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deliberationdaily.de/2018/08/was-von-einer-steuerfinanzierten-rente-zu-halten-ist
Die Eckzahlen machen bereits deutlich: in Deutschland gilt schon längst eine
Mischfinanzierung im Rentenrecht zwischen Beiträgen der Versicherten und allgemeinen
Steuern. Die Gesamtausgaben von 365 Milliarden Euro für Renten und Pensionen werden
zu 29% von Unternehmen durch Beitragszahlungen und zu 41% vom Steuerzahler
getragen. Der Faktor Arbeit übernimmt heute tatsächlich nur 30% der gesamten Kosten für
die staatliche Altenversorgung. Eine Entkoppelung der notwendigen Einnahmen der
Rentenkassen von dem Erfordernis einer sozialpflichtigen Beschäftigung würde an der
Verteilungswirkung aus naheliegenden Gründen wenig ändern.
Die Idee, Renten stärker über den Staatshaushalt zu finanzieren, trägt dabei nicht weit. Die
meisten Vorschläge nehmen ohnehin nur die (wenigen) üblichen Verdächtigen ins Visier,
Unternehmen und „Reiche“. Die deutsche Wirtschaft ist dabei geteilt, was nicht nur an
diese Stelle wesentlich ist. Ein geringer Teil der Unternehmen ist in sogenannten
Kapitalgesellschaften organisiert, sie zahlen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer
(zusätzlich noch den Soli). Wenn in politischen Diskussionen über Unternehmenssteuern
debattiert wird, so ist meist nur dieser Sektor gemeint. Auch die OECD hat sich die
Definition zu Eigen gemacht, da international unternehmerische Aktivitäten üblicherweise in
Form von beschränkt haftenden Gesellschaften organisiert sind. Für Deutschland gilt diese
nicht, über 90% der deutschen Unternehmer arbeiten in Personengesellschaften, sie haften
persönlich und sind identisch mit ihrem Unternehmen.
Die Besteuerung von Vermögen ist in Deutschland zwar nach internationalen Maßstäben
niedrig, die Einnahmemöglichkeiten jedoch auch nicht exorbitant hoch. So erbringt die
Erbschaftsteuer 6,1 Milliarden Euro, doch selbst eine Verdoppelung des Aufkommens wäre
lediglich ein Tropfen in ein Fass ohne Boden. Die Vermögensteuer generierte im letzten
Jahr ihrer Erhebung umgerechnet 4,6 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Soweit wir die
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Steigerung des Volksvermögens seitdem mit dem Steueraufkommen extrapolieren, lägen
die potentiellen Einnahmen bei 8,2 Milliarden Euro bei unveränderter Rechtslage. In Abzug
gebracht werden müssten jedoch die gewaltigen Verwaltungs- und Erhebungskosten.
Verschiedene Wirtschaftsforschungsinstitute kalkulierten diese mit einem Drittel des
Steueraufkommens. Kurz: das Potential für zusätzliche Steuern aus Vermögensteuern liegt
im einstelligen Milliardenbereich. Und selbst wenn die Finanzverwaltung trotz erheblicher
Rekrutierungsprobleme von geeignetem Nachwuchs eine verfassungskonforme Erhebung
hinbekäme, bliebe ein nicht umgehbares Verfassungshindernis: Die Einnahmen aus
Vermögensteuern stehen den Bundesländern zu, während eine steuerfinanzierte Rente
aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden müsste. Es ist politisch schlicht nicht vorstellbar,
dass eine Mehrheit der Ministerpräsidenten einer Grundgesetzänderung zustimmen würde,
welche die eigenen Einnahmen reduziert.
Überhaupt kommt einem bei der Suche nach neuen Einnahmequellen für die
Rentenversicherung stets das Grundgesetz in die Quere. Die Altersbezüge sind eine
Versicherungsleistung, die Ansprüche wurden durch frühere Beitragszahlungen erworben.
Damit haben sie Eigentumscharakter und sind durch Artikel 14 geschützt. Die Pensions-
und Rentenanwartschaften werden in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung mit
unvorstellbaren 8,8 Billionen Euro angegeben, Mitte der Neunzigerjahre lag dieser Wert
noch bei etwas über 4 Billionen Euro. Um ein Gefühl für die Größenordnung zu bekommen,
muss man sich vergegenwärtigen, dass das gesamte Volksvermögen laut Bundesbank
(Bauten, Grund und Boden, Forderungen) mit 15,5 Billionen Euro weniger als das Doppelte
ausmacht. Wer eine Systemumstellung anstrebt, muss den Gegenwert der Anwartschaften
sichern.
Sobald nämlich Renten vornehmlich aus Steuern finanziert werden, verlieren sie ihren
Beitragscharakter. Das bedeutet, jeder Bürger hat den gleichen Anspruch aus
Transferzahlung. Eine steuerfinanzierte Rente tritt neben die aus Beiträgen finanzierte
Rente. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen. Die aus Steuern finanzierte Grundrente
beträgt dabei 1.300 Euro:
a. Ein 59jähriger Besserverdiener hat kurz vor seinem Ruhestand einen Anspruch gegen
die gesetzliche Rentenversicherung von hochgerechnet 2.300 Euro erworben. Bei
Renteneintritt werden seine Anwartschaften gegen den steuerfinanzierten Rentenanspruch
gegengerechnet. Neben der Grundrente muss der Bundesfinanzminister weitere 1.000
Euro Rente monatlich stemmen.
b. Eine 72jährige ehemalige Sekretärin erhält derzeit eine Rente von 800 Euro aus eigenen
Ansprüchen und nach dem Tod ihres Mannes weitere 1.200 Euro Witwenrente. Auch hier
müssen die Anwartschaften von 2.000 Euro gegen die Grundrente gerechnet werden.
Eventuell hätte die alte Dame sogar einen kalkulatorischen Anspruch von 2.500 Euro, der
aus Steuermitteln zu begleichen wäre.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass eine Systemumstellung kurz vor dem Ausbruch der
demographischen Krise extrem teuer wäre. Eine schwindende Zahl von Erwerbstätigen und
mutmaßlich auch unternehmerisch tätigen Bürgern müsste nicht nur die ohnehin hohen
Lasten einer rasant alternden Gesellschaft stemmen, sie müsste darüber hinaus noch
weitere Ansprüche eigentlich gut situierter Bürger befriedigen. Anfang der Neunzigerjahre
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wäre ein solcher Kraftakt noch möglich gewesen, doch zwischenzeitlich sind weitere 4,5
Billionen Ansprüche hinzugekommen. Dieser Zuwachs hätte in den letzten 25 Jahren für
eine Systemumstellung genutzt werden können.
Dass dies unterblieb, ist den damaligen Sozialpolitikern von Blüm (CDU) über Seehofer
(CSU) bis Rudolf Dressler (SPD) anzurechnen. 1997 hatte der frühere Ministerpräsident
von Sachsen Kurt Biedenkopf (CDU) auf einem Parteitag für die vom Sozialwissenschaftler
Meinhard Miegel entwickelte Grundrente geworben, welche die beitragsfinanzierte Rente
ablösen sollte. Biedenkopf unterlag, zumal die Grundrente von allen maßgeblichen Kräften,
von Union über die SPD bis zu Grünen und PDS, in großer Mehrheit abgelehnt wurde.
Die letzte verbliebene Reserve und damit die einzige Möglichkeit, die Alterseinkünfte zu
stabilisieren, ist damit eine deutliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Da die Mehrheit
inzwischen zu alt ist um noch nennenswerte Vermögenswerte aufzubauen, die dem
sinkenden Rentenniveau entgegenwirken könnte, werden viele ein Erwerbseinkommen
auch im höheren Alter benötigen, um über die Runden zu kommen. Die Verkürzung der
Lebensarbeitszeit wie bei der Rente mit 63 ist da ein absoluter Tort gewesen. Nur Leute,
welche die Grundrechenarten verlernt haben, können das mit „vernünftiger Politik“
überschreiben.
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