgrößen Aus dem in Abb. 3.6-28 dargestellten Diagramm


Die Formänderungen werden durch die Verbindung lässt sich mit der vorhandenen Gesamtdehnung und
der Mauerwerkwände mit angrenzenden Bauteilen dem angenommenen Behinderungsgrad die rissfreie
behindert und führen zu Zugspannungen, die bei Wandlänge für eine Standardwandhöhe von 1 m ab-
halber Wandlänge annähernd horizontal verlaufen. lesen. Multipliziert man den so ermittelten Wert mit
Wesentliche Einflussgrößen auf die rissfreie Wand- der tatsächlichen Wandlänge, erhält man die rissfreie
länge bzw. den Dehnungsfugenabstand sind die Wandlänge analog zum rechnerischen Verfahren.
Mauerwerkzugfestigkeit bzw. die Bruchdehnung,
die Größe der Formänderungen infolge Schwinden Ausführungsempfehlungen
und Temperaturabnahme, die Auflagerungsbedin- Sind Dehnfugen erforderlich, so ist auf deren sach-
gungen der Wand (Behinderungsgrad R), sowie der gerechte Ausbildung und wirksame Anordnung be-
Verhältniswert Wandhöhe/Wandlänge. Besonders sonders zu achten. Im Folgenden sind Anhaltswerte
rissgefährdet sind lange Wände. Unter Bezug auf für Dehnungsfugenabstände angegeben.
die Einflussgrößen ergeben sich Möglichkeiten zur
Vergrößerung der rissfreien Wandlänge, u. a.. durch Verformungsfall H – Anordnung von Dehnfugen
die Baustoffwahl (Mauerwerk mit möglichst gerin- Vertikale DF
gem Schwinden, Mörtel höherer Güte), möglichst Empfohlene DF-Abstände:
halbsteiniger Überbindung, günstigen Ausführungs- ĺ Kalksandsteinmauerwerk: 6 bis 8 m
und Herstellbedingungen und die Anordnung von ĺ Porenbetonmauerwerk: 6 bis 8 m
vertikalen Dehnfugen unter Bezug auf den rechne- ĺ Leichbetonmauerwerk: 4 bis 6 m
rischen Nachweis oder in den im Folgenden emp- ĺ Ziegelmauerwerk: 0 bis 15 m
fohlenen Abständen.
– Anordnung nach der Beanspruchung
Beurteilung der Risssicherheit, Berechnungsbeispiel > Westwand größte Formänderungen ĺ größte
Die Risssicherheit bzw. die rissfreie Wandlänge oder Verformbarkeit erforderlich
der Dehnungsfugenabstand können durch ein ein- – Verankerung der Verblendschalen (zweischalige
faches Berechnungsverfahren abgeschätzt werden. Außenwände)

Abb. 3.6-28 Verformungsfall H – Rissfreie Wandlänge


1334 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

 > nach DIN 1053-1, Abschnitt 8.4.3 3.6.1.5 Bewehrtes Mauerwerk


> zusätzlich an beiden DF-Rändern: 3 Drahtan-
ker je m Wandhöhe Allgemeines
– Ausreichende Breite DF > mind. 10 mm (An- Die Bewehrung von Mauerwerk kann mit zwei
haltswert: 1,5 x Wandlänge/1000) Zielsetzungen erfolgen: Erhöhung der Tragfähig-
– Ausbildung DF > nach DIN 18 540 keit und Verhinderung größerer, breiterer Risse. Im
ersten Fall handelt es sich um eine statisch wirk-
Horizontale DF same und in Rechnung gestellte Bewehrung, im
– DF-Abstand (DFA) je nach Konstruktion, Ver- zweiten Fall um eine konstruktive Bewehrung zur
blendschalendicke, Gebäudehöhe Rissbreitenbeschränkung (s. a. in [Schubert 1988]).
(s. DIN 1053-1, Abschnitt 8.4.3) Da die Zug- und Biegezugfestigkeit von Mauer-
> DF unter Abfangungen: dw = 115 mm, DFA § werk im Vergleich zu seiner Druckfestigkeit gering
12 m; dw < 115 mm, DFA § 6 m ist (s. dazu auch Zug-, Biegezugfestigkeit), kann
– Ausreichende Breite DF > mind. 10 mm (An- analog zu Beton die Tragfähigkeit des Mauerwerks
haltswert: 2x Wandhöhe/1000) durch eine Bewehrung, die die Zugkräfte auf-
nimmt, erheblich verbessert werden. Bewehrtes
Bei der Anordnung von vertikalen Dehnungsfugen Mauerwerk wird in der DIN 1053-3 behandelt.
sind sowohl die Art der Witterungsbeanspruchung DIN 1053-3 gilt für die Berechnung und Ausfüh-
als auch die möglichen Verformungen des verwen- rung von bewehrtem Mauerwerk, bei dem die Be-
deten Mauerwerks von Bedeutung. Die Abb. 3.6- wehrung statisch in Rechnung gestellt wird. Kons-
29 und 3.6-30 geben Informationen zu sinnvollen truktiv bewehrtes Mauerwerk ist nicht Gegenstand
Dehnfugenanordnungen und -ausbildungen. Die in der Norm. Die DIN gibt lediglich eine Mindestbe-
Abb. 3.6-29 dargestellte Fugenanordnung ergibt wehrung zur Vermeidung größerer Rissbreiten an.
sich aus der Bewitterungsbeanspruchung – die Die Anwendung von Mauerwerk mit statisch in
Westwand wird am stärksten beansprucht. Rechnung gestellter Bewehrung hat in Deutsch-

Abb. 3.6-29 Verformungsfall H – Anordnung von Dehnfugen


3.6 Mauerwerk 1335

Abb. 3.6-30 Verformungsfall H – Anordnung und Ausbildung von Dehnfugen

land bislang – im Gegensatz zu vielen anderen Dadurch ist die Diffusion des Kohlendioxids nur
Ländern – keine große Bedeutung erlangt. Dies ist wenig behindert, und die Karbonatisierung des
sicherlich zum einen darauf zurückzuführen, dass Mörtels verläuft sehr schnell. Die Bewehrung in
es eine entsprechende Norm erst seit 1990 gibt, Mörtel muss deshalb stets zusätzlich geschützt
zum anderen aber auch darauf, dass geeignete werden, wenn nicht ein dauernd trockenes Klima
Formsteine für die Bewehrung in vertikaler Rich- gewährleistet ist (Umweltbedingungen nach DIN
tung noch nicht ausreichend zur Verfügung stehen 1045-1. In Außenwänden ist i. d. R. geschützte Be-
und die zulässigen Anwendungsbereiche des be- wehrung zu verwenden (s. a. Tabelle 3.6-21). Un-
wehrten Mauerwerks nach DIN 1053-3 wegen des geschützte Bewehrung darf nur in betonverfüllten
damaligen Kenntnisstandes noch sehr begrenzt Aussparungen unter bestimmten Anforderungen
sind. Zwischenzeitlich liegt eine Reihe von Unter- verwendet werden. Maßnahmen für ausreichenden
suchungen vor, die über den Weg der allgemeinen Korrosionsschutz der Bewehrung sind:
bauaufsichtlichen Zulassung eine erweiterte An-
– Verwendung von Edelstahl,
wendung von bewehrtem Mauerwerk ermögli-
– Kunststoffbeschichtung,
chen.
– Feuerverzinkung, wenn Gehalt an zinkaggres-
siven Bestandteilen (vor allem Sulfate, Chloride)
Baustoffe für bewehrtes Mauerwerk
im Mörtel und in Mauersteinen begrenzt ist (DIN
Tabelle 3.6-20 gibt eine Übersicht über die verwend-
1053-3) und keine äußere Einwirkung von ag-
baren Baustoffe bzw. die Anwendungsbedingungen.
gressiven Medien (z. B. Sulfate, Chloride) auftritt.
Die beiden letztgenannten Maßnahmen bedürfen
Korrosionsschutz der Bewehrung
einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung.
Im Gegensatz zu Beton kann Mauerwerk keinen
dauerhaften alkalischen Schutz der Bewehrung ge-
währleisten. Dies ist durch die i. d. R. hohe Porosi- Ausführung
tät des Mauermörtels (hoher Wasserbindemittel- Tabelle 3.6-22 gibt eine Übersicht über die Be-
wert für die Verarbeitung) und der Steine bedingt. stimmungen der DIN 1053-3 zur Ausführung von
1336 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.6-20 Bewehrtes Mauerwerk nach DIN 1053-3 – Verwendbare Baustoffe

Mauersteine
Anwendbar sind alle genormten Mauersteine und Formsteine, wenn:
– der Lochanteil nicht mehr als 35% beträgt a),
– bei nicht kreisförmigen Löchern die Stege in Wandlängsrichtung durchgehen (kein Stegversatz)
– die Kennzeichnung der Mauersteine zusätzlich „BM“ (bewehrtes Mauerwerk) enthält.
Mauermörtel
– für unbewehrte Mauerwerksbereiche: Mauermörtel nach DIN 1053-1 (Normalmörtel, außer MG I; Leichtmörtel; Dünn-
bettmörtel),
– für bewehrte Mauerwerksbereiche (Lagerfugen, Aussparungen): nur Normalmörtel der Mörtelgruppen III und IIIa, Zu-
schlag mit dichtem Gefüge nach DIN 4226-1
Beton
Für bewehrte Bereiche in Formsteinen, großen und ummauerten Aussparungen:
Beton mind. Festigkeitsklasse B15 nach DIN 1045, Zuschlag Größtkorn 8 mm, ggf. höhere Festigkeitsklasse erforderlich
wegen Korrosionsschutz
Betonstahl
Gerippter Betonstahl nach DIN 488-1 b)
a) Hochlochziegel nach Zulassung Nr. Z-17.1-480 des Deutschen Instituts für Bautechnik dürfen unter bestimmten Bedin-
gungen mit Lochanteilen bis zu 50% für bewehrtes Mauerwerk verwendet werden.
b) Für andere Bewehrung (kleinere Durchmesser als 6 mm, Bewehrungselemente – auch mit glatten Stählen) ist eine bau-
aufsichtliche Zulassung erforderlich. Derzeit sind zugelassen:
MURFOR-Bewehrungselemente mit Duplex-Beschichtungen für bewehrtes Mauerwerk (Z-17.1-469)
MURFOR-Bewehrungselemente aus nichtrostendem Stahl für bewehrtes Mauerwerk (Z-17.1-541)

Tabelle 3.6-21 Vorschläge zur Einordnung von Wandbauteilen hinsichtlich des Korrosionsschutzes

Bauteil Korrosionsschutz
Innenwände dauerhaft trocken nicht erforderlich
Trennwände zwischen erforderlich
Bädern und Küchen u. ä.
Einschalige Außenwände Innenseite u. U. erforderlich, wenn Wasserzutritt nicht sicher ausgeschlossen
(auch Kellerwände) werden kann. Korrosionsschutz ist jedoch grundsätzlich sinnvoll,
da Verwendung geschützter und ungeschützter Bewehrung (Gefahr
einer Makroelementbildung) im gleichen Bauteil nicht sinnvoll
und baupraktisch kaum durchführbar ist.
Außenseite erforderlich
Zweischalige Außenwände Innenschale nicht erforderlich
Außenschale erforderlich

bewehrtem Mauerwerk. Die Lagerfugen sind stets Bewehrungsführung vollvermörtelt werden. An-
vollfugig auszuführen, Fugen mit Bewehrung dür- sonsten gilt DIN 1053-1. Die Möglichkeiten der
fen bis zu 20 mm dick sein – Richtmaß für Fugen- Bewehrungsführung sind in Abb. 3.6-31 darge-
dicke: 2-facher Stabdurchmesser. Die Stoßfugen stellt.
müssen nur bei horizontaler Spannrichtung und
3.6 Mauerwerk 1337

Tabelle 3.6-22 Bestimmungen nach DIN 1053-3

Bezug horizontale Bewehrung vertikale Bewehrung


in Lagerfuge in Formsteinen in Formsteinen in Formsteinen mit großen
mit kleinen oder in unmauerten Aus-
Aussparungen d) sparungen d)
Füllmaterial Mörtelgruppe Mörtelgruppe Beton Mörtelgruppe Mörtelgruppe Beton
III oder IIIa III oder IIIa • B 15 III oder IIIa III oder IIIa • B 15
Verfüllen der vertikalen – in jeder Lage mindestens nach jedem
Aussparungen Meter Wandhöhe
maximaler 8 14 14 nach
Stabdurchmesser d (mm) DIN 1045
allseitig mindes-
Überdeckung (mm) zur Wand- tens das 2-fache nach allseitig mindestens das 2-fache nach
oberfläche des Stabdurch- DIN 1045 des Stabdurchmessers; DIN 1045
• 30 messers; zur zur Wandoberfläche • 30
Wandoberfläche
• 30
Korrosions- bei dauernd keine besonderen Anforderungen
schutz trockenem
Raumklima
in allen an- Feuerverzinken oder andere nach Feuerverzinken oder andere nach
deren Fällen dauerhafte Maßnahmen c) DIN 1045 dauerhafte Maßnahmen DIN 1045
Mindestdicke des bewehrten 115
Mauerwerks in mm
c) Die Brauchbarkeit ist z. B. durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung nachzuweisen (Abschn. 3.6.5.3)
d) Vgl. Abb. 3.6-26

3.6.1.6 Putze a) Räume üblicher Luftfeuchte einschließlich der


Allgemeines häuslichen Küchen und Bäder und
Die Ausführung von Innen- und Außenputzen ist b) Putz für Feuchträume (z. B. gewerbliche Kü-
in DIN V 18 550 geregelt. Produktnorm zu Innen- chen).
und Außenputzen mit anorganischen Bindemitteln
ist die DIN EN 998-1. Grundsätzlich werden bei In Abhängigkeit vom Anwendungsbereich werden
Putzen sog. Putzsysteme angewendet, die aus einer unterschiedliche Anforderungen an die Putze ge-
Reihe von Lagen von Putzen bestehen. Dabei wird stellt. Beispielsweise müssen Innenputze für
eine Putzlage in einem oder in mehreren Arbeits- Feuchträume gegen langzeitig einwirkende Feuch-
gängen mit demselben Putzmörtel vor dem Verfes- te beständig sein. Daher sind mit Baugips herge-
tigen der vorherigen Putzlage (frisch auf frisch) stellte Putze für diesen Anwendungsbereich unge-
aufgebracht. Ein Putzsystem muss in seiner Ge- eignet. Weitere Anforderungen an die Putze, die
samtheit die gestellten Anforderungen nach DIN sich durch die Nutzung der geputzten Räume erge-
V 18 550 erfüllen. ben, sind erhöhte Abriebfestigkeit und Oberflä-
chenbeschaffenheit. DIN V 18 550 enthält Vor-
Innenputze schläge für Innenputzsysteme.
Mit Innenputz werden Putze bezeichnet, die auf
Innenflächen aufgebracht werden. Es werden in Außenputze
DIN V 18 550 folgende Anwendungsbereiche un- Mit Außenputz werden Putze bezeichnet, die auf
terschieden: Außenflächen aufgebracht werden. Der Außenputz
1338 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-31 Bewehrungsführung

hat die Aufgabe, das dahinter liegende Mauerwerk Verträglichkeit von Putz und Putzgrund zu gewähr-
vor Witterungseinflüssen zu schützen (s. Abb. 3.6- leisten.
32). Deshalb muss Außenputz einen dauerhaften Die Anforderungen an den Putzgrund sind:
Verbund zum Putzgrund aufweisen. Der Außen-
– ausreichende Festigkeit/Steifigkeit
putz muss das Durchfeuchten des Mauerwerks
– keine unvermörtelten breiten Fugen und Risse,
durch eine geringe Wasseraufnahme – das Ein-
– möglichst eben,
dringen von Niederschlagwasser wird weitgehend
– gleichmäßige Rauhigkeit und Saugfähigkeit,
vermieden – und durch einen geringen Dampf-
– chemische Verträglichkeit (Sulfate!),
diffusionswiderstand – die Bildung von Tauwas-
– Formänderungen möglichst abgeklungen,
ser zwischen Mauerwerk und Außenputz wird
– ausreichender Haftverbund.
auf ein unschädliches Maß verringert – ver-
meiden. Die zuvor genannte Schutzfunktion gegen
eindringenden Niederschlag ist jedoch nur ge- Aufbau von Putzen, Auftrag
währleistet, wenn Risse mit Rissbreiten größer als Der Aufbau eines Putzsystems ist abhängig von
i. Allg. rb | 0,2 mm vermieden werden. An den den Anforderungen an das Putzsystem und von der
Putzgrund sind die nachfolgend aufgeführten An- Beschaffenheit des Putzgrundes. In Abb. 3.6-32 ist
forderungen zu stellen, um u. a. eine dauerhafte der Aufbau eines zweilagigen Außenputzsystems
3.6 Mauerwerk 1339

Abb. 3.6-32 Aufbau von Außenputzen

bestehend aus Unterputz und Oberputz darge- Wärmedämmung) führen. Risse können putz- und
stellt. Die Dicke diese Putzsystems beträgt nach putzgrundbedingt bzw. konstruktiv bedingt sein.
DIN V 18550 20 mm (Mindestdicke 15 mm, be- Konstruktiv bedingte Risse resultieren aus einer
schränkt auf einzelne Stellen). Die Haftung des falschen konstruktiven Durchbildung von Bautei-
Putzes auf dem Putzgrund kann mit einem Spritz- len. Ein Beispiel für einen auf eine konstruktive Ur-
bewurf oder einer Haftbrücke verbessert werden. sache zurückzuführenden Riss ist in Abb. 3.6-33
Bei stark saugenden Putzgründen ist i. d. R. zur dargestellt. Die Deckenverdrehung am Auflager
Verringerung des Saugvermögens ein volldecken- führt zu einer klaffenden Fuge zwischen Mauerwerk
der Spritzbewurf bzw. ein Haftmörtel erforderlich. und Stahlbetondecke und dadurch zu einem Riss im
Der Putzregel zufolge sollte die Festigkeit des Put- Außenputz. Konstruktiv bedingte Risse können
zes vom Putzgrund zur Putzoberfläche am besten durch die Wahl des Putzes nicht beeinflusst werden,
abnehmen bzw. zumindest nicht zunehmen. Nur sondern müssen durch geeignete konstruktive Maß-
dadurch können putzbedingte, breite und damit nahmen vermieden werden. Im Allgemeinen führen
schädliche Risse vermieden werden. Ausgenom- statisch-konstruktive Ursachen zu breiten und damit
men sind dabei Wärmedämmputze, weil bei diesen schädlichen Rissen.
Putzen die Verformungen des Oberputzes und des Putz- bzw. putzgrundbedingte Risse können
Putzgrundes entkoppelt sind und der Oberputz sich sich aus unterschiedlichen Verformungen von Putz
dadurch weitgehend frei verformen kann. und Putzgrund ergeben. Putz schwindet wie auch
andere Baustoffe durch Wasserabgabe (Austrock-
Rissursachen und Rissbeurteilung nung). Dieses Schwinden wird nach ausreichender
Feine Haarrisse in der Putzoberfläche sind i. d. R. Anfangsfestigkeit des Putzes durch den i. d. R.
nicht zu beanstanden, da sie mit vertretbarem Auf- nicht bzw. nicht in gleicher Weise schwindenden
wand nicht sicher vermeidbar sind und auch die Putzgrund behindert. Die dadurch entstehenden
Funktionsfähigkeit des Putzes nicht beeinträchtigen. Zugspannungen im Putz führen zu Rissen, wenn
Erst bei größeren Rissen, i. Allg. bei Rissen mit ei- die vergleichsweise geringe Zugfestigkeit des Put-
ner Rissbreite größer als etwa 0,2 mm kann Feuch- zes (etwa 10–20% der Druckfestigkeit) überschrit-
tigkeit – vor allem bei Schlagregenbeanspruchung ten wird. Dehnt sich der Putzgrund, z. B. durch
– in den Putz und von da aus ggf. in den Putzgrund das irreversible Quellen von Mauerziegeln, gleich-
eindringen und zu Schäden (Abplatzungen, Ablö- zeitig aus, so vergrößert sich die Rissgefahr ent-
sungen durch Frosteinwirkung, Verminderung der sprechend. Risse infolge Schwinden des Putzes
1340 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-33 Konstruktiv bedingte Risse im Außenputz – Durchbiegung von Decken

Abb. 3.6-34 Risse im Außenputz – Putzgrund deutlich stei- Abb. 3.6-35 Risse im Außenputz – Putz deutlich steifer
fer als Putz als Putzgrund

Abb. 3.6-36 Risse im Außenputz bei ungleichmäßigem Putzgrund

können durch die Wahl eines in seinen mecha- der Lage, die bei der Rissbildung frei werdenden
nischen Eigenschaften an den Putzgrund angepass- Zugkräfte aufzunehmen, reichen die Risse nicht
ten Putz wesentlich beeinflusst werden. Dies ist in bis in den Putzgrund hinein. Die Risse werden fein
Tabelle 3.6-23 dargestellt. Ist der Putzgrund aus- verteilt und sind damit unschädlich schmal (Haar-
reichend steif und fest, d. h. ist der Putzgrund in risse). Der Rissabstand beträgt dann i. d. R. etwa
3.6 Mauerwerk 1341

das 2- bis 4-fache der Putzdicke. Ist der Putzgrund mechanische Eigenschaften besitzen. Kritisch in
dazu nicht in der Lage, d. h. ist der Putzgrund nicht Bezug auf die Bildung von schwindbedingten Ris-
ausreichend steif bzw. fest, werden die Risse nicht sen im Außenputz ist insbesondere auch die Ver-
mehr fein verteilt und dadurch schädlich. In diesem wendung von Mischmauerwerk, da diese eine ab-
Fall reichen die Risse bis in den Putzgrund hinein. schnittsweise unterschiedliche Steifigkeit besitzt,
Als Kriterium für das Auftreten breiter, schädlicher aus denen unterschiedliche Formänderungen resul-
Risse kann entsprechend das Verhältnis von Zug- tieren. Des Weiteren wird dem Putz durch das un-
kraft im Putz und durch den Außenscherben auf- terschiedliche Saugvermögen verschiedener Mau-
nehmbare Zugkraft herangezogen werden. Ist die ersteinarten unterschiedlich viel Wasser entzogen.
Zugkraft im Putz kleiner als die durch den Außen- Der Putz schwindet dadurch unterschiedlich, die
scherben aufnehmbare Zugkraft, werden die Risse, mechanischen Eigenschaften der Putzes können
wie o. a. fein verteilt. Die Gültigkeit dieses Kriteri- sich teilweise deutlich unterscheiden. Die Folge
um ist jedoch auf den Steinbereich beschränkt. sind Risse an den Übergangsstellen. Zur Vermei-
Darüber hinaus ist dieses Kriterium nicht auf Voll- dung von schädlichen, putz- bzw. putzgrundbe-
steine übertragbar. Eine entsprechende Abstim- dingten Rissen anzustrebende Eigenschaftswerte
mung von Putz und Putzgrund ist unerlässlich. In des Putzes sind in Tabelle 3.6-23 angegeben, wobei
der DIN V 18 550 ist dies vereinfacht durch die diese immer in Abhängigkeit vom Putzgrund und
sog. Putzregel ausgedrückt, nach der die Steifigkeit von den Anforderungen durch die Nutzung ausge-
des Putzes kleiner oder maximal genauso groß sein wählt werden müssen. Beispielsweise ist auf einem
soll wie die des Putzgrundes. Insbesondere bei dem weniger steifen bzw. festen Putzgrund ein weniger
heute aus wärmeschutztechnischen Gründen für steifer bzw. fester Putz zu wählen.
Außenwände häufig verwendeten Leichtmauer-
werk mit geringer Druck- und Zugfestigkeit und Hinweise zur Ausführung
zum Teil sehr dünnen Steinaußenschalen ist eine Grundsätzlich muss bei der Ausführung von Putz-
sorgfältige Abstimmung der Putzeigenschaften auf arbeiten sichergestellt sein, dass die Luft- und
den Putzgrund erforderlich. Deshalb empfiehlt sich Bauteiltemperatur nicht kleiner als +5°C ist und
auf solchem Mauerwerk der Einsatz von Leichtput- bis zum ausreichenden Erhärten des Putzes nicht
zen, die i. Allg. auf Leichtmauerwerk angepasste darunter absinkt. Konstruktiv bedingte Verfor-

Tabelle 3.6-23 Außenputz – Eigenschaftswerte


1342 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

mungen und das Schwinden des Putzgrunds sollten Tabelle 3.6-24 Putzmörtelgruppen
vor Putzauftrag weitgehend abgeschlossen sein.
Deshalb sollte eine ausreichende Bauteilstandzeit
vor dem Verputzen vorgesehen werden. Ebenso ist
ein hoher Feuchtegehalt des Putzgrunds zu ver-
meiden. Da ein zu schneller Wasserentzug aus dem
frischen Putz die Putzfestigkeit und den Verbund
zum Putzgrund beeinträchtigen und zur Rissbil-
dung führen kann, sollte trockener und stark sau-
gender Putzgrund vorgenässt werden. Eine weitere
Möglichkeit zur Verminderung des Wasserabsau-
gens ist das Aufbringen eines vollflächigen Spritz-
bewurfs. Ebenso muss bei starkem Sonnenschein
(hohe Oberflächentemperaturen) und/oder Wind
durch eine Nachbehandlung (Folienabdeckung,
Feuchthalten) ein zu schneller Wasserentzug ver-
mieden werden. Tabelle 3.6-25 Druckfestigkeit Mörtelgruppen

Normung
Die Ausführung von Putzen und auf den jeweiligen
Anwendungszweck abgestimmte Anforderungen
an die Eigenschaften von Putzen sind in der
DIN V 18 550 geregelt. Produktnorm zu Innen-
und Außenputzen mit anorganischen Bindemitteln
ist die DIN EN 998-1. Dort sind Angaben zur
Kennzeichnung der Putzmörtel und zu prüfende
bzw. nachzuweisende Eigenschaften der Putze
festgelegt. In DIN V 18 550 werden die Putzmörtel sowie die Beständigkeit von Baustoffen gegenüber
in Abhängigkeit von der Art der Bindemittel ver- Einwirkungen aus der Umwelt (Dauerhaftigkeit).
schiedenen Putzmörtelgruppen zugeordnet (s. Ta- Darüber hinaus ist die Frage der Wiederverwend-
belle 3.6-24), um auf verschiedene Verwendungs- barkeit der verbauten Baustoffe von großer Bedeu-
zwecke abgestimmte, bewährte Putzsysteme vor- tung. Die Bilanzierung der verschiedenen Gesichts-
schlagen zu können. Die Einteilung der Putze in punkte der Umweltrelevanz von Baustoffen in Form
verschiedene Festigkeitsklassen erfolgt in DIN EN sog. Ökobilanzen ist schwierig und derzeit noch
998-1 (s. Tabelle 3.6-25). kaum in einer objektivierten, einheitlichen und un-
eingeschränkt vergleichbaren Form möglich. In Be-
zug auf Ökobilanzen der Baustoffe wird deshalb nur
3.6.1.7 Ökologische Eigenschaften
auf die entsprechende Literatur verwiesen, wie
Allgemeines [Schneider 1996, Schubert 1996, Wagner et al. 1998,
Die Ökologie befasst sich mit den Wechselbezie- Eden et al. 1995, Eyerer 2000]. Im Folgenden wer-
hungen zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt. den die Umweltverträglichkeit, die Radioaktivität
Bezogen auf den Baustoff interessieren vor allen und die Wiederverwendbarkeit von Mauerwerkbau-
Dingen die direkten Wechselwirkungen zur Um- stoffen behandelt.
welt. Dies betrifft die Umweltverträglichkeit, d. h.
sowohl die Auswirkung der Baustoffe während der Umweltverträglichkeit
Produktion, der Nutzung im Bauwerk und nach der Unter Umweltverträglichkeit wird die Beeinflus-
Nutzung auf die Schutzgüter Mensch, Wasser, Bo- sung der Umwelt durch die Baustoffe verstanden.
den und Luft als auch die Funktion von Bauwerken Wesentliche Gesichtspunkte der Umweltverträg-
zum Schutz der Umwelt vor gefährlichen Stoffen lichkeit bei Mauerwerkbaustoffen sind das Auswa-
3.6 Mauerwerk 1343

schen von Salzen (z. B. Sulfate und Schwermetall- Radioaktivität


salze) und Laugen sowie die radioaktive Strahlung Alle natürlichen und künstlichen Baustoffe enthal-
(s. a. Radioaktivität). Grundsätzlich besteht auch ten radioaktive Stoffe in sehr geringem Anteil.
bei Mauerwerkbaustoffen – Mauersteinen, Mauer- Dies sind vor allem Radium (Ra 226), Thorium
mörtel sowie Innen- und Außenputzen auf Mauer- (Th 228 bzw. 232) sowie insbesondere das Zer-
werk – die Möglichkeit, dass schädliche Salze (vor fallsprodukt des Radiums, das Edelgas Radon (Rn
allem Schwermetallsalze) durch Einwirkung von 222). Durch diese radioaktiven Stoffe wird die
Niederschlagswasser bzw. Grundwasser ausgewa- ionisierende Strahlung von Baustoffen im Wesent-
schen werden. Für die Beurteilung der Umweltver- lichen verursacht. Aus den durch Messung be-
träglichkeit ist deshalb die Kenntnis der Auslaug- stimmten Aktivitätskonzentrationen der radioaktiven
barkeit der Salze aus den Baustoffen in Abhängig- Stoffe in Baustoffen kann die dadurch verursachte
keit von der auslaugwirksamen Zeit wichtig. Zur Belastung durch Gammastrahlen in Wohnräumen
Untersuchung des Auslaugverhaltens von Mauer- abgeschätzt werden. Dies erfolgt i. Allg. durch die
werkbaustoffen stehen eine Reihe von Auslaugtests sog. Summenformel. Ergibt sich nach der Sum-
zur Verfügung, die jedoch derzeit noch nicht in der menformel ein Wert <1, dann handelt es sich um
Lage sind, Auslaugraten und -mengen ausreichend eine für den Menschen unbedenkliche Strahlenbe-
praxisnah zu ermitteln. Es gibt auch in Deutschland lastung. Tabelle 3.6-26 enthält für Mauerwerkbau-
bislang kein genormtes Auslaugverfahren für Mau- stoffe entsprechende Angaben aus verschiedenen
erwerkbaustoffe. Von großer Bedeutung bei Aus- Untersuchungen. Wie aus Tabelle 3.6-26 ersicht-
laugtests ist das Volumen-/Feststoff-Verhältnis der lich, liegen die Messergebnisse für alle Mauer-
untersuchten Stoffe. In diesem Zusammenhang werkbaustoffe weit unter den empfohlenen Grenz-
spielen Prüfkörpergröße bzw. Korngröße und Korn- werten. In der Tabelle sind auch die Exhalations-
größenverteilung eine entscheidende Rolle. Diese raten für Radon angegeben. Darunter ist der Anteil
wiederum hängen von den Anwendungsbedin- von Radon zu verstehen, der aus dem Baustoff in
gungen der produzierten Baustoffe bzw. der Recyc- die Raumluft gelangt. Auch in diesem Fall liegen
late ab. Die Untersuchung fein aufgemahlener Bau- die Messwerte weit unter den empfohlenen Grenz-
stoffe führt naturgemäß zu höheren Auslaugraten werten. Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen,
und -mengen. Die Ergebnisse von Auslaugtests an dass die mittlere Strahlenbelastung der Bevölke-
zerkleinertem Material oder Baustoffen sind des- rung in Deutschland baustoffunabhängig mit min-
halb außerordentlich vorsichtig zu bewerten. Meist destens rd. 2,4 mSv ein Mehrfaches der möglichen
geben sie nur Anhaltswerte für den Anteil an insge- Strahlenbelastung durch verbaute Baustoffe be-
samt mobilisierbaren Stoffen. Verschiedene Unter- trägt, wobei regional erhebliche Unterschiede auf-
suchungen an Mauerwerkbaustoffen (z. B. [Kreißig treten können.
1997]) zeigen, dass auch bei den derzeitigen un-
günstigen Versuchsbedingungen die Anteile an aus- Wiederverwendbarkeit von Baustoffen –
laugbaren schädlichen Salzen und Schwermetallen Recycling
gering sind. Die meisten Untersuchungsergebnisse Die Wiederverwendbarkeit von Baustoffen auf
erfüllen die Anforderungen an Trinkwasserqualität. einem möglichst hohen Wiederverwertbarkeitsni-
Es ist deshalb nach den derzeit vorliegenden Unter- veau wird unter den Gesichtspunkten der Ressour-
suchungsergebnissen davon auszugehen, dass durch censchonung und der Vermeidung der Deponie-
die konventionellen Mauerwerkbaustoffe Schwer- rung immer mehr an Bedeutung gewinnen. An-
metallsalze nicht in bedenklichen Mengen in die gestrebt wird ein sog. kreislaufgerechtes Bauen.
Umwelt gelangen können. Dies gilt auch i. Allg. für Das heißt, die Baustoffe werden im Kreislauf auf
schädliche Salze. Ein realitätsnahes Bewertungs- einem möglichst hohen Wiederverwendbarkeitsni-
verfahren, wie es bereits für Beton im Grundwasser veau gehalten. Dies verlangt entsprechende An-
entwickelt wurde [Brameshuber 2001, 2005 und strengungen bei der Herstellung der Baustoffe
2008], existiert für Mauerwerkbaustoffe bislang in Bezug auf Vermeidung bzw. Gewährleistung
nicht und ist Gegenstand weiterer Forschungsar- von unbedenklichen Anteilen an möglicherweise
beiten [Brameshuber 2009]. schädlichen Stoffen aber auch in Bezug auf die
1344 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.6-26 Konzentrationen der natürlichen Radioaktivität (Radium-Ra, Thorium-Th und Kalium-K) und Radion-
Exhalationsrate verschiedener Baustoffe

Baustoff Radionuklidkonzentration z) Exhalationsrate Quelle


Mittelwert (Höchstwert) f. 100 mm Dicke
Bq/kg Bq/m²h
Ra-226 Th-232 K-40 Rn-222
Kalksandstein 11 (19) 7 (15) 384 (592) 0,6 2
Ziegel, Klinker 40 (71) 30 (44) 771 (955) 0,2 4
Leichtbetonsteine aus
Naturbims 48 (104) 59 (111) 888 (1110) 1,8 1
Hüttenbims 81 (118) 104 (207) 333 (592) 0,9 2
Blähton 56 (67) 33 (93) 573 (925) 0,4 2
Beton 11 (33) 15 (44) 415 (740) 0,7 2
Porenbeton 20 (80) 20 (60) 200 (800) 1,1 3/1
Naturgips 20 (70) 9 (10) 70 (200) 0,4 3/1
Industriegips aus
Apatit 60 (70) < 20 < 40 0,4 3/1
Phosphorit 518 (1036) 19 (–) 74 (222) 24,1 1
empfohlener Grenzwert ” 130 ” 130 kein Grenzwert ” 5,0
erforderlich

Bauteil- und Gebäudekonstruktion. Hier wird 3.6.2 Bemessung von Mauerwerk


eine möglichst problemlose Rückbaubarkeit, d. h. Detleff Schermer
Trennbarkeit der verschiedenen Baustoffe an-
gestrebt, sodass sie nahezu sortenrein einer Wie- 3.6.2.1 Einführung
derverwendung zugeführt werden können. Für die Die Bemessung von Mauerwerk deckt zusammen
Wiederverwendbarkeit von Baustoffen ist deren mit den Konstruktionsregeln und den Anforde-
Umweltverträglichkeit nachzuweisen (s. a. Um- rungen bezüglich der Materialeigenschaften den
weltverträglichkeit). Von allen Mauerwerkbaustof- Nachweis ab, dass die geforderten Eigenschaften
fe herstellenden Industrien liegen z. Z. eingehende der Konstruktion als gesichert angesehen werden
Untersuchungen in Zusammenarbeit mit öffent- können [Schermer 2007]. Als geforderte Eigen-
lichen Institutionen vor, die sich sowohl auf die schaften sind zu nennen:
Wiederverwendbarkeit von sortenreinen Baustof-
fen als auch auf Baustoffe mit anhaftenden „Fremd- – Tragfähigkeit, d. h. ausreichender Sicherheitsab-
stoffen“ – wie Reste von Mauer- und Putzmörteln stand zwischen den zu erwartenden Einwirkungen
– beziehen. Die Wiederverwendbarkeit von sorten- und dem zugehörigen Widerstand der Bauteile im
reinen Baustoffen bereitet i. Allg. keine Probleme; Bezug auf den Verlust der Tragfähigkeit (d. h.
die Baustoffreste können i. d. R. der Produktion Einsturz des Gesamttragwerkes bzw. eines einzel-
wieder zugeführt werden. Dies ist nach den bisher nen Bauteils oder dessen starke Beschädigung).
vorliegenden Untersuchungsergebnissen auch in Die Nachweise im Grenzzustand der Tragfähig-
gewissem Maße für Baustoffe mit anhaftenden keit für Druck-, Schub- und Biegebeanspruchung
Mörtelresten möglich. Darüber hinaus bestehen stellen im Mauerwerksbau neben den konstrukti-
zahlreiche Möglichkeiten der Verwendung von ven Vorgaben die entscheidenden Anforderungen
Mauerwerk-Baustoffrestmassen. Auch sind derzeit für Entwurf und Konstruktion dar.
bereits sehr wirksame Verfahren zur Trennung von – Gebrauchstauglichkeit, d. h. Sicherstellung eines
Mauersteinen und anhaftenden Mörtelresten ver- der vorgesehenen Nutzung entsprechenden Bau-
fügbar. werksverhaltens.
3.6 Mauerwerk 1345

Entsprechend den Einsatzgebieten und den An- Bauwerkslebensdauer, welche üblicherweise mit
forderungen aus der Nutzung eines Bauwerks 50 Jahren angenommen wird – beeinflusst werden.
sind die erforderlichen Eigenschaften mit ausrei- Hierzu zählen beispielsweise Umwelteinflüsse
chender Zuverlässigkeit sicherzustellen. (Frost, Temperatur, Feuchtigkeit) und die Nutzungs-
Im Mauerwerksbau werden Gebrauchstauglich- intensität (nachträgliche Schlitze, Aussparungen
keitsnachweise i. d. R. nicht explizit geführt, da und Ein- und Ausbau von Befestigungsmitteln).
davon ausgegangen werden kann, dass bei Einhal- Da die Konsequenzen eines Versagens bezüglich
tung der konstruktiven Vorgaben und dem Nach- der Tragfähigkeit einerseits und der Gebrauchstaug-
weis der Tragfähigkeit diese gleichzeitig mit abge- lichkeit andererseits sich deutlich unterscheiden,
deckt werden. Sonderfälle stellen dabei lediglich werden auch unterschiedliche Versagenswahrschein-
die Begrenzung der planmäßigen Exzentrizität und lichkeiten akzeptiert. Diese werden durch unter-
der Randdehnungsnachweis dar. schiedliche Zuverlässigkeitsindizes ȕ beschrieben.
Die Überschreitung der Gebrauchstauglichkeits- Bezogen auf die Dauerhaftigkeit ist grundsätz-
anforderungen kann beispielhaft das Auftreten von lich eine analoge Abgrenzung erforderlich.
breiten Rissen in nichttragenden inneren Mauer- Eine Unterscheidung nach den Versagensfol-
werkstrennwänden infolge zu hoher Deckendurch- gen, wie in DIN EN 1990 über die Zuordnung von
biegung darstellen, welche u. a.. die optischen An- Schadensfolgeklassen CC1 bis CC3 zu den Zuver-
forderungen verletzen. In diesem Fall ist die Ur- lässigkeitsklassen RC1 bis RC3 mit den entspre-
sache und Notwendigkeit der Nachweisführung chenden Zuverlässigkeitsindizes vorgesehen, er-
nicht bei den Mauerwerksbauten sondern bei den folgt in der nationalen Vorschrift für Mauerwerks-
Betondecken zu suchen (s. a. [Schubert 1988]). bauten nicht.
– Dauerhaftigkeit, d. h. bei üblicher Wartung- und
Instandhaltung sind über die vorgesehene Bau- Tragfähigkeit
werkslebensdauer keine relevanten Einschrän- Die rechnerischen Nachweise von Mauerwerks-
kungen der geforderten Eigenschaften der Kons- bauteilen erfassen grundsätzlich nur den Grenzzu-
truktion (bezüglich der Tragfähigkeit und der stand der Tragfähigkeit.
Gebrauchstauglichkeit) zu erwarten. Die Bemessung nach dem Teilsicherheitskonzept
Im Laufe der Lebensdauer eines Gebäudes ist si- erfolgt auf Bemessungsniveau unter Variation der
cherzustellen, dass die Konstruktion gegen äuße- Einwirkungskombinationen nach DIN 1055-100:
rere physikalische und chemische Einwirkungen
einen ausreichenden Widerstand bietet und we-
der die Tragsicherheit noch die Gebrauchstaug-
lichkeit dadurch unzulässig reduziert werden. (3.6.1)
Bei Einhaltung der konstruktiven Vorgaben ein-
schließlich der Einhaltung der Stoffnormen so- bzw. bei Vereinfachung mit dem Maximalwert der
wie den Nachweisen der Tragfähigkeit bzw. der einzelnen Kombinationsfaktoren \0,iԜ2:
Gebrauchstauglichkeit ist die Dauerhaftigkeit
ebenfalls als abgedeckt anzunehmen.
Beispiele, in denen das Kriterium der Dauerhaf-
tigkeit betroffen ist, sind beispielsweise das Vor- (3.6.2)
handensein von schädlichen Salzen in entspre-
chend hoher Konzentration, treibende Bestand- Dabei wird nach den drei Bemessungssituationen
teile in den Baustoffen oder auch breite Risse in „ständig und vorübergehend“, „außergewöhnlich“
direkt bewitterten Bauteilen, bei denen der Ein- sowie „Erdbeben“ unterschieden, von denen im
tritt von Wasser und anschließender Frost direkte Folgenden die zweite als Bemessungssituation
Schäden an der Konstruktion ergeben kann. nicht weiter behandelt wird.
Für die ständigen oder vorübergehenden Be-
Diese maßgeblichen Eigenschaften können durch messungssituationen können die Werte auf Basis
den Faktor Bauwerksalter – d. h., anzusetzende von Tabelle 3.6-27 bestimmt werden.
1346 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.6-27 Bemessungswerte der Einwirkungen für den Grenzzustand der Tragfähigkeit in der ständigen oder vo-
rübergehenden Bemessungssituation DIN 1055-100

Auswirkung auf den Einwirkungsart


betreffenden Nachweis: ständige Einwirkungen Gk,j vorherrschende veränder- weitere veränderliche
liche Einwirkungen Qk,1 Einwirkungen Qk,i mit i • 2
günstige Wirkung 1,0ÂGk,j 0 0
ungünstige Wirkung 1,35ÂGk,j 1,5ÂQk,1 1,5Â\0,iÂQk,i

Bei mehreren veränderlichen Einwirkungen Qi maximal bis zum Schwerpunkt zugelassen. Ein-
kann der Aufwand für die Ermittlung der maßge- flüsse nach Theorie II. Ordnung können dabei
benden Lastkombination sehr stark ansteigen und vernachlässig werden. Dieses entspricht der in
mit Handrechnungen nicht mehr sinnvoll gehand- der alten Norm DIN 1053-1 bekannten Forde-
habt werden. rung, dass Querschnitte im Gebrauchszustand
Üblicherweise wird daher auf eine Abminde- maximal bis zum Schwerpunkt klaffen (vgl.
rung veränderlichen Einwirkungen Qi mit i>1 mit Abs. 6.9.1, DIN 1053-1).
dem Lastkombinationsfaktor ȥ0 verzichtet und Gl. Die Lastkombination bestimmt sich zu:
(3.6.3) vereinfacht sich bei druckbeanspruchten
Wänden zu:
(3.6.5)
(3.6.3)
– Nachweis der Randdehnung nach Abs. 11 (2),
E DIN 1053-13
Eine weitere Vereinfachung ist bei üblichen Hoch-
Hier ist die Lastkombination als seltene (cha-
bauten mit Stahlbetongeschossdecken und charak-
rakteristische) Situation (Abk. engl.: selten =
teristischen Nutzlasten von maximal 3kN/m² mög-
rare) nach Abs. 10.4 (2) a), DIN 1055-100 an-
lich, was für überschlägige Handrechnungen äu-
zuwenden:
ßerst hilfreich ist:

(3.6.4) (3.6.6)

Insbesondere bei Nachweisen schubbeanspruchter


– Nachweis der Randdehnung nach der Alterna-
Bauteile (Aussteifungswände) oder biegebean-
tivnachweisführung in Abs. 11 (2), Satz 3,
spruchter Bauteile – beispielsweise erddruckbean-
E DIN 1053-13:
spruchte Kelleraußenwände – mit einer günstig
Hier ist die Lastkombination als häufige Situa-
wirkende Normaldruckkraft ist auch die Untersu-
tion (Abk. engl.: häufig = frequently) nach Abs.
chung mit dem unteren Grenzwert des ständigen
10.4 (2) b), DIN 1055-100 anzuwenden:
Anteils 1,0·NG,k durchzuführen.

Gebrauchstauglichkeit (3.6.7)
Wie erwähnt, wird im Mauerwerksbau üblicher-
weise allein der Grenzzustand der Tragfähigkeit
In Folge dieser Nachweisführung darf jedoch bei
explizit rechnerisch nachgewiesen. Folgende Be-
Schubnachweisen der Traganteil aus der Haft-
reiche stellen hier eine Ausnahme dar:
scherfestigkeit nicht in Rechnung gestellt werden.
– Nachweis der Beschränkung der Exzentrizität
nach Abs. 11 (3), E DIN 1053-13: Eigenschaftswerte
Hier ist unter charakteristischen, planmäßigen Für die rechnerischen Nachweisführungen werden
Lasten ein Klaffen des Gesamtquerschnittes die charakteristischen Werte der Einwirkungen und
3.6 Mauerwerk 1347

des Widerstandes mit entsprechenden Teilsicher- durch eine Anpassung des Teilsicherheitsbeiwert
heitsbeiwerten belegt (s. Abschn. 3.6.1 und [Schu- mittels Multiplikation mit k0=1,25 erfasst.
bert 2009]). Diese erfassen im Wesentlichen die Bei Verbandsmauerwerk ist durch die Inhomo-
Möglichkeit ungünstiger Abweichungen von den genität in Wanddickenrichtung bei der Ermittlung
charakteristischen Werten, die Möglichkeit unge- der charakteristischen Mauerwerksdruckfestigkeit
nauerer Modellannahmen (Modellunsicherheit im anhand der Steindruckfestigkeit und der Mörtel-
Einwirkungsmodell und dem gewählten Tragwi- gruppe eine anschließende Abminderung von 0,85
derstandsmodell) und Ungenauigkeiten in den geo- durchzuführen.
metrischen Eigenschaften (im Mauerwerksbau im Im Rahmen der europäischen Norm wird der
Wesentlichen Lageungenauigkeiten – d. h. Position Teilsicherheitsfaktor für das Material in Abhängig-
und Bauteilachse/Schiefstellung – und weniger keit der Art (Steinkategorie des Mauerwerks, Veran-
Querschnittsdickenabweichungen). Als ein Beispiel kerungselement, Stürze, …) und der Überwachungs-
für die Modellunsicherheiten auf der Einwirkungs- klasse zwischen 1,5 und 3,0 vorgeschlagen.
seite kann die Ermittlung der Knotenmomente mit-
tels 5-%-Regel genannt werden.
3.6.2.2 Schnittgrößenermittlung
Die charakteristische Querschnittstragfähigkeit
Rk wird auf Basis der Baustoffeigenschaften mit Die Schnittgrößenermittlung bei Mauerwerks-
den charakteristischen 5-%-Quantilwerten der bauten erfolgt üblicherweise nach der Elastizitäts-
Kurzzeitbaustofffestigkeiten und dem betreffenden theorie. In Sonderfällen bei denen das nicht-lineare
Bemessungsmodell bestimmt. Verhalten von Mauerwerksbauteilen einen größe-
Für die Nachweisführung auf Bemessungsni- ren Einfluss auf die Größe und Verteilung der
veau sind diese Werte mit dem Teilsicherheitsfak- Schnittgrößen haben kann, ist auch der Einsatz von
tor auf der Widerstandsseite ȖM zu reduzieren so- nicht-linearen Verfahren möglich [Jäger u. a. 2008].
wie bei druckbeanspruchten Wänden zusätzlich Insbesondere bei dem Nachweis unter dem Last-
noch mit dem sog. Dauerstandsfaktor Ș=0,85 für fall Erdbeben sind solche Verfahren, wie beispiels-
die Erfassung von Langzeitwirkungen und sonsti- weise die Push-Over-Methode, sinnvoll. Hierbei
ger Effekte zu belegen. Bei der Druckfestigkeit ist wird das nicht-lineare Kraft-Verschiebungsverhal-
der Einfluss der Schlankheit des Probekörpers he- ten der Aussteifungswände über die Verträglich-
rausgerechnet, d. h. dieser Festigkeitswert gilt für keitsbedingung der horizontalen Verschiebungs-
die Referenzschlankheit Null. größen auf Ebene der steifen Geschossdecken ge-
koppelt, und die Verteilung der Horizontalkräfte in
(3.6.8) Abhängigkeit der gesamten Geschossauslenkung
bestimmt. Einschränkungen dieser Methode erge-
ben sich aus den begrenzten plastischen Kraft-Ver-
Für bestimmte kurze Wände bzw. Pfeiler (s. Tabel- schiebungs-Kapazitäten von Mauerwerkswänden,
le 3.6.28) wird das erhöhte Versagensrisiko – ins- dem Effekt, dass Wände bei dominierenden Kipp-
besondere bei möglichen lokalen Fehlstellen – bewegungen durch einen vertikalen Verformungs-

Tabelle 3.6-28 Teilsicherheitsbeiwerte auf der Widerstandsseite nach E DIN 1053-11 (2009-03)

Bemessungssituation im Grenzzustand Teilsicherheitsbeiwerte auf der Widerstandsseite


der Tragfähigkeit Mauerwerk Verbund-, Zug- und Druckwiderstand
ȖM von Bändern
ȖS
Ständige und vorübergehende Bemessungssituation 1,5*k0 2,5
Außergewöhnliche Bemessungssituation 1,3*k0 2,5
k0 = 1,0 allgemein für Wände und kurze Wände
k0 = 1,25 für kurze Wände, die durch Schlitze oder Aussparungen geschwächt sind oder die aus getrennten Steinen mit
einem Lochanteil von mehr als 35% bestehen
1348 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

anteil üblicherweise höhere Normalkräfte erhalten verschiedenen Vereinfachungen, die sich nach
(mit entsprechender Änderung von Steifigkeit, Güte und Rechenaufwand deutlich unterscheiden.
Verformungsfähigkeit und Tragfähigkeit) und der Eine möglichst realitätsnahe Bestimmung kann
Zyklenstabilität. Ebenfalls ist der Effekt hoher über eine Rahmenrechnung erfolgen, bei der das
Auslenkungen auf die Querwände zu prüfen – ins- nicht-lineare Verhalten – sowohl der Wände und
besondere unter der Tatsache, dass durch Umlage- Decken als auch deren Verbindung in Form der
rung der Vertikalkräfte (Aufsteigen der Schubwand Wand-Decken-Knoten – entsprechend beschrieben
und Anheben der Geschossdecken) sich die Auf- wird [Baier 2007]. Für den Nachweis der Tragfä-
last in diesen Querwänden reduziert. higkeit müssten solche Modelle auch in den Grenz-
zuständen geeignete Ergebnisse abbilden, da sich
Vertikallasten mit zunehmendem Beanspruchungsniveau die
Die Berechnung der Auflagerkräfte der horizonta- Steifigkeiten (absolut und relativ) signifikant än-
len Bauteile (Decken, Balken) auf die Wände kann dern können. Für Praxisanwendungen ist dieser
entsprechend des Bauteilverhaltens mit Stabmo- Weg i. d. R. zu aufwändig.
dellen oder Plattenmodellen erfolgen. Bei der Mo- Wichtig ist bei allen rechnerischen Verfahren,
dellierung von Plattenbauteilen mit Hilfe der Me- dass durch die konstruktive Ausbildung von Wand-
thode der Finiten Elemente kann die Verteilung Decken-Knoten die Schnittgrößenverteilung teil-
der vertikalen Lasten relativ genau modelliert wer- weise stark beeinflusst werden kann (Abb. 3.6-38).
den und die Beanspruchung der Wände durch die So ist bei einer teilweise aufgelagerten Decke auf
Auflagerung der Decken erfasst werden. Jedoch einer Außenwand die Lage der Normalkraft aus
können sich rechnerische lokale Lastspitzen bei den oberen Geschossen, d. h. die mögliche Ausmit-
ein- bzw. ausspringenden Ecken ergeben, die zu te von der Lage (Vorzeichen) und dem Betrag ein-
Problemen bei den lokalen Nachweisen der Wän- gegrenzt. Dieses muss bei der Bemessung in Form
de führen. der Querschnittstragfähigkeit (NRd und MRd) be-
Hier ist anzumerken, dass bei Stahlbetondecken rücksichtigt werden. Zudem sind durch solche
im Bereich hoher M-V-Beanspruchungen die Riss- Randbedingungen auch Umlagerungsmöglichkei-
bildung zu Umlagerungen führt und die Lasten da- ten, z. B. die Umlagerung von Feldmomenten zu
mit gleichmäßiger verteilt werden. Bei der nume- Stützmomenten (Wind) u. U. eingeschränkt.
rischen Beschreibung kann auch der Ansatz von Eine vereinfachte Rahmenberechnung an einem
nachgiebigen Auflagersteifigkeiten (Druckfedern Ersatzsystem mit anschließender pauschaler Ab-
mit der Steifigkeit EA/l) zur Reduktion solcher minderung der berechneten Knotenmomente kann
Lastspitzen führen. gemäß Eurocode 6 (Anhang C) (2006) angewendet
Bei der Berechnung einachsig gespannter Bau- werden (Abb. 3.6-39).
teile, die über mehrere Felder durchlaufen braucht Die Knotenmomente werden in einem ersten
die Durchlaufwirkung i. d. R. nur beim Endaufla- Schritt bestimmt zu:
ger und dem ersten Zwischenauflager betrachtet
werden, außer wenn das Verhältnis der weiteren
Stützweiten 1:0,7 überschritten wird.
Für die Handrechnung oder die Überprüfung
der Ergebnisse von FE-Berechnungen an mehr-
achsig gespannten Plattenbauteilen bieten sich die
Anwendung von Lasteinzugsflächen an. Hierbei (3.6.9)
wird die Grundrissfläche in Trapeze eingeteilt, de-
ren Winkelverhältnisse von den Randbedingungen
an den Auflagerstellen abhängen (Abb. 3.6-37). Die Abminderung für nicht-lineare Effekte kann
unter der Voraussetzung, dass die mittleren Druck-
Deckeneinspannung und Momentenverlauf spannungen im Stiel mindestens 0,25 N/mm² betra-
Für die Bestimmung der Einspannmomente von gen, mit Multiplikation mit dem Faktor 1 t (1 - k / 4)
Geschossdecken in Mauerwerkswände existieren t 0,5 erfolgen.
3.6 Mauerwerk 1349

Abb. 3.6-37 Grundriss einer 2-achsig gespannten Decke mit Ermittlung der Lastweiterleitung auf die vertikal tragenden
Bauteile mit Hilfe von Lasteinzugsflächen [Zilch/Zehetmaier 2010]

chen 50% sind durchgehend und in allen Feldern


liegend anzunehmen. Ebenfalls sind die ständigen
Dabei gilt:
Lasten in allen Feldern mit dem gleichen Teilsicher-
heitsbeiwert zu belegen, d. h. es erfolgt dann keine
feldweise Unterscheidung nach ȖG,sup und ȖG,inf.
Beträgt die mittlere Druckspannung im betref- Der Momentennullpunkt in einer Wand darf bei
fenden Stiel weniger als 0,25 N/mm² oder ist die der Ermittlung der Knotenmomente vereinfacht in
rechnerisch bestimmte Ausmitte der Normalkraft halber Geschosshöhe angenommen werden. Sons-
e=M/N > 0,4·t (oft bei Knoten unter obersten De- tige Lasten, die weitere horizontale Biegung in der
cken der Fall), so ist der Nachweis der Querschnitt- Wand erzeugen – z. B. infolge Windlasten oder in-
stragfähigkeit gem. Eurocode 6, Anhang C (2006) folge Erddruck – sind bei der Ermittlung der Mo-
möglich (s. Abb. 3.6-40). mentenbeanspruchung über die Wandhöhe additiv
In der nationalen Norm E DIN 1053-13 ist eine dazuzuschlagen. Für die Anwendung bedeutet
pauschale Abminderung der bei elastischer Rah- dieses, dass in einem ersten Schritt die Knotenmo-
menberechnung ermittelten Knotenmomente auf mente am Wandkopf und -fuß aus der Rahmenbe-
2/3 erlaubt. Bezüglich der Laststellung sind von den rechnung oder unter Anwendung eines anderen
veränderlichen Lasten – falls sie ungünstig wirken Ersatzverfahrens bestimmt werden und anschlie-
– maximal 50% blockweise anzusetzen. Die restli- ßend die restlichen Feldmomente eingehängt wer-
1350 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-38 Ausbildungsmöglichkeit des Wand-Decken-Knotens bei monolithischer Wandkonstruktion

Abb. 3.6-39 Vereinfachtes Rahmensystem bei der Bestim- Abb. 3.6-40 Spannungsblock und Ausmittigkeit beim
mung der Momente des Wand-Decken-Knotens nach Euro- Nachweis nach Eurocode 6, Anhang C bei Dachdecken mit
code 6, Anhang C e • 0,4  t

den. Eine gewisse Umlagerung vom Feld zu den gel gegeben (Abb. 3.6-41). Hierbei wird angenom-
Stützmomentbereichen ist bei Nachweis der Auf- men, dass die Auflagerkraft A einer Geschossdecke
nahme des Stützmomentes erlaubt. im Wand-Decken-Knotenpunkt nicht zentrisch an-
Eine weitere Rechenvereinfachung ist mit der greift, sondern mit einem Versatz (= Hebelarm),
Knotenmomentermittlung nach der sog. 5-%-Re- der 5% der angrenzenden Deckenstützweite (bei
3.6 Mauerwerk 1351

Abb. 3.6-41 Ersatzsysteme für die Ermittlung der Knotenmomenten nach der sog. 5-%-Regel (DIN 1053-1)

Abb. 3.6-42 Verteilung der ermittelten Knotenmomente auf die Wandstiele


1352 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Endauflagerung) bzw. 5% der Differenz der beiden


angrenzenden Deckenstützweiten (bei Mittelaufla-
gerung) beträgt.
Entsprechend kann das durch die Deckenein- (3.6.13)
spannung in den Wand-Decken-Knoten eingeleitete
Moment bestimmt werden mit M = 5%*(l1-l2)*A.
Dieses Knotenmoment verteilt sich bei Zwi-
schendecken gleichmäßig auf die angrenzenden Aus der Zwischenauflagerung ist keine Traglast-
Stiele – bei Dachdecken jedoch erhält die Wand im minderung anzusetzen.
obersten Geschoss am Kopf das volle Biegemoment Biegung aus Wind oder vergleichbaren Beanspru-
(Abb. 3.6-42). chungen ist dem aus der Knotenmomentberechnung
Insbesondere bei Dachdecken, bei der keine das bestimmten Verlauf zuzuschlagen. Dabei ist eine
Biegemoment überdrückende Normalkraft aus Umlagerung vom Feld- zum Stützmoment unter
oberen Geschossen vorhanden ist, kann die rech- Einhaltung der Gleichgewichtsbedingung und den
nerisch bestimmte Ausmitte der Resultierenden Vorgaben bei den Nachweisen der Querschnitts-
e=M/N außerhalb des Querschnittes liegen. Hier tragfähigkeit der Knoten sowie der Schnittgrößen-
ist nach E DIN 1053-13, Abs. 9.5 bei einer Ausmit- ermittlung (u. a. teilweise aufliegende Decken, s.
te e>0,45·t bei Ansatz eines Spannungsblocks mit oben) möglich.
dem Betrag fd ein Zurückholen der Last erlaubt. Es
stellt sich eine Spannungsverteilung gem. Abb. Schubkraftverteilung und Aussteifung
3.6-51 mit einer überdrückten Länge von NEd/fd Die Ermittlung der Schubkraftverteilung in einer
dar, d. h. das Knotenmoment beträgt Konstruktion auf die einzelnen Bauteile erfolgt üb-
licherweise nach der Elastizitätstheorie unter Be-
achtung der Verträglichkeiten. Bei der Untersu-
(3.6.10) chung im Grundriss sind als Ersatzsteifigkeiten der
Bauteile entsprechend der auftretenden horizonta-
len Verformungsanteile eine Kombination aus
Ein maximales Knotenmoment kann rechnerisch Schubsteifigkeit und Biegesteifigkeit anzusetzen
bei einer Auflast von NEd=0,5*t*fd zu [Jäger u. a. 2008]. Infolge der räumlichen Inter-
MEd=0,125*fd*t² erreicht werden. aktionen von Geschossdecken und Wänden kann
Die einfachste Abdeckung von Effekten der dieses Vorgehen jedoch lediglich als erste Ab-
Deckeneinspannung auf die Querschnittstragfähig- schätzung des tatsächlichen Verhaltens gesehen
keit ist in Form der pauschalen Erfassung mit dem werden (Wölbverformungen der Gesamtkonstruk-
Faktor ĭ1 im Zuge des vereinfachten Verfahrens in tion). Wichtig ist zudem noch, dass insbesondere
E DIN 1053-11 gelöst. Hierbei wird bei Endaufla- bei Windlasten und Erdbeben eine ungewollte Aus-
gern von Decken die Stützweite und die Auflager- mitte der wirkenden Lasten angesetzt werden soll-
tiefe für die Bestimmung der Abminderungsfaktors te, was insbesondere bei torsionsweichen Grund-
angesetzt. Bei Dachdecken ist dieser zudem pau- rissen zu relevanten Lasterhöhungen für Einzelbau-
schal zu 0,33 festgelegt, was das duktile Rotations- teile führen kann.
verhalten bei geringen Auflasten berücksichtigt. Unter Umständen ist auch der Effekt einer Er-
höhung der Wandnormaldruckkraft infolge Kipp-
effekten und Umlagerung der Deckenlasten zu be-
(3.6.11) rücksichtigen.
Die so ermittelten Verteilungen können ohne
weitere genauere Nachweise der Verformungsfähig-
keit der Wände bei Einhaltung der Gleichgewichts-
(3.6.12) bedingung (ȈH, ȈMT) mit einer Umlagerung von
15% der Schubkräfte der einzelnen Wände auf an-
dere belegt werden. In Sonderfällen – insbesondere
3.6 Mauerwerk 1353

bei Erdbebenbeanspruchung – sind auch nicht-line- ment aufgebracht, welches sich als Produkt der
are Ansätze (push-over-Methode) möglich. Horizontalkraft und der halben Wandhöhe be-
Entscheidend für die Tragfähigkeit von Schub- stimmt. Die Prüfung kann dabei entweder mit sta-
wänden unter kombinierte N-M-Q-Beanspruchung tisch monoton zunehmender Horizontalbeanspru-
ist neben dem Betrag der Horizontallast auch die chung (i. d. R. weggeregelt) oder statisch-zyklisch
Vertikaldruckkraft und die Momentenbeanspru- (für die Ermittlung des Verhaltens unter Erdbeben-
chung am Wandkopf und -fuß. Umfangreiche Un- lasten) erfolgen (s. Abb. 3.6-44). Entscheidend da-
tersuchungen [Zilch/Schermer 2005a] zeigen, dass bei ist, dass die Auflast in Form der aufgebrachten
sich in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit – ins- Normalkraft absolut konstant bleibt.
besondere im Lastfall Erdbeben mit den hier zu er- Der rechnerische Nachweis der Aussteifungssi-
wartenden hohen horizontalen Verschiebungen – cherheit wird in der Praxis selten explizit geführt.
höhere Einspanngrade in die Geschossdecken erga- Die Gründe hierfür sind, dass bei üblichen Hochbau-
ben als bei linear-elastischer Berechnung bestimmt. ten im Mauerwerksbau zum einen die horizontalen
Für experimentelle Ermittlung der Schubtragfä- Einwirkungen vom Betrag her gering sind (Hori-
higkeit von Mauerwerkswänden wurde aufbauend zontallasten überwiegend aus Windlasten und un-
auf diese Ergebnisse und die Auswertung bereits planmäßiger Schiefstellung, Gebäudehöhe be-
bekannter Prüfverfahren ein neues, realitätsnahes schränkt) und dass konstruktiv gut ausgebildete
Schubprüfverfahren vorgeschlagen. Hierbei wird Strukturen einen ausreichenden Widerstand und
die Wand am Kopf mit einer Normalkraft und einer Tragfähigkeit diesbezüglich bieten. Eine entspre-
horizontalen Schubkraft bzw. Horizontalverschie- chende Formulierung in E DIN 1053-11 lautet „Auf
bung beansprucht (s. Abb. 3.6-43). Für die Be- einen rechnerischen Nachweis der Aussteifung des
schreibung des Grenzfalles einer vollen Einspan- Gebäudes darf verzichtet werden, wenn (…) in
nung am Wandkopf wird ein gegendrehendes Mo- Längs- und Querrichtung des Gebäudes eine offen-

Abb. 3.6-43 Versuchsstand für die Untersuchung von kombiniert beanspruchten Mauerwerkswänden [Zilch/Schermer 2005b]
1354 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-44 Hysteresen und zugehörige Rissbilder von drei Schubversuchen unter Variation der Wandlänge und des
Überbindemaßes an geschosshohen KS-Planelementwänden (CS04, 05 und 06) [Zilch u. a. 2008]

sichtlich ausreichende Anzahl von genügend langen – größere planmäßige Horizontallasten aus einsei-
Aussteifungswänden vorhanden ist (…)“. tigem Erddruck,
In der Konsequenz bedeutet das, dass bei offen- – Horizontallasten aus Erdbebeneinwirkung/Ex-
sichtlich ausreichend ausgesteiften Gebäuden auf plosion/Anprall,
einen rechnerischen Nachweis verzichtet werden – torsionsempfindliche Struktur,
kann. Die Beurteilung ob ein Gebäude ausreichend – Unregelmäßigkeiten im Grund- und Aufriss,
ausgesteift ist oder nicht, kann aufgrund der Kom- – hohe Gebäude bzw. hohe Windlasten (Küsten-
plexität des Themas nur schwer anhand einfacher nähe),
Kriterien gefasst werden, sondern benötigt einen ge- – Abfangungen von Aussteifungswänden.
übten Blick und ausreichenden Erfahrungsschatz.
Bei folgenden Fällen ist eine vertiefte Betrach- Beim Entwurf ist darauf zu achten, dass die Vertei-
tung bzw. ein rechnerischer Nachweis erforderlich: lung der Horizontallasten auf die Aussteifungsbau-
teile durch horizontale Aussteifungsbauteile sicher-
3.6 Mauerwerk 1355

Abb. 3.6-45 Frei stehende Kragwand mit äußerer Normalkraft am Wandkopf und Streckenlast über die Wandhöhe

gestellt wird. Hier werden üblicherweise Stahlbe- Knicklänge, welche geometrisch den Abstand der
tondecken oder sonstige Decken mit Scheibenwir- Wendepunkte der Knickfigur beschreibt.
kung verwendet (z. B. Porenbetondeckenplatten Die frei stehende Wand beschreibt (s. Abb. 3.6-
oder Ziegeldecken). Kann die Scheibenwirkung der 45) unter konstanter Normalkraft der Euler-Fall 1
Decken nicht sicher angenommen werden, z. B. und weist eine Knicklänge von der 2-fachen Kraglän-
weil Holzbalkendecken verwendet werden oder ge auf. Für den Fall, dass durch das Eigengewicht der
weil große Öffnungen in den Decken vorhanden Wand der Normalkraftverlauf über die Höhe signifi-
sind, so sind ausrechend steife und tragfähige Ring- kant beeinflusst wird, kann die Anpassung der Knick-
balken anzuordnen, die durch ihre horizontale länge entsprechend Gl. (3.6.14) erfolgen:
Tragwirkung auf Biegung und Zug die Lasten ent-
sprechend verteilen.
(3.6.14)
3.6.2.3 Knicken
Standardmäßig werden Wände am Kopf und Fuß
Die Tragfähigkeit von schlanken und auf Druck horizontal unverschieblich gehalten und sind da-
hoch belasteten Wänden ist durch das Knicken be- mit als 2-seitig gehalten anzusehen – die Knick-
schränkt. Entscheidend für dieses Verhalten ist die länge entspricht somit dem 1-fachen der lichten
1356 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-46 2-seitig gehaltene Mauerwerkswand ohne und mit elastischer Einspannung in die Geschossdecken zur
Reduktion der Knicklänge

Wandhöhe hs (Euler Fall 2). Für den Fall, dass am fähigkeit des aussteifenden Bauteils gekoppelt
Kopf und Fuß durch die Aussteifungsbauteile (quer (s. Abb. 3.6-47). Entscheidend für die Wirksamkeit
spannende Decken) eine Teileinspannung und da- von quer stehenden knickaussteifenden Wänden
mit teilweise Verdrehungsbehinderung gegeben ist neben der Wandlänge und -dicke auch eine aus-
ist, führt dieser Effekt zu einer weiteren Reduktion reichende Normalkraft in diesen Bauteilen, die für
der 1-achsigen Knicklänge (s. Abb. 3.6-46). eine ausreichende Steifigkeit und Tragfähigkeit er-
In den aktuellen Normen ist die Größe dieses forderlich ist; d. h., auf Druck unbelastete Quer-
Effektes für übliche flächig aufgelagerte Stahlbe- wände sind hier i. d. R. nicht wirksam.
tondecken an eine Mindestauflagertiefe, die plan- Die horizontale Biegesteifigkeit, die für die 3- oder
mäßige Ausmitte der eingeleiteten Normalkraft 4-seitige Knickhalterung erforderlich ist, hängt u. a.
und die Wanddicke gekoppelt (Steifigkeitsverhält- vom Überbindemaß ü/h ab. Eine Unterschreitung des
nis von Wandstiel und Deckenriegel). Regelwertes von 40% der Steinhöhe führt zu einer
Sind die Wände in Querrichtung des Weiteren Reduktion dieser Größen [Glock 2004]. In der aktu-
durch Querwände oder sonstige wirksame knick- ellen Vorschrift ist dieser Effekt in Abhängigkeit der
aussteifende Bauteile (z. B. ausreichend steife Steingeometrie (Steinhöhe/Steinlänge) entsprechend
Stahlbetonlisenen) gehalten, so kann eine 3- bzw. beschrieben (E DIN 1053-13, Tabelle 11).
4-seitige Halterung angenommen werden. Für die
maximalen Abstände dieser Festhaltungen und die 3.6.2.4 Nachweis der Tragfähigkeit
resultierenden Knicklängen sind entsprechende
Randbedingungen und Vorgaben zu finden. Die Die Bemessung mit dem maßgeblichen Nachweis
3- oder 4-seitige Knick- bzw. Beulfigur ist an eine der Tragfähigkeit erfolgt entsprechend der Bean-
ausreichende horizontale Biegesteifigkeit und -trag- spruchungsart für
3.6 Mauerwerk 1357

Abb. 3.6-47 3-seitig gehaltene Mauerwerkswand mit Kick- bzw. Beulfigur

– Druck mit bzw. ohne Ausmitte, gegenüber Mauerwerk aus künstlichen Steinen be-
– Biegung (horizontal, d. h. parallel zu den Lager- schränkt.
fugen oder vertikal, d. h. senkrecht zu den La-
gerfugen), Druckbeanspruchung
– Schub (Plattenschub bzw. Scheibenschub). Druckbeanspruchte Wände werden unterteilt nach
der Größe der Ausmitte der Normalkraft. Ent-
Für die Aufnahme von Zugspannungen ist unbe- sprechend ist entweder von einer dominierenden
wehrtes Mauerwerk grundsätzlich nicht gut geeig- Druckbeanspruchung oder einer dominierenden
net. Lediglich bei horizontaler Biegung ist durch Biegebeanspruchung auszugehen. Da Druckkräfte
den Verband und die Verbundfestigkeit eine gewisse senkrecht zu den Lagerfugen i. d. R. günstig bezüg-
(Biege-)Zugfestigkeit nachweisbar. In vertikaler lich der Biegetragfähigkeit wirken, steht die maß-
Richtung dominiert die Haftzugfestigkeit zwischen gebliche bemessungsrelevante Kombination nicht
Stein und Mörtel das entsprechende Versagensbild. von vornherein fest.
Aufgrund des geringen Betrages und der hohen Druckbeanspruchtes Mauerwerk verhält sich in
Streuung wird diese Zugfestigkeit für tragende den üblichen Lastbereichen annähernd linear-elas-
Wände nicht in Rechnung gestellt. tisch. Die Spannungs-Dehnungs-Linie eines 2,5 m
Für Natursteinmauerwerk sind die Besonder- hohen Prüfkörpers von Planhochlochziegelmauer-
heiten hinsichtlich des Einflusses der Ausführungs- werk ist in Abb. 3.6-48 exemplarisch dargestellt.
güte und der verwendeten Materialien in E DIN Die einzelnen Linien geben unterschiedliche Mess-
1053-14 geregelt. Des Weiteren ist die Schlankheit strecken auf dem Prüfkörper wieder.
1358 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-48 Spannungs-Dehnungs-Linie aus einem geschosshohen Wanddruckversuch an Hochlochziegelmauerwerk

Es ist erkennbar, dass der Nachbruchbereich gesehen wird. Weitere Hintergründe des aus dem
nur gering ausgeprägt ist. Etwas stärker ist der Ef- Betonbau entliehenen Ansatzes sind in [Zilch/Rog-
fekt bei Kalksandsteinmauerwerk, bei dem die ge 2004] zu finden.
Bruchstauchungen bis 4‰ liegen (s. Abb. 3.6-49). Beim Ansatz des Spannungsblocks (Abb. 3.6-51)
Im Zugbereich ist davon auszugehen, dass im wird für die Bemessung dagegen angenommen, dass
Bemessungszustand für den Nachweis der Tragfä- in diesem Bereich die Druckspannungen konstant
higkeit die vorhandene Haftzugfestigkeit senkrecht den Betrag fd aufweisen und Gleichgewicht zwischen
zu den Lagerfugen nicht wirksam ist und bei auftre- Einwirkung und Widerstand herrscht (ȈN, ȈM).
tenden Dehnungen diese Bereiche keine Span- Im Vergleich zu dem Ansatz eines linear-ela-
nungen (d. h. keine Schub- oder Zugspannungen) stischen Verhaltens in DIN 1053-1 stellt dieses
übertragen können. Der Querschnitt wird für die üb- eine signifikante Vereinfachung dar. Die Frage, ob
liche Bemessung klaffend angesetzt – Sonderfälle ein vergleichbares Sicherheitsniveau bzw. Tragfä-
sind hier biegebeanspruchte Ausfachungsflächen. higkeitsniveau mit dem neuen Ansatz erreicht
Im Druckbereich erfolgt für den Nachweis der wird, kann nicht pauschal beantwortet werden, da
Drucktragfähigkeit eine Idealisierung in Form sich die Nachweise durch die Grenzzustandsbe-
eines sog. Spannungsblocks (E DIN 1053-13) bzw. trachtung (Bemessungsniveau mit Kombinations-
eines allgemeinen Parabel-Rechteck-Diagramms faktoren auf der Einwirkungsseite) im Vorgehen
(Eurocode 6, s. Abb. 3.6-50), welches jedoch für grundsätzlich unterscheiden.
unbewehrtes Mauerwerk mit den in Deutschland Die Biegebeanspruchung in Scheibenebene ist
üblichen Mauerwerksbaustoffen als zu günstig an- durch die Betrachtung des Bauteils unter entspre-
3.6 Mauerwerk 1359

Abb. 3.6-49 Spannungs-Dehnungs-Linien verschiedener Stein-Mörtel-Kombinationen unter Druckbeanspruchung senk-


recht zu den Lagerfugen [Meyer/Schubert 1992]

Abb. 3.6-51 Spannungsblock bei der Bemessung unter


Druckbeanspruchung

Abb. 3.6.50 Qualitative Arbeitslinie von Mauerwerk nach


Eurocode 6 [EN 1996-1-1]

chender Ausmitte der Druckkraft in Wandlängs- Steinhöhe bezogene Last abgetragen werden. Ein
richtung lösbar. Versagen des Steins ist durch seine Längszugfe-
stigkeit bestimmt. Daneben werden in den Lager-
Biegebeanspruchung fugen Torsionsschubspannungen übertragen, deren
Reine horizontale Biegung in Plattenebene (Abb. Verlauf vom Steinformat und der Verbandsausfüh-
3.6-52) erzeugt in den Steinen Biegezug- und Bie- rung – d. h. bei einem regelmäßigen Läuferverband
gedruckspannungen. vom Verhältnis von Überbindemaß zu Steinhöhe –
Durch die Tatsache, dass in den Stoßfugen kei- abhängt. Ein Versagen ist durch die Überschrei-
ne Zugspannungen und üblicherweise auch nur ge- tung des Verbundes bestimmt, der sich aus einer
ringe Druckspannungen übertragen werden kön- Torsionshaftscherfestigkeit und einem von der ver-
nen, muss in jeder Steinreihe die doppelte auf die tikalen Auflast abhängigen Reibanteil zusammen-
1360 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-52 Horizontale Biegebeanspruchung einer Mau- Abb. 3.6-53 Vertikale Biegebeanspruchung einer Mauer-
erwerkswand (schematische Darstellung aus EN 1996-1-1, werkswand (schematische Darstellung aus EN 1996-1-1,
Bild 3.1) mit zugehöriger Festigkeit fx2 Bild 3.1) mit zugehöriger Festigkeit fx1

setzt [Schmidt u. a. 2008]. Bei zusätzlicher Bean- ist eine nennenswerte Tragfähigkeit lediglich bei
spruchung mit vertikaler Biegung und entspre- ausreichender vertikaler, die Biegebeanspruchung
chendem Schub führt die Interaktion zu einer überdrückende Druckkraft vorhanden.
Überlagerung der Schubspannungen und ggf. zu Lediglich bei Bauteilen, deren Versagen nicht
veränderten überdrückten Querschnittsflächen. zum Einsturz oder zum Stabilitätsversagen des
In den Festigkeitsvorgaben in E DIN 1053-13 ganzen Tragwerkes führt, ist für kurzzeitig wir-
ist die Tatsache, dass jede Steinreihe die doppelte kende Lasten der Ansatz dieser Festigkeit für Mau-
ihrer geometrisch zugeordneten Biegezugbean- erwerk im Dünnbettmörtelverfahren explizit mög-
spruchung aufnehmen muss, über den Faktor 0,5·fbz lich (Wind auf Ausfachungswände). Eine eventuell
berücksichtigt. Die Steinzugfestigkeit fbz bestimmt zusätzlich vorhandene günstig wirkende Druck-
sich dabei aus dem Produkt įi·fbk, was die unter- spannung wird mit einbezogen. Dieses Vorgehen
schiedlichen Verhältniswerte von Steinzug- zu ist jedoch nur dann sinnvoll und wirtschaftlich,
normierter Druckfestigkeit widergibt. Insbesonde- wenn das Biegeversagen durch den Verbund von
re für Porenbeton ist der hohe įi-Wert durch die Stein und Mörtel dominiert wird. Ist eine ausrei-
Materialbeschaffenheit erklärbar. chend hohe Vertikaldruckkraft in der Wand vorhan-
Bezüglich des Torsionshaftscherfestigkeits-Trag- den, so ergibt der Nachweis für exzentrische Druck-
anteils ist eine Abstufung für vermörtelte und un- beanspruchung mit Hilfe des Spannungsblocks
vermörtelte Stoßfugen vorgesehen, womit Versuchs- deutlich höhere Traglasten.
ergebnisse besser beschrieben werden können. Des Weiteren ist festzustellen, dass in den Vor-
Bei vertikaler Biegebeanspruchung (Abb. 3.6- gaben zu den Ausfachungsflächen für Mauerwerk
53) treten Biegezugspannungen senkrecht zur Lager- mit Normalmörtel in E DIN 1053-11 eine gewisse
fuge auf. Grundsätzlich stellt sich die Problematik, Haftzugfestigkeit bereits mit eingerechnet ist, ohne
dass diese Materialfestigkeit stark streut und signifi- dass dieses explizit angegeben wird.
kant durch die Ausführungsgüte und die sonstigen Für den Fall, dass diese Ausfachungswände auch
Bedingungen (Klima, Baustoffvorbereitung) bei der als knickaussteifende Bauteile erweitere Tragfunk-
Ausführung beeinflusst wird. Ein sicheres Vorhan- tionen aufnehmen, müssen die Folgen eines solchen
densein dieser Festigkeitsgröße kann somit in aus- möglichen Versagens genauer verfolgt werden.
reichender Größenordnung nicht angenommen wer-
den. Daher wird dieser Traganteil bei tragenden Schubbeanspruchung
Wänden, die für die Standsicherheit von Gebäuden Schub in Scheibenebene (vereinfachtes Kragsystem
erforderlich sind, nicht in Rechnung gestellt. Hier unter kombinierter Beanspruchung in Abb. 3.6-54
3.6 Mauerwerk 1361

ner Relativverschiebung wird die Haftscherfestig-


keit abgebaut – eine weitere Laststeigerung ist bis
zum Durchplastifizieren der gesamten Gleitfläche
möglich. Hier kann sich die Horizontallast auf den
globalen Reibwert – ohne Abminderung infolge
blockförmiger Normalspannungsverteilung in den
Lagerfugen – angleichen.
Als Versagenskriterien können folgende Fälle
angesehen werden:

– Biegedruckversagen (Eckbereiche)
Die Wand versagt in der Biegedruckzone auf-
grund des Erreichens der Mauerwerksdruckfes-
tigkeit.
Abb. 3.6-54 Kragscheibe unter kombinierter Beanspru- – Horizontales Gleiten in den Lagerfugen
chung. N Normalkraft, M Biegung, V Schub Bei geringer Haftscherfestigkeit in der untersten
Fuge gleitet das gesamte Bauteil mit ungestör-
dargestellt) erzeugt durch die orthotrophen Eigen- tem Verband in der horizontalen Fuge.
schaften von Steinen und die Verbandsgliederung – Rotation und Kippen der Einzelsteine (treppen-
ungleichmäßige Spannungsverläufe im Mauerwerk förmiges Rissbild in Stoß- und Lagerfugen) –
(Abb. 3.6-55). Stoßfugen nehmen bei der heute üb- auch als Klaffen der Lagerfugen bezeichnet.
lichen unvermörtelten Ausführung keine nennens- Bei geringer Vertikalkraft in der Wand führt ein
werten Spannungen auf. Aus Gleichgewichtsgrün- großes Verhältnis von Steinhöhe zu Steinlänge
den ist bei Schnittführung in den Lagerfugen somit zu einer Steinrotation mit Klaffen der Lagerfu-
eine unterschiedliche Normalspannungsverteilung gen (gegenüberliegende Quadranten).
in den vier Teilabschnitten erforderlich [Mann/Mül- – Steinzugversagen (bei symmetrischen Systemen
ler 1985; Kranzler 2008]. Die Verteilung der Schub- i. d. R. in Wandmitte)
spannungen kann auf verschiedene Art beschrieben Bei hoher Auflast führt die schiefe Haupt-
werden – üblicherweise wird vor Erreichen von zugspannung zu einem Zugversagen des diesbe-
Gleitverschiebungen in der Fuge ein parabelför- züglich i. d. R. in Wandmitte maximal bean-
miger Verlauf angenommen. Ab dem Auftreten ei- spruchten Steins.

Abb. 3.6-55 Spannungszustand an einem aus einer kombiniert beanspruchten Mauerwerksscheibe herausgeschnittenen
Einzelstein (Darstellung mit im Vergleich zum regelmäßigen Läuferverband reduziertem Überbindemaß)
1362 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.6.2.5 Vereinfachtes Nachweisverfahren

Mit dem Anwendungsbereich des vereinfachten


Verfahrens (E DIN 1053-11) wird – analog zu EN
1996-3 – darauf abgezielt, möglichst sämtliche üb-
lichen Mauerwerkskonstruktionen des Hochbaus
nachweisen zu können.
Die Anwendungsgrenzen sind dabei wie folgt:
– Gebäudehöhe bis 20 m, was die Einwirkungen
aus Wind beschränkt,
– Deckenstützweite bis 6 m (Beschränkung der
durch die Auflagerverdrehung in die Wand ein-
geleiteten Momente) und Nutzlasten bis 3 bzw.
Abb. 3.6-56 Auf Plattenschub beanspruchte Mauerwerks- 5 kN/m²,
wand (vereinfacht ohne angreifende äußere Momentenbe- – Beschränkungen der Wandhöhe (Schlankheit)
anspruchung dargestellt)
gem. Bauteilart (Innenwand oder Außenwand).
Allgemein sind Fälle, bei denen größere horizonta-
– Ecksteinversagen in Folge eines Reibversagens le Lasten oder vertikale Lasten mit größerer Aus-
in Wandmitte mitte angreifen und somit Biegung in den Wänden
Durch ein abgetrepptes Rissbild in den Stoß- und erzeugen durch das genauere Verfahren nachzu-
Lagerfugen (Reibgleiten in den geringer bean- weisen. Gleiches gilt für Kragwände. Zudem sind
spruchten Quadranten des Steine) wird der Stein Bauteile, bei denen ein Nachweis der Schubtragfä-
im untersten Eckbereich höher beansprucht higkeit oder der Aussteifung erforderlich ist, eben-
(Druck und Schub) und es erfolgt ein Steinversa- falls mit dem genaueren Nachweisverfahren zu
gen in Form eines annähernd vertikalen Risses. behandeln, da im vereinfachten Verfahren keine
Schubbemessung implementiert ist.
Insbesondere bei sehr kleinen Überbindemaßen Die Nachweise im vereinfachten Verfahren
und hohen Steinen kann es zudem zu einem Abrei- konzentrieren sich dabei auf den Nachweis der
ßen des Eckbereiches eines Einzelsteins kommen, Druckbeanspruchung (zentrisch/exzentrisch):
was in den üblichen Bemessungsansätzen nicht ex-
– Die Traglastminderung infolge der Einleitung
plizit beschrieben ist und durch die Angleichung
von Momenten infolge Deckeneinspannung wird
der teilweise empirischen Bemessungsgleichungen
mit dem Faktor ĭ1 erfasst. Dieser wird in der ak-
an die Versuchswerte abgedeckt wurde.
tuellen Vorschrift in Abhängigkeit der Decken-
Der Spannungszustand stellt sich qualitativ bei
spannweite sowie der Mauerwerksdruckfestig-
variablem Überbindemaß entsprechend Abb. 3.6-
keit berechnet.
55 dar:
(ĭ1: s. Gl.n (3.6.10 bis 3.6.13)
Bei Plattenschub stellt sich für einschalige
– Die Traglastminderung infolge Knickens be-
Wände keine ungleichmäßige Schubspannungsver-
stimmt sich über den Kennwert der Schlankheit
teilung dar, da bei Einsteinmauerwerk keine Ver-
hk/t sowie bei teilweise aufliegenden Decken-
bandsausführung in Querrichtung zu Störungen
platten zusätzlich noch über das Verhältnis von
führt (Abb. 3.6-56). Die in dem überdrückten Be-
Auflagertiefe a, Dicke einer evtl. vorhandenen
reich übertragbaren Schublasten sind lediglich
Vormauerung tv und der Wanddicke t:
von der Haftscherfestigkeit und dem Reibanteil ab-
hängig. Der Einbau von üblichen Horizontal- Bei voll aufliegenden Deckenplatten:
abdichtungen (besandete Bitumendachbahn R500)
hat nach vorliegendem Kenntnisstand keinerlei . (3.6.15)
negative Auswirkungen auf die Schubtragfähigkeit.
3.6 Mauerwerk 1363

Bei teilweise aufliegenden Deckenplatten: Für den Nachweis wird die Querschnittstragfä-
higkeit NRd als Produkt von Bruttoquerschnittsfläche
. A, Bemessungswert der Mauerwerksdruckfestigkeit
fd und dem Abminderungsfaktor ĭ beschrieben:
(3.6.16)
(3.6.17)
Die Biegebeanspruchung ist im vereinfachten Ver- Bei einseitiger Lastausmitte e = M/N ergibt sich
fahren rechnerisch nicht explizit nachzuweisen, da für einen Rechteckquerschnitt der Breite t der Ab-
dominierend biegebeanspruchte Wände entweder bei minderungsfaktor ĭ zu
Ausfachungsflächen durch Einhaltung der Größen-
(3.6.18)
beschränkungen oder bei Kelleraußenwände durch
einen besonderen Nachweis bemessen werden. Für den rechnerischen Nachweis bei Scheibenbe-
Nachweise auf Schub werden im vereinfachten anspruchung wird der Ausdruck als Nachweis am
Verfahren grundsätzlich als nicht erforderlich an- Wandkopf bzw. -fuß (Index i) umgeformt zu:
gesehen, da die Anforderungen (konstruktive An-
forderungen, Beschränkung des Anwendungsbe-
(3.6.19)
reiches) und die entsprechend geringen Lasten
dieses nicht notwendig machen. Kann auf einen
Nachweis der Schubtragfähigkeit bei der Kon- Über den Ausdruck der Schubschlankheit ȜV als Ver-
struktion (Aussteifung) oder einzelner Bauteile hältnis von Wandhöhe zu Wandlänge wird
nicht verzichtet werden, so ist das genaue Verfah- die Schubwand auf ein entsprechendes Ersatzsystem
ren anzuwenden. zurückgeführt. Bei der Nachweisgleichung geht die
Bei Mauerwerkswänden, die neben der Bean- planmäßige Lastausmitte am Wandkopf e0 und eine
spruchung in Plattenebene (Deckeneinspannung, ggf. angreifende Schublast in Scheibenebene VEd ein
Knickeinfluss) noch gewisse Scheibenbeanspru- (kombinierte N-M-V-Beanspruchung).
chung aufweisen, z. B. infolge in Wandlängsrich- Im Bereich der halben Geschosshöhe (Index
tung ungleichmäßiger Vertikallasten am Wand- m), bei der neben der planmäßigen und unplanmä-
kopf, können diese Effekte dadurch abgedeckt ßigen Lastausmitte auch noch Effekte der Knick-
werden, dass der Nachweis im Bereich der höch- gefahr Einfluss haben, bestimmt sich der Abmin-
sten Normalkraftbeanspruchung durchgeführt derungsfaktor
wird. Weitere Nachweise hinsichtlich der Schei-
benbeanspruchung sind dann i. d. R. entbehrlich.

(3.6.20)
3.6.2.6 Genaueres Nachweisverfahren
Schlankheiten sind nun bis 27 erlaubt. Die anzuset-
Mit dem genaueren Nachweisverfahren in E DIN 1053-
zende Ausmitte em setzt sich dabei zusammen aus
13 wird durch detailliertere Beschreibungen (Modelle
– planmäßiger Anteil, MEd,m/NEd,m
auf Einwirkungs- und Widerstandsseite) eine bessere
– ungewollte Ausmitte, ea=hk/450
Ausnutzung des Materials ermöglicht. Durch dieses
– Kriechausmitte (nur bei hk/t > 10 anzusetzen):
Referenzverfahren werden auch Bauwerke und Bau-
teile nachweisbar, die aus dem Anwendungsbereich des
vereinfachten Verfahrens herausfallen.
(3.6.21)
Zentrische und exzentrische
Querschnittstragfähigkeit
Bei einer zentrischen oder exzentrischen Druckbe- Kombinierte Beanspruchung
anspruchung senkrecht zu den Lagerfugen wird für Wird ein Bauteil durch verschiedene Schnittgrö-
die Bemessung ein blockförmiger Spannungsver- ßen in Scheiben- und Plattenebene beansprucht, so
lauf mit dem Betrag fd angesetzt (s. Abb. 3.6-51). kann eine Berücksichtigung der Interaktion im
1364 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-57 Ersatzsystem einer kombiniert in Scheiben-


ebene beanspruchten Mauerwerksscheibe (Normalkraft-Bie-
gung-Schub)

Abb. 3.6-58 Dehnungs- und Spannungsverteilung im


Einzelfall erforderlich sein. Gleiches gilt für dop- Schnitt am Wandfuß einer kombiniert in Scheibenebene be-
pelte Biegung, bei der der Spannungsblock geome- anspruchten Mauerwerksscheibe unter Annahme der Ber-
trisch reduziert unter Einhaltung der Gleichge- noulli-Hypothese
wichtsbedingungen auftritt.
Im genaueren Verfahren wird angenommen,
dass die kombinierte Beanspruchung im Regelfall Für die Nachweisführung ist in den maßge-
allein bei der Kombination von Biegung um die benden Schnitten (i. d. R. am Wandfuß, in Wand-
starke Achse (beschrieben durch ĭi, s. (3.6.18) mit mitte und am Wandkopf) die Dehnungs- und Span-
nungsverteilung unter den gegeben Einwirkungen
Anpassung der Schubschlankheit, da der Nachweis
zu bestimmen (s. Abb. 3.6-58).
hier nun in halber Geschosshöhe zu führen ist) und
Der Dehnungszustand ist durch die Beschrän-
dem Knicksicherheitsnachweis (3.6.19) erforder-
kung der Ausmitte und der Randdehnung nachzu-
lich wird. Bei dem Schubnachweis in Scheiben-
weisen (ggf. Entfall des Haftscherfestigkeitstrag-
ebene ist ein Klaffen infolge Plattenbiegung i. d. R.
anteils beim Schubnachweis). Die Verteilung der
nicht maßgebend.
Schubspannungen im überdrückten Querschnitts-
Scheibenbeanspruchung bereich wird über den Schubspannungsverteilungs-
Bei den Nachweisen klassischer Scheiben unter faktor c (1,0 ” c ” 1,5) bestimmt, welcher von der
kombinierter N-M-V-Beanspruchung ist eine Unter- Schubschlankheit ȜV= hs/lw der Wand abhängt.
scheidung nach den Dehnungen, den Spannungen Als Nachweiskriterien werden folgende Punkte
für den Schubnachweis und der Idealisierung für den betrachtet:
Nachweis der Drucktragfähigkeit wichtig. – Biegedrucknachweis mit dem Spannungsblock:
Für ein Einzelbauteil ergibt sich das Ersatzsys- Die Querschnittsragfähigkeit ist durch den Ab-
tem nach Abb. 3.6-57. minderungsfaktor ĭ=1-2*e/t bestimmt, s. Gl.
3.6 Mauerwerk 1365

(3.6.17). An Ersatzsystemen in Form von Krag-


wänden kann durch die Einführung einer Schub-
schlankheit und einer Anfangsexzentrizität e0 (3.6.25)
der Ausdruck weiter umgeformt werden, s. Gl.
(3.6.18).
– Schubdruckversagen (maßgebend nur bei klei-
nen Überbindemaßen ü/h<0,4):
lokales Druckversagen bei kleinen Überbinde- Für Mauerwerk aus Porenbetonsteinen:
maßen
(3.6.22) (3.6.26)

– Fugenversagen (Klaffen der Lagerfuge, maßge-


bend nur bei Elementmauerwerk, d. h. bei Mau-
erwerk aus Planelementen oder Großblöcken
und nur bei unvermörtelten Stoßfugen und einem
3.6.2.7 Zweischaliges Mauerwerk
Verhältnis von Steinhöhe zu -länge >1):
Bei zweischaligem Mauerwerk wird die äußere
(3.6.23) Schale an der Lastabtragung der Hauptkonstrukti-
on nicht beteiligt. Die Schale muss im Wesent-
lichen allein ihr Eigengewicht und Lasten aus

Reibungsversagen: Wind in die Unterkonstruktion abtragen. Zwänge
Einerseits Gleitsicherheitsnachweis mit lokal werden durch Fugenteilungen in horizontaler und
blockförmig reduziertem Normalspannungsver- vertikaler Richtung vermieden.
lauf in den Lagerfugen bei Berücksichtigung Die äußeren Horizontallasten senkrecht zur Flä-
der Haftscherfestigkeit und andererseits glo- che resultieren aus Wind, welcher über die Drahtan-
baler Gleitnachweis ohne Haftscherfestigkeits- ker in die Tragschale abgeleitet wird [Pfeiffer u. a.
traganteil (nach erfolgtem Abbau der Haftscher- 2001]. In den Vorschriften sind Angaben zu Anker-
festigkeit durch geringe Gleitverformung) ohne anzahlen pro m² und an freien Enden pro Laufmeter
Ansatz eines blockförmig reduzierten Normal- angegeben, die sich in der Vergangenheit bewährt
spannungsverlaufes in den Lagerfugen (der haben. Neben der Ankertragfähigkeit als solche ist
größere von beiden Tragfähigkeitswerten ist auch die Verankerung der Kräfte in der Hintermau-
maßgebend). erschale und der Vormauerschale ein Bemessungs-
kriterium, was insbesondere Einfluss auf die Min-
destdicke der Vormauerschale hat.
Größere Lasten in der Ebene können lediglich
(3.6.24) bei Erdbeben auftreten. Hier ist die Ableitung al-
lein durch Scheibentragwirkung in die Abfange-
– Steinzugversagen:
konstruktion am Wandfuß möglich, da die biege-
Durch Überschreiten der schrägen Hauptzug-
weichen Anker für die Abtragung nennenswerter
spannung im Stein erfolgt ein Zugversagen.
Querlasten nicht ausreichen.
Aufgrund der möglichen Spannungszustände in
Schubwänden kann dieses Kriterium nur bei
kleinen Schubschlankheiten maßgebend wer- 3.6.2.8 Bewehrtes Mauerwerk
den. Bei Porenbeton mit Ȝ>1 und bei sonstigem
Bewehrtes Mauerwerk hat den Vorteil, dass die ge-
Mauerwerk mit Ȝ>1,5 ist dieser Nachweis daher
ringe Zugfestigkeit von Mauerwerk durch Einbau
nicht zu führen.
zugfester Bewehrungselemente deutlich erhöht
Für allgemeines Mauerwerk außer aus Porenbe- wird. Aufgrund der geometrischen Randbedin-
tonsteinen: gungen ist jedoch nur ein deutlich geringerer Be-
1366 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

wehrungsgehalt als im Stahlbetonbau möglich. leisten. Beim Einbetten in Beton gelten die Anfor-
Grundsätzlich ist die Orientierung interner Beweh- derungen gemäß den Betonbauvorgaben.
rung entsprechend der orthogonalen Struktur des
Mauerwerks vertikal bzw. horizontal vorgegeben. Einsatzgebiete
Lediglich in Sonderfällen – z. B. bei der Sanierung Bewehrung im Mauerwerk kann zum einen sta-
vorgeschädigten Mauerwerks – ist auch die Anord- tisch in Rechnung gestellt werden, zum anderen
nung von an der Oberfläche aufgeklebter Beweh- aber auch nur konstruktiv – z. B. zur Rissesiche-
rung sinnvoll. rung oder Erhöhung des Dämpfungsvermögens so-
Der Einbau einer horizontalen Bewehrung er- wie der Nachbruchtragfähigkeit bei Erdbebenbe-
folgt üblicherweise in den Lagerfugen oder in hori- anspruchung – angeordnet werden.
zontal angeordneten speziellen Formsteinen und Statisch in Rechnung gestellte Bewehrung wird
kann somit sukzessive dem Herstellfortschritt ein- für die Aufnahme von Zug- oder Biegezugbean-
gebracht werden. Die vertikale Bewehrung dagegen spruchungen eingesetzt. Eine wesentliche Erhö-
ist entweder in angepassten Steinen mit vertikalen hung der Schubtragfähigkeit oder der Drucktragfä-
größeren Löchern anzuordnen oder zu ummauern. higkeit wird in den aktuellen Vorschriften nicht
Die einzelnen Bewehrungsteile sind daher entweder berücksichtigt.
über die Höhe zu stoßen (überlappend oder mecha- Ein entscheidender Punkt ist jedoch, dass bei
nisch verbunden) oder es erfolgt ein Einfädeln der kraftschlüssigem Anschluss der Bewehrung an die
Steine über die Bewehrung der gesamten Wandhö- Nachbarbauteile auch der Dehnungs- und Span-
he. Bei ummauerten Aussparungen entfällt dieses nungszustand der Bauteile insgesamt günstig beein-
entsprechend. Nichtsdestotrotz ist durch die mecha- flusst wird. So kann bei Schubwänden ein Klaffen
nische Beanspruchung im Bauzustand eine Störung der Lagerfugen durch vertikale Bewehrung deutlich
des Verbundes zwischen Bewehrung und Mörtel reduziert und durch die größere überdrückte Länge
bzw. Betonverguss unvermeidlich. ein günstigeres Verhalten erreicht werden.
In Sonderfällen ist auch ein Einführen der Be- Einen Sonderfall des bewehrten Mauerwerks
wehrung nach dem Aufmauern der geschosshohen stellen sog. Flachstürze dar. Hier wird für die
Wand möglich, jedoch ergeben sich dann Schwierig- Überbrückung von Öffnungen die Druck- und
keiten, die Verankerung der Bewehrung im dem un- Schubtragfähigkeit durch Zusammenwirken eines
ter der Wand befindlichen Bauteil – i. d. R. eine vorgefertigten Zuggurtes mit der zugehörigen
Stahlbetondecke oder -fundament – sicherzustellen. Übermauerung sichergestellt. Bezüglich der Bie-
Für die Übertragung der Verbundkräfte zwi- getragfähigkeit ist das System als Druckbogen-
schen Bewehrung und Mauerwerk wird erstere in Zugband-Modell zu idealisieren. Die Schubtragfä-
Mörtel oder Beton eingebettet. Die Festigkeit des higkeit wird durch die Schubschlankheit Ȝ=Mmax/
Mörtels und des Betons bzw. seine Verdichtung (Vmax ·d) beeinflusst, welche ein Indiz für die bei-
sind dabei entscheidend für einen guten Verbund. den möglichen Versagenskriterien Steinzugversagen
Neben Rippungen ist auch der Einsatz von ange- und Fugenversagen darstellt. Die versuchsmäßige
schweißten Querstäben für die Verankerungsfunk- Auswertung geht davon aus, dass bis zu Ȝ=0,6 ein
tion üblich. Steinzugsversagen (steile Druckstrebe im Aufla-
Bezüglich des Korrosionsschutzes sind bei gerbereich und damit Steinzugversagen infolge
dauernd trockenem Raumklima grundsätzlich kei- Vertikaldruck) und bei höheren Schubschlank-
ne besonderen Maßnahmen erforderlich. In allen heiten infolge der flach geneigten Druckstreben
anderen Fällen ist beim Einbau in Mörtel ein ein Verbundversagen zwischen Stein und Mörtel
Schutz mittels Feuerverzinken oder der Einsatz stattfindet (Gleiten in den Lager-/Stoßfugen) (s.
von nichtrostendem Stahl notwendig. Der Zement- Abb. 3.6-59).
mörtel allein ist aufgrund seiner nicht ausrei- Der Zuggurt ist i. d. R. ein Formstein, in den Be-
chenden Gefügedichtigkeit (hoher w/b-Wert) und wehrungsstäbe in Beton eingebettet sind (Ausnah-
des raschen Karbonatisierungsfortschrittes nicht me: Porenbetonstürze). Der Korrosionsschutz er-
geeignet, einen dauerhaften Schutz des Stahls bei folgt dabei durch die Betondeckung. Wegen der
nicht dauernd trockenem Raumklima zu gewähr- Verschärfung der diesbezüglichen Anforderungen
3.6 Mauerwerk 1367

Abb. 3.6-59 Aufnehmbare Schubkraft von Flachsturzsystemen in Abhängigkeit der Schubschlankheit (qualitative Dar-
stellung)

in der Betonbaunorm wurden besondere Vorgaben 3.6.2.9 Kellermauerwerk


hinsichtlich des verwendeten Zementes und des
w-b-Wertes erforderlich, um die vorhandenen Kellermauerwerk zeichnet sich durch die Beson-
Geometrien weiter verwenden zu können. derheit aus, dass neben den vertikalen Lasten zu-
Im Zuge der Bemessung und Konstruktion ist sätzlich noch hohe Horizontallasten infolge Erd-
zudem die Verankerung der Biegezugbewehrung druck auf die Mauerwerkswand wirken. Die Lastab-
über dem Auflager nachzuweisen. tragung erfolgt größtenteils durch vertikale Biegung
auf die Decke über dem Kellergeschoss sowie auf
Bemessung das Fundament. Die Geschossdecke muss dabei die
Bezüglich der Bemessung wird bei biegebeanspruch- Horizontallasten aufnehmen und auf die aussteifen-
ten Bauteilen in der deutschen Norm eine Span- den Querwände des Gebäudes über Scheibenwir-
nungs-Dehnungs-Linie entsprechend Abb. 3.6-60 kung verteilen. Alternativ sind auch rechnerisch
angesetzt. Im Vergleich zu Betonbauteilen sind zum nachgewiesene Ringbalken möglich.
einen die geringere maximal zulässige Dehnung der Für den Erddruckansatz ist ein aktiver Erd-
Bewehrung von 2,5‰ und zum anderen die gerin- druckbeiwert üblicherweise ausreichend, da bei
gere Völligkeit der Mauerwerkslinie mit einer maxi- Wänden üblicher Dimensionierung – d. h. die
malen Stauchung von 2‰ erkennbar. Wände sind nicht erheblich dicker als statisch er-
Nach Eurocode 6 (2006) sind die Einschrän- forderlich – eine ausreichende Verformbarkeit ge-
kungen deutlich geringer. Die maximale Stauchung geben ist. Im Grenzzustand der Tragfähigkeit wird
von Mauerwerk ist auf 3,5‰ zugelassen – die ma- grundsätzlich davon ausgegangen, dass große
ximale Dehnung der Bewehrung beträgt 20‰. Lastausmitten im Querschnitt auftreten und ent-
sprechend große Verformungen der Wände infolge
1368 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.6-61 Bezeichnungen an Gewölben

kritischen Punkten Wandkopf bzw. -fuß (§ Bereiche


mit maximaler Stützmomentbeanspruchung) und
halbe Wandhöhe (§ Bereich der maximalen Feldmo-
mentbeanspruchung) voll ausgelastet wird.
Sind die Kellerwände durch quer aussteifende
Bauteile, z. B. Querwände, Pfeilervorlagen oder
Abb. 3.6-60 Spannungs-Dehnungs-Linien für Stahl und Stahlbetonstützen, in kurzen Abständen gehalten,
Mauerwerk bei biegebeanspruchten bewehrten Mauer- so kann von einer zweiachsigen Lastabtragung
werksbauteilen nach DN 1053-3 ausgegangen werden. Für die Bemessung nach den
einschlägigen Gleichungen in E DIN 1053-11und
1053-13 ist eine Abminderung bis auf 50% der ein-
Querschnittklaffens. Zudem ergibt sich bei hohen achsigen Mindestauflast nd,inf zulässig.
horizontalen Verformungen der Wände aus der
Kinematik eine Verlängerung der Wandachse und
3.6.2.10 Gewölbe
durch das Aufsteigen werden zusätzliche Auf-
lasten aus den Geschossdecken durch Umlagerung Die Tragwirkung von Gewölben basiert auf der
aktiviert. Umleitung der Normaldruckkraft in einem Bauteil
Bei der Ausführung ist darauf zu achten, dass entsprechend den quer wirkenden äußeren Lasten.
das Verfüllen des Arbeitsraums erst bei ausrei- Durch die Krümmung der Achse in Form der Stütz-
chender Auflast auf die Wände erfolgt und dass linie der angreifenden Beanspruchungen herrschen
kein schweres Verdichtungsgerät verwendet wird im idealisierten Querschnitt allein Druckspan-
[E DIN1053-12 (2009)]. nungen. Zug- oder Biegezugfestigkeiten sind dazu
Für eine ausreichende Biegetragfähigkeit in verti- nicht erforderlich, was die Nachweisführung für
kaler Richtung ist aufgrund der nicht ansetzbaren unbewehrtes Mauerwerk erlaubt. Die Tragwirkung
Haftzugfestigkeit zwischen Stein und Mörtel eine von Gewölben kann dabei ein- oder zweiachsig er-
entsprechend hohe Mindestauflast nd,inf in der Wand folgen. In Abb. 3.6-61 sind die wichtigsten Be-
erforderlich. Die obere Grenze der Normaldruckkraft zeichnungen dargestellt.
nd,sup der Wand ist das Kriterium der Biegedrucktrag- Entscheidend für die Gewölbetragwirkung ist
fähigkeit, bei dem die Biegedruckzone in den drei zudem, dass die Auflagerpunkte – die sog. Wider-
3.6 Mauerwerk 1369

Abb. 3.6-62 Stützlinie eines Gewölbequerschnittes unter angreifenden Einzellasten aus ständigen und veränderlichen
Einwirkungen

lager oder Kämpfer – sich durch die eingeleiteten


Abstützkräfte nicht oder nur sehr gering verfor-
men. Eine Nachgiebigkeit spiegelt sich sofort in
der Änderung und Abflachung der Systemlinie mit
Reduktion des Stiches wieder, was im Weiteren zu
einer Erhöhung der Druckkraft führt.
Für die Lage der resultierenden Stützkraft im
Gewölbe gelten grundsätzlich die gleichen Anfor-
derungen wie für den Drucknachweis axial bean-
spruchter Mauerwerkswände, d. h. die zulässige
Ausmitte ist beschränkt. Bezüglich der zulässigen
Normalspannungen kann ebenfalls auf den Span-
nungsblock zurückgegriffen werden.
Die einfachste rechnerische Erfassung von ein-
achsig tragenden Gewölben unter Einzellasten ist Abb. 3.6-63 Belastung eines Sturzbauteils durch darüber
durch das Stützlinienverfahren möglich. Hierbei liegendes Mauerwerk, Einzellasten und eine Geschoss-
handelt es sich um eine gespiegelte Kettenlinie, die decke unter Annahme der Ausbildung eines Gewölbes (Be-
durch die beiden Kämpfergelenke und das Schei- lastungsdreieck). 1 belastendes Mauerwerk, 2 Stützweite
[E DIN 1053-13].
telgelenk läuft. Die geometrische Positionierung
dieser drei Zwangspunkte muss innerhalb des
Querschnittes liegen und die allgemeinen Anforde- Einhaltung der in E DIN 1053-13, Anhang A ange-
rungen hinsichtlich zugelassener Ausmitte erfül- gebenen Randbedingungen – insbesondere das
len. Für verschiedene Laststellungen sind somit Stichverhältnis und die Sicherstellung der Aufnah-
unterschiedliche Systeme möglich. Die Stützlinie me des Horizontallschubes in den Endfeldern –
wird nur durch vektorielle Addition aller angrei- sind die Systeme ohne weitergehende Berech-
fenden Kräfte bestimmt. In Abb. 3.6-62 ist als Bei- nungen als standsicher anzusehen.
spiel ein System unter mehreren einwirkenden Daneben ist bei Biegebauteilen, welche Öff-
Einzellasten dargestellt. nung überspannen, durch die sich einstellende Ge-
In der Praxis stellt sich oft die Frage der Tragfä- wölbetragwirkung des Mauerwerksverbandes da-
higkeit von bestehenden Kappengewölben. Bei von auszugehen, dass nur Lasten, die innerhalb des
1370 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

sog. Belastungsdreieckes angreifen, sich darauf Fath F; Hums D; Lang-Beddoe T; Lippe K F; Lutter J
ablasten und der Rest durch Gewölbewirkung ab- (1994) Ökologie heute – Bauen im Einklang mit der
getragen wird (s. Abb. 3.6-63). Bedingung ist da- Natur. YTONG AG, München
bei jedoch, dass der Horizontalschub von dem Gänßmantel J (1997) Ökologische Aspekte von Putz- und
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1372 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.7 Holzbau auf der ganzen Welt zeigen die Leistungsfähigkeit


von Holz: Holzbrücken, Dachstühle, Bauernhäuser.
Heinrich Kreuzinger Diese alten Bauwerke sind aus der Erfahrung der
Baufachleute entstanden. Berechnungsmethoden ha-
3.7.1 Einleitung ben erst später geholfen. Ein in Gedanken oder als
Zeichnung bestehendes Bauwerk wird als abstraktes
Holz begleitet unser Leben in vielfältiger Weise: von mechanisches Modell abgebildet. Dieses wird berech-
der Holzwiege bis zum Holzsarg. Dazwischen liegen net und daraus dann auf ausführbare Abmessungen
Bleistifte, Spielzeug, Möbel, Musikinstrumente. Der geschlossen. So hat der Ingenieurholzbau ebenfalls
Wald ist für unser Klima wichtig und hat einen großen überzeugende Bauwerke hervorgebracht, heute sind
Erholungswert. Gleichzeitig ist er Lieferant für den Holzbauwerke mit Ingenieurwissen gut und sicher zu
Baustoff Holz. Beeindruckende alte Holzbauwerke bauen. Die Abb. 3.7-1 und 3.7-2 zeigen Beispiele.

Abb. 3.7-1 Brücke in Kössen, Fa. Grossmann

Abb. 3.7-2 Hütte im Hochgebirge, Olpererhütte


3.7 Holzbau 1373

Die Eigenschaften des Naturbaustoffes Holz er-


fordern ihm gemäße Konstruktions- und Bemes-
sungsregeln. Holz ist ein in der Natur gewachsener
Baustoff, er hat deshalb Besonderheiten, die ein tech-
nisch produzierter Baustoff nicht hat. Im natürlichen
Kreislauf im Wald muss Holz verrotten. In Bauwer-
ken dagegen soll dies vermieden werden. Der Holz-
schutz, vor allem der konstruktive Holzschutz, erfüllt
diese Aufgabe. Bedeutsam ist die Ökobilanz für den
Baustoff Holz: er speichert Kohlendioxyd und erfor-
dert im Vergleich zu anderen Baustoffen für die glei-
che Bauaufgabe weniger Energieeinsatz.
In diesem Beitrag sollen Eigenschaften des
Baustoffes Holz und die notwendigen Konstruk- Abb. 3.7-3 Holzstück mit Achsen
tions- und Berechnungsregeln angegeben und er-
läutert werden. Zahlenwerte sind in den Normen
DIN 1052, Ausgabe 2008 zu finden.

3.7.2 Bautechnische Eigenschaften


3.7.2.1 Festigkeiten und Steifigkeiten
Für die Bemessung sind die Festigkeits- und Stei-
figkeitswerte von Holz erforderlich. Die Anisotro-
pie ist stark ausgeprägt. Für die Beschreibung wird
nach Abb. 3.7-3 zunächst, dem Stamm entspre-
chend, das Koordinatensystem l, r, t gewählt:
l Faserrichtung
r Radialrichtung, senkrecht zu den Jahrringen
Abb. 3.7-4 Element mit Spannungen
t Tangentialrichtung, entlang der Jahrringe

Meist wird anstelle der Polarkoordinaten in der Elastizitätsmoduln und Rohdichten an. Bei den Sor-
Ebene senkrecht zur Faserrichtung l (=x) am Ele- tierklassen bedeutet S visuelle und MS maschinelle
ment mit den kartesischen Koordinaten r (=y) und Sortierung. Die Sortierklassen werden Festigkeits-
t (=z) gearbeitet. Abbildung 3.7-4 zeigt durch die klassen C zugeordnet. Die Festigkeiten werden den
Pfeile der Spannungen am Element und durch die Koordinaten und der Art der Beanspruchung durch
Buchstaben der Achsen die Zuordnung. Bei den die tiefgestellten Buchstaben zugeordnet: m: Bie-
Längsspannungen V gibt der eine Buchstabe die gung, t: Zug, c: Druck, v: Schub, 0: Faserrichtung l,
Schnittfläche (senkrecht zur angegebenen Achse) 90: senkrecht zur Faserrichtung, das ist die Rich-
und die Richtung an, bei den Schubspannungen W tung t oder r. Bei der Schubfestigkeit ist flt oder flr
der erste Buchstabe die Schnittfläche, der zweite gemeint, aber nicht der Rollschub frt! Die Roll-
die Richtung an: schubfestigkeit liegt bei etwa 1,0 N/mm2.
Vl Spannung am Schnitt l in Richtung l, Längs- Die visuelle Holzsortierung erfolgte und erfolgt
spannung in Faserrichtung nach optischen Gesichtspunkten: Jahrringbreite,
Wtr Schubspannung am Schnitt t in Richtung r, Ästigkeit, Wuchs. Die maschinelle Sortierung ist
Rollschub zuverlässiger. Hölzer mit hohen Festigkeitswerten
können sicher aus dem Angebot heraussortiert
Zu den einzelnen Spannungen gibt Tabelle 3.7-1, werden. Die maschinelle Sortierung nutzt den gu-
aus DIN 1052:2008 charakteristische Festigkeiten f, ten Zusammenhang zwischen Festigkeit und Elas-
1374 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.7-1 Materialkennwerte nach DIN 1052 in N/mm2 (Rohdichte in g/m3)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
1 Festigkeitsklasse C14 C16 C18 C20 C22 C24 C27 C30 C35 C40 C45 C50
Festigkeitskennwerte in N/mm2
2 Biegung fm,ka 14 16 18 20 22 24 27 30 35 40 45 50
3 Zug parallel ft,0,ka 8 10 11 12 13 14 16 18 21 24 27 30
4 Zug rechtwinklig ft,90,k 0,4
5 Druck, parallel fc,0,ka 16 17 18 19 20 21 22 23 25 26 27 29
6 Druck rechtwinklig fc,90,k 2,0 2,2 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9 3,1 3,2
7 Schub und Torsion fv,kc 2,0
Steifigkeitskennwerte in N/mm2
Elastizitätsmodul
8 parallel E0,meana,b 7 000 8 000 9 000 9 500 10000 11000 11500 12000 13000 14000 15000 16000
9 rechtwinklig E90,meanb 230 270 300 320 330 370 380 400 430 470 500 530
10 Schubmodul Gmeanb,c 440 500 560 590 630 690 720 750 810 880 940 1000
Rohdichtekennwerte in kg/m3
11 Rohdichte pk 290 310 320 330 340 350 370 380 400 420 440 460
a Bei nur von Rinde und Bast befreitem Nadelrundholz dürfen in den Bereichen ohne Schwächung der Randzone um 20%
erhöhte Werte in Rechnung gestellt werden.
b Für die charakteristischen Steifigkeitskennwerte E0,05, E90,05 und G05 gelten die Rechenwerte:
E0,05 = 2/3 · E0, mean E90,05 = 2/3 · E90,mean G05 = 2/3 · Gmean.
c Die charakteristische Rollschubfestigkeit fR,k darf für alle Festigkeitsklassen zu 1,0 N/mm2 in Rechnung gestellt werden.
Der zur Rollschubbeanspruchung gehörende Schubmodul darf mit GR,mean = 0,10 Gmean angenommen werden.
ANMERKUNG Die Rechenwerte für die charakteristische Zugfestigkeit rechtwinklig zur Faserrichtung ft,90,k und für die
charakteristische Schub- und Torsionsfestigkeit fv,k weichen von den Rechenwerten nach DIN EN 338:2003-09 ab und dür-
fen nur mit den hier angegebenen Werten in Rechnung gestellt werden.

tizitätsmodul bzw. Dichte. Die Dichte bzw. Masse kaum vor. Bei aus Schichten zusammengefügten
m (kg/m3) kann direkt gemessen werden, der Elas- Flächen (Brettsperrholz) ist infolge Querkraft aus
tizitätsmodul über die Verformung w oder die Fre- Plattentragwirkung immer auch ein Rollschub vor-
quenz f und die Schallwellengeschwindigkeit v. handen. Die Größenordnung der Rollschubfestig-
keit liegt in der Größenordnung der Querzugfestig-
(3.7.1) keit! Aus den Festigkeiten werden für die Bemes-
sung in den Bestimmungen zulässige Spannungen
bzw. charakteristische Festigkeiten angegeben.
Die maschinelle Sortierung bezieht sich dabei auf Für das orthogonale Koordinatensystem l, r, t wird
Eigenschaften in Faserrichtung. Zwischen den Ei- der Zusammenhang Dehnung und Spannung, bzw.
genschaften in Faserrichtung und den beiden Rich- Spannung und Dehnung in Tabelle 3.7-2 angegeben.
tungen senkrecht dazu liegen große Unterschiede. Um einen Eindruck von den Größenordnungen zu
Besonders die Zugfestigkeit senkrecht zur Faser- erhalten, sind beispielhaft Zahlen für kleine Holzpro-
richtung und die Schubfestigkeit in der Ebene ben nach [Keylwerth 1951] angegeben. Die Koordi-
senkrecht zur Faserrichtung sind gering und er- naten l, r und t werden durch x, y und z ersetzt. In der
fordern konstruktive Aufmerksamkeit: Querzug Literatur der Festigkeitslehre ist dies üblich.
bei gekrümmten Trägern, Auflagerausklinkungen, Zum Vergleich der Festigkeiten verschiedener
Lasteinleitung, sowie Rollschub (englisch: rolling Materialien gibt die Reißlänge l an, wie lange ein
shear) bei Holzflächen. Dieser Wert ist z. B. in Ta- aufgehängter Stab mit konstantem Querschnitt
belle 3.7-1 nicht enthalten, diese Beanspruchung werden kann, bis er infolge seines Eigengewichts
kommt bei stabförmigen Bauteilen aus Vollholz reißt (Abb. 3.7-5):
3.7 Holzbau 1375

l = f/U g (3.7.2) mit quadratischem Querschnitt bei der Eulerknick-


last Fki?
mit
f Zugfestigkeit (3.7.3)
U g spezifisches Gewicht = spezifische Masse ˜ g

Ein anderer Wert, , bestimmt das Gewicht Zahlen für die Reißlänge und den Wert sind
einer Stütze: welches Gewicht G hat eine Stütze in Tabelle 3.7-3 [Gordon 1987] angegeben.

Tabelle 3.7-2 Beziehungen zwischen Spannungen und Deh- 3.7.2.2 Verhalten bei Feuchteänderungen
nungen
Holz enthält Wasser. Bei feuchter Umgebung
nimmt Holz Wasser auf, bei trockener gibt es Was-
ser ab. Bei einem stationären Zustand wird von
Ausgleichsfeuchte gesprochen. Die Feuchte f des
Holzes wird in Gewichtsprozenten des enthaltenen
Wassers angegeben.

(3.7.4)

mit
Gt Gewicht des trockenen Holzes bei 103 +/– 2
Grad
Gf Gewicht des feuchten Holzes

Zur Bestimmung der Holzfeuchte gibt es einfach


zu handhabende Messgeräte. Aus dem elektrischen
Widerstand des Holzes zwischen zwei Stahlspitzen
wird auf die Holzfeuchte geschlossen.

Abb. 3.7-5 Aufgehängter Stab

Tabelle 3.7-3 Kennwerte für Stahl und Holz [Gordon 1987]


1376 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Es gelten folgende Begriffe und Werte:


– Bauholz trocken: f < 20%,
– Bauholz halbtrocken: f < 30% bzw. < 35% bei
Holzquerschnitten A > 200 cm2.
Bei Feuchteänderung ändert sich die Holzabmes-
sung: bei Trocknung schwindet es, bei Wasser-
aufnahme quillt es. Werden diese Änderungen be-
hindert, entstehen Spannungen, überschreiten die
Spannungen die Festigkeit, entstehen Risse. Die
Änderung der Abmessung kann mit dem Schwind-
bzw. Quellmaß berechnet werden. Tabelle 3.7-4
Abb. 3.7-6 Stamm mit Schwindverformung
gibt Schwind- und Quellmaß D an. Dabei ist D die
Änderung der Abmessung in Prozent bei 1%
Feuchteänderung, 'f ebenfalls in %. Die Längen-
änderung ist dann:

. (3.7.5)

In tangentialer Richtung treten rund doppelt so


große Änderungen auf wie in radialer Richtung.
Daraus erklären sich die Verformungen beim
Trocknen von Hölzern entsprechend Abb. 3.7-6
und auch die Rissbildung eines ausgetrockneten Abb. 3.7-7 Schwind- und Quellverformung eines Kant-
Baumquerschnittes. In den Vorschriften ist nur ein holzes
Wert angegeben, der Mittelwert zwischen radialer
und tangentialer Richtung, da baupraktisch die
Lage eines Balkens oder Brettes in Bezug auf ra- Wärmeleitfähigkeit
dial und tangential nicht festgelegt werden kann. Die Wärmeleitfähigkeit hängt, wie alle Holzeigen-
Die Querschnittsverformungen eines Kantholzes, schaften, stark von der Feuchtigkeit ab. Für Wär-
Abb. 3.7-7, berechnen sich nach Gl. (3.7.5). meschutzberechnungen kann O = 0,14 W/mK an-
gesetzt werden.
3.7.2.3 Weitere besondere Holzeigenschaften
Kriechen
Temperaturänderung Die Verformungen einer belasteten Holzkonstruk-
Die Wärmedehnzahl von Holz in Faserrichtung be- tion nehmen mit der Zeit zu. Das vom Beton her
trägt etwa die Hälfte des Wertes von Stahl bzw. bekannte Kriechen tritt beim Holz auch auf, aber
Beton: Dt = 0,3 bis 0,6 · 10-6 K-1. in erheblich geringerem Maß. Die Kriechzahl M
Rechtwinklig zur Holzfaser beträgt der Wert (kdef in DIN 1052) erreicht je nach Feuchtigkeit
etwa Dt = 6 10-6 K-1. Werte von bis zu 1,5. Die Verformung einschließ-
lich des Kriechens berechnet sich aus der elasti-
schen Verformung:
Tabelle 3.7-4 Schwind- und Quellmaße von Fichtenholz
ufin = uinst (1+M) (3.7.6)

Die Kriechverformungen müssen beim Durchbie-


gungsnachweis und bei Holz-Beton-Verbundkons-
truktionen berücksichtigt werden.
3.7 Holzbau 1377

den Ermüdungsnachweis nach DIN 1074, Anhang


C, maßgebend.

(3.7.7)

Die Bemessungsspannung der Einwirkungsseite


ıd,max ist die betragsmäßig größte Spannung, die
sich aus der ermüdungswirksamen Einwirkung er-
gibt.
Der Bemessungswert ffat,d der Festigkeit folgt
aus der charakteristischen Festigkeit, dem Ermü-
dungsbeiwert und der Materialsicherheit zu:

(3.7.8)

Abb. 3.7-8 Dauerstandfestigkeit


kfat entspricht der Festigkeitsabminderung infolge
ermüdungswirksamer Einwirkung.
Dauerstandfestigkeit
Die Lasteinwirkungsdauer hat einen erheblichen (3.7.9)
Einfluss auf die Festigkeit. Eine zeitlich unbe-
grenzt einwirkende Last, z. B. das Eigengewicht,
kann nur bei Spannungen, die etwa 60% der Kurz- mit:
zeitfestigkeit betragen, auf Dauer getragen werden. R: Spannungsverhältnis aus ımin zu ımax mit –1 <
Die Abhängigkeit der Festigkeit von der Lastdauer R<1
zeigt Abb. 3.7-8. Aus der Abbildung kann auch ab- Nobs: Anzahl der konstanten Spannungsspiele pro
gelesen werden, wie lange eine Last getragen wer- Jahr;
den kann. Dabei ist darauf hinzuweisen, wie tL: Lebensdauer, auf die das Tragwerk bemessen
schwierig die Bestimmung solcher Kurven wegen wird; s. EN 1990: 2002;
der langen Einwirkungsdauer (1010 Sekunden = ȕ: Beiwert für Schadensfolge; würde ein Scha-
317 Jahre!) und der Streuung der Festigkeiten ist. den keine beträchtlichen Folgen nach sich
Dies wird durch den Faktor kmod berücksichtigt. ziehen, so soll ȕ = 1 angenommen werden;
bei beträchtlichen Konsequenzen im Scha-
Ermüdung densfall gilt: ȕ = 3;
Bei wechselnder Beanspruchung kann Materialer- a, b Ermüdungsbeiwerte nach Tabelle 3.7-5
müdung auftreten. Die Wöhlerlinie gibt die Zahl
der aufnehmbaren Spannungswechsel an. Dabei ist Der Beiwert kfat entspricht der Wöhlerlinie für
die Art der Spannungswechsel entscheidend: mit Spannungsverhältnisse R.
Vorzeichenwechsel oder ohne. Holz selber ist da-
bei weniger ermüdungsgefährdet als die Verbin-
dungsmittel. Für Brücken und bei anderen Bau- Tabelle 3.7-5 Ermüdungsbeiwerte a und b nach DIN 1074
werken, die nicht vorwiegend ruhende Einwir- Holzbauteile beansprucht auf a b
kungen erhalten, muss nach DIN 1074, Abschnitt
10 (2) ein Ermüdungsnachweis geführt werden. Im Druck parallel oder senkrecht zur Faser 2,0 9,0
FB-101, 4.6.4, ist dazu das Lastmodell 3 angege- Biegung und Zug 9,5 1,1
ben: vier Achslasten zu je 120 kN im Abstand von Schub 6,7 1,3
Verbindungen mit
1,20 m, 6,0 m und wieder 1,2 m. Die maximalen
Dübeln 6,0 2,0
und minimalen Spannungen infolge dieses Last-
Nägeln 6,9 1,2
modells und die Spannungen aus Eigenlast sind für
1378 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.7-9 Wöhlerlinien für Schub für verschiedene Spannungsverhältnisse R

Über die Beiwerte a und b werden die Wöhler- es ein Nationales Anwendungsdokument NAD.
linien für die verschiedenen Beanspruchungen und Die Nachweise nach EC 5 entsprechen im Aufbau
auch für Verbindungsmittel angegeben. Versuche denen nach DIN.
für solche Werte sind sehr aufwändig. Um den Ein- Es soll nicht Sinn des Beitrages sein, die Vor-
fluss der Streuungen der Holzeigenschaften zu schriften zu erläutern, sondern es sollen die Grund-
verringern sind viele Versuche notwendig [Kreu- lagen und das Verständnis für notwendige Regeln
zinger/Mohr 1994]. dargestellt werden. Deshalb ist dieser Abschnitt
Abbildung 3.7-9 zeigt Wöhlerlinien für Schub- auch sehr kurz und es wird auf die Literatur [Step
beanspruchung von Vollholz bzw. Brettschichtholz 1-3 1995, Blaß u. a. 2006] verwiesen.
für verschiedene Spannungsverhältnisse R.
3.7.3.2 Nachweis nach DIN 1052 (04/88)
3.7.3 Normen, Zulassungen Kräfte bzw. Spannungen aus Einwirkungen werden
und Vorschriften zulässigen Kräften bzw. Spannungen gegenüberge-
stellt. Die Nachweisform für Spannungen lautet:
3.7.3.1 Allgemeines
Einheitliche Qualität und Sicherheit im Bauwesen V < zul V (3.7.10)
erfordern Spielregeln, an die sich die Tragwerks-
planer halten müssen. Diese Spielregeln sind in zul V = f/J (3.7.11)
bindenden Normen, Zulassungen und Vorschriften
festgelegt. Die für den Holzbau wesentlichen Nor- Die zulässige Größe wird aus der durch einen globa-
men für Entwurf, Berechnung und Bemessung von len Sicherheitsbeiwert J geteilten Festigkeitsgröße f
Holztragwerken sind auf nationaler Ebene DIN erhalten. Alle Nebenbedingungen, wie Feuchte und
1052 (2008) und DIN 1074 (2006) sowie auf Lasteinwirkungsdauer, werden durch Änderung der
internationaler Ebene EC 5-1 (10/93) und EC 5-2 zulässigen Größe berücksichtigt. Dieses Nachweis-
(08/99). Sowohl DIN wie EC können derzeit ange- verfahren hat lange für alle Bauingenieuraufgaben
wendet werden, selbstverständlich jeweils allein, gegolten. Ein gleichmäßigeres Sicherheitsniveau
nicht gemischt! Für die Anwendung des EC 5 gibt wird mit Teilsicherheitsbeiwerten erhalten. Die DIN
3.7 Holzbau 1379

1052:2008 berücksichtigt dies und ist entsprechend Dabei sind für alle Lastfälle Q die Lastfälle p, s
dem EC 5 aufgebaut. und w zu verwenden. Die Reihung erfolgt nach der
Größe des zugehörigen kmod-Wertes: Für den Nach-
weis darf der größte kmod-Wert der beteiligten
3.7.3.3 Nachweis nach DIN 1052 (2008)
Lastfälle verwendet werden. In DIN 1052 (2008)
Mit Teilsicherheitsbeiwerten JE multiplizierte Kräfte sind Tabellen für Lasteinwirkungsdauer und kmod-
bzw. Spannungen aus Einwirkungen werden durch Werte angegeben. Die Zuordnung der Lasten nach
Teilsicherheitsbeiwerte JM geteilten Festigkeitsgrö- DIN 1055 zur Lasteinwirkungsdauer erfolgt eben-
ßen gegenübergestellt. Die Nebenbedingungen (Last- falls in DIN 1052 (2008). Dies ist ebenso wie die
einwirkungsdauer und Nutzungsklasse) im Holzbau Kombinationsbeiwerte in Tabelle 3.7-6 für Voll-
werden durch einen Faktor kmod berücksichtigt. Dies holz und Brettschichtholz dargestellt. Für die Last-
ist eine Besonderheit des Holzbaues. fälle Verkehr, Schnee und Wind muss bei der Über-
lagerung immer ein <-Wert gleich eins sein. So
V·JE < f/JM· kmod (3.7.12) wird die „führende veränderliche Einwirkung“ ge-
kennzeichnet.
Die Einwirkungs- und Festigkeitswerte sich charak- Wesentlich für den kmod-Wert ist auch die Nut-
teristische Werte, sie sind in DIN 1055 bzw. EC 1 zungsklasse in der das Holz verwendet wird. Die
gegeben. Bei mehreren Einwirkungen gelten Über- Nutzungsklassen richten sich nach der zu erwar-
lagerungsregeln mit verschiedenen Teilsicherheits- tenden Feuchtigkeit der Holzteile und werden im
beiwerten JE und Kombinationsfaktoren \. Folgenden beschrieben.
Formal betrachtet könnte durch Teilen der Un-
gleichung durch den Teilsicherheitsbeiwert JE die Nutzungsklasse 1
Nachweisform nach DIN entstehen. Dies würde Sie ist gekennzeichnet durch eine Holzfeuchte die
aber den Vorteil der unterschiedlichen Teilsicher- einer Temperatur von 20°C und einer relativen
heitsbeiwerte für einzelne Lasten und Materialien Luftfeuchte der umgebenden Luft entspricht, die
wieder zunichte machen! nur für einige Wochen pro Jahr einen Wert von
Der von der Nutzungsklasse und der Einwir- 65% übersteigt, z. B. in allseitig geschlossenen und
kungsdauer abhängige Faktor kmod macht vor allem beheizten Bauwerken.
bei mehreren möglichen Lastfällen den Nachweis
unübersichtlich, da nicht sofort abzusehen ist, wel- Nutzungsklasse 2
che Lastfallkombination die maßgebende ist. Sie ist gekennzeichnet durch eine Holzfeuchte, die
einer Temperatur von 20°C und einer relativen Luft-
feuchte der umgebenden Luft entspricht, die nur für
3.7.3.4 Beispiel für die Überlagerung
einige Wochen pro Jahr einen Wert von 85% über-
Für Spannungen aus Eigengewicht Vg, Verkehr Vp, steigt, z. B. bei überdachten offenen Bauwerken.
Schnee Vs und Wind Vw sind für den Grenzzustand
der Tragfähigkeit Überlagerungen nach Gl. (3.7.13) Nutzungsklasse 3
durchzuführen: Sie erfasst Klimabedingungen, die zu höheren Holz-
feuchten führen als in Nutzungsklasse 2 angegeben,
. (3.7.13) z. B. wenn sie der Witterung ausgesetzt sind.

Tabelle 3.7-6 Lasteinwirkungsdauer für kmod und Nutzungsklasse 1, Überlagerungsbeiwert


1380 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.7-7 Grenzzustand der Tragfähigkeit, führende veränderliche Einwirkung hervorgehoben

Abb. 3.7-10 Ausnutzungsgrad

In Ausnahmefällen können auch überdachte Eine vereinfachte Überlagerungsmöglichkeit


Bauteile in Nutzungsklasse 3 einzustufen sein. In zeigt Gl. (3.7.14).
[Blaß u. a. 2006] sind weitere Beispiele angegeben.
Dachkonstruktionen von Eishallen sind der Nut- (3.7.14)
zungsklasse 3 zuzuordnen.
In Tabelle 3.7-7 sind für ein Bauteil aus Brett- Das Ergebnis ist in Tabelle 3.7-8 angegeben. Die
schichtholz GL 28 mit fmk = 28 N/mm2 die Nach- größte Ausnutzung beträgt hier 0,94 anstelle von
weise zusammengestellt. Dabei wird von folgenden 0,89 und ist größer als kmod=0,9 und damit nicht
Spannungen ausgegangen: Vg=4,0 N/mm2, Vp=2,6 mehr erlaubt.
N/mm2, Vs=5,0 N/mm2 und Vw=3,4 N/mm2. Den Für den Grenzzustand der Gebrauchstauglich-
Ausnutzungsgrad Vd/(fk/1,3) zeigt Abb. 3.7-10. keit gelten andere Teilsicherheitsbeiwerte und
Dabei ist nach oben aufgetragen der Ausnutzungs- Kombinationsbeiwerte. Die Überlagerung erfolgt
grad für die jeweilige Lastfallkombination und nach Gl. (3.7.15). Tabelle 3.7-9 zeigt dies am Bei-
nach rechts die Dauer der Lastfallkombination. spiel der Spannungen.
Der Faktor kmod kann dabei auch als erlaubter Aus-
nutzungsgrad gedeutet werden. (3.7.15)
3.7 Holzbau 1381

Tabelle 3.7-8 Grenzzustand der Tragfähigkeit – vereinfachte Kombination

Tabelle 3.7-9 Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit Tabelle 3.7-10 Dauerhaftigkeitsklassen

Über den Ermüdungsnachweis wurde am Ende von 3.7.4.2 Vermeidung von Holzschädigung
Abschn. 3.7.2 berichtet. Der beste Holzschutz besteht darin, die Umge-
bungsbedingungen für die Schädlinge ungünstig
zu gestalten. Die Konstruktion muss trocken und
3.7.4 Holzschutz, Dauerhaftigkeit belüftet sein, und die Holzart muss richtig gewählt
werden. Erst wenn diese Bedingungen nicht einge-
3.7.4.1 Ursachen von Holzschäden
halten werden können, sollte chemischer Holz-
Ursachen von Holzschädigung sind Pilz- und In- schutz angewendet werden. In DIN EN 350-2
sektenbefall, deshalb muss Holz in Baukonstrukti- (10/94) ist die natürliche Dauerhaftigkeit verschie-
onen davor geschützt werden. dener Holzarten bewertet: Dauerhaftigkeitsklasse
1: sehr dauerhaft, Dauerhaftigkeitsklasse 5: nicht
Pilzbefall dauerhaft. Tabelle 3.7-10 zeigt einige Holzarten
Pilze sind Pflanzen, die Feuchtigkeit und Sauer- und die zugehörige Dauerhaftigkeitsklasse.
stoff zum Wachsen brauchen. Holz mit einer Die Vorschrift DIN 68800 behandelt den Holz-
Feuchtigkeit von über 20% kann befallen werden. schutz. Im Teil 3 dieser Norm ist geregelt, wann che-
Die Tragfähigkeit wird dadurch stark vermindert. mische Holzschutzmaßnahmen nicht erforderlich
sind. Dies ist z. B. der Fall bei Holz in Innenräumen,
Insektenbefall wenn es ständig trocken ist, es durch eine allseitig
Insekten zerstören das Holz mechanisch. Für die geschlossene Bekleidung gegen Insektenbefall ge-
Baukonstruktionen sind Insekten problematisch, schützt ist oder es so angeordnet ist, dass es sichtbar
die auch das trockene Holz befallen können. Die und damit kontrollierbar ist. Damit kann in Innenbe-
Larven fressen in das Holz Bohrgänge; oft ist aus- reichen von Gebäuden auf chemischen Holzschutz
tretendes Holzmehl sichtbar. Es ist offensichtlich, verzichtet werden! Dies ist im Hinblick auf die ge-
dass dadurch die Tragfähigkeit von Holzkonstruk- sundheitliche Gefährdung und die Entsorgung von
tionen verloren gehen kann. Hölzern mit Holzschutzmitteln sehr wichtig.
Wärme fördert das Wachstum von Pilzen und
Insekten. Dies ist andererseits auch ein Grund, Chemischer Holzschutz
warum in arktischen, antarktischen Gebieten und Chemischer Holzschutz sollte so viel wie nötig,
im Hochgebirge unbehandelte Hölzer sehr langle- aber so wenig wie möglich verwendet werden.
big sind. Holzschutzmittel sind Gifte für Pflanzen und Tiere,
sonst würden sie nicht gegen Pilze und Insekten
1382 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

wirken. Der Bauingenieur und Tragwerksplaner Holzbaues zeigt dies. Viele Systeme sind im Holz-
sollte sich beim chemischen Holzschutz eines Spe- bauatlas zusammengetragen [Natterer u. a. 1996].
zialisten bedienen!
3.7.5.2 Stabförmige Bauteile
Konstruktiver Holzschutz
Zum konstruktiven Holzschutz zählen die Verwen- Aus stabförmigen Bauteilen entstehen Dachtrag-
dung der geeigneten Holzarten sowie alle Maßnah- werke und Hallen sowie Brücken. Die Abb. 3.7-11
men, die verhindern, dass das Konstruktionsholz bis 3.7-13 zeigen Beispiele von Stabwerken. Die
feucht wird und die bewirken, dass es auch wieder Berechnung der Schnittgrößen nach Theorie I.
trocknen kann, wenn es einmal feucht geworden ist. Ordnung und Theorie II. Ordnung erfolgt mit Re-
Konstruktionsholz ist vor Regen und auch Schlag- chenprogrammen.
regen durch ein Dach mit genügendem Überstand, Die konstruktiv aufwändige Aufgabe ist die Ver-
vor Spritzwasser durch genügenden Abstand vom bindung der einzelnen Stäbe und die Aussteifung.
Boden, vor Kondenswasser durch bauphysikalisch Die Lösung dieser Aufgaben entscheidet auch über
richtige Ausbildung zu schützen. Alte Holzbrücken, den Gesamteindruck der Konstruktion. Abbildung
Holzhäuser und Scheunen zeigen eindrucksvoll den 3.7-14 zeigt die notwendigen Aussteifungselemente
konstruktiven Holzschutz. einer Halle. Die Kräfte zur Dimensionierung dieser
In DIN 1074 (2006) sind für den konstruktiven Aussteifungsteile folgen aus der Horizontalbelas-
Holzschutz viele Hinweise angegeben. Es wird streng tung durch Wind und aus den Umlenkkräften, die
in vor Witterung und Nässe geschützte und unge- bei Druckbeanspruchung und ungenauen Systemen
schützte Bauteile unterschieden. Geschützte Bauteile entstehen. Die Wirkung des ungenauen, d. h., imper-
dürfen der Nutzungsklasse 2 zugeordnet werden. fekten Systems wird am geometrisch perfekten Sys-
tem durch Ersatzlasten erfasst.
3.7.5 Systeme aus Holz-
bzw. Holzwerkstoffen 3.7.5.3 Flächenförmige Bauteile
Einfachste Flächen werden durch Nebeneinander-
3.7.5.1 Allgemeines legen von Stäben gebildet. Jeder Stab trägt noch
Nach dem Zersägen eines Stammes im Sägewerk bie- für sich; es findet keine Lastverteilung, keine Plat-
ten sich zunächst stabförmige Bauteile für Holzkons- ten- oder Scheibentragwirkung statt. Erst durch
truktionen an. Die geschichtliche Entwicklung des eine kraftübertragende Verbindung der Stäbe ent-

Abb. 3.7-11 Dachstuhl


3.7 Holzbau 1383

Abb. 3.7-12 Fachwerk, Nagelplattenbinder

Abb. 3.7-13 Fachwerkbrücke

Abb. 3.7-14 Aussteifungskonstruktionen einer Halle


1384 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.7-15 Brettsperrholz

– kreuzweise übereinander gelegte und verleimte


Bretter (Abb. 3.7-15). Abbildung 3.7-2 zeigt eine
Berghütte aus Brettsperrholz. Die Abb. 3.7-16 bis
3.7-19 zeigen Fahrbahnen für Straßenbrücken.
Gekrümmte Flächen für Schalenkonstruktionen
werden aus Brettern zusammengebaut. Unter-
schiedlichste Lösungen sind verwirklicht worden
(Abb. 3.7-20 bis 23). Die Berechnung der Schnitt-
größen von Flächentragwerken erfolgt mit Platten-
bzw. Schalenprogrammen oder, wegen der sehr
unterschiedlichen Steifigkeiten in unterschied-
lichen Richtungen, oft besser mit Stabwerkspro-
grammen für räumliche Stabwerke.

3.7.6 Nachweise für Holz- und


Abb. 3.7-16 Belag aus Beplankung
Holzwerkstoffbauteile
3.7.6.1 Allgemeines
steht im statischen Sinne eine Fläche. Bei Fahr-
bahnplatten von Brücken kann dieser Übergang Die vom Bauherrn gewünschte und von Archi-
deutlich werden: nebeneinander gelegte Bohlen – tekten dargestellte Konstruktion wird vom Trag-
kreuzweise übereinandergelegte Bohlen – zusam- werksplaner gedanklich in ein statisches System
mengespannte Bretter (QS-Platte) – zusammenge- überführt. Dabei wird stark vereinfacht: aus Stä-
leimte Brettschichtholzträger (Blockverleimung) ben werden Linien, aus Wänden oder Decken wer-

Abb. 3.7-17 QS-Platte


3.7 Holzbau 1385

Abb. 3.7-18 Blockverleimte Brettschichtholzträger

Abb. 3.7-19 Plattenbalken aus Brettsperrholz und Brettschichtholz

Abb. 3.7-20 Rippenschale


1386 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.7-21 Rippen, Querschnitt

den Flächen. Meist wird die räumliche Struktur in


Ebenen behandelt. Am statischen System werden
mit den Einwirkungen Schnittgrößen und Verfor- Abb. 3.7-23 „Zollinger“-Schale
mungen berechnet. Mit den Schnittgrößen erfolgt
die Dimensionierung. So kann ein Bauwerk Ab- 1. geplante, zeichnerisch dargestellte Konstruk-
messungen erhalten. Der Tragwerksplaner trifft tion,
eine Vorhersage, ob das geplante Bauwerk in Zu- 2. statisches System aus Linien und Flächen: Ein-
kunft seine geforderten Aufgaben erfüllen kann. wirkungen, Schnittgrößen und Verformungen,
Dabei bedient sich der Tragwerksplaner der aner- 3. Dimensionierung mit Vorschriften (DIN, EC,
kannten Regeln, die in Normen niedergelegt sind. Zulassung): Linie erhält eine Querschnittsfläche,
Folgende Schritte führen von der Idee zur Ver- Fläche erhält einen Aufbau und eine Dicke,
wirklichung: 4. Verbindung der Einzelbauteile.

Abb. 3.7-22 Rippenschale, Kirche Altötting


3.7 Holzbau 1387

Die Erfahrung zeigt, dass Bauwerke, nach den Re- Nachweis auch der Stabilitätsnachweis von Stab-
geln der Mechanik berechnet und nach den ent- systemen und Platten enthalten. Hinweis: das oft
sprechenden Normen dimensioniert, sicher und bösartige Nachbeulverhalten von Schalen muss
brauchbar sind. gesondert berücksichtigt werden.
Die notwendigen Vorverformungen sind Ver-
krümmungen der Stäbe bei unverschieblichen Sys-
3.7.6.2 Tragsicherheitsnachweis
temen und Schrägstellungen der Stäbe bei ver-
Berechnung der Schnittgrößen schieblichen Systemen. Die Wirkung der Vorver-
Die Schnittgrößenermittlung erfolgt am statischen formung kann durch Einwirkungen erfasst werden.
System mit den rechnerischen Einwirkungen. Eine Schiefstellung \ eines Stabes mit der Druck-
Meist genügt die Theorie I. Ordnung, bei der die kraft P ruft an den Knickstellen eine Einwirkung
Auswirkung der Verformungen des Systems auf senkrecht zur Stabachse der Größe P˜\ hervor,
das Gleichgewicht vernachlässigt wird. Bei An- eine Verkrümmung durch eine Vorverformung w
wendung der Theorie II. Ordnung – besonders bei eine linienförmige Einwirkung der Größe P˜w.
Druckbeanspruchung notwendig – sowie bei sta- Wird die Vorverformung sinusförmig angesetzt, so
tisch unbestimmten Systemen und zur Berechnung ist auch die Ersatzlast sinusförmig mit der Ampli-
von Verformungen sind Steifigkeiten notwendig. tude P˜S²˜e/l2. Bei parabelförmiger Vorverformung
Die Berechnung nach Theorie II. Ordnung bedeu- ist die Ersatzlast konstant und die Größe P˜e˜8/l2.
tet dank der Anwendung von Programmen keine Die Abb. 3.7-24 und 25 zeigen Vorverformungen
Erschwernis und sollte deshalb dem Ersatzstabver- und Ersatzlasten.
fahren vorgezogen werden. Aus einer angenommenen Auslenkung des
Die Systemberechnung erfolgt mit den in Ta- Druckgurtes von entstehen die Formeln in DIN
belle 3.7-11 zusammengefassten Annahmen. Mit 1052 und EC5-1 für die Lasten für Aussteifungs-
den aus der Systemberechnung folgenden Schnitt- verbände:
größen werden Spannungen berechnet, die folgen-
de Bedingung einhalten müssen: (3.7.17)

Vd < kmod fd (3.7.16)


Die Gleichung gilt für je einen Träger. Damit die
Diese Nachweisart gilt für Spannungen in Schnit- Berechnung mit den Ersatzlasten nach Theorie I.
ten und zwar für Ordnung ausreichend ist, dürfen die Verformun-
gen der Aussteifungskonstruktionen nicht größer
– Spannungen in Faserrichtung (Zug, Druck, Bie-
als l/500 bei Bemessungslasten sein. Anzumerken
gung),
ist, dass Einwirkungen durch Vorverformungen
– Spannungen senkrecht zur Faserrichtung (Zug,
und Druckkräfte immer Gleichgewichtsgruppen
Druck),
sind.
– Schubspannung (Querkraft, Torsion).
Bei Berechnungen nach Theorie II. Ordnung und Ersatzstabverfahren für auf Druck
Berücksichtigung von Vorverformungen ist im oder Biegung beanspruchte Bauteile
Für einfache auf Druck beanspruchte Bauteile
kann auf die Berechnung nach Theorie II. Ordnung
Tabelle 3.7-11 Annahmen für Systemberechnungen
verzichtet werden, wenn die zum Stabilitätsversa-
DIN 1052:2008 gen führende kritische Druckspannung bekannt ist.
Einwirkung ȖF-fach
Die kritische Druckspannung eines Stabsystems
dient als Vergleich mit dem Eulerstab II, dem beid-
Steifigkeit (1/ȖM)-facheMittelwerte für Elastizitäts-
seits gelenkig gelagerten Druckstab.
und Schubmodul
Ein nur durch Druckkräfte beanspruchtes Stab-
Festigkeit (1/ȖM kmod)-fache system kann im Stabilitätsfall mit Verformungen
charakteristische Festigkeit
senkrecht zu den Stabachsen ausknicken. Die
1388 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.7-24 Verkrümmung und Schrägstellung mit Ersatzlast

Abb. 3.7-25 Vorverformung und Ersatzlast beim Biegeträger

Druckkraftverteilung im System muss bekannt Biegesteifigkeit EI kann dann die kritische Druck-
sein. Das Stabilitätsversagen ist dann ein Eigen- spannung berechnet werden. Aus dem Vergleich
wertproblem: der Eigenwert liefert den Faktor mit folgt die Länge des Ersatzstabes.
dem die Druckkraftverteilung beaufschlagt werden Querschnitt: E, A, I
muss, damit das System knickt, die Eigenform ist Druckkraft bei Stabilitätsversagen: Fki
die zugehörige Knickfigur. An jeder Stelle des Kritische Druckspannung: Vki = Fki/A
Stabsystems mit der Querschnittsfläche A und der Länge des Ersatzstabes: sk
3.7 Holzbau 1389

Aus Einsetzen und Umformen folgt:

(3.7.18)

Für den baupraktischen Nachweis wird die vor-


handene Druckspannung mit einer um den Faktor
kc verminderten Festigkeit verglichen.

(3.7.19)
(3.7.22)

Im Faktor kc ist die Schlankheit O, die Vorverfor- (3.7.23)


mung e und die Theorie II. Ordnung enthalten. Für
den einfachsten Fall, den Druckstab nach Abb. 3.7-
26 mit linear elastischem Werkstoffverhalten und Aus dieser Beziehung kann kc in Abhängigkeit von
Vorverformung e wird die Herleitung eines Fak- der bezogenen Schlankheit Orel dargestellt werden:
tors kc gezeigt.
Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung: (3.7.24)

(3.7.20) Die geometrische Schlankheit O wird mit der Fes-


tigkeit f und dem Elastizitätsmodul E zur relativen
Schlankheit Orel umgerechnet. Dadurch wird der kc-
Wert, wenn auf Unterschiede in der Vorverformung
und auf nichtlineares Verhalten verzichtet würde,
Der Spannungsnachweis in Trägermitte wird dem unabhängig vom Werkstoff. Die Diagramme für die
Druckspannungsnachweis mit den Faktor kc gleich- kc(Orel)-Linien sind deshalb auch in allen Vor-
gesetzt. Im Grenzzustand erreicht die Spannung V schriften sehr ähnlich. Für e˜A/W = 0/0,1/0,2 sind
den Wert der Festigkeit f. die Linien in Abb. 3.7-27 angegeben. Bei den
kc(Orel)-Linien entsprechend DIN 1052 nach Abb.
(3.7.21) 3.7-28 ist das nichtlineare, für Zug und Druck unter-
schiedliche Verhalten des Holzes und die Streuung
der Eigenschaften mit berücksichtigt [STEP1 1995].
Die beiden Linien nach den Gleichungen in DIN
1052 gelten für Vollholz bzw. Brettschichtholz. Für
Orel < 0,5 gilt kc = 1. Nur die Gleichungen liefern
Werte über 1, die natürlich nicht gelten.
In beiden Abbildungen hat die Linie für e=0
zwei Bereiche:
kc=1 Festigkeit ohne Stabilitätsversagen
kc=1/Orel2 Stabilitätsversagen

Der umfangreiche Spannungsnachweis für Biegung


und Druck wird ersetzt durch einen Druckspan-
nungsnachweis, wobei die Biegung und die Theorie
II. Ordnung im von der relativen Schlankheit Orel ab-
Abb. 3.7-26 Druckstab mit Vorverformung hängigen Faktor kc berücksichtigt ist. In Tabelle
1390 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.7-27 Knickspannungslinien für e = 0 und e A/W = 0,1 und 0,2

Abb. 3.7-28 Knickspannungslinie nach DIN 1052

3.7-12 sind für einige Systeme Knicklängenbei- . (3.7.27)


werte E angegeben, mit denen die geometrische und
die bezogene Schlankheit berechnet werden kann.
Die Ersatzstablänge sk wird mit dem Knicklängen- Hierin sind h die Querschnittshöhe des an die Fe-
beiwert E aus der Stablänge berechnet: der angeschlossenen Stabes und kc der Knickbei-
wert des an die Feder angeschlossenen Stabes.
. (3.7.25) Sind neben den Druckspannungen auch plan-
mäßige Biegespannungen im Querschnitt, so er-
Bei Berücksichtigung der Schubsteifigkeit S wird folgt der Spannungsnachweis mit der Druckspan-
die Ersatzstablänge: nung bezogen auf die um kc verminderte Druck-
festigkeit zuzüglich der Biegespannung bezogen
. (3.7.26) auf die Biegefestigkeit.

Ersatzstabverfahren für kippgefährdete


Das Zusatzmoment aus Theorie II. Ordnung in der Biegeträger
elastischen Feder bei den Systemen 2, 3 und 5 darf Die Berechnung von Biegeträgern nach Theorie II.
wie folgt angenommen werden: Ordnung, bei der die seitliche Verschiebung und die
3.7 Holzbau 1391

Tabelle 3.7-12 Knicklängenbeiwerte ȕ für Stäbe


1392 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Verdrehung (Biegedrillknicken, Kippen) berück- figkeit. Mit den Faktoren D, E, J und G können die
sichtigt werden, ist nicht so verbreitet wie die Theo- Wirkung einer Drehfeder CG am Auflager, einer
rie II. Ordnung von Stäben, bei denen nur die Ver- Druckkraft P, der Wölbsteifigkeit C sowie der elas-
schiebung berücksichtigt wird (Knicken). Deshalb tischen Bettung Cy und C- erfasst werden:
hat bei diesen Problemen, hohe schlanke Träger aus
– Drehfeder CG am Auflager:
Brettschichtholz mit Rechteckquerschnitt, das Er-
satzstabverfahren noch mehr Bedeutung und Be-
 D=
rechtigung. Ausgehend von der kritischen Bieg-
druckspannung Vm,crit wird die relative Schlankheit
– Druckkraft P:
(3.7.28)
 E= mit Pki =
berechnet und ebenso wie beim Knicknachweis die
Festigkeit mit einen Beiwert kb abgemindert. Abbil-
dung 3.7-29 zeigt wieder den bekannten Verlauf. – Wölbsteifigkeit C:
von kb (Orel). Die Herleitung kann wie beim Knicken
am Sonderfall des gabelgelagerten Einfeldträgers J=
mit konstantem Grundbiegemoment analytisch er-
folgen. Sie ist wegen der zwei Verformungen um-
– elastische Bettung Cy und C-:
fangreicher. In Tabelle 3.7-13 sind für einige Syste-
me und Belastungen Beiwerte a1 und a2 angegeben,
mit denen kritische Kippmomente und daraus die
kritische Biegespannung sowie die bezogene Kipp-
schlankheit berechnet werden können:

M0y, crit =

(3.7.29) Ziel der Berechnung ist die zuverlässige Dimensi-


onierung der Bauwerke. Die Systeme im Holzbau
Die Bezeichnungen sind aus Abb. 3.7-30 ersicht- können vom Werkstoff her linear elastisch berech-
lich. B ist dabei die Biegesteifigkeit um die net werden. Die geometrische Nichtlinearität muss
schwache, d. h. die z-Achse und T die Torsionsstei- bei Druckbeanspruchung berücksichtigt werden.

Abb. 3.7-29 kb bzw. kcrit nach DIN 1052


3.7 Holzbau 1393

Tabelle 3.7-13 Kippbeiwerte


1394 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

VD = Vx cos2D
WD = Vx cosD sinD (3.7.30)

Sollen in der Fuge im Wesentlichen Schubspan-


nungen übertragen werden, ist die Neigung 90-D
klein zu wählen. Geometrische Unstetigkeiten ha-
ben Spannungsspitzen zur Folge. Ein Wegnehmen
von Material (schraffierter Bereich in Abb. 3.7-32)
führt zu nahezu konstanten Schubspannungen.
Eine andere geometrische Anordnung führt zwangs-
läufig zur Schäftung oder dann zum Keilzinken-
stoß! Abbildung 3.7-33 zeigt auch die Störung
durch die geometrische Unstetigkeit und dass dem-
zufolge die Kraft nur in einen kleinen Bereich
Abb. 3.7-30 Kippen, Querschnitt übertragen wird. Nur der Eigenspannungszustand
erzeugt Schubspannungen.
Die Ausführung von Klebeverbindungen erfor-
dert Gewissenhaftigkeit, da einer fertiggestellten
3.7.7 Verbindungen Klebeverbindung die Qualität nicht anzusehen ist.
3.7.7.1 Allgemeines Die Eignung einer Firma zur Herstellung muss mit
einer Leimgenehmigung des Otto-Graf-Instituts an
Die Abmessungen von Vollholz sind begrenzt. Ver- der Universität Stuttgart nachgewiesen sein. Die
bindungsmittel sind deshalb zum Bau größerer Verwendung von Klebern ist ebenfalls geregelt:
Tragwerke – alles was über den Vollholzbalken Zur Anwendung kommen Resorzinharzleime (rot-
hinausgeht – notwendig. Neben dem Nagel, der braun) und Melaminharzleime (weiß) für Bauteile,
Schraube und dem Bolzen waren die zimmer- die auch der Feuchtigkeit ausgesetzt, sowie Harn-
mannsmäßigen Verbindungen lange Zeit die ein- stoffharzleime für Bauteile, die nur kurz der Feuch-
zigen Verbindungsmittel. tigkeit ausgesetzt sein können. Der Kaseinleim aus
Milchsäurekasein und gelöschtem Kalk ist nur für
3.7.7.2 Geklebte Verbindungen
Holzflächen können zusammen geklebt werden. In
der Klebefuge treten bei Beanspruchung Span-
nungen auf. Welche Spannungen das sind, hängt
von der Art der Beanspruchung und von der An-
ordnung der Fuge ab. Abbildung 3.7-31 zeigt ein
Klebefuge im Winkel 90-D gegen die Spannungs-
richtung von Vx geneigt. Die Spannungen in der
Klebefuge sind: Abb. 3.7-31 Spannungen in der Klebefuge

Abb. 3.7-32 Geometrische Unstetigkeit


3.7 Holzbau 1395

Abb. 3.7-33 Kraftübertragungsbereich

Bauteile geeignet, die dauerhaft vor Feuchtigkeit 3.7.7.3 Mechanische Verbindungen


geschützt sind. Dafür gibt dieser Kleber beim Aus-
Wirkungsweise
härten kein Formaldehyd ab. Der Holzleimbau be-
Zwei Holzteile können am Vorbeigleiten gehindert
gann mit Kaseinleim. Dann wurde er durch die
werden, wenn sie geometrisch verzahnt werden
feuchtebeständigen Kleber ersetzt. Heute wird der
(Abb. 3.7-34). Dies kann auch durch quer zur Fuge
Kaseinleim wieder für Bauteile in trockenen In-
eingebrachte Teile erfolgen: Holzdübel, Dübel in
nenräumen verwendet.
Sonderbauweise, Nägel, Schrauben, Stabdübel.
Für alle Bauteile, die nicht zweifelsfrei der Nut-
Bei der Kerbe oder beim Dübel sind die Kontakt-
zungsklasse 1 oder 2 zugeordnet werden können
pressungen und die Scherspannungen nachzuwei-
oder die während der Nutzungsdauer einmal in
sen. Ein zum Gleichgewicht notwendiges Versatz-
Nutzungsklasse 3 fallen könnten, wird dringend
moment muss berücksichtigt werden (Abb. 3.7-
empfohlen, Resorcinharzleime zu verwenden!
35). Beim stiftförmigen Verbindungsmittel wirkt
Der Tragwerksplaner verwendet geklebtes Brett-
vom Holz aus gesehen eine Reaktionskraft (=
schichtholz und andere geklebte Holzwerkstoffe,
Lochleibungsspannung mal Durchmesser) auf den
ohne sich rechnerisch um die Klebeverbindung zu
Stift und erzeugt in diesem Biegemomente und
kümmern. Bei keilgezinkten Vollstößen ist die
Querkräfte. Abbildung 3.7-36 zeigt eine Aufnahme
Querschnittschwächung im Zinkengrund zu be-
eines Versuches.
rücksichtigen.
Unterschiedliche Verbindungsmittel haben ein
stark unterschiedliches Verformungsverhalten. Ab-
bildung 3.7-37 zeigt Last-Verschiebungskurven.
1396 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.7-34 Mechanische Verbindungen

Abb. 3.7-35 Kontaktpresung, Scherspannung, Versatzmo-


ment

Verbindungsmittel mit unterschiedlichen Steifig-


keitsverhalten in einer Verbindung bekommen
dann auch sehr unterschiedliche Lastanteile. Des-
halb gilt die Empfehlung, in einer Verbindung nur
eine Art von Verbindungsmittel zu verwenden. Auf
jeden Fall ist die Verwendung einer Klebeverbin- Abb. 3.7-36 Stiftförmiges Verbindungsmittel
dung zusammen mit einem mechanischen Verbin-
dungsmittel unsinnig. Die rechnerische Tragfähig-
keit einer Verbindung ist einmal begrenzt durch die
Sicherheit gegen Versagen und einmal durch die tige Beeinflussung der Verbindungsmittel, durch
auftretende Verschiebung. eine Abminderung der Tragfähigkeit in Abhängig-
In Kraftrichtung hintereinander angeordnete keit der Zahl der hintereinander geschalteten Ver-
Verbindungsmittel erhalten unterschiedliche Last- bindungsmittel berücksichtigt. Die gegenseitige
anteile. Abbildung 3.7-38 zeigt den Schubfluss Beeinflussung kann zu einer Aufspaltung des
nach Gl. (3.7.31) zwischen zwei elastisch verbun- Holzes führen. In Tabelle 3.7-14 ist die rechnerisch
denen Stäben. Der mittlere Schubfluss t0 ist F/2a. wirksame Anzahl nef bei Anordnung von n Verbin-
Je steifer die Verbindung, desto größer wird die dungsmitteln hintereinander angegeben.
Schubflussspitze am Rand: Wird die Spaltung des Holzes durch eine Verstär-
kung rechtwinklig zur Faserrichtung verhindert,
dürfen alle Verbindungsmittel n angesetzt werden
[Bejtka 2005]. Die Verstärkung kann mit selbstboh-
. (3.7.31) renden Schrauben erfolgen; sie ist für 30% der je-
weiligen Verbindungsmittelkraft auszulegen.

Stiftförmige Verbindungsmittel
In den Vorschriften wird dies, sowie das elastisch Ein Traglastmodell für stiftförmige Verbindungs-
plastische Verhalten und vor allem die gegensei- mittel, das einfach handhabbar ist, entsteht bei fol-
3.7 Holzbau 1397

Abb. 3.7-37 Last-Verschiebungskurven

Abb. 3.7-38 Verteilung der Schubkraft

Tabelle 3.7-14 Wirksame Zahl in Kraftrichtung hintereinander angeordneter Verbindungsmittel

Verbindungsmittel nef n< DIN 1052: 2008


Stabdübel Gl (210)
Passbolzen

a1 Abstand der Verbindungsmittel untereinander in Faserrichtung


n Anzahl der in Faserrichtung hintereinander angeordneten
Verbindungsmittel
Į Winkel zwischen Kraft- und Faserrichtung
Stabdübelkreis 0,85 n Gl (211)
Dübel besonderer 10 Gl (265)
Bauart
1398 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

genden Annahmen: Vom Holz auf den Stift wirkt (3.7-34)


eine Linienlast q=fh˜d. Diese verläuft jeweils kons-
tant, immer gegen die Einpressrichtung des Stiftes Die kleinere Last R ist die maßgebende. Abbildung
in das Holz. Sprünge bei Richtungswechsel der 3.7-40 zeigt den Einfluss der Holzabmessung t auf
Eindrückung werden in Kauf genommen. Der Ein- die Traglast R. Eine Vergrößerung der Holzabmes-
fluss der Abweichung vom stetigen Übergang auf sung über tgr hinaus bringt keine Steigerung der
das Berechnungsergebnis ist gering. Der Stift ist Last R. Sinnvoll erscheint eine Durchmesserwahl
starr, erreicht das Biegemoment die Größe des der Stabdübel, bei der die Traglast aus der Lochlei-
Fließmomentes, bildet sich ein plastisches Gelenk bung und dem Fließmoment zusammenpassen.
aus. Abbildung 3.7-39 zeigt einen Stift in einem Das trifft etwa zu, wenn der Durchmesser ein Fünf-
Holz der Dicke t. Der Stift wird durch eine Rand- tel der Holzdicke ist.
kraft R belastet. Die Reaktionskraft und die In DIN 1052 sind auf der Grundlage dieses
Schnittgrößen im Stift sind angegeben. Wenn q die Traglastmodells Gleichungen für die möglichen
maximale Reaktionskraft ist, wird die Kraft Modelle angegeben; diese gelten für unterschied-
liche Verbindungen: einschnittig, zweischnittig,
. (3.7-32) Holz-Holz, Holz-Stahl. Dabei gilt dann jeweils die
kleinste Traglast. Neben der Geometrie (Stab-
Das zugehörige Moment im Stift wird durchmesser und Holzabmessung) sind Festig-
keitswerte notwendig.
(3.7-33)
Weitere mechanische Verbindungsmittel
Neben den stiftförmigen Verbindungsmitteln gibt
Die Traglast ist erreicht, wenn das Biegemoment die es eine Reihe weiterer mechanischer Verbindungs-
Größe des Fließmoments erreicht. Die Auflösung mittel. Sie werden hier nur kurz aufgezählt: Dübel
liefert dann die zugehörige maximale Randlast: in Sonderbauweise, eingeklebte Gewindestangen,

Abb. 3.7-39 Stift im Holz


3.7 Holzbau 1399

3.7.8 Träger aus nachgiebig


miteinander verbundenen Teilen

3.7.8.1 Allgemeines
Zwei Träger mit Dehn- und Biegesteifigkeit – die
Schubsteifigkeit kann unendlich gesetzt werden –
werden übereinander gelegt und in der Fuge nachgie-
big miteinander verbunden. In der Fuge können
Schubkräfte t (Kraft/Länge) übertragen werden (Abb.
3.7-42 und 3.7-43). Eine senkrecht zu den Stabachsen
Abb. 3.7-40 Traglast in Abhängigkeit der Holzabmessung wirkende Kraft erzwingt die gemeinsame Biegelinie
beider Teile; dies kann auch durch geeignete Lastauf-
teilung auf die beiden Einzelträger erreicht werden.
Nagelplatten, Stahlformteile. Die Anwendung ist Zur Berechnung derartiger Träger wird für beide
meist in Zulassungen geregelt. Träger die technische Biegetheorie angesetzt und der
Ein weites Anwendungsfeld bieten auf Zug be- Schub t über eine elastische Feder c bzw. k (Kraft/
anspruchbare Schrauben oder eingeklebte Stahl- Länge2) übertragen. Die Differentialgleichungen für
stangen. Die Fachwerktheorie hilft, Tragmodelle die Durchbiegung w beider Träger und die Längsver-
zu finden. Abbildung 3.7-41 zeigt die Kraftüber- schiebungen u1 und u2 für die beiden Stabachsen sind
tragung durch eine schräg eingedrehte auf Zug be- für den Einfeldträger unter sinusförmiger Belastung
anspruchte Schraube. analytisch lösbar. Diese Lösung liegt den Angaben in

Abb. 3.7-41 Kraftübertragung durch zugbeanspruchte Schrauben, eingeklebte Stahlstäbe


1400 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.7-42 Träger aus zwei Teilen, nachgiebig miteinander verbunden

Abb. 3.7-43 Querschnitt, Verformungen und Schnittgrößen

DIN 1052 und im EC 5-1 zugrunde. Für andere Las- delt. In [Schelling 1982] ist auch die Lösung für
ten und andere Systeme bedeutet die Anwendung der mehrteilige Querschnitte angegeben.
Formeln eine mehr oder wenig gute Näherung. Abbildung 3.7-44 zeigt den Querschnitt, das
System und als Ergebnis die Längsspannungen.
Der Querschnitt aus zwei Teilen und der elasti-
3.7.8.2 Analytische Lösung für den
schen Verbindung wird nach links durch einen
Einfeldträger mit konstanten
Querschnitt mit der um J1 verminderten Quer-
Querschnittswerten und sinusförmig
schnittsdehnsteifigkeit J1EA1 oder nach rechts mit
verteilter Belastung [STEP 1-3 1995]
der um J2 verminderten Querschnittsdehnsteifig-
In DIN 1052 und EC 5 sind für diesen Fall die Lö- keit J2EA2 ersetzt. Einmal wird der Querschnitt
sungen angegeben. Dabei werden zwei- und drei- entsprechend den Rechenregeln von unten und
teilig miteinander verbundene Querschnitte behan- einmal von oben betrachtet. Einmal wird der Span-
3.7 Holzbau 1401

Abb. 3.7-44 Zweiteiliger Träger, Sinuslösung

nungsnulldurchgang im Teil 2 und einmal der im Steifigkeit:


Teil 1 als Rechenausgangspunkt für die Geomet-
riegrößen a1 und a2 verwendet. Beide Wege führen
selbstverständlich zum selben Ziel.
Abminderungsfaktoren: (3.7.37)

Längsspannung:

(3.7.35) (3.7.38)

Schubfluss:

Geometrie: bzw.

(3.7.39)

bzw. (3.7.36) 3.7.8.3 Schubanalogie [Kreuzinger 1999]


Die Wirkung der Nachgiebigkeit c bzw. k wird
durch eine Schubsteifigkeit erfasst. Dabei werden
die beiden Dehnsteifigkeiten EA zusammen mit
der nachgiebigen Verbindung c bzw. k durch einen
1402 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Träger mit einer Biege- und Schubsteifigkeit be- 3.7.8.4 Holz-Beton-Verbundbauweise


schrieben. Die Eigenbiegesteifigkeit der beiden Bei der Holz-Beton-Verbundbauweise werden ein
Träger wird durch zusätzliche Träger, die die glei- Holzträger und ein Betonträger nachgiebig mitein-
che Durchbiegung w haben müssen, rechnerisch ander zu einem Holz-Beton-Verbundträger ver-
mitberücksichtigt. Es werden geometrisch ein Trä- bunden. Beim Biegeträger mit einem Querschnitt
ger mit Biege- und Schubsteifigkeit mit Trägern nach Abb. 3.7-48 übernimmt die Druckplatte aus
nur mit Biegesteifigkeit verbunden. Die analy- Beton die Aufnahme der Biegedruckkraft sowie
tischen Herleitung erfolgt über die Differential- die Lastverteilung quer zu den Trägern und auch
gleichungen, die numerischen Anwendung über die Aufgabe der Aussteifungsscheibe im Gesamt-
Rechenprogramme für Stabwerke. system. Der Holzteil in der Biegezugzone trägt auf
Damit können Träger mit unterschiedlichen Las- Biegung und Zug. Aufgabe der Verbindungsmittel
ten, mit veränderlichen Querschnittswerten und ver- ist neben der Übertragung der Schubkräfte die Si-
schiedenen Randbedingungen berechnet werden. cherung des Zusammenhalts der beiden Teile. Die
Die Berechnung liefert Schnittgrößen der Träger, die Berechnung und Konstruktion von Betonteilen
auf die Querschnittsteile aufgeteilt werden können. sind in DIN 1045 bzw. EC2, die von Holzteilen in
Träger A EIA = EI1 + EI2 DIN 1052 bzw. EC5 geregelt. Das Zusammenwir-
MA ken beider Teile – die Verbundbauweise – wird in
Träger B EIB = a2 (EA1 EA2)/(EA1+EA2) DIN 1052 angesprochen und in den Zulassungen
S = c a2 für Verbindungsmittel auch geregelt [Winter u. a.
M B, Q B 2008]. Es gibt viele ausgeführte Konstruktionen.
Schubfluss t 0 = Q B/ a Für Umbaumaßnahmen, wie Verstärkungen von
Biegemomente M1 = MA EI1/6EI bestehenden Holzbalkendecken, eignet sich die
M2 = MA EI2/6EI Verbundkonstruktion:
Normalkräfte N1 = – MB/a
N2 = MB/a – die vorhandene Konstruktion kann erhalten
Querkraft Q1 = QAEI1/6EI + QB e1/ a bleiben,
Q2 = QAEI2/6EI + QB e2/ a – die aufbetonierte Betonplatte erhöht die Tragfä-
higkeit und die Steifigkeit,
Abbildung 3.7-45 zeigt einen Träger aus zwei – die zusätzlichen Lasten sind gering,
nachgiebig miteinander verbundenen Teilen und – der Schall- und Brandschutz werden verbessert,
die zugehörige Systemtransformatíon. Für Einzel- – die Betonplatte kann für die Gebäudeaussteifung
last in Feldmitte, dafür ist die analytische Lösung herangezogen werden.
nicht mehr zutreffend. Der Berechnungsgang wird Auch für Neubauten von Decken- und Brücken-
in Abb. 3.7-46, die Längs- und Schubspannung in platten ist die Holz-Beton-Verbundbauweise ge-
Abb. 3.7-47 vorgestellt. eignet. Bei Brücken schützt die Betonplatte mit der

Abb. 3.7-45 Schubanalogie, Systemtransformation


3.7 Holzbau 1403

Abb. 3.7-46 Berechnung, Einzellast in Feldmitte

Abb. 3.7-47 Spannungen und Schubfluss Abb. 3.7-48 Holz-Beton-Verbund


1404 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

– abZ. Nr. Z-9.1-445; 13.10.2006; Timco II Schrau-


ben; Timco Schweiz GmbH.
– abZ. Nr. Z-9.1-473; 31.08.2010; Brettstapel-Be-
ton-Verbunddecken mit Flachstahlschlössern;
Hubert Schmid, 87616 Marktoberdorf.
– abZ. Nr. Z-9.1-474; 07.04.2003; Dennert Holz-
Beton Verbundelemente; Veit Dennert KG, 96191
Viereth.
– abZ. Nr. Z-9.1-557; 05.07.2010; Holz-Beton-Ver-
bundsystem mit eingeklebten HBV-Schubverbin-
dern; TiComTec GmbH, D 63808 Haibach.
– abZ. Nr. Z-9.1-603; 01.08.2010; TCC Schrauben;
Abb. 3.7-49 Patentschrift Com-Ing-AG, CH 9050 Appenzell.
– abZ. Nr. Z-9.1-648; 20.10.2006; Würth Assy VG
plus Schrauben; Adolf Würth GmbH & Co. KG,
Fahrbahn als Element des konstruktiven Holz- D 74650 Künzelsau.
schutzes die darunterliegende Holzkonstruktion. – abZ. Nr. Z-9.1-803; 09.07.2010; SWG Timtec VG
Die Idee, die Baustoffe Holz und Beton zusam- Plus-Vollgewindeschrauben; Schraubenwerk Gai-
men für Tragwerke, besonders Biegebalken zu ver- sach GmbH; D 74638 Waldenburg.
wenden, ist nicht neu: eine Patentschrift über einen
Holz-Beton-Verbundträger aus dem Jahre 1922 Die Schubverbindung nach abZ. Nr. Z-9.1-342 er-
(Abb. 3.7-49) zeigt dies. Darüber hinaus gab es folgt durch Schrauben, die Zug- oder Druckkräfte
Untersuchungen über bambusbewehrte Betonteile. übertragen können. Durch zugeordnete Anordnung
wie Abb. 3.7-50 (aus Anlage 2 der Zulassung)
Verbindungsmittel zeigt, entsteht zur Abtragung der Schubkraft ein
Die Verbindungsmittel übertragen die Schubkraft Kräftedreieck mit Zug- und Druckkräften. Zwi-
zwischen beiden Querschnittsteilen. Zum einen schen dem Holz und dem Beton kann auch eine
werden mechanische Verbindungsmittel in den nichttragende Trennschicht angeordnet sein. In der
Holzteil eingebracht und in den Betonteil einbeto- Zulassung sind die notwendigen Berechnungsgrö-
niert, oder die Schubübertragung erfolgt zum an- ßen angegeben.
deren über Kontaktflächen, die durch geometrische In der Zulassung abZ. Nr. Z-9.1-331 ist ein Sys-
Verzahnung entstehen. Damit die Querschnittsteile tem beschrieben, bei dem die Schubübertragung
einen Zusammenhalt haben, muss die Verbindung durch Nägel erfolgt.
senkrecht zur Fuge Kräfte übertragen können. Zur In den Zulassungen wird für den Beton ein Re-
Berechnung der Konstruktion ist die Steifigkeit chenwert des E-Moduls des Betons angegeben mit
der Verbindung und die zulässige bzw. charakteris- E0 = 32.000 N/mm2. Das Kriechen wird durch Ab-
tische übertragbare Kraft notwendig. minderung dieses Rechenwertes auf Ef= 9.000 N/
In folgenden Vorschriften und Zulassungen mm2 berücksichtigt. Die Steifigkeitswerte des
(abZ, Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin) Holzes und der Verbindungsmittel müssen dabei
werden Holz-Beton-Verbundkonstruktionen be- auf 2/3 der ohne Kriechen angenommenen Werte
handelt (Stand 2010): vermindert werden.
Weitere Schubverbindungsmittel werden in
– DIN 1052 (2008), 8.6 Prospekten und der Literatur angegeben; zwei Bei-
– DIN EN 1995-2: 2006, 5.3 spiele werden im Folgenden beschrieben.
– abZ. Nr. Z-9.1-331 21.08.1998; EW-Holz-Beton-
Verbundelemente; Hedareds Sand & Betong, Bertsche Schubverbinder nach [Fritzen 1998]
Älvsgarde, S-50492 Hedared. Ein rahmenartiges Stahlteil überträgt die Schubkraft
– abZ. Nr. Z-9.1-342; 06.05.2010; SFS intec über jeweils zwei im Beton und Holz druckbe-
GmbH Fastenings-Systems: D 61440 Oberursel. anspruchte Kontaktflächen. Die Kraftübertragung
3.7 Holzbau 1405

Abb. 3.7-50 Verbundmittel Schraube

erscheint deshalb berechenbar. Der Verschiebungs-


modul muss angenommen werden. Die konzent-
rierte Schubverbindung an einzelnen Stellen kann
mit der analytischen Lösung nicht erfasst werden,
eine numerische Lösung ist erforderlich. Für einen
Verbundanker können angenommen werden: zul T
= 200 kN und C = 500 MN/m.
Abb. 3.7-51 Verbundmittel Kerbe
Brettstapel-Beton-Verbund, System Natterer
Auf hochkant nebeneinander gestellte Bretter
wird eine Betonschicht aufgebracht. Die Schub- Die Berechnung von Holz-Beton-Verbundträgern
verbindung erfolgt über Kerben nach Abb. 3.7-51. erfolgt nach den Regeln für Träger aus nachgiebig
Die Bretter sind verleimt oder vernagelt. Die Ker- miteinander verbundenen Querschnittsteilen.
ben verlaufen senkrecht zur Spannrichtung. Die
Kraftübertragung erfolgt über die „Betonkonsole“
3.7.8.5 Querschnitte aus mehreren
und die Kontaktspannung zwischen der Beton-
miteinander nachgiebig
konsole und dem eingeschnittenen Holz. Der Zu-
verbundenen Schichten
sammenhalt der beiden Querschnittsteile erfolgt
durch Anker. Durch die konische Ausbildung der Die in Abschn. 3.7.8.3 hergeleitete Schubanalogie
Kerbe und das Anspannen der Anker nach der Aus- gilt streng nur für den Querschnitt aus zwei Teilen.
härtung des Betons entsteht eine sehr kraftschlüs- Für Querschnitte aus mehreren Teilen kann sie
sige Verbindung. Die Verbindung ist weitgehend aber als sehr gute Näherungslösung angewendet
berechenbar. Die Zugkraft im Anker folgt aus der werden. Dem Träger A wird die Summe der einzel-
Annahme der Neigung der Druckkraft von 10 nen Biegesteifigkeiten zugewiesen, dem Träger B
Grad. Der Steineranteil der Biegesteifigkeit wird die Biegesteifigkeit der Steineranteile und eine
auf 90% abgemindert. Versuche haben diese Werte Schubsteifigkeit, die nach Abb. 3.7-52 hergeleitet
bestätigt, viele Decken wurden erfolgreich ausge- wird.
führt.
1406 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.7-52 Schubsteifigkeit

Abb. 3.7-53 Mehrteiliger Querschnitt mit weicher Verbindung

Abb. 3.7-54 Mehrteiliger Querschnitt mit steifer Verbindung

di Dicke,
Gi Schubmodul der Schicht i

(3.7.40) Die Näherung besteht in der Annahme der linearen


Dehnung der Schwerpunkte der einzelnen Teil-
schwerpunkte. Die Abb. 3.7-53 und 3.7-54 zeigen
für einen siebenteiligen Querschnitt die genauen
Hierin bedeuten: und genäherten Ergebnisse eines Einfeldträgers
n Anzahl der Schichten, unter sinusförmiger Belastung, zum einen für eine
ci Verschiebungsmodul infolge Nachgiebigkeit weiche Schubverbindung und zum anderen für
der Verbindungen zwischen der Schicht i und i eine steife Schubverbindung. Dafür gilt die analy-
+ 1, (Kraft/Länge3) tische Lösung nach [Schelling 1982].
3.7 Holzbau 1407

3.7.9 Beanspruchung rechtwinklig (Rollschub) nicht weit auseinander liegen! Die Fes-
zur Faser tigkeiten fr (Zug) und frt (Rollschub) betragen nur
einen Bruchteil der Festigkeit fl (Zug in Faserrich-
tung).
3.7.9.1 Einleitung
Eine vorsichtige lineare Spannungsinteraktion
Die ausgeprägte Anisotropie von Holz erfordert für den Tragsicherheitsnachweis liefert:
die besondere Berücksichtigung der Richtungen
und Beanspruchungen mit geringeren Festigkeiten. (3.7.41)
Die Zugfestigkeit senkrecht zur Faser und damit
auch die Schubfestigkeit in der Ebene senkrecht
zur Faser sind gering und auch unzuverlässig. Ab- Wird für die rt-Ebene eine Vergleichspannung nach
bildung 3.7-55 zeigt die r-t-Ebene mit den zugehö- der Gestaltänderungshypothese berechnet, einmal
rigen Spannungen. Die Schubspannung Wrt wird für Zug und einmal für Schub, und wird von den
auch als „Rollschub“ (rolling shear) bezeichnet. Spannungen auf die Festigkeit geschlossen, so
Am Spannungskreis, Abb. 3.7-56, ist ersicht- folgt:
lich, dass für den Fall reiner Schubbeanspruchung
Wrt durch Drehen des Koordinatensystems um 45 (3.7.42)
Grad ein Zug-Druckspannungszustand entsteht.
Deshalb können die Festigkeiten fr (Zug) und frt (3.7.43)

(3.7.44)

(3.7.45)

Für dies Aussage fehlt aber die Bestätigung durch


Versuchsergebnisse. Einleuchtend ist das aber, da
die einachsiger Zugfestigkeit durch zusätzlichen
Querdruck sicher abgemindert wird.
Die Berechnung der Querzugspannungen in
Trägern kann aus dem Gleichgewicht der Längs-
und Schubspannungen nach der Technischen
Biegetheorie erfolgen. Die Längsspannung Vx
folgt aus der Technischen Biegetheorie. Abbildung
Abb. 3.7-55 Ebene r-t mit Spannungen

Abb. 3.7-56 Spannungskreis


1408 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.7-57 Querzugspannung, Gleichgewicht am Element

3.7-57 zeigt, dass aus dem Gleichgewicht in


x-Richtung zunächst die Schubspannung Wzx und Abb. 3.7-58 Umlenkspannungen
dann aus dem Gleichgewicht in z-Richtung mit
Wzx = Wxz die Querspannung Vz berechnet werden
kann. Dies entspricht dem ersten, wichtigsten und meist
ausreichenden, Term der in der DIN oder im EC
(3.7.46) gegebenen Formeln. Beim Tragsicherheitsnach-
weis ist noch zu beachten, dass die Querzugfestig-
keit von der Größe des Bereichs abhängig ist, in
Bei gekrümmten Trägern kann die Querspannung dem diese wirkt. Diese Tatsache wird in der DIN
mit der Scheibentheorie berechnet werden. Eine und im EC unterschiedlich berücksichtigt. Die
einfache Lösung liefert wieder das Gleichgewicht Festigkeit wird in der DIN von einen Höhenfaktor
ausgehend von der Längsspannung nach der Tech- (h0/hap)0,3, im EC 5 mit einem Volumenfaktor
nischen Biegetheorie (Abb. 3.7-58): (Vo /V)0,2 multipliziert. Dabei ist:

h0 Bezugshöhe (600 mm nach DIN)


hap Trägerhöhe im Querzugbereich
(3.7.47) Vo Bezugsvolumen (0,01 m3 nach EC 5)
V Volumen mit Querzug
Für den Rechteckquerschnitt mit b=const folgt
3.7.9.2 Beispiele
Krafteinleitung
Eine Einzellast liefert im Träger einen Sprung der
(3.7.48) Querkraftlinie. Die Querzugspannung errechnet
sich aus der Änderung der Schubspannung. Wenn
diese Änderung zu einen Sprung wird, kann nur eine
resultierende Zugkraft in Querschnitt aus dem
Gleichgewicht berechnet werden. Zur Spannungs-
berechnung ist eine Verteilungslänge notwendig. In
und für z=0 folgt [Ehlbeck u. a. 1991] werden dazu Nachweisverfah-
ren angegeben. Abbildung 3.7-59 zeigt, dass der
. (3.7.49) Schubfluss t mit der eingeleiteten Kraft F im Gleich-
gewicht steht. Je nach Höhe der Krafteinleitung gibt
3.7 Holzbau 1409

Abb. 3.7-59 Krafteinleitung im Querschnitt

es eine entsprechende Zugkraft im Querschnitt. Die


Integration des Schubflusses im Träger oberhalb der
Krafteinleitung liefert die Zugkraft (Abb. 3.7-60).

(3.7.50)

Abb. 3.7-60 Zugkraft

Der Klammerausdruck erscheint in der Literatur


als Faktor zur Berücksichtigung der Lage.

Ausgeklinkte Auflager
Beim ausgeklinkten Auflager tritt in der einsprin-
genden Ecke Zug auf. Nach Abb. 3.7-61 muss
der Schubfluss unterhalb der Ausklinkung hoch-
gehängt werden. Die Zugkraft entspricht der schraf-
fierten Fläche des Schubflusses:
Abb. 3.7-61 Ausgeklinktes Auflager

(3.7.51)
Durchbrüche
Bei Durchbrüchen in Trägern tritt ebenfalls in jeweils
Aufgrund der Exzentrizität wird diese Zugkraft Z gegenüberliegenden Ecken Zug bzw. Druck auf. Die
zur Dimensionierung noch mit einem Faktor (1,3 Zugkraft (bzw. Druckkraft) entspricht der Differenz
nach DIN 1052) multipliziert. der schraffierten Schubflussfläche in Abb. 3.7-62.
1410 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

(3.7.53)
Für die Spannungskombination Vx, Vz und W ist der
Nachweis zu führen. Ist ıx z. B. die Biegespannung
Abb. 3.7-62 Durchbruch in Faserrichtung, so lautet der Nachweis:

(3.7.54)

Ist ız positiv, also eine Zugspannung, ist im dritten


Term unter der Wurzel die Zugfestigkeit ft ein-
zusetzen, bei einer Druckspannung die Druckfe-
stigkeit fc. In DIN sind für Spannungen in einem
Winkel zur Faser Abminderungsfaktoren angege-
ben.

Abb. 3.7-63 Angeschnittene Fasern am Trägerrand 3.7.10 Platten aus Schichten


3.7.10.1 Allgemeines
Furniere oder Bretter werden kreuzweise überein-
(3.7.52) andergelegt und miteinander verbunden. Bei Ver-
klebung entsteht ein schubstarrer Verbund, bei Ver-
nagelung oder Verschraubung ein nachgiebiger Ver-
Für die berechneten Zugkräfte werden in der DIN bund der einzelnen Schichten. Die Nachgiebigkeit
die zur Spannungsberechnung notwendigen Flä- wird durch eine elastische Feder c bzw. k je Flä-
chen angegeben. cheneinheit (Kraft/Länge3) beschrieben. Die Faser-
richtungen der einzelnen Schichten sollen parallel
Angeschnittene Faser am Trägerrand oder senkrecht zueinander sein. Platten mit starrem
Bei Brettschichtholzträgern veränderlicher Höhe Verbund sind Baufurniersperrholzplatten, Kerto-
wird in einem Schnitt senkrecht zur Trägerachse platten oder Brettsperrholzplatten. Zur Berechnung
nach der technischen Biegetheorie die Längsspan- dieser Platten liegen oft Zulassungen des Instituts
nung Vx berechnet. Senkrecht zum um den Winkel D für Bautechnik, Berlin, vor. Doch können solche
zur Stabachse geneigten Rand darf keine Spannung Platten sowie Platten mit nachgiebig verbundenen
vorhanden sein. Aus dieser Bedingung liefert der Schichten auch berechnet werden.
Mohrsche Spannungskreis oder das Gleichgewicht Die Berechnung von aus Schichten aufgebauten
Spannungen senkrecht zur Stabachse. Im Mohr- Flächen für Platten- und Scheibenkonstruktionen
schen Spannungskreis nach Abb. 3.7-63 ist Vx und D soll mit gängigen Programmen erfolgen. Dazu
gegeben. Der Radius und damit Vz sind dann müssen bei den Eingabewerten der Steifigkeiten
3.7 Holzbau 1411

die Besonderheiten der Holzkonstruktionen be- Schichten für die Berechnung durch die Platte A und
rücksichtigt werden: die Platte B ersetzt. Dabei erhält die Platte A die
Summe der Steifigkeiten der lose (c=k=0) aufeinan-
– Anisotropie: verschiedene Steifigkeiten in ver-
der gelegten Schichten. Die Platte B erhält die Bie-
schiedenen Richtungen,
ge- und Torsionssteifigkeit aus den Steineranteilen
– Berücksichtigung der Schubverformung,
und eine Schubsteifigkeit, welche die Nachgiebig-
– Berücksichtigung der nachgiebigen Schubver-
keit c bzw. k erfasst. Die Schubsteifigkeit wird nach
bindung zwischen den Schichten.
Gl. (3.7.40) für beide Richtungen berechnet. Beide
Es darf mit linear elastischem Materialverhalten Platten A und B müssen so gekoppelt werden, dass
und den Mittelwerten der Steifigkeiten gerechnet sie eine gemeinsame Biegfläche w(x,y) erhalten.
werden. Die Berücksichtigung der nachgiebigen Das kann durch Koppelstäbe zwischen den überein-
Schubverbindung zwischen den Schichten durch andergelegten Platten erreicht werden (vgl. Abb.
eine Ersatzschubsteifigkeit des Gesamtquerschnitts 3.7-45 Träger A und Träger B).
stellt eine Näherung dar. Die Dehnungen der Schicht- Die Berechnung der verbundenen Flächen liefert
schwerpunkte liegen auf einer Geraden durch die Schnittgrößen der Fläche A und der Fläche B. Die
Schwerlinie (vgl. Abschn. 3.7.8.3 und 3.7.8.5). Steifigkeiten und die aus den Schnittgrößen fol-
Grundlage ist die Technische Biegetheorie mit Be- genden Spannungen werden wie folgt berechnet:
rücksichtigung der Schubverformung. Die Steifig-
keiten werden auf eine Breite 1 bezogen. Fläche A
Biegung um die y-Achse (Biegemoment mAx),
Biegesteifigkeit BAx und Biegerandspannung der
3.7.10.2 Platten aus nachgiebig miteinander
Schicht i in x-Richtung:
verbundenen Schichten
Abbildung 3.7-64 zeigt ein Element dx mal dy aus n (3.7.55)
Schichten der Dicke di. Die Orientierung der Faser
der Schicht i zeigt in x- oder y-Richtung. Wie in
Abschn. 3.7.8.3 für den Träger gezeigt, wird die (3.7.56)
Platte aus nachgiebig miteinander verbundenen

Abb. 3.7-64 Plattenelement


1412 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Biegung um die x-Achse (Biegemoment mAy), Bie- Querkraft qBxz, Schubspannung IJxz in der Fuge i/
gesteifigkeit BAy und Biegerandspannung der Schicht i+1:
i in y-Richtung In den Gln. (3.7.55) und (3.7.56) ist
lediglich der Index x durch y zu ersetzen. (3.7.65)
Verwindung der xy-Ebene (Drillmoment mAxy=
mAyx), Drillsteifigkeit BAxy und Schubrandspan-
nung der Schicht i, IJxy,i=IJyx,i: (3.7.66)

(3.7.57)
Querkraft qByz, Schubspannung IJyz in der Fuge i/
i+1: In den Gln. (3.7.65) und (3.7.66) ist lediglich
der Index x durch y zu ersetzen.
(3.7.58)
Die mittlere Schubspannung über die Quer-
schnittshöhe a kann berechnet werden zu:
Schubspannung Wxz,i, parabelförmig über die Höhe
di verteilt, infolge qAxz: (3.7.67)

(3.7.59) (3.7.68)

a ist der Abstand der beiden äußeren Schichten.


(3.7.60) Die so berechnete Schubspannung ist über die
Querschnittshöhe betrachtet ein Mittelwert. Eine
Schubspannung Wyz,i, parabelförmig über die Höhe di der Änderung der Längskräfte in den Schichten
verteilt, infolge qAyz: In den Gln. (3.7.59) und (3.7.60) entsprechende Verteilung liefert die Berechnung
ist lediglich der Index x durch y zu ersetzen. nach Gl. (3.7.65).

Fläche B
3.7.10.3 Platten aus schubstarr miteinander
Biegung um die y-Achse (Biegemoment mBx), Bie-
verbundenen Schichten
gesteifigkeit BBx und Normalspannung aus Bie-
gung in der Schicht i in x-Richtung: Bei Verklebung der Schichten tritt keine Verschie-
bung in der Fuge auf. Rechnerisch wird dies erreicht,
(3.7.61) wenn c bzw. k unendlich gesetzt wird. Platte A und B
werden wieder zu einer zusammengefügt. Die einzel-
(3.7.62) nen Steifigkeiten werden addiert. Die Spannungen
berechnen sich aus den Schnittgrößen und den für
jede Schicht unterschiedlichen Moduln.
Biegung um die x-Achse (Biegemoment mBy), Bie- Biegung um die y-Achse (Biegemoment mx), Bie-
gesteifigkeit BBy und Normalspannung aus Bie- gesteifgkeit Bx und Biegespannung in x-Richtung:
gung in der Schicht i in y-Richtung: In den Gln.
(3.7.61) und (3.7.62) ist lediglich der Index x durch
y zu ersetzen.
Verwindung der xy-Ebene (Drillmoment mBxy= (3.7.69)
mByx), Drillsteifigkeit BBxy und Schubspannung in
der Schicht i, Wxy,i=Wyx,i: (3.7.70)

(3.7.63) Biegung um die x-Achse (Biegemoment my), Bie-


gesteifigkeit By und Biegespannung in y-Richtung:
In den Gln. (3.7.69) und (3.7.70) ist lediglich der
(3.7.64)
Index x durch y zu ersetzen.
3.7 Holzbau 1413

Verwindung der xy-Ebene (Drillmoment mxy = Gordon JE (1987) Strukturen unter Stress. Spektrum der Wis-
myx), Drillsteifigkeit Bxy und Schubspannung Wxy = senschaft, Heidelberg
Wyx: Holzbau Handbuch (1995) Reihe 1 – Entwurf und Konstrukti-
on, Teil 9 – Brücken, Folge 4 – QS-Holzplattenbrücken.
Informationsdienst Holz, München
Keylwerth R (1951) Die anisotrope Elastizität des Holzes und
(3.7.71) der Lagenhölzer. VDI-Forschungsheft 430, VDI-Verlag,
Düsseldorf
Kreuzinger H (1995) Träger und Stützen aus nachgiebig ver-
(3.7.72)
bundenen Querschnittsteilen. In: Arbeitsgemeinschaft Holz
e.V. (Hrsg): Step 1: Holzbauwerke nach Eurocode 5 – Be-
Schubspannung IJxz: messung und Baustoffe. Fachverlag Holz Düsseldorf, S.
B11/1–B11/9
(3.7.73) Kreuzinger H, Mohr B (1994) Holz und Holzverbindungen
unter nicht vorwiegend ruhenden Einwirkungen. For-
schungsbericht. Entwicklungsgemeinschaft Holz
Kreuzinger H (1999) Holz-Beton-Verbundbauweise. Fachta-
gung Holzbau 99, Informationsdienst Holz
(3.7.74) Natterer J, Herzog T, Volz M (1996) Holzbau Atlas. 2. Aufl. R.
Müller, Köln
Schubspannung IJyz: In den Gln. (3.7.73) und (3.7.74) Schelling W (1982) Zur Berechnung nachgiebig zusammenge-
ist lediglich der Index x durch y zu ersetzen. setzter Biegeträger aus beliebig vielen Einzelquerschnitten.
In: Ingenieurholzbau in Forschung und Praxis. Bruderver-
lag, Karlsruhe
3.7.10.4 Hinweis Step 1 (1995) Bemessung und Baustoffe. Hrsg.: Arbeitsge-
meinschaft Holz e.V. Düsseldorf
Für vorwiegend einachsig gespannte Platten des
Step 2 (1995) Bauteile Konstruktionen Details. Hrsg.: Arbeits-
Wohnungsbaues ist die Schnittgrößenberechnung gemeinschaft Holz e.V. Düsseldorf
nach der Plattentheorie meist nicht notwendig. Die Step 3 (1995) Grundlagen Entwicklungen Ergänzungen. Hrsg.:
Balkentheorie genügt. Bei Fahrbahnplatten für Arbeitsgemeinschaft Holz e.V. Düsseldorf
Straßenbrücken ist dagegen eine Plattenberech- Winter S, Kreuzinger H, Mestek P (2008) Flächen aus Brettsta-
nung notwendig. Die Aufnahme von Radlasten peln, Brettsperrholz und Verbundkonstruktionen. Ab-
kann nur so beurteilt werden. Anstelle der Platten- schlussbericht des TP 15, HTO Gesamtprojekt „Holzbau
berechnung eignet sich oft besser eine Trägerrost- der Zukunft“. Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion,
TU München 2008
berechnung. Die Anisotropie ist damit meist ein-
facher zu berücksichtigen. Berechnungsbeispiele
finden sich in [Winter u. a. 2008]. Normen und Richtlinien
DIN 1052 (2008) Entwurf, Berechnung und Bemessung von
Holzbauwerken – Allgemeine Bemessungsregeln für den
Literaturverzeichnis Kap. 3.7
Hochbau
Bejtka J (2005) Verstärkung von Stabdübelverbindungen – DIN 1074 (2005) Holzbrücken
Nachweise für Tragwerksplaner. In: Ingenieurholzbau DIN EN 350-2 (Oktober 1994) Natürliche Dauerhaftigkeit von
Karlsruher Tage 2005; Bruderverlag, Karlsruhe Vollholz
Blaß HJ, Ehlbeck J, Kreuzinger H, Steck G (2006) Erläute- DIN 68800-2 (Mai 1996) Holzschutz; Vorbeugende bauliche
rungen zu DIN 1052:2004-08 – Entwurf, Berechnung und Maßnahmen
Bemessung von Holzbauwerken. Hrsg.: DGfH, Bruderver- DIN 68800-3 (April 1990) Holzschutz; Vorbeugender che-
lag Albert Bruder, Karlsruhe mischer Holzschutz
Ehlbeck J, Görlacher R, Werner H (1991) Empfehlungen zum EC 5-1, DIN V ENV 1995-1 (Juni 1994) Entwurf, Berechnung
einheitlichen Querzugnachweis für Anschlüsse mit mecha- und Bemessung von Holzbauwerken, Teil 1: Allgemeine
nischen Verbindungsmitteln. Bauen mit Holz (1991) S. Bemessungsregeln, Bemessungsregeln für den Hochbau
825–828 EC 5-2, ENV 1995-2 (August 1999) Bemessung und Kons-
Fritzen K, Jacob S, Fitz P (1998) Man nehme Balken, Platten ... truktion von Holzbauten, Teil 2: Brücken
Holzbalken-Stahlbetonplatten-Verbunddecke mit neuartigen NAD (Februar 1995) Richtlinie zur Anwendung von DIN V
Schubverbindungen. Bauen mit Holz (1998) S. 31–33 ENV 1995-1-1
1414 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.8 Glasbau theoretische Festigkeit aufgrund der zwischenmole-


Johann-Dietrich Wörner, Claudia Freitag kularen Bindungen (5000 bis 10000 N/mm2) ist bei
Glas um ein Vielfaches höher als die tatsächliche
(technische) Festigkeit, die nur 0,5% bis 1% der the-
3.8.1 Allgemeine oretischen (Biege-) Festigkeit erreicht (30 bis 50 N/
Werkstoffeigenschaften mm2). Der Grund: Glas ist kein idealer Körper, son-
dern weist zahlreiche Diskontinuitäten, Mikrorisse
Zum sicheren Einsatz des Glases als Konstruktions- und Kerben auf. Diese Oberflächenfehler führen
werkstoff sind werkstoffspezifische Eigenschaften dazu, dass sich bei der Belastung an ihrer Rissspitze
zu beachten, die sich von denen anderer Baustoffe nach der Theorie der Bruchmechanik [Griffith 1920]
(z. B. Stahlbeton, Stahl und Holz) in wesentlichen hohe Spannungen aufbauen. Da Glas spröde rea-
Punkten unterscheiden. Dazu gehören u. a. das na- giert und nicht plastiziert, können Spannungsspitzen
hezu linear elastische Verhalten bis zum Bruch, die nicht abgebaut werden und führen zum Versagen
Sprödigkeit und der damit große Einfluss der Ober- des Glases. Die aus der Bruchmechanik abgeleitete
flächenbeschaffenheit auf die Glasfestigkeit. Bruchzähigkeit KIc, ein Maß für die Sprödigkeit
Der Glaszustand ist der eingefrorene Zustand eines Werkstoffs, beträgt für Kalk-Natron-Glas
einer unterkühlten Flüssigkeit, die ohne zu kristal- 0,78 N/mm2m1/2. Zum Vergleich: Die Bruchzähig-
lieren erstarrt ist (Tammann). Die daraus resultie- keit von Stahl kann Werte zwischen 8 und 135 N/
rende amorphe Isotropie führt zu richtungsunab- mm2m1/2 annehmen. Die Oberflächenhärte (Mohs-
hängigen Eigenschaften. Härte) von Kalk-Natron-Silicatglas beträgt 5,3.
Im Bauwesen werden fast ausschließlich Sili- Die Druckfestigkeit von Glas kann über 300 N/
catgläser verwendet. Am häufigsten handelt es sich mm2 betragen, wird aber im konstruktiven Glasbau
um Kalk-Natron-Silicatglas, das im Wesentlichen meist nicht ausgenutzt, da i. d. R. die Biegebean-
aus den Grundstoffen Quarzsand, Kalk und Soda spruchung dominant ist. Wenn die Glasfestigkeit
besteht. Die Glasschmelze setzt sich somit aus genannt wird, ist daher immer die Biegefestigkeit
SiO2 (ca. 70%), CaO+MgO (ca. 12%) und Na2O gemeint (Abb. 3.8-1).
(ca. 15%) zusammen und wird bei ca. 1600oC ge- Die Sprödigkeit von Glas führt zu besonderer
schmolzen. Die Siliciumoxide bilden beim Erstar- Kerbempfindlichkeit. Da Kerben im Wesentlichen
ren ein Netzwerk aus SiO4-Tetraedern, in welche auf der Oberfläche zu finden sind, haben auch die
die Alkalien eingelagert sind. Eisenoxide (Fe2+, Größe der auf Zug belasteten Oberfläche und die
blau-grün und Fe3+, gelb-braun) geben dem Glas Belastungsdauer einen wesentlichen Einfluss auf
die grünliche Färbung. die Festigkeit, denn mit der Größe der Oberfläche
Der Elastizitätsmodul für Kalk-Natron-Sili- steigt die Wahrscheinlichkeit einer Kerbstelle an
catglas beträgt ca. 73000 N/mm2, die Querkon- ungünstiger Stelle. Das Risswachstum kleinster
traktionszahl 0,23 und die Dichte 2500 kg/m3. Die Fehlstellen aufgrund chemischer Vorgänge am

Abb. 3.8-1 Spannungs-Dehnungs-Diagramme von a Glas, b Stahl und c Beton im Vergleich


3.8 Glasbau 1415

Abb. 3.8-2 Zugfestigkeit von Glas in Abhängigkeit von der wirksamen Risslänge nach [Petzold 1990]

Rissgrund – sog. „subkritisches Risswachstum“ – 3.8.2 Gläser im Bauwesen


führt unter Dauerbelastung zum Versagen. Die me-
chanischen Festigkeitswerte, die üblicherweise im 3.8.2.1 Grundprodukte
Kurzzeitversuch ermittelt werden, müssen daher
für den Einsatz unter Dauerbelastung erheblich ge- Floatglas
mindert werden. Die chemischen Vorgänge am Floatglas (früher: Spiegelglas) ist das heute am
Rissgrund werden insbesondere bei der Anwesen- meisten verwendete Bauglas. Es ist nach seinem
heit bestimmter Medien (z. B. Wasser infolge hoher Herstellverfahren benannt (to float – aufschwim-
Luftfeuchtigkeit) beschleunigt, aber auch risshei- men, Abb. 3.8-3). Dabei fließt das Kalk-Natron-
lende Effekte sind bekannt. Silicatgemisch nach dem Schmelzen unter Schutz-
Glasfaserstränge dagegen können aufgrund ih- gasatmosphäre auf ein flüssiges Zinnbad und wird
res speziellen Herstellverfahrens und der Redun- am Ende des Bades abgezogen, gekühlt und geschnit-
danz durch die große Zahl von Filamenten Zugfes- ten. Es ist in allen Bereichen des täglichen Lebens
tigkeiten erreichen, die näher an die theoretische anzutreffen und findet u. a. Verwendung in Fenstern,
Festigkeit heranreichen (Abb. 3.8-2). Schaufenstern, Spiegeln, Oberlichtern und Möbeln.
Auch die Beachtung der Temperaturdehnung Außerdem ist Floatglas das Basisprodukt für die
ist wegen der Empfindlichkeit des Glases bei Weiterverarbeitung zu vorgespannten Gläsern (ESG,
Spannungsspitzen wichtig, denn hohe Beanspru- TVG) und Isoliergläsern. Es wird üblicherweise in
chungen durch Zwängungen können bereits infol- den Dicken 2, 3, 4, 6, 8, 10, 12, 15 und 19 mm her-
ge der unterschiedlichen Ausdehnung des Glases gestellt. Die Temperaturwechselbeständigkeit des
und einer Unterkonstruktion entstehen. Die Tem- Floatglases ist mit ca. 40 K relativ gering. Die Di-
peraturdehnungszahl Į'T von Kalk-Natron-Sili- ckentoleranzen nach den Normen für Glas sind z. T.
catglas beträgt ca. 9·10-6 1/K für den bauprak- erheblich, z. B. ± 0,2 mm für Floatglas bis 8 mm
tischen Temperaturbereich, die des Borosilicat- Dicke, ± 0,3 mm für Floatglas ab 10 mm Dicke,
glases ca. 3·10-6 1/K. ± 0,5 mm für Floatglas von 15 mm Dicke.
1416 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.8-3 Verfahren zur Glasherstellung [Schott 1996]


3.8 Glasbau 1417

Spiegel werden aus hochwertigem Floatglas mit oder organischen Angriff und die geringe Trocken-
einer chemisch aufgebrachten Silberschicht fabri- rohdichte (0,1 bis 0,17 g/cm3). Die geringe Druck-
ziert, die durch mehrere Deckschichten geschützt festigkeit (0,5 bis 1,2 N/mm2) begrenzt allerdings
wird. Sonnenschutzgläser stellt man her, indem op- die Anwendungsmöglichkeiten.
tisch aktive dünne Schichten im Tauch-, Sprüh- oder
Hochvakuumverfahren aufgebracht werden. Man Glasfasern
unterscheidet harte und weiche Beschichtungen. Glasfasern gibt es als Kurz- und Langfasern. Sie
finden Verwendung in Tapeten, zur Bewehrung
Gussglas, Drahtglas, Profilglas von Putzen, in Fassadenplatten, in glasfaserver-
Im Unterschied zu Floatglas wird Gussglas nach stärkten Kunststoffen (GFK) oder zur Verstärkung
dem Prinzip der überlaufenden Wanne hergestellt, von Beton. Beim Einsatz in Beton ist Glas aller-
direkt von Walzen abgezogen, gekühlt und ge- dings wegen der geringen Alkali-Beständigkeit des
schnitten. Gussglas wird häufig mit einer ausge- Kalk-Natron-Glases (A-Glasfaser) und der E-Glas-
prägten Ornamentierung (Dicke 4, 6, 8 mm) oder faser (Alumno-Borosilicatglas mit einem Alkalige-
Drahtnetzeinlage (Drahtglas, 7 oder 9 mm) produ- halt <1%) problematisch. Daher wird heute häufig
ziert. Gussglas ist mit Ausnahme des Drahtspiegel- das AR-Glas (alkali-resistent) verwendet, wobei
glases (poliertes Drahtglas) meist nahezu undurch- die Fasern über 10% Zirkonoxid (ZrO2) enthalten
sichtig, jedoch lichtdurchlässig. Ein Vorteil des (Tabelle 3.8-1).
Drahtglases ist, dass die Bruchstücke nach dem
Bruch zusammengehalten werden. Drahtglas kann Glaskeramik
so feuerhemmend wirken, da es zwar nicht den Glaskeramik ist ein Glasprodukt, das beim Abküh-
Durchtritt der Wärmestrahlung, aber den Flam- len durch eine vorgegebene präzise Temperatur-
men- und Brandgasdurchtritt verhindert. führung in verschiedene Phasen auskristallisiert.
Eine spezielle Form des Gussglases ist das Pro- Durch die gesteuerte Kristallisation können er-
filglas, das z. B. in Form von U-Profilen gegossen wünschte Eigenschaften wie hohe Bruch- und Ver-
wird und häufig im Industriebau, aber auch zur schleißfestigkeit sowie gute Temperaturwechsel-
Fassadenkonstruktion eingesetzt wird. beständigkeit gezielt eingestellt werden. Die Farb-
gebung und das Aussehen der Oberfläche lassen
Schaumglas sich ebenfalls in weiten Grenzen wie gewünscht
Schaumglas (engl.: foamglas) ist ein in einem ther- erzielen. Glaskeramiken sind dabei meist undurch-
mischen Prozess aufgeschäumter Stoff mit vielen sichtig und werden beispielsweise als Fassaden-
kleinen geschlossenen Zellen. Es wird zur Wärme- platten eingesetzt (structuran“).
dämmung eingesetzt, z. B. beim Bau von Flachdä-
chern oder zur Isolierung von Bodenplatten. Vor- Glassteine
teile des Schaumglases sind der besonders geringe Glassteine nach DIN 18175 sind Hohlkörper, die in
Wärmedurchgang bei hoher Wasserdampfdiffusi- einem Pressverfahren in verschiedenen Größen
onsdichte, die Beständigkeit gegen chemischen (meist zwischen 19 und 30 cm Kantenabmessung)

Tabelle 3.8-1 Mechanische Eigenschaften von Glasfasern im Vergleich mit anderen Fasern
1418 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.8-4 Glasrohr im Herstellungsprozess [Schott 1990]

hergestellt werden. Sie können glatt und durchsich- weicheren Oberfläche (Mohs-Härte 2 bis 3), dem
tig, ornamentiert oder in der Masse eingefärbt sein. geringen, temperaturabhängigen E-Modul und den
Glassteinwände müssen nach DIN 4242 bemessen ausgeprägten Kriecheigenschaften.
werden, Betonglaskonstruktionen nach DIN 1045.
3.8.2.2 Veredelungsprodukte
Glasrohre
Glasrohre werden insbesondere in der chemischen Vorgespanntes Glas
Industrie für den Transport von Flüssigkeiten ver- Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG). ESG, oft fälsch-
wendet. Zur Herstellung wird meist ein Borosili- licherweise als „gehärtetes Glas“ bezeichnet, ist ein
catglas verwendet, das aufgrund seiner geringen Glas, das durch erneutes Erhitzen bis zum Transfor-
Wärmedehnung eine besonders hohe Temperatur- mationspunkt und anschließendes schnelles Abküh-
wechselbeständigkeit aufweist (>100 K). Glas- len (Anblasen mit Luft) in einen Eigenspannungszu-
rohre stellen für den konstruktiven Glasbau eine stand versetzt wird, bei dem der Kern einer Scheibe
interessante Ausgangsform dar, da große Biege- unter Zugbeanspruchung und die Oberfläche unter
momente übertragen werden können, ohne dass Druckbeanspruchung steht. Dadurch kann der festig-
Verbindungsmittel erforderlich sind (Abb. 3.8-4). keitsmindernde Einfluss der Oberflächenfehler dras-
tisch vermindert werden, denn diese können erst
Acrylglas wirksam werden, wenn aus Last oder Zwang Zug-
Acrylglas ist ein Hochpolymer-Kunststoff (Polym- spannungen an der Oberfläche erzeugt werden. Auch
ethylmethacrylat, PMMA, Plexiglas®) und somit die Temperaturwechselbeständigkeit des voll vorge-
kein Glas gemäß vorstehender Definition. Vorteile spannten Glases nimmt erheblich zu (ca. 200 K). Der
des Acrylglases bestehen in seiner Flexibilität, Spannungsverlauf (Abb. 3.8-5) entspricht in guter
mechanischen Bearbeitbarkeit, kleineren Dichte Näherung einer einfachen Parabel mit
(1180 kg/m3) und geringeren Sprödigkeit gegen-
über Glas (KIc = 1,62 N/mm2m1/2), Nachteile in der V = V0 [1–3(z/h)2]; (3.8.1)
3.8 Glasbau 1419

Abb. 3.8-5 Spannungsverlauf bei thermisch vorgespanntem Glas. a Eingeprägte Vorspannung; b Äußere Belastung;
c Überlagerung

Abb. 3.8-6 Bruchbild von Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG)

V0 Zugspannung in Scheibenmitte, h Scheibendi- Teilvorgespanntes Glas (TVG). TVG wird in dem


cke/2. Als Ausgangsmaterial dient meist Floatglas, gleichen Produktionsprozess wie ESG hergestellt,
aber auch Gussgläser können vorgespannt werden. jedoch langsamer abgekühlt, und unterscheidet
Nach dem Vorspannen kann thermisch vorge- sich so durch das geringere Maß der eingeprägten
spanntes Glas aufgrund des Eigenspannungs- Vorspannung. TVG hat folglich eine geringere
zustands nur sehr bedingt bearbeitet werden; des- Biegefestigkeit als ESG, das Bruchbild der Schei-
halb müssen Kantenbearbeitungen vorher vorge- ben (Abb. 3.8-7) ähnelt dem des Floatglases, die
nommen und Bohrungen oder Ausschnitte vorher Temperaturwechselbeständigkeit beträgt ca. 100 K.
angebracht werden. Bei der Planung ist zu beach- Momentan ist die Herstellung von TVG aus ver-
ten, dass aufgrund der thermischen Behandlung fahrenstechnischen Gründen nur bis zu einer Dicke
Maßtoleranzen im Bereich von Bohrungen sowie von 12 mm möglich.
eine leichte Vorkrümmung der Scheibe entstehen.
Eine ESG-Scheibe zerfällt bei Bruch infolge der Chemisch vorgespanntes Glas. Durch Ionenaus-
über den Eigenspannungszustand gespeicherten tauschvorgänge an der Oberfläche, bei denen z. B.
Energie [Blank 1979] in viele kleine stumpfkan- bei Kalk-Natron-Silicatglas (kleinere) Natrium-Io-
tige Bruchstücke, die untereinander lose zusam- nen gegen (größere) Kalium-Ionen ausgetauscht
menhängen (Abb. 3.8-6). werden, können wie bei thermisch vorgespanntem
1420 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.8-7 Bruchbilder von teilvorgespanntem Glas (TVG) a im Bruchversuch nach prEN 1863, b an einer punktgela-
gerten Scheibe (x = Anschlagstellen)

Glas Oberflächendruckspannungen erzielt werden.


Dieser Vorgang findet nur in einem Bereich von
wenigen Pm Dicke statt. Die Vorspannung kann
jedoch sehr hohe Werte bis 1000 N/mm2 erreichen,
die chemisch vorgespannte Gläser für Spezialan-
wendungen interessant machen.

Emailliertes bzw. bedrucktes thermisch vorge-


spanntes Glas. Bei emaillierten bzw. bedruckten
Gläsern bringt man vor dem Vorspannprozess auf
der Schutzgasseite des Floatglases eine Email-
schicht (Fritte) auf, die beim Vorspannen einge-
brannt wird. Auf dieser Seite des Glases verringert
sich die Zugfestigkeit. Je nach Farbgebung muss
Abb. 3.8-8 Aufbau von Verbundsicherheitsglas (VSG)
die mögliche Aufheizung der Scheiben durch Son-
neneinstrahlung und die damit verbundene Tempe-
raturdehnung beachtet werden. Der Aufbau des VG entspricht dem des VSG,
jedoch werden als Zwischenmaterialien keine
Verbundgläser (VG), Verbundsicherheitsglas PVB-Folien verwendet, sondern beliebige Materi-
(VSG) alien, normalerweise Reaktionsharze. Herstel-
VSG besteht aus mindestens zwei Glasscheiben, lungstechnische Vorteile und Spezialanwendungen
die mit einer elastischen, reißfesten Hochpoly- (z. B. Verbundglas mit innenliegenden Solarzellen)
merfolie (meist Polyvinylbutyral, PVB) so mitein- machen den Einsatz von Verbundglas interessant
ander verbunden sind, dass bei Bruch der Scheiben (Abb. 3.8-8 und 3.8-9).
die Bruchstücke an der Folie haften bleiben. Da-
durch wird das Risiko von Schnitt- oder Stichver- Isolierglas
letzungen bei Zerstörung der Scheiben vermindert Der Begriff „Isolierglas“ bezieht sich auf Mehr-
und eine Resttragfähigkeit der VSG-Einheit er- scheibenisolierglas, eine Verglasungseinheit aus
möglicht. Als Ausgangsmaterialien werden Flach- mindestens zwei Gläsern, die durch einen Schei-
gläser sowie PVB-Folien verschiedener Dicken benzwischenraum (SZR, meist 8 bis 16 mm) ge-
verwendet. In einem Walzverfahren mit anschlie- trennt und nur durch einen Randverbund miteinan-
ßendem Pressen unter Druck und Hitze in einem der verbunden sind. Der Randverbund wird mittels
Autoklaven wird ein dauerhafter Verbund von Glas eines Abstandhalters hergestellt, der mit einem
und Folien geschaffen. Trockenmittel gefüllt ist und mit Silikon einge-
3.8 Glasbau 1421

Abb. 3.8-9 Aufbau von Verbundglas (VG) Abb. 3.8-10 Aufbau eines Isolierglases

klebt wird. Der so dampfdicht abgeschlossene SZR krümmtes Glas im Fassadenbau, für Überkopfver-
ist entweder luft- oder gasgefüllt. Isoliergläser glasungen oder im Innenausbau als Gestaltungsele-
werden zur Wärme- und Schalldämmung einge- ment verwendet. Neben Floatglasscheiben können
setzt. Isolierglas wird Wärmeschutzglas genannt, auch thermisch vorgespannte Gläser, Verbund- und
wenn mindestens eine der Scheiben zum SZR be- Isoliergläser gekrümmt hergestellt werden. Die Fer-
schichtet ist und der SZR mit einem Edelgas (z. B. tigung von gekrümmten Verbundgläsern mit Bohrun-
Argon oder Xenon) gefüllt ist (Abb. 3.8-10). gen ist aufgrund der Maßtoleranzen sehr aufwändig.
Man unterscheidet das Schwerkraftbiegeverfahren
Brandschutzglas und maschinelle Verfahren. Da eine Beschichtung
Bei einseitiger Hitzeeinwirkung „springen“ Float- der Gläser nach dem Biegen i. d. R. mit den üblichen
und Gussgläser in kurzer Zeit, und es droht durch Beschichtungsmechanismen nicht möglich ist, kön-
das Herausfallen von Bruchstücken ein Feuerüber- nen nur Gläser mit harter Beschichtung gebogen
schlag. Brandschutzverglasungen können den Feu- werden [VEGLA 1997].
erwiderstandsklassen G oder F zugeordnet werden.
Wenn sie den Flammen- und Brandgasdurchtritt
3.8.2.3 Mechanische Eigenschaften
einen bestimmten Zeitraum verhindern, werden sie
von Gläsern
als Brandschutzglas eingestuft (G30 bis G120), so
z. B. Drahtglas, Glasbausteine und bestimmte vor- Die wichtigsten mechanischen Eigenschaften der be-
gespannte Gläser (ESG aus Borosilicatglas). Hoch- schriebenen Gläser sind in Tabelle 3.8-2 aufgeführt.
wertige Brandschutzgläser, die den Durchtritt von
Hitzestrahlung verhindern und sich auf der dem
Feuer abgekehrten Seite im Mittel nicht mehr als 3.8.3 Bemessungskonzepte für Glas
um 140 K erwärmen, gehören den Klassen F30 bis
3.8.3.1 Bemessungskonzept mit globalen
120 (DIN 4102 Teil 2) an. Isoliergläser, bei denen
Sicherheitsbeiwerten
im Scheibenzwischenraum ein anorganisches auf-
schäumbares Material, eine spezielle wasserhaltige Bisher wurden Verglasungskonstruktionen in
Gelschicht oder eine Bor-Aluminiumphosphat- Deutschland nach den Technischen Regeln für die
Schicht enthalten ist, erfüllen diese Klassen. Verwendung von linienförmig gelagerten Vergla-
sungen [TRLV 2006] und den Technischen Regeln
Gekrümmtes Glas für die Verwendung von absturzsichernden Vergla-
Im Fahrzeugbau setzt man heute fast ausschließlich sungen [TRAV 2003] sowie den Technischen Re-
gekrümmte Gläser ein. Im Bauwesen wird ge- geln für die Bemessung und Ausführung punktge-
1422 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.8-2 Mechanische Eigenschaften von Gläsern

stützter Verglasungen [TRPV 2006] bemessen und sige Spannungen (Sicherheit auf der Widerstands-
ausgeführt. Darin wird der Nachweis durch Ver- seite) zugrunde gelegt werden (Tabelle 3.8-3).
gleich der vorhandenen Zugspannung mit einer zu-
lässigen Spannung geführt:
3.8.3.2 Bemessungskonzept mit
Teilsicherheitsbeiwerten
(3.8.2)
Inzwischen liegt fast allen Bemessungsregeln im
Bauwesen das Teilsicherheitskonzept mit der Be-
wobei Vzul die zulässige Spannung, J den globalen rechnung der Einwirkungen und des Widerstands
Sicherheitsbeiwert und VR die Glasfestigkeit be- mit Hilfe von Teilsicherheitsfaktoren und charak-
zeichnen. Der Begriff „globaler Sicherheitsbei- teristischen Werten zu Grunde. Daher soll auch im
wert“ bedeutet, dass der Faktor J gleichzeitig alle, Glasbau auf das Teilsicherheitskonzept umgestellt
d. h. mit den Einwirkungen, den Widerständen des werden, in dem geplant ist, die oben genannten
Glases und dem Berechnungsmodell behaftete Un- Ausführungsregeln (TRLV, TRAV, TRPV) durch
sicherheiten und Einflüsse abdecken soll. Ein glo- DIN 18008-Glas im Bauwesen zu ersetzen. Gleich-
baler Sicherheitsbeiwert J kann aber die Einflüsse zeitig soll der aktuelle Stand der Technik in die
der Glasscheibenfläche und der Belastungsdauer Neuregelungen einfließen und eine Grundlage ge-
nicht ohne weiteres hinreichend berücksichtigen. schaffen werden, die es erlaubt, Neuentwicklungen
Vom Nachweiskonzept her ist es für eine norma- im Glasbau zukünftig einfacher durch Ergänzun-
le Biegebemessung unerheblich, ob der globale gen zu erfassen. Dies würde eine erhebliche Er-
Sicherheitsfaktor auf der Einwirkungs- oder Wi- leichterung bedeuten, da eine Vielzahl üblicher
derstandsseite angesetzt wird. Insbesondere bei Verglasungskonstruktionen von oben genannten
Verlassen des linearen Zusammenhangs zwischen Regelwerken (TRLV, TRAV, TRPV) abweichen
Belastung und Beanspruchung (z. B. Effekte aus und somit für diese momentan noch Zustimmun-
der Theorie II. Ordnung) sind Betrachtungen der gen im Einzelfall oder allgemeine bauaufsichtliche
Streuungen auf der Einwirkungs- und der Wider- Zulassungen notwendig sind, was mit sehr hohem
standsseite und daraus folgend die Anwendung Aufwand verbunden ist.
von Teilsicherheitsbeiwerten sinnvoll. DIN 18008 hat zum Ziel, die wesentlichen und
Mit dem Konzept der globalen Sicherheitsbei- besonderen Parameter des Werkstoffs Glas (z. B.
werte können folgende Bemessungswerte als zuläs- die Zeitabhängigkeit der Festigkeit von Floatglas,
3.8 Glasbau 1423

Tabelle 3.8-3 Zulässige Spannungen für Glas (globale Sicherheitsbeiwerte)

Isolierglaseffekte, Schubverbund bei Verbund-Si- Zur Ermittlung der Lastfallkombinationen auf


cherheitsglas) für die Bemessung so zu erfassen, der Einwirkungsseite verweist DIN 18008 konse-
dass sie angemessen berücksichtigt werden, aber quent auf die Grundnorm DIN 1055 Teil 100 Ein-
gleichzeitig noch praktisch handhabbar sind. Nach wirkungen auf Tragwerke – Grundlagen der Trag-
aktuellem Stand ist die DIN 18008 in sieben Ein- werksplanung, Sicherheitskonzept und Bemes-
zelteile gliedert: sungsregeln, Ausgabe März 2001. Vereinfachend
wird davon ausgegangen, dass die Einwirkungen
– Teil 1: Begriffe und allgemeine Grundlagen
voneinander unabhängig sind, so dass die zur Er-
– Teil 2: Linienförmig gelagerte Verglasungen
mittlung von Ed erforderlichen Teilsicherheitsbei-
– Teil 3: Punktförmig gelagerte Verglasungen
werte der Einwirkungen Tabelle A.3 der DIN 1055-
– Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichern-
100 entnommen werden können. Für die Kombi-
de Verglasungen
nationsbeiwerte \ gilt dann analog Tabelle A.2 der
– Teil 5: Zusatzanforderungen an begehbare Ver-
DIN 1055-100 (s. Tabelle 3.8-4).
glasungen
Der Nachweis der ausreichenden Tragfähigkeit
– Teil 6: Zusatzanforderungen an zu Reinigungs-
von Verglasungen erfolgt nach DIN 18008 auf der
und Wartungsmaßnahmen betretbare
Grundlage des Nachweises der maximalen Haupt-
Verglasungen
zugspannungen an der Glasoberfläche.
– Teil 7: Sonderkonstruktionen (z. B. Balken,
Dabei werden die Eigenspannungszustände aus
Schubfelder).
thermischer Vorspannung der Gläser auf der Wider-
Der nach DIN 18008 zu führende Nachweis hat standsseite Rd berücksichtigt. Die Berechnung des
folgende Form: Widerstandes Rd unterscheidet sich daher für ther-
misch vorgespanntes Glas bzw. Glas ohne ther-
E d d R d,
mische Vorspannung und wird wie folgt berechnet:
wobei Ed den Bemessungswert der Einwirkung
und Rd den Bemessungswert des Widerstandes (3.8.3)
darstellen.
1424 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.8-4 Kombinationsbeiwerte ȥ für Einwirkungen

DIN 18008 behandelt wie DIN 1055-100, ȥ0 ȥ1 ȥ2


Tabelle A.2
Windlasten Windlasten 0,6 0,5 0,0
Schnee- und Eislasten bis 1000 m ü NN Schnee- und Eislasten bis 1000 m ü NN 0,5 0,2 0,0
Klimatische Einwirkungen auf Isolierver- Temperatureinwirkungen 0,6 0,5 0,0
glasungen und Temperaturzwängungen
Montagezwängungen Baugrundsetzungen 1,0 1,0 1,0
Holm- und Personenlasten Nutzlasten Kategorie A 0,7 0,5 0,3

Tabelle 3.8-5 Durchbiegungsbegrenzungen für Überkopfverglasungen und Vertikalverglasungen nach den Technischen
Regeln für die Verwendung von linienförmig gelagerten Verglasungen (TRLV 2006)

mit: beitung nur 90% der charakteristischen Biege-


kc: Beiwert zur Berücksichtigung der Konstruk- festigkeit angesetzt werden darf.
tion;
Unterscheidung zwischen thermisch vorge-
3.8.3.3 Grenzwerte der Durchbiegung
spanntem und thermisch entspanntem Glas
fk: charakteristischer Wert der Biegezugfestigkeit Auch die zulässige Durchbiegung von Vergla-
nach Tabelle 3.8-2 sungskonstruktionen wird bislang in Deutschland
JM: Materialsicherheitsbeiwert; nach den Technischen Regeln für die Verwen-
Unterscheidung zwischen thermisch vorge- dung von linienförmig gelagerten Verglasungen
spanntem und thermisch entspanntem Glas [TRLV 2006] bzw. nach den Technischen Regeln
kmod: Beiwert zur Abminderung der Festigkeit ther- für die Bemessung und Ausführung punktgestütz-
misch nicht vorgespannter Gläser in Abhängig- ter Verglasungen [TRPV 2006] geregelt. Nach
keit von der Lasteinwirkungsdauer TRLV gelten die in Tabelle 3.8-5 dargestellten
(thermisch vorgespanntes Glas: kmod = 1,0) Durchbiegungsbeschränkungen.
Zur Vermeidung größerer Spannungen infolge
Des Weiteren ist bei der Berechnung des Wider- Nachgiebigkeit der Unterkonstruktion sind Vorga-
standes Rd zu berücksichtigen, dass ben bezüglich der Steifigkeit der Unterkonstruktion
erforderlich.
– bei der Verwendung von VSG und VG die Be- Nach [TRLV 2006] darf die Durchbiegung der
messungswerte des Widerstandes pauschal um Auflagerprofile nur 1/200 der aufzulagernden
10% erhöht werden dürfen. Scheibenlänge betragen (”15 mm). Bei punktgela-
– bei planmäßig unter Zugbeanspruchung stehen- gerten Scheiben sind nach [TRPV 2006] die Durch-
den Kanten (z. B. bei zweiseitig linienförmiger biegungen der Verglasungen auf 1/100 der maßge-
Lagerung) von Scheiben ohne thermische Vor- benden Stützweite zu beschränken. Bei zwei- oder
spannung unabhängig von deren Kantenbear- dreiseitig gelagerten Isolierverglasungen darf die
3.8 Glasbau 1425

Durchbiegung des freien Randes nicht mehr als 3.8.4.2 Zwängungsbeanspruchungen


1/200 der Länge des freien Randes betragen. Für Zwängungen können bei Glasbauteilen leicht zum
Vertikalverglasungen ist eine Durchbiegungsbe- Bruch führen, da Spannungsspitzen nicht durch lo-
schränkung für die Scheibenmitte bisher umstrit- kales Plastizieren o. ä. abgebaut werden können,
ten. Für große Verformungen können daher die Rand- und somit keine Spannungsumlagerungen möglich
bedingungen der linearen Plattentheorie nicht mehr sind. Daher müssen Scheiben so gelagert werden,
eingehalten sein, und es kann ein genauer Nach- dass die Beanspruchung aus Zwängungslasten
weis nach höherer Ordnung geführt werden möglichst gering ist. Dies betrifft besonders die
(Membraneffekte). Dies wirkt sich rasch günstig Zwängungen aus Temperaturlasten und aus Verfor-
auf die erforderliche Scheibendicke aus. mungen der Unterkonstruktion. Dabei sind die un-
Doch auch für den Nachweis der Gebrauchs- terschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten
tauglichkeit soll zukünftig DIN 18008 verwendet der Unterkonstruktion und des Glases zu berück-
werden. Für den Bemessungswert der Beanspru- sichtigen. Punktgelagerte Scheiben können z. B. in
chung verweist DIN 18008 wie schon beim Nach- der Ebene durch eine gelenkige Lagerung mit
weis der Tragfähigkeit auf DIN 1055-100, diesmal einem Kugelgelenk statisch bestimmt gelagert
jedoch auf die charakteristische Kombination. Bei werden (s. Abschn. 3.8.4.8).
liniengelagerten Verglasungen wird als Kriterium Bereits in der Planung ist darauf zu achten, dass
für den Gebrauchstauglichkeitsnachweis pauschal Ausgleichsmöglichkeiten von geometrischen Pass-
1/100 der Stützweite festgelegt. Dies stellt für Ho- ungenauigkeiten (z. B. bei Bohrungen in Verbund-
rizontalverglasungen eine Lockerung gegenüber gläsern aus thermisch vorgespannten Glasscheiben)
der TRLV dar, in der für Isolierverglasungen wie vorgesehen werden. Die in den Rechennachwei-
oben erwähnt l/200 gefordert wird. Allerdings ist sen vorausgesetzten Randbedingungen hinsichtlich
zu beachten, dass die Isolierglashersteller für die Drehbarkeit und Möglichkeiten der Verschieblich-
freie Kante der Isolierverglasungen nach wie vor keit von Auflagern müssen auch unter Last- und
Werte zwischen l/200 und l/300 fordern, die aus Temperatureinwirkung auf Dauer gesichert sein.
der Historie des Glaserhandwerks stammen.
3.8.4.3 Stoßlasten
3.8.4 Besonderheiten der Bemessung Glas reagiert sehr empfindlich auf Stoßbelastungen,
die hinsichtlich Masse, Form und Verformungs-
eigenschaften der Stoßkörper sehr unterschied-
3.8.4.1 Stabilitätsnachweise
lich sein können. Üblicherweise unterscheidet man
Bei der Verwendung von Glas als tragendes Ele- im Bauwesen zwischen harten und weichen Stö-
ment müssen die Stabilitätsprobleme besonders ßen.
beachtet werden. Aufgrund seiner amorphen Iso- Unter einem harten Stoß versteht man den Auf-
tropie hat Glas dabei in allen Richtungen dieselben prall eines im Verhältnis zum Bauteil harten Stoß-
Eigenschaften. Die i. d. R. sehr schlanken Bauteile körpers mit hoher Geschwindigkeit (z. B. Hagel
sind mit Vorverformungen aus Maßtoleranzen nach oder Blumentopf). Die Auswirkung des harten Sto-
Theorie II. Ordnung nachzuweisen. Es muss bereits ßes bleibt i. d. R. auf die unmittelbare Umgebung
bei der Modellbildung sichergestellt werden, dass der Stoßstelle beschränkt. Bei einem weichen Stoß
dabei keine lokalen Überbeanspruchungen auftre- dagegen prallt ein Stoßkörper mit niedrigerer Ge-
ten (z. B. im Bereich von Verbindungen) und ein schwindigkeit auf das Bauteil und verformt sich
Kontakt von Glas mit Werkstoffen, deren E-Modul merkbar an der Aufprallstelle. Die Beanspruchung
(oder besser deren Härte) höher als der des Glases ist auf weitere Bereiche ausgedehnt.
ist, vermieden wird. Ein Schubverbund zwischen Harte Stöße lassen sich besonders bei spröden
Verbundgläsern darf nicht berücksichtigt werden, Bauteilen i. d. R. nur experimentell nachweisen
da bei Dauerbelastung und Temperaturen >50°C (z. B. nach DIN 52338: Kugelfallversuch für Ver-
der Schubverbund zwischen den Scheiben nur bundglas), für den weichen Stoß existieren Re-
noch sehr gering ist (s. 3.8.4.5). chenverfahren [ETB-Richtlinie 1985], die – basie-
1426 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

rend auf Impulsüberlegungen – bei Glas noch den


Materialeigenschaften anzupassen sind, um reali-
tätsnahe Ergebnisse liefern zu können. Die Wider-
standsfähigkeit u. a. bei harten Stößen gegen die
Oberfläche ist bei vorgespannten Gläsern wesent-
lich höher als bei Floatglas. Bei Verbundgläsern
hat die Zwischenschicht einen zusätzlichen posi-
tiven Einfluss, da sie einen Teil der Stoßenergie
absorbiert.

3.8.4.4 Koppeleffekt bei Isolierglaseinheiten


Abb. 3.8-11 Koppeleffekt und Auswirkung von Klima-
Wegen des dampfdicht abgeschlossenen Schei- lasten bei Isolierglaseinheiten
benzwischenraums entsteht bei Isolierglasein-
heiten ein Koppeleffekt zwischen den Scheiben,
wobei sich beide am Lastabtrag beteiligen. Verfor- noch gültigen Regeln [TRLV 2006] als auch nach
mt sich die äußere Scheibe, entsteht eine Volumen- den zukünftig gültigen Regeln [DIN 18008] darf
änderung im Scheibenzwischenraum (Abb. 3.8- bei der rechnerischen Bemessung kein Schubver-
11). Sie führt zu einer Druckveränderung, die auch bund angesetzt werden wenn er sich günstig aus-
die innenliegende Scheibe beeinflusst [Wörner 1993]. wirkt, muss jedoch angesetzt werden, wenn er sich
Derartige Konstruktionen weisen auch Beanspru- bei Klimalasten ungünstig auswirkt (Isolierglas). In
chungen aus klimatischen Einwirkungen (Druck- zwei Diagrammen (Abb. 3.8-12, oben) sind die Zu-
differenzen) auf, die bei der Berechnung berück- sammenhänge zwischen der Einwirkungsart und
sichtigt werden müssen [TRLV 2006, DIN 18008- der daraus resultierenden Glasbeanspruchung dar-
Teil 2, Feldmeier 1997, Gläser u. a. 1995] und be- gestellt. Daraus lässt sich erkennen, dass man bei
sonders bei Scheiben mit geringer Kantenlänge zur Vernachlässigung der Verbundwirkung bei Einwir-
maßgebenden Beanspruchung werden können. Bei kung äußerer Lasten i. Allg. auf der sicheren Seite
Windlasten wirkt sich der Koppeleffekt günstig liegt, während Zwangsbeanspruchungen bei einem
auf die erforderliche Scheibendicke aus; er darf wirksamen Verbund zu höheren Beanspruchungen
unter bestimmten Bedingungen zur Berechnung des Glases führen.
von Vertikalverglasungen, nicht jedoch bei Über- In allen baupraktischen Temperaturbereichen
kopfverglasungen, angesetzt werden. kann man von vollständigem Zugverbund ausge-
hen, wobei sich eine Ablösung des Zwischen-
materials durch Eintrübung ankündigt. Um die
3.8.4.5 Schubverbund bei Verbundgläsern
Zwischenmaterialien bei Verbundgläsern vor Wit-
(VSG/VG)
terungseinflüssen zu schützen, sollten an den Kan-
Je nach Temperaturbereich und Belastungsdauer ten entsprechende Maßnahmen (z. B. Verklebung)
herrscht bei VSG/VG ein mehr oder weniger guter vorgesehen werden (Abb. 3.8-12, unten).
Schubverbund zwischen den Scheiben, da PVB-
Folien (thermoplastische Kunststoffe) und reakti-
3.8.4.6 Spontanbruch von thermisch
onsfähige Harze ein ausgeprägtes Kriechverhalten
vorgespanntem Glas
aufweisen. Bei Kurzzeitlasten (z. B. Windlasten)
und Temperaturen unter 50°C kann man von vollem Ein Problem von thermisch vorgespanntem Glas
Verbund ausgehen. Für Langzeitlasten (z. B. Schnee- ist der Einschluss von Nickel-Sulfid-Kristallen (70
lasten) herrscht bei niedrigen Temperaturen (um bis 200 Pm) im Netzwerk des Glases [Wagner
den Gefrierpunkt) sehr hoher Schubverbund, bei 1977]. Diese Kristalle im Glas resultieren aus Ver-
Raumtemperatur teilweise Schubverbund, aber bei unreinigungen beim Herstellungsprozess und
hohen Temperaturen (ca. >50°C) nahezu kein sprengen durch Wachstum in der Zugzone bei ihrer
Schubverbund mehr. Sowohl nach den zur Zeit Phasenumwandlung das Glasgefüge. Das Wachs-
3.8 Glasbau 1427

Vergleich der Glasbeanspruchung (σ) bei Vergleich der Glasbeanspruchungen (σ)


Lasteinwirkung (q) mit bzw. ohne Ansatz bei Verformungseinwirkung (w) mit bzw.
des Schubverbundes (Verbund aus zwei ohne Ansatz des Schubverbundes
Scheiben gleicher Dicke) (Verbund aus zwei Scheiben gleicher Dicke)

erheblich (um mind. eine Zehnerpotenz) verrin-


gern (Abb. 3.8-13).
Entscheidend für die Wirksamkeit des Heißla-
gerungstests ist, dass alle untersuchten Scheiben
auf 290°C erhitzt werden (Temperatur im Scheiben-
inneren), und die Temperatur eine Mindestdauer
von 8 Stunden anhält. Neben Herstellerbescheini-
gungen ist eine Eigen- und Fremdüberwachung
sinnvoll.

3.8.4.7 Resttragfähigkeit
Unter Resttragfähigkeit versteht man ganz allge-
Abb. 3.8-12 Schubverbund bei Verbundgläsern
mein den Widerstand gegen vollständiges Versa-
gen eines teilweise zerstörten Systems. Im Glasbau
tum ist lastunabhängig und wird durch Wärmeein- wird dieser Begriff im Zusammenhang mit dem
wirkung beschleunigt. Tragverhalten von VSG/VG-Scheiben verwendet,
Die Wahrscheinlichkeit dieses sog. „Spontan- bei denen durch eine Lasteinwirkung (oder Spon-
bruches“ wurde auf der Grundlage statistischer tanbruch) bereits eine oder mehrere Scheiben zer-
Daten zu 1,3·10-4 pro Jahr berechnet. Durch ent- stört wurden. Ein Nachweis der Resttragfähigkeit
sprechende thermische Beaufschlagung (o Heiß- muss immer auf das jeweilige Bauteil und die
lagerungstest) kann das Wachstum der Nickel- dort gewünschten Sicherheitsanforderungen abge-
Sulfid-Einschlüsse so beschleunigt werden, dass stimmt werden. So ist z. B. der Nachweis der Rest-
alle Einschlüsse zu über 99% umgewandelt tragfähigkeit bei begehbarem Glas mit anderen
werden. Unter Berücksichtigung, dass der ther- Randbedingungen zu führen als bei Überkopf-
mische Ausdehnungskoeffizient der Nickel-Sul- verglasungen. Im Allgemeinen werden jedoch zum
fid-Einschlüsse größer ist als der des Glases, ist Nachweis der Resttragfähigkeit eine oder mehrere
die Gefahr eines Spontanbruchs infolge NiS wäh- Scheiben einer Verbundglaseinheit bei geminder-
rend der Gebrauchsdauer theoretisch vollständig ter Bemessungslast zerstört, und die Zeit bis zum
gebannt. Unter Berücksichtigung verschiedener vollständigen Versagen des Systems wird gemes-
Einflüsse (thermischer und menschlicher Natur) sen [Shen 1997, Landesgewerbeamt Baden-Würt-
kann ein Heißlagerungstest (heat-soak test) nach temberg 1998, Hessisches Ministerium für Wirt-
DIN 18516 Teil 4 die Gefahr des Spontanbruchs schaft, Verkehr und Landesentwicklung: Glass-Er-
1428 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.8-13 Nickel-Sulfid-Einschluss nach dem Bruch (REM-Aufnahme, MPA, Darmstadt)

lass]. In DIN 18008 wurde versucht, die Resttrag- wendigerer Berechnungen. Die Beschaffenheit der
fähigkeit im Teil 1 allgemein zu definieren, damit Kanten und Oberflächen im Bereich der Bohrung
in den Teilen 2 ff. je nach Konstruktionsart unter- hat dabei wesentlichen Einfluss auf die Tragfähig-
schiedliche Anforderungen an die Resttragfähig- keit. Deswegen sollte man für punktgelagerte
keit in Abhängigkeit der Einbausituation (z. B. Ho- Scheiben nur vorgespannte Gläser verwenden.
rizontalverglasungen, begehbare Verglasungen), Der Einfluss von Zwängungsbeanspruchungen
der Konstruktion (z. B. zwei- oder vierseitige La- lässt sich minimieren und somit die Tragfähigkeit
gerung), der Versagensszenarien (z. B. Bruch einer der Scheiben besser ausnutzen, wenn man punkt-
oder mehrerer Scheiben eines VSG-Verbundes) gelagerte Scheiben statisch bestimmt lagert. Eine
und der zu berücksichtigenden Einwirkungen ge- Lagerung senkrecht zur Scheibenebene mit gerin-
stellt werden können. Die Resttragfähigkeit von ger Zwängung kann man durch Punkthalter ge-
VSG aus ESG ist – besonders bei Punktlagerung währleisten, die mit einem Gelenk versehen sind.
– sehr gering gegenüber der von VSG aus Float- Am wirkungsvollsten ist ein Kugelgelenk, das ge-
glas und VSG aus TVG (Abb. 3.8-14). nau in der Scheibenmittellinie liegt (Abb. 3.8-15 u.
Abb. 3.8-16).
In der Scheibenebene ist die statisch bestimmte
3.8.4.8 Punktförmig gelagerte Scheiben
Lagerung punktgehaltener Scheiben durch die An-
Liniengelagerte Fassaden- und Überkopfvergla- ordnung von Fest- und Loslagern erreichbar. Dazu
sungen lassen sich aufgrund des klar bestimmbaren benötigt man drei Auflagerreaktionen, deren Wir-
Spannungsverlaufes in Platten auch mit einfachen kungslinien sich nicht in einem Punkt schneiden
Hilfsmitteln (z. B. mit Tabellenwerten oder der (Abb. 3.8-17). Die Loslager lassen sich z. B. kons-
Bachschen Plattenformel) sicher berechnen und truktiv durch Langlöcher in der Unterkonstruktion
bemessen. Dabei tragen sie ihr Eigengewicht i. d. R. realisieren. Kann man eine statisch bestimmte La-
über die Verklotzung ab. Das Tragverhalten punkt- gerung nicht gewährleisten, z. B. durch eine starre
förmig gelagerter Glasscheiben bedarf dagegen auf- Lagerung der Scheiben, müssen sämtliche Zwän-
3.8 Glasbau 1429

Abb. 3.8-14 Resttragfähigkeitsversuch an einer punktgelagerten Scheibe (VSG aus ESG)

gungsbelastungen aus Temperaturverformungen – Art des Auflagers (Kugelgelenk, Einspannung,


und aus Verformungen der Unterkonstruktion be- Exzentrizität),
reits bei der Berechnung berücksichtigt werden. – Glasbohrung (Durchmesser, Beschaffenheit des
Punkthalter mit Kugelgelenken mindern auch in Glases, Art der Bohrung (zylinderförmig, ko-
der Ebene Zwängungsbeanspruchungen. nusförmig); Abb. 3.8-19),
Neben der Einlage von Zwischenmaterialien – Geometrie,
(Kunststoffe, Weichaluminium) im Bohrungsbereich – Zwischenmaterial (Dicke und Steifigkeit).
zur Abtragung des Eigengewichts kommt der reali-
tätsnahen Modellierung des Auflagerbereichs für die Eine Punktlagerung mit Bohrung auszuführen ist
Bemessung eine entscheidende Bedeutung zu. Bei erst seit einigen Jahren üblich. Eine weitere interes-
punktförmig gelagerten Glasscheiben ist die Haupt- sante Möglichkeit, die u. a. bei hinterlüfteten Fassa-
zugspannung, die i. d. R. an der Stützstelle auftreten den seit längerem angewendet wird, ist die Punkt-
wird, die für die Bemessung maßgebende Spannung. lagerung in der Fuge zwischen den Scheiben
Ein vereinfachtes FE-Modell (Finite Elemente) ohne (Abb. 3.8-20); sie ist in DIN 18516 Teil 4 erfasst.
Auflagermodellierung im Bohrungsbereich ist für
die Bemessung punktgelagerter Glasscheiben nicht
ausreichend. In einem verbesserten Modell lassen 3.8.5 Verbindungen
sich die Glasscheiben als Volumenelemente oder
Plattenelemente modellieren. Im Bereich der Halte-
3.8.5.1 Allgemeines
rungen ist es erforderlich, das Elementnetz zur rea-
listischen Erfassung der dort auftretenden Span- Prinzipiell existieren drei geeignete Fügetechniken
nungen zu verfeinern. Die Punkthalter können mit [Techen 1997], die im Hinblick auf die Material-
Volumenelementen im Bereich der Zwischenschicht eigenschaften des Glases besonders geeignet er-
und mit Scheibenelementen im Bereich des Aufla- scheinen:
gertellers modelliert werden (Abb. 3.8-18).
Die Spannung am Bohrungsrand punktgelager- – Klebeverbindung,
ter Glasscheiben ist dann stark von folgenden Ein- – Reibverbindung,
flüssen abhängig: – Lochleibungsverbindung.
1430 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.8-15 Glashalter zur zwängungsarmen Lagerung von punktgelagerten Scheiben

Entscheidend ist, den Kontakt Glas-Metall auch fettfrei sein. Über die Schichtdicke und den E-Modul
im Bereich der Anschlusspunkte zu vermeiden und des Klebstoffs ist es möglich, den Kraftfluss und das
trotzdem eine Kraftübertragung zu ermöglichen. Verformungsverhalten der Klebeverbindung zu steu-
ern und Spannungsspitzen zu minimieren. Besondere
Beachtung verdient die Ausführung von Klebever-
3.8.5.2 Klebeverbindungen
bindungen, da sie nur unter kontrollierten Bedin-
Klebeverbindungen ermöglichen eine sehr gleichmä- gungen, d. h. unter Umständen in klimatisierten Räu-
ßige Lasteinleitung. Die Oberflächenvorbereitung men, durchführbar sind. Zudem können Temperatur-
der Kontaktflächen ist – im Gegensatz zu anderen schwankungen zu erheblichen Spannungen im Glas
Werkstoffen – bei Glas sehr einfach, denn die zu ver- führen, weil Kleber und Glas sehr unterschiedliche
klebenden Flächen müssen lediglich trocken und Wärmeausdehnungskoeffizienten haben.
3.8 Glasbau 1431

Abb. 3.8-16 Lagerung von punktgelagerten Glasscheiben Abb. 3.8-17 Statisch bestimmte Lagerung von punktgela-
senkrecht zur Scheibenebene (einfach statisch unbestimmt) gerten Glasscheiben in der Scheibenebene (dargestellt sind
die jeweiligen Freiheitsgrade)

Abb. 3.8-18 Elementnetz eines im Bohrungsbereich verfeinerten Finite-Element-Modells zur realistischen Erfassung
von Spannungen
1432 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.8-19 Übliche Glasbohrungen für Punktlagerungen

Abb. 3.8-21 Lochleibungsverbindung im Glasbau mit


Bruchstruktur von ESG

örtliches Plastizieren umlagern. Bei Glas ist dies


nicht möglich. Deshalb muss zwischen Bolzen und
Glasbohrung eine Hülse eingelegt werden, die die
Spannungsspitzen abbaut und den Lochleibungs-
druck möglichst gleichmäßig auf das Glas vertei-
len kann. Dazu werden Aluminium oder Kunst-
stoffe wie Teflon und Polyamid bei vorgefertigten
Hülsen oder Epoxid, Polyester und Polyurethan
bei eingegossenen Hülsen verwendet. Die Hülsen-
materialien müssen beständig gegen Umweltein-
flüsse sein (UV-Licht, Wasser) und gutes Dauer-
Abb. 3.8-20 Beispiel für eine Punktlagerung in der Fuge standsverhalten aufweisen (Kriecheffekte!). Bei
(Mero GmbH) der Bemessung von Verbundgläsern ist zu beach-
ten, dass es aufgrund der Maßtoleranzen im Boh-
rungsbereich zu einer ungleichen Lastverteilung
3.8.5.3 Lochleibungsverbindungen
kommt. Hülsenmaterialien müssen daher auf ihre
Lochleibungsverbindungen haben sich im Stahl- Eignung untersucht werden (Abb. 3.8-21).
und Holzbau bewährt. Sie zeichnen sich durch ihre
einfache, unempfindliche und damit baustellenge-
3.8.5.4 Reibverbindungen
rechte Handhabung aus. Im Stahlbau kann auf-
grund des elasto-plastischen Materialverhaltens Reibverbindungen kennt man im Stahlbau unter
von Stahl vereinfachend von einer gleichmäßigen dem Begriff hochfeste Verbindungen bereits seit
Verteilung des Lochleibungsdruckes ausgegangen langem. Dabei werden Stahlflächen über vor-
werden, da sich lokale Spannungsspitzen durch gespannte Schrauben gegeneinander gepresst und
3.8 Glasbau 1433

über den damit erzeugten Reibschluss Haftkräfte in 3.8.6.2 Fenster, Glasfassaden


der Kontaktfläche übertragen. Allerdings ist die Vor- Die Anwendung von Glas im Fenster- und Fassa-
behandlung der Reibflächen im Stahlbau sehr auf- denbau ist der größte Einsatzbereich. Neben Holz-
wändig. Im konstruktiven Glasbau sind anstelle der rahmen mit Dichtmasse (z. B. Kitt) sind Alumini-
Vorbehandlungsmaßnahmen geeignete Reibschichten um- und Kunststoffrahmen mit separaten Dicht-
einzulegen, die dauerhaft sein müssen und keine rele- profilen sehr häufig. Die Auflagerung der Scheiben
vanten Kriechverformungen aufweisen dürfen (z. B. im Rahmen erfolgt durch eine Verklotzung der Schei-
Hochdruckdichtungen aus dem Anlagenbau). Die ben. Die Klotzungen werden zwischen Rahmen
Anwendung in Verbindung mit Verbundgläsern muss und Scheibe so eingeschoben, dass das Eigenge-
noch genauer untersucht werden, da sich die Zwi- wicht über die Rahmen abgetragen und der Rah-
schenmaterialien bei Einwirkung der Anpresskraft men durch die Scheibe stabilisiert wird. Dazu wer-
der Last entziehen und ein Kontakt Glas-Glas mit ho- den Hartholz- oder Kunststoffklötze verwendet
hen Spannungsspitzen auftreten kann. Die Reibzahl (Abb. 3.8.22).
der Reibschicht ist in Versuchen zu bestimmen. Neuere Entwicklungen umfassen Structural-
Glazing-Fassaden, punktgelagerte Fassaden und
rahmenlose Ganzglasfassaden mit Halteleisten mi-
3.8.6 Konstruktive Durchbildung nimaler Fläche bei facettenartiger Geometrie der
von Glasbauteilen Glaskante. Structural-Glazing-Fassaden sind ge-
klebte Ganzglasfassaden. Entscheidend ist, dass für
3.8.6.1 Allgemeines die Fassaden beim Einsatz 8 m über Geländehöhe
zusätzlich mechanische Halterungen vorzusehen
Ein Kontakt von Glas mit Werkstoffen, deren E- sind (Windsog). Damit unterscheidet sich Deutsch-
Modul (oder besser deren Härte) höher als der des land von den meisten europäischen Ländern und
Glases ist, muss dauerhaft ausgeschlossen werden. den USA. Unterhalb von 8 m kann generell auf me-
Beispielsweise Weichaluminium oder bestimmte chanische Halterungen verzichtet werden. Ein Si-
Kunststoffe (z. B. EPDM und Ethylen-Propylen- cherheitskonzept für diese Fassadenart [Shen 1996]
Dien Typ M) können dazu als Zwischenmaterialien beurteilt die Systemsicherheit unter Berücksichti-
dienen, zum Beispiel im Bereich von Bohrungen gung der Einflüsse des Klebstoffs und der mecha-
oder Auflagern. Bei den Materialien ist das Werk- nischen Halterung. Als Structural-Glazing-Kleb-
stoffverhalten (z. B. die Shore-Härte), die Bestän- stoffe sind in Deutschland bisher nur wenige Pro-
digkeit (UV-Licht, Wasser, Reinigungsmittel usw.) dukte (Silikone) zugelassen. Die Zulassungen sind
und ihr Dauerstandverhalten zu berücksichtigen. i. d. R. nur in Verbindung mit bestimmten Oberflä-
Eine zwängungsarme Lagerung der Scheiben ist chen (z. B. Aluminiumoberflächen) und bestimmten
durch sorgfältige Planung der Konstruktion zu ge- Vorbehandlungsmaßnahmen gültig.
währleisten. Dabei sind Maßtoleranzen zu berück- Neuere Fassadenkonstruktionen verwenden weit-
sichtigen. Zusätzlich ist zu beachten, dass Glas- gespannte Stahlseile oder Glas zur Aussteifung,
konstruktionen sehr empfindlich auf ungewollte um weitestgehende Transparenz zu ermöglichen
Ausmitten, Lochspiel in Verbindungen o. ä. reagie- (Abb. 3.8-23).
ren. Die Kanten der Scheiben müssen vor Beschä-
digung geschützt werden.
3.8.6.3 Überkopfverglasungen
Drahtglas ist im Kantenbereich anfällig gegen
Korrosion des Drahtgitters. Daher dürfen die Kan- Als Überkopfverglasungen gelten gemäß TRLV
ten des Drahtglases nicht ständig Feuchtigkeit bzw. bzw. DIN 18008-2 Verglasungen, die mehr als 10°
der Atmosphäre ausgesetzt sein. Aufgrund der un- gegen die Vertikale geneigt sind. Auch Vergla-
terschiedlichen Ausdehnung von Draht und Glas sungen mit geringerer Neigung sind als Überkopf-
sind Temperaturwechsel (z. B. bereichsweise Ab- verglasungen einzustufen, sofern bei diesen eine
schattung) besonders kritisch. Belastung durch Schneeanhäufung möglich ist.
Ein Reinigungskonzept für die Glasfläche sollte Für Überkopfverglasungen sind nach den Tech-
Bestandteil jeder Planung sein. nischen Regeln für die Verwendung von linienför-
1434 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

mig gelagerten Verglasungen die in Tabelle 3.8-6


zusammengestellten Glasarten zugelassen.
Es ist insbesondere zu beachten, dass VSG aus
ESG für Einfachverglasungen nicht ohne weiteres
für Überkopfverglasungen zulässig ist, sondern
nur als obere Scheibe von Isolierverglasungen. Bei
Überkopfverglasungen sind die Anforderungen an
die Resttragfähigkeit (o 3.8.4.7) besonders zu be-
achten (Abb. 3.8-24).

3.8.6.4 Begehbares Glas


Begehbares Glas (transparente oder beleuchtete
Fußböden, Glastreppen) muss aus Verbund(sicher-
heits)glas mit mindestens drei Lagen aufgebaut sein.
Dabei darf die oberste Scheibe nicht zum statischen
Nachweis herangezogen werden, da sie als Ver-
schleißschicht dienen soll. Aus Gründen der Schlag-
festigkeit ist zu empfehlen, als Deckschicht ESG zu
verwenden.
Neben den üblichen statischen Nachweisen muss
bei begehbarem Glas zusätzlich ein Nachweis der
Resttragfähigkeit mit einem Stoßversuch (harter
Stoß) erbracht werden. Die Dicke der Zwischen-
schicht (PVB-Folie, Gießharz) hat dabei Einfluss
auf das Tragverhalten beim Stoßversuch. Auch eine
Abb. 3-22 Verklotzung von Isolierglas [Institut des Glaser- ausreichende Rutschsicherheit (DIN 51097) muss
handwerks 1988] ggf. gewährleistet sein.

Abb. 3.8-23 Transparente Fassadenkonstruktion mit Stahlseilen zur Aussteifung (BHF-Bank, Offenbach)
3.8 Glasbau 1435

Tabelle 3.8-6 Zulässige Glasarten bei linienförmig gelagerten Überkopfverglasungen gemäß TRLV 2006

Abb. 3.8-24 Zentrale Glashalle der Neuen Messe Leipzig mit VSG aus ESG als Dachverglasung

3.8.6.5 Glas als Absturzsicherung


versuch (TRAV) in Anlehnung an E DIN EN 12600
Glasbauteile, die gegen Absturz sichern sollen, sind (weicher Stoß, Abb. 3.8-25) durchgeführt werden,
nach den Technischen Regeln für die Verwendung es sei denn, das Glas wird nur ausfachend einge-
von absturzsichernden Verglasungen (TRAV) bzw. setzt, und es werden zusätzliche Kniestäbe angeord-
DIN 18008 zu bemessen. Diese Glasbauteile bedür- net. Derzeit unterscheidet man folgende Kategorien
fen besonderer Nachweise. Zudem müssen bei die- absturzsichernder Verglasungen:
sen Konstruktionen immer thermisch vorgespannte Kategorie A: Raumhohe Verglasungen ohne Hand-
Gläser oder Verbund-(Sicherheits-)gläser Verwen- lauf (Holm),
dung finden, nur in speziellen Fällen ist der Einsatz Kategorie B: eingespannte Brüstungsverglasungen
von Drahtglas möglich. ESG (einfach) zu verwen- mit durchgehendem Handlauf,
den, ist nicht zulässig über Verkehrsflächen, bei de- Kategorie C: nur ausfachend angeordnetes Glas
nen wegen besonders hohen und lang anhaltenden (unabhängiger Handlauf); Untertei-
Verkehrsaufkommen ein Personenschaden durch lung in die Unterkategorien C1, C2
Abgang gefährlicher Glasbruchstücke als wahr- und C3.
scheinlich anzusehen ist, sofern dies nicht durch
konstruktive Maßnahmen verhindert wird. Für ab- Momentan gelten für den Pendelkörper nach E
sturzsichernde Verglasungen muss neben dem sta- DIN EN 12600 beim Nachweis der Absturzsiche-
tischen Nachweis (Horizontallast in Holmhöhe, rung in den Kategorien A/B/C Fallhöhen von
Windlast) zusätzlich ein experimenteller Bauteil- 900/700/450 mm.
1436 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.8-25 Fallkörper gemäß E DIN EN 12600 1998-06

Für Kategorie A sollte VSG aus ESG verwendet


werden; Ausnahmen bestehen bei Isoliervergla-
sungen (Isolierglas mit VSG aus Floatglas (innere
Scheibe) möglich). Für Kategorie B muss VSG
(aus ESG oder Floatglas) verwendet werden. Für Abb. 3.8-26 ESG mit Bohrungen im Polarisator (MPA-
Darmstadt)
Kategorie C müssen alle Einfachverglasungen in
VSG ausgeführt werden, einzige Ausnahme bilden
Einfachverglasungen der Kategorien C1 und C2, 3.8.7 Prüfung/Überwachung
die bei allseitiger linienförmiger Lagerung in ESG
ausgeführt werden dürfen. Des Weiteren ist auch Die Scheiben müssen vor dem Einbau auf Kanten-
Drahtglas verwendbar, wenn zusätzliche Kniestä- verletzungen und Qualität der Kantenbearbeitung
be angeordnet werden. untersucht werden. Bei vorgespannten Scheiben kann
die Durchführung des Heißlagerungstests (heat-soak
test) nach DIN 18516 Teil 4 erforderlich sein, um die
3.8.6.6 Weitere tragende Glasbauteile
Gefahr des Spontanbruchs zu verringern.
Neben den statischen Nachweisen für die planmä- Thermisch vorgespanntes Glas kann mit zwei
ßige Belastung ist häufig ein Nachweis für mög- Polfiltern (Polarisator) im Rand- und Eckbereich
liche Schadensszenarien erforderlich. Das gesamte der Kanten und im Bereich von Bohrungen geprüft
Tragwerk muss derart ausgebildet sein, dass bei werden: Aufgrund des Prinzips der Doppelbrechung
Ausfall eines tragenden Bauteils nicht die gesamte kommt es zu Farberscheinungen, welche die Exis-
Tragkonstruktion versagt, sondern die restlichen tenz von eingeprägten Spannungen sichtbar ma-
Bauteile mit einer verminderten Sicherheit alle chen. Bei ESG ist vorgeschrieben, beim Vorspann-
Lasten abtragen können (Systemsicherheit). Die prozess in eine Ecke einen keramischen Stempel
verminderte Sicherheit lässt sich auf Basis proba- einzubrennen (z. B. ESG – DIN 1249 Teil 12).
bilistischer Verfahren der Sicherheitstheorie fest- Bei thermisch vorgespannten Scheiben kann die
legen. Größe der Vorspannung durch spannungsoptische
Für Glaselemente als tragende Bauteile ist die Verfahren mit Hilfe eines Differential-Refraktome-
Fügetechnik, v. a. die Einleitung der Kräfte durch ters bzw. Epibiaskops oder mittels Laser-Streulicht-
Reib- oder Lochleibungsverbindungen, von großer verfahren festgestellt werden. Die Laser-Streulicht-
Bedeutung (Abb. 3.8-26). verfahren ergeben die genauesten Werte [Aben
1993, Laufs 1997, Wörner 1998]. Die Messmetho-
3.8 Glasbau 1437

Abb. 3.8-27 Vorgehensweise zur Feststellung der Genehmigungspflicht einer Konstruktion

den sind insbesondere für die Überwachung von Charlier H (1997) Bauaufsichtliche Anforderungen an Glas-
TVG hilfreich, bei dem die Oberflächendruckspan- konstruktionen. Der Prüfingenieur 11 (1997) S 44–54
nung in einem Bereich zwischen 40 N/mm2 und Exner G (1986) Abschätzung der erlaubten Biegespannung
in vorgespannten Glasbauteilen. Glastechnische Be-
55 N/mm2 liegen sollte (großflächiges Bruchbild).
richte 59/9, S 299–312
Die Anwendung von Glas als Konstruktions- Feldmeier F (1984) Belastungen von Isoliergläsern durch
werkstoff ist bisher nur in wenigen Regelwerken Klimaschwankungen. Fenster und Fassade 2, S 41–52
erfasst. Für alle Konstruktionsarten, die nicht von Feldmeier F (1996) Zur Berücksichtigung der Klimabelas-
den jeweiligen gültigen Regelwerken betroffen sind, tung bei der Bemessung von Isolierglas bei Überkopf-
bedarf es einer Zustimmung im Einzelfall durch die verglasung. Stahlbau 65 (1996) 8, S 285–293
jeweilige oberste Landesbaubehörde. Neben der Feldmeier F (1997) Die Statik von Isolierglas. In: Otti
Anwendung von Regelwerken und der Zustimmung Technologie-Kolleg (Hrsg) Glas im Bauwesen. Eigen-
im Einzelfall besteht für Hersteller von Glaskons- verlag, Regensburg, S 1–15
Flachglas AG (1997) Das Glas-Handbuch. Eigenverlag,
truktionen die Möglichkeit, eine allgemeine bauauf-
Gelsenkirchen
sichtliche Zulassung für ihre Konstruktion beim
Freunde des Instituts für Massivbau der TH Darmstadt
Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt Berlin) zu (1993) Konstruieren mit Glas. Darmstädter Massivbau-
beantragen. Abb. 3.8-27 gibt das Vorgehen zur Fest- Seminar Bd 9, Technische Hochschule Darmstadt
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1440 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.9 Befestigungstechnik Im folgenden werden die im Handel erhältlichen


Rolf Eligehausen, Werner Fuchs Befestigungssysteme für Beton und Mauerwerk
ausführlich behandelt, die Tragmechanismen und
Einflüsse auf die Tragfähigkeit kurz beschrieben
3.9.1 Einleitung und anhand dessen Hinweise zur Auswahl für un-
terschiedliche Anwendungsfälle gegeben. Weiter-
Die Forderung nach hoher Flexibilität in der Planung gehende, wesentlich detailliertere Ausführungen
und dem Entwurf von Bauwerken durch das Befesti- sind in [Eligehausen/Mallée 2000] und [Eligehau-
gen tragender Konstruktionen an Bauteilen aus Mau- sen u. a. 2006] enthalten.
erwerk oder Stahlbeton ist so alt wie das Bauen
selbst. Der gerade in den beiden letzten Jahrzehnten
zunehmende Druck, die Bauzeiten entscheidend zu 3.9.2 Befestigungssysteme –
reduzieren, hat in der Bauindustrie dazu geführt, konstruktive Ausbildung,
dass ständig neue Baustoffe und Bauverfahren ent-
Wirkungsprinzipien und Montage
wickelt werden. Hinzu kommt die Forderung nach
mehr Flexibilität in der Planung, dem Entwurf sowie 3.9.2.1 Einlegeteile
einfachen Mitteln zur Durchführung von Befesti-
gungsaufgaben und Ertüchtigungsmaßnahmen von Einlegeteile werden auf der Schalung befestigt und
Bauwerken. Die Befestigungstechnikindustrie hat einbetoniert. Sie schließen bündig mit der Bauteil-
sich diesen Herausforderungen gestellt. oberfläche ab. Äußere Lasten werden durch mecha-
Dies führte zu einer rasanten Entwicklung von in- nische Verzahnung der Verankerungselemente mit
novativen Befestigungsmitteln und ihrer verstärkten dem Beton in den Ankergrund eingeleitet.
Verwendung für die Einleitung hoher und konzent- Die Anwendung von Einlegeteilen erfordert
rierter Lasten in Bauwerke aus Beton und Mauer- eine genaue Kenntnis der Lage der Befestigungen
werk. Verschiedenste Typen von Metallspreiz- und und damit eine detaillierte Vorplanung, was oft
Hinterschnittdübeln sowie chemischen Befestigungs- als nachteilig empfunden wird. Von Vorteil ist
systemen mit durch Zulassungsbescheide nachge- jedoch, dass Einlegeteile gerade auch in hoch
wiesener Leistungsfähigkeit stehen zur Verfügung, bewehrten Bauteilen ohne große Schwierigkeiten
um ein großes Lastspektrum in einem weiten Bereich eingesetzt werden können. Weiterhin ist die Lage
von Befestigungsaufgaben sicher und wirtschaftlich und Größe der zu erwartenden äußeren Lasten
zu lösen. Der richtige Einsatz von Dübelsystemen bekannt, so dass die Kräfte durch die eingeplante
führt zu Vorteilen im Bauablauf und steigert die Pro- Bewehrung wirkungsvoll in das Bauteil einge-
duktivität auf der Baustelle. Voraussetzung dabei ist leitet und im Bauteil selbst weitergeleitet werden
jedoch, dass Montage- und Anwendungsbedingungen können. Für dauerhafte Befestigungen kommen
sorgfältig eingehalten werden. im konstruktiven Ingenieurbau nahezu ausschließ-
Als Einlegeteile werden vor allem Ankerschie- lich Ankerschienen (Abb. 3.9-1) und Ankerplatten
nen und Ankerplatten mit aufgeschweißten Kopf- mit aufgeschweißten Kopfbolzen (Abb. 3.9-2) zum
bolzen verwendet. Einsatz. Als Transportanker für Stahlbetonfertig-
Dübelverbindungen werden nachträglich an be- teile werden z. B. rückverankerte Gewindehülsen,
stehenden Bauwerken eingesetzt. Sie werden in Flachstahlanker, Wellenanker oder Seilschlaufen
zumeist mit dem Hammerbohrer erstellten Bohrlö- verwendet. Sie werden hier nicht weiter be-
chern durch Spreizdruck, Hinterschnitt oder mit handelt.
Hilfe von Mörteln auf Kunstharz- oder Zementba-
sis verankert. Ankerschienen. Ankerschienen bestehen aus
Ein weiteres System für die nachträgliche Be- einem kaltverformten oder warmgewalzten, U-för-
festigung von allerdings kleineren Lasten stellt die migen Stahlprofil mit speziellen Verankerungsele-
Direktmontage mit Setzbolzen dar. Diese hat sich menten. Sie werden walzblank, feuerverzinkt so-
kontinuierlich zu einer sicheren und schnellen Be- wie aus nichtrostendem Stahl hergestellt. Um beim
festigungsmethode entwickelt. Betonieren das Eindringen des Frischbetons zu
3.9 Befestigungstechnik 1441

Abb. 3.9-1 a–c Ankerschienen

schraube lassen auch in Schienenlängsrichtung


eine allerdings begrenzte Lastübertragung zu.

Kopfbolzen. Die Stahlplatten von Kopfbolzenver-


ankerungen bestehen aus üblichem Baustahl oder
aus nichtrostendem Stahl. Form, Abmessungen
und Materialeigenschaften der Kopfbolzen sind
genormt. Sie werden aus S235J2G3, C450 oder
aus nichtrostendem Stahl hergestellt. Weiterhin wer-
den Kopfbolzen aus Betonrippenstahl angeboten,
Abb. 3.9-2 Stahlplatte mit angeschweißten Kopfbolzen die mittels Lichtbogenschweißung mit der Anker-
platte verbunden werden. Die Kopfbolzen werden
verhindern, wird der Schieneninnenraum z. B. üblicherweise in der Werkstatt durch Bolzen-
durch eine Schaumfüllung abgedichtet. schweißen mit Hubzündung mit der Stahlplatte
Nach dem Ausschalen und Entfernen der verbunden. Das zu befestigende Bauteil wird an
Schaumfüllung können die zu befestigenden Teile der einbetonierten Stahlplatte angeschweißt. Alle
mittels spezieller Haken- oder Hammerkopfschrau- Schweißarbeiten sind zu überwachen.
ben an die Schiene angeschlossen werden.
Die Verankerung der Last im Beton erfolgt durch
3.9.2.2 Mechanische Dübel
aufgeschweißte, aufgestauchte oder eingepresste T-
förmige oder kopfbolzenförmige Anker. Anker- Der hohe Stand der Bohrtechnik und ihre zuneh-
schienen, bei denen die Rückverankerung durch mende Wirtschaftlichkeit haben wesentlich zur
Schlaufen aus Flachstahl erfolgt, die durch den weiten Verbreitung von Befestigungen mit Dübeln
Schienenrücken gesteckt und aufgebogen werden, beigetragen. Die auf dem Markt befindlichen
werden als problematisch angesehen. Die Verbin- Dübelsysteme sind durch ihre unterschiedlichen
dung zwischen Anker und Schiene ist bei diesem Wirkungsprinzipien, Werkstoffe und Abmes-
Ankerschienentyp nicht formschlüssig. Diese Schie- sungen den verschiedensten Anwendungen in Un-
nen sind daher nicht bauaufsichtlich zugelassen. tergründen aus Stahlbeton und Mauerwerk ange-
Der Vorteil von Ankerschienen gegenüber an- passt.
deren Einlegeteilen ist die Möglichkeit des Tole- Der wesentliche Vorteil aller Typen von Dübeln
ranzausgleichs in Schienenlängsrichtung. Nachtei- ist die nachträgliche Montage an einer ,nahezu be-
lig ist hingegen, dass Lasten üblicherweise nur liebigen‘ Stelle im Bauteil. Dazu ist keine detail-
senkrecht zur Schienenlängsrichtung aufgebracht lierte Vorplanung erforderlich, und Nutzungsände-
werden dürfen. Nur neuere Systeme mit spezieller rungen bei Bauwerken lassen sich schnell und ein-
Verzahnung von Schienenprofil und Hammerkopf- fach bewerkstelligen. Ein statischer Nachweis über
1442 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.9-3 Ausbildung und Funktionsprinzipien von Metallspreizdübeln

die auftretenden Lasten und ihre Weiterleitung im schiedlich weites Hineinziehen des Konus in die
Bauteil ist jedoch in jedem Fall erforderlich. Spreizhülse ausgeglichen werden.
Für die Montage von Dübeln wird ein Bohrloch Das aufgebrachte Drehmoment dient als Setz-
erstellt, das Befestigungsmittel hineingesteckt und kontrolle. Es ist vom Hersteller vorgeschrieben und
verankert. Das Tragverhalten der meisten Dübelsys- bei der Montage unbedingt einzuhalten. Dübel kön-
teme wird durch die Bohrlochgeometrie beeinflusst. nen nur dann als ordnungsgemäß gesetzt betrachtet
Deshalb sollen die Bohrlöcher mit Bohrern erstellt werden, wenn beim Setzen das vorgeschriebene
werden, die die in [IfBt 1977] geforderten Toleranz- Drehmoment aufgebracht, der Dübel verspreizt und
grenzen einhalten. Solche Bohrer sind durch eine damit eine definierte Vorspannkraft im Dübel er-
entsprechende Prüfmarke gekennzeichnet. zeugt werden konnte. Daher muss das Anziehen
Im konstruktiven Ingenieurbau werden zur stets mit einem kalibrierten Drehmomentenschlüs-
Übertragung mittlerer und hoher Lasten Metall- sel erfolgen. Andernfalls gilt der Dübel als falsch
spreiz-, Hinterschnitt- und Verbunddübel angewen- gesetzt und darf nicht belastet werden.
det. Für gering beanspruchte Befestigungen stehen Drehmomentkontrolliert spreizende Dübel lei-
Kunststoff- und Injektionsdübel sowie Deckenab- ten äußere Zugkräfte vorwiegend über Reibung
hänger zur Verfügung. zwischen der Hülsenaußenseite und der Bohrloch-
wandung in den Ankergrund ein. Übersteigt die
Metallspreizdübel äußere Last die vorhandene Vorspannkraft, wird
Metallspreizdübel sind zumeist in den Größen M 6 der Konus weiter in die Spreizhülse gezogen, und
bis M 24 in galvanisch verzinktem (Schichtdicke so die Haltekraft des Dübels aufrechterhalten. Die-
t 5P) oder nichtrostendem Stahl erhältlich und ser Vorgang wird als Nachspreizen bezeichnet.
dürfen nur in Beton als Ankergrund eingesetzt Wegkontrolliert spreizende Dübel sind Innenge-
werden. Sie werden in drehmomentkontrolliert windedübel. Sie werden entweder durch Einschlagen
und wegkontrolliert spreizende Dübel unterteilt des Konus in die Hülse (Einschlagdübel, Abb. 3.9-
(Abb. 3.9-3). 3b1) oder durch Schlagen der Hülse auf den Konus
Drehmomentkontrolliert spreizende Dübel (Abb. 3.9-3b2) über einen definierten Weg verspreizt.
(Abb. 3.9-3a) werden durch definiertes Anziehen Dübel nach Abb. 3.9-3b1 leiten äußere Zuglasten
der Schraube oder Mutter verankert. Dabei wird in vorwiegend durch Reibung, Dübel nach Abb. 3.9-
der Schraube oder im Bolzen eine Vorspannkraft 3b2 zusätzlich durch eine geringe mechanische Ver-
erzeugt und der Konus in die Spreizhülse bzw. zahnung in den Untergrund ein. Wegkontrolliert
Spreizsegmente gezogen. Hierdurch werden diese spreizende Dübel können nicht nachspreizen.
gegen die Bohrlochwand gepresst. Bohrlochtole- Die bei der Montage entstehende Spreiz- oder
ranzen können in gewissem Umfang durch unter- Spaltkraft ist bei wegkontrolliert spreizenden Dü-
3.9 Befestigungstechnik 1443

beln insbesondere bei denen nach Abb. 3.9-3b1 angestrebt. Hierfür gibt es unterschiedliche Ansätze.
erheblich größer als bei drehmomentkontrolliert Allen gemeinsam ist, dass im ersten Arbeitsschritt
spreizenden Dübeln. Daher sind auch die erforder- ein zylindrisches Bohrloch erstellt werden muss.
lichen Mindestachs- und -randabstände größer. In einem zweiten Arbeitsschritt wird das Bohrloch
Dübel nach Abb. 3.9-3b1 sind zudem empfind- entweder mit Hilfe eines speziellen Hinterschnitt-
lich gegenüber Bohrlochtoleranzen und einer un- werkzeuges an einer definierten Stelle um ein defi-
vollständigen Verspreizung. Daher ist bei der Mon- niertes Hinterschneidmaß aufgeweitet (Abb. 3.9-
tage dieser Einschlagdübel die Verwendung von 4a-c), oder der Hinterschnitt wird bei der Montage
Bohrern, die die nach [IfBt 1977] vorgeschriebenen über das drehschlagende Setzen mit einer Bohrma-
Fertigungstoleranzen einhalten, besonders wichtig. schine erzeugt (Abb. 3.9-4d, e).
Der Dübel ist dann richtig montiert, wenn der Bei dem Hinterschnittdübel nach Abb. 3.9-4a
Bund des auf die jeweilige Dübelgröße abgestimm- ist der Hinterschnitt zur Betonoberfläche gerichtet.
ten Setzwerkzeuges auf der Dübelhülse aufsitzt. Eine Die Spreizschalen klappen an der Stelle des Hin-
ordnungsgemäße Montage ist nur mit Hilfe dieses terschnitts aus und werden beim Anspannen des
speziellen Setzwerkzeuges möglich. Hierzu ist eine Bolzens gegen die Stützfläche gepresst.
große Anzahl von Hammerschlägen erforderlich. Bei allen anderen Hinterschnittdübelsystemen
Baustellenuntersuchungen [Eligehausen/Meszaros ist der Hinterschnitt schwalbenschwanzartig zur
1992] haben gezeigt, dass die meisten Einschlagdü- Bohrlochtiefe hin ausgeformt.
bel in der Praxis nur unvollständig verspreizt sind. Der Hinterschnitt wird bei Hinterschnittdübeln
Deshalb sind Setzkontrollen durchzuführen. gemäß Abb. 3.9-4b unter Verwendung eines spezi-
Wegkontrolliert spreizende Dübel werden mit ellen kombinierten Bohr- und Hinterschneidwerk-
Innengewinden der Größen M 6 bis M 20 aus gal- zeuges hergestellt. Der Hinterschnitt wird durch
vanisch verzinktem und nichtrostendem Stahl her- kreisförmiges Schwenken des Bohrers erzielt. An-
gestellt. schließend wird die Spreizhülse mit einem Setz-
werkzeug über den Konus in den hinterschnittenen
Hinterschnittdübel Beton getrieben.
Bei Hinterschnittdübeln wird wie bei Einlegeteilen Bei Dübeln nach Abb. 3.9-4c wird der Hinter-
eine Verzahnung des Dübels mit dem Ankergrund schnitt in einem zweiten Arbeitsgang mit einem

Abb. 3.9-4 a–e Hinterschnittdübel


1444 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

diamantbesetzten Fräser unter Wasserkühlung her-


gestellt. Danach wird der Dübel mit einem spezi-
ellen Setzgerät wegkontrolliert verspreizt.
Hinterschnittdübel gemäß Abb. 3.9-4d und Abb.
3.9-4e bestehen aus Konusbolzen und Spreizhülse
und arbeiten nach ähnlichen Prinzipien. Zum Set-
zen der Dübel wird die Spreizhülse mit Hilfe eines
in die Bohrmaschine gesetzten Setzwerkzeuges
drehend/schlagend über den Konus getrieben. Da-
bei hinterschneiden im Falle des Dübels nach
Abb. 3.9-4d die in der Spitze der Spreizhülse ein-
gelassenen zwei Hartmetallschneidstifte den Be-
ton. Bei dem Dübel nach Abb. 3.9-4e wird der für
die Hinterschneidung erforderliche Betonabtrag Abb. 3.9-5 Betonschraube
über die scharfkantige Form der Spreizlappen ge-
währleistet.
Bei allen Hinterschnittdübeln werden beim Set- den Untergrund eingeleitet. Durch Festlegung ei-
zen keine oder allenfalls geringe Spreizkräfte ge- ner Mindestverankerungstiefe wird gewährleistet,
weckt. Durch die Vorspannung und Belastung ent- dass auch bei Verwendung eines Schraubers mit
stehen jedoch Spreiz- und damit Spaltkräfte. Diese hohem Drehmoment die Gewindegänge im Beton
sind allerdings i. d. R. deutlich geringer als bei nicht überdreht werden können. Stattdessen wird
drehmoment- oder wegkontrollierten Metallspreiz- die Schraube abgedreht. Betonschrauben finden
dübeln. auch im Mauerwerk zur Übertragung von kleinen
Hinterschnittdübel sind Bestandteile von Befes- Lasten ihre Anwendung. Allerdings ist in diesem
tigungssystemen. Diese bestehen aus Dübel, An- Fall die Gefahr des Überdrehens sehr groß.
schlagbohrer, Hinterschnitt- und Setzwerkzeug,
die aufeinander abgestimmt sind. Einzelne Be- Deckenabhänger
standteile verschiedener Systeme dürfen daher nie Deckenabhänger dienen zur Befestigung von leich-
miteinander kombiniert werden. ten Anbauteilen, z. B. abgehängten Decken in Be-
Hinterschnittdübel sind ab dem Durchmesser ton, mit mindestens der Festigkeitsklasse C20/25.
M 6 und ab Verankerungstiefen von 40 mm erhält- Sie dürfen nur als Mehrfachbefestigungen einge-
lich. Je nach Hersteller sind Durchmesser bis zu setzt werden, in denen gewährleistet ist, dass bei
M 24 und wirksamen Verankerungslängen bis zu Ausfall eines Dübels die Nachbardübel zusätzlich
250 mm verfügbar. Die Dübel werden aus galva- die Last des ausgefallenen Dübels übernehmen
nisch verzinktem Stahl, in der Mehrzahl der Fälle können.
auch aus nichtrostendem Stahl und vereinzelt auch Handelsübliche Deckenabhänger sind im Prin-
mit Feuerverzinkung hergestellt. zip drehmoment- oder wegkontrolliert spreizende
Metalldübel der Größen M 6 oder M 8 mit Veran-
Betonschrauben kerungstiefen zwischen 30 mm und 40 mm. In
Betonschrauben (Abb. 3.9-5) besitzen ein ge- Spezialfällen kann die Verankerungstiefe lediglich
härtetes Spezialgewinde, das das Einschrauben in 25 mm betragen, in vorgespannten Hohldecken
ein zylindrisches Bohrloch erlaubt. Hierzu werden nur 17 mm.
aus ergonomischen Gründen vorzugsweise Schlag- Der maximale Spreizweg der Deckenabhänger ist
schrauber verwendet. Die Schraubengeometrie ist aufgrund der kleinen Dübelabmessungen vergleichs-
so auf den Bohrlochdurchmesser abgestimmt, dass weise gering. Deshalb ist es besonders wichtig, dass
sich das Gewinde in den Beton einschneidet und gekennzeichnete Bohrer [IfBt 1977] verwendet wer-
eine Hinterschnittwirkung erzielt. Die äußere Kraft den. Der ordnungsgemäße Sitz der Deckenabhänger
wird durch diese formschlüssige Verbindung ähn- ist teilweise durch Probebelastung einer ausrei-
lich einem gerippten Bewehrungsstab in Beton in chenden Zahl von Befestigungen zu prüfen.
3.9 Befestigungstechnik 1445

Häufig werden auch Betonschrauben als De- se und der Bohrlochwand, da der Kunststoff auf
ckenabhänger verwendet. Die vorstehenden Aus- Grund seiner Weichheit nicht dazu in der Lage ist,
sagen gelten hierfür sinngemäß. das Material des Ankergrundes zu verdrängen. In
Loch- und Hohlsteinen tragen die Dübel ebenfalls
Kunststoffdübel aufgrund von Reibung. Durch die zusätzliche Ver-
Kunststoffdübel lassen sich hinsichtlich ihres An- zahnung der Hülse mit den angebohrten Stegen der
wendungsbereiches in Systeme für Befestigungen in Steine wird ein weiterer, allerdings geringer Beitrag
Beton und Mauerwerk aus Voll-, Loch- und Hohlstei- zur Haltekraft geliefert. Um bei diesen Steinen das
nen sowie für Porenbeton (Gasbeton) unterteilen. Anpressen des Dübels an die Stege zu gewährleis-
Sie bestehen aus einer Dübelhülse mit Spreiz- ten, ist die Lage des Spreizbereiches auf die unter-
teil und einer Stahlschraube (Abb. 3.9-6a) oder schiedlichen Lochbilder abzustimmen. In der Regel
im Falle eines Schlagspreizdübels (Abb. 3.9-6b) sind Dübel mit verlängerter Spreizhülse zu verwen-
einem Schraubnagel. Das Spreizteil der Dübel ist den und Versuche am Bauwerk durchzuführen.
geschlitzt und besitzt Sperrzungen zur Sicherung In Leichthochlochziegeln dürfen die Bohrlöcher
gegen Mitdrehen beim Ein- und Ausdrehen der nur im Drehgang, d. h. ohne Hammer- oder Schlag-
Schraube bzw. des Schraubnagels. Als Hülsen- wirkung, hergestellt werden, da sonst die Stege
werkstoff für bauaufsichtlich zugelassene Kunst- durch die hohe Schlagenergie zerstört würden. Dann
stoffdübel kommt bisher nahezu ausschließlich wäre keine sichere Verankerung mehr möglich.
Polyamid PA6 und PA66 zum Einsatz. Falsch gesetzte und ausgebaute Kunststoffdübel
Die Dübelhülse wird durch Eindrehen der dürfen nicht wieder verwendet werden.
Schraube oder Einschlagen des Schraubnagels ge- Bei den zur Befestigung von Fassadenbeklei-
spreizt. Die Schraube bzw. der Schraubnagel ist dungen und vergleichbaren statischen Systemen
bis zum Rand der Dübelhülse einzudrehen bzw. bauaufsichtlich zugelassenen Kunststoffdübeln
einzuschlagen, sodass die Spitze der Schraube oder dürfen Dübel und zugehörige Spezialschraube nur
des Nagels das Ende der Dübelhülse durchdringt. als zusammengehörig gelieferte Befestigungsein-
Dabei prägt und schneidet sich die Schraube ein Ge- heit eingesetzt werden. Länge, Durchmesser und
winde in den Kunststoff und presst gleichzeitig die Gewinde der mitgelieferten Schraube sind zur Er-
Hülse gegen die Bohrlochwand. zielung eines optimalen Tragverhaltens auf die
In Vollmaterial (Normalbeton und Vollsteine) Dübelhülse abgestimmt. Weiterhin verhindert ein
wirken die Dübel durch Reibung zwischen der Hül- Kragen am Hülsenende ein Tieferrutschen der Hül-
se ins Bohrloch. Zusätzlich ist die erforderliche
Verankerungstiefe auf der Hülse markiert. Durch
diese Maßnahmen sollen Montagefehler ausge-
schlossen werden.
Für Befestigungen in Porenbeton sind normale
Kunststoffdübel nicht geeignet. Für diesen Anwen-
dungsfall wurden spezielle Dübel entwickelt und
zugelassen. Sie sind in [Eligehausen/Mallée 2000]
ausführlich beschrieben.

3.9.2.3 Chemische Dübel


Chemische Dübel sind als Verbunddübel und Ver-
bundspreizdübel, bei denen der Mörtel in Glaspat-
ronen oder Folienschläuchen enthalten ist, sowie
als Injektionssysteme erhältlich. Bei Injektions-
systemen wird der Mörtel in der Regel in Kartu-
schen bzw. Folienverpackungen geliefert. Es sind
Abb. 3.9-6 Kunststoffdübel auch vom Anwender auf der Baustelle abzuwie-
1446 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Bewehrungseisen bezeichnet, welche mit einer


Verbundmasse in ein nachträglich in ausgehärteten
Beton gebohrtes Loch gesetzt werden.
Das Wirkungsprinzip von chemischen Veranke-
rungen beruht hauptsächlich auf einer Verklebung
des Stahlteiles mit der Bohrlochwand. Äußere Las-
ten werden über den Verbund zwischen der Verbund-
masse und dem Stahlteil sowie über den Verbund
zwischen Verbundmasse und der Bohrlochwandung
in das als Ankergrund dienende Bauteil abgetragen.
Ein guter Verbund zwischen Beton und Verbund-
masse wird nur erreicht, wenn der chemische Dübel
entsprechend den Herstellerangaben sorgfältig ge-
Abb. 3.9-7 Verbundmassen für chemische Dübel setzt wird. Dies bedeutet, dass vor der Montage si-
cherzustellen ist, dass das Befestigungselement tro-
cken und frei von Öl und anderen Verunreinigungen
gende und zu mischende Zweikomponentensyste- ist. Weiterhin ist eine gründliche Reinigung des
me erhältlich. Diese dürfen allerdings nicht im Bohrloches mit dem produktspezifischen Reini-
bauaufsichtlich relevanten Bereich für nachträg- gungswerkzeug und -verfahren erforderlich.
liche Befestigungen eingesetzt werden. Sie werden Beim Setzen von chemischen Dübeln werden
deshalb hier nicht weiter betrachtet. keine Spaltkräfte geweckt. Sie entstehen jedoch
Abbildung 3.9-7 zeigt die chemischen Bestand- beim Vorspannen und Belasten des Dübels. Sie sind
teile, die üblicherweise für Verbundmörtel verwen- allerdings wesentlich geringer als bei Spreizdübeln.
det werden. Im Allgemeinen besteht die Verbund- Dies ermöglicht kleine Achs- und Randabstände.
masse aus einem organischen Harz, Härter und spe- Chemische Dübel können nach aktuellen euro-
ziellen Zuschlagstoffen, z. B. Quarzkörnern. Außer- päischen Zulassungsbescheiden mit einer Veran-
dem existieren Hybridsysteme, welche neben dem kerungstiefe gesetzt werden, die dem Vier- bis
organischen Harz und Härter auch anorganische Ze- Zwanzigfachen des Ankerstangendurchmessers ent-
mentkomponenten und Wasser enthalten. spricht. Üblicherweise beträgt die Verankerungs-
Die Aushärtung der Verbundmasse ist von deren tiefe jedoch das Acht- bis Zehnfache des Anker-
chemischer Zusammensetzung, von der Tempera- stangendurchmessers. Bei eingemörtelten Beweh-
tur der Dübelteile und der Temperatur im Anker- rungsstäben ist die Verankerungstiefe nach DIN
grund abhängig. Sie kann sich daher von Produkt 1045 bzw. EN 1992 einzuhalten.
zu Produkt und Hersteller zu Hersteller wesentlich
unterscheiden. Zwischen dem Setzen und Belasten Verbunddübel, Patronensysteme
der Dübel ist deshalb je nach Harzart bei Tempe- Verbunddübel bestehen aus einer an der Spitze ab-
raturen von 10°C bis 20°C eine Wartezeit bis zur geschrägten Gewindestange oder Innengewindehül-
Belastung von ca. 20 bis 90 min und bei der mini- se mit Setztiefenmarkierung sowie einer Patrone, in
malen Anwendungstemperatur von –5°C von min- der sich der Kunstharzmörtel befindet. Die Patrone
destens 5 h einzuhalten. Bei Injektionsdübeln, die besteht meistens aus Glas; es gibt allerdings auch
auf Epoxidharzbasis beruhen, kann die Aushärte- Patronen aus Folienmaterial mit den Vorteilen, dass
zeit bei Temperaturen von 10°C bis 20°C bis zu sie sich elastisch dem Bohrloch anpassen und bei
48 h und bei Temperaturen von 5°C bis zu 72 h be- Anwendungen über Kopf im Loch bleiben. Die
tragen. Während der Aushärtung darf die Tempera- Mörtelpatrone enthält Reaktionsharz, Härter sowie
tur nicht unter die vom Hersteller vorgeschriebene Quarzzuschlag in definierter Zusammensetzung.
Mindesttemperatur fallen. Den Herstellerangaben Sie wird in ein gereinigtes Bohrloch eingeführt, und
ist unbedingt Folge zu leisten. anschließend wird die Gewindestange mit Hilfe
Als chemische Verankerungen werden im fol- eines Bohrhammers unter Dreh-Schlag-Bewegun-
genden Gewindestangen, Innengewindehülsen oder gen bis zur erforderlichen Setztiefe eingetrieben.
3.9 Befestigungstechnik 1447

Größen M 8 bis M 36 aus galvanisch verzinktem


und nichtrostendem Stahl erhältlich.

Verbunddübel, Injektionssysteme
Injektionssysteme sind i. d. R. als Zweikomponen-
tensysteme aufgebaut. Dabei enthalten Kunststoff-
behälter (Kartuschen oder Folienschläuche) vorkon-
fektionierte Mengen von Harz und Härter (Abb. 3.9-
9). Diese werden beim Einbringen in das Bohrloch
mit Hilfe eines auf die Kartuschen oder Folienverpa-
ckung angepassten Auspressgerätes durch einen spe-
Abb. 3.9-8 Verbunddübel ziellen Mischer ausgepresst. Die zum Injektionssys-
tem gehörige Gewindestange oder Innengewinde-
hülse wird anschließend ins Bohrloch gedrückt und
Dabei werden die Patrone zerstört, Harz, Zuschlag- dabei leicht gedreht, um den Kontakt zwischen An-
stoffe und zerstörte Patrone gut durchmischt und ker und Verbundmasse zu verbessern. Beim Einbrin-
verdichtet sowie der Ringspalt zwischen Gewinde- gen dürfen sich in der Verbundmasse keine Luftbla-
stange und Bohrlochwand satt ausgefüllt (Abb. 3.9- sen bilden. Injektionssysteme sind bisher für den
8). Die Mörtelmenge ist so konfektioniert, dass beim Einsatz im gerissenen und ungerissenen Beton so-
Erreichen der erforderlichen Setztiefe am Bohrloch- wie in Voll- und Hohlmauerwerk verfügbar und bau-
mund Überschussmörtel austritt. Dies ist das Kriteri- aufsichtlich zugelassen.
um für eine vollständige Vermörtelung der Gewin- Bei gleicher Verankerungstiefe ist die Tragfä-
destange und dient als Setzkontrolle. higkeit von Injektionsdübeln im gerissenen Beton
Diese Verbundankersysteme sind für den Ein- wesentlich niedriger als die von risstauglichen
satz im ungerissenen Beton bestimmt und in den Verbunddübeln.

Abb. 3.9-9 Injektionsankersystem


1448 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.9-10 Verbundhinterschnittdübel Abb. 3.9-11 a, b Verbundspreizdübel

Injektionsdübelsysteme für die Anwendung in Zugkraft in die Ankerstange eingeleitet, löst sich
Beton sind üblicherweise in den Größen M 8 bis der Verbund zwischen Ankerstange und Verbund-
M 30 erhältlich. Die Verankerungstiefe kann den mörtel, und es zieht die Konen in den Verbundmör-
erforderlichen Anwendungsbedingungen angepasst tel, der als Spreizhülse wirkt. Dadurch entstehen
werden und das 4- bis 20-fache des Ankerstangen- Spreizkräfte und damit Reibungskräfte zwischen
durchmessers betragen. Die Mindestverankerungs- Mörtelhülse und Bohrlochwandung. Diese sind
tiefe beträgt 60 mm. ausreichend hoch, um die Zugkraft in den Unter-
grund einzuleiten, ohne dass die Klebewirkung des
Risstaugliche Verbunddübel Mörtels in Anspruch genommen wird. Der Veran-
Risstaugliche Verbunddübel wie Verbundhinter- kerungsmechanismus ist damit ähnlich wie bei
schnitt- und -spreizdübel sind im Gegensatz zu kraftkontrolliert spreizenden Metalldübeln. Die
normalen Verbunddübeln zur Übertragung von Spreizkräfte sind jedoch geringer.
Lasten mit überwiegendem Zuganteil in geris- Im ungerissenen Beton weisen risstaugliche
senem Beton geeignet. Verbunddübel und normale Verbunddübel ein ver-
Verbundhinterschnittdübel (Abb. 3.9-10) spielen gleichbares Verhalten auf.
auf dem Markt eine untergeordnete Rolle. Ihre Mon- Risstaugliche Verbunddübel werden aus galva-
tage gestaltet sich so wie bei Verbunddübeln. Ledig- nisch verzinktem und nichtrostendem Stahl herge-
lich bei der Erstellung des Bohrloches ist ein zwei- stellt und sind in den Größen M 10 bis M 24 ver-
ter Arbeitsgang zur Erstellung des Hinterschnitts fügbar. Ihre Verankerungstiefe beträgt etwa das
mit einem Spezialwerkzeug erforderlich. Die einge- 8- bis 10-fache des Ankerstangendurchmessers.
leitete Zugkraft wird durch Verbund im Bereich des
Hinterschnitts in die Kunstharzmasse und durch Injektionsdübel für Mauerwerk
mechanische Verzahnung in den Beton eingeleitet. Der Tragmechanismus von Injektionsdübeln, die
Verbundspreizdübel (Abb. 3.9-11) besitzen für den Einsatz in Poren- und Leichtbeton sowie in
durch Konen modifizierte Gewindestangen und Loch- und Hohlsteinen entwickelt wurden, beruht
werden in einem zylindrischen Bohrloch veran- maßgeblich auf einem Formschluss mit dem An-
kert. Das Setzen der Ankerstange erfolgt wie bei kergrund.
üblichen Verbund- oder Injektionsdübeln schla- Das System in Abb. 3.9-12 besteht aus einer
gend/drehend bzw. drückend/drehend. Wird eine profilierten Dübelhülse mit Innengewinde, einem
3.9 Befestigungstechnik 1449

Abb. 3.9-13 Injektionsanker mit Kunstharzmörtel

die Maschen der Siebhülse gedrängt, gelangt in die


angebohrten Hohlkammern der Steine und führt so
eine Verzahnung mit dem Ankergrund herbei.
Injektionsdübelsysteme für die Verwendung in
Mauerwerk werden in den Größen M 8 bis M 12
Abb. 3.9-12 a, b Injektionsanker auf Schnellzementbasis
angeboten. Die Verankerungstiefe beträgt etwa
80–100 mm.
Dichtflansch sowie einem Injektionsmörtel auf der
Basis eines Schnellzementes. Die Dübelhülse wird Bewehrungsanschlüsse mit nachträglich
bei Befestigungen in Mauerwerk (Abb. 3.9-12a) in eingemörtelten Bewehrungsstäben
ein zylindrisches und bei Befestigungen in Porenbe- Bewehrungsanschlüsse werden in der Praxis immer
ton (Abb. 3.9-12b) in ein konisch hinterschnittenes häufiger durch Einmörteln von Bewehrungsstäben
Bohrloch eingeführt. Anschließend wird die Kunst- mit Injektionsmörteln hergestellt. Dazu werden die
stoffschutzhülse im Bereich des Gewindes aufgesetzt Bewehrungsstäbe im bestehenden bewehrten Be-
und der zuvor angerührte Zementmörtel in die Dü- tonbauteil verankert oder sie werden mit der vor-
belhülse eingepresst. Eine dunkle Verfärbung am handenen Bewehrung gestoßen. Dabei wird im be-
Hülsenende zeigt eine ausreichende Verpressung an. stehenden Bauteil ein Bohrloch üblicherweise mit
Zur Minimierung der erforderlichen Mörtelmen- Hammer- oder Pressluftbohren vorzugsweise mit
ge werden für Befestigungen in Loch- und Hohlstei- einer Bohrlehre erstellt, anschließend gründlich ge-
nen Dübel mit einem über die Hülse gezogenen reinigt und der Injektionsmörtel eingebracht. Dazu
Kunststoffnetz angeboten, das sich beim Einpressen sind i. d. R. produktspezifische und systemabhän-
des Injektionsmörtels spannt und den Hohlräumen gige Spezialgeräte erforderlich. Zuletzt wird der
im Mauerwerk anpasst (Abb. 3.9-12a). Hierdurch Bewehrungsstab in das ausreichend mit Injektions-
wird die Ausbreitung des Mörtels begrenzt. mörtel gefüllte Loch eingeschlagen oder unter Dreh-
Das in Abb. 3.9-13 dargestellte Injektionssys- bewegungen eingedrückt.
tem besteht aus einer Siebhülse aus Draht oder Die Ausführung von Bewehrungsanschlüssen
Kunststoff, einer Gewindestange mit Mutter und mit nachträglich eingemörtelten Bewehrungsstä-
Zentrierring bzw. einer Innengewindehülse und in ben ist bauaufsichtlich geregelt und darf nur durch
Kartuschen vorkonfektioniertem Injektionsmörtel zertifizierte Fachbetriebe mit nachweislich ge-
auf organischer Basis. Die Siebhülse wird bündig schultem Fachpersonal bewerkstelligt werden.
mit der Steinoberfläche in das Bohrloch gesetzt
und daraufhin vollständig mit Injektionsmörtel
3.9.2.4 Dübel für spezielle Anwendungen
ausgefüllt. In die vermörtelte Siebhülse wird die
Gewindestange bis zum Dichtring bzw. die Innen- Die Mehrzahl der Dübel wird in der Baupraxis
gewindehülse bündig von Hand in die Siebhülse für nicht zulassungspflichtige Anwendungen ein-
gedrückt. Der Injektionsmörtel wird dabei durch gesetzt.
1450 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Es werden dazu z. B. Kunststoffhaushaltsdübel, benen Bohrmaschine und des dazugehörigen Bohr-


Nageldübel, Spezialdübel für Blechnerarbeiten, werkzeuges zur exakten Erstellung des Bohrloches,
die Elektro-, Heizungs- und Sanitärinstallation, die eine sorgfältige Bohrlochreinigung sowie das Set-
Fenstermontage, zur Befestigung von Wärme- zen des Dübels mit dem geforderten Setzwerkzeug
dämmschichten und weiteren Anwendungen am bzw. das Aufbringen des Drehmomentes mit einem
Gebäude angeboten. geeichten Drehmomentenschlüssel. Ausführliche In-
Die Vielfalt der vorhandenen Spezialdübel formationen geben die Zulassungsbescheide und
macht eine Beschreibung in diesem Rahmen un- Produkteinformationen der Hersteller. Die wich-
möglich. Detaillierte Informationen können über tigsten Hinweise sind zudem i. d. R. auf den Verpa-
den Fachhandel und die Anwendungstechnik der ckungen der Dübel abgedruckt.
Hersteller bezogen werden. Die richtige Wahl eines Befestigungsmittels
setzt Kenntnisse über das Tragverhalten der ver-
schiedenen Befestigungssysteme und über die Be-
3.9.2.5 Setzbolzen
schaffenheit des Ankergrundes voraus. Wichtig ist
Befestigungssysteme zum Bolzensetzen bestehen in diesem Zusammenhang u. a. die Dicke nicht tra-
aus Bolzensetzgeräten, Kartuschen als Ener- gender Putz- und Dämmschichten, da diese nicht
gieträgern sowie Nägeln oder Bolzen aus hochfestem auf die Verankerungstiefe angerechnet werden
und gleichzeitig zähem Stahl. Die Bolzenversion dürfen und beider Wahl der Gesamtlänge des Dü-
hat ein Anschlussgewinde. bels berücksichtigt werden müssen.
Das Bolzensetzen ist aufgrund seiner Unabhän-
gigkeit vom Stromnetz sehr flexibel anwendbar.
3.9.3.1 Mechanische Befestigungsmittel
Geeignete Untergründe sind Stahl und Beton. Beim
Eindringen in den Beton verdrängt der Setzbolzen Einlegeteile, Hinterschnitt-
Material und verdichtet es. An der Bolzenspitze und Metallspreizdübel
entstehen infolge der großen Eintreibgeschwindig- Das Tragverhalten von Kopfbolzen, Ankerschie-
keit sehr hohe Temperaturen, die den Beton örtlich nen und Metalldübeln hängt von der Konstruktion
mit der Stahloberfläche versintern lassen. Wird ein des Verankerungselementes selbst, d. h. der ver-
Bewehrungsstab mittig getroffen, so werden die wendeten Werkstoffgüte, der Ausbildung des Trag-
Setzbolzen im Stahl verankert. (Spreiz-)Mechanismus sowie der Festigkeit des
Zuschlagkörner, die unter ungünstigem Winkel Betons und seiner Verformbarkeit im Veranke-
getroffen werden, lenken den Setzbolzen ab und rungsbereich ab.
verbiegen ihn. Es kann zu Abplatzungen an der Das Tragverhalten von Ankerschienen wird zu-
Betonoberfläche kommen. Unter ungünstigen Be- dem durch das komplexe Zusammenwirken von
dingungen wird keine Verankerungswirkung er- Schiene, Anker und Beton unter den verschiedenen
zielt, und die Befestigung kann keine Last übertra- Belastungsrichtungen bestimmt. Eine ausführliche
gen (Setzausfall). Setzausfälle lassen sich vermei- Beschreibung enthält [Eligehausen u. a. 2006].
den, wenn entsprechend längere Setzbolzen in Unter Zugbeanspruchung können Einlegeteile
vorgebohrte Löcher, die als Führung des Setzbol- und Metalldübel auf folgende Arten versagen
zens während des Eintreibvorganges dienen, ge- (Abb. 3.9-14):
setzt werden [Bereiter 1986].
– Verankerungen versagen durch einen Stahlbruch
(Abb. 3.9-14a). Voraussetzung hierfür ist, dass
3.9.3 Tragverhalten die Betontragfähigkeit nicht überschritten wird.
– Das Befestigungselement wird mit einem klei-
Voraussetzung für eine sichere Lasteintragung in nen Betonausbruchkegel als Sekundärversagen
den Untergrund ist bei jedem Befestigungsmittel herausgezogen (Abb. 3.9-14b).
stets eine sachgemäße und fachgerechte Montage. – Ist die Tragfähigkeit des Ankergrundes geringer
Dazu gehören insbesondere bei nachträglichen Be- als die Stahlbruch- oder Herausziehlast der Veran-
festigungsmitteln die Verwendung der vorgeschrie- kerung, tritt Betonversagen infolge Spalten des
3.9 Befestigungstechnik 1451

Abb. 3.9-14 a–e Versagensarten bei zentrischer Zugbeanspruchung

Bauteiles (Abb. 3.9-14d) oder kegelförmigem Be- werte für Rand- und Achsabstände sowie für die
tonausbruch (Abb. 3.9-14c) auf. Bei Veranke- Bauteildicke verhindert.
rungen sehr nahe am Rand mit großen Veranke- Bei der Versagensart Betonausbruch erzeugt die
rungstiefen, z. B. Kopfbolzen, tritt Versagen durch Verankerung einen kegelförmigen Betonausbruch-
seitlichen Betonausbruch auf (Abb. 3.9-14e). körper (Abb. 3.9-14c1) mit einer Neigung der
Kegelmantelfläche von im Mittel ca. 35°. Dabei
Der Widerstand gegen Stahlversagen wird nach wird die Zugfestigkeit des Betons ausgenutzt. Bei
den im Stahlbau üblichen Regeln berechnet. Bei einer Gruppenbefestigung mit geringen Achsab-
Ankerschienen und Kopfbolzen kann die Versa- ständen zwischen den Befestigungselementen kommt
gensart Herausziehen durch die Begrenzung der es zu einem gemeinsamen Betonausbruchkörper
Unterkopfpressung verhindert werden [Furche (Abb. 3.9-14c2). Ist die Befestigung am Rand ange-
1994]. Bei Dübeln hängt die Herausziehlast von ordnet, erfolgt Kantenbruch (Abb. 3.9-14c3).
der Konstruktion ab. Sie kann näherungsweise Bei Verankerungen, die in gerissenen Betonbau-
nach [Lehmann 1994] berechnet werden, wird je- teilen angeordnet sind, werden die gleichen Versa-
doch aufgrund des Einsatzes von innovativen Her- gensarten wie in ungerissenem Beton beobachtet.
stell- und Oberflächenbeschichtungstechniken, die Risse im Ankergrund beeinflussen jedoch das
das Reibverhalten der Dübel entscheidend beein- Tragverhalten. Die Betonausbruchlast beträgt bei
flussen und rechnerisch kaum zu berücksichtigen Einlegeteilen und risstauglichen Dübelsystemen
sind, im Rahmen von Zulassungsverfahren stets in im Mittel ca. 70% des Wertes im ungerissenen Be-
Versuchen ermittelt. ton [Eligehausen/Balogh 1995, Eligehausen u. a.
Zur Bestimmung des Widerstands gegen die 1989]. In Abb. 3.9-15 sind die Ausbruchlasten von
Versagensart Spalten des Bauteils (Abb. 3.9-14d) in Rissen verankerten risstauglichen drehmoment-
liegen bisher nur wenige Rechenansätze vor, z. B. kontrolliert spreizenden Dübeln bezogen auf die
[Asmus 1998]. Daher wird diese Versagensart bis- im ungerissenen Beton zu erwartenden Werte in
lang ebenfalls über Versuche abgeprüft und durch Abhängigkeit von der Rissbreite aufgetragen. Die
anwendungstechnische Maßnahmen wie Mindest- Versuchsergebnisse wurden in Dehnkörpern mit
1452 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.9-15 Einfluss von Rissen auf die Betonausbruchlast bei zugbeanspruchten, risstauglichen, drehmomentkontrol-
liert spreizenden Dübeln (nach [Eligehausen/Balogh 1995])

Linienrissen ermittelt. Die Befestigungen ver- senen Beton ab. Die Versagensart im gerissenen
sagten durch Betonausbruch. Beton ist zumeist Herausziehen.
Drehmomentkontrolliert spreizende Dübel, die Die Versagensarten von Verankerungen unter
nicht für die Anwendung im gerissenen Beton kons- Querlasten sind in Abb. 3.9-18 dargestellt. Grund-
truiert wurden, spreizen nicht oder nur unkontrol- sätzlich kann das gleiche Verhalten wie unter Zug-
liert nach oder sie versagen durch Herausziehen belastung beobachtet werden:
(Abb. 3.9-16). Dieses Verhalten ist nicht definiert,
nicht eindeutig reproduzierbar und nicht vorherseh- – Heraus- oder Durchziehen tritt nur in Ausnahme-
bar. Solche Systeme erhalten vom Deutschen Insti- fällen auf, wenn die Haltekraft bei Zugbeanspru-
tut für Bautechnik keine Zulassung für Anwen- chung sehr gering ist.
dungen im gerissenen Beton. Auch Einschlagdübel – Stahlversagen wird häufig bei randfernen Befes-
sind – außer als Deckenabhänger in redundanten tigungen (Abb. 3.9-18a) beobachtet. Das Trag-
Systemen – bisher nicht für Anwendungen im geris- verhalten wird dann von der Duktilität des Stahls
senen Beton zugelassen, weil sie nicht nachspreizen des Verankerungsmittels bestimmt.
können. Abb. 3.9-17 zeigt Last-Verschiebungs-Kur- – Bei randfernen Verankerungen kann rückwär-
ven von vollständig verspreizten Einschlagdübeln tiger Betonausbruch (Abb. 3.9-18c) auftreten.
im ungerissenen und im gerissenen Beton. Die Last- Diese Bruchart ist häufig bei Verankerungen mit
Verschiebungs-Kurven im gerissenen Beton verlau- kleiner Verankerungstiefe zu beobachten, die mit
fen flacher und streuen deutlich stärker als im unge- engen Achsabständen angeordnet werden.
rissenen Beton. Die Tragfähigkeit im Riss bei einer – Randnah angeordnete Verankerungen versagen
Rissweite w = 0,3 mm beträgt bei großen Streu- durch Betonausbruch (Abb. 3.9-18b). Bei Einzel-
ungen im Mittel ca. 50% des Wertes im ungeris- verankerungen (Abb. 3.9-18b1) bildet sich nähe-
senen Beton. Werden die Dübel – wie häufig in der rungsweise eine Kegelhälfte aus. Der Winkel
Praxis [Eligehausen/Meszaros 1992] – nicht voll- zwischen der Mantellinie der Kegeloberfläche
ständig verspreizt, verlaufen die Last-Verschie- und einer Parallelen zur Bauteilkante beträgt ca.
bungs-Kurven noch flacher, streuen stärker, und die 35°. Bei Gruppen kann sich ein gemeinsamer
im gerissenen Beton erreichbaren Höchstlasten fal- Ausbruchkegel bilden (Abb. 3.9-18b2). Sind Ver-
len im Mittel auf ca. 25% des Wertes im ungeris- ankerungen in der Bauteilecke (Abb. 3.9-18b3)
3.9 Befestigungstechnik 1453

Abb. 3.9-16 Last-Verschiebungskurven von nicht risstauglichen, drehmomentkontrolliert spreizenden Dübeln im unge-
rissenen und gerissenen Beton (nach [Eligehausen/Balogh 1995])

art Betonausbruch beruht auf dem sog. CC-Verfah-


ren [Fuchs u. a. 1995; Fuchs/Eligehausen 1995]. Es
wurde in den vergangenen Jahren weiterentwickelt,
ist in aktueller Version in [Eligehausen u. a. 2006]
ausführlich beschrieben und wurde für die Bemes-
sung mit charakteristischen Widerständen aufberei-
tet [DIBt 1993; EOTA 1997; CEN TS 2009; fib
2011]. Der Widerstand gegen lokalen Betonaus-
bruch (Abb. 3.9-14e) kann nach [Eligehausen u. a.
1997; Furche/Eligehausen 1992] ermittelt werden.
Die Bestimmung des charakteristischen Werts des
Widerstands erfolgt nach [CEN/TS 2009].

Betonschrauben
Das Tragverhalten von Betonschrauben hängt we-
sentlich von Bohrlochtoleranzen ab. Für sicher-
heitsrelevante Anwendungen im gerissenen und
ungerissenen Beton dürfen die Bohrlöcher nur mit
Abb. 3.9-17 Last-Verschiebungslinien von Einschlagdü- dem vorgeschriebenen Bohrer erstellt werden. Be-
beln im ungerissenen und gerissenen Beton (qualitativ) tonschrauben versagen dann unter Zugbeanspru-
(nach [Eligehausen u. a. 1997]) chung durch Stahlbruch oder durch definiertes
Herausziehen (vgl. Abb. 3.9-14a, b). Die Tragfä-
higkeit ist in Versuchen zu ermitteln. Unter Quer-
in einem schmalen (Abb. 3.9-18b4) oder dünnen lasten können die in Abb. 3.9-18 beschriebenen
Bauteil (Abb. 3.9-18b5) verankert, können sich Versagensarten auftreten.
die beschriebenen Ausbruchkörper nicht voll-
ständig ausbilden. Deckenabhänger
Deckenabhänger versagen i. d. R. durch Herauszie-
Die Ermittlung des Widerstands von zug- und quer- hen aus dem Untergrund. Aufgrund ihrer geringen
beanspruchten Verankerungen gegen die Versagens- Spreizwege reagieren sie sehr empfindlich auf
1454 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.9-18 a–c Versagensarten bei Querbeanspruchung

Bohrlochtoleranzen und die Breite von Rissen im Die Dauertemperatur des Ankergrundes darf des-
Beton. Werden die Anwendungsbedingungen der halb höchstens 40°C, kurzfristig bis zu 80°C, be-
Zulassungsbescheide nicht eingehalten, werden tragen.
die Gebrauchstauglichkeit und die Tragfähigkeit Die Haltekraft von heute gebräuchlichen Kunst-
ungünstig beeinflusst. stoffdübeln in gerissenem Untergrund ist sehr ge-
ring. Deshalb sind sie bis auf eine Ausnahme für
Kunststoffdübel dieses Einsatzgebiet nicht zugelassen. Dieser riss-
Das Tragverhalten von Kunststoffdübeln in Beton taugliche Kunststoffdübel hat eine Spezialschrau-
und Vollsteinen ist nahezu unabhängig von der be, die das Nachspreizen erlaubt, und damit die
Festigkeit des Untergrundes. Die Spreizkräfte sind zuverlässige Lasteintragung in den gerissenen Un-
nicht so hoch, dass ein Ausbruchkörper erzeugt tergrund ermöglicht.
wird. Versagen tritt daher durch Herausziehen aus Die Tragfähigkeit von Kunststoffdübeln ist in
dem Bohrloch ein. allen Fällen durch Versuche zu ermitteln.
In Loch- und Hohlsteinen wird das Tragverhal-
ten des Dübels durch die Ausbildung der Steinstege
3.9.3.2 Chemische Befestigungsmittel
und die Geometrie der Löcher beeinflusst. Weiter-
hin ist entscheidend, wie der Dübel zum Lochbild Verbund- und Injektionsdübel
und den Stegen positioniert ist. Bei Befestigungen Bei Verbund- und Injektionsdübeln wird die Last
in Mauerwerk ist zudem von Einfluss, ob sich der kontinuierlich über die gesamte Länge des ein-
Dübel in einer Mörtelfuge oder in einer unvermör- gemörtelten Stahlteiles in den Verankerungsgrund
telten Stoßfuge befindet. eingetragen.
Die Kriechneigung des Kunststoffes führt auf Unter Zugbeanspruchung versagen diese durch
die Dauer zu einer Abnahme der Spreizkraft. Den- Stahlbruch, durch Herausziehen mit einem ober-
noch können mit zugelassenen Kunststoffdübeln flächennahen Betonausbruch oder durch Beton-
auch Zuglasten sicher und dauerhaft in den Unter- ausbruch.
grund eingetragen werden, da gleichzeitig die Rei- Bei der Versagensart Herausziehen mit Beton-
bung zwischen Bohrlochwandung und Dübelhülse ausbruch entspricht die Tiefe etwa dem 2- bis 3-
zunimmt. Dies ist auf ein zeitabhängiges Anpassen fachen des Ankerstangendurchmessers. Deshalb
der Dübelhülse an die Bohrlochwandung zurück- ist die Höchstlast bei gleicher Setztiefe geringer
zuführen, das zu Mikrohinterschnitten führt. als bei Verbund- und Injektionsdübeln sowie Ein-
Feuchtigkeit und vor allem Temperatur beein- legeteilen und Metalldübeln, die durch reinen Be-
flussen die Werkstoffeigenschaften des Kunststoffes. tonausbruch versagen.
3.9 Befestigungstechnik 1455

Herausziehen erfolgt durch Überwinden der Ver-


bundfestigkeit zwischen Stahlteil und Mörtel oder
Mörtel und Bohrlochwandung. Letzteres ist insbe-
sondere dann der Fall, wenn das Bohrloch nicht sorg-
fältig gereinigt wird und das an der Wandung verblie-
bene Bohrmehl die Verbundfestigkeit verringert.
Nicht sauber gereinigte Bohrlöcher können einen
drastischen Abfall der Traglast verursachen, die je
nach System ca. 20% bis 60% des Wertes bei gut ge-
reinigtem Bohrloch entspricht. Generell ist der Ein-
fluss der Bohrlochreinigung bei Verbundsystemen
mit Patronen geringer als bei Injektionsdübeln, da
der Bohrstaub infolge der Dreh-Schlag-Bewegung
beim Setzen durch die Zuschläge in der Patrone von
der Bohrlochwandung abgerieben und in die Ver-
bundmasse eingearbeitet wird. Der Einfluss der
Bohrlochreinigung auf den Herausziehwiderstand ist
produktabhängig und kann nicht verallgemeinert
Abb. 3.9-19 Last-Verschiebungslinien von herkömm-
werden. lichen Verbunddübeln im ungerissenen und gerissenen Be-
Abbildung 3.9-19 zeigt schematisch Last-Ver- ton (qualitativ) ([nach Eligehausen u. a. 1997])
schiebungs-Kurven von Verbunddübeln unter Zug-
beanspruchung im gerissenen Beton bei gereinigtem
und bei ungereinigtem Bohrloch sowie im ungeris- Bei hohen Temperaturen, wie sie z. B. in heißen
senen Beton. Die Steifigkeit der Dübel ist im geris- Klimazonen während des Sommers anzutreffen sind,
senen Beton geringer als im ungerissenen. Bei einer kann die Zugfestigkeit von organischen Harzen stark
als zulässig angesehenen Rissbreite von w”0,3 mm absinken. Gleichzeitig nimmt die Kriechneigung der
beträgt die Höchstlast je nach Produkt und Dübel- Verbundmasse im Vergleich zu den Werten bei Nor-
größe nur das ca. 0,2- bis 0,6-fache des Wertes im maltemperatur (20°C) wesentlich zu. Abbildung 3.9-
ungerissenen Beton. Weiterhin streuen die Höchst- 20 zeigt die Reduktion der Verbundspannung bei
lasten sehr stark. Zudem ist der Einfluss der Bohr- steigender Temperatur für drei Produkte. Jedes Pro-
lochreinigung beim gerissenen Beton eher größer als dukt hat ein eigenes charakteristisches Verhalten bei
beim ungerissenen Beton. In ungünstigen Fällen erhöhten Temperaturen. Verbunddübelsysteme mit
kann sogar ein Ausziehen der Dübel unterhalb der für einer nationalen Zulassung des DIBt dürfen bei Tem-
ungerissenen Beton zulässigen Gebrauchslast erfol- peraturen im Ankergrund über einen längeren Zeit-
gen. Daher sind übliche Verbund- und Injektionsdü- raum bis zu 50°C und über einen kurzen Zeitraum
bel in gerissenem Beton zur Übertragung von zen- bis zu 80°C eingesetzt werden. Bei Verbunddübeln
trischen Zuglasten wenig geeignet. mit Europäischen Technischen Zulassungen können
Feuchte Bohrlöcher, d. h. solche, aus denen ste- auch geringere ertragbare Temperaturen ausgewie-
hendes Wasser unmittelbar vor dem Versetzen der sen sein. Daher sind bei der Produktauswahl die An-
Verankerung mit Druckluft ausgeblasen wurde, wendungsgrenzen im Hinblick auf die Temperatur
bewirken je nach verwendetem Produkt eine ge- sehr genau zu beachten.
ringe bis deutliche Verringerung der Traglast [Eli- Unter Querlasten treten in Beton dieselben
gehausen u. a. 2006; Cook et al. 1998; Kunz u. a. Versagensarten wie bei Metalldübeln auf. Beton-
1998]. Eine noch stärkere Reduktion der Traglast ausbruch auf der lastabgewandten Seite ist nur bei
wird bei chemischen Dübeln beobachtet, die in Gruppen mit minimalem Achsabstand zu erwarten.
Bohrlöchern mit stehendem Wasser (d. h. quasi Die Berechnung der Tragfähigkeit von Befesti-
Unterwasseranwendung) gesetzt wurden. Die pro- gungen mit Verbunddübeln im ungerissenen Beton
duktspezifischen Anwendungsgrenzen der Zulas- wird in [Eligehausen u. a. 2006; CEN/TS 2009; fib
sungsbescheide sind unbedingt einzuhalten. 2011] behandelt.
1456 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.9-20 Abhängigkeit der Verbundfestigkeit von der Temperatur (nach [Kunz u. a. 1998])

Bei Injektionsdübeln im Loch- und Hohlmauer- nach denselben Konzepten erfolgen. Vorausset-
werk kommt es infolge der Tragwirkung über zung ist jedoch, dass ein geeigneter Injektionsmör-
Formschluss zu einem Versagen durch Ausbruch tel verwendet und das Bohrloch mit entsprechenden
des Ankergrundes, dessen Festigkeit die Höchst- Systemkomponenten vorschriftsmäßig erstellt und
last bestimmt. In Vollstegen oder vermörtelten Fu- gereinigt sowie ordnungsgemäß injiziert wird. Un-
gen wird die Last wie in Beton und Vollsteinen terschiede ergeben sich beim Verhalten in Längs-
über Verbund abgetragen. Die Tragfähigkeit von rissen sowie bei sehr tiefen und erhöhten Tempera-
Injektionsdübeln wird durch Versuche ermittelt. turen. Daher sind die Anwendungsbedingungen
der Injektionssysteme unbedingt einzuhalten.
Verbundspreiz- und -hinterschnittdübel
Bei risstauglichen Verbunddübeln werden im un-
3.9.3.3 Setzbolzen
gerissenen Beton im Prinzip dieselben Versagens-
arten wie bei normalen Verbund- und Injektions- Setzbolzen versagen in ungerissenem Beton bei
dübeln beobachtet. Bei Verankerungen im geris- Zugbeanspruchung durch Betonausbruch. Die
senen Beton tritt bei Zugbeanspruchung in der Höchstlasten bei Befestigungen mit Setzbolzen
Regel Herausziehen oder Betonausbruch auf. Bei streuen sehr stark, da sie in der Betondeckung ver-
Querbeanspruchung werden die Versagensarten ankert werden, und es können Setzausfälle auftre-
nach Abb. 3.9-18 beobachtet. ten [Patzak 1979; Bereiter 1986]. Setzausfälle
Die Tragfähigkeit von Befestigungen mit riss- werden jedoch sicher vermieden und die Streu-
tauglichen Verbunddübeln kann nach dem CC-Ver- ungen deutlich verringert, wenn die Bolzen in ca.
fahren berechnet werden [Eligehausen u. a. 2006; 20 mm tiefe Bohrungen gesetzt werden. Gleichzei-
CEN/TS 2009; fib 2011]. tig ergibt sich eine Steigerung der mittleren Aus-
bruchlast.
Bewehrungsanschlüsse mit nachträglich Werden Setzbolzen von Rissen getroffen, so
eingemörtelten Bewehrungsstäben wird der beim Setzen entstehende Druckspan-
Umfangreiche Untersuchungen ergaben, dass sich nungszustand abgebaut und dadurch die Höchstlast
das das Verbundverhalten von eingemörtelten und deutlich abgemindert [Eligehausen u. a. 1997]. Sie
einbetonierten Bewehrungsstäben nicht wesentlich können deshalb auch nur als Deckenabhänger in
unterscheidet. Daher kann die Bemessung auch redundanten Systemen eingesetzt werden.
3.9 Befestigungstechnik 1457

3.9.4 Definition von Anwendungen in cherzustellen, dass im Fall von großem Schlupf
statisch bestimmten und statisch oder Versagen eines Befestigungsmittels die Last
infolge der Steifigkeit des Anbauteils auf die be-
unbestimmten Systemen
nachbarten Befestigungsmittel übertragen und von
Bei der Bemessung einer Befestigung ist das sta- diesen auch übernommen werden kann, ohne dass
tische System zu berücksichtigen: statisch be- die Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit
stimmt oder statisch unbestimmt (redundant), der oder Tragfähigkeit des Gesamtsystems wesentlich
Zustand des Betons: gerissen oder ungerissen und beeinträchtigt werden.
die Funktion des Anbauteils: tragend oder nicht In diesen Anwendungsfällen dürfen nicht nur
tragend. Befestigungsmittel, die die hohen Anforderungen
Ein System ist statisch bestimmt, wenn seine von z. B. [EOTA 1997] erfüllen und durch die si-
interne Lastverteilung über Gleichgewichtsbe- chergestellt ist, dass eine ausreichende Sicherheit
trachtungen bestimmt werden kann, ohne dass Ver- gegen Versagen eines einzelnen Dübels vorhanden
formungs- oder Steifigkeitskriterien herangezogen ist, sondern auch Befestigungsmittel geringeren
werden müssen. In diesem Fall kann das Versagen Leistungsvermögens, die den Anforderungen nach
eines Befestigungsmittels das Versagen der kom- [EOTA 2004] genügen, eingesetzt werden. Dies
pletten Tragkonstruktion verursachen (Abb. 3.9- sind sog. Metalldübel für die Verwendung als
21a). Bei diesen Anwendungen sind Befestigungs- Mehrfachbefestigung von nichttragenden Syste-
mittel nach [EOTA 1997] zu verwenden. men, z. B. Deckenabhänger. Dem Anstieg der Bie-
Bei statisch unbestimmten Systemen, d. h. red- gemomentenbeanspruchung und der Verformung
undanten Systemen, in denen das Anbauteil mit des Anbauteils im Falle des Versagens eines Befes-
mehreren Befestigungsmitteln im Beton verankert tigungsmittels wird dadurch Rechnung getragen,
ist, z. B. abgehängten Decken, Rohrleitungen und dass der charakteristische Widerstand dieser Be-
Geländern (Abb. 3.9-21b), kann ein Teil der Befes- festigungsmittel begrenzt wird. Details hierzu
tigungsmittel im gerissenen Beton und der Rest im können [Rößle/Eligehausen 2002] entnommen
ungerissenen Beton verankert sein. Dann ist si- werden.

Abb. 3.9-21 Versagen des Befestigungsmittels und seine Auswirkungen


1458 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.9.5 Definition von gerissenem 3.9.6 Langzeitverhalten


und ungerissenem Beton
Befestigungsmittel müssen allen Einwirkungen
Nach den Bemessungsverfahren von [DIBt 1993; und Einflüssen, die während der Ausführung und
EOTA 1997 und CEN/TS 2009], die den heutigen Verwendung entstehen können, mit angemessener
Zulassungsbescheiden zugrunde liegen, ist bei der Zuverlässigkeit dauerhaft widerstehen (Grenzzu-
Auswahl von Befestigungsmitteln und deren Be- stand der Tragfähigkeit). Verformungen der Befes-
messung i. d. R. von gerissenem Beton auszugehen. tigungsmittel in unzulässigem Maß sind nicht ge-
In Sonderfällen darf bei Verankerungen mit einer stattet (Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit).
Gesamtlast ”60 kN von ungerissenem Beton aus- Weiterhin darf die Entwurfsnutzungsdauer des Be-
gegangen werden, wenn in jedem Einzelfall nach- festigungsmittels nicht geringer sein als die des
gewiesen wird, dass im Gebrauchszustand die Dü- Anbauteils bzw. des Bauwerks.
bel bzw. Kopfbolzen mit der gesamten Veranke- Die Nutzungsdauer von Bauwerken beträgt
rungstiefe im ungerissenen Beton liegen. Diese mehrere Jahrzehnte. Bei Befestigungen wird daher
Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn Gl. (3.9.1) ein- üblicherweise von einer Nennnutzungsdauer von
gehalten ist: mindestens 50 Jahren ausgegangen.
Das Tragverhalten von Befestigungsmitteln un-
(3.9.1) ter Langzeitbeanspruchung wird durch die Materi-
aleigenschaften des Untergrunds sowie des Befes-
mit: tigungsmittels bestimmt.
VE Spannungen im Beton, die durch äußere Lasten Das Langzeitverhalten des Untergrunds ist in
einschließlich der Lasten der Verankerung her- der Bemessung der Befestigungen durch den An-
vorgerufen werden, satz der Rechenwerte aus den entsprechenden Bau-
VR Spannungen im Beton, die durch innere Zwangs- werksnormen erfasst.
verformungen (z. B. Schwinden des Betons) Mechanische Befestigungsmittel aus Stahl sind
oder durch von außen wirkende Zwangsverfor- hinsichtlich des Tragverhaltens unter Langzeitbe-
mungen (z. B. durch Auflagerverschiebungen anspruchung unproblematisch. Das Tragverhalten
oder Temperaturschwankungen) hervorgerufen von Kunststoffdübeln aus PA 6 und PA 66, aus dem
werden. Wird kein genauer Nachweis geführt, bisher alle bauaufsichtlich zugelassenen Kunst-
so ist VR zu 3 N/mm2 anzunehmen. stoffdübel bestehen, ist unter Langzeitbeanspru-
chung durch Untersuchungen mit Laufzeiten von
Die Spannungen VE und VR sind unter Annahme teilweise über 20 Jahren abgesichert. Die aktuellen
von ungerissenem Beton (Zustand-I) zu berech- Prüfverfahren und Auswerteverfahren in [ETAG
nen. Bei flächigen Bauteilen, die Lasten in zwei 2006] beruhen auf den mit o. g. Werkstoffen ge-
Richtungen abtragen (z. B. Platten, Wände) ist Gl. wonnenen Erkenntnissen, lassen prinzipiell jedoch
(3.9.1) für beide Richtungen zu erfüllen. auch andere Kunststoffe mit anderen mechanischen
Die obige Definition von ungerissenem Beton Eigenschaften für Kunststoffdübel zu, für die es
wurde aus den Regelungen in Eurocode-2 bzw. DIN diese Langzeiterfahrungen noch nicht gibt.
1045 für die Mindestbewehrung zur Beschränkung Verbunddübel haben in den letzten Jahren die
der Rissbreite abgeleitet. Sie berücksichtigt, dass größten Innovationsschritte erfahren. Heute wird
Zugspannungen im Beton aus äußeren Lasten und für Verbunddübel eine große Bandbreite neu ent-
Zwängungsbeanspruchungen hervorgerufen werden wickelter Kunstharze und Modifikationen einge-
können. Dabei überwiegt häufig der Einfluss der setzt, die sich in ihrem chemischen Aufbau erheb-
Zwängungsspannungen auf die Rissbildung. Wei- lich unterscheiden. Dies wirkt sich deutlich hin-
terhin ist zu beachten, dass bei Bauteilen in trocke- sichtlich der Festigkeit bei kurzzeitiger und lang
nen Innenräumen zwar keine Mindestbewehrung einwirkender Beanspruchung aus. Es werden Sys-
erforderlich ist, weil keine Korrosionsgefahr für die teme vermarktet, die nach Herstellerangaben über-
Bewehrung besteht, trotzdem jedoch Zwangsschnitt- haupt nicht für Langzeitbeanspruchung eingesetzt
größen auftreten können. werden dürfen. Solche Systeme haben keine bau-
3.9 Befestigungstechnik 1459

aufsichtliche Zulassung. Aufgrund der Material- Bemessungsverfahrens führen können. Solange kei-
vielfalt und vieler Neuentwicklungen ist es offen- ne allgemein gesicherten Erkenntnisse zum Trag-
sichtlich, dass bei Verbund- und Injektionsdübeln verhalten von Verbunddübeln unter Dauerlasten
hinsichtlich des Verhaltens unter Langzeitbean- vorliegen, empfehlen die Verfasser daher bei hohem
spruchung keine durch Dauerstandversuche weit- Anteil der quasi-ständig wirkenden Zuglast an der
gehend abgesicherten Erkenntnisse wie bei Kunst- Gesamtzuglast, die in den bauaufsichtlichen Zulas-
stoffdübeln vorliegen können. sungsbescheiden angegebenen charakteristischen
Die Forschung in Bezug auf das Kurzzeittragver- Werte der Kurzzeitfestigkeit des Verbundmörtels
halten von Verbund- und Injektionsdübeln hat mit bzw. die charakteristischen Herausziehlasten für die
der Geschwindigkeit der Produktinnovation Schritt Bemessung nicht vollständig in Anspruch zu neh-
gehalten. Dies gilt jedoch nicht für Untersuchungen men, sondern um ca. 25% bis 35% zu reduzieren.
zum Langzeitverhalten. Hier wird davon ausgegan-
gen, dass sich die innovativen Harze wie ihre Vor-
gänger verhalten. Die Prüfung und Bewertung der 3.9.7 Dauerhaftigkeit
innovativen Harze hinsichtlich des Langzeitverhal-
tens erfolgt daher auch nach [EOTA 2002]. Die Be- Befestigungsmittel müssen für die ihnen zugewie-
messung erfolgt anders als bei Bauteilen aus Ver- sene Verwendung geeignet bleiben. Von Befesti-
bundmaterialien mit Kunststoffen, z. B. Holzleim- gungselementen wird daher zumindest eine Lebens-
bindern, ohne einen Nachweis gegen die Verbund- dauer erwartet, die der Nutzungsdauer der Bauwerke
festigkeit unter Langzeitbeanspruchung. entspricht.
Dies bedeutet, dass die Verbund- und Injekti- Durch Korrosion wird der Stahlquerschnitt ge-
onsdübel hinsichtlich der Kurzzeitfestigkeit heute schwächt und die Funktionsfähigkeit beeinträchtigt.
wirklichkeitsnah bemessen werden. Versteckte Si- Besonders gefährlich ist ein weitgehend unange-
cherheiten aus den alten konservativen Bemes- kündigtes Versagen infolge Spannungsrisskorro-
sungsmethoden, die früher zur Abdeckung von sion. Dies kann unter extremen Bedingungen, z. B.
Unsicherheiten bezüglich des Langzeitverhaltens bei Einwirkung von Chloriden, auch bei nichtros-
herangezogen werden konnten, liegen jetzt u. U. tenden Stählen auftreten, wenn sie nicht ausrei-
nicht mehr vor: chend beständig sind.
Im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Ver- Eine galvanische Verzinkung stellt bei Befesti-
bund- und Injektionsdübel werden Kriechversuche gungen im Freien lediglich einen temporären Kor-
durchgeführt. In den Kriechversuchen der Zulas- rosionsschutz dar. Die Zinkschicht wird zu schnell
sungsprüfungen werden auf die Verbund- und Injek- abgetragen. Sie ist für Anwendungen in trockenen
tionsdübel Dauerlasten in Höhe von 55% der mittle- Innenräumen jedoch ausreichend.
ren Kurzzeitfestigkeit aufgebracht. Besteht das Pro- Für Anwendungen im Freien sind i. Allg. Befesti-
dukt diese Versuche, erfolgt die Bemessung nach gungselemente aus nichtrostendem Stahl (A4) erfor-
der Kurzzeitfestigkeit. Da die Akzeptanzkriterien für derlich. Nur bei Kunststoffdübeln dürfen galvanisch
Kriechversuche konservativ sind, beträgt die bei Be- verzinkte Schrauben verwendet werden, wenn die
stehen der Kriechversuche nachgewiesene Langzeit- Schraube außerhalb der Dübelhülse z. B. durch Auf-
festigkeit des Verbundes ca. 65% bis 75% der Kurz- setzen einer Kunststoffkappe oder geeignete Anstri-
zeitverbundfestigkeit. Da nach den geltenden Zu- che so geschützt wird, dass das Eindringen von
lassungsbescheiden die Bemessung jedoch mit der Feuchtigkeit in den Dübelschaft nicht möglich ist.
Kurzzeitverbundfestigkeit erfolgt, kann dieser An- Besonders ungünstige Bedingungen im Hinblick
satz u. U. bei einem hohen Anteil der quasi-ständig auf Korrosion liegen z. B. in Schwimmbädern mit
wirkenden Zuglast an der Gesamtlast liberal sein. gechlortem Wasser, in Meerwasser einschließlich
Zur Lösung dieser Problematik haben die füh- Brackwasser, bei Schornsteinen und in Straßentun-
renden Hersteller von Befestigungsmitteln zusam- neln vor. Hier reicht der durch A4-Stahl gegebene
men mit mehreren Universitäten Forschungsvorha- Korrosionsschutz nicht aus. Für diese Anwendungen
ben begonnen, die kurz- und mittelfristig zu Ände- stehen drehmomentkontrollierte Dübel, Hinter-
rungen der Prüf- und Auswertemethoden sowie des schnitt-, Verbund- und Verbundspreizdübel aus be-
1460 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

sonderen hochlegierten und ausreichend korrosi- gangsweise nach der CEN/TS 1992-4 „Bemessung
onsbeständigen Stählen zur Verfügung. der Verankerung von Befestigungen in Beton“
[CEN/TS 2009]. Die künftige Verknüpfung zwi-
schen Prüf- und Bemessungsregeln in Europa ist in
3.9.8 Baurechtliche Vorschriften Abb. 3.9-23 dargestellt.
Für die Befestigungsmittel und die Anwen-
und Anwendungsbedingungen dungsbereiche, in denen Europäische Regelungen
bestehen, dürfen Nationale Zulassungsbescheide
3.9.8.1 Allgemeines
wie z. B. die „Allgemeinen Bauaufsichtlichen Zu-
Die Befestigungstechnik ist eine vergleichsweise lassungen“ des Deutschen Instituts für Bautechnik
junge Disziplin. In den letzten Jahren wurden im- (DIBt) nur noch über eine definierte Übergangs-
mer mehr leistungsfähige nachträglich montierbare zeit bestehen. Neuerteilungen von Nationalen Zu-
Befestigungsmittel und Einlegeteile für Anwen- lassungen sollen in den europäisch geregelten Be-
dungen in Beton und Mauerwerk auf den Markt ge- reichen nicht erfolgen.
bracht. Die Verwendung dieser Befestigungsmittel Für die Befestigungsmittel und Anwendungsbe-
bedingt von den Planern und den Handwerkern eine reiche, die nicht über die EOTA geregelt sind, er-
hohe Sachkenntnis, da nur optimal ausgewählte, be- folgt der Nachweis der Verwendung nach den
messene und fehlerfrei montierte Befestigungsmit- „Allgemeinen Bauaufsichtlichen Zulassungen“
tel sicher tragen und die Anforderungen an die Ge- des DIBt und den entsprechenden Bemessungsver-
brauchstauglichkeit erfüllen. Im Sinne der Bauord- fahren oder im speziellen Einzelfall durch Zustim-
nung liegt für Befestigungsmittel zur Verwendung mung der obersten Bauaufsichtsbehörden.
in Beton und Mauerwerk noch kein gesicherter Im Rahmen eines Zulassungsverfahrens – unab-
Stand der Technik vor, der in Normen dokumentiert hängig davon, ob nach DIBt-Richtlinien oder EOTA
ist und nach denen der Nachweis über die Verwend- – werden stets die Eignung und die Funktionsfä-
barkeit geführt werden könnte. higkeit des Befestigungsmittels unter idealen und
Daher werden tragende Konstruktionen im bau- praxisnahen Bedingungen i. d. R. für vorwiegend
rechtlichen Sinne, deren Versagen „die öffentliche ruhende Belastungen nachgewiesen. In gezielten
Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben und Versuchen wird unter anderem der Einfluss unver-
Gesundheit“ gefährdet, z. B. Befestigungen von meidbarer Montageungenauigkeiten und möglicher
Fassaden, untergehängten Decken, Geländern und Imperfektionen auf der Baustelle (z. B. Bohrlochto-
Befestigungen, die für die Standsicherheit und leranzen, ungenügende Bohrlochreinigung, ungenü-
Dauerhaftigkeit des Bauteils erforderlich sind, gende Verspreizung, Anordnung bei Bewehrungs-
über bauaufsichtliche Zulassungen geregelt. kontakt) sowie ggf. von Rissen auf die Tragfähigkeit
Die Anwendung von Befestigungsmitteln soll des Befestigungselementes untersucht und bewer-
aufgrund der europäischen Harmonisierungsbestre- tet. Die maßgeblichen Eckdaten wie der Aufbau, der
bungen möglichst über Europäische Technische Zu- Werkstoff, die Funktionsweise, die Setzdaten, das
lassungen (ETAs) auf Grundlage von Zulassungs- Montagewerkzeug und der Anwendungsbereich der
leitlinien (ETAG) oder ein sog. CUAP-Verfahren jeweiligen Befestigungsmittel sind in den Zulas-
der EOTA erfolgen. Eine Liste der bisher erschienen sungsbescheiden detailliert festgelegt.
Europäischen Zulassungsleitlinien für Befesti- Die stürmische Entwicklung der Befestigungs-
gungsmittel der EOTA enthält Abb. 3.9-22. Die Zu- technik in den letzten Jahren spiegelt sich in der
lassungsleitlinien sowie zugehörige Informationen Anzahl der für Ankerschienen, Kopfbolzen und
können von www.eota.be abgerufen werden. Kopf- Dübel erteilten Zulassungsbescheide wieder. Sie
bolzen und Betonschrauben erhalten ETAs auf Ba- ermöglichen dem Anwender aus der Vielzahl der
sis eines CUAP-Verfahrens. Dasselbe gilt für die in angebotenen Befestigungssysteme die Auswahl
Kürze erscheinenden ETAs für Ankerschienen. und die Bemessung eines sicheren und dauerhaften
Die Bemessung der Befestigungsmittel mit ei- Produktes für einen bestimmten Anwendungsfall.
ner ETA erfolgt nach ETAG 001, Annex C [EOTA Nachdem über 20 Jahre hinweg vom DIBt natio-
1997] und nach dem Erscheinen in 2009 über- nale „Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassungen“
3.9 Befestigungstechnik 1461

Abb. 3.9-22 Entwicklung der Europäischen Vorschriften in der Befestigungstechnik

erteilt wurden, wurde im Jahre 1998 die erste Eu- die Anwendung von Kunststoffdübeln sowie In-
ropäische Technische Zulassung veröffentlicht, die jektionsdübeln in Mauerwerk sowie dem Inkraft-
eine europaweit harmonisierte Verwendung der treten neuer europäischer Zulassungsleitlinien,
Befestigungsmittel erlaubt. Damit hat im Vor- z. B. für Befestigungselemente unter vorwiegend
schriftenwesen der Befestigungstechnik eine neue nicht ruhender Beanspruchung und in Erdbebenge-
Zeitrechnung eingesetzt. Folgerichtig hat im Zeit- bieten, die Anzahl der Zulassungsbescheide des
raum zwischen 1998 und 2008 die Anzahl der nati- DIBt weiter abnehmen und gleichzeitig die Anzahl
onalen Zulassungen stagniert, da ein Großteil die- der Europäischen Technischen Zulassungen über-
ser Zulassungen durch Europäische Technische proportional ansteigen wird.
Zulassungen ersetzt wurde. In Abb. 3.9-24 ist die- Die Verwender von Befestigungsmitteln in
ser Prozess veranschaulicht. Es ist davon auszuge- Deutschland sahen sich innerhalb der letzten zehn
hen, dass mit Auslaufen der Übergangsfristen für Jahre mit einer Verdreifachung der Anzahl der Zu-
1462 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.9-23 Verknüpfung zwischen Bemessungs- und Prüfrichtlinien in Europa

Abb. 3.9-24 Entwicklung der Anzahl der Zulassungsbescheide

lassungsbescheide bei gleichzeitiger Änderung der festigungen, die eine fachgerechte Montage der Be-
Inhalte für neuartige Produkte konfrontiert. Diese festigungsmittel voraussetzt. Hierfür sind prüfbare
Entwicklung wird mittelfristig noch weiter Be- Berechnungen und Konstruktionszeichnungen an-
stand haben und stellt daher auch in der nächsten zufertigen. Die unmittelbare örtliche Krafteinlei-
Zukunft für Hersteller, Verwender und Ausbilder tung in den Untergrund wird durch das Zulassungs-
eine große zu bewältigende Herausforderung dar. verfahren nachgewiesen. Für die Weiterleitung der
Alle bauaufsichtlichen Zulassungen fordern eine über die Befestigungsmittel eingetragenen Kräfte
ingenieurmäßige Planung und Bemessung der Be- im Bauwerk ist jedoch ein statischer Nachweis zu
3.9 Befestigungstechnik 1463

führen. Auf die notwendigen Schulungen der in der gerissenen Beton abgeleitet wurden. Bei Einsatz
Planung und Ausführung Beteiligten wird in Ab- der Schienen im gerissenen Untergrund müssen
schn. 3.9.9 hingewiesen. die auftretenden örtlichen Querzugkräfte gemäß
Im Folgenden werden kurze Informationen über DIN1045 Abschn.-18 durch zusätzliche Beweh-
die Regelungen der Zulassungsbescheide für die rung aufgenommen werden, wenn nicht konstruk-
verschiedenen Befestigungsmittel gegeben. Ein- tive Maßnahmen ein Aufspalten des Betons ver-
zelheiten sind den Zulassungsbescheiden der ein- hindern. Weiterhin enthalten die Zulassungsbe-
zelnen Systeme zu entnehmen. Dies gilt insbeson- scheide Regelungen für spezielle Anwendungsfäl-
dere für die Montage- und Kontrollbedingungen. le, z. B. für einige Schienengrößen zulässige Lasten
für nicht ruhende Beanspruchungen.
Für Ankerschienen wurden in 2011 die ersten
3.9.8.2 Mechanische Befestigungen
Europäischen Technischen Zulassungsbescheide
Kopfbolzen erteilt. Die Bemessung erfolgt nach den in [CEN/
Kopfbolzen dürfen gemäß Europäischer Tech- TS 2009] angegebenen Regeln.
nischer Zulassung als Einzelbefestigung sowie als
Bolzengruppen von zwei bis zu höchstens neun Metallspreiz- und-hinterschnittdübel,
Bolzen (bis zu drei Bolzen je Reihe) im ungeris- Betonschrauben
senen und im gerissenen Beton (mindestens Einschlagdübel, Betonschrauben mit geringer Ge-
C20/25) verwendet werden. Bei der Bemessung windetiefe sowie nicht optimierte drehmoment-
wird grundsätzlich von gerissenem Beton ausge- kontrolliert spreizende Dübel des Bolzen- und
gangen. Das Bemessungsverfahren ist im Zulas- Hülsentyps sind nur für Anwendungen im ungeris-
sungsbescheid enthalten. senen Beton der Güten C20/25 bis C50/60 zugelas-
Die Bemessung von Befestigungen mit Kopf- sen. Dabei liegen für viele Einschlagdübel und Be-
bolzen beruht auf dem modernen Sicherheitskon- tonschrauben neben der Europäischen Technischen
zept mit Teilsicherheitsbeiwerten und charakteris- Zulassung für ungerissenen Beton auch Europä-
tischen Widerständen für die verschiedenen Belas- ische Technische Zulassungen für die Verwendung
tungsrichtungen und Versagensarten [EOTA 1997; als Mehrfachbefestigung von nichttragenden Sys-
CEN/TS 2009; fib 2011]. Die Regelungen wurden temen in gerissenem Beton vor [EOTA 2004]. Bei
aus den Ergebnissen der Untersuchungen [Bode/ Anwendungen im ungerissenen Beton ist in jedem
Hanenkamp 1985; Eligehausen u. a. 1992; Ramm/ Fall entsprechend 3.9.5 nachzuweisen, dass der
Greiner 1991] abgeleitet. Dübel über die gesamte Verankerungstiefe im
Die Zulassungsbescheide sind für Befestigun- ungerissenen Beton liegt. Die einzuhaltenden
gen mit auf die Ankerplatte angeschweißten Kopf- Achs- und Randabstände sind bei Einschlagdübeln
bolzen gültig und berücksichtigen den Einfluss ei- verhältnismäßig groß. Da außerdem in nur sehr
ner Rückhängebewehrung auf die Tragfähigkeit. wenigen Fällen ungerissener Beton als Ankergrund
Befestigungen mit Kopfbolzen sind prinzipiell vorliegt, ist der zulässige Anwendungsbereich die-
für die Übertragung vorwiegend nicht ruhender La- ser Dübel sehr beschränkt. Die Europäischen Tech-
sten geeignet und waren für diesen Anwendungsfall nischen Zulassungen enthalten die charakteristi-
durch das DIBt zugelassen. Dieser Anwendungsbe- schen Widerstände und Empfehlungen für Teilsi-
reich wurde jedoch bisher noch nicht in die Europäi- cherheitsbeiwerte, die zu einer Bemessung nach
sche Technische Zulassung übertragen. [EOTA 1997] bzw. [CEN/TS 2009] erforderlich
sind. Dort werden drei Bemessungsverfahren un-
terschieden.
Ankerschienen Bei Verfahren-A sind die charakteristischen Wi-
Die derzeit gültigen bauaufsichtlichen Zulassungen derstände abhängig von der Belastungsrichtung und
des DIBt für Ankerschienen erlauben die Anwen- der Versagensart. Es ermöglicht die wirtschaftlichs-
dung im gerissenen und ungerissenen Beton. Für te Ausführung von Befestigungen. Beim Bemes-
beide Anwendungsfälle werden dieselben zuläs- sungsverfahren-B wird eine charakteristische Last
sigen Lasten angegeben, die aus Versuchen im un- unabhängig von der Lastrichtung und der Versa-
1464 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

gensart angenommen. Es entspricht im Prinzip Nach europäischer Definition werden die De-
dem Kappa-Verfahren für risstaugliche Systeme ckenabhänger unter dem Begriff „Metalldübel für
auf der Basis zulässiger Lasten nach DIBt-Zulas- die Verwendung als Mehrfachbefestigung von
sungen. Das Verfahren C gilt für Metalldübel in nichttragenden Systemen“ geführt [EOTA 2004].
ungerissenem Beton und ist mit der bisherigen Be- Um die Wirkung als Mehrfachbefestigung bei
messung nach DIBt-Zulassungen für diese Dübel- gleichzeitiger einfacher Bemessung sicherzustel-
systeme vergleichbar. Im Zulassungsbescheid ist len, wird der Widerstand (n3) je Befestigungspunkt
ausgewiesen, welches Verfahren für die Bemes- in Abhängigkeit von der Anzahl der Befestigungs-
sung verwendet werden muss. punkte (n1) und der Anzahl der Dübel je Befesti-
Der Normalfall ist die Verankerung im gerisse- gungspunkt (n2) definiert. Ein Beispiel für die
nen Beton. Für diese Anwendung wurden Hinter- Definition von n1 und n2 enthält Abb. 3.9-25. Die
schnittdübel, Betonschrauben und drehmoment- Definition einer Mehrfachbefestigung unterschei-
spreizende Metalldübel konstruiert. Sie haben det sich in den Europäischen Mitgliedsstaaten. In
Europäische Technische Zulassungen für Anwen- Abb. 3.9-26 sind die Definitionen für einzelne
dungen im gerissenen und ungerissenen Beton Länder auszugsweise zusammengestellt. Däne-
(mindestens C20/25, höchstens C50/60) in stabför- mark, Deutschland und Portugal haben die von der
migen und flächigen Stahlbetonbauteilen. Es kön- EOTA empfohlenen Definitionen übernommen. In
nen wie bei Kopfbolzen Befestigungen mit bis zu 9 den Staaten, für die in Abb. 3.9-26 keine Werte an-
Dübeln in einer Ankerplatte ausgeführt werden. gegeben sind, sollten ebenfalls die Werte von
Die Achs- und Randabstände sind praxisnah und Dänemark, Deutschland und Portugal verwendet
dürfen bis auf festgelegte Mindestwerte verringert werden. Einige Mitgliedsstaaten haben weniger
werden. strenge Anforderungen an die Steifigkeit der An-
Die Zulassungsbescheide enthalten charakteris- bauteile zur Weiterleitung der Kräfte an benach-
tische Widerstände und Empfehlungen für Teilsi- barte Dübel sowie an den Schlupf der Befesti-
cherheitsbeiwerte, die zu einer Bemessung nach gungsmittel. Dies führt zu höheren Beanspruch-
den Verfahren in [EOTA 1997] bzw. [CEN/TS barkeiten und gilt insbesondere für Großbritannien,
2009] erforderlich sind. das im Falle eines Befestigungspunkts mit vier
Dübeln eine Entwurfsbeanspruchung von NEd =
Deckenabhänger 40 kN gestattet. Nach [Rößle/Eligehausen 2002]
Die Anwendung von Deckenabhängern ist in Zu- ist diese Beanspruchung bei weitem zu hoch, um
lassungen des DIBt sowie in Europäischen Tech- ein zufriedenstellendes Verhalten des befestigten
nischen Zulassungen auf der Basis von [EOTA Bauteils zu gewährleisten.
2004] geregelt. Neben den klassischen Deckenabhängern dürfen
Die Zulassungen des DIBt für Deckenabhän- auch Einschlagdübel, Betonschrauben und Setz-
ger regeln die Befestigungen leichter Unterdecken bolzen mit Vorbohrung als Deckenabhänger oder
sowie statisch vergleichbarer Konstruktionen mit für die Verwendung als Mehrfachbefestigung von
einem Flächengewicht von bis zu 1 kN/m2 in nichttragenden Systemen verwendet werden. Ein-
gerissenem und ungerissenem Beton mit einer zelheiten sind den jeweiligen Zulassungsbeschei-
Mindestfestigkeit C20/25. Die zu befestigende den zu entnehmen.
Konstruktion muss mit mehreren Dübeln ange-
schlossen werden (Mehrfachbefestigung). Beim Kunststoffdübel
Ausfall eines Deckenabhängers ist hiermit eine Für Kunststoffdübel existieren bauaufsichtliche
Lastumlagerung über die Unterkonstruktion auf Zulassungen des DIBt und Europäische Technische
benachbarte Verankerungspunkte möglich (Redun- Zulassungen auf Basis von [EOTA 2006].
danz). Das Versagen der Gesamtkonstruktion wird Die Zulassungsbescheide des DIBt regeln bis
verhindert. Die zulässigen Lasten hängen von der auf eine Ausnahme die Anwendung als Mehrfach-
Verankerungstiefe ab und betragen unabhängig befestigung zur Befestigung von Fassadenbeklei-
von der Beanspruchungsrichtung 0,3 bis 0,8 kN je dungen in überwiegend druckbeanspruchten Wän-
Dübel. den und Stützen. Diese Zulassungen erstrecken
3.9 Befestigungstechnik 1465

Abb. 3.9-25 System einer Mehrfachbefestigung, Definiti-


on von n1 und n2 – Beispiel

sich auch auf vergleichbare statische Systeme un-


ter vorwiegend ruhender Belastung, wenn die be-
festigte Konstruktion eine Lastumlagerung auf
mindestens zwei benachbarte Befestigungspunkte Abb. 3.9-26 Definition von Mehrfachbefestigungen in
ermöglicht. Die anzuschließende Konstruktion Europa – Beispiele
muss so beschaffen sein, dass bei einer Fehlboh-
rung eine Verschiebung des Verankerungspunktes
möglich ist. Für bisher ein innovatives Kunststoff- Bei Mauerwerk aus Steinen, die nicht in den
dübelsystem liegt ein Zulassungsbescheid des Zulassungsbescheiden für die Kunststoffdübel auf-
DIBt vor, der die Verwendung auch als Einzelbe- geführt sind, bei unbekanntem Untergrund und bei
festigung im gerissenen und ungerissenen Beton Befestigungen in Hohlmauerwerk mit einer größe-
sowie im Mauerwerk erlaubt. Die zulässigen Las- ren Verankerungstiefe als dem Sollwert muss die
ten nach den DIBt-Zulassungsbescheiden sind in zulässige Last aus Versuchen am Objekt ermittelt
Abhängigkeit von Ankergrund, Dübelart und -grö- werden. Die Vorgehensweise ist in den Zulassungs-
ße sowie Einbaubedingungen festgelegt. Bei Eben- bescheiden beschrieben.
heitsabweichungen des Verankerungsgrundes ist Die Europäischen Technischen Zulassungen auf
die mögliche Vergrößerung des Hebelarms der an- Basis von [EOTA 2006] gelten für Kunststoffdübel
greifenden Last beim Biegenachweis zu berück- als Mehrfachbefestigung von nichttragenden Sys-
sichtigen. Eine dauernd wirkende zentrische Zug- temen zur Verankerung im Beton und Mauerwerk.
beanspruchung der Dübel ist nicht zugelassen. Die Inhalte entsprechen sinngemäß denen der
1466 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

DIBt-Zulassungen. Allerdings enthalten die Euro- Die Bemessung erfolgt nach DIN 1045 bzw. DIN
päischen Technischen Zulassungsbescheide cha- EN 1992.
rakteristische Widerstände und Empfehlungen für Für die Verwendung von Injektionsdübeln in
Teilsicherheitsbeiwerte, die eine Bemessung nach Mauerwerk liegen Zulassungsbescheide des DIBt
dem in [EOTA 2006] festgelegten Verfahren erfor- vor, die je nach Produkt die Anwendung in Hoch-
dern. Die Auswertung der Bauwerksversuche un- lochziegeln, Vollziegeln, Kalksandloch- und -voll-
terscheidet sich ebenfalls. steinen, Hohlblocksteinen sowie Leicht-, Gas- und
Schaumbetonsteinen zulassen. Die angegebenen
zulässigen Lasten gelten für genormte Steine und
3.9.8.3 Chemische Befestigungen
richten sich nach dem Ankergrund und der Dübel-
Normale Verbunddübel mit Glas- oder Folienpat- größe. Die angegebenen Achs- und Randabstände
rone für Befestigungen in Beton sind nahezu aus- sowie Mindestbauteildicken dürfen nicht unter-
schließlich durch Europäische Technische Zulas- schritten werden. Aufgrund der Energieeinspa-
sungen nach [EOTA 1997] geregelt. Sie sind bisher rungsverordnungen werden jedoch immer neue
nur für Befestigungen im ungerissenen Beton zu- Steine entwickelt, deren Verwendung durch bau-
gelassen. Der Nachweis des ungerissenen Unter- aufsichtliche Zulassungen geregelt ist. Dies be-
grundes ist in jedem Einzelfall nach 3.9.5 zu er- dingt, dass für Mauerwerksbauten heute überwie-
bringen. gend Steine nach bauaufsichtlicher Zulassung des
Die Zulassungsbescheide regeln Einzelbefesti- DIBt verwendet werden. Für diese Steine geben
gungen und häufig noch Dübelgruppen mit zwei die Zulassungsbescheide keine zulässigen Lasten
und vier Dübeln. Nach dem Bemessungskonzept an. Diese müssen daher nach dem im Zulassungs-
in [EOTA 2007/1] sind Befestigungen mit bis zu bescheid angegebenen Verfahren über Versuche
neun Dübeln möglich. Die Achs- und Randabstän- am Bauwerk bestimmt werden. Für 2011 werden
de dürfen bis auf Mindestwerte verringert werden, die ersten Europäischen Technischen Zulassungen
wenn gleichzeitig der charakteristische Wert des nach [EOTA 2008] für Injektionsdübel in Mauer-
Widerstands im Fall der Versagensarten Heraus- werk erwartet. In diesen Zulassungsbescheiden
ziehen mit Betonausbruch sowie Betonausbruch werden vergleichsweise wenige charakteristische
nach dem im Zulassungsbescheid geforderten Be- Widerstände für Mauerwerk aus bestimmten Stei-
messungsverfahren abgemindert wird. Nach einer nen angegeben sein. Aufgrund der großen Vielfalt
Übergangszeit wird das Bemessungsverfahren von Mauerwerkssteinen in Europa enthalten diese
nach dem Konzept in [CEN/TS 2009], das im We- Zulassungen im Wesentlichen Angaben darüber, in
sentlichen [EOTA 2007/1] entspricht, in den Euro- welchen Steinarten sowie bei Lochsteinen mit wel-
päischen Technischen Zulassungen als Bemes- chem Lochbild das Injektionssystem geeignet ist,
sungskonzept gefordert werden. Lasten zuverlässig zu verankern. Charakteristische
Die Europäischen Technischen Zulassungsbe- Widerstände sind nur für wenige Steinarten ange-
scheide von Verbundspreiz- und Verbundhinter- geben. Daher sind die charakteristischen Wider-
schnittdübeln zur Verwendung im ungerissenen stände i. d. R. über das im Zulassungsbescheid an-
und gerissenen Beton basieren hinsichtlich der An- gegebene Verfahren durch Versuche am Bauwerk
wendungsbedingungen und der Bemessung auf zu bestimmen.
demselben Konzept wie risstaugliche drehmo-
mentkontrolliert spreizende Dübel und Hinter-
3.9.8.4 Setzbolzen
schnittdübel.
Die Anwendung von Injektionsmörteln zur Ver- Setzbolzen mit Vorbohrung sind als Deckenabhän-
wendung als Verankerung von Bewehrungsstäben ger zur Befestigung leichter Unterdecken sowie
in Betonbauteilen sowie die zur Bemessung und statisch vergleichbarer Konstruktionen mit einem
Montage erforderliche Qualifikation des Fachper- Flächengewicht bis 1,0 kN/m2 bauaufsichtlich
sonals bzw. Fachbetriebs ist durch bauaufsichtlich zugelassen. Die zulässige Last je Befestigungs-
Zulassungen des DIBt sowie Europäische Tech- punkt beträgt je nach Verankerungstiefe 0,3 bzw.
nische Zulassungen nach [EOTA 2007/2] geregelt. 0,5 kN.
3.9 Befestigungstechnik 1467

3.9.8.5 Weitere Entwicklung der Zulassungen Vielzahl unterschiedlicher Befestigungssysteme,


Die nationalen Zulassungsbescheide des DIBt für Be- die wiederum unterschiedliche Montageverfahren
festigungsmittel in häufig vorkommenden Anwen- aufweisen, die sie für eine fachgerechte Montage
dungen wurden und werden sukzessive durch Euro- beachten müssen, gegenübergestellt. Für manchen
päische Technische Zulassungsbescheide ersetzt. Anwender sind die Vielfalt an Befestigungsmitteln
Gleichzeitig befinden sich die Zulassungsleitlinien und die zugehörigen Zulassungsbescheide kaum
der [EOTA 1997] in einer ständigen Überarbeitung überschaubar. Dies führt teilweise zu Verwirrung
und Ausdehnung auf weitere Anwendungsgebiete. und Unsicherheit bei den Anwendern, und es besteht
Hierfür seien stellvertretend der Einsatz von Befesti- die Möglichkeit einer fehlerhaften Anwendung.
gungsmitteln unter seismischen Einwirkungen oder Dies bedeutet, dass zur Sicherstellung eines
Befestigungsmittel unter vorwiegend nicht ruhenden fachgerechten Einsatzes von Befestigungsmitteln
Beanspruchungen, für die es bereits Zulassungsbe- auf der Baustelle von Planern und Monteuren im-
scheide des DIBt gibt, genannt. Für beide Anwen- mer mehr Spezialwissen zur Funktionsweise von
dungsgebiete existiert in [CEN/TS 2009] bereits ein Befestigungssystemen, deren Bemessung und
Bemessungsverfahren. Mit derVerabschiedung dieser Montage gefordert ist.
Zulassungsleitlinien ist mittelfristig zu rechnen, so Zur Realisierung des qualifizierten Einsatzes
dass dann für die Bemessungsverfahren auch Pro- moderner Befestigungstechnik sollte zunächst fol-
dukte mit Europäischer Technischer Zulassung zur gende Frage beantwortet werden: Welche Art von
Verfügung stehen. Befestigungsmittel ist für die Lösung meines Be-
Insgesamt ist festzustellen, dass sich der durch festigungsproblems am besten geeignet?
Zulassungsbescheide geregelte Anwendungsbe- Die zweite Frage ist: Wie kann ich die Leis-
reich von Befestigungsmitteln zur sicheren und tungsfähigkeit des Befestigungsmittels bestmög-
wirtschaftlichen Problemlösung noch weiter aus- lich ausnutzen?
dehnen wird. Dies wird die Verwender vor neue Mit diesen Fragestellungen setzen sich im We-
Herausforderungen hinsichtlich der Auswahl, Pla- sentlichen der Planer und der Ingenieur auseinan-
nung, Bemessung und Montage von Befestigungs- der und entwerfen auf dieser Basis den Befesti-
mitteln stellen. gungspunkt. Die beste Dübelauswahl und sorgfäl-
tigste Entwurfsmethode nützen jedoch nichts,
wenn das Befestigungsmittel nicht zuverlässig
3.9.9 Planung, Bemessung funktioniert oder nicht richtig montiert ist
und Montage (Abb. 3.9-27).
Die nationalen und europäischen Zulassungsbe-
Die Befestigungstechnikindustrie als eine der inno- scheide setzen als selbstverständlich voraus, dass
vativsten Branchen hat in den vergangenen Jahren Befestigungsmittel, die hohe Lasten übertragen
eine große Anzahl von Produkten mit dem Ziel ent- sollen und in sicherheitsrelevanten Anwendungen
wickelt, die Planung, die Bemessung und das Ver- verwendet werden, von erfahrenen Personen ge-
stärken von Beton- und Mauerwerkskonstruktionen plant und bemessen werden. Nachvollziehbare
flexibler zu gestalten. Das Verständnis des Trag- Berechnungen und Zeichnungen sind zu erstellen.
verhaltens dieser Befestigungsmittel, die Art der Weiterhin wird gefordert, dass die Dübelmontage
Anwendungsgebiete, die baurechtlichen Randbe- durch geschulte und erfahrene Monteure, mög-
dingungen, Bemessungsmethoden und Montage- lichst geschulte Befestigungstechniker, erfolgt.
verfahren haben in den letzten dreißig Jahren ent- Denn zuverlässige Verbindungen, basierend auf
scheidende Fortschritte gemacht und sich gerade im zuverlässigen Befestigungsmitteln und rechne-
Zuge der europäischen Harmonisierungsbestrebun- rischen Nachweisen, können nur durch die Zusam-
gen sehr stark weiterentwickelt und verändert. menarbeit der bei der Lösung einer Befestigungs-
Obwohl Dübel in großen Stückzahlen täglich aufgabe vor Ort Beteiligten erreicht werden: Planer
eingebaut werden, ist das Verständnis der Bemes- und Monteur.
sungsmethoden bei den Planern häufig sehr einge- Um das Allgemeinwissen von Planern und
schränkt. Zudem sehen sich die Monteure mit einer Monteuren in der Befestigungstechnik zu verbes-
1468 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Abb. 3.9-27 Erfolgsfaktoren für sichere Befestigungen mit Dübeln

sern, wurden Seminare mit unterschiedlicher Ziel- Schulung von Monteuren von
richtung entwickelt. Befestigungsmitteln
Die richtige Montage von Befestigungsmitteln ist
Schulung von Ingenieuren und Planern die Grundvoraussetzung für sichere Befestigungen.
Die Schulung von Ingenieuren und Planern begin- Aus diesem Grund sehen die Zulassungsbescheide
nt bei der Ausbildung. Die gestrafften Studienplä- für nachträglich eingemörtelte Bewehrungsstäbe
ne lassen umfangreichere Vorlesungen zum Thema bereits heute eine eintägige Schulung inklusive ei-
Befestigungstechnik jedoch lediglich an den Uni- ner Prüfung des Baustellenfachpersonals durch
versitäten in Stuttgart und Karlsruhe zu. Vorle- eine vom Deutschen Institut für Bautechnik in
sungen zur Vermittlung eines Überblicks über die Berlin anerkannte unabhängige Prüfstelle vor.
Befestigungstechnik haben inzwischen vereinzelt Bisher gibt es allerdings noch keine gesetz-
auch weitere Hochschulen eingeführt. lichen Verordnungen hinsichtlich der Berechtigung
Für Ingenieure und Planer, die mitten im Be- zur Durchführung von Befestigungsarbeiten mit
rufsleben stehen, werden durch Weiterbildungs- Einlegeteilen oder mit Dübeln. Unbestritten ist je-
akademien in regelmäßigen Abständen Befesti- doch, dass qualifizierte „Befestigungstechniker“
gungstechnikseminare durchgeführt. Des Weiteren für die sichere und wirtschaftliche Ausführung von
bieten Befestigungstechnikfirmen Seminare für Befestigungen sorgen sollen.
Ingenieure an, in denen aktuelle Vorschriften und Alle führenden Hersteller von Befestigungsmit-
Befestigungsmittel präsentiert sowie Broschüren teln führen Schulungen für die Monteure, d. h. die
und Software zu deren Auswahl und Bemessung reinen Anwender auf der Baustelle, in Berufsschu-
erklärt werden. Teilweise behandeln diese Schu- len, Handwerkskammern und auch in eigenen
lungen auch ganz gezielt Anwendungsgebiete, in Schulungszentren und Akademien durch. Sie bie-
denen Aktualisierungsbedarf gegeben ist. ten nach nicht einheitlich festgelegten Lehrplänen
Die Befestigungstechnikindustrie ist eine der produkt- und anwendungsbezogene Schulungen
innovativsten Branchen. Bemessungsverfahren von zumeist nur einem Tag an, die i. d. R. mit einer
und Zulassungsbescheide werden ständig – und Teilnahmebestätigung durch den jeweiligen Her-
zwar nicht nur für neue, sondern auch für beste- steller abgeschlossen werden.
hende Produkte – weiterentwickelt. Deshalb soll- Eine über das übliche Maß hinausgehende Mon-
ten sich Ingenieure und Planer regelmäßig über teurschulung stellt die 2003 begonnene Qualifizie-
Änderungen und Verbesserungen informieren bzw. rung zum „Zertifizierten Befestigungstechniker“
durch die Befestigungstechnikfirmen informiert dar. Hier haben sich die Universität Stuttgart und
werden. Aktuelle Informationen sind i. d. R. auf ein namhafter Hersteller von Befestigungsmitteln
den Homepages der Firmen zu finden. gemeinsam in Inhalt, Ablauf und Anforderungen
3.9 Befestigungstechnik 1469

des Schulungskonzepts eng an der Verwirklichung Ausbildung zur Montage von nachträglichen
der Grundidee einer nachgewiesenen Ausbildung Bewehrungsanschlüssen
mit Prüfung von neutraler Stelle, wie sie bereits Anwendungsfälle, wie das nachträgliche Befesti-
bei den nachträglichen Bewehrungsanschlüssen gen vergessener Bewehrungsstäbe im Bauteil oder
umgesetzt wurde, orientiert. das nachträgliche Einbringen von Zusatz- und
Der Lehrplan für die 2½-tägigen Schulungen Anschlussbewehrungen bei Um- und Anbauten,
wurde von der Universität Stuttgart ausgearbeitet waren über viele Jahre hinweg ein nicht geregeltes
und beinhaltet je etwa zur Hälfte Schulungsanteile Gebiet. Die Konsequenzen, die aus einer fehler-
von Theorie und Praxis. Neben Grundlagenwissen haften Anwendung entstehen, können sehr schwer-
der Befestigungstechnik werden Zulassungen und wiegend sein. Daher haben die Zulassungsleitlinien
Vorschriften zu den bauaufsichtlich relevanten Be- in diesem Fall nicht nur die prinzipielle Eignung
festigungssystemen dieses einen Herstellers für des Verankerungsmittels, sondern zum ersten Mal
eine Vielzahl von Anwendungen in Beton und auch der Ausführenden festgelegt.
Mauerwerk erläutert. Weiterhin müssen die Semi- Die Zulassungen für Produkte zur Erstellung
narteilnehmer zur Übung des sicheren Umgangs von bauaufsichtlich relevanten nachträglichen Be-
mit Befestigungssystemen und Bohrwerkzeugen wehrungsanschlüssen setzen voraus, dass nach-
fachgerechte Dübelmontagen in gerissenem und träglich eingemörtelte Bewehrungen nur von Be-
ungerissenem Beton sowie Mauerwerk durchfüh- trieben mit gültigem Eignungsnachweis durch
ren. Mit fehlerhaft und richtig gesetzten Dübeln Baustellenfachpersonal mit Bestätigung ausgeführt
werden Versuche durchgeführt, so dass die Konse- werden dürfen.
quenzen fehlerhafter Ausführung den Teilnehmern Die Eignung des Betriebs wird durch eine vom
sofort vor Augen geführt werden. DIBt anerkannte unabhängige Stelle überprüft und
Zum Abschluss des Lehrgangs prüft die Univer- vom DIBt widerruflich für drei Jahre erteilt. Der
sität Stuttgart als neutrale Stelle die erarbeiteten Betrieb muss nachweisen, dass er qualifiziert ge-
Inhalte bei den Teilnehmern. Bei erfolgreichem führt wird und über Mitarbeiter mit ausreichenden
Abschluss erhalten die Teilnehmer den Titel „Zer- Kenntnissen im Stahlbetonbau sowie Bauleiter und
tifizierter Befestigungstechniker“, was mit einem Baustellenfachpersonal mit Bestätigung der er-
Zertifikat bestätigt wird. Dieses Zertifikat doku- folgreichen Teilnahme an einer Schulung zur Mon-
mentiert, dass die Absolventen des Lehrgangs tage nachträglicher Bewehrungsanschlüsse sowie
fachlich dazu in der Lage sind, Befestigungsmittel die zur Montage erforderliche Ausrüstung verfügt.
des Herstellers qualifiziert auszuwählen, korrekt In eintägigen Schulungen mit einheitlich fest-
anzuwenden und zu montieren. Die Gültigkeit be- gelegtem Lehrplan, die von den Herstellern der
trägt drei Jahre. Aufgrund des schnellen Wandels Befestigungssysteme angeboten werden, wird der
und des hohen Innovationspotenzials in der Befes- sichere Umgang mit den aufeinander abgestimm-
tigungstechnik ist nach Ablauf dieser Zeit ein Auf- ten Montage- und Injektionswerkzeugen sowie den
frischungslehrgang mit erneuter Prüfung zu absol- Auspressgeräten durch Referate und praktische
vieren. Anwendungen vermittelt. Weiterhin werden häufig
Es wäre wünschenswert, wenn im Sinne der in der Praxis auftretende Fehler und deren Konse-
weiteren Verbesserung der Sicherheit in der Befes- quenzen aufgezeigt. Die Schulung wird durch eine
tigungstechnik das Ausbildungskonzept für „Zerti- theoretische und praktische Qualifizierungsprü-
fizierte Befestigungstechniker“ auch von anderen fung des Baustellenfachpersonals vor einer vom
Herstellern von Befestigungsmitteln übernommen DIBt anerkannten unabhängigen Stelle abgeschlos-
werden würde. Damit wäre dann von Herstellersei- sen.
te aus ein Qualitätssiegel im Hinblick auf die Be- Damit sind für Architekten und Tragwerkspla-
rechtigung zur Durchführung von Befestigungsar- ner nur noch Betriebe mit Eignungsnachweis An-
beiten geschaffen. sprechpartner für die Ausführung bauaufsichtlich
relevanter nachträglicher Bewehrungsanschlüsse.
1470 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

3.9.10 Zusammenfassung Literaturverzeichnis Kap. 3.9


Asmus J (1998) Bemessung von zugbeanspruchten Befesti-
Die Befestigungstechnik leistet einen unentbehr- gungen bei der Versagensart Spalten des Betons. Dis-
lichen Beitrag zum wirtschaftlichen Bauen. Sie ge- sertation. Univ. Stuttgart
währleistet bei sachgemäßer Anwendung die si- Bereiter R (1986) Befestigungen mit Setzbolzen. In: Ta-
chere und dauerhafte Eintragung von hohen Lasten gungsband zur Vortragsreihe Befestigungstechnik. Haus
in Beton und Mauerwerk. Bei der Befestigung in der Technik, Essen
Betonbauteilen sollte der Beton im Regelfall als Bode H, Hanenkamp W (1985) Zur Tragfähigkeit von
gerissen angenommen werden. Kopfbolzen bei Zugbeanspruchung. Bauingenieur 60
(1985) S 361–367
Aufgabe des Ingenieurs ist es, das für den jeweili-
Cook RA , Kunz J et al. (1998) Behavior and design of
gen Ankergrund und den jeweiligen Anwendungsfall single adhesive anchors under tensile load in uncracked
optimale Befestigungselement auszuwählen, die Be- concrete. ACI Structural J. 95 (1998) 1, pp 9–26
festigung zu bemessen und für eine vorschriftsmäßige DIBt (1993) Bemessungsverfahren für Dübel zur Verankerung
Montage Sorge zu tragen. Dazu gehört, dass sich die in Beton. Hrsg: Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin
Verwender, d. h. die Planer, Ingenieure und Monteure, Eligehausen R (1990) Bemessung von Befestigungen in
regelmäßig auf den Stand des Wissens zu neuen Pro- Beton mit Teilsicherheitsbeiwerten. Bauingenieur 65
dukten und Vorschriften in diesem innovativen Seg- (1990) S 295–305
ment des Bauwesens informieren. Dazu sind u. a. Se- Eligehausen R, Balogh T (1995) Behavior of fasteners
loaded in tension in cracked reinforced concrete. ACI
minare und Schulungen, die von den Herstellern von
Structural J. 92 (1995) 3, pp 365–379
Befestigungsmitteln angeboten werden, hilfreich. Eligehausen R, Meszaros R (1992) Zusammenfassender
Allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen geben Bericht über Überprüfungen von Dübeln auf Baustel-
Auskunft über Eignung und Funktionsfähigkeit von len. Bericht M655/08-93/32. Institut für Werkstoffe im
Befestigungssystemen und enthalten verbindliche Bauwesen, Univ. Stuttgart
Vorschriften für die Befestigung bauaufsichtlich re- Eligehausen R, Mallée R, Rehm G (1997) Befestigungs-
levanter tragender Konstruktionen. Dies vereinfacht technik. In: Betonkalender 1997, Bd II. Ernst u. Sohn,
die Anwendung, zumal einige Hersteller von Befes- Berlin, S 597–715
tigungsmitteln die Auswahl und Bemessung auf Eligehausen R, Mallée R, Rehm, G (2000) Befestigungs-
technik im Beton- und Mauerwerkbau. Ernst & Sohn,
Grundlage der Zulassungsbescheide durch leis-
Berlin
tungsfähige Computerprogramme unterstützen. Eligehausen R, Mallée R, Silva JF (2006) Anchorage in
Zur Vermeidung von Fehlern bei Planung, Aus- Concrete Construction. Ernst & Sohn, Berlin
führung und Nutzung von Befestigungsmitteln ist es Eligehausen R, Fuchs W u. a. (1989) Befestigungen in der
erforderlich, die Zulassungsinhalte genau zu verste- Betonzugzone. Beton- u. Stahlbetonbau 84 (1989) 2,
hen. Mit diesem Beitrag sollte lediglich ein Abriss S 27–32; 3, S 71–74
über die vorhandenen Befestigungsmittel, deren Eligehausen R, Fuchs W u. a. (1992) Tragverhalten von
Funktionsweise und Tragverhalten in Voll- und Kopfbolzenverankerungen bei zentrischer Zugbean-
Hohlmauerwerk, gerissenem und ungerissenem Be- spruchung. Bauingenieur 67 (1992) S 183–196
EOTA (1997) Leitlinie für die europäische technische Zu-
ton gegeben werden. Ferner sollten die Grundprin-
lassung für Metalldübel zur Verankerung im Beton,
zipien der Regelwerke dargelegt werden. Weitaus 1997; novelliert November 2006. ETAG 001, T 1–5,
tiefer gehende Informationen, gerade zu besonderen Anhang A bis C
Anwendungsproblemen, sind in [Eligehausen u. a. EOTA (2002) Leitlinie für die europäische technische Zulas-
2006] zu finden oder über die Anwendungstechnik- sung für Metalldübel zur Verankerung im Beton; ETAG
Berater der Hersteller zu erhalten. 001, T 5 Verbunddübel, novelliert November 2006
EOTA (2004) Leitlinie für die europäische technische Zulas-
Abkürzungen zu 3.9 sung für Metalldübel zur Verankerung im Beton; ETAG
001, T 6, Metalldübel für die Verwendung als Mehrfach-
DIBt Deutsches Institut für Bautechnik befestigung von nichttragenden Systemen, 2004
EOTA European Organisation for Technical Appro- EOTA (2006) Leitlinie für die europäische technische Zu-
vals lassung; ETAG 020, Kunststoffdübel als Mehrfachbefes-
ETA Europäische Technische Zulassung tigung von nichttragenden Systemen zur Verankerung
fib Fédération Internationale du Béton im Beton und Mauerwerk, 2006
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion 1471

EOTA (2007/1) Bemessung von Verbunddübeln; TR 029, 3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion


2007
EOTA (2007/2 Bewehrungsanschlüsse mit nachträglich Rolf Katzenbach, Konrad Zilch und
eingemörtelten Bewehrungsstäben; TR 023, 2007 Christian Moormann
EOTA (2008) Leitlinie für die europäische technische Zu-
lassung; ETAG 020, Injektionsdübel aus Metall zur
Verwendung im Mauerwerk, 2008 3.10.1 Einführung
fib (2011) Design of Anchorage in Concrete. P 1–5 Lausan-
ne 2011 Da jedes Bauwerk im bzw. auf dem Baugrund ge-
Fuchs W, Eligehausen R (1995) Das CC-Verfahren für die gründet und vom Baugrund getragen wird, bein-
Berechnung der Betonausbruchlast von Verankerungen. haltet jede Baumaßnahme auch die Baugrund-
Beton- und Stahlbetonbau 90 (1995) 1, S 6–9; 2, S 38– Tragwerk-Interaktion. Aus diesem Grund kommt
44; 3, S 73–76 der Berücksichtigung und der zutreffenden Model-
Fuchs W, Eligehausen R, Breen JE (1995) Concrete capac- lierung dieser Interaktionswirkung eine zentrale
ity design (CCD) approach for fastening to concrete.
Bedeutung an der Schnittstelle zwischen Trag-
ACI Structural J. 92 (1995) 1, pp 73–94
Furche J (1994) Zum Trag- und Verschiebungsverhalten werkplanung und Geotechnik zu.
von Kopfbolzen bei zentrischem Zug. Dissertation. Eine vollständige Analyse des i. Allg. dreidi-
Mitteilungen, Heft 2. Institut für Werkstoffe im Bauwe- mensionalen und zudem zeitvarianten Interaktions-
sen, Univ. Stuttgart problems erfordert
Furche J, Eligehausen R (1992) Lateral blow-out failure of
headed studs near the free edge. ACI Special Publicati- – eine Modellierung des Tragwerks und dessen
on SP 103. ACI, Detroit (USA), pp 235–252 mechanischen Verhaltens,
IfBt (1977) Merkblatt über Kennwerte zur Gütesicherung – eine Modellierung des Baugrunds und des me-
von Hammerbohrern mit Schneidplatten aus Hartmetall, chanischen Verhaltens des Mehrphasenmedi-
die zur Herstellung der Bohrlöcher von Dübelverbindun- ums Bodens sowie
gen verwendet werden. Institut für Bautechnik, Berlin – eine Beschreibung des Kontaktverhaltens zwi-
Kunz J, Cook RA u. a. (1998) Tragverhalten und Bemes- schen Boden und Bauwerk.
sung von chemischen Befestigungen. Beton- und Stahl-
betonbau 93 (1998) 1, S 15–19; 2, S 44–49 Für die Praxis ist wichtig, ob das i. d. R. schwierige
Lehmann R (1994) Tragverhalten von Metallspreizdübeln dreidimensionale Problem durch ein einfacheres
im gerissenen und ungerissenen Beton bei der Versa- zwei- oder gar eindimensionales Problem ersetzt
gensart Herausziehen. Dissertation. Mitteilungen, Heft werden kann und ob ggf. Vereinfachungen bezüg-
3. Institut für Werkstoffe im Bauwesen, Univ. Stuttgart lich des Materialverhaltens und der Modellierung
Patzak M (1979) Zur Frage der Sicherheit von Setzbolzen-
möglich sind. Ferner ist die Klärung des Einflusses
befestigungen in Betonbauteilen. Betonwerk+Fertigteil
technik (1979) 5, S 308–314
der zeitvarianten Änderung von Materialeigen-
Ramm W, Greiner U (1991) Verankerungen mit Kopfbol- schaften auf die Baugrund-Tragwerk-Interaktion im
zen – randnahe Verankerungen unter Querzugbeanspru- Hinblick auf die zutreffende Bemessung und die
chung und unter zentrischer Zugbeanspruchung. For- Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit von Trag-
schungsbericht. Fachgebiet Massivbau und Baukon- werk und Gründung von maßgebender Bedeutung.
struktion, Univ. Kaiserslautern Häufig werden die Teilsysteme Baugrund und
Rößle M, Eligehausen R (2002) Multiple fastenings to con- Tragwerk unabhängig voneinander behandelt. Damit
crete, IWB, Universität Stuttgart, Report No. 02/17- wird der Einfluss der Verformungen aus der Grün-
3/16a
dung auf das Tragwerk nicht berücksichtigt und bei
Normen der Bemessung der einzelnen Tragglieder vernachläs-
sigt, was zu Bauwerkschäden bzw. Einschränkungen
DIN 1045: Beton und Stahlbeton; Bemessung und Ausfüh-
in der Nutzung führen kann. Um dies zu vermeiden,
rung (2008)
DIN EN 1992: Eurocode 2, Planung von Stahlbeton- und
wird in einigen Fällen – z. B. bei Fundamentplatten,
Spannbetonbauwerken. Teil 1: Grundlagen und Anwen- aber auch bei der Bemessung von Brückenüberbauten
dungsregeln für den Hochbau (2004) (der Begriff „Überbau“ im Brückenbau entspricht
CEN/TS 1992-4: Bemessung von Befestigungen für die dem Begriff „Tragwerk“ im Hochbau) – der Einfluss
Verwendung in Beton. T. 1–4 (2009) der Verformungen des Untergrunds auf den Bean-
1472 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

spruchungszustand von Teilen der aufgehenden Kon-


struktion z. T. durch pauschale, in Vorschriften festge-
legte Regeln vereinfachend berücksichtigt.
Bei der Bemessung werden unterschiedliche, auf
den verschiedensten Modellbildungen basierende
Näherungslösungen zur Erfassung der Baugrund-
Tragwerk-Interaktion verwendet. Der Baugrund ist
dabei nicht nur stützendes oder nur belastendes Ele-
ment, sondern er bildet zusammen mit den anderen
Werkstoffen ein Verbundtragsystem. So verursachen
beim Nachweis der Tragfähigkeit die Einwirkungen
aus dem Bauwerk häufig den maßgebenden Grenz- Abb. 3.10-1 Idealisierung des realen Tragverhaltens
zustand im Baugrund (z. B. Grundbruch), während
beim Nachweis der Gebrauchstauglichkeit Set- chungsniveau und der Einwirkungsgeschwindig-
zungsdifferenzen im Baugrund einen Grenzzustand keit, also von der Belastungsgeschichte abhängige
im Tragwerk hervorrufen können. nichtlineare Werkstoffverhalten des Baugrunds
Der Baugrund ist Teil des statischen Systems; und des Tragwerks unter Berücksichtigung von
er kann aufgrund seines Eigengewichts jedoch viskosen Effekten und Kontaktverhalten abgebil-
auch zur Beanspruchung für das Bauwerk werden. det werden. Hierzu finden sich in 4.3 (Grundbau,
Daher ist es sinnvoll, zwei Typen von Bauwerken Baugruben und Gründungen), 3.3 (Massivbau),
zu unterscheiden: 3.4 (Stahlbau), 3.7 (Holzbau), 3.6 (Mauerwerk)
und 3.5 (Verbundbau) nähere Angaben.
– Gründungen, die vom Baugrund unterstützt wer-
In der Praxis wird das reale Materialverhalten
den, und
i. Allg. durch vereinfachte Modelle auf der Grund-
– Stützbauwerke, die den Baugrund unterstützen
lage der Elastizitätstheorie bzw. der Plastizitäts-
(z. B. Stützwände, Baugrubenverbaue, Tunnel-
theorie idealisiert (Abb. 3.10-1). Die Eignung die-
schalen).
ser Modelle ist von der Höhe der Beanspruchungen
Zusätzlich zur mechanischen Modellierung muss der Materialien abhängig, die im Baugrund und im
das Sicherheitskonzept integriert werden. Die ak- Tragwerk meist unterschiedlich sind.
tuellen Normen des Grundbaus und der Tragwerk-
planung unterscheiden sich in den geforderten
3.10.2.2 Zeitabhängige Effekte
Nachweisen der Grenzzustände der Tragfähigkeit
und der Gebrauchstauglichkeit. Für eine schlüssige Die Baugrund-Tragwerk-Interaktion ist durch die
Betrachtung der Baugrund-Tragwerk-Interaktion Vierdimensionalität der Problemstellung geprägt.
sind diese bisher nur bedingt kompatibel. Zeitvariante räumliche Strukturen müssen unter zeit-
varianten Einwirkungen abgebildet werden. Systeme
mit veränderlicher Gliederung entstehen bei jedem
3.10.2 Grundlagen zum Tragwerk, so bei Hochbaukonstruktionen durch
Materialverhalten
– sukzessive Struktur- und Laständerungen,
3.10.2.1 Idealisierung des realen – Steifigkeitsänderungen und
Tragverhaltens – Schwerpunktverlagerungen
Im Gesamtsystem müssen die Eigenschaften des sowie in einem noch offensichtlicheren Maße bei
Baugrunds als Kontinuum und des i. d. R. statisch Baugruben und Gründungen durch
unbestimmten Tragwerks zusammengeführt wer-
– den sukzessiven Aushub bzw. Abbruch und
den. Eine Beschreibung der Interaktion setzt daher
– den sukzessiven Einbau von Sicherungsmitteln.
eine zutreffende Erfassung des Materialverhaltens
von Baugrund und Tragwerk voraus. Dabei müssen Während des Bauablaufs entstehen also sich än-
insbesondere das elastoplastische, vom Beanspru- dernde statische Systeme und sich ändernde innere
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion 1473

schaften. In einer Fundamentplatte aus Beton kann


es infolge des Hydratationsprozesses durch Schwin-
den oder Vorspannung zu einer Interaktion mit dem
Baugrund kommen. Aus diesen Zwangsbeanspru-
chungen können rissverursachende Schnittgrößen
resultieren. Zwängungen können mittels Kriechens
abgebaut werden.

3.10.2.3 Streuung der Materialeigenschaften


Um ein ausreichendes Sicherheitsniveau zu errei-
chen, muss bei der Planung von Tragwerken die
Streuung der Materialeigenschaften berücksichtigt
werden. Die statistische Streuung der Material-
kennwerte künstlicher, werkmäßig und güteüber-
wacht hergestellter Baustoffe mit definierter Zu-
sammensetzung wie Beton oder Stahl lassen sich
experimentell hinreichend genau ermitteln.
Baugrund ist hingegen der im Bauwesen einge-
setzte Werkstoff, über den zu Beginn der Planungs-
phase einer baulichen Anlage im Vergleich zu den
Abb. 3.10-2 Entwicklung der Setzung während der Bau- übrigen im Bauwesen verwendeten Werkstoffen
zeit; spannungswirksame Setzungen die weitaus geringsten Informationen hinsichtlich
seiner Zusammensetzung und seines mechanischen
Verhaltens zur Verfügung stehen. Auf der anderen
Kräfte im Tragwerk. Ein betrachtetes Bauteil (z. B. Seite haben der Baugrund und das im Baugrund
eine Trennwand) erfährt durch die von einem da- vorhandene Grundwasser entscheidenden Einfluss
nach eingebauten Bauteil erzeugte Setzung eine auf die Standsicherheit und die Gebrauchstaug-
Zwangsbeanspruchung; die bereits eingetretenen lichkeit eines jeden Bauwerks.
Setzungen der vorangegangenen Bauphasen sind für Im Massivbau und im Stahlbau werden die Ma-
dieses Bauteil nicht mehr relevant (Abb. 3.10-2). terialeigenschaften im Laufe des Entwurfs- und
Schadenverursachend im Bauwerk sind nicht die Bemessungsprozesses spezifiziert. In der Geotech-
absoluten Beträge der sich einstellenden Set- nik ist es umgekehrt: Hier müssen die Materialei-
zungen, sondern die auftretenden Setzungsdiffe- genschaften zu Beginn des Entwurfs- und Bemes-
renzen in der Gründungsfläche oder zwischen den sungsprozesses, quasi im ersten Arbeitsschritt,
einzelnen Gründungen. durch Feld- und Laboruntersuchungen ermittelt
Für eine wirklichkeitsnahe Betrachtung der werden. Die Materialeigenschaften des Baugrunds
Baugrund-Tragwerk-Interaktion müssen zudem sind zu bestimmende Eingangsdaten des Entwurfs
zeitliche Änderungen des Materialverhaltens, und und müssen für jedes einzelne Bauvorhaben ge-
zwar sowohl des Baugrunds als auch der verwen- sondert bestimmt werden.
deten Baustoffe, erfasst werden. Beim Boden ge- Die Notwendigkeit von projektbezogenen geo-
hören hierzu Konsolidierungsvorgänge mit dem technischen Untersuchungen ist in Eurocode 7 Â
Abbau von Porenwasserüberdrücken oder -unter- Teil 2 sowie ergänzenden deutschen Normen gere-
drücken und Kriechvorgänge, die bei bindigen Bö- gelt; die Ausführung von Baumaßnahmen ohne
den (z. B. Tonen) mehrere Jahre dauern können. vorherige bzw. baubegleitende geotechnische Un-
Bei Baustoffen des Tragwerks (z. B. Beton) zäh- tersuchungen verstößt gegen die anerkannten Re-
len Hydratationsvorgänge mit den damit verbunde- geln der Technik. Dem normativ vorgeschriebenen
nen thermischen Prozessen sowie Schwinden und sorgfältigen Recherchieren und Auswerten der ge-
Kriechen zu den zeitvarianten Materialeigen- otechnischen Informationen u. a. in Form von Er-
1474 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

gebnissen von Feld- und Laborversuchen folgt die


Festlegung der für die Baumaßnahme maßge-
benden Baugrundeigenschaften und Baugrund-
kennwerte durch den als Sachverständigen für
Geotechnik tätigen Bauingenieur.
Die Ermittlung der Eigenschaften des Baugrunds
und der Grundwassersituation ist dabei in der Pra-
xis stets eng verknüpft mit zwei Problemen:
– Die Erkundung des Baugrunds kann stets nur
punktuell durch Bohrungen oder Sondierungen
erfolgen. Art und Umfang der Baugrunderkun-
dung sind dabei von einem Sachverständigen für
Geotechnik festzulegen. Sowohl Erkundungsboh- Abb. 3.10-3 Einfluss der Baugrundsteifigkeit auf die Schnitt-
rungen als auch Sondierungen können eindeutige größen einer Bogenbrücke unter Last- und Zwangsbeanspru-
chung
Informationen über die Baugrundeigenschaften
nur punktuell begrenzt für den Bohr- oder Son-
dieransatzpunkt und nur bis zu der erkundeten
würde sich hierbei die Anwendung entsprechender
Tiefe liefern. Aus den punktuellen direkten
mathematisch-statistischer Überlegungen zumindest
Aufschlüssen muss auf die räumliche Verteilung
anbieten und konform gehen mit dem probabilis-
der Baugrundeigenschaften geschlossen werden.
tischen Sicherheitskonzept [Gudehus 1968].
Für die zwischen den Aufschlüssen liegenden
Im Regelfall stellt der Sachverständige für Erd-
Bereiche sind nur Wahrscheinlichkeitsaussagen
und Grundbau die versuchstechnisch ermittelten
möglich.
Kennwerte den Erfahrungen mit dieser Bodenart
– Die Eigenschaften des Baugrunds, beispielswei-
gegenüber und vergleicht sie mit den bisher zur
se seine mechanischen Kennwerte der Steifigkeit
Verfügung stehenden Informationen. Neben der
oder der Scherfestigkeit, können mittels Labor-
direkten Bestimmung von Bodenkennwerten aus
versuchen nur an einer begrenzten Anzahl von
Feld- und Laborversuchen ist die Rückrechnung
Proben bestimmt werden, die wiederum den
von ausgeführten geotechnischen Verbundkons-
punktuellen Baugrundaufschlüssen entnommen
truktionen, deren Tragverhalten messtechnisch
werden. Die Versuchsergebnisse weisen, selek-
beobachtet und dokumentiert worden ist, eine we-
tiert nach den einzelnen Baugrundschichten, eine
sentliche Verfahrensweise zur deduktiven Ermitt-
Streuung auf, die aus der Inhomogenität des
lung maßgebender Bodenkennwerte, dies insbe-
Baugrunds sowie aus den der Probenentnahme
sondere bei heterogenen Böden wie dem Frank-
und der Versuchsdurchführung zugrundelie-
furter Ton bzw. dem Münchner Flinzmergel.
genden Randbedingungen resultiert.
Bei der Planung komplexer Tragwerke ist in je-
In Konsequenz stellen die auf diese Weise mittels dem Fall deren Empfindlichkeit auf die Streuung
Erkundungsmaßnahmen und Laborversuchen für der Baugrundparameter zu untersuchen. Abhängig
eine Bodenschicht erhaltenen Versuchsergebnisse von der Bemessungssituation kann der Ansatz unte-
eine Stichprobe mit begrenztem Umfang aus einer rer bzw. oberer Grenzwerte der Baugrundsteifig-
örtlich (Baustelle) begrenzten Menge einer Bodenart keiten zu ungünstigeren Beanspruchungen für das
(= Grundgesamtheit) dar. Der Umfang der Stichprobe Tragwerk führen als der Ansatz von Mittelwerten.
ist aus Zeit- und Kostengründen i. d. R. sehr klein. Ein Beispiel hierfür ist die in Abb. 3.10-3 darge-
Der Bauingenieur, hier der Sachverständige für stellte Bogenbrücke. Während eine steifere Bettung
Erd- und Grundbau, steht vor der Aufgabe, auf der Widerlager unter Last (g+q) zu einer Reduktion
Grundlage dieser Stichprobe die der Bemessung, d. h. der Beanspruchungen im Bogen führt, nehmen die
den geotechnischen Nachweisen, zugrunde zu legen- aus einer Verformungsbehinderung aus Temperatur-
den bodenmechanischen Kennwerte zu bestimmen. beanspruchung ('T) oder Schwinden hervorgeru-
Wegen der „stochastischen Natur“ des Baugrunds fenen Spannungen zu.
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion 1475

3.10.3 Gründungen und Stützbauwerke damit zu einer Umlagerung der Sohlspannungen.


Die Tragfähigkeit ist dann im wesentlichen durch
die Rotationsfähigkeit des Fließgelenks bestimmt.
3.10.3.1 Flachgründung mit
Bei einem Versagen des Fundaments durch
Einzelfundamenten
Grundbruch kommt es ebenfalls zu einer Umlage-
Abbildung 3.10-4 zeigt mögliche Verteilungen der rung der Sohlspannungen zur Fundamentmitte.
Sohlspannungen unter einem steifen Einzelfunda- Neben dem duktilen Versagen, gekennzeichnet
ment. Die unter (a) ermittelte Verteilung stellt sich z. B. durch die Bildung eines Fließgelenks, ist auch
bei einer geringen Ausnutzung der Tragfähigkeit ein sprödes Versagen bei Fundamenten ohne aus-
von Fundament und Baugrund ein und ist somit im reichende Duktilität möglich (z. B. infolge Durch-
Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit maßge- stanzen einer Stütze durch eine Fundamentplatte).
bend. Bei Annäherung an die Traglast ist zu unter- Hierbei kommt es nicht zu Spannungsumlage-
scheiden zwischen dem Versagen im Fundament rungen im Baugrund.
(b) und im Baugrund (c). Im erstgenannten Fall Abbildung 3.10-5 zeigt die Änderung von Set-
kommt es im höchstbeanspruchten Schnitt des zungsmulde, Sohlspannung und Momentenverlauf in
Fundaments zur Bildung eines Fließgelenks und einem gering bewehrten Fundament bei Laststeige-

Abb. 3.10-4 Mögliche Verteilungen der Sohlspannungen Abb. 3.10-5 Qualitativer Verlauf von Verformungen und
unter einem Einzelfundament Beanspruchungen in einem Einzelfundament bei sukzessi-
ver Laststeigerung
1476 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

rung. Die Fundamentplatte geht dabei kontinuierlich


vom „elastischen“ in den „plastischen“ Zustand über.
Vergleicht man die Spannungsverteilungen ge-
mäß Abb. 3.10-4 mit der in der Praxis häufig ge-
troffenen Annahme einer konstanten Sohlspan-
nung, so liegen diese für die Grenzzustände der
Tragfähigkeit i. d. R. auf der sicheren Seite, in den
Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit jedoch
auf der unsicheren Seite.

3.10.3.2 Pfahlgründung und Kombinierte


Pfahl-Plattengründung (KPP) Abb. 3.10-6 Konzept der Kombinierten Pfahl-Platten-
gründung (KPP)
Pfahlgründungen und Kombinierte Pfahl-Platten-
gründungen (KPP) sind Tiefgründungen, bei denen
über Pfähle die gesamte oder ein Teil der Bauwerk- Ansatz zu bringen (Abb. 3.10-6) [Katzenbach/König
last in tiefere Bodenschichten eingeleitet wird, 1999]. Dies ist der entscheidende Unterschied zu ei-
um hierdurch gegenüber einer Flächengründung ner Pfahlgründung nach EC 7-1, Abs. 7.
eine Setzungsreduktion zu erzielen oder die Trag- Bei einer KPP verteilt die Fundamentplatte in-
fähigkeit der Gründung zu gewährleisten. Beide folge ihrer Biegesteifigkeit die aus der aufge-
Gründungsformen sind dadurch gekennzeichnet, henden Konstruktion resultierende Einwirkung
dass mehrere Pfähle durch eine Fundamentplatte (Bauwerklast) Stot sowohl direkt über die Sohl-
oder einen Pfahlrost zu einer Gründung verbunden spannung V(x,y), die über die Gründungsfläche
werden. Hierdurch entsteht i. d. R. ein hochgradig integriert den Widerstand der Fundamentplatte
statisch unbestimmtes Tragsystem, dessen Bau- RPlatte,k, Gl. (3.10.1), ergibt, als auch über die Pfäh-
grund-Tragwerk-Interaktion durch die Steifigkeit le, gekennzeichnet summarisch durch 6RPfahl,k, j, in
des Bauwerks und der die Pfähle verbindenden den Baugrund. Der Gesamtwiderstand Rtot der KPP
Fundamentplatte, durch die Baugrundeigenschaften berechnet sich nach Gl. (3.10.2) zu
und die Wechselwirkungen zwischen den Grün-
dungselementen und dem Boden, aber auch durch (3.10.1)
die gegenseitige Beeinflussung der einzelnen
Gründungselemente maßgebend bestimmt wird.
(3.10.2)
Vom Tragverhalten ähnlich sind Gründungen, bei
denen an die Stelle der Pfähle andere Tiefgrün-
dungselemente treten (z. B. Schlitzwandelemente, Der Widerstand des einzelnen Pfahles j ergibt sich
sog. Barretts, Schlitzwände, Spundwände o. ä.). aus dem Pfahlmantelwiderstand Rs,k,j, der sich aus
Bei einer reinen Pfahlgründung ist rechnerisch dem Integral der Mantelreibung qs,k(z) über die
nachzuweisen, dass die gesamte Bauwerklast über Pfahlmantelfläche ergibt, und dem Pfahlfußwider-
die Pfähle in den Baugrund abgetragen werden kann. stand Rb,k,j, der sich als Integral des Pfahlspitzen-
Ein Lastabtrag über die unter einer Fundamentplatte druckes qb,k über die Aufstandsfläche des Pfahles
oder einem Pfahlrost aktivierte Sohlspannung wird am Pfahlfuß bestimmen lässt:
bei der rechnerischen Modellierung nicht in Ansatz
gebracht. Der Gründungsform der Kombinierten (3.10.3)
Pfahl-Plattengründung (KPP) liegt hingegen die
mit
Idee zugrunde, die gemeinsame Wirkung der beiden
Gründungselemente Fundamentplatte und Pfähle bei
der Einleitung von Bauwerklasten in den Baugrund (3.10.4)
zu nutzen sowie rechnerisch beim Nachweis der
Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit zum (3.10.5)
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion 1477

Die Tragwirkung einer KPP wird durch den Pfahl- ein qualitatives Beispiel für den Zusammenhang
platten-Koeffizienten DKPP beschrieben, der an- zwischen dem Pfahlplatten-Koeffizienten DKPP und
gibt, welchen Anteil die Pfähle an dem Gesamtwi- dem Verhältnis der Setzung einer KPP sKPP zur Set-
derstand Rtot,k der KPP haben: zung einer Flächengründung sFl mit gleicher Grün-
dungsfläche unter der gleichen Einwirkung. Zu den
maßgebenden, die Baugrund-Tragwerk-Interaktion
(3.10.6) einer KPP bestimmenden Interaktionseinflüssen zäh-
len die in Abb. 3.10-8 schematisch dargestellten
Wechselwirkungen zwischen
Der Pfahlplatten-Koeffizient kann zwischen den
a den Pfählen und dem Baugrund (Pfahl-Bau-
beiden Grenzwerten DKPP=0 (Flächengründung nach
grund-Interaktion),
EC 7-1, Abs. 6) und DKPP=1 (Pfahlgründung nach
b den Pfählen in einer Pfahlgruppe (Pfahl-Pfahl-
EC 7-1, Abs. 7) variieren. Abbildung 3.10-7 zeigt
Interaktion),
c der Fundamentplatte und dem Baugrund (Plat-
te-Baugrund-Interaktion) und
d der Fundamentplatte und den Gründungspfäh-
len (Pfahl-Platten-Interaktion).
Bei einer Pfahlgründung, bei der keine Sohlspannung
unter der die Pfähle verbindenden Pfahlkopfplatte
mobilisiert wird, entfallen zwar die Platte-Bau-
grund-Interaktion und die Pfahl-Platten-Interaktion,
doch ist die gegenseitige Beeinflussung der Pfähle
in Form der Pfahl-Pfahl-Interaktion ein maßge-
bender, das Trag- und Verformungsverhalten einer
Pfahlgründung beeinflussender Faktor, der u. a. da-
zu führt, dass das von einem Einzelpfahl bekannte
Widerstandssetzungsverhalten eines Pfahles nicht
unmittelbar übertragen werden kann auf die Abbil-
dung der Tragwirkung eines Pfahles als Bestand-
Abb. 3.10-7 Qualitatives Beispiel für die mögliche Set- teil einer Pfahlgründung oder einer KPP.
zungsreduktion einer KPP in Funktion des Pfahlplatten- Die zutreffende rechnerische Erfassung der
Koeffizienten ĮKPP Wechselwirkungen zwischen den Gründungsele-

Abb. 3.10-8 Baugrund-Tragwerk-Interaktion bei Kombinierten Pfahl-Plattengründungen (KPP)


1478 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

menten und dem Baugrund unter gleichzeitiger Fundamentplatte insbesondere im oberen Bereich
Berücksichtigung der Steifigkeit des aufgehenden der Pfähle zu einer Verringerung der Relativver-
Tragwerks ist die entscheidende Voraussetzung für schiebungen am Pfahlmantel führt, wodurch in
eine sichere und wirtschaftliche Bemessung von diesem Bereich im Vergleich zu einem entspre-
Kombinierten Pfahl-Plattengründungen. chenden Einzelpfahl oder einem Pfahl der Pfahl-
gründung deutlich geringere Mantelreibungswerte
Auswirkungen der Pfahl-Platten-Interaktion mobilisiert werden können. Dies ist ursächlich da-
Das Tragverhalten der Gründungspfähle einer KPP für, dass die Pfähle einer KPP sich weicher verhal-
wird neben der Pfahl-Pfahl-Interaktion zusätzlich ten als ein Einzelpfahl. Gleichzeitig verursachen
durch die Pfahl-Platten-Interaktion beeinflusst. bei einer KPP die über die Fundamentplatte einge-
Der Einfluss dieser Pfahl-Platten-Interaktion äu- leiteten Sohlspannungen eine deutliche Erhöhung
ßert sich im Vergleich zu einer Pfahlgründung im der wirksamen Spannungen im Baugrund zwischen
Wesentlichen in den folgenden Aspekten: den Pfählen (Abb. 3.10-9).
Da die Tragwirkung der Pfähle und hier insbe-
(1) Bei den Gründungspfählen einer KPP tritt der
sondere die mobilisierbare Mantelreibung maßge-
vom Einzelpfahl her bekannte und auch bei den
bend durch den im Boden herrschenden Span-
Pfählen einer Pfahlgründung zu beobachtende
nungszustand bestimmt wird, führt die Erhöhung
Schervorgang am Mantel, also das Erreichen der
des Spannungszustands im Boden durch die über
Grenzmantelreibung, nicht oder nur abgemin-
die Fundamentplatte eingeleiteten Lastanteile
dert auf. In Abhängigkeit vom Pfahlachsabstand
dazu, dass bei einer KPP im Vergleich zu einer
und der Pfahlposition nimmt statt dessen der
Pfahlgründung oder einem Einzelpfahl insbeson-
Pfahlmantelwiderstand Rs mit zunehmenden
dere im unteren Bereich der Pfahltragstrecke, in
Setzungen weiter zu, weil die anwachsende
dem eine ausreichende Relativverschiebung zwi-
Sohlspannung die mobilisierbare Pfahlmantel-
schen Pfahl und Boden stattfinden kann, deutlich
reibung vergrößert. Dieser Effekt verstärkt sich
größere Mantelreibungswerte mobilisiert werden
bei abnehmendem Pfahlachsabstand.
können. Da i. d. R. mit wachsender Einwirkung Stot
(2) Zugleich führt bei einer KPP die Fundament-
auch der über die Fundamentplatte abgetragene
platte zu einer Verringerung der Pfahlfederstei-
Lastanteil weiter wächst, erhöht sich auch der
figkeiten. Insbesondere bei kleineren Setzungen
Spannungszustand im Boden und damit die mobili-
zeigen die Pfähle einer KPP ein deutlich wei-
sierbare Mantelreibung sukzessive mit der Einwir-
cheres Tragverhalten, als dies bei einer Pfahl-
kung. Dies führt zu der beschriebenen Beobach-
gründung oder gar einem Einzelpfahl zu beob-
tung, dass die Pfähle einer KPP i. d. R. keine – oder
achten ist.
nur in einer abgeminderten Form – Grenztragfä-
(3) Das Vorhandensein einer Fundamentplatte und
higkeit besitzen.
die hierüber mobilisierten Sohlspannungen füh-
ren bei einer KPP generell zu einer Vergleich-
Schlussfolgerungen und Hinweise
mäßigung des positionsabhängigen Widerstands-
zur Bemessung
setzungsverhaltens der Pfähle. Bei einem Pfahl-
Die Pfähle von Pfahlgründungen und Kombi-
achsabstand e/D=3 sind die von der Pfahlposition
nierten Pfahl-Plattengründungen zeigen insbeson-
abhängigen Unterschiede im Pfahltragverhalten
dere bei kleinen Pfahlachsabständen ein völlig an-
der Pfähle bei einer KPP geringer als bei einer
deres Tragverhalten als dies von einem Einzelpfahl
Pfahlgründung.
bekannt ist. Dieser Umstand ist bei der Bemessung
Die bodenmechanischen Hintergründe für diese einer Pfahlgründung oder einer KPP rechnerisch
Interaktionseinflüsse verdeutlicht Abb. 3.10-9. Sie zu berücksichtigen, siehe [EA Pfähle 2011].
zeigt die Setzungen für zwei Setzungszustände in Die in der Praxis bei der Bemessung der Funda-
einem Gründungskörper (e/D=6) sowie die Ände- mentplatte einer KPP mit Hilfe eines auf dem Bet-
rung der vertikalen und horizontalen effektiven tungsmodulverfahren basierenden Ansatzes zuwei-
Spannungen im Baugrund in verschiedenen Tie- len übliche Annahme gleicher Federsteifigkeiten
fen. Deutlich erkennbar ist, dass bei der KPP die für alle Pfähle unabhängig von ihrer Pfahlposition
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion 1479

Abb. 3.10-9 Änderung der Setzungen sowie der vertikalen und horizontalen Spannungen unter einer KPP und einer
Pfahlgründung mit e/D = 6 bei einer Setzung von s = 0,03 · D und s = 0,01 · D

ist i. d. R. unzutreffend und kann zu einer sicher- Nachweiskonzept


heitsrelevanten Fehleinschätzung der Tragwirkung Kennzeichnend für das Konzept der KPP ist die
der KPP insbesondere auch im Hinblick auf die Berücksichtigung der Widerstände der Pfähle und
innere Tragfähigkeit der Gründungselemente füh- der Platte beim Nachweis des Grenzzustands der
ren. Erforderlich ist in diesem Fall vielmehr eine Tragfähigkeit (ULS; engl.: ultimate limit state) wie
verschiebungsabhängige Abbildung des standort- auch beim Nachweis des Grenzzustands der Ge-
abhängigen Pfahlwiderstands [Moormann/Ahner brauchstauglichkeit (SLS; engl.: serviceability li-
1999]. mit state) der KPP als Gesamtsystem. Die Grün-
1480 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

dungskonzeption der Kombinierten Pfahl-Platten- 3.10.3.3 Stützbauwerke


gründung löst sich damit vom konventionellen
Gründungsentwurf, bei dem nachzuweisen ist, dass Stützbauwerke sind Bauwerke, bei welchen der
die Bauwerklasten entweder vollständig über das Baugrund im Gegensatz zu den zuvor beschrie-
flach gegründete, für sich standsichere und ge- benen Gründungsarten nicht unterstützend wirkt,
brauchstaugliche Fundament oder aber vollständig sondern selbst gestützt wird.
über die Pfähle bei Einhaltung der dabei maßge- Der Widerstand R einer Stützwand ist durch das
benden Sicherheiten in den Baugrund eingeleitet Materialverhalten begrenzt. Die Einwirkung E
werden. Das in [Katzenbach/König 1999] entwi- nimmt mit zunehmender Verschiebung w vom Erd-
ckelte Nachweis- und Sicherheitskonzept für Kom- ruhedruck (bei w=0) bis auf den aktiven Erddruck
binierte Pfahl-Plattengründungen bildet die Basis ab (Abb. 3.10-10).
der „Richtlinie für den Entwurf, die Bemessung Grenzzustände der Tragfähigkeit (ULS) entste-
und den Bau von Kombinierten Pfahl-Plattengrün- hen, wenn die Tragfähigkeit der Stützwand bei dem
dungen (KPP)“. zugehörigen Erddruck erreicht wird. Das Verhalten
Aufgrund der vergleichsweise komplexen ist bei duktilen Systemen gutmütig, da die Schnitt-
Wechselwirkungen sind Kombinierte Pfahl-Plat- größen im Tragwerk bei einer Steigerung der Last
tengründungen grundsätzlich in die geotechnische aufgrund möglicher Umlagerungen nur unterpro-
Kategorie GK 3 nach DIN 4020 einzuordnen. Hie- portional zunehmen. Die Reduktion des Erddrucks
raus ergeben sich entsprechende Mindestanforde- (aktiver Wert) ist jedoch mit einer starken Zunah-
rungen an den Umfang und die Qualität der geo- me der Verformungen verbunden, über die bei Ver-
technischen Erkundung, an die Berechnung, den wendung starr-plastischer Modelle nur qualitative
Bau und die Überwachungsmaßnahmen während Aussagen gemacht werden können.
der Ausführungsphase einer KPP [Katzenbach/Kö- In den Grenzzuständen der Gebrauchstauglich-
nig 1999]. Explizit hervorzuheben sind die fol- keit (SLS) resultiert der aufnehmbare Erddruck aus
genden sicherheitsrelevanten Aspekte: der Spannungs- oder Rissbreitenbeschränkung in
der Stützwand. Es sind somit nur geringe Verfor-
– Der Entwurf und die Bemessung einer KPP müs- mungen w zulässig; ein höheres Niveau des Erd-
sen von einem Prüfingenieur für Baustatik und drucks ist die Folge. Eine Begrenzung der Verfor-
einem „anerkannten Sachverständigen für Erd- mungen w kann auch erforderlich werden, um Schä-
und Grundbau nach Bauordnungsrecht“ im Zuge den an einer Nachbarbebauung zu verhindern.
des Baugenehmigungsverfahrens geprüft werden. Im Beispiel (Abb. 3.10-10) ergeben sich im
– Die Herstellung einer KPP muss durch eine vom Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit unter
ausführenden Unternehmer unabhängige Per- Verwendung von charakteristischen Werten (Rk,
son oder Stelle (geotechnische Fachbauleitung) Ek) annähernd gleiche Beanspruchungen wie im
überwacht werden. Grenzzustand der Tragfähigkeit unter Verwendung
– In der Ausführungsphase ist darauf zu achten, dass
die Gründungssohle nach den gleichen hohen
Qualitätsansprüchen herzustellen ist wie bei einer
Flächengründung; insbesondere ist eine Aufwei-
chung der Gründungssohle zu vermeiden, da sonst
die rechnerisch vorausgesetzte Mobilisierung der
Sohlspannungen unter der Fundamentplatte nicht
oder nur eingeschränkt möglich ist.
– Das Tragverhalten und der Kraftfluss innerhalb
einer KPP sind in Abhängigkeit von den sich
aus dem Baugrund, dem Tragwerk und der
Gründung ergebenden Anforderungen nach dem Abb. 3.10-10 Resultierender Erddruck auf eine Stützwand
Konzept der Beobachtungsmethode messtech- im Grenzzustand der Tragfähigkeit (ULS) und im Grenzzu-
nisch zu überwachen. stand der Gebrauchstauglichkeit (SLS)
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion 1481

von Bemessungswerten (Rd, Ed), sodass die Ge-


brauchstauglichkeit bemessungsrelevant wird.

3.10.4 Modellierung der Baugrund-


Tragwerk-Interaktion

3.10.4.1 Mechanische Modellierung


Das Gesamtsystem aus Baugrund und Tragwerk
wird in vielen Fällen in die beiden Teilsysteme Bau-
grund und Tragwerk aufgespalten, das Tragwerk
des Weiteren in den Überbau und die Gründung.
Die Gesamtheit aus dem Tragwerk und den nichttra-
genden Einbauten (z. B. leichte Trennwände) bildet
das Bauwerk. Im Allgemeinen kann die Baugrund- Abb. 3.10-11 Modellbildung in der Baugrund-Tragwerk
Tragwerk-Interaktion entweder am Gesamtsystem Interaktion
oder an den gekoppelten Teilsystemen Baugrund
und Tragwerk berechnet werden (Abb. 3.10-11).
Das in Gl.-(3.10.7) dargestellte System be- mit
schreibt zunächst die entkoppelten Teilsysteme I Einheitsmatrix
Tragwerk und Baugrund [Zilch/Schneider 1997]. Rint Kompatibilitätsbedingung.

Die Berechnung am Gesamtsystem ist mit den


(3.10.7) gängigen Hilfsmitteln bei zeitinvariantem Werk-
stoffverhalten meist problemlos und schnell durch-
mit führbar; es werden im Rahmen der Modellannah-
kT, kB Steifigkeitsmatrix des Tragwerks bzw. des men exakte Ergebnisse geliefert. Die Nachteile
Baugrunds bestehen darin, dass das Verfahren keine Zwi-
wT, wB Knotenverschiebung des Tragwerks bzw. schenergebnisse in Form von Schnittgrößen und
des Baugrunds Auflagerkräften für die gekoppelten Teilsysteme
pT, pB Lastvektor des Tragwerks bzw. des Bau- liefert. Der Einfluss der Baugrundverformungen
grunds. auf die Schnittgrößen des Tragwerks ist nicht er-
kennbar, d. h. eine Interpretation der Endergebnisse
Der Lastvektor des Baugrunds ist i. Allg. gleich ist nur schwer möglich. Häufig ist zur Beurteilung
null und wird im Folgenden nicht berücksichtigt. der Sicherheit eine Abschätzung über obere und
Durch die Einführung einer Kompatibilitätsbe- untere Grenzwerte nötig.
dingung (Rint) in Gl. (3.10.8) an der Schnittstelle Die Teilsystemberechnung findet iterativ jeweils
Baugrund/Tragwerk werden die Verformungen des getrennt an den Systemen Baugrund und Trag-
Baugrunds an die des Tragwerks gekoppelt, und werk mit den Kopplungsbedingungen, Gl. (3.10.10),
die zunächst singuläre Gl. (3.10.7) wird als Ge- statt:
samtsystem lösbar, Gl. (3.10.9).
(3.10.10)
(3.10.8) 1. Schritt: Berechnung der Schnittgrößen des Trag-
werks und der Auflagerreaktionen unter der
Annahme unverschieblicher Auflager, d. h. Ver-
nachlässigung der Baugrundverformung.
(3.10.9)
(3.10.11)
1482 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

2. Schritt: Berechnung der zugehörigen Baugrund- Zur Ermittlung dieser Setzungen s. 4.3 sowie
verformung infolge der mit Gl. (3.10.11) berech- [DGEG 1993].
neten Auflagerreaktionen als schlaffe Lasten. Die Kopplung auf den Nebendiagonalgliedern
klingt mit zunehmender Entfernung zwischen den
(3.10.12) Auflagern ab und kann i. d. R. vernachlässigt wer-
den, wenn der Abstand der Fundamente die zwei-
3. Schritt: Berechnung der Schnittgrößen im Trag- fache Dicke der kompressiblen Bodenschicht über-
werk aufgrund der Baugrundverformung aus steigt. Daher ist es i. Allg. möglich, den Baugrund
Gl. (3.10.12) und Bestimmung der zugehörigen durch eine Federlagerung mit unabhängigen Fe-
Auflagerreaktionen. dern nach dem Bettungsmodulverfahren zu ideali-
sieren, Gl. (3.10.15) (zum Steife- bzw. Bettungs-
modulverfahren s. 4.3). Es entsteht ein Setzungs-
(3.10.13) graben.
4. Schritt: Iterative Wiederholung von Schritt 2 und
Schritt 3, bis eine ausreichende Genauigkeit er-
reicht ist.
(3.10.15)

In der Regel erhält man mit wenigen Iterations-


zyklen ein für baupraktische Zwecke ausreichend
genaues Ergebnis. Der entscheidende Vorteil der
iterativen Berechnung besteht darin, dass man an- Bei kontinuierlich gebetteten Platten oder Balken ist
hand der einzelnen Berechnungsschritte die Emp- dieses Vorgehen ebenfalls möglich, die Berücksich-
findlichkeit des Tragwerks gegenüber Setzungen tigung der Kopplung ist allerdings numerisch relativ
ablesen kann, dass geeignete Sicherheitsüberle- aufwändig, da die Steifigkeitsmatrix keine Band-
gungen eingeschlossen werden können und dass struktur besitzt. Eine Modellierung mit entkoppelten
zeitabhängiges Verhalten mit einfachen Ingenieur- Federn (Winklerscher Halbraum, Bettungsmodul-
modellen problemlos einzubeziehen ist. verfahren) ist durchaus eine geeignete Art, den Bau-
grund zu idealisieren. Sie liefert ausreichend genaue
Ergebnisse, wenn die Steifigkeit der Fundamentplat-
3.10.4.2 Modellierung des Baugrunds
te gering ist und die Platte durch Einzellasten bean-
Setzungen im Baugrund sind nicht unabhängig sprucht wird. Unter Gleichlast hingegen ergibt sich
voneinander, sondern miteinander gekoppelt. Durch als Setzungsfigur bei einer über die Gründungsflä-
die Setzung im Punkt i wird auch eine Setzung wji che konstanten Federsteifigkeit lediglich eine Starr-
im Auflagerpunkt j hervorgerufen; es entsteht eine körperverschiebung. In der Platte entstehen rechne-
sog. „Setzungsmulde“. Die Steifigkeit der Fun- risch keine Schnittgrößen, was realitätsfern ist. Eine
damentgruppe aus Abb. 3.10-11 lässt sich nach Verbesserung der Modellierung lässt sich durch die
dem Steifemodulverfahren unter Voraussetzung Wahl eines an den Plattenrändern erhöhten Bettungs-
elastischen Materialverhaltens folgendermaßen be- moduls erreichen. Mit einem iterativen Vorgehen
schreiben: unter der Verwendung von Federn mit ortsabhän-
giger Steifigkeit lässt sich die Qualität der Modellie-
rung verbessern (Abb. 3.10-12).

(3.10.14)
3.10.4.3 Sicherheitstheoretische Aspekte
Die Untersuchung des gekoppelten Systems aus
Baugrund und Tragwerk kann, wie gezeigt, am Ge-
Dabei ist wij=wji die Setzung im Punkt i infolge ei- samtsystem oder an Teilsystemen erfolgen. Die
ner im Punkt j angreifenden Last vom Betrag eins. Streuung der Baugrundeigenschaften wird in die-
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion 1483

telwerten in die Berechnung eingeführt werden. Um


ein vergleichbares Sicherheitsniveau zu erreichen,
ist es erforderlich, die Baugrundsteifigkeit unter
Berücksichtigung von globalen und lokalen Streu-
ungen in die Berechnung aufzunehmen. Ein Beispiel
hierfür zeigt Abb. 3.10-13 (vgl. hierzu 1.6).

3.10.4.4 Vereinfachtes Vorgehen in der Praxis


am Beispiel der Flachgründung
Die realitätsnahe Erfassung der Interaktion ist nur
mit großem Berechnungsaufwand und nur mit nu-
merischen Methoden, also EDV-gestützt, möglich.
Für eine praxisnahe Untersuchung ist dies häufig
nicht erforderlich. Im Folgenden wird daher eine
in vier Stufen geordnete Systematik vorgestellt,
mit der die Baugrund-Tragwerk-Interaktion unter
Abb. 3.10-12 Iteratives Vorgehen zur Bestimmung orts- gegebenen Randbedingungen mit vereinfachten
abhängiger Federsteifigkeiten (nach [Zilch 1993a])
Berechnungsmodellen berücksichtigt werden kann
[NABau 1992] (Abb. 3.10-14).
sen beiden Methoden auf unterschiedliche Weise
berücksichtigt. Bei der Gesamtsystemberechnung Stufe 0
ist der Baugrund Teil des statischen Systems, die Im einfachsten Fall bleibt die Interaktion zwischen
Steifigkeit des Baugrunds gehört zum Systemwi- Baugrund und Tragwerk völlig unberücksichtigt.
derstand. Bei der Betrachtung von Teilsystemen Die Schnittgrößenermittlung erfolgt unter Annahme
werden die Verformungen als Zwängungen be- einer starren Auflagerung des Tragwerks nach
trachtet, das Verhalten des Baugrunds damit der Gl. (3.10.11). Die sich hieraus ergebenden Sohlspan-
Einwirkungsseite zugeschlagen. Dies hat Folgen nungen werden mit zulässigen Werten verglichen,
für das Sicherheitskonzept: die ein Versagen des Baugrunds infolge Grundbruch
Während Setzungen im Grenzzustand der Tragfä- ausschließen und Setzungen bzw. Setzungsdiffe-
higkeit i. d. R. als Bemessungswerte und im Grenz- renzen hervorrufen, die erfahrungsgemäß als un-
zustand der Gebrauchstauglichkeit als charakte- schädlich für das Tragwerk angesehen werden.
ristische Werte angesetzt werden, geht dieses Si- Voraussetzung für die Wahl dieser Modellie-
cherheitselement bei der Gesamtsystembetrachtung rungsstufe ist bei Nachweisen der Gebrauchstaug-
verloren, wenn die Baugrundeigenschaften mit Mit- lichkeit,

Abb. 3.10-13 Variation der Baugrundsteifigkeit bei einem Durchlaufträger


1484 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

figkeitsverteilung können die Verformungen des


Baugrunds zu erheblichen Umlagerungen der
Schnittgrößen im Tragwerk führen, die rechnerisch
erfasst werden müssen.

Stufe 1
In Stufe 1 werden zunächst – analog zum Vorgehen
in Stufe 0 – die Schnittgrößen des Überbaus, d. h.
des Tragwerks bei unverschieblicher Gründung,
ermittelt. Für die sich dabei ergebenden Reakti-
onen wird das Teilsystem Baugrund berechnet, und
die sich dabei ergebenden Setzungen werden nach
Gl. (3.10.12) bestimmt. Bei der Ermittlung der
Setzungen wird die Rückwirkung der Überbaustei-
figkeit nicht berücksichtigt. Es erfolgt nun der
Nachweis, dass die sich dabei ergebenden Set-
zungen bzw. Setzungsdifferenzen für das Tragwerk
unschädlich sind.

Stufe 2
Anders als bei Stufe 1 werden bei einer zur Stufe 2
zu zählenden Verfahrensweise die ermittelten Ver-
formungen der Gründungssohle in Form der be-
rechneten Setzungsdifferenzen dem Überbau als
Lastfall aufgezwungen und die Schnittgrößen im
Tragwerk erneut nach Gl. (3.10.13) bestimmt. Da-
Abb. 3.10-14 Modelle zur Berechnungsvereinfachung mit wird in der Modellierungsstufe 2 die Rückwir-
[NABau 1992] kung des Überbaus auf die Gründungsverformungen
berücksichtigt. Der aus diesen Zwangseinwir-
kungen resultierende Beanspruchungszustand ist
– dass entweder das Tragwerk setzungsunemp- in der Bemessung sowohl beim Nachweis der Ge-
findlich ist oder brauchstauglichkeit als auch beim Nachweis der
– dass der Baugrund sehr steif ist und die Set- Tragfähigkeit zu berücksichtigen. Die Modellie-
zungen absolut sehr klein bleiben und damit rungsstufe 2 stellt gegenüber der Stufe 3 eine sinn-
auch Setzungsdifferenzen vernachlässigt wer- volle Vereinfachung dar, wenn die Nichtberück-
den können. sichtigung der Gründungsentlastung durch das
Tragwerk und die zu hohen im Tragwerk einge-
Beim Nachweis der Tragfähigkeit muss das Trag- rechneten Setzungen nicht zu spürbarer Unwirt-
werk eine ausreichende plastische Verformungsfä- schaftlichkeit führen.
higkeit besitzen, d. h. im maßgebenden Versagens-
mechanismus setzungsunempfindlich sein. Stufe 3
Der Einsatz rechnerischer Modelle der Model- Die Modellierungsstufe 3 beinhaltet die vollstän-
lierungsstufe 0 ist im Hochbau bei vergleichsweise dige rechnerische Abbildung der Baugrund-Trag-
einfachen Tragsystemen üblich. Im Grenzzustand werk-Interaktion. Hierzu wird entweder ein Ge-
der Gebrauchstauglichkeit sollte sich die Anwen- samtmodell geschlossen berechnet und nachge-
dung auf Systeme mit geringer Steifigkeit be- wiesen, oder es erfolgt eine iterative Lösung unter
schränken, im Grenzfall auf statisch bestimmte. Anwendung zweier Teilmodelle für Baugrund und
Bei hochgradig statisch unbestimmten steifen Sys- Tragwerk (im Prinzip iteratives Anwenden eines
temen oder Tragwerken mit ungleichmäßiger Stei- Modells der Stufe 2).
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion 1485

Eine Orientierungshilfe für die Wahl einer ge- 3.10.4.5 Verformungsgrenzen des Tragwerks
eigneten Modellierungsstufe für ein gegebenes
Bauwerk ergibt sich aus der Systemsteifigkeit k. Unabhängig von der gewählten Modellierungsstu-
Für flach gegründete Systeme mit rechteckiger fe erfordert der Nachweis der Gebrauchstauglich-
Sohlfläche lässt sich dieser Kennwert als Verhält- keit die Kenntnis der vom Tragwerk aufnehmbaren
nis der Steifigkeit des Tragwerks und der Steifig- zulässigen Setzungen bzw. Setzungsdifferenzen.
keit des Baugrunds darstellen: Hier werden Hinweise zur Festlegung der Verfor-
mungsgrenzen eines Tragwerks gegeben.
(3.10.16) Zunächst ist der Begriff „Setzung“ zu definieren
(Abb. 3.10-15). Die Setzungen eines Tragwerks mit
den Einzelsetzungen si lassen sich aufteilen in die
mit Starrkörperverschiebung ssk, die Starrkörperverdre-
ET, IT Steifigkeit des Tragwerks hung )sk und eine Verkrümmung, die sich durch
l, b Länge und Breite des Tragwerks eine spannungserzeugende Setzungsdifferenz 's be-
ES Steifemodul des Baugrunds schreiben lässt. Zur Bestimmung von Setzungsdiffe-
K Korrekturfaktor zur Berücksichtigung des renzen 's sind mindestens drei Auflagerpunkte er-
Verhältnisses b/l und der Dicke der kompres- forderlich. Da sich 's aus der Differenz der stark
siblen Bodenschicht(en) nach DIN 4018. streuenden absoluten Setzungen si ergibt, ist die Un-
sicherheit bei der Bestimmung der Setzungsdifferenz
Die effektive Steifigkeit des Tragwerks ergibt sich erheblich größer als bei der Ermittlung der absoluten
als Summe der Steifigkeiten von Gründung und Setzungen. Vielfach wird die Setzungsdifferenz da-
Überbau, im einfachsten Fall aus der Summe der her in Abhängigkeit von der maximal aufnehmbaren
Biegesteifigkeiten der Fundamentplatte und der Setzung angegeben, was jedoch nur Sinn macht,
Deckenplatten bzw. der Riegel des Überbaus, wenn die planmäßigen Setzungen (d. h. die stocha-
wobei der erste Anteil bei Einzelfundamenten stischen Mittelwerte) in den Unterstützungen annä-
verschwindet. Eine Abschätzung unter Berück- hernd gleich sind. Dies ist z. B. bei der Kombination
sichtigung der Rahmenwirkung erhält man mit der von Streifen- mit Einzelfundamenten zu überprüfen.
Gleichung von Meyerhof [Schultze 1955]. Die von einem Biegeträger (Abb. 3.10-16) auf-
Nach [NABau 1992] kann für k•0,1…0,5 von nehmbaren Setzungen können allgemein nach dem
einem starren Tragwerk und einer Sohlspannungs- Prinzip der virtuellen Kräfte bestimmt werden
verteilung nach Boussinesque ausgegangen wer- (l ist auf die halbe Trägerlänge bezogen):
den. Rechnerisch ergeben sich hierbei unendlich
Spannungsspitzen an den Fundamenträndern, die (3.10.17)
umgelagert werden müssen. Für k•0,001…0,003
kann von einem schlaffen Tragwerk ausgegangen mit
werden. Für Zwischenwerte ist eine Berücksichti- N = M/(E I) Krümmung
gung der Interaktion zweckmäßig. J = Q/(G AQ) Schubverzerrung.

Abb. 3.10-15 Definition der Setzung


1486 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

(3.10.19)

Die Grenzkurven der maximal aufnehmbaren Set-


zungen 's/l verschiedener Querschnitte sind in
Abb. 3.10-17 in Abhängigkeit der Bruchdehnung
Hkrit und der Schlankheit l/h dargestellt. Bei ver-
schiedenen Baustoffen sind zusätzliche Überle-
gungen erforderlich:

Abb. 3.10-16 Ermittlung der aufnehmbaren Verformungen Stahlbeton


am Zweifeldträger Bei Betonwänden lässt sich durch Anordnung ei-
ner Mindestbewehrung auch nach einem lokalen
Überschreiten der Zugfestigkeit die Breite der ent-
Mögliche Grenzwerte der Durchbiegung ergeben stehenden Risse auf zulässige Werte beschränken
sich für linear elastische Werkstoffe aus dem Er- (vgl. 3.3).
reichen der Zugfestigkeit am Querschnittsrand In Abb. 3.10-18 sind die aufnehmbaren Set-
oder der aufnehmbaren Schubspannungen in der zungsdifferenzen 's/l eines zweifeldrigen Stahlbe-
Schwerachse. Die Zugfestigkeit kann durch die tonträgers, Schlankheit O=l/h=20, Durchmesser
Bruchdehnung des Baustoffs Hkrit beschrieben wer- der Längsbewehrung 16 mm, unter der Querlast
den. Daraus folgt die maximal zulässige Krüm- Q=8 MGrenz/(q·l2)=1,5 in Abhängigkeit des Beweh-
mung Nkrit=2Hkrit/h bzw. die maximale Schubver- rungsgrades U im Grenzzustand der Tragfähigkeit
zerrung Jkrit=2Hkrit. Damit ergibt sich zur Vermei- und im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit
dung von Biegerissen, Gl. (3.10.18), bzw. Schub- angegeben. Der Knick in der Linie der Tragfähig-
rissen, Gl. (3.10.19), für einen zweifeldrigen keit kennzeichnet den Übergang von Stahl- zu Be-
schubweichen Balken eine zulässige Setzungsdif- tonversagen. Bei hohen Bewehrungsgraden wird
ferenz von die Gebrauchstauglichkeit nicht mehr maßgebend.
Die Verformbarkeit im Grenzzustand der Tragfä-
(3.10.18) higkeit nimmt wegen der reduzierten Rotations-
fähigkeit wieder ab.

Abb. 3.10-17 Elastische Grenzkurven der aufnehmbaren Setzungen für verschiedene Querschnitte
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion 1487

Abb. 3.10-18 Verformungsfähigkeit unter Querlast in Abhängigkeit des Bewehrungsgrades

Mauerwerk
Das Tragverhalten von Mauerwerkswänden lässt
sich wegen der anisotropen Struktur wesentlich
schwieriger bestimmen. Aufnehmbare Zugspan-
nungen bzw. Dehnungen sind in hohem Maße von
der vertikalen Auflast abhängig. Daher sind insbe-
sondere gering belastete oder nichttragende Wän-
de sehr empfindlich gegenüber Setzungen.
Die aus elastischen Berechnungen resultierenden
Grenzwerte lassen sich in der Praxis kaum einhal-
ten. Allerdings beobachtet man vielfach auch bei
ihrer Überschreitung keine nennenswerte Schädi-
gung. Dies ist auf einige in den vorstehenden Ablei-
tungen nicht berücksichtigte Tragwirkungen zu-
rückzuführen. In der Regel ist die Längsdehnung an
der Unterkante der Wand durch ein Zugband behin-
dert (Deckenplatte oder Streifenfundament). Bei
gedrungenen Wänden führt dies bei einer Mulden-
lagerung ab einer bestimmten Verformung zu ei- Abb. 3.10-19 Rissformen in Wänden
nem Abheben der Wand von der Unterstützung in
Feldmitte und der Ausbildung eines Gewölbes
(Abb. 3.10-19) [Mayer/Rüsch 1967]. Aus diesem
Mechanismus lässt sich die deutlich größere Emp- gen Differenzierung sind diese Grenzen bei einer
findlichkeit einer Sattellage gegenüber einer Mul- Anwendung jedoch genau zu hinterfragen.
denlage erklären. Es muss beachtet werden, dass Grenzwerte für
Aufgrund der komplexen Zusammenhänge aufnehmbare Setzungsdifferenzen nur für Trag-
greift man oft auf pauschale Grenzwerte für die werke mit gleichmäßiger Steifigkeitsverteilung
zulässigen Verformungen zurück. Diese sind aus angegeben werden können. Bei Systemen mit stark
vereinfachten Berechnungen oder aus der Beo- unterschiedlicher Steifigkeit konzentrieren sich
bachtung und statistischen Auswertung realer die auftretenden Setzungen in den weicheren Be-
Schadensfälle gewonnen. Sie weisen eine große reichen des Tragwerks, dabei können z. B. im Be-
Bandbreite auf (Tabelle 3.10-1). Wegen der gerin- reich von Türöffnungen Probleme entstehen.
1488 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Tabelle 3.10-1 Empfohlene Grenzsetzungen l/¨s für lot- teraktion verkleinert sich die Belastung der äußeren
recht belastetes Mauerwerk Stützenreihen, die der inneren Stützenreihen ver-
größert sich um etwa 10%. In Abb. 3.10-20 ist zu
erkennen, dass sich bei den Einzelfundamenten be-
achtliche Differenzsetzungen zwischen Stufe 0 und
Stufe 3 einstellen, die eine zusätzliche Zwangsbean-
spruchung für das Tragwerk bedeuten. Dieses ist
bereits durch die Kombination unterschiedlicher
Gründungsarten – gering belastete Streifenfunda-
mente und hoch belastete Einzelfundamente – gro-
ßen Differenzsetzungen ausgesetzt.
3.10.5 Beispiele
In den Grenzzuständen der Tragfähigkeit können
3.10.5.1 Vergleichsrechnung einer Tiefgarage sich die Momente unter Ausnutzung plastischen
mit und ohne Berücksichtigung der Tragverhaltens aufgrund der Rotationsfähigkeit des
Baugrund-Tragwerk-Interaktion Tragsystems wieder in den bei der Bemessung an-
gesetzten Zustand umlagern. In den Grenzzuständen
Die in [Zilch 1993b] untersuchte Tiefgarage mit der Gebrauchstauglichkeit sind Schnittkraftumlage-
quadratischem Grundriss ist auf Streifenfundamen- rungen kaum möglich; es können somit große Span-
ten (Umfassungswände) und Einzelfundamenten nungsspitzen im Tragwerk entstehen. Der Einfluss
(Innenstützen) mit gleichmäßigem Stützenraster auf der Baugrund-Tragwerk-Interaktion sollte daher im
einem Sandboden gegründet (Abb. 3.10-20). Der Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit berück-
Überbau besteht aus einer Ortbetondecke. sichtigt werden.
Die gesamte Last aus dem Tragwerk wird in kur-
zer Zeit auf das Gebäude aufgebracht, so dass zeit-
3.10.5.2 Schadensfall einer Tiefgarage
abhängige Effekte in der Berechnung vernachlässigt
eines Bürogebäudes
werden können. Die Berechnung wird ohne Berück-
sichtigung einer Interaktion für g+p auf der Stufe 0 Der von [Fritsche 1997] untersuchte Schadensfall ei-
und mit einer vollständigen Iteration (Stufe 3) ner Tiefgarage zeigt, dass die Berücksichtigung der
durchgeführt. Durch die Berücksichtigung der In- Interaktion zwischen Tragwerk und Baugrund im

Abb. 3.10-20 Statisches System und Setzungsfigur der Tiefgarage [Zilch 1993b]
3.10 Baugrund-Tragwerk-Interaktion 1489

Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit von ent-


scheidender Bedeutung sein kann. Zur Sicherstellung
der Wasserdichtigkeit sollte die Tiefgarage des Büro-
gebäudes ursprünglich als Weiße Wanne ausgebildet
werden, tatsächlich wurde folgendes ausgeführt:
Die Lasten aus dem Tragwerk wurden mit einer
Flachgründung mit Einzelfundamenten in den
Baugrund abgeleitet (Abb. 3.10-21). Mit dem Hin-
tergedanken, auftretende Risse in der Bodenplatte
nachträglich planmäßig zu verpressen, wurde je-
doch auf das Einlegen der normativ erforderlichen
Mindestbewehrung zur Rissbreitenbeschränkung
verzichtet. Bereits kurz vor Fertigstellung des Ge-
bäudes zeigten sich bis zu 1,0 mm breite Risse in Abb. 3.10-21 Anschluss der Bodenplatte an die Stützen-
der Bodenplatte. Das Verpressen blieb ohne Erfolg, fundamente [Fritsche 1997]
da sich die Risse mit Änderung des Wasserdrucks
wieder öffneten. Literaturverzeichnis Kap. 3.10
Ursachen dieses Schadensfalles waren – neben Burland JB, Wroth CP (1974) Settlement of buildings and
konstruktiven Mängeln in der Bauausführung – associated damage; state-of-the art review. In: Proc. of
hauptsächlich die Nichtbeachtung der Interaktion the Conf. of the Settlement of Strucures, Cambridge,
zwischen Baugrund und Tragwerk. Bei der sta- Pentech. Press, London, S 611–654
tischen Berechnung der Gründung wurde die Bo- DGEG (Hrsg) (1993) Empfehlungen „Verformungen des
denplatte ausschließlich auf Wasserdruck bemes- Baugrunds bei baulichen Anlagen“ – EVB. Ernst &
sen. Die konstruktiv erzwungenen Mitnahmeset- Sohn, Berlin
zungen aus den Einzelfundamenten wurden nicht DGGT (Hrsg) (2006) Empfehlungen des Arbeitskreises
„Baugruben“. Ernst & Sohn, Berlin
berücksichtigt (Abb. 3.10-21). Das Vernachlässi-
DIN 1054: 2010-12
gen der Verträglichkeiten führt bereits unter Ge- DIN EN 1997-1: 2009-09
brauchslasten zur Bildung einer Fließgelenkkette Dulácska E (1992) The structures, soil settlement effects on
in der Bodenplatte, wodurch die rissverteilende buildings. Developements in geotechnical engineering.
Wirkung der Bewehrung verlorengeht. Eine er- Elsevier, Amsterdam (Niederlande)
folgreiche Rissbreitenbeschränkung ist in diesem EA Pfähle (2011) Empfehlungen des Arbeitskreises „Pfäh-
Zustand unmöglich. le“ der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V.
Die Tragfähigkeit des Gebäudes war zu keiner (DGGT). Ernst & Sohn, Berlin
Zeit eingeschränkt, da die Stützenlasten rechne- Fritsche T (1997) Praxisorientierter Einsatz nichtlinearer
Schnittgrößenberechnung. In: Massivbau heute und
risch ausschließlich durch die Einzel- bzw. Strei-
morgen – Anwendungen und Entwicklungen. Münch-
fenfundamente abgetragen werden und die Boden- ner Massivbau-Seminar 1997. TU München
platte in der Lage ist, den anstehenden Wasser- Gudehus G (1968) Gedanken zur statistischen Bodenme-
druck aufzunehmen. Die statische Modellierung chanik. Der Bauingenieur 43 (1968) S 320–26
des Tragwerks ist im Sinne der Plastizitätstheorie Hanisch J, Struck W (1997) Estimation of the characteristic
durchaus richtig, ermöglicht aber keine Sicherstel- value of a soil property based on random sampling re-
lung der Gebrauchstauglichkeit. sults and additional information. In: Proc. XIVth ICS-
MFE, Hamburg, 06.–12.09.1997, S 503–506
Katzenbach R, König G (1999) Besondere sicherheitstech-
Abkürzungen zu 3.10
nische Aspekte zum Entwurf, der Bemessung und dem
Bau Kombinierter Pfahl-Plattengründungen (KPP). In:
KPP Kombinierte Pfahl-Plattengründung Mitt. Inst. u. Versuchsanstalt für Geotechnik, TU Darm-
ULS Grenzzustand der Tragfähigkeit stadt, H 47
SLS Grenzzustand der Gebrauchstauglich- Mayer H, Rüsch H (1967) Bauschäden als Folge der Durch-
keit biegung von Stahlbetonbauteilen. Deutscher Ausschuß
BTI Baugrund-Tragwerk-Interaktion für Stahlbeton, H 193. Ernst & Sohn, Berlin
1490 3 Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau

Moormann Ch, Ahner C (1999) Beispiele für den Entwurf Zilch K (1993b) Verfahren für die Berechnung der Inter-
und die Berechnung von Kombinierten Pfahl-Platten- aktion von Baugrund und Bauwerk. Der Prüfingenieur
gründungen (KPP). In: Mitt. Inst. u. Versuchsanstalt für (1993) H 3
Geotechnik, TU Darmstadt, H 47 Zilch K, Schneider R (1997) Verfahren für die Beschrei-
NABau, Koordinierungsausschuß Sicherheit (1992) Bau- bung der Interaktion von Baugrund und Tragwerk. In:
grund-Tragwerk-Interaktion Flachgründungen. Bericht Mitt. Inst. u. Versuchsanstalt für Geotechnik, TU Darm-
der Ad-hoc-Gruppe „Baugrund-Tragwerk-Interaktion“ stadt, H 38
Pfefferkorn W (1994) Rißschäden an Mauerwerk. In: Reihe
„Schadenfreies Bauen“, Bd 7. IRB-Verlag, Stuttgart Normen
Reitmeier W (1989) Quantifizierung von Setzungsdifferen- DIN 1054: Baugrund – Zulässige Belastung des Bau-
zen mit Hilfe einer stochastischen Betrachtungsweise. grundes (11/1976)
In: Floss R (Hrsg) Schriftenreihe des Lehrstuhls und DIN 4018: Baugrund – Berechnung der Sohldruckvertei-
Prüfamtes für Grundbau, Bodenmechanik und Felsme- lung unter Flächengründungen (09/1974)
chanik, TU München, H 13 DIN 4020: Geotechnische Untersuchungen für bautech-
Schultze E (1955) Neuere Forschungen über Gründungen nische Zwecke (10/1990)
und ihre Anwendung auf den Entwurf. Der Bauingenieur ISO 4356: Grundlagen für die Beschreibung von Tragwer-
30 (1955) S 260–263 ken; Formänderungen von Gebäuden (durch äußere
von Soos P (1996) Die Rolle des Baugrunds bei Anwen- Einflüsse) in bezug auf die zulässige Grenze hinsicht-
dung der neuen Sicherheitstheorie im Grundbau. Geo- lich der Benutzbarkeit (11/1977)
technik 13 (1996) S 82–91
Zilch K (1993a) Soil-structure interaction. In: Comité Euro-
International du Béton (Hrsg) Safety and performance
concepts Lausanne. Bulletin d’Information No 219
Stichwortverzeichnis

2D-Positionsbestimmung 74 – von Verkehrswegen 84 Aktiv-/Passiv-Minderung 437


3D-Messverfahren 78 Abstellplatz Aktivitätszahl 1496
3D-Modell 30 – für Fahrräder 2042 Aktivkohle 1916–1919
3D-Positionsbestimmung 81 Abstimmungsverhältnis 326, 327 Aktivtausch 436
– überkritisch 327 Alit 159, 161, 163, 165
– unterkritisch 327 Allokationspolitik 408
A Abstrahlungsdämpfung 1559, 1560, Altersstruktur 588
1565, 1566 – demografische 406
AAB-Verwaltungsverfahren Abteufen 1599 Altlasten 1640
– isoliertes 2078 Abtrieb 1507 Aluminat 162
Abbinderegler 182 Abwasseranfall 1970 Aluminatphase 159, 165
Abfallabfuhr 2047 – Fremdwasser 1943, 1972 Aluminium 1028
Abfallmenge 2004, 2025 – gewerbliches Schmutzwasser Ammonium 1917, 1920
Abfallzusammensetzung 2004 1972 Amortisationsrechnung 531
Abfluss 1819 – industrielles Schmutzwasser Amtshaftungsrecht 2058
– hydrometrische Flügel 1819 1972 Anfahrbeschleunigung 2149
– schießender 1802, 1811 – Regenabfluss 1972 Anfangsfestigkeit 1544
– strömender 1802 – Trockenwetterabfluss 1970 Anfangsstandfestigkeit 1622
Ablauforganisation 631, 654, 658 Abwasserarten 1943 Angebotserstellung 602
Ablaufstellwerk 2164 – gewerblich 1965 Angebotskalkulation 468
Ablösungspunkt 1767 – industriell 1965 Angebotskurve 381
Abnahme 810 – kommunal 1944 Anhörungsbehörde 2090
Abscher- oder Lochleibungsversagen – Regenwasser 1969 Anhydritbinder 981
1205 – Schmutzwasser 1969 Anhydrit, s. Calciumsulfat-Dihydrat
Abschlagszahlung 560 Abwasserbehandlung 174, 175
Abschnittsbildung 2091 – Absatzbecken 1948 Anker 2206
Abschreibung 417 – belüftete Abwasserteiche 1946 – Klebeanker 2220
– bilanzielle 418 – Bemessungswert 1947 – nachträgliches Verankern 2221
– kalkulatorische 418 – biologische Reinigungsanlage – -schiene 1440, 1463
Absenkdiagramm 1619 1953 Anlagevermögen 440
Absenkung 1515 – Landbehandlung 1944 Anliegesetzung 1519
Absetzbecken 1948 – mechanische Reinigung 1946 Annäherungsfahrzeit 2160
Absorptionsgrad 97 – naturnahe 1944 Annuität
Abstandhalter 110 – Pflanzenbeet 1946 – Anfangskapital 527
Abstandhalteverfahren 2163 – Rechen 1946 – Endkapital 527
Abstandsflächen – Sandfang 1947, 1968 Annuitätenmethode 536
– -baulast 2079 – unbelüftete Abwasserteiche Anordnung
– Bemessung 2075 1946 – Auftraggeber 415
– Freihaltegebot 2076 Abwasserbelastung 1944 – innerdienstliche 2062
– -gebot 2075 Abwasserfiltration 1964 – von Haltestellen 2123
– Hinzurechnungsbefehl 2076 Abwassermenge 1943 Anpassungspflicht 2053
– Lagegebot 2075 – Mischwasserabfluss 1956 Anschlüsse 1202
– -mindesttiefe 2076 – Trockenwetterzufluss 1957 – Schrauben 1203
– Multiplikator 2075 Achslager 2116 Anschlussstellen 2157
– -recht 2075 Achslast 2128 Äquipotentiallinie 1772
– Überdeckungsverbot 2075 Adiabaten 92 Arbeit 415
Absteckung Adjudikationsverfahren 846 – kooperative 47
– von Brücken 85 Adsorption 1916 – virtuelle 246, 249
– von Hochbauten 86 Advektion 1649 Arbeitskalkulation 468
– von Objekten 84 Aggregation 42 Arbeitsmedizinischer Dienst (AMD)
– von Tunneln 85 Aktiv-/Passiv-Mehrung 437 872

K. Zilch et al. (Hrsg.), Konstruktiver Ingenieurbau und Hochbau,


DOI 10.1007/978-3-642-41840-2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
2306 Stichwortverzeichnis

Arbeitsrecht Außerachtlassungsbefehl, Abstands- – -verbesserung 1581


– individuelles 427 flächenrecht 2076 – -verhältnisse 1568
– kollektives 427 Austenit 1018 Bauholz 968
Arbeitssicherheit 597, 598, 603 Austrocknung 1670 Baukalk 173
Arbeitszeitstrategie 591 Automatische Fahr- und Bremssteue- Baulandbedarf 2044
Armaturen 1907, 1922, 1929, 1931, rung (AFB) 2166 Baulast 2079
1933, 1934, 1936, 1939 Automatische Kupplung (AK) 2118 – Entstehen 2080
Arzneimittel 1898 – Erlöschen 2080
Asbest-Richtlinie 2072 – Inhalt 2079
Asphalt 1031 B Baulastenverzeichnis 2080
– -bauweise 1670, 1671 Bauleitplanung 2032, 2045, 2053
– -beton 1670, 1671 Bahnanlagen 2156 Baulinien 2046
Aufbauorganisation 593, 594, 631, Bahnen, spurgeführte 2114 Baumassenzahl 2043
654 Bahngräben 2131 Baumischverfahren 2200
– der Baustelle 853 Bahnhöfe 2124, 2125, 2157 Bauökologierecht 2065
Aufbetondicke 1275 Bahnhofsbetriebsüberwachung 2158 Bauordnung(s)
Aufbruchsicherheit 1727 Bahnkörper 2129 – Anwendungsbereich 2059
Auflast 1521 Bahnlinie 1749 – Legaldefinition 2059
– flächenhafte 1524 Bahnsteige 2125 – – recht 2059
Aufsatzklappe 1860 Balanced Scorecard 570, 575, 606, Bauplanungsrecht 740
Aufschlüsse 1570 728 Baupolizeirecht 2062
Aufstellungsverfahren Barrierefreiheit 2065 Bauprodukte(n) 1167, 2068
– für Bauleitpläne 2050 Barwertermittlung 534 – geregelte 2073, 2074
Auftragserteilung 415 Basisabdichtung 2021, 2023–2025 – nicht geregelte 2073, 2074
Auftrieb(s) 1507, 1632 Basisvariable 347 – -recht 2066
– -kraft 1744 Bau- oder Gestaltungspflege 2064 – -richtlinie 2060
Aufwandswert 470 Bauabfall 2004, 2025–2028 Baurecht
Ausbaugeschwindigkeit 2128 Bauablaufplanung 857, 858, 861 – nach § 17 FStrG 2086
Ausbaugrad 1837 Bauablaufsimulation 39 – öffentliches 2052, 2058
Ausbauleistung (Wasserkraft) 1886 Bauantrag 2077 – privates 2058
Ausbaustandard 655 Bauarbeitsvorbereitung 856–858, 861 Bauregelliste 1168, 2074
Ausbläsersicherheit 1727 Bauarten 1168, 2067 Bausozialrecht 2065
Ausbreitmaß 1003 – nicht geregelte 2074 Baustahl 1232
Ausfallbürgschaft 558 Bauaufsichtsbehörde 2077 Baustelleneinrichtung 862, 865, 866
Ausfallwahrscheinlichkeit 551 – Prüfkompetenz 2078 – Arbeitsfluss 865
Ausfluss 1781 Bauausführung 602, 625 – Betrieb der Baustelle 862
– freier 1784 Baueinstellungsverfahren 2078 – Leistungsverzeichnis 862
– -gesetz 1782 Baufarbe 197 – Planung der Baustelle 857, 861, 862
– rückgestauter 1785 Baufeldfreimachung 835 Baustellenverordnung (BaustellV) 872
– -ziffer 1783 Baufläche 2044 Baustellenversiegelung 2078
Ausführungsgenehmigungsverfahren – gemischte 2044 Bauteile
2078 Baugenehmigungsverfahren 2077 – feuerbeständige 2069
Ausgleichsgrad 1837 Baugesetzbuch 2052 – feuerhemmende 2069
Ausgleichungsverfahren 83 Baugestaltungsrecht 2064 – flächenförmige 1382
Auslastungsstrategie 591 Baugips, s. Calciumsulfat-Dihydrat – hochfeuerhemmende 2069
Auslegungsbeschluss 2051 174 – stabförmige 1382
Ausmitte 1592 Bauglas 1415 Bauverwaltungsverfahren
Ausnutzungsfaktor 1294 Baugrenze 2046 – präventives 2077
Ausnutzungsgrad 1542, 1543 Baugrubenaushub 1634 – repressives 2078
Ausrollgrenze 1494 Baugrubensohle 1631 Bauverwaltungsverfahrensrecht 2059,
Ausrundung(s) 2151 Baugrubenumschließung 1619 2077
– -bogen 2154 – wasserundurchlässige 1632 Bauvoranfrage 2078
– -radius 2154 Baugrund 1491 Bauweise
– von Neigungswechseln 2154 – -risiko 1569 – geschlossene 958
Außenfinanzierung 547 – Tragfähigkeit 2067 – halboffene 964
Außenwand 2068 – -untersuchung 2068 – offene 956
Stichwortverzeichnis 2307

Bauwerke 2067 – lokale 1748 Betriebsmittel 417


– setzungsempfindliche 1593 – Tangential- 1749 Betriebsplanung 2158
– setzungsunempfindliche 1593 – -widerstand 2148 Betriebsprinzip 2171
Bauwerkssplittbeton 1013 – Zentripetal- 1748 Betriebsqualität 2161
Beachtensgebot Beteiligungsfinanzierung 548 – Betriebsdurchführungsqualität
– öffentlich-rechtliches 2060, – mit Börsenzutritt 548 2161
2062 – ohne Börsenzutritt 548 Betriebsrendite 412
Beanspruchungskollektiv 1162 Beton 988, 1068 Betriebssicherheit 2155
Bebauungsplan 2045, 2053 – -ausbruch 1451 Betriebssicherheitsverordnung
– einfacher 2055 – Ausgangsstoff 991 905
– qualifizierter 2055 – Bemessungskennwert 1073 Betriebsstelle 2156, 2157
– vorhabenbezogener 2047, 2055 – -deckung 1068, 1080 Betriebsstoff 418
Bedarfsplanung 414 – Druckbeanspruchung 1071 Betriebssynthese 2161
– Bundesfernstraßen 2085 – Druckfestigkeit 1005 Betriebsüberwachung 2159
– im Städtebau 2042 – E-Modul 1010 Bettung 2131
Bedarfszüge 2156 – -ersatzsystem 1034 Bettungsmodul
Befehlsstellwerk 2164 – Festigkeit 169, 1005 – horizontaler 1610
Befestigungstechnik 1440 – -fläche 904 – -verfahren 1482, 1597
Beförderungsgeschwindigkeit 2159 – hochfester 1069 Bevölkerungszunahme 2031
Behaglichkeitsempfinden 90 – Konsistenz 1002 Bewehrung(s)
Belastung 1549 – -korrosion 200 – -anschlüsse 1449
– harmonische 1549, 1565 – Kriechen 1011 – -drähte 1027
– seismische 1548 – mehraxiale Beanspruchung 1072 – ingenieurbiologische 1590
– transiente 1549 – Mischen 997 – -korb 1627
– zyklische 1611 – Nachbehandlung 1001 – -netze 1128
Belebungsbecken 1957 – -platte 2206 Biegebeanspruchung 1088
– -volumen 1962 – Quellen 1011 Biegedrillknicken 1194, 1261,
Belebungsverfahren 1956 – Querdehnung 1011 1262, 1392
– Bemessungsbeispiel 1968 – Rohdichteklassen 990 – Gefahr 1257
– Bemessungsgrundlage 1956 – -schalung 904 – Kurven 1197
Belegungsdichte 2041 – -schrauben 1444, 1463 Biegedrucknachweis 1364
Belit 159, 161, 163, 165 – Schwinden 1011 Biegedruckversagen 1361
Belüftungssystem 1963 – selbstverdichtender 1016 Biegeschlankheit 1134
– Druckbelüfter 1963 – -splittbeton 1013 Biegesteifigkeit 1284
– Oberflächenbelüfter 1964 – ultrahochfester 1015 Bilanz 436, 438
Bemaßung 29 – Verdichtung 1000 – -analyse 456
Bemessung(s) – Verformungseigenschaft 1009 – Erwerbs- und Vermögens-
– -diagramm 1095 – Wärmedehnung 1012 einkommen 405
– -niveau 1347 – -zahn 1100 – nach IAS 460
– -regeln 1167 – Zement 991 – -rating 550
– -situation 1345 – Zugabewasser 991 – -regel, goldene 451
– -verfahren 1458 – Zugbeanspruchung 1070 – Vermögensübertragungen 405
– -wert 1581, 1947 – Zugfestigkeit 1005 – Volkswirtschaft 392
– -wert Rd 1182 – Zusatzmittel 995 Bildfahrplan 2158
Benchmarking-Zyklus 730 – Zusatzstoff 993 Bindemittel 980
Bentonit 192 Betonierabschnittsgrenze 1242 – anorganische 158
Bergbahnen 2114 Betonstahl 1027, 1077, 1234 – organische 176
Berger’sches Massegesetz 151 – -bewehrung 2206 Bioabfall 2006–2012
Bernoulli-Hypothese 224 – -matten 1027, 1079 Biofilmverfahren 1953
Bernoulli’sche Konstante 1762 Betriebsanalyse 2161 Biofilter 1955
Beschleuniger 182 Betriebsbremsung 2150 Biopolymer 193
Beschleunigung(s) 2089, 2149, Betriebsfestigkeit 1162 Bioremediation 1664
1747 Betriebsführung 2156 Biosphäre 2065
– freie 2144 – Dispatcher-Betrieb 2156 Bitumen 1031
– Gleisparameter 2143 Betriebslastfaktor 1162 Blei 1027
– konvektive 1748 Betriebsleitstelle 2160 Blindschild 1712, 1713
2308 Stichwortverzeichnis

Blockverleimung 1384 Bruchenergie 1070 – at risk 681, 706


Blower-Door-Test 97 Bruchkörpermodell 1726 Containerverkehr 2126
Bodenaustausch 1581, 2200 Bruchlinientheorie 1132 Couette-Strömung 1764
– teilweiser 1582 Bruchmoment 1090 Cross-hole-Messung 1563
Bodenkennwert 1569 Brunnen 1514 CSG-Modell 23
Bodenluftabsaugung 1664 – -anströmung 1514 Culmannsches Verfahren 242
Bodenluftprobe 1658 – -ergiebigkeit 1905
Bodenmechanik 1640 – -formeln 1904
Bodenordnung 2047, 2055 – -regenerierung 1936 D
Bodenparameter 1561 – -reichweite 2110
Bodenphysik 1492 Bubble-Sort 17 Dachaufbau 2075
Bodenrecht 2052 Buchfahrplan 2159 Dachdecke 1352
Bodenseparation 1722 Buchwert 742 Dammbalkenwehr 1859
Bodenteilchen 1492, 1493, 1502 Building Information Model (BIM) Dammbruchwelle 1814, 1815
Bodenverbesserung 2200 30 Dampftraktion 2120
Bodenvereisung 1587 BuildingSmart 36 Dämpfung(s) 1566, 2116
Bodenverfestigung 2200 Bundes-Immissionsschutzgesetz – dimensionslose 1566, 1567
Bodenvernagelung 1590 2003, 2029 – -konstante 323, 1549, 1552
Bodenverunreinigung 1641 Bundesbaugesetz 2042 – -kraft 323, 1550, 1552
Bodenwertermittlung 754 Bundesberggesetz 1696 – kritische 1550
Bogenkreuzung 2136 Bundeseisenbahnvermögen (BEV) – -maß 324
Bogenschlag 74 2110 – massenproportionale 332
Bogenstaumauer 1874, 1876 Bundesraumordnungsprogramm 2037 – -matrix 327, 329
Bogentragwirkung 1123 Bundesschienenwegeausbaugesetz – modale 332
Bogenwechsel 2151, 2152 2111 – proportionale 328
Bogenwiderstand 2147 Bundesverkehrswegeplanung 2036, – steifigkeitsproportionale 332
Bohrbrunnen 1905, 1908 2085 – -verhältnis 1550, 1552–1555
Bohrlochreinigung 1455 Bürgschaft 558 – -vermögen 1366
Bohrlochwiderstand 1693 – selbstschuldnerische 558 – -wert 332
Bohrpfahl 1597 Business Reengineering 585, 586 Daniels-System 356
Bohrverfahren 1571 Darcy’sches Gesetz 1510
Bonus-Malus-Regelung 837 Data Warehousing 47
Böschung(s) 1541, 2130 C Datenmanagement 1731, 1732
– -winkel 956, 1620 Datenschutzrecht 2077
Böß-Verfahren 1810 C-S-H-Phasen 163, 169 Dauerfestigkeit 1162
Brackwasseraufbereitung 1920 Calcium 1939 – DsRD 1216
Brandabschnitt 1157 Calciumaluminatzement 171 – Spannungsspiel ¨s 1217
Brandschutz 1157 Calciumsulfat 165 Dauerhaftigkeit 1067, 1345, 1381,
– -verglasungen 1030 Calciumsulfat-Dihydrat 174 1459
– vorbeugender baulicher 2068 Casagrande’sche A-Linie 1496 Dauerstandfestigkeit 1075, 1377
Brandwand 2068 Casein 188 Decken 2203
Break-even-Analyse 456 Cash-flow-Maximierung 579 – -abhänger 1444, 1464
Break-even-point 381 Cauchy 205 – Asphaltdecke 2203
Brecher 1710, 1711 – Spannungstensor 205 – – Asphaltbeton (AC) 2204
Breite Cauchy’sche Bewegungsgleichung – – Gussasphalt (MA) 2205
– mitwirkende 1110 1754 – – offenporiger Asphalt (PA) 2204
– reduzierte 1544 CC-Verfahren 1456 – – Splittmastixasphalt (SMA) 2204
Breitschwellengleis 2133 Celluloseether 191 – – Betondecke 2205
Breitspur 2127 Charakteristikenverfahren 1799 – -auflage 156
Bremsarten 2117, 2150 Chloranlage 1936 – -einspannung 1362
Bremsgewicht 2117 Christaller 2034 – Pflasterdecke und Plattenbelag
Bremshundertstel 2117 Chromatproblematik 1012 2206
Brettholz 975 Client-Server-Architektur 4 – – Bettung 2207
Brettschichtholz 975 CO2-Geothermiesonden 1687 – – Deckschicht ohne Bindemittel
Brettsperrholz 1384 Construction Management 2208
Bruchdehnung 1021 – at agency 681, 706 – – Fugen 2207
Stichwortverzeichnis 2309

– – Pflasterrasen 2208 Dreigelenkbogen 239 Durchströmung


– – Pflastersteine 2207 Druck – schichtnormale 1511
– – Rasengittersteine 2208 – -bewehrung 1095 – schichtparallele 1511
– – Schotterrasen 2208 – Bezugsdruck 1741 – von Fels 1512
Deckungsstelle 2157 – Dampfdruck 1740 Duromere 178, 1032
Deflektograph Lacroix 2223 – -energie 1508 Düsenstrahlsohlen 1632
Deformationsmessung 87 – -erhöhungsanlage 1925, 1928, Düsenstrahlverfahren 1586
Dehnungszustand 1089 1929, 1939
Dekompression(s) 1146 – -festigkeitsklasse 1306, 1314
– -moment 1162 – -höhe 1503 E
Dekrement – -leitung 1934
– logarithmisches 324, 1550, 1564 – Luftdruck auf Meereshöhe 1741 EBO-Grenze 2144
Denitrifikation 1959, 1963 – -luftsenkkasten 1616 Eigenfrequenz 335, 1549, 1551, 1563
– Verfahren 1960 – -luftverordnung 1618 – Bodenschicht 1558
Denkmalschutz 2045 – -mittelpunkt 1744 Eigengewichtsspannung 1529
Deponiegasbildung 2022 – -pfahlgruppe 1609 Eigenkapitalrentabilität 412, 442, 466,
Desinfektion 1920 – -prüfung 1695 544
Detailpauschalvertrag 802 – -rohrleitung 1931 Eigenkreisfrequenz 329, 1557
Diagonalnetz 2121 – -segment 1861 – gedämpfte 1550
Dichte 1739 – -sondierung 1573 Eigenspannung 1121, 1418
– -anomalie 1739 – Unterdruck 1741 Einbindetiefe 1634
– des wassergesättigten Bodens 1497 – -ventile 1925, 1939 Einflussbeiwert 1524, 1525
Dichtwand 1627 – -veränderung 1426 Einflusslinie 242, 244
– vertikale 1660 – -zone 2045 – kinematische Ermittlung 245
Dickstoffpumpe 1713 Druckstabnachweis 1193 – Kraftgröße 242, 259
Dieseltraktion 2120 – Knickkurven 1193 – Verformungsgröße 260
Differenzinvestition 532 Druckstoß 1890 – Weggröße 250
Diffusion 1649 – -erscheinung 1797 Einflusswert 1525, 1527, 1528
Dihydrat, s. Calciumsulfat-Dihydrat Druckstrebenfestigkeit 1103, 1106 Einfriedung 2064
175 Druckstrebenwinkel 1101, 1102 Einkornbeton 1624
Direkte Steifigkeitsmethode 266 Dübel Einmassenschwinger 323, 325, 1548,
– Inzidenzmatrix 268 – chemischer 1445 1549, 1552, 1554, 1565
– vollständige Stabendkraftgröße 267 – Klebedübel 2220 – Bewegungsgleichung 1550, 1551
– vollständige Stabendweggröße 267 – mechanischer 1441 Einphasen-Schlitzwand 1626
Direktmontage 1440 – nachträgliches Verdübeln 2221 Einphasen-Wechselstrom 2120
Discounted Cash-Flow-Verfahren – -umrissfläche 1268 Einrichtungsplan 866
(DCF-Verfahren) 617, 751 – -wirkung 1100 – Abfallentsorgung 865
Dispersion(s) 1560, 1650, 1685 Dublettenanlage 1689 – Arbeitsfeld 864, 867
– hydrodynamische 1651, 1781 – Förderbrunnen 1689 – Lagerfläche 865
– -farbe 197 – Infiltrationsbrunnen 1689 – Sicherung der Baustelle 865
– -silikatfarbe 197 – Schluckbrunnen 1689 – Sozialeinrichtung 865
– Wärmedispersionskoeffizient 1685 – Verockerung 1689 – Strom- und Wasserversorgung
Distanzmessung 68 Düker 1988 865
Distributed Component Object Model Duktilität 1078, 1116 – Teileinrichtung 866
(DCOM) 47 – der Verbundmittel 1251 – Verkehrseinrichtung 865
Distributed Memory 3 Durchbiegung(s) 1134 – Werkplatz 865
Divisionskalkulation 479 – -berechnung 1112 Einscheibensicherheitsglas 1029
Dolomitkalk 173, 982 Durchfluss 1510, 1511, 1514, 1515 Einschlagdübel 1442
Doppelpacker 1588 Durchgangsverkehr 2171, 2174 Einschrittverfahren 330
Down-hole-Messung 1563 Durchlässigkeit(s) 1492, 1510, 1511, Einspar-Contracting 725
Dränen 1673 1777 Einstellprofil 1280
Drehbohren 1599 – -beiwert 1510, 1906 Einwohnerdichte 2041
Drehmoment 1442 – -versuch 1510, 1511 Einwohnerwert 1944
Drehstrom (3-Phasen-Strom) 2120 Durchrutschweg 2163 Einzelachsfahrwerk 2116
Drehtensor 209 Durchstanzen 1133 Einzelfundament 1591
Dreiecksimpuls 325 Durchströmturbine 1892 Einzellast 1408, 1522
2310 Stichwortverzeichnis

Einzelradfahrwerk 2116 Entsalzung 1920 Ersatzlänge 1152


Einzelrissbildung 1081, 1083 – Umkehrosmose 1920 Ersatzlast 1387
Einzugsbereich 2123 Entsandungsanlage 1628 Ersatzstabverfahren 1387, 1390
– mittelbarer 2123 Entsäuerung 1918 Erschließung 2040, 2047, 2056
– unmittelbarer 2123 Entschäumer 193 – verkehrliche 2046
Eiprofil 1981 Entwässerung(s) 2131 Erstarren 983
Eisen 1016, 1904, 1909, 1917–1919 – -satzung 1965 Erstbelastung 1518
Eisenbahn 2114, 2031 Entwässerungsverfahren 1969 Erstbewertung 1641
– -brücken 2131, 2140 – Kriterien 1971 Erstrissbildung 1246
– -bundesamt (EBA) 2110 – Sonderverfahren 1970 – abgeschlossene 1248
– des Bundes 2092 Entzugsleistung 1694 Ertragswertverfahren 615, 746
Elastizitätsmodul 209, 211, 1234, – Bodenplatte 1694 – vereinfachtes 751
1740 – Doppel-U-Sonde 1694 Estrich, schwimmender 156
Elektro-Osmoseverfahren 1584 – Energiepfahl 1694 Ettringit 166, 984
Elementfreiheitsgrad 292 Epoxidharz 177 Eulersche Bewegungsgleichung 1760
– unabhängiger 293 Erdbauwerk 2130 Eulersche Knicklast 270
– vollständiger 293 Erdbeben 1547, 1549, 1553, 1559 Eutrophierung 1907, 1908
Elementnachgiebigkeitsmatrix 293 Erddamm 1564 Exponentialverteilung 342
Elementsteifigkeitsmatrix 293, 300 Erddruck 1367, 1531, 1535 Extraktionsverfahren 1661
Elementvariable 295 – aktiver 1539 Extremalprinzip 1801
– unabhängige 295 – -ansatz 1633 Extrudierbeton 1717, 1721
– vollständige 295 – -beiwert 1367, 1536 Extrusionsmodell 24
Endverankerung 1274 – erhöhter aktiver 1634
Energie – -kraft 1535
– -ausweis 124 – passiver 1539 F
– -bilanz 94, 2073 – -resultierende 1726
– -effizienz 1936 – -schild 1705, 1712, 1713, 1715, Fachwerk 241
– -erneuerbare 126 1716, 1736, 1737 Facility Management 622, 625
– -höhe 1508 – -umlagerung 1633 Factoring 556
– kinetische 1508, 1756 – -verteilung 1539 – offenes 556
– Verbrauchsausweis 124 Erddrucktheorie – stilles oder verdecktes 556
– -verluste 1936 – klassische 1535 Fahrbahnquerschnitt 2138
Energiedissipation 1552, 1555 – von Coulomb 1535 Fahrdynamik 2141
– in Böden 1552, 1554 – von Rankine 1537 Fahren 2158
Energieeinsparung(s) 89, 1039, 1936, Erdkörper 1491, 1492, 1506 – auf elektrische Sicht 2158, 2163
2072 Erdschüttdamm 1872 – auf Sicht 2141, 2158, 2163
– EnEV 1040, 1041 Erdstatik 1535 – im absoluten Bremswegabstand
– -gesetz 2063 Erdwärmeaustauscher 1684 2158, 2163
– Primärenergiebedarf 1041 Erdwärmekollektor 1687 – im Raumabstand 2141, 2158,
– -recht 2073 – Erdwärmekorb 1688 2163
Energieeinsparverordnung 115, 117, – Grabenkollektor 1688 – im relativen Bremswegabstand
2063, 2066 Erdwiderstand 1539 2163
Energieliefer-Contracting 726 Erfolgskontrolle 1664 – im Zeitabstand 2158, 2163
Enteisenung 1918, 1919 Erfolgsrechnung nach IAS 465 Fahrgastinformationssystem 2126
Entgleisung(s) 2145 Erfolgsspaltung 451 Fahrplan 2158
– -geschwindigkeit 2146 Ergebnisrechnung 493 – -konstruktion 2160
– infolge Spurkranzaufkletterns 2146 Erhärten 983 Fahrradverkehr 2190
– -kriterium 2146 Erkundungstiefe 1572 – Radwegführung 2192
– -sicherheit 2146 Ermüdung(s) 1159, 1269, 1377 Fahrrinne(n) 2242
Enthärtung 1919 – -beiwert 1377 – -breite 2243
– Kalk-Soda-Verfahren 1919 – -bruch 1022 – -tiefe 2242, 2243
– Säure-Entkarbonisierung 1919 – -festigkeit 1270 – Kielfreiheit 2242
– Schnellentkarbonisierung 1919 Erosion 1670 Fahrschaulinie 2158
Entlinearisierung 585 Erregung, harmonische 326 Fahrsignal 2164
Entmanganung 1913, 1918, 1919 Ersatzimperfektion 1284, 1288, Fahrstraßenauflösezeit 2160
– Filter 1919 1289 Fahrstraßenbildezeit 2160
Stichwortverzeichnis 2311

Fahrwegsicherung 2163 – -geschwindigkeit 1508, 1510, Flockung(s) 1909, 1910, 1966


Fahrwerk 2116 1512, 1514 – -anlage 1910
Fahrwiderstände 2148 – -medien 1914 – -mittel 1909, 1910
Fahrzeitverbesserung 2154 – offener 1914 – -tests 1910, 1941
Fahrzeugortung 2162 – Raum- 1914 Flood Routing 1830
Fahrzeugprofil 2115 – Schichtaufbau 1914 Flugasche 994
Falling-Weight-Deflektometer 2224 – Spülung 1914 Flügelsondierung 1574
Fällung 1917, 1966 – Stoffphasen 1914 Flughafen 2278
Faserbeton 1014 – -strömung 1500, 1508, 1512 – Anflughilfe 2288
Faserholz 977 – -widerstand 1914 – Anlage für den ruhenden Verkehr
Faserrichtung 1373 Filtration 1900, 1902, 1913–1915, 2294
Faserspritzbeton 1015 1917–1919 – Bauschutzbereich 2287
Fassungsanlage 1901, 1906 – Druckgefälle 1913 – Befeuerung 2288
Fassungselement 1675 Finanzierung 543 – Flugzeughalle 2293
– horizontales 1675 – aus Abschreibungen 546 – Frachtabfertigung 2293
– vertikales 1675 – aus Rückstellungen 547 – Generalausbauplan (Masterplan)
Federsteifigkeit 1566 – durch Rationalisierung und 2284
– dimensionslose 1566, 1567 Cash-Management 547 – Hindernisbegrenzungsfläche 2287
– dynamische 1565 Fischabstiegshilfe 1870 – landseitige Anbindung 2294
Federung 2116, 2117 Fischaufstiegshilfe 1870 – Luftverkehrsprognose 2284
Feinkornbaustähle 1025, 1233 Flächenbaulast 2079 – Passagierterminal 2289
Feldversuch 1561, 1575 Flächenbedarf – Planfeststellung und Genehmigung
Fellenius-Regel 1542 – stadtplanerischer 2041 2283
Felsmechanik 1640 Flächenbelastung 1954 – Planung, Bau und Betrieb 2278
Fernleitung 1925, 1931, 1932 Flächenfilter 1964 – Rechtsform 2278
Fernsteuerung 2165 Flächengründung 1476 – Rollweg 2288
Fernverkehr 2108, 2124 Flächennutzungsplan 2045, 2053 – Standortfaktor 2282
Fernwärme 2047 – regionaler 2046 – Start- und Landebahn 2285
Ferrat 162 Flächenplanung 842 – Systemelement 2285
– -phase 159 Flächenreaktivierung 1641 – Vorfeld 2288
Fertighaus 2067 Flächenrelationsmethode 2075 Flussbau 1880
Fertigteil 1136 Flächenversickerung 1991 Flüssigkeitsballen 1758
Fertigteilbeton 188 Flachprofil 1624 Flüssigkeitsschild 1705, 1706,
Festbettanlage 1953, 1954 Flachwassergleichung 1814 1710–1712
Feste Fahrbahn (FF) 2131, 2132 Flankenschutz 2164 Flüssigkeitsteilchen 1747
Festgestein 1491 Flankenschutzeinrichtung 2157 Flussmorphologie 1881
Festigkeit(s) 1373, 2067 Flexibilität 1053, 1056, 1057, 1059 Flussregelung 2239
– des Bodens 1529, 1531 – Gebäudekonzept 1051, 1055, – Bodenumlagerung im Gewässer
– -entwicklung 1007 1061 2242
– -hypothesen 214, 1532 – Gebäudestruktur 1059 – Driftwinkel 2239
– -kennwerte 1374 – Installations- 1059, 1060 – Fahrrinnenbreite 2239
– -lehre 205 – Leitungsführung 1059 – Fahrrinnenmaße 2239
Feuchteänderung 1375 – Nutzungs- 1053, 1057, 1059, – Fahrrinnentiefe 2239
Feuchteschutz 130 1061 – – Abladetiefe 2239
Feuchtetransport 133 – Struktur 1061 – Längsgefälle 2242
Feuerung 2015, 2016 Fliesenkleber 180, 183 – Mittelwasserregelung 2239
Feuerungsverordnung 2077 Fließbedingung 211, 212 – Niedrigwasserregelung 2239
Feuerwiderstandsfähigkeit 2069 Fließdruck 1612 – Tide 2242
Feuerwiderstandsklasse 1159, 1421 Fließgelenk 276, 1115 – Verfüllung 2242
Filter 1913 – -theorie 1236, 1255, 1276 Flusssperre 1855
– -ablauf 1914 Fließgrenze 1494, 1496 – bewegliches Wehr 1858
– -anlage 1918, 1919, 1936 Fließmittel 184, 185 – festes Wehr 1856
– -bauweise 1914 Fließmoment 1090 – kombiniertes Wehr 1864
– Druckfilter 1914 Fließregel 211, 213 Flusswasser 1899, 1900
– -eigenschaft 1642 Fließtiefe 1800 Flutplanverfahren 1974
– Fließrichtung 1914 Floatglas 1029 Folientechnik 28
2312 Stichwortverzeichnis

Formänderungsarbeit 222, 224, 246, Gebrauchstauglichkeit(s) 337, 1344, – Relativ- 1754


284 1425 – -überwachung 2162
– äußere 222, 227 – Beschränkung der Exzentrizität – -verteilung 1792
– Eigenarbeit 247 1346 – wahre 1508
– innere 223 – Deckendurchbiegung 1345 – -ziffer 1783
– Verschiebungsarbeit 247, 248 – -nachweis 1179 Gesellschaftsrecht 712
Forstwirtschaft 1908 – Randdehnung 1346 Gesetz von Darcy 1510
Fourier-Analyse 1549 Gefährdung(s) 1642 Gesteinskörnung(s) 991
Fraktile 339 – -abschätzung 1642 – -gemisch 2201
Freiheitsgrad 328 – auf der freien Strecke 2163 – industriell hergestellte 2201
Freikalk 162 – -beurteilung 872 – Korngrößenverteilung 2202
Freistrahl 1767 – -haftung 2114 – leichte 992
Fremdvergabe 734 – im Bahnhof 2163 – natürliche 2201
Fremdwasser 1972 – -potenzial 1642 – rezyklierte 992
Frequenz 144, 323, 1374, 1566 Gefahrpunktabstand 2163 Gewässerquer- und -längsschnitt 2239
– dimensionslose 1566 Gefälle, hydraulisches 1509, 1510 Gewässerschutz 1901, 1908
– -verhältnis 1552 Gefüge 1020 Gewerbebaufläche 2046
Friedhofsbedarf 2045 Gegenstromprinzip 2038 Gewichtsstaumauer 1874, 1875
Frost-Tau-Wechsel 202, 1695 Geh- und Radweg 2085 Gewinnmethode 753
Fugenausbildung 1718, 1719 Geländeoberfläche 1509 Gewinnschwelle 381, 383
Fugenbänder 2219 Geländesprung 1531, 1541 Gewölbe 1368
Fügetechnik 1429, 1436 Gelenk Giebelfläche 2075
Fundamentversagen – plastisches 1115 Gipsputz 183
– duktiles 1475 Generator (Wasserkraft) 1891 Gips, s. Calciumsulfat-Dihydrat 174,
– Fließgelenk 1475 Genussschein 549 980
– sprödes 1475 Geogitter 1674 Glas 1029, 1414
Funkbasierter Fahrbetrieb (FFB) Geoid 65 – chemisch vorgespanntes 1030
2166 Geokunststoff-Ton-Dichtung (GTD) – Diskontinuität 1414
Funkzugbeeinflussung (FZB) 1671 – Kerbe 1414
2166 Geometrie 21 – Mikroriss 1414
Furnierschichtholz 976 – assoziative 30 – sprödes 1414
Fußbodenverlaufsmasse 180 – Verfahren 1222 – teilvorgespanntes 1030
Fußeinspannung 1634 Geotechnik 1473 Glasfaser 1014, 1030
Fußgängerverkehr 2190 – Baugrundeigenschaft 1474 Glasfestigkeit 1414
Fußpunkterregung 1549 – Baugrundkennwert 1474 – Biegefestigkeit 1414
– harmonische 1549, 1551 – Grundwassersituation 1474 Gleichdruckturbine 1892
– transiente 1552 Geothermal Response Test 1692 Gleichgewicht(s)
Fuzzy-Logik 1735 – Enhanced 1693 – hypothese 406
Geothermie 1683 – -operator 283
– oberflächennahe 1683 – -preis 385
G – Rückbau 1696 – -torsion 1124
– -sonde 1686 – -transformation 291
Gammaverteilung 342 – tiefe 1683 Gleichmaßdehnung 1021
Garagenverordnung 2076 Geräuschimmission 2063 Gleichstrom 2120, 2129
Gasaustausch 1910, 1911, 1918, Gerberträger 238 Gleichwertiger Wasserstand (GlW)
1919 Gerinne 1799 2239
Gasfassung 1674 – offenes 1799 Gleis 2131
– aktive 1674 – überdecktes 1799 – -abstand 2138
– passive 1674 Gerüst 904 – -bogen 2151
Gasgleichung 131 Geschiebetrieb 1883 – -freimeldung 2162
Gauß’scher Prozess 344 Geschossflächenzahl 2043 – -querung 2131
Gebäudeachsenplan 655 Geschwindigkeit(s) 2127 – -schere 2153
Gebäudeklasse 2071 – Absolut- 1754 – -schotter 2131
Gebäudeklimatisierung 1684 – Führungs- 1754 – -verbindung 2129, 2134
Gebietstypen 2043 – -heft 2159 – -verschlingung 2136
Gebirgsdurchlässigkeit 1492 – -potenzial 1771 – -verziehung 2151, 2154
Stichwortverzeichnis 2313

Gleitfestigkeit 1206 – -formel 1544 – Fähranleger 2264


– steifenlose Verbindung 1208 – hydraulischer 1509, 1631 – gleislose Flurfördermittel
– Träger-Stützen-Verbindung in Stahl – -last 1544 2264
1208 – -sicherheit 1681 – Kaianlage 2261
Gleitfläche(n) 1532, 1535, 1541, – -widerstand 1596 – -planung 2259
1542 Grundschuld 556, 558 – Seehafen 2229, 2260
– gekrümmte 1540 Gründung(s) – -sohle 2261
– -winkel 1535–1537 – -breite 1544 – Werkshafen 2230
Gleitschienenverbau 1622 – -körper 1491 Haftreibung 2142
Gleitsicherheitsnachweis 1680 – schwimmende 1601 – Beiwert 2142, 2155
Glühen 1018, 1020 – -tiefe 1544 Haftscherfestigkeit 1361
Goodman-Diagramm 1160 Grundwasser 1503, 1504, 1506, Haftung 2114
Grabenbreite 956 1507, 1509, 1897–1899, Haftungsabgrenzung 663
Grabenverbau 1621 1902–1907 Haftungsverhältnis 443
– -geräte 1622 – -absenkung 1516, 1631 Haftwasser 1503, 1504
Gradient 1683 – freies 1515 Hägerstrand 2035
– geothermischer 1683 – gespanntes 1515, 1903 Halbhydrat, s. Calciumsulfat-Dihydrat
– hydraulischer 1508 – Infiltrationsbrunnen 1906 174, 175
Graffiti 2064 – -neubildungsrate 1902 Halbraum 1522, 1523
Granulation 987 – -schutz 1908 – geschichteter 1560
Granulometrie 1497 – Sickerschlitzgraben 1906 Haltestelle(n) 2122, 2157
Graphikprimitive 27 – -spiegel 1503, 1506, 1513, 1904, – -abstand 2124
Gravitationswasser 1503, 1504 1905 – -erreichbarkeit 2113
Greiferbohren 1599 – -strömung 1571, 1777 Hammerbohrung 961
Grenzabstand 2046 – ungespanntes 1903 Härten 1018
Grenzflächenspannung 137 – -verhältnisse 1569 Hauptdehnungshypothese 214
Grenzfrequenz 151, 1560 – Wassergefährdung 1907 Hauptgleis 2157
Grenzgefälle 1806 Grundwasseranreicherung 1900, Hauptleitung 1922, 1931
Grenzgleichgewichtszustand 1905, 1906 Hauptspannung(s) 207
1538 – künstliche 1906 – Hauptnormalspannung 208
Grenzkostenrechnung 489 Grundwasserleiter 1902, 1903 – -hypothese 214
Grenzlinie 2115 – freier 1904 Hauptzugspannung 1423
Grenzschichtentwicklung 1765 – gespannter 1777,1902 Haushaltsbildungsverhalten 2044
Grenzspannungszustand 1531 – halbgespannter 1777 Hausschwamm 978
Grenztiefe 1526, 1528, 1596 – ungespannter 1777 Heben und Festlegen von Platten
Grenztragfähigkeit 1544 GSt-Fahrzeuge 2145 (HFP) 2219
Grenzzustand 337, 1380, 1538 Gumbel-Verteilung 342 Heberwehr 1858
– aktiver 1536–1538 Gurtanschluss 1111 Heißlagerungstest 1427, 1436
– Boden 1529 Gurtbreite 1252, 1253 Heizwärmebedarf 120
– Gebrauchstauglichkeit 1380 Gussasphalt 1031 Hertzsche Fläche 2142
– Gebrauchstauglichkeit (GZ 2) Gussglas 1029 Hinterschnittdübel 1443
1271, 1546, 1591 Gütertransportfahrzeug 2119 Hochbahnsteig 2124
– Gebrauchstauglichkeit (GZG) Güterverkehr (GV) 2108 Hochdruckanlage (Wasserkraft)
1480 Güteüberwachung 1009 1890, 1892
– passiver 1537, 1539 Hochflurfahrzeug 2124
– Tragfähigkeit (GTZ) 1380, 1480, Hochofenzement 170, 985
1591 H Hochpolymerfolie 1420
– Verlust der Gesamtstandsicherheit Hochwasser 1824
1546 H-Phase 170 – -rückhaltebecken 1846
– Verlust der Lagesicherheit 1546 Hafen – -schutz 1906
– Versagen von Bauwerken – -außenwerk 2260 Höhe(n) 65
und Bauteilen 1546 – -becken 2260, 2265 – -aufnahme 73
Grobsiebmaschine 1724 – -betriebsfläche 2261, 2264 – baulicher Anlagen 2046
Grundablass 1868 – Binnenhafen 2229, 2230, 2264 – Gebäude 2071
Grundbruch 1475, 1544 – -einfahrt 2265 – geodätische 1508
– -figur 1544 – Fahrrinne 2265 – hydraulische 1508
2314 Stichwortverzeichnis

Höhe(n) Hydrophobierung 195, 196, 1033 Intensivverdichtung 1584


– -koten 2129 Hydroschild 1705, 1707, 1709–1711, Interaktionseinfluss 1477
– -linien 2045 1716, 1722 – Pfahl-Baugrund-Interaktion
– -messung 70 Hydrozyklon 1722, 1724, 1725 1477
– -netz 61 Hysterese 1552–1554, 1564 – Pfahl-Pfahl-Interaktion 1477
– orthometrische 66 – Pfahl-Platten-Interaktion 1477
– -plan 2154 – Platte-Baugrund-Interaktion
– -system 65 I 1477
– -vermessungen 1678 International Accounting Standards
Hohlkasten 1104 Immission 1643 (IAS) 456
Hohlprofil 1280 Immobilien Internationale Allianz für Interopera-
Holz 966 – -Aktiengesellschaften 697 bilität (IAI) 36
– Aufbau 968 – -Benchmarking 729 International Financial Reporting
– Dauerhaftigkeit 975 – betriebsnotwendige 691 Standards (IFRS) 456
– Dichte/Rohdichte 971 – -bewertung 622 Interoperabilität 2109, 2166
– Elemente 968 – -Controlling 726 Interpolationspolynome 300
– Festigkeit 971 – -fonds, geschlossener 423 – Hermite’sche 300
– Feuchte 970 – marktfähige 690 Investitionsanalyse 452
– Härte 974 Imperfektion 1153, 1190 Investmentmethode 752
– Quellen 970 – geometrische Ersatz- 1191 Ionenaustausch 1419, 1651, 1918
– Schwinden 970 In-situ-Verfahren 1643, 1661 Isochronen 1520, 1522
– -sortierung 1373 Indirekteinleitung 1965 Isolierverglasung 109
– thermische Eigenschaften 971 Individualverkehr(s) 2169 Isothermen 92
– -werkstoff 975 – Betrieb 2194
Holz-Beton-Verbundbauweise – motorisierter 2169, 2170, 2176
1402, 1404 – -netze 2170 J
Holzbalkendecke 1402 – nichtmotorisierter 2169, 2170,
Holzschädlinge 978 2176, 2177 Jacobi-Matrix 208
– Pilze 978 – -systeme 2169 Jahres-Primärenergiebedarf 118, 120
– tierische 978 Induktive Zugsicherung (Indusi) 2166 Jahresfinanzplan 560
Holzschutz 978, 980, 1381 Industry Foundation Classes (IFC) 36 Jahresniederschlag 1902
– baulicher 980 Infektionsschutzgesetz 1896
– chemischer 980, 1381 Infrastrukturinvestition 2031
– konstruktiver 1382 Injektionsmittel 1588 K
– -mittel 198 Injektionsmörtel 1466
Holzwolle-Leichtbauplatten 977 Injektionssohle 1632 Kabeltrasse 2139
Holzwurm 979 Injektionssystem 1447 Kalk 981
Honorarbemessungsparameter Innendämmung 140 – hydraulischer 174
839 Innenfinanzierung 545 – -treiben 201
Horizontal-Erdbohrverfahren Insektenbefall 1381 Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht
961 Insolvenzprophylaxe 564 1898, 1918
Horizontal-Pressbohrverfahren Insolvenzvermeidung 563 Kalksandstein 1303–1306, 1314,
960, 961 Instandsetzungsverfahren 2215 1316, 1317
Horizontalbelastung – Dünne Schichten im Heißeinbau Kalkstandard 160
– aktive 1610 (DSH) 2216 Kalkulationsverfahren 479
– passive 1611 – Dünne Schichten im Kalteinbau Kalorimeter 1694
Horizontalfilterbrunnen 1906 (DSK) 2216 Kältemaschine 1689
Huckepackverkehr 2126 – Ersatz einer Deckschicht (ED) Kaltverformung 1021
Hüttensand 171, 987 2217 Kamerabefahrung 1678
Hydratation 983 – Oberflächenbehandlung (OB) Kammerbeton 1234, 1255
Hydratationsvorgang 1473 2215 Kammerplattenverbau 1622
– Kriechen 1473 – Rückformen (RF) 2217 Kanalbau 2045
– Schwinden 1473 Integraler Taktfahrplan (ITF) 2122 Kanaldielen 1622
Hydraulizität 987 Integratives Kooperationsmodell 52 Kanaldimensionierung 1978
Hydrodynamik 1750 Integrierte-Glas-Sandwich-Dichtung – Kanalquerschnitt 1979
Hydrojet 1705 (IGSD) 1671 – Mischwasserentlastung 1983
Stichwortverzeichnis 2315

Kanalinspektion 1996 Klinker 983 Koppelfuge 1145


– geophysikalische Methoden Knicken 1194, 1355, 1362 Kopplungsverbot 832
1998 Knicklänge(n) 1152, 1355 Korn 1492
– optische 1996 – -beiwert 1391 – -dichte 1496
Kanalisation(s) 1969, 2047 Knicklast 1151 – -durchmesser 1502
– Bestandserhaltung 1993 Knickspannungskurve 1289 – -gerüst 1504, 1507, 1509
– -rohr 1981 Knotenfreiheitsgrad 290, 298 – -größe 1493, 1499
– Sanierungsstrategie 1995 – aktiver 290 Körnungslinie 1492, 1493
Kanalnetzberechnung 1970, 1974 – passiver 290 Korrelationskoeffizient 347
– Fließgeschwindigkeit 1981 Knotengleichgewichtsbedingung 291 Korrosion(s) 1027
– Querschnittsformen 1979 Knotenkraftgröße 232 – biologische 203
Kanalsanierung 1993, 1999 Knotenmomente 1348, 1350 – -Inhibitoren 1917
– Nachhaltigkeit 2001 Knotenpunkt(e) – -schutz 203, 1027, 1067
Kantenbearbeitung 1436 – -bahnhof 2126 Kosten 411
Kapazitätsbemessung 1214 – Kreisverkehr 2188 – anrechenbare 840, 843
– Ermüdungsnachweis 1216 – Leistungsfähigkeit 2188 – fixe 381
– Wöhler-Kurve 1216 – planfreier 2184 – kalkulatorische 412
Kapazitätserweiterung 2041 – plangleicher 2186 – Nachunternehmerleistung 475
Kapazitätsqualität 2161 – signalisierter 2189 – variable 381
Kapillarbereich 1503 – unsignalisierter 2188 Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) 538
Kapillardruck 137, 1502, 1508 – -system 2126 Kostenoptimierung 1211
Kapillarität 1500, 1501 Kohäsionsbeiwert 1536, 1537 – Komponentenmethode für
Kapillarkohäsion 1502 Kohlensäure 1897, 1898, 1909, 1918 Verbindungen 1212
Kapillarleitung 137 Kohlenstoffverbindung 1917 – Schweißverbindungen 1212
Kapillarsperre 1672 Koinzidenzeffekt 151 Kraft 1752
Kapillarwasser 1503, 1504 Kolbenpumpe 1925 – Massenkraft 1753
Kapillarzug 1508 Kolkschutz 1867 – Oberflächenkraft 1753
Kapitalflussrechnung 448 Kombinationssignal 2164 – resultierende Druckkraft 1743
– nach IAS 466 Kombinationswand 1624 – Volumenkraft 1753
Kapitalgesellschaft 423 Kompostierung 2006–2008, 2010, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen 127
Kapitalintensität 397 2011, 2022 Krafteinleitung 1290, 1291
Kapitalproduktivität 397 Kompressionsbeiwert 1518 Kraftgröße 255, 256, 290, 291, 295
Kapitalstock 395 Kompressionsgerät 1517 – Elastizitätsgleichung 257
Kapitalstrukturregel 561 Kompressionsmodul 211 – Elementnachgiebigkeitsmatrix
– horizontale 562 Kondensation 327 263
– vertikale 563 – modalanalytische 327 – Formänderungsbedingung 257
Kapitalwertmethode 533 – statische 328 – Verformungskontrolle 258
Karbonatisierung 1067 Konduktion 1685 – Vorzeichenkonvention I 263
Kaskadenmodell 681 – Wärmeleitfähigkeit 1685 Kreiseigenfrequenz 323
– Projektmanagementpraxis 683 Konsolidierung(s) 1516, 1519 Kreiselpumpe 1925, 1926, 1936
Kataster 1643 – -beiwert 1521 Kreisfundament
– -grundstücke 2049 – -grad 1521 – äquivalentes 1566
Kavitation 1927 – -setzung 1517, 1519 – komplexe Steifigkeitsfunktion
Kehlnaht 1212 – -theorie 1520 1566
Keilschlupf 1142 – -vorgang 1473 – statische Steifigkeit 1566
Kelvin-Voigt-Körper 1554 Kontraktorverfahren 1627 Kreislaufschema 392
Kerbgrundverfahren 1222 Kontrollbauwerk 1808 Kriechbeiwert 1239
Kernweite 1591, 1592 Kontrollvolumen Kriechdehnung 1011
Key Performance Indicators (KPI) 570 – integral 1751 Kriechen 1011, 1075, 1135, 1376
Kies 1493, 1494, 1510 – lokal 1751 Kriechneigung 1454
Kinematikoperator 283 Konvektion(s) 91, 1685 Kriechsetzung 1516, 1517, 1519,
Kippbeiwert 1393 – walze 95 1520
Kippen 1155, 1392 – Wärmekapazität 1685 Kriechverformung 1011
Kippgeschwindigkeit 2146 Konvergenzrichtwerte 391 Kriechzahl 1011, 1075
Kippstabilität 1157 Kopfbolzen 1440, 1441, 1463 Krümmung(s) 1088, 1152
Kirchhoff-Love-Hypothese 288 – -dübel 1235, 1263, 1266, 1267 – -zahl 1492
2316 Stichwortverzeichnis

Kühlung 1689 Laufzeitmessung 1561 – Luftfahrtgesetzgebung 2275


– freie 1689 Lautstärkepegel 146 – Systemelemente 2271
Kulturdenkmal 2042 Lebenszyklus 622 – Wirtschaftsfaktor 2274
Kundenzufriedenheit 586 – -orientierung 720 Luftverunreinigung 2063
Kunstbauwerk 2131 – -phase 624 Luftwechselzahl 96
Kunstharzmörtel 1034 Legierung(s) 1021
Kunstharzpressholz 976 – -element 1020
Kunststoff 1032 Leichtbeton 1014, 1069, 1304–1306, M
– -dispersion 180 1318, 1330, 1344
– -dübel 1445, 1464 – haufwerksporiger 1014 m+k-Methode 1276, 1278
– -faser 1014 Leichtprofil 1624 Magnesiabinder 176
Kupfer 1028 Leistung 412 Magnesiatreiben 201
Kupplung 2118 – übertragbare 2149 Mahlhilfsmittel 162
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) Leistungsphase 841 Mammutpumpe 1925
455 Leistungsrechnung 493 Managementsystem 599
Kurzzeitlast 1426 Leit- und Sicherungstechnik 2162 – integriertes 575
Leitungsnetz 2297, 2299–2301 – zertifizierbares 603
Leitungsverlegung 2299 Mängelansprüche 816
L – Fernmeldekabel 2302 Manschettenrohr 1588
– Fernwärmeleitung 2300 Mantelreibung 1597
Lageenergie 1508 – Gasleitung 2300 Market value 752
Lagegebot 2075 – Hochspannungskabel 2301 Marktattraktivität 576, 584
Lagenetz 61 – Leitungsgang 2299 – der Objekte 694
Lagenholz 976 – Niederspannungskabel 2301 Märkte
– Furnierschichtholz 976 – Starkstromkabel 2301 – monopolistische 385
– Furnierstreifenholz 976 – Straßenquerschnitt 2298 – oligopolistische 385
Lagerungsdichte 1497, 1574 Leitwand 1626 – polypolistische 385
– bezogene 1498 Lichtbogenhandschweißen 1023 Marktorientierung 720
Laibung 1368 Lichtraumbedarf 2129 Martensit 1019
Lamé’sche Konstante 211 Ligninsulfonat 185 Masse-Feder-System 152
Lamellenverfahren 1542 Lignosulfonat 185 Masseband-Modell 2149
Landschaftsplanung 2050 Liniennetz 2122 Massenkraft 323
Längsfuge 1718, 1720 Listenrechnung 1974 Massenstrom 1750
Längsneigung 2154 Lockergestein 1491 – -dichte für Wasserdampf 135
Längsschubkraft 1263, 1268, 1274 Löffelbinder 983 Massepunkt-Betrachtung 2148
Längsschubtragfähigkeit 1258, 1277, Lognormalverteilung 342 Massivabsorber 1688
1278 Lohnnebenkosten 473 – Bodenplatte 1688
Langzeitlast 1426 Lohnzusatzkosten 473 – Energiepfahl 1688
Langzeitsicherungsmaßnahme 1678 Lokomotivmasse 334 – Energieschlitzwandelement 1688
Langzeitverhalten 1458 Löschwasserbedarf 1923, 1931, 1933, – Energietübbing 1689
Laplace’sche Differentialgleichung 1939 – Energievlies 1689
1512, 1772 Losradfahrwerk 2116 Maßnahmen-/Entscheidungskatalog
Lärmsanierungsprogramm 2141 Love-Welle 1560 661
Lärmschutzanlage 2141 LTB-Übersicht 2061 Maßnahmenwert 1643
Last Luftbedarf 1731 Maßstabeffekt 1070, 1130
– -annahme 2116 Luftfeuchte 131 Maßtoleranz 1433
– -ausmitte 1363 Luftporen 190 Materialdämpfung 1559, 1561, 1564,
– -einwirkungsdauer 1379 Luftschall 147, 2072 1566
– -fläche 1526 Lüftungswärmeverlust 96 – im Boden 1555
– generalisierte 330 Luftverkehr 2271 Materialgesetz 1492
– -Verschiebungskurve 1397 – Auswirkungen auf die Umwelt Materialkennwert 1374
Lasteinleitung 2295 Matrix
– direkte 1108 – Behörden und Organisationen – Formfunktion 298
– indirekte 1110 2275 – IT-Tool im Projektmanagement
Laufdrehgestell 2116 – Flughäfen 2278 718
Laufwiderstand 2148 – historische Entwicklung 2271 – Verzerrungsformfunktion 299
Stichwortverzeichnis 2317

Mauerbinder 176 Momenten-Krümmungs-Beziehung Netz


Mauermörtel 1306–1309, 1311, 1091 – Druckverhältnisse 1929
1313–1316, 1319, 1327, 1335, Momentennullpunkt 1349 – Individualverkehr 2173
1336, 1343 Momententragfähigkeit 1257, 1258 – Mindestdruck 1929
Mauerwerk 1311 – plastische 1256 – -planung 2121
– Sichtmauerwerk 1309, 1311, 1314 Momentenumlagerung 1254 – -struktur 2121
Mauerziegel 1301–1303, 1316, 1317, Monosulfat 165 – -verflechtungen 2123
1322–1324, 1330, 1339 Monte-Carlo-Integration 349 Newmark-Methode 324, 332
Meerwasser 1902, 1920 Monte-Carlo-Verfahren 365 Nickel 1028
– -entsalzung 1920 Moody-Diagramm 1793 Nickel-Sulfid 1426
– solarthermische Destillation Motorwagen 2121 Niederdruckanlage (Wasserkraft)
Mehlkorn 997 Moving Block 2167 1887
Mehrbrunnenanlage 1515, 1516 Muldenversickerung 1991 Niederdruckinjektion 1586
Mehrfachbefestigung 1465 Müllverbrennungsanlage 2012, 2013, Niederflurfahrzeug 2124
Mehrscheibenisolierglas 1420 2016, 2029 Niederschlag(s) 1817
Mehrsystemantrieb 2120 Multibarrierenkonzept 1668 – -Abfluss-Modelle 1826
Melaminharz 186 Multibarrierensystem 2019 – Fronten- 1817
Membraneffekt 1123, 1133 Multiplan-Platten 975 – Gebiets- 1818
Membranfiltration 1964 Multizyklon 1722, 1725 – konvektiver 1817
Membrantechnik 1915, 1966 – -messung 1817
– Lösungs-Diffusions-Membran – orographischer 1817
1915 N – Schnee 1818
– Porenmembran 1915 – -wasser 1902, 2043
Meridianstreifenabbildung 63 Nachbarrechtsgesetz 2058 Niedrigwasserstatistik 1832
Mess- und Kontrolleinrichtung Nachbruchbereich 1358 Nitrat 1909, 1918, 1919, 1920
– bei oberirdischen Deponien 1678 Nachhaltigkeit 1049, 1050, 1052, – -belastung 1898
– bei Talsperren 1877 1053, 1055, 1061, 1062, 2065 – -entfernung 1921
Messroboter 73 – Beurteilung 1051, 1052, 1062, Nitrifikation 1954, 1958, 1963
Metallspreizdübel 1442, 1463 1064 Nivelliergerät 70
Methodendefizit 587 – Bewertung 1050, 1052, 1061, Nomogramm 1979
Methylcellulose 191 1062, 1064 Normalbeton 988
Mikrofiltration 1915 – GrunaBau 1050, 1061, 1062, 1064 Normalenhypothese 224
Mikrorisse 1068 – ökologische 1064, 2065 Normalhöhe 66
Mikrotunnelbau 963 – ökonomische 2065 Normalprofil 1624
– Bodenverdrängung 963 – soziale 2066 Normalspannung 1753
Mindestauflagertiefe 1356 Nachklärbecken 1949, 1957 Normalspur 2127
Mindestbewehrung(s) 1121, 1149 – Zonen 1950 Normung 1039, 1041, 1042
– -grad 1257, 1258, 1272 Nachlaufströmung 1767 Nulllinie 1257
Mindestverdübelungsgrad 1251 Nachtragskalkulation 469 Nutzenpunkt 539, 574
Mindestwärmeschutz 89, 128 Nadelwehr 1859 – gewichteter 575
Mischkanalisation 1969, 1988 Nahverkehr 2108 Nutzungsdauer 417
Mischungswegformel 1759 Nanofiltration 1915 – technische 417
Mischwasserbehandlung 1946 Naphthalin-Harz 185 – wirtschaftliche 417
Mischwasserkanäle 1983 Naturdenkmal 2042 Nutzungsklasse 1379
Mixschild 1709, 1710 Navier-Stokes-Gleichung 1760 Nutzungskonzept 629, 655
Mobilität(s) 1644 Naviersche Differentialgleichung 227 Nutzungszyklus 622
– -einschränkung 2041 Nebenbahnen 2127 Nutzwertanalyse (NWA) 538, 539,
Modalkoordinaten 329, 330 Neigesystem, aktives 2119 574, 643, 1836
Modelle 1815 Nenndruckstufe 1934 – der Finanzierungsformen 641
– numerische 1815 Nennspannung 1184
– physikalische 1815 – allgemeines Fließgelenkverfahren
– stochastische 338 1187 O
Modellstützenverfahren 1152 – höhere Betriebstemperatur 1185
Mohr-Coulomb-Hypothese 214 – Tragsicherheit im Brandfall 1185 Oberbau 2131, 2132, 2198–2200
Mohrscher Spannungskreis 207, 208, Nennwert 1182 Oberflächenabdichtung 2025
1538 Netto-Grundfläche 2072 Oberflächenbeschickung 1949, 1953
2318 Stichwortverzeichnis

Oberflächengewässer 1899, 1900, Perlitbildung 1018 Poisson-Zahl 1557, 1558, 1560


1906, 1911 Permeabilität 1777 Polstergründung 1582
Oberflächenmodell 22 Personalcontrolling 587 Polyacrylamid 1910
Oberflächenspannung 1501, 1502, Personalentwicklung 590, 596 Polycarboxylat 185, 186
1740 – operative 590 Polyethylen 1933, 1934
Oberflächentemperatur 90, 112 – strategische 589 Polygonzug 77
Oberflächenvorbereitung 1430 – taktische 590 Polymerbeton 180
Oberflächenwasser 1899, 1900, 1906, Personalmanagement 586, 596 Polymerisation 1032
1908 – informationsorientiertes 587 Polymerschäumen 1714
Oberflächenwellen 1558, 1560 – verhaltensorientiertes 587 Polyurethane (PU) 179
Oberspannung 1160 Personenfahrzeug 2119 Porenbeton 1014
Objektplanung 842 Personenverkehr (PV) 2108, 2125, – -deckenplatten 1355
Objektprinzip 593, 597 2169 – -steine 1303, 1304, 1306, 1318
Ödometer 1516, 1517 Pestizid 1909 Porenraum 1505
Off-site-Verfahren 1644 Pfahl-Platten-Koeffizient 1609 – gesättigter 1647
Ökobilanz 1053, 1061, 1062, 1064 Pfähle 1597 – teilgesättigter 1647
– Baustoffprofil 1053, 1054 Pfahlgruppen 1602 Porenwasser 1502–1504, 1507
– Indikatoren 1054, 1055, 1061–1063 Pfahlwiderstand 1476 – -druck 1501, 1503, 1504, 1507, 1533
– Umweltwirkungen 1053, 1054, 1061 – Pfahlfußwiderstand 1476 – -spannung 1505
On-site-Verfahren 1644 – Pfahlmantelwiderstand 1476 – -überdruck 1520
One Stop Shops (OSS) 2121 Pfeilerstaumauer 1874, 1876 Porenwinkelwasser 1503, 1504
Organigramm 593, 594, 654 Pflanz- und Baumstreifen 2182 Porenzahl 1496, 1511, 1555
– Projektbeteiligte 657 Phosphatbinder 176 Porosität 1496
Organisation, lernende 589, 610 Phosphatelimination 1961 Portlandzement 159, 982
Organisationsentwicklung 586, 595, – biologische 1961 Potenzialtheorie 1771
597 – Phosphatfällung 1961 Potenzialfunktion 1512
Ortsbild 2050, 2064 Piezometerrohr 1503, 1504 Potenziallinie 1513, 1514
Ortsbrust 1699, 1701–1703, Pilotrohrvortrieb 963 Pressenkraft 1142
1706–1711, 1714–1717, Pilzbefall 1381 Primärenergiebedarf 118
1725–1727, 1732, 1736 Plancksches Strahlungsgesetz 98 Primärriss 1086
– mit Druckluftbeaufschlagung 1704 Planfeststellung(s) 2047, 2089, 2112, Probenahmestrategie 1644
– mit Erddruckstützung 1712 2283 Probenahmeverfahren 1572
– mit Flüssigkeitsstützung 1705 – -behörde 2090, 2112 Proctor-Dichte 1498
– mit mechanischer Stützung 1704 – -verfahren 2036, 2089 2053, 2283 Produktdatenmodell 33
– ohne Stützung 1701 Planfreigabe 654, 659 Produktdifferenzierung 413
– -stabilität 1725 Planum 2130, 2138, 2200 Produktionsfaktor 415, 577
– -stützung 1699, 1701, 1709, 1715, Planungsfreigabe 654, 659 Produktionskonzept 862
1730, 1736 Planungsleistung 414 – Bauabschnitt 863
Ortsumgehung 2087 – geregelte 842 – Einrichtungselement 862
OSB-Platte 977 Planungsrecht 2092 Produktionslenkung 1009
Outsourcing 737 Planungsschadensrecht 2054 Produktmodell 33
Oxidation 1903, 1904, 1913, Plastizitätstheorie 1118, 1125, 1532 Produktplanung 413
1917–1919 Plastizitätszahl 1494–1496, 1555, 1556 Produktverantwortung 2003
Platten 218, 219, 288 Produzentenrente 386
– aus Schichten 1410 Profilblech 1232
P – -balken 1111 – -geometrie 1267
– -biegesteifigkeit 289 Profilverbundquerschnitt 1234
P-Welle 1555, 1557 – drillweiche 1131 Projektcontrolling 681
Parabel-Rechteck-Diagramm 1073, – -gründung 1591 – Banken 697
1358 – quadratische 335 – Nutzer 698
Parallelströmung 1772 – -schub 1362 Projektentwicklung 623
Partialspannung 1500, 1505 – schubsteife 288 – im engeren Sinne 622, 625, 626
Partialwichte 1506 – schubweiche 288 – im weiteren Sinne 622, 623
Passivtausch 437 – -tragwerke 287 Projektfinanzierung 639
PE-Rohre 1934 Plattentheorie 288 Projektinformations- und Kommuni-
Pendelkörper 1435 – Kirchhoff’sche 288 kationssystem (PKS) 681
Stichwortverzeichnis 2319

Projektorganisation 596, 631 – -reserve 1235 Reflexion 1560


Projektstrukturkatalog 654 – schlanker 1235 Refraktion 1560
Proportionalitätsgrenze 1020 Querschnittstragfähigkeit 1276, Regelfahrzeit 2160
Prozesscontrolling 1731, 1733, 1737 1282 Regelungselement 2243
Prozessorientierung 622, 720 – elastische 1261 – Buhnen 2243
Prüfliste – vollplastische 1257, 1282 – Leitdämme 2243
– Entwurfsplanung 669 Quersteifen 1622 – Sturmflutsperrwerke 2243
– Vorplanung 666 Querungshilfe 2191 Regelwerk 599
Prüfwert 1644 Querverschiebewiderstand 2132 – Verbundkonstruktion 1230
Pufferzeit 2161 Querwand 1356 Regenabfluss 1972
Pumpen Regenrückhaltebecken 1988
– Betriebspunkt 1927 Regenüberlaufbecken 1985
– Drehzahl 1926 R Regenwasserbewirtschaftung 1902
– Förderhöhe 1926 Regionalverkehr 2124
– Förderstrom 1926 Rad-Schiene-Wechselwirkung 2141 Reibschicht 1433
– Haltedruckhöhe 1926, 1927 Radialnetz 2121 Reibung(s) 2142
– Kennlinie 1926 Radialrichtung 1373 – -beiwert 1791, 1793
– Leistungsbedarf 1926 Radioaktivität 1013, 1342–1344 – -masse 2148
– Rohrkennlinie 1926 Radlast 2146 – -verbund 1274, 1275
– Wirkungsgrad 1925–1927, 1936 Radsatz 2142, 2143 – -verlust 1790
Punktförmige Zugbeeinflussung (PZB) – -last 2116 – -winkel 1544
2166 Rahmen 1154 Reibwert 1361
Punktschweißverfahren 1023 – ausgesteifter 1154 Reihenbebauungsweise 2046
Putzbinder 176 – nicht ausgesteifter 1155 Reinigungsanforderung 1944, 1945
Puzzolan 171, 987, 994 Rahmenschalung 906 – Abwasserverordnung 1945
Rahmenscherversuch 1533 – zulässige Beschickung 1945
Rain-flow-Methode 1162, 1218 – zulässige Einleitungen 1945
Q Rammformel 1608 Reinigungsanlage 1953
Random Access Memory 6, 7 Relaxation(s) 1079
QS-Platte 1384 Randstromlinie 1513, 1514 – -beiwert 1135
Qualitätskontrolle 358, 1664 Randverbund 109 – -vermögen 2205
Qualitätsmanagement (QM) 598, 1676 Randweg 2138 Remote Method Invocation (RMI) 49
Qualitätssicherung (QS) 598, 603 Rangierbahnhof 2126 Rentabilitätsrechnung 531
Quellmaß 1376 Rangierdienst 2158 Reservoir-Methode 1219
Quellverkehr 2171, 2174 Rangierstellwerk 2164 – Schädigung aus Ermüdung 1219
Quellwasser Rasengleis 2133 Residualwertverfahren 753, 754
– Fassung 1907 Rauchgasreinigung 2013, 2016–2018 Resonant-column-Versuch 1563
– Güte 1906 Rauigkeitsbeiwert 1978 Restabfallbehandlung
Quellzement 172 Räume – mechanisch-biologische 2011
Querdehnungszahl 209, 211 – ländliche 2033 – thermische 2012
Querkraft 1098 – strukturschwache 2033 Resttragfähigkeit 1420
– -tragfähigkeit 1258 Raumfilter 1964 Rettungsweg
Querruck 2151 Raumordnung 2032 – baulicher 2069
Querschnitt(s) – Erfordernisse 2035 – doppelter 2068
– aus mehreren Schichten 1405 – Europäische 2037 – eingerichteter 2069
– Ebenbleiben 1088 Raumordnungsgesetz (ROG) 2111, – notwendige Flure 2069
– ergänzter 1136 2032 Return-On-Investment (ROI) 455
– -gestaltung 2129, 2137 Raumprinzip 595 Reversibilität 337
– halb-kompakter 1235 Raumwelle 1556, 1559 Reynolds-Zahl 1757
– ideeller 1088 Rayleigh-Dämpfung 332 Rigolenversickerung 1992
– -interaktionskurve 1283 Rayleigh-Welle 1558, 1559, 1562, Rillenschienen 2142
– Klasse 1 und 2 1263 1563 – -gleise 2133
– -klasse 1187, 1188, 1235 Reaktionsharz 177, 1420 Ringfuge 1718–1720
– kompakter 1235 Rechtliche Due Diligence 687 Rippenfläche 1078
– -maß 2115 Recycling 1013, 2002, 2027 Risikobewältigung 638
– plastischer 1235 Reduktion 1903, 1904 Rissabstand 1082, 1148
2320 Stichwortverzeichnis

Rissbildung 1081, 1086, 1246 Sachenrecht 768 Scheiben 218, 219, 1124
– Betongurt 1271 Sachwertverfahren 749 – -dehnsteifigkeit 287
Rissbreite(n) 1097, 1147 Sackung 1667 – -schnittgrößen 286
– -beschränkung 1272 Sale-and-lease-back-Verfahren 557 – -tragwerke 285
Rissmoment MR 1090, 1272 Sammelrohre 1796 – -zwischenraum 109, 1426
Rissschnittgrößen 1089 Sand 1493, 1494, 1510 Scheinselbstständigkeit 738
Risssicherheit 1322 Sandfang 1947 Scherdehnungsamplitude 1555, 1557
Rissverzahnung 1069, 1100 – Bemessungsdaten 1949 Scherfestigkeit 1533, 1535
Rittersches Schnittverfahren 242 Sandrauheit 1792 – drainierte 1533
Rohbaumaß 2071 Sanierung(s) 1644 – effektive 1533
Rohdichtekennwert 1374 – biologische 1662 – maßgebende 1544
Roheisen 1016 – -gebiet 2056 – undrainierte 1533
Rohnetzeinspeisung 1924 – -maßnahmen 2056 – wirksame 1533
Rohr – -recht 2056 Scherfestigkeitsparameter
– Beton- 1934 – -träger 2049 – effektiver 1533
– Guss- 1933 – -überwachung 1665 – undrainierter 1533
– Kunststoff- 1933, 1934 – -untersuchung 1645 Scherfuge 1533
– Stahl- 1933 – -ziel 1645 Scherverformung 1554
Rohrhydraulik 1749, 1788, 1978 Satelliten 2126 Scherwelle(n) 1555, 1557, 1558,
Rohrleitungsnetz 2297 – -positionierung 81 1560, 1562
– Ringnetz 2297 Sättigungsmenge 131 – -geschwindigkeit 1557, 1563, 1566
– Verästelungsnetz 2297 Sättigungszahl 1497, 1498, 1503, Scherwiderstand 1532
– vermaschtes Netz 2297 1504 Schichten
Rohrnennweite 1936 Satzungsverbundverfahren 2062 – nachgiebig miteinander verbundene
Rohrnetz 1923, 1933, 1934 Sauerstoffblasverfahren 1017 1411
– -abgabe 1924 Säurekapazität 1963 – schubstarr miteinander verbundene
– -werkstoff 1933, 1936, 1939 Schachtbrunnen 1905 1412
Rohrvortrieb 958 Schadensermittlung 518 Schienen 2131
Rohrwerkstoff 1898 Schadenserwartungswert 1845 – -bahnen 2114
Rohwasserqualität 1906, 1907 Schadensklasse 1996 – -befestigungsmittel 2131
Rohwasservorkommen 1898 Schadstoffe 1645 – -fahrzeuge 2108
Rollschub 1407 Schalhaut 904 Schienenpersonennahverkehr (SPNV)
Rollwiderstand 2148 Schall 142 2111
Rotationsfähigkeit 1115, 1119, 1133, – -absorptionsfläche 148 Schifffahrtskanal 2246
1276 – -brücken 156 – Gefahrenraum 2248
Rotationskapazität 1187, 1235, 1255 – -dämmung 1421 – Kanalkreuzung 2251
Rotationsmasse 2148 – -druck 143, 145 – Kurve 2248
Rotationstauchkörper 1954 – -geschwindigkeit 144 – Längsschnitt 2248
Rücklaufschlamm 1950 – -pegeldifferenz 148 – Lichtraumhöhe 2248
Rückstellkraft 323, 442 – -schnelle 143 – Schwall- und Sunkwelle 2247
Rückströmung 1767 – -transmissionsgrad 147 – Seekanal 2254
Ruhedruck 1539 – -übertragung 147 – Sicherheitstor 2253
Rundschnitt 1134 Schalldämm-Maß 149 – Sperrtor 2253
Rüstungsaltlast 1644 – bewertetes 150 – Standsicherheit 2251
Rutschsicherheit 1434 – Labor- 149 – Trapez- und Rechteckprofil 2246
Rütteldruckverdichtung 1584 – Rechenwert 154 – Uferböschung 2248
Rütteln 1000 Schallschutz 142 – Wasserbedarf 2253
Rüttelstopfverdichtung 1585 – aktiver 2141 Schiffshebewerk 2254, 2256
– -glas 1030 – Schräghebewerk 2255
– vorbeugender baulicher 2072 – Senkrechthebewerk 2254
S Schallwellengeschwindigkeit 1374 Schiffsschleuse 2254
Schalungsarten 906 – Bootsschleuse 2254
S-Bahn 2124 Scharfenbergkupplung 2118 – Doppelschleuse 2254
S-Welle 1555, 1557, 1559, 1561, Schaum 1716, 1717 – Kammerschleuse 2254
1563 Schaumbeton 190, 1014 – Schachtschleuse 2254
Sabine’sche Formel 149 Schaumglas 1030 – Sparschleuse 2254
Stichwortverzeichnis 2321

Schildmaschine 959, 1699, 1700 Schwindreduzierer 195 Silicatstaub 994


– mit teilflächigem Abbau 1704 Schwingbreite 1160 Silicatglas 1414
– mit Vollschnittabbau 1700 Schwingentwässerer 1722 Siliconharzemulsionsfarbe 197
Schimmelpilz 128, 138, 979 Schwingung(s) 1549 Silikatfarbe 197
Schlagbrunnen 1905 – -entwässerer 1725 Silo 2067
Schlamm 1959 – erzwungene 1550 Silobeiwert 1726
– -index 1950 – freie 323, 324, 1549, 1550 Skeleton-Kurve 1554
– -volumenbeschickung 1949 – Fundamente 1564 Slurry-Shield 1705–1708
Schlauchwaage 72 – mechanische 142 Smart-Prinzip 416
Schlauchwehr 1865 – -verhalten 1271, 1274 Sohlaufbruch 1631
Schleuse 2255, 2257 Sedimentation 1910, 1914 Sohldruckspannung 1591
– Binnenschifffahrt 2255, 2259 Segmentwehr 1861 Sohldruckverteilung 1596
– Koppelschleuse 2257 Seigerung 1017 Sohle
– Seeschleuse 2256 Seitendruck 1611 – bewegliche 1799
– Sparschleuse 2256 Seitenpuffer 2118 – feste 1799
– -treppe 2257 Sekantenschubmodul 1554 Sohlspannung 1475
– -vorhafen 2258 Sekantensteifigkeit 1152 Solarenergienutzung 2046
– Zwillingsschleuse 2254, 2257 Sektorwehr 1863 Solarthermie 127
Schlitzwand 1626 Sekundärbrennstoff 170 Solvationswasser 1494
Schlosssprengung 1624 Sekundärriss 1086 Sonderbaufläche 2046
Schluckbrunnen 1773 Sekundärrohstoff 170 Sonderbaulastträger 2086
Schluff 1493, 1494, 1510 Selektionsblock 18 Sorption 1651
Schlupf 1080, 2142 Selektionsmodell 2078 Sortierung
Schlussstein 1718, 1719 Senke 1752, 1773 – durch Mischen 19
Schneckenförderer 1713, 1714, 1716 Senkkasten 1616 – maschinelle 1373
Schnellzement 172 Sensitivität(s) 347, 1499 – Verfahren 17
Schnittgrößenermittlung 1347 – -analyse 541 Sozialindikator 369
Schotteroberbau 2132 Separationsmodell 2078 Spalten 1451
Schraubenkupplung 2118 Separieranlage 1706, 1712, 1722, Spaltzugfestigkeit 1006
Schraubenverbindung 1203 1723, 1725, 1733 Spaltzugkräfte 1145
Schrumpfgrenze 1494, 1495 Setzbolzen 1450, 1466 Spanholz 977
Schub 1360 Setzmaß 1003 Spannbeton 1138
– -analogie 1401 Setzung(s) 1516, 1596, 1667 – -druckrohre 1934
– -druckversagen 1365 – -berechnung 1524, 1526, 1681 Spannbett 1139
– -festigkeit 1407 – -differenz 1485, 1529 Spannglied 1138
– -modul 209, 211, 1554–1556, 1563, – -mulde 1482, 1526 – externes 1140
1566 – Starrkörperverdrehung 1485 – internes 1140
– -schlankheit 1117, 1363, 1366 – Starrkörperverschiebung 1485 – Verankerung 1145
Schubspannung(s) 1360, 1753 – Verkrümmung 1485 – Verbund 1147
– -geschwindigkeit 1765 SH-Welle 1562 Spannstahl 1079, 1234
– -hypothese 214 Sicherheitsfahrschaltung (Sifa) 2165 Spannung(s)
– -schwingbreite 1270 Sicherheitsglas 1029 – -ausbreitung 1521, 1526
Schubsteifigkeit 1405 Sichtzeit 2160 – -begrenzung 1274
Schubtragfähigkeit 1130, 1353 Sickergeschwindigkeit 1508 – -block 1095, 1352, 1358
Schubverbund 1425 Sickerschlitz 1514 – -ermittlung 1522
Schubwände 1353 Sickerstollen 1905 – -interaktion 1407
Schurf 1656 Sickerstrecke 1513 – -kombination 1410
Schutzsignal 2164 Sickerströmung 1509 – neutrale 1505
Schwall- und Sunkerscheinungen Sickerwasser 1899, 2019, 2021, 2022, – -pfad 1534, 1535
1814 2024 – -tensor 205, 206, 207, 209
Schweißen 1023 Siebbandpressen 1725 – totale 1504, 1506, 1507
Schwellbeiwert 1518 Sieblinie 992 – -trapezverfahren 1597
Schwellen 2131 Signal 2164 – -umlagerung 1425
– -wert 574, 775 – für Bahnübergang 2164 – -vektor 1753
Schwinden 169, 1075, 1077, 1135 – Zusatz- 2164 – -verteilung 1521
Schwindmaß 1376 Silane 195 – wirksame 1500, 1504, 1507
2322 Stichwortverzeichnis

Spannungs-Dehnungs-Linie Standard-Penetrations-Test 1573 Straßenentwässerung 2212


– Beton 1010 Standrohr 1503, 1504 Straßenerhaltung 2199, 2212
– Stahl 1020 – -spiegel 1503 – Erneuerung 2213, 2221–2222
Spannungs-Dehnungsbeziehung 1556 – -spiegelhöhe 1777 – Instandhaltung 2213, 2215
Spannweite 1368 Standsicherheit 1542, 2067 – Instandsetzung 2213, 2215
Spanplatte 977 – von Böschungen 1531, 1541 Straßenfahrzeug 2108
Speicherbemessung 1842 – von Deponieböschungen 1679 Straßennetz 2214
Sperrholz 976 Stauanlage 1855 Straßenverkehrsgesetz (StVG)
Sperrzeit 2160 Staubalkenwehr 1864 2111
Spiegelfläche 1514 Staudamm 1872 Straßenverkehrsordnung (StVO)
Spiegellinienberechnung 1806 Staudruck 1762 2112
Spitzenabflussbeiwert 1973, 1975 Staumauer 1874 Straßenverkehrszulassungsordnung
Spitzendruck 1597 Stauraumkanal 1988 (StVZO) 2112
Spritzbeton 1015 Stauregelung 2245 Streckenbelastung 2128
Spülbohren 1599 – Innendichtung 2246 Streckenhöchstgeschwindigkeit
Spülbohrverfahren (HDD) 963 – Längsgefälle des Flusses 2245 2127
Spundbohlen 1624 – Mindestfahrrinnenquerschnitt Streckennetz 2122
Spurkranz 2116, 2142 2246 Streckenprofil 2128
Spurweite 2126, 2142 – Niedrigwasserabfluss 2246 Streckenwiderstand 2147
Stabelement 299 – Stauhöhe 2245 Streckgrenze 1021, 1180, 1181
– gerades schubsteifes 299 – Staustufe 2245 Streichlinie 1750
Stabendkraftgröße 232 – Strömungsgeschwindigkeit Streifenfundament 1591
Stabilitätsgesetz (StabG) 397 2246 Streifenmethode 1131
Stabilitätstheorie 269 – Wasserquerschnitt 2246 Strippen 1968
– Imperfektion 270 – Wasserspiegelanhebung Strömen 1801
– kinematisch nichtlineare 269 2246 Stromfaden 1749
– lineare 270 Stefan-Boltzmann-Konstante 97 Stromkanal 1514
– Stabkennzahl 269, 272, 273 Steifemodul 1518, 1556, 1596 Stromlinie 1508, 1513, 1514, 1748,
– Verzweigungsproblem 271 – -verfahren 1482, 1597 1772
Stablinienprinzip 597 Steifigkeit 1373, 1374 Stromröhre 1749
Stabstahl 1027 Steifigkeitsmatrix 299, 327, 328 Strömung
Stabwerkmodell 1101, 1108, 1125 – kondensierte 328, 330 – instationäre 1748
– Knoten 1126 – reduzierte 328 – laminare 1757
Stadtentwässerung 2031 Steighöhe, kapillare 1501, 1502, – stationäre 1748
Stadtsanierung 2040, 2049 1740 – stationär gleichförmige 1748
Stadtschnellbahn 2127 Steigungswiderstand 2147 – turbulente 1757
Stagnationsgradient 1510 Steinschüttdamm 1872 Strömungsfeld 1747
Stahl 1016 Steinzugversagen 1361, 1365 Strömungswiderstand 1508, 1509,
– Einfluss der Legierungselemente Stellwerkstechnik 2164 1512
1020 – elektromechanische 2165 Stromzuführungsanlage 2141
– Elastizitätsmodul 1010, 1020 – elektronische 2165 Structural-Glazing 1433
– -fasern 1014 – Gleisbild-Stw mit Relaistechnik Strukturmerkmal 654
– Festigkeitsverhalten 1020 2165 Strukturmodell 297
– Gefüge 1018 – mechanische 2165 Stuckgips, s. Calciumsulfat-Dihydrat
– -profile 1280 Stoßfaktor 1955 174
– Schmelzen 1016 Stoßversuch 1434 Stützflüssigkeit 1599
– -steifen 1630 Strahl Stützlinienverfahren 1369
– Verformungsverhalten 1020 – ebener 1769 Suffosion 1670
– Vergießen 1016, 1017 – -grenze 1767 Sulfathüttenzement 172
– -versagen 1451 – -hydraulik 1767 Summenparameter 1645
– Zugfestigkeit Rm 1021 – Oberflächenstrahl 1768 Superpositionsprinzip 1135
Stahlbau 1167 – runder 1769 SV-Welle 1558, 1560, 1561
– -fertigung 1226 – Tauchstrahl 1768 Systembau 2078
Stähle – Wandstrahl 1768 Systemsteifigkeit 1485
– korrosionsbeständige 1026 Straßenbegrenzungslinie 2046 Systemverhalten 1731, 1732,
– wetterfeste 1025 Straßenbild 2064 1736
Stichwortverzeichnis 2323

T Träger Trennkanalisation 1970, 1988


– aus nachgiebig miteinander Trennwand 2068
Tachymeter 73 verbundenen Teilen 1399 Treppe 2069
Talsperre 1855, 1870, 1901, – -bohlwand 1623, 1634 Triage 586
1907, 1908, 1914, 1877, 1879 – der Straßenbaulast 2085 Triaxialversuch 1533
Tangentialrichtung 1373 – gekrümmte 1408 Triebdrehgestell 2116
Taupunkttemperatur 133 – mit Eigengewichtsverbund 1236 Triebwagenzug 2120
Tauwasserbildung 116, 137 – mit vollständiger Verdübelung 1250 Trinkwasser 1895–1898, 1906, 1909,
Tauwassermasse 139 – -rostgrundierung 1591 1914, 1919, 1920, 1938, 1939
Teilfahrstraßenauflösung 2165 Tragfähigkeit 1344, 1423, 2222 – -aufbereitung 1895, 1909, 1910,
Teilflächenpressung 1292 – Baugrund 1531, 2068 1914, 1917, 1918, 1921
Teilfüllungskurve 1806 – Flachgründung 1544 – -gewinnung 1901, 1906–1908,
Teilkostenrechnung 489 Traggerüst 905 1916, 1919
Teilnutzwert 540 Tragschicht 2200 – Krankheitserreger 1897
Teilschlusszahlung 560 – Asphalt- 2203 – -netz 1934
Teilschnittgrößenverfahren – Beton- 2203 – -schutzgebiet 1907
1239 – hydraulisch gebundene 2202 – -talsperre 1901, 1907, 1908, 1928
Teilsicherheitsbeiwert 1379 – mit hydraulischen Bindemitteln – -verordnung 1895, 1899, 1906,
Teilverbundtheorie 1251, 1276 2202 1908, 1917, 1918
Teilverdrängungsbohrpfahl 1600 – ohne Bindemittel (ToB) 2201 Trisulfat, s. Ettringit 166
Temperatur 90, 1426, 1455 Tragsicherheitsnachweis 1179, 1387 Trittschall 147, 155
– -dehnung 1415 – für Stützen 1281 – -pegel 155, 156
– -faktor 116 Tragstruktur 1051, 1053, 1059, Trockendichte 1497
– kritische 1159 1061–1064 Trockenmörtel 180, 191, 194
– -last 1425 – Flachdecke 1057 Tropfkörper 1953, 1954
– -leitfähigkeit 95 – freitragende Platte 1057 Tübbing 1717, 1718, 1720, 1721
– -messungen 1678 – Tragsystem 1056, 1058 – -auskleidung 1717, 1721, 1736
– -verlauf 111 – Unterzugdecke 1057 – -dichtungsbänder 1720
– -wechselbeständigkeit 1418 Tragverhalten 1450 Tunnel 2154
Tension Stiffening 278, 1083 – elasto-plastisches 275 – -baurichtlinie 2139
Theodolit 67 Tragwerk 230 – -querschnitt 2139
– -messsystem 78 – kinematisch verschieblich 230, 231 – -sicherung 1717
Theorie 283, 299 – statisch bestimmt 230 – -vortriebsmaschine 1699, 1717, 1721
– Bernoulli-Navier- 299 – statisch unbestimmt 231 – -widerstand 2148
– 1. Ordnung 269 – unbestimmt 230 Tunnelbohrmaschine 1699, 1700
– 2. Ordnung 269, 271, 272 Tragwerksmodell 290 – mit Schild 1700
– schubstarre 283 Tragwerkstopologie 229 – ohne Schild 1699
– schubweiche 283 Traktionsarten 2120 Turbine (Wasserkraft) 1891
– Raumordnung 2034 Transfermedium 1646 – Überdruck- 1892
Thixschild 1705, 1707, 1708 Transformation(s) 11, 293, 346
Tiefbohrzementierung 183, 192 – -funktion 540, 574
Tiefenentwässerung 2131 – kontragrediente 293 U
Tiefgründung 1476 Transformationsmatrix 25, 291
Ton 144, 1493, 1510 – Gleichgewichts- 291 U-Bahn 2093
– -erdeschmelzzement 171 – kinematische 264, 292 Überbauungsverbot 2075
– -erdezement 171, 183, 986 Transmissionsgrad 97 Überbindemaß 1356
– -plättchen 1494 Transmissionswärmeverlust 119 Überfallhöhe 1786
Torsion(s) 1104 Transmissivität 1778 Überfestigkeit 1120
– -haftscherfestigkeit 1359 Transport Übergangsbogen 2151–2153
– -steifigkeit 1105 – -beton 183, 187 – -länge 2153
Tosbecken 1866 – diffusiver 1747 Überhöhung(s) 2143, 2151
Total Quality Management (TQM) Trapezimpuls 325 – ausgleichende 2152
598 Trasse 2088 – -fehlbetrag 2143, 2152
Tragelemente 283 Trassierung(s) 2150 – -rampen 2151, 2153
– eindimensionale 283 – -parameter 2151 – -überschuss 2143
– zweidimensionale 283 Trennflächengefüge 1571 – Verbundträger 1273
2324 Stichwortverzeichnis

Überkonsolidierung 1518, 1519, V – statisches 530


1555 – thermisches 1661
Überlagerungsdruck 1518, 1519 Vakuumbeton 1015 – unbemannt arbeitendes 959
Überschussschlammproduktion Vakuumentwässerung 1584 Verfestigung(s) 2202
1954, 1955, 1961 Value Engineering 708 – -regel 211
Ufereinfassung 2265 Variantentechnik 28 Verflüssiger 184
– teilgeböschte 2265 Veränderungssperre 2054, 2089 Verformung 1425
– vollgeböschte 2265 Verankerungslänge 1127 – übermäßige 1271
Uferfiltration 1906 Verbau 956 Vergaberecht 712, 772
Ultrafiltration 1915 Verbindung(s) 1394 – Vorschriften 774
Umkehrosmose 1915 – -funktion 2170, 2176 Vergabeverfahren 415
Umlagerung 1115, 1120, 1348 – geklebte 1394 Vergärung 2010, 2011
Umlaufvermögen 440 – mechanische 1395 Verglasung 111
Umlenkkraft 1138 – -mittel 1396, 1397 Vergleichsradius 2152
Umsatz 411 Verbrennung 1661 Vergleichswertverfahren 745
– -erlös 444 Verbund 1079, 1081 Vergrößerungsfaktor 325–327, 1551
– -rendite 412 – -bauweise 1402 Vergüten 1020
– -rentabilität 544 – -decke 1274 – Anlassen 1020
– -steuer 478 – Differentialgleichung 1083 – Härten 1019
Umschlaganlage 2265 – -dübel 1445, 1466 Vergütung(s) 800
– Kran 2265, 2266 – -festigkeit 1279 – -grundlage 586
Umwehrung 2072 – -hinterschnittdübel 1448 – Pauschalvertrag 512
Umweltaspekte 170 – Kriechen 1081 – -struktur 704
– Sekundärbrennstoffe 170 – mechanischer 1274 Verkehr 2097
– Sekundärrohstoffe 170 – -mittel 1234, 1264 – Fläche 2172
– Zumahlstoffe 170 – -sicherheitsglas 1030 – Grundmaß 2182
Umweltgeotechnik 1640 – -sicherung 1249, 1263, 1290, – Minimierung 2034
Umweltinformationssystem (UIS) 1293 – Straßenkategorie 2172, 2176,
53 – -spannung 1080, 1127 2180
Umweltmanagementsystem (UMS) – -spreizdübel 1448 Verkehrslärm 2090
598 – -stützen 1279 Verkehrsnetze 2121, 2173
Umweltprüfung 2037, 2054 – -träger 1234, 1236 – funktionale Gliederung 2175
Umweltschutz 597, 598, 603, 2072 Verdichtungsmaß 1003 – Merkmale von Netzelementen
Umweltverträglichkeit 1012, 1342, Verdrängungsdicke 1766 2174
1343, 1344 Verdrängungspfahl 1597 – Netzgrundformen 2177
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) Verdübelung(s) 1251 – Netzplanung und Netzentwurf
1836 – -grad 1249, 1277 2175–2176
Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz – teilweise 1250, 1251, 1258, – Netztopologie 2174
(UVPG) 2112 – vollständige 1251, 1263 – Verkehrsstraßennetze 2176
Umwidmung 623 Verdunstung 1821 Verkehrsplanung
Unified Modeling Language (UML) – Evaporation 1821 – in der Bauleitplanung 2050
50 – Evapotranspiration 1821 – integrierte 2046
Unikatfertigung 410 – Transpiration 1821 Verkehrssicherheit 2172, 2184
Unit-Hydrograph 1829 Verdunstungsmasse 140 Verkehrssteuerung 2194–2196
Unterbau 2130, 2198, 2199 Vereinigungsbaulast 2079 – dynamische Beeinflussung 2195
Untergrund 2130, 2198, 2199 Verfahren – intermodales Verkehrsmanagement
– -abdichtung 1876 – aktives 1662 2196
Unternehmensentwicklung 570, – bemannt arbeitendes 958 – Koordinierung „Grüne Welle“
575 – geophysikalisches 1575 2195
Unternehmensführung 569, 575, – hydraulisches 1662 – Mobilitätsmanagement 2196
584 – mit steuerbarem Verdrängungs- – Signalanlage 2195
Unterschicht, viskose 1766 hammer 963 – statische Beeinflussung 2195
Unterwasserbetonsohle 1632 – mit Verdrängungshammer 960 – Verkehrssystemmanagement 2196
Unterwerksabstand 2129 – passives 1663 – Verkehrstelematik 2196
Up-hole-Messung 1563 – pneumatisches 1663 Verkehrssystem 2098, 2099
UV-Desinfektionsanlage 1920 – programmiertes 523 – -integration 2101
Stichwortverzeichnis 2325

Verklebung 1711 W Wasseraufbereitungsverfahren 1908,


Verklotzung 1433 1921
Vermessungskreisel 68 Wagenkasten 2118 – chemisches 1917
Verpressanker 1630 Wagenladungsverkehr 2126 – physikalisches 1909
Verpressmaterial 1686 Walzasphalt 1031 – technische Durchführung 1918
Versagen(s) 367, 1475 Wand, tragende 2068 Wasserbau 2229
– -folgen 1345 Wandreibungswinkel 1537, 1538 – Anlagen für die Sport- und Frei-
– -wahrscheinlichkeit 339 Wärmeausdehnungskoeffizient 209, zeitschifffahrt 2267
Versatzmaß 1103, 1109 211, 1430 – Böschung 2238
Versicherungswert 742 Wärmebehandlung 1021 – Driftwinkel 2237
Versickerung 1991 Wärmebilanzbetrachtung 1685 – Flussregelung 2239
Versorgungsnetz 2047 Wärmebrücke 113 – Geradeausfahrt 2236
Verteilerrohr 1796 – materialbedingte 115 – Hafen 2229
Vertikalbrunnen 1773 – stoffbedingte 115 – horizontale Bewegung 2236
Vertikaldränage 1584 Wärmedämmung 1417, 1421 – Kurvenfahrt 2237
Verträglichkeit(s) Wärmedämmverbundsystem 180 – Schifffahrtszeichen 2267
– kinematische 292 Wärmedurchgangskoeffizient 105, 107 – Sohle 2238
– -torsion 1123 Wärmedurchgangswiderstand 103 – Ufereinfassung 2238
Vertragsstrafe 809 Wärmedurchlasswiderstand 103 – Verkehrswasserbau 2229
Verwaltungsorganisationsrecht Wärmeeinflusszone 1024 – Wasserstraße 2229
2077 Wärmekapazität 102 Wasserbedarf 1922, 1923
Verwaltungsrecht 711 Wärmeleitfähigkeit 92, 1376, 1693 – Bestimmung 1924
Verwaltungsverfahrensgesetz – effektive 1693 – Einzelverbraucher 1923
(VwVfG) 2111 – instationärer Versuch 1694 – Ermittlung 1922
Verwaltungsverfahrensrecht – stationärer Versuch 1694 – Gewerbe 1923
2077 Wärmepumpe 1689 – Haushalt 1923
Verwaltungsvollstreckungsrecht – bivalent-alternativ 1690 – Industrie 1923
2077 – bivalent-parallel 1690 – Löschwasser 1923
Verzerrungstensor 209 – bivalent-teilparallel 1690 Wasserbeschaffenheit 1896, 1939
Verzinken 1028 – Expansionsventil 1689 Wasserdampf
Verzweigungslast 1284 – Kompressor 1689 – -gehalt 131
VG-Scheibe 1427 – Kondensator 1689 – Partialdruck 132
Vignolschiene 2142 – monoenergetisch 1689 – Sättigungsdruck 132
Viskosität 1740 – monovalent 1689 Wasserdampfdiffusion(s) 134
Vollaustausch 1582 – reversibel 1689 – -durchlasswiderstand 136
Volleinspannkraftgröße 300 – Umkehrung 1689 – -koeffizient 134
Vollgeschoss 2046 – Verdampfer 1689 – -stromdichte 136
Vollkostenrechnung 489 Wärmerohr 1686, 1687 – -widerstandszahl 135
Vollverdrängungsbohrpfahl 1600 Wärmerückgewinnung 127 Wasserdargebot 1899
Volumenstrom 1514, 1750 Wärmeschutz 89 Wasserdurchflussmesser 1934
Vorbescheid 2078 – energiesparender 89 – Rohrnetz 1934
Vorkaufsrecht, gemeindliches – sommerlicher 90, 128 – Ultraschall 1934, 1935
2054 – vorbeugender baulicher 2072 – Wasserwerk 1934
Vorklärbecken 1949 Wärmespeicherfähigkeit 103 Wasserdurchlässigkeit 1571
Vorspannung 1138, 1419 Wärmestrom 1756 Wasserförderung 1899, 1925, 1935,
– charakteristische Werte 1146 – -dichte 92 1936
– nachträglicher Verbund 1142 Wärmeübergang 100 Wassergehalt 1494, 1498
– ohne Verbund 1143 – Bemessungswerte 101 Wassergewinnungsanlage 1905
– Reibung 1141 Wasser 1897 – Schutzbereich 1907
– sofortiger Verbund 1139 – adsorbiertes 1494 Wasserhaushalt(s) 1678
– statisch unbestimmte 1143 – freies 1494 – -bilanz 1816
Vortriebsbauweise 1982 – Härte 1897, 1898 – -gesetz 1696, 1850, 1895, 1907
Vortriebspressenkraft 1712, 1728 – Inhaltsstoffe 1896 Wasserhülle 1492, 1434
Vorverformung 1387 – Kreislauf 1899 Wasserkraftanlage 1885
Vorwärtseinschneiden 75, 78 – Leitfähigkeit 1897 – Leistungsplan 1887
VSG-Scheibe 1427 – pH-Wert 1897 Wasserkreislauf 1816, 1896
2326 Stichwortverzeichnis

Wasserprobe 1657 Weißkalk 173, 981, 982 Ziele 2033


Wasserretentionsmittel 191 Wellenausbreitung 1558 – der Raumordnung 2033
Wasserschloss 1890 – an einem Kreisfundament – mittelfristige 569
– -schwingung 1797 1559 – ökonomische 569
Wasserschutzgebiet 1907, 1908 – eindimensionale 1557 – operativ kurzfristige 570
Wasserspeicherung 1927, 1928 – im Boden 1555 – strategisch langfristige 569
– Behälterbewirtschaftung 1929 Wellenlänge 143, 1557, 1558 Zielertragswert 540
– Druckregelung 1928 Wellenpfad 1560, 1562 Zielgewicht 574
– Durchlaufbehälter 1929 Werftanlagen Zielverkehr 2171, 2174
– Gegenbehälter 1929 – Dockanlage 2267 Zink 1028
– Hochbehälter 1928, 1929, 1938 – Helling 2267 Zinn 1028
– Tiefbehälter 1928 Werkstoffgesetz 283, 293 Zinsniveaustabilität 390
– Turmbehälter 1928, 1929 Wertermittlungsrecht 740 Zone 122
– Zentralbehälter 1929 Wertschöpfungsprozess 585, 625 – Ein-Zonen-Modell 122
Wasserstand 1800, 1820 Wichte 1509 Zonendamm 1873
Wassertiefe 1799 – unter Auftrieb 1507, 1509 Zubringerleitung 1929–1931
Wasserverbrauch 1922, 1923, 1927, Widerlager 1368 Zufahrtsbaulast 2079
1928 Widerstand(s) 1543, 2147 Zugangsbaulast 2079
Wasserversorgung 1895, 2045, 2047 – -beiwert 1769, 1978 Zugbeeinflussungssystem 2166
Wasserverteilung 1929, 1931, 1933 – -gesetz 1931 Züge 2157, 2159
Wasservorratsgebiet 2032 – Luft- 2148 – geschobene 2157
Wasserwerkskohle 1917 Wiederbelastungskurve 1517 – nachgeschobene 2157
Wasserzähler 1934, 1935, 1938 Windenergieanlage 2077 – Reise- 2159
– Verbrauchsstellen 1934 Windlast 341 Zugfestigkeit 1181, 1407
– Wasserwerk 1900, 1932, 1934 Winkelverdrehung 1529 Zugfolge 2158, 2163
Wegeleitung 2126 Wirtschaftlichkeitsberechnung – -abschnitt 2160
Weggrößen 290 523, 634 – -stellen 2157
– äußere 290 Wöhler-Diagramm 1023 Zugkraft-Geschwindigkeits-Diagramm
– -elemente 298 Wöhler-Linie 1160, 1378 2150
– Elementnachgiebigkeitsmatrix Wohnbaufläche 2046 Zugkraftüberschuss 2149
264 Wohnflächenbedarf 2041 Zugmeldestelle 2157
– Elementsteifigkeitsbeziehung 265 Workflow-Management-System Zugsegment 1861
– innere 291 (WfMS) 51 Zugsicherung 2162
– -verfahren 263, 295, 297 Zugspannung 1422
– Vorzeichenkonvention 263 Zugstab-Querschnittsnachweis 1193
Wehr 1787 Z Zugzone 1085
– -höhe 1786 Zulassung 1467
– Klappenwehr 1863 Zahlungsbilanz 402, 404 – Bauprodukt 2078
– kombiniertes 1864 Zeilenbebauungsweise 2046 Zumahlstoff 170
– -pfeiler 1868 Zeit-Setzungsverhalten 1519 Zuschlagskalkulation 479
– -wange 1868 Zeit-Weg-Darstellung 2158 Zustand
Weibull-Verteilung 342 Zeit-Zeit-Darstellung 2158 – drainierter 1533
Weichen 2134, 2136 Zeitabflussfaktor 1978 – undrainierter 1533
– Außenbogen- 2135 Zeitbeiwertverfahren 1974 – Zustand I 1088
– Bogen- 2135 Zeitreihenmodell 1834 – Zustand II 1089
– einfache 2134 Zeitsetzungskurve 1520 Zustandserfassung 1994, 2213
– Innenbogen- 2135 Zement 170, 982 – messtechnische 2214
– Kletter- 2136 – -hydratation 163 – visuell-sensitive 2214
– Klothoiden- 2135 Zementit 1018 Zwangsbremsung 2150
– mit Bogenherzstück 2135 Zementmörtelauskleidung Zwangsschnittgröße 1120
– mit geradem Herzstück 2135 1933 Zwängungsbeanspruchung 1428
– Rillenschienen- 2135 Zentrifugalkraft 2143 Zweiphasen-Verfahren 1626
– Rückfall- 2136 Zentrifuge 1725 Zweischeiben-Isolierverglasung 109
– Straßenbahn- 2135 Zentripetalkraft 2143 Zwickel 1368
– -widerstand 2147 Zertifizierungsverfahren 598 Zwischenmaterial 1429, 1433
– -zungen 2134 Ziegeldecke 1355 Zylinderdruckfestigkeit 1233

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