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Review

Author(s): Martin Seel


Review by: Martin Seel
Source: Philosophische Rundschau, Vol. 36, No. 4 (1989), pp. 337-340
Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG
Stable URL: http://www.jstor.org/stable/42571912
Accessed: 27-06-2016 09:41 UTC

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Philosophische Rundschau

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PhR 36 Buchnotizen 337

Bereitstellung von Begriffen bzw. Un- der Kunst - aus den Bedingungen der
terscheidungen, mit deren Hilfe sich Rede über Kunst ergeben. Der analyti-
die Probleme, mit denen sich Ontolo- schen Philosophie der Kunst ging es
gie traditionsgemäß befaßt, formulie- vor allen Dingen um einen nüchter-
ren bzw. präzisieren lassen. Daß Si- nen, einen wertfreien, kurz: um einen
mons' sich auch im Sinne herkömmli- »rein klassifikatorischen« Begriff der
cher Ontologie deutlich entschieden Kunst.
hat (nämlich zugunsten der Seite der Lüdeking porträtiert die Hauptströ-
älteren, wie auch der von Brentano mung der analytischen Kunstphiloso-
ausgehenden Realisten) ist kein Man- phie von den Anfängen bis zur jüng-
ko, sondern eher die Bedingung für die sten Entwicklung sehr einleuchtend als
Möglichkeit, eine Vielzahl interessie- eine Geschichte dieses Projekts. In ei-
render Begriffe überhaupt bedenken ner Zeit, in der das Wort von einer
zu können. »post-analytischen« Philosophie auch
Ulrich Charpa (Köln)
jenseits des Kontinents die Runde
macht, neigt Lüdeking dazu, die Perio-
de der sprachanalytischen Ästhetik (je-
denfalls im Sinn des ursprünglichen
Programms) für abgeschlossen zu hal-
Karlheinz Lüdeking: Analytische Phi- ten. Aus dieser Einschätzung folgt ein
losophie der Kunst. Frankfurt am dreifacher Anspruch - seine Studie will
Main 1988. Athenaeum. 231 S. Überblick, Abgesang und Schlußbe-
richt sein. Sie fuhrt diese dreifache In-
Als um die Mitte dieses Jahrhunderts tention oft in einem Atemzug aus. Der
im Umkreis der analytischen Philo- Text ist überaus klar und mit sicherem
sophie auch eine analytische Philo- Blick für das Wesentliche geschrieben
sophie der Kunst entstand, war die - besser kann man sich eine Einfuh-
Zielsetzung klar. Der herkömmlichen rung nicht wünschen. Gleichwohl ist
Ästhetik, in den Augen der analytisch Lüdekings Liebe zum Gegenstand kei-
geschulten Philosophen ein Ort der neswegs sentimental - bei allem Ver-
Spekulation, Anmaßung und Begriffs- ständnis fur ihre Motive führt er die
verwirrung, sollte eine neue Grundla- analytische Ästhetik in bisweilen sar-
ge gegeben werden. Verworfen wurde kastischen Kommentaren als ein ge-
vor allem der unübersehbar normative scheitertes Unternehmen vor. Und
Grundzug der klassischen Kunstphi- doch ist das Buch nicht einfach über
losophie, fur die sich die Frage nach analytische Ästhetik, es ist selbst eine
dem Wesen der Kunst stets mit der analytische Ästhetik. Der Autor ver-
Frage nach dem Wert nicht nur der sucht, das Wenige und doch Wesentli-
Kunst im allgemeinen, sondern ganz che zusammenzufassen, das eine rich-
bestimmter Kunstformen und Kunst- tig verstandene Analyse der Rede über
stile verbunden hatte. Um diese Vor- Kunst seiner Ansicht nach herausbrin-
eingenommenheit zu vermeiden, frag- gen kann. Es ist die Moral dieses
te die neuere angelsächsische Ästhetik Buchs, die virtuose Nüchternheit der
nicht länger nach dem Wesen der analytischen Philosophie in einer Fülle
Kunst, sie fragte nach dem Wesen von von Einzelargumenten gegen das
»Kunst«: sie untersuchte den Ge- Selbstmißverständnis der analytischen
brauch, der den Begriffen der Kunst Ästhetik zu wenden.
und des Künstlerischen in der gegen- Lüdekings Darstellung gliedert sich
wärtigen Sprache zukommt. Was in fünf Kapitel. Das erste - im Zen-
Kunst ist, sollte sich - vor aller inhaltli- trum steht das Werk von Harold Os-
chen Interpretation und Bewertung borne und Monroe C. Beardsley - ar-

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338 Buchnotizen PhR 36

beitet das »Feindbild« der analytischen vermeidliche Wertbezogenheit der


Ästhetik heraus, jene zeitgenössischen Verwendung ästhetischer Termini,
Denkbemühungen, die sie als eine folglich der ästhetischen Wahrneh-
Wiederholung der »traditionellen mung selbst, folglich der Auseinander-
Theorie« verwirft. Diese »traditionelle setzung über ästhetische Fragen. Das
Theorie« argumentiert essentialistisch; vierte Kapitel schließlich beschreibt
sie versucht, eine Realdefinition der am Beispiel der »institutionellen
Kunst zu geben, durch die der Begriff Kunsttheorie« von George Dickie das
der Kunst bereits im Ansatz an einen Scheitern auch des dritten Versuchs,
normativen Begriff der guten Kunst eine rein deskriptive Bedeutung unse-
gekoppelt wird. Das zweite Kapitel res Gebrauchs von »Kunst« zu isolie-
verfolgt den Versuch von Autoren wie ren. Zwar erkennt diese Theorie die
Morris Weitz und William E. Kennick, Nicht-Neutralität aller faktischen Re-
den Fallstricken einer latent normati- de über Kunst an, sie möchte aber ei-
ven Ästhetik durch den Schritt in die nen klassifikatorischen Begriff der
Meta-Ästhetik zu entgehen. Die be- Kunst im Rückgang auf den »Initia-
freiende Entdeckung, daß es keine not- tionsritus« gewinnen, durch den ein
wendigen Bedingungen fìir den Ge- Gegenstand zum Kunstwerk erhoben
brauch des Kunstbegriffs gibt, läßt al- wird. Dieser Versuch fuhrt jedoch
lerdings unsere Verwendung solcher letztlich nicht über die tautologische
Wörter wie »Kunst« erst recht rätsel- Bestimmung hinaus, daß wir es da mit
haft werden. In ihren negativen Resul- Kunst zu tun haben, wo jemand etwas
taten wiederholt die sprachkritische fur Kunst hält. An diesem Tiefpunkt
Theorie noch einmal die Suche nach der analytischen Ästhetik schließt sich
einem allgemeinen (nur diesmal wert- der Kreis. Mit Unbehagen beobachtet
freien) Kriterium fur das Vorliegen Lüdeking die jüngste Tendenz der an-
von Kunst. Demgegenüber gelingt es gelsächsischen Kunstphilosophie, sich
Lüdeking zu zeigen, daß es ein solches in aufgeklärter Resignation in die Ar-
neutrales Kriterium nicht nur nicht me der »traditionellen Theorie« zu-
gibt, sondern auch gar nicht geben rücksinken zu lassen.
kann, da die Frage, ob etwas Kunst ist, In dieser resignativen Stimmung
niemals ohne den Bezug auf irgendwel- aber, so legt das Schlußkapitel dar,
che normativen Kriterien oder Vorlie- droht die analytische Ästhetik die Ein-
ben entschieden werden könne. Das sichten zu vergessen, die sich gerade in
zentrale dritte Kapitel, das der um ihren negativen Ergebnissen verber-
Frank Sibley konzentrierten Diskus- gen. Der Kunstbegriff ist »semantisch
sion über die Zuschreibung »ästheti- weitgehend leer« (207); wenn man ihn
scher Eigenschaften« gewidmet ist, aber im Unterschied zu den analyti-
fuhrt dieses Argument aus. Es erweist schen Ästhetikern als einen Wertbegriff
sich erneut, daß die analytische Ästhe- versteht, werden die Bedingungen sei-
tik aus Furcht vor der Wert verfallen- ner allgemeinen Verwendung gleich-
heit der Kunstphilosophie in den kom- wohl verständlich. Der Terminus
plementären Fehler der Wertblindheit »Kunstwerk« verleiht dem Objekt,
verfällt. Sie vermag nicht zu sehen, daß dem er zugesprochen wird, einen »Eh-
die Zuschreibung ästhetischer Eigen- renstatus«; es wird als ein Objekt aner-
schaften (wie »anmutig«, »grazil«, kannt, »das es verdient, eine angesehe-
»plump« usw.) immer auch ein ästhe- ne Rolle in unserer Kultur zu spielen«
tisches Werturteil mit einschließt oder (201). Um die Funktion dieser Aus-
die Erläuterung eines solchen ist. Im zeichnung zu verstehen, muß man je-
Rückgriff auf Kant, Frege und Witt- doch nicht mit den Kriterien vertraut
genstein analysiert Lüdeking die un- oder einverstanden sein, aufgrund de-

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PhR 36 Buchnotizen 339

rer dem Objekt diese Ehre (mit oder schen Minimalismus nichts als jener
ohne Einschränkung) zuteil wird. Die verblendete Essentialismus gegen-
Beherrschung des Wortes »Kunst« über, der alle Theorie der Kunst mit
macht noch keinen Kenner der Kunst. der Aufstellung eines Kriteriums fur
Dieser kann sich nur durch die Qualität gute Kunst verwechselt. Damit wird
seiner ästhetischen Urteile beweisen, der Anschein erweckt, jede Philo-
die in unabschließbarer Konkurrenz sophie der Kunst, die sich über analyti-
mit anderen Urteilen stehen. Im Pro- sche Klärungen hinauswagt, erläge
zeß dieser Beurteilung ergibt sich die notwendigerweise in diesem Sinn der
jeweilige - und stets wandelbare - Ex- »Versuchung, zu sagen, was Kunst ist«
tension des Begriffs »Kunst«. »Die (197). Mit dieser Problemstellung
Klasse der Kunstwerke muß (...) ver- treibt Lüdeking der Ästhetik die Frage
standen werden als ein unbeabsichtig- nach den genuinen Funktionen der
tes und unvorhersehbares Ergebnis all Kunst aus. Welches die »Rollen« sind,
der mannigfaltigen und konkurrieren- auf Grund derer ihre Werke einen »Eh-
den evaluativen Verwendungen des renstatus« erhalten, durch den sie sich
Kunstbegriffs durch unzählige indivi- von anderen Objekten der Erkenntnis,
duelle Sprecher, die diesen Begriff auf- Erfahrung und Kommunikation signi-
grund der verschiedensten normativen fikant unterscheiden, das will der Au-
Kriterien verwenden.« (206) Der tor ganz der Selbstbestimmung des
Kunstbegriff hat keine weitere Bedeu- Geschmacksverhaltens überlassen, um
tung als die, fur seine verschiedenen ja nicht in den Verdacht einer Regle-
normativen Verwendungen da zu sein. mentierung der Kunstwahrnehmung
In dieser Unbestimmtheit sieht Lüde- zu geraten. Es ist aber nur ein analyti-
king seine entscheidende Tugend: »Er sches Dogma, daß eine Theorie der
läßt uns die Freiheit, ihn mit den sub- herausragenden Funktion(en) der
stantiellen Konzeptionen von Kunst zu Kunst zugleich Theorie der Kriterien
füllen, die uns sinnvoll erscheinen.« sein muß, an denen sich ihre Erfüllung
(203) bemißt (und es ist dieses Dogma, über
All das wäre völlig überzeugend - das sich Autoren wie Goodman und
wäre da nicht ein eigentümliches Des- insbesondere Danto souverän hinweg-
interesse für die weitergehenden Auf- gesetzt haben). Die Theorie des Werts
gaben und Möglichkeiten einer Philo- der Kunst muß keine Doktrin darüber
sophie der Kunst. Diese Zurückhal- enthalten, welche Objekte Kunstwer-
tung liegt zum einen an der Disposi- ke und welches die wertvollen Kunst-
tion der Abhandlung. Lüdeking be- werke sind.
schränkt sich ganz auf das, was man Dafür gibt Lüdeking selbst einen gu-
das B-picture der analytischen Ästhe- ten Beleg. Wenn er den Status kunst-
tik nennen kann; die Stars der Szene - kritischer Urteile aus ihrem Beitrag
»so brilliante Philosophen wie Good- zur reflexiven Auseinandersetzung um
man und Danto« (10) - werden nur am Einstellungen und Sichtweisen ver-
Rande erwähnt, eben weil sie keine steht und dabei - bewußt? - im unkla-
hinreichend typischen Vertreter der ren läßt, ob es hier um die angemessene
Szene sind. Was der Bündigkeit des Sicht der Kunstwerke oder »der Din-
Texts zugute kommt, behindert ande- ge« oder um beides geht, gibt er indi-
rerseits den Weitblick der Argumenta- rekt durchaus so etwas wie eine Funk-
tion. Lüdeking läßt sich von seinen Ge- tionsbestimmung der Kunst (vgl.
sprächspartnern eine Alternative auf- 154 ff.). Nicht welche Funktion die
drängen, die seinen Ansatz unnötig Kunst haben soll, steht dabei im Vor-
verengt. Er spricht über weite Strek- dergrund, sondern welche sie haben
ken so, als stünde dem begriffsanalyti- kann, und vor allem: welche mögli-

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340 Buchnotizen PhR 36

cherweise nur die Kunst haben kann. Wertbegriff, vielleicht ist eine vollblü-
Im übrigen aber macht es gar nichts, tige Philosophie der Kunst doch im-
wenn die Philosophie der Kunst auf mer auch Wertphilosophie über die
diesem Weg auch wieder einen norma- meta-ästhetische Neutralität hinaus:
tiven Zug gewinnt, indem sie etwa ei- Explikation und Verteidigung be-
ne bestimmte Rolle der Kunst (z. B. die stimmter Funktionen der (und Interes-
von Lüdeking erwogene Funktion der sen an) Kunst. Es könnte somit das
Einstellungsreflexion) vor anderen Erbe analytischer Kunstphilosophie
auszeichnet - sagen wir: vor ihrem de- gerade darin liegen, die ganz traditio-
korativen, sedativen oder kapitalbrin- nellen Aufgaben der Ästhetik mit neu-
genden Vermögen. Vielleicht ist nicht em Bewußtsein in Angriff zu nehmen.
nur der Begriff der Kunst immer ein
Martin Seel (Konstanz)

Hinweise

E. Kessler, Ch. Lohr, W. Sparn Otto Friedrich Bollnow: Zwischen


(Hrsg.): Aristotelismus und Renaissan- Philosophie und Pädagogik. Vorträge
ce (Wolfenbütteler Forschungen 40). und Aufsätze. Aachen 1988. Norbert
Wiesbaden 1988. Harrassowitz. Friedrich Weitz Verlag. 211 S.
237 S.
»>Menschsein heißt wohnen< . . . Das
Dieser Sammelband ist wie viele aus Wohnen aber setzt den Besitz eines
einer Tagung hervorgegangen und Hauses voraus. Das Wohnen in einem
dem Andenken an Charles B. Schmitt Haus bleibt letztlich ungesichert und
gewidmet. Die z. T. hochspezialisier- der Mensch gewinnt eine echte Gebor-
ten Beiträge suchen an unterschied- genheit nur, wenn er sein Haus einge-
lichen Aspekten die Wirkung des Ari- fügt weiß in das Grüne, d. h. die leben-
stoteles zwischen 1500 und 1700 zu be- dige und auch sein Leben tragende Na-
leuchten. Verwiesen sei auf die Studien tur ...«. Die Auslegung des Lebens,
von Keßler zur Logik Vallas, von Lohr die sich in den neuesten Vorträgen von
zur Naturphilosophie und von Dreit- Bollnow weiterhin zu Wort meldet,
zel zur Politik. erprobt sich nicht nur an Naheliege-
RB dem, mitunter Allzunaheliegendem,
sondern auch an den fernen Gebräu-
chen der japanischen Kultur, in denen
der Autor eine Lebensverwandtschaft
eigener Art aufzuspüren sucht. Studien
zur Geschichte der Pädagogik runden
die Sammlung ab.
BW

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