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Seminar Sommersemester 2016:

Automobile Systeme in der Automatisierung


Prof. Dr. Dieter Zöbel, Universität Koblenz-Landau, FB Informatik

Autonomes Fahren und gesetzliche Grundlagen

Moritz Bach

Eingereicht: 05.07.2016 / Fertiggestellt: 21.07.2016

Zusammenfassung Die Entwicklung eines rechtlichen Rahmenwerkes zählt zu den


primären Herausforderungen auf dem Weg zur Marktreife und Einführung des automa-
tisierten Fahrens. Die Automobil- und Zuliefererindustrie sowie Forschungseinrichtun-
gen beschäftigen sich aktiv mit der Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen (FAS), die
automatisiertes Fahren in verschiedenen Varianten ermöglichen. Um das Potenzial der
Fahrzeugautomatisierung speziell für die Sicherheit im Straßenverkehr ausschöpfen zu
können, gilt es die entsprechenden technischen, aber auch rechtlichen Rahmenbedingun-
gen zu definieren. Die vorliegende Arbeit vermittelt einen Einblick von den gesetzlichen
Grundlagen im Kontext des autonomen Fahrens und widmet sich der Auseinander-
setzung mit den rechtlichen Restriktionen. Hierfür werden die straßenverkehrsrechtli-
chen sowie zulassungsrechtlichen Hemmnisse für das automatisierte Fahren untersucht
und potenzielle Handlungsmöglichkeiten zur Beseitigung dieser Hemmnisse dargelegt.
Darüber hinaus werden das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr, sowie
die ECE-Regelungen in den Fokus gerückt, die bei der Einführung hochautomatisierter
Fahrzeugsysteme Beachtung finden müssen.
Schlüsselwörter Autonomes Fahren, Wiener Übereinkommen, ECE-Regelungen,
Fahrzeugteileübereinkommen, Straßenverkehrsrecht, Zulassungsrecht, Verhaltensrecht,
Dilemmasituationen, SAE-Standard J3016, Klassifizierung

1 Einführung

Das Autonome Fahren ist eines der innovativsten und erfolgversprechendsten For-
schungsgebiete zur Schaffung von mehr Komfort und Steigerung der Sicherheit im
Straßenverkehr. Automobilhersteller sowie Zulieferer haben bekannt gegeben, erste au-
tonome Systeme (bspw. Volvo Concept 26 [1], Volvo Vision 2020 [1]) bis 2020 zur
Marktreife zu bringen [2][3]. Der Führer eines Fahrzeugs übernimmt zur Durchführung
der Fahraufgabe diverse, teils komplexe, Aufgaben. Hierbei wird er bereits heute von
Fahrerassistenzsystemen unterstützt [4][5].

Universität Koblenz-Landau, Institut für Informatik


mbach@uni-koblenz.de
http://www.uni-koblenz-landau.de/koblenz/fb4/institute/IST/AGZoebel
2 M. Bach

Abbildung 1 Stufen des automatisierten Fahrens nach SAE-Standard J3016 [6].

Nach [6] wird das autonome Fahren in Europa und den USA in sechs Stufen un-
tergliedert (vgl. Abbildung 1), die nachfolgend dargelegt werden.
Der Fahrer führt in Stufe null ( Driver Only“) noch alle Fahrfunktionen ei-

genständig durch. In der darauf aufbauenden Stufe eins ( Assisted“) wird er bereits

durch bestimmte Assistenzsysteme (bspw. ACC1 ) bei der Fahrzeugbedienung un-
terstützt. Das System übernimmt hierbei entweder die Längs- oder die Querführung.
In eben genannten Stufen obliegt die Fahrzeugführung allerdings noch vollständig
dem Fahrzeugführer. Einzelne Funktionen werden erstmals vollständig in Stufe zwei
( Partly Automated“) komplett vom Fahrzeug übernommen (bswp. Stauassistent).

Ab dieser Stufe übernimmt das System die Längs- und Querführung in einem
spezifischen Anwendungsfall. Führer von Fahrzeugen mit Assistenzsystemen, deren
Automatisierungsgrad sich zwischen Stufe null und Stufe zwei befindet, müssen diese
Systeme jedoch dauerhaft überwachen, um gegebenenfalls die Fahrzeugkontrolle
wieder übernehmen zu können. Die Systeme aus diesen Stufen finden bereits Anwen-
dung in aktuellen Kfz-Generationen, ohne dass eine Gesetzesänderung erfolgen muss.
Allerdings sind dem Fahrzeugführer keine fahrfremden Nebentätigkeiten erlaubt.
Ab der dritten Stufe ( Highly Automated“) kennt und überwacht das Fahrzeug die

eigenen Funktionsgrenzen und fährt selbständig. Hier muss das System nicht dauerhaft
überwacht werden. Das Fahrzeug führt in Stufe drei Funktionen und Manöver wie
Spurwechsel, das Halten der Spur oder das Auslösen des Blinkers selbständig durch.
Der Fahrer kann sich fahrfremden Dingen zuwenden und wird bei Bedarf innerhalb
einer Vorwarnzeit vom Assistenzsystem aufgefordert, die Fahrzeugführung zu über-
nehmen. In Situationen, in denen das System die Fahraufgabe nicht mehr beherrschen

1 Adaptive Cruise Control - Abstandsregeltempomat


Autonomes Fahren und gesetzliche Grundlagen 3

kann, wird die Fahrzeugführung an den Fahrer übergeben. In Stufe vier ( Fully

Automated“) wird die Führung des Fahrzeugs dauerhaft vom System übernommen.
Alle Funktionen innerhalb eines spezifischen Anwendungsfalls können selbständig vom
System bewältigt werden. Auch hier kann das Fahrzeug den Fahrer zum Eingreifen
auffordern. In der letzten Stufe der Klassifizierung, Stufe fünf ( Driverless“), wird kein

Fahrzeugführer mehr benötigt. Das Fahrzeug ist ohne Lenkrad, Bremse und Gaspedal
ausgestattet [7] und kann alle Situationen vollständig autonom bewältigen.

Für die Einführung des autonomen Fahrens stellt die technische Machbarkeit kei-
nesfalls ein Problem dar, vielmehr scheitert es an den herrschenden rechtlichen Re-
striktionen. Aktuell darf ein automatisiertes Fahrzeug ab Stufe drei in Deutschland
ausschließlich als Testfahrzeug zugelassen werden (vgl. § 70 StVZO und § 46 StVO).
Eine Zulassung zum öffentlichen Straßenverkehr setzt eine Änderung der Rechtslage
voraus. Primär stellt der Schritt von Stufe zwei zu Stufe drei der Automatisierungs-
stufen nach SAE2 -Standard J3016 die entscheidende Herausforderung dar, denn die
Rechtsordnung geht vom Begriff eines für die Führung des Fahrzeugs selbstverant-
wortlichen menschlichen Fahrers aus. Soll es dem Fahrzeugführer ermöglicht werden,
sich vom Verkehrsgeschehen abzuwenden, wie es ab Stufe drei definiert ist, müssen die
rechtlichen Hemmnisse beseitigt werden3 .

2 Dilemmasituationen

Im Zusammenhang mit automatisiertem oder autonomem Fahren wird häufig von soge-
nannten Dilemmasituationen gesprochen. In Zukunft ist es denkbar, dass ein autonomes
Fahrzeug die Kontrolle nicht mehr an den Fahrzeugführer übergeben muss, wenn es an
die Systemgrenze stößt, sondern Alternativen berechnet und Fahrmanöver ausführt, die
der Entscheidung eines menschlichen Fahrzeugführers ähnlich sind [8]. Sind Umwelt-
und Straßeneinflüsse gegeben, bei der eine systeminitiierte Entscheidung eine Gefähr-
dung und/oder Beschädigung von Rechtsgütern Dritter nicht verhindern kann und nur
eine Entscheidung darüber möglich ist, welches Rechtsgut verletzt werden soll, so muss
das System selbst entscheiden welches Rechtsgut verletzt wird.
Dies ist keine Entscheidung, wie sie einem menschlichen Fahrzeugführer möglich
ist, sondern ein Algorithmus, der vom System berechnet und ausgeführt wird. Ein
solcher Algorithmus muss vom Programmierer demnach so konzipiert werden, dass
das System im Vorfeld entscheidet, welches Rechtsgut in einem gegebenen Szenario
verletzt wird. Handelt es sich bei diesen Rechtsgütern bspw. um zwei Menschenleben,
so sind neben ethischen und moralischen Fragen auch die Menschenwürde und die
staatliche Schutzpflicht gefragt. Würde man versuchen, eine gesetzliche Regelung für
solche Dilemmasituationen zu erlassen oder solche Systeme gesetzlich zulassen, würde
dies bedeuten, dass der Staat den Programmierer indirekt dazu zwingt, den Wert eines
Menschenlebens abzuwägen.
Es ist fragwürdig, ob ein System, welches sich in einer Dilemmasituation für die
Tötung eines Menschen entscheidet, sich verfassungsrechtlich durchsetzen kann. Di-
lemmasituationen sind mit rechtlichen Mitteln nicht zu lösen und müssen unbedingt
2 Society for Automobile Engineers
3 Es gilt zu beachten, dass die vorliegende Ausarbeitung die neueste Initiative des Bundes-
verkehrsminister Alexander Dobrindt hinsichtlich des autonomen Fahrens noch nicht berück-
sichtigen konnte.
4 M. Bach

vermieden werden. So wäre es möglich, vollautomatisierte Systeme ausschließlich für


geringe Geschwindigkeiten zuzulassen, damit gewährleistet werden kann, dass das Sys-
tem die Situation ausnahmslos kontrollieren und steuern kann und sichergestellt ist,
dass es nicht mit einer Dilemmasituation konfrontiert wird. Für höhere Geschwindig-
keiten können Systeme der Stufe zwei oder Stufe drei verwendet werden, mit denen die
ethischen und moralischen Entscheidungen dem Fahrzeugführer überlassen werden.

3 Gesetzliche und rechtliche Rahmenbedingungen

Für die Einführung von autonomen Systemen müssen diverse nationale sowie interna-
tionale rechtliche Bedingungen und Vereinbarungen, wie bspw. das Straßenverkehrs-
recht oder das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr, eingehalten bzw.
überarbeitet werden. Diese rechtlichen Rahmenbedingungen werden nachfolgend dar-
gelegt.

3.1 Straßenverkehrsrecht

Für die Realisierung des autonomen Fahrens im öffentlichen Straßenverkehr stellen sich
primär Rechtsfragen aus dem Straßenverkehrsrecht, dessen Rechtsquelle das StVG4 ist.
Das StVG regelt unter anderem die Zulassung von Kraftfahrzeugen und Personen zum
öffentlichen Straßenverkehr. Mit Hilfe des Straßenverkehrsrechts sollen Gefahren und
Behinderungen von Verkehrsteilnehmern, die durch den Verkehr entstehen, vereitelt
bzw. gemindert und der optimale Ablauf des Verkehrs sichergestellt werden [9].
Laut der straßenverkehrsrechtlichen Konzeption kann zwischen dem Zulassungs-
recht auf der einen Seite und dem Verhaltensrecht auf der anderen Seite differenziert
werden. Ersteres befasst sich mit der Frage nach den technischen Voraussetzungen, wel-
che ein Kraftfahrzeug erfüllen muss, um zum öffentlichen Straßenverkehr zugelassen zu
werden. Zweites regelt hauptsächlich, wie ein zugelassenes Fahrzeug im öffentlichen
Straßenverkehr zu handhaben ist.
Eine solch strikte Trennung zwischen Verhaltensrecht (StVO5 ) und Zulassungsrecht
(StVZO6 /FZV7 ) lässt sich für autonome Fahrzeuge nicht vornehmen. Ein Fahrzeug,
welches für einen gegebenen Zeitrahmen Fahraufgaben übernehmen soll, muss einer-
seits für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen sein, andererseits muss es auch die
Verkehrsregeln der StVO beherrschen und befolgen können. Mit zunehmendem Grad
der Automatisierung muss auch das ordnungsgerechte Verhalten des autonomen Fahr-
zeugs im Verkehr schon bei der Zulassung sichergestellt sein [9]. Beide Rechtsbereiche
werden nachfolgend untersucht.

3.1.1 Straßenverkehrsordnung

Es ist fraglich, ob hoch- und vollautomatisierte Fahrzeuge mit den Verkehrsregeln der
StVO vereinbar sind und ob automatisierte Fahrzeuge die Regeln der StVO befolgen
4 Straßenverkehrsgesetz
5 Straßenverkehrsordnung
6 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung
7 Fahrzeug-Zulassungsverordnung
Autonomes Fahren und gesetzliche Grundlagen 5

müssen. Bei genauerer Analyse der Straßenverkehrsordnung wird bereits im ersten


Abschnitt deutlich, dass auf ein Verhalten des Fahrzeugführers eingegangen wird. So
darf dieser beispielsweise nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVO nur so schnell fahren, dass er sein
Fahrzeug ständig beherrscht.

§ 3 Abs. 1 StVO:
Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahr-

zeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere [...] den
persönlichen Fähigkeiten [...] anzupassen. [...]“

In Abs. 2 der Grundregel des § 1 StVO findet sich die Pflicht des Verkehrsteilneh-
mers sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach
den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird.

§ 1 Abs. 2 StVO:
Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, daß kein anderer

geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar,
behindert oder belästigt wird.“

Hierbei ist der Fahrzeugführer eine Person, die ein Gerät zur Fortbewegung bewusst
lenkt oder steuert und nach dem Leitbild der StVO ein menschliches Individuum sein
muss. Dies steht im direkten Widerspruch zum automatisierten Fahren, da hier der
Führer des Fahrzeugs zeitweise durch einen Computer bzw. ein Fahrerassistenzsystem
repräsentiert wird. Im Fall von Level fünf ( Driverless“) ist es darüber hinaus möglich,

dass im autonomen Fahrbetrieb kein menschliches Individuum im Fahrzeug anwesend
ist. Auch dies steht dem autonomen Fahren gegenüber, insofern der Fahrzeugführer als
menschliche Person definiert ist.
Des Weiteren muss der Fahrer eines Fahrzeugs mit automatisierten Fahrerassis-
tenzsystemen dieses ständig überwachen und ggf. übersteuernd eingreifen können [9].
Fahrfremde Tätigkeiten sind demnach nicht intendiert. Wer als Führer eines hochauto-
matisierten Fahrzeugs dem System die alleinige Kontrolle über das Fahrzeug überlässt
und seine Aufmerksamkeit vom Verkehr abwendet, kann die Pflicht zur Beherrschung
des Fahrzeugs nicht erfüllen und verstößt gegen § 49 StVO. Aus diesem Grund sind
automatisierte Fahrzeuge ab Stufe drei unvereinbar mit der Straßenverkehrsordnung.

Die StVO richtet sich in ihrer Formulierung allerdings nicht ausschließlich an


menschliche Personen, sondern enthält darüber hinaus auch adressatenneutrale Rege-
lungen, wie bspw. Es ist links zu überholen“ in § 5 Abs. 1 StVO oder Es ist möglichst
” ”
weit rechts zu fahren, [...]“ in § 2 Abs. 2 StVO. Auch lassen sich der StVO Formulie-
rungen entnehmen, die sich unmittelbar an Fahrzeuge richten wie bspw. Fahrzeuge

müssen die Fahrbahn benutzen, [...]“ in § 2 Abs. 1 StVO oder Ohne triftigen Grund

dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern“
in § 3 Abs. 2 StVO.

§ 5 Abs. 1 StVO:
Es ist links zu überholen.“

§ 2 Abs. 2 StVO:
Es ist möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr, beim

Überholtwerden, an Kuppen, in Kurven oder bei Unübersichtlichkeit.“
6 M. Bach

§ 2 Abs. 1 StVO:
Fahrzeuge müssen die Fahrbahnen benutzen, von zwei Fahrbahnen die rech-

te. Seitenstreifen sind nicht Bestandteil der Fahrbahn.“

§ 3 Abs. 2 StVO:
Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass

sie den Verkehrsfluss behindern.“

Der Formulierung nach kann nicht explizit bestimmt werden, ob autonome Fahr-
zeugsysteme mit den Regelungen der Straßenverkehrsordnung vereinbar sind oder
nicht, da diese Formulierung auch dahingehend interpretiert werden kann, dass die
Vorschriften der StVO alleine die Bewegung des Fahrzeugs zu regeln versuchen und
nicht das Verhalten des Fahrers im Fokus haben.
Daher verlangt die Straßenverkehrsordnung in seiner Gesamtheit ein bestimmtes
Verhalten von einem menschlichen Fahrer, der demnach unter dem Aspekt der Fahr-
zeugbeherrschung das Verkehrsgeschehen dauerhaft überwachen muss.
Fahrzeuge, bei deren Automatisierungsgrad der Fahrer die Fahraufgaben komplett
oder für einen bestimmten Zeitraum auf ein System übertragen kann ohne dieses dau-
erhaft überwachen zu müssen, sind mit der Straßenverkehrsordnung daher nicht zu ver-
einbaren [8]. Eine Anpassung der Regelungen der StVO, um automatisierte Fahrzeuge
mit ihr in Einklang zu bringen, ist neben dem nationalen Recht auch vom internatio-
nalen Recht abhängig.

3.1.2 Zulassungsrecht

Für die Zulassung von Fahrzeugen zum öffentlichen Straßenverkehr gilt in erster Linie
§ 16 StVZO (Grundregel der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung), der alle Fahrzeu-
ge zum Verkehr zulässt, welche mit den Regeln der StVZO und StVO konform sind,
soweit nicht für die Zulassung einzelner Fahrzeugarten ein Erlaubnisverfahren vorge-
schrieben ist. Diese Grundregel ist allerdings durch einige Einschränkungen limitiert.
Bspw. fallen nach § 16 Abs. 2 StVZO und nach § 1 FZV alle Fahrzeuge, deren bauartbe-
dingte Höchstgeschwindigkeit mehr als 6 km/h beträgt, unter den Anwendungsbereich
der Fahrzeug-Zulassungsverordnung und sind nach § 3 Abs. 1 FZV zulassungspflichtig.
Laut diesem Paragraphen ist die Voraussetzung für eine Fahrzeugzulassung das Beste-
hen einer Kraftfahrzeugversicherung und das Vorliegen einer gültigen Genehmigung.
Dies kann eine EG-Typgenehmigung, eine Einzelgenehmigung oder eine nationale Ty-
pgenehmigung sein. Die EG-Typgenehmigung repräsentiert in der Praxis, insbesondere
bei Serienfahrzeugen, die bedeutendste Form der Genehmigung [9].

Definition EG-Typgenehmigung nach § 2 Nr. 4 a) FZV:


Die von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union unter Anwendung

der Richtlinie 2007/46/EG erteilte Bestätigung, dass der zur Prüfung vor-
gestellte Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer
selbständigen technischen Einheit die einschlägigen Vorschriften und tech-
nischen Anforderungen erfüllt.“

Nach Art. 1 RL 2007/46/EG dient diese Richtlinie zur Schaffung eines Rahmens für
die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern, sowie von Syste-
men, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge.
Eine solche Genehmigung darf nach dieser Richtlinie nur dann erteilt werden, wenn
Autonomes Fahren und gesetzliche Grundlagen 7

diese Systeme, Bauteile und technischen Einheiten den Anforderungen der Richtlinie
entsprechen. Art. 35 Abs. 1 RL 2007/46/EG verweist in Bezug auf die Anforderungen
für die Zulassung auf die in Anhang IV Teil II aufgeführten ECE8 -Regelungen der
Vereinten Nationen. Durch den Verweis auf das Europarecht und die weitere Referen-
zierung auf das FTÜ9 mit dessen ECE-Regelungen ist das nationale Straßenverkehrs-
zulassungsrecht somit abhängig von der Gestaltung des internationalen Rechts.

Abbildung 2 Verweisungskette des Zulassungsrechts nach [10].

3.2 Völkerrechtliche Verträge und ECE-Regelungen

Aufgrund der Tatsache, dass die Automobilbranche vom Import und Export auf dem
internationalen Markt abhängig ist und da der öffentliche Straßenverkehr nicht auf
die innerstaatliche Infrastruktur beschränkt ist, erscheint es plausibel, dass interna-
tionale Abkommen und Verträge geschlossen werden mit dem Vorhaben, homogene
Zulassungs- und Verkehrsregeln für Fahrzeuge zu definieren, sodass länderübergreifend
die Straßenverkehrssicherheit gewahrt werden kann.
Ein solches Abkommen repräsentiert das Wiener Übereinkommen über den Stra-
ßenverkehr (WÜ) vom 08.11.1968. Das WÜ ist ein völkerrechtlicher Vertrag, welcher
seine Vertragspartner in die Pflicht nimmt, einheitliche Zulassungs- und Verkehrsregeln
zu erlassen. Nach Art. 3 Abs. 3 WÜ ist die Einhaltung der dort definierten Regelungen
die Voraussetzung für die Zulassung zum internationalen Straßenverkehr.

3.2.1 Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr

Das WÜ gilt als das gravierendste Hindernis für den Betrieb autonomer Fahrzeuge
[11]. Es zwingt die Vertragsstaaten, die in ihrem Land geltenden Regelungen mit
denen des Wiener Übereinkommens in Konformität zu bringen. In Bezug auf die
Fahrzeugautomatisierung sind besonders nachfolgend aufgeführte Artikel des WÜ als
Hemmnisse anzusehen.

Die betreffenden Stellen in der Wiener Straßenverkehrskonvention lauten:

Art. 8 WÜ - Führer:


(1) Jedes Fahrzeug und miteinander verbundene Fahrzeuge müssen, wenn sie

in Bewegung sind, einen Führer haben.“
8 Economic Commission for Europe - Wirtschaftskommission für Europa
9 Fahrzeugteileübereinkommen
8 M. Bach

(5) Jeder Führer muß dauernd sein Fahrzeug beherrschen oder seine Tiere

führen können.“
Art. 13 WÜ - Geschwindigkeit und Abstand zwischen Fahrzeugen:
(1) Jeder Fahrzeugführer muß unter allen Umständen sein Fahrzeug beherr-

schen, um den Sorgfaltspflichten genügen zu können und um ständig in der
Lage zu sein, alle ihm obliegenden Fahrbewegungen auszuführen.“
Art. 1 WÜ - Begriffsbestimmungen:
(lit v) Führer ist jede Person, die ein Kraftfahrzeug oder ein anderes Fahrzeug

(Fahrräder eingeschlossen) lenkt oder die auf einer Straße Vieh, einzeln
oder in Herden, oder Zug-, Saum- oder Reittiere leitet.“
Aus der Fahrzeugbeherrschungspflicht nach Art. 8 Abs. 5 WÜ und Art. 13 Abs.
1 WÜ lässt sich herleiten, dass Fahrzeugautomatisierungssysteme, die vom Fahr-
zeugführer nicht übersteuerbar und vom System initiiert sind, mit den Konventionen
des WÜ unvereinbar sind, da der Fahrer als Hauptadressat der Fahraufgabe das System
und Verkehrsgeschehen laut der geltenden Rechtslage permanent überwachen und bei
Bedarf übersteuernd eingreifen muss. Geht der Fahrer Nebentätigkeiten nach und wen-
det sich somit vom Verkehrsgeschehen ab, verstößt er gegen die Beherrschungspflicht.
Teilautomatisierte Systeme, bei denen der Fahrzeugführer jederzeit die Fahr-
zeugführung übernehmen kann, sind mit dem Grundsatz der Beherrschungspflicht ver-
einbar. Hochautomatisierte Systeme sind mit dieser Pflicht unvereinbar, da hier defini-
tionsgemäß die Überwachungspflicht nicht dauerhaft, sondern nur für die Aufforderung
der Fahraufgabenübernahme durch das automatisierte System gegeben sein muss (vgl.
Abbildung 1). Sie stehen somit dem automatisierten Fahren im öffentlichen Straßen-
verkehr gegenüber.
Bezüglich des automatisierten Fahrens muss das WÜ zwingender Weise angepasst
werden. ACC, ESP10 und Notbremssysteme bspw. sind mit dem WÜ im einzelnen
konform, die Kombination aus diesen Systemen ist allerdings nicht zulässig.
Autonomes Fahren darf in einem Land aber nur ermöglicht werden, wenn es auch nach
dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr genehmigt ist.

3.2.2 ECE-Regelungen

Ein weiterer völkerrechtlicher Vertrag für Zulassungsangelegenheiten von Fahrzeugen


ist das Fahrzeugteileübereinkommen (FTÜ) von 1958. Es soll die gegenseitige Anerken-
nung der Genehmigungen von Fahrzeugen erleichtern und die überstaatlichen Zulas-
sungshemmnisse abbauen. Auf Basis des FTÜ werden von den Vertragsstaaten ECE-
Regelungen für Fahrzeuge, Teile und Ausrüstungen erstellt. Darunter zählen bspw.
Bremsanalgen, Scheinwerfer und Lenkanalgen.
Mit Hilfe der ECE-Regelungen sollen die internationalen technischen Vorschriften
für Fahrzeuge in Einklang gebracht werden, um Hemmnisse im Handel mit Kfz und
Zubehörteilen abzubauen. Eine Vertragspartei des Fahrzeugteileübereinkommens kann
einzelne Regelungen akzeptieren, ist jedoch nicht zur Akzeptanz verpflichtet. Wird
eine Regelung allerdings akzeptiert, so ist sie völkerrechtlich daran gebunden und ver-
pflichtet sich, Fahrzeuge und Teile, die durch diese Regelung zugelassen sind, auch im
eigenen Land zuzulassen. Der ECE-Regelkatalog umfasst mittlerweile 136 sicherheits-
und umweltrelevante Regelungen für Systeme und Teile.
10 Elektronisches Stabilitätsprogramm
Autonomes Fahren und gesetzliche Grundlagen 9

Im Rahmen dieser Arbeit erscheinen insbesondere nachfolgende ECE-Regelungen


als diskussionswürdig.

Regelung 79 (Lenkanlagen): Automatisierte Fahrzeuge sollen ohne Eingreifen


des Fahrzeugführers die für die Fahraufgabe nötigen Lenkbewegungen eigenständig
ausführen können um bspw. einen Überholvorgang durchzuführen. Die Regelung 79
des ECE-Katalogs definiert die Bedingungen für die Zulassung der Fahrzeuge bzgl. der
Lenkanlage. Für ein besseres Verständnis der Regelung wird der Begriff der Lenkanlage
und der autonomen Lenkanlage nachfolgend dargelegt:

Lenkanlage:
Eine Lenkanlage“ ist nach ECE-Regelung 79 Abs. 2.3 die gesamte Anlage, mit

der die Fahrtrichtung des Fahrzeugs bestimmt wird. Die Lenkanlage umfasst die
Betätigungseinrichtung, die Übertragungseinrichtung, die gelenkten Räder und die
Energieversorgungseinrichtung.

Autonome Lenkanalge:
Nach ECE-Regelung 79 Abs. 2.3.3 ist eine autonome Lenkanlage“ eine Anlage mit

einer Funktion in einem komplexen elektronischen Steuersystem, die bewirkt, dass
das Fahrzeug einer festgelegten Fahrspur folgt oder seine Fahrspur auf Basis von
Signalen ändert, die außerhalb des Fahrzeugs ausgelöst und von dort übertragen
werden. Der Fahrzeugführer hat dabei nicht unbedingt die Hauptverantwortung für
das Führen des Fahrzeugs.

Autonome Lenkanlagen sind allerdings laut ECE-Regelung 79 Abs. 1.2.2 aus


dem Anwendungsbereich der Regel ausgenommen, da laut Einleitung zur Regel 79
Befürchtungen hinsichtlich der Hauptverantwortung für das Führen des Fahrzeugs
bestehen. Außerdem besagt Abs. 2.3.4, dass Assistenzsysteme, die in die Lenkung
eingreifen, nur dann zulässig sind, wenn der Fahrer immer die Hauptverantwortung
für das Führen des Fahrzeugs behält und er diese jederzeit durch einen bewussten
Eingriff übersteuern kann. Demnach sind Lenkanalgen autonomer Fahrzeuge nicht
mit der ECE-Regel 79 vereinbar und stehen der Legalisierung des autonomen Fahrens
gegenüber.

Regelung 6 (Fahrtrichtungsanzeiger vorn, hinten und seitlich):


Im Rahmen des automatisierten Fahrens muss das überholende Fahrzeug ei-
genständig den Überholvorgang einleiten und damit verbunden den Fahrtrichtungs-
anzeiger betätigen, um den Fahrbahnwechsel optisch zu signalisieren. Der Vorgang des
Ausscherens und Wiedereinordnens ist in der StVO formalisiert.
§ 5 Abs. 4a StVO:
(4a) Das Ausscheren zum Überholen und das Wiedereinordnen sind rechtzeitig

und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benut-
zen.“
Allerdings kann sowohl der StVO, als auch der ECE-Regelung 6 für Fahrtrich-
tungsanzeiger keine fahrzeuginitiierte bzw. automatische Aktivierung des Fahrtrich-
tungsanzeigers entnommen werden. Für diesen automatisierten Vorgang muss eine Re-
gelung definiert werden, möchte man autonomes Fahren im rechtlichen Rahmen auf
die Straße bringen. Somit ist laut aktuellem Stand das autonome Fahren nicht mit der
ECE-Regelung 6 unvereinbar.
10 M. Bach

4 Rechtliche Handlungsmöglichkeiten

Wie bereits dargelegt ist das autonome Fahren laut aktuellem Stand nicht mit dem gel-
tenden Rechtsstand vereinbar. In diesem Kapitel werden potenzielle Handlungsmöglich-
keiten aufgezeigt, um die rechtlichen Hemmnisse zu beseitigen.

4.1 Wiener Übereinkommen

Deutschland, Österreich, Belgien, Italien und Frankreich haben im März 2014 einen
Änderungsantrag bzgl. des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr erarbei-
tet, welcher die eingangs erwähnten und als Hemmnisse deklarierten Artikel modifiziert.
Der Beweggrund für die Modifizierung des Wiener Übereinkommens ist, dass mit ihm
und dem Fahrzeugteileübereinkommen zwei Verträge bestehen, welche sich in großen
Teilen ihres Regelungsbereiches überschneiden [9]. Dies würde die Änderung von zwei
Regelwerken zur Folge haben, falls sich der rechtliche Rahmen an den technischen Fort-
schritt anpassen soll. Auch einer möglichen Widersprüchlichkeit soll somit vorgebeugt
werden. Dazu sollen die ECE-Regelungen mit den Regelungen aus dem WÜ in Über-
einstimmung gebracht werden, da diese sich schneller an den technischen Fortschritt
anpassen können als das Wiener Übereinkommen [9].
Der grundsätzliche Ablauf eines Änderungsverfahrens auf Grundlage von Art. 49
des Wiener Übereinkommens lässt sich wie folgt darstellen. Im ersten Schritt wird
der Änderungsvorschlag allen Vertragsstaaten vom UN-Generalsekretär übermittelt.
Ab dem Tag der Übermittlung haben diese laut Art. 49 Abs. 1 WÜ zwölf Monate
Zeit, den Änderungsvorschlag anzunehmen, abzulehnen oder eine Prüfungskonferenz
einzuberufen. Wird der Vorschlag von nicht mehr als einem Drittel der Vertragsstaaten
abgelehnt, tritt er laut Art. 49 Abs. 2 lit.a WÜ nach weiteren 6 Monaten in Kraft und
ist für die Parteien, die zugestimmt oder sich enthalten haben, gültig. Die Übermittlung
durch den UN-Generalsekretär erfolgte am 23.09.2014. Der Änderungsvorschlag wurde
angenommen und trat am 23.03.2016 in Kraft.

4.1.1 Inhalte des Änderungsvorschlags

Art. 39 Abs. 1 WÜ, der besagt, dass Kfz im Sinne des Wiener Übereinkommens dem
Anhang 5 entsprechen müssen, wurde um einen dritten Satz erweitert. Diese Erweite-
rung macht deutlich, dass die Regelungen innerhalb von Anhang 5 des WÜ in Einklang
mit den ECE-Regelungen gebracht wurden. Dem Wortlaut nach gelten die in Anhang 5
des Wiener Übereinkommens enthaltenen technischen Anforderungen an Kraftfahrzeu-
ge als erfüllt, wenn diese mit Teilen, Systemen oder Ausrüstungsgegenständen versehen
sind, die den Vorgaben des FTÜ entsprechen. Eine Widersprüchlichkeit zwischen dem
WÜ und den ECE-Regelungen ist somit ausgeschlossen, da mit der Einhaltung dieser
Regeln auch die Konformität mit dem Wiener Übereinkommen gewahrt ist.

Art. 39 Abs. 1 neu:


Jedes Kraftfahrzeug, jeder Anhänger und alle miteinander verbundenen

Fahrzeuge im internationalen Verkehr müssen dem Anhang 5 entsprechen.
Sie müssen ferner betriebssicher sein. Sind diese Fahrzeuge mit Systemen,
Teilen oder Ausrüstungsgegenständen ausgerüstet, die den technischen Vor-
schriften bezüglich Bauweise, Montage und Benutzung nach Massgabe der
Autonomes Fahren und gesetzliche Grundlagen 11

in Absatz 5 bis von Artikel 8 dieses Übereinkommens erwähnten internatio-


nalen Rechtsvorschriften entsprechen, so gelten sie mit dem Anhang 5 als
konform.“

Art. 8 WÜ wurde um den neuen Abs. 5bis ergänzt. Dieser lautet wie folgt:
Art. 8 Abs. 5bis:
(1) Fahrzeugsysteme, die einen Einfluss auf das Führen des Fahrzeugs ha-

ben, gelten [...] als konform, sofern sie den Vorschriften bezüglich Bauwei-
se, Montage und Benutzung nach Massgabe der internationalen Rechtsvor-
schriften [...] entsprechen;“
(2) Fahrzeugsysteme, die einen Einfluss auf das Führen eines Fahrzeugs haben

und die nicht den oben erwähnten Vorschriften [...] entsprechen, gelten [...]
als konform, sofern die Fahrzeugsysteme vom Fahrzeugführer übersteuert
oder desaktiviert werden können.“
Dieser Artikel besagt, dass Systeme, welche einen Einfluss darauf haben, wie ein
Kfz gefahren wird, mit Art. 8 Abs. 5 WÜ und Art. 13 Abs. 1 WÜ konform sind,
wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Die erste Voraussetzung lässt sich dem Wort-
laut des ersten Satzes entnehmen, nachdem die Fahrzeugbeherrschungspflicht als erfüllt
gilt, wenn die Systeme mit dem Fahrzeugteileübereinkommen vereinbar sind. Die zwei-
te Voraussetzung für die Zulassung von solchen Systemen, welche die Fahrweise des
Kfz beeinflussen, aber nicht den Anforderungen des FTÜ entsprechen, kann Satz zwei
entnommen werden. Die Anforderungen gelten demnach als erfüllt, wenn der Fahr-
zeugführer jederzeit übersteuernd eingreifen oder die Systeme desaktivieren kann. In
beiden Fällen sind solche Systeme nur dann zulässig, wenn sie laut den geltenden ECE-
Regelungen als zulässig erachtet werden.
Bislang galt das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr immer als das
primäre Hemmnis für die Zulassung von automatisierten Fahrzeugsystemen zum öffent-
lichen Straßenverkehr. Nach dem Änderungsverfahren deklariert das Wiener Überein-
kommen Systeme, die vom Führer übersteuerbar oder desaktivierbar sind, als mit dem
Fahrzeugbeherrschungsgrundsatz konform und tritt somit den Anwendungsbereich ab.
Die Frage der Zulässigkeit richtet sich somit an das FTÜ mit den ECE-Regelungen.

4.2 Verkehrsregeln und Zulassungsrecht

In diesem Kapitel werden Möglichkeiten zur Beseitigung der rechtlichen Hemmnisse


bzgl. der Verkehrsregeln und des Zulassungsrechts dargelegt.

4.2.1 Internationale Verträge

Auch die auf Basis des Fahrzeugteileübereinkommens erarbeiteten ECE-Regelungen


müssen für die Zulassung des autonomen Fahrens zum öffentlichen Straßenverkehr
modifiziert werden. Wie bereits dargelegt ist automatisiertes Fahren mit den ECE-
Regelungen 79 (Lenkanlagen) und 6 (Fahrtrichtungsanzeiger vorn, hinten und seitlich)
nicht vereinbar. Im Rahmen der Regel 79 wird für die automatische Lenkfunktion
folgendes definiert:
12 M. Bach

ECE-Regelung 79 Abs. 5.1.6.1:


Sobald die automatische Lenkfunktion einsatzbereit ist, muss dies dem

Fahrzeugführer angezeigt werden, und die Steuerung muss automatisch
ausgeschaltet werden, wenn die Fahrzeuggeschwindigkeit den eingestellten
Grenzwert von 10 km/h um mehr als 20% überschreitet oder die auszuwer-
tenden Signale nicht mehr empfangen werden. Bei Beendigung der Steue-
rung muss der Fahrzeugführer jedes Mal durch ein kurzes, aber charakte-
ristisches optisches Signal und entweder ein akustisches oder ein fühlbares
Signal an der Betätigungseinrichtung der Lenkanlage gewarnt werden.“
Für einen autonomen Fahrbetrieb, bei dem das Fahrzeug eigenständig Spurwechsel
und Überholmanöver durchführen soll, muss der Geschwindigkeitsbereich von 10 km/h
erheblich angepasst werden. Vorstellbar wäre hier eine Anpassung auf 130 km/h, was
der Richtgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen entspricht. Darüber hinaus muss
auch ECE-Regel 6 für Fahrtrichtungsanzeiger dahingehend angepasst werden, dass sie
um eine system- bzw. fahrzeuginitiierte Aktivierung des selbigen ergänzt wird, sodass
anderen Verkehrsteilnehmern ein Fahrbahn- oder Richtungswechsel optisch signalisiert
wird.

4.2.2 Verhaltensrecht bzw. Zulassungsrecht

Der Fahrzeugführer eines Kfz ist laut der Straßenverkehrsordnung der Hauptadressat
der Fahraufgabe und Verhaltenspflichten und darf laut aktueller Rechtslage während
des Führens eines Fahrzeugs keinen fahrfremden Tätigkeiten nachgehen, sondern
muss das Verkehrsgeschehen dauerhaft überwachen. Um automatisiertes Fahren
ab Stufe drei in Einklang mit der Straßenverkehrsordnung zu bringen, muss diese
dahingehend angepasst werden, dass der Fahrzeugführer zumindest zeitweise von der
permanenten Pflicht zur Überwachung befreit und die Fahraufgabe für diese Zeit vom
automatisierten Fahrzeug übernommen wird.

Um Gefahren durch den Verkehr vorzubeugen, muss sichergestellt sein, dass sich
autonome Fahrzeuge und Systeme den Verhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer
anpassen. Hierbei gilt es insbesondere, das Augenmerk auf nichtautomatisierte Fahr-
zeuge und Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr zu legen, die an die StVO gebunden
sind. Hier wird die angesprochene straßenverkehrsrechtliche Konzeption und die da-
mit einhergehende Trennung zwischen Verhaltensrecht (StVO) und Zulassungsrecht
(StVZO/FZV) deutlich. Die gestellten Anforderungen an die Fahrweise von autono-
men Kfz können nicht im Verhaltensrecht selbst definiert werden, da es ausschließlich
den Menschen und nicht etwa technische Systeme adressiert. Da dieser als Adressat
verpflichtet werden kann, das Automatisierungssystem so zu konstruieren, dass das Kfz
fähig ist die Regeln der StVO gleich einem menschlichen Fahrer einzuhalten und so-
mit dafür zu sorgen hat, dass vom konzipierten System keine Gefährdungen ausgehen,
muss die ordnungsgemäße Fahrweise bereits zulassungsrechtlich sichergestellt werden.
Für den Fall, dass eine ordnungsgemäße Fahrweise nicht gewährleistet werden kann,
muss dies dem Fahrzeugführer systeminitiiert innerhalb einer der Situation entspre-
chenden Vorwarnzeit mitgeteilt werden, damit dieser die Kontrolle über das Fahrzeug
übernehmen kann. Dies muss ebenfalls zulassungsrechtlich sichergestellt werden.
Da sich autonome Fahrzeuge, sofern sie in Zukunft eingeführt werden, nicht nur
innerstaatlich, sondern im internationalen Verkehr fortbewegen, muss beachtet wer-
den, dass sich die verkehrsrechtlichen Regelungen einzelner Staaten und Länder trotz
Autonomes Fahren und gesetzliche Grundlagen 13

des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr stark voneinander unterschei-


den können. Möchte man Fahrern autonomer Fahrzeuge grenzüberschreitenden Verkehr
im automatisierten Modus ermöglichen, muss die Einhaltung aller jeweiliger nationaler
Verkehrsregeln zulassungsrechtlich sichergestellt werden. Dies führt zu einem immensen
Aufwand und nicht voraussehbaren Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Aufgabe.
Zur Verhinderung der Hemmnisse bietet sich die Harmonisierung der Straßenverkehrs-
regeln auf internationaler Ebene an [9]. Eine solche Harmonisierung hätte darüber
hinaus auch positiven Einfluss auf die vermehrt eingesetzte kameragestützte Detektion
von Verkehrszeichen.
Im Rahmen dieser Arbeit und nach [9] wird insbesondere die Einhaltung folgen-
der Paragraphen der Straßenverkehrsordnung im Kontext des autonomen Fahrens als
relevant angesehen:

§ 3 StVO - Geschwindigkeit:
Laut diesem Paragraphen darf nur so schnell gefahren werden, dass das Fahrzeug
ständig beherrscht wird. Es muss zulassungsrechtlich sichergestellt werden, dass
das Fahrzeug im autonomen Modus nur mit einer Geschwindigkeit fährt, die vom
automatisierten System auch jederzeit beherrscht werden kann. Das System muss
in Bezug auf die Geschwindigkeit auch äußere Gegebenheiten, wie etwa Straßen-,
Verkehrs- und Wetterverhältnisse beachten.

§ 4 StVO - Abstand:
Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss so groß sein, dass auch dann
hinter ihm gehalten werden kann, wenn dieses plötzlich bremst. Die Schwierigkeit
liegt hierbei in der Wahl des nötigen Abstands. Dieser muss so gewählt und stetig
geprüft werden, sodass sich ein Fahrer eines vorausfahrenden Fahrzeugs durch den
gewählten Abstand nicht irritieren lässt.

§ 5, 6, 7 Abs. 5 StVO - Überholen, Vorbeifahren und Fahrstreifenwechsel:


Auf zulassungsrechtlicher Seite muss sichergestellt werden, dass die Regeln der
StVO bzgl. des Überholens, Vorbeifahrens und Fahrstreifenwechsels eingehalten
werden. So darf gemäß § 5 Abs. 1 StVO nur links überholt werden und nach §
5 Abs. 2 StVO auch nur dann, wenn übersehen werden kann, dass während des
ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist.
Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu
Überholende fährt. Laut § 7 Abs. 5 darf ein Fahrstreifenwechsel unter Verwendung
der Fahrtrichtungsanzeiger nur dann ausgeführt werden, wenn eine Gefährdung
anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

§ 1 - Grundregel:
Durch § 1 StVO sind menschliche Fahrer zur ständigen Vorsicht und gegenseiti-
gen Rücksicht verpflichtet. Es muss sich so verhalten werden, dass kein anderer
geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behin-
dert oder belästigt wird. Bei offensichtlich rechtswidrigem Verhalten anderer muss
der Fahrzeugführer unter Umständen die Regelungen der StVO übertreten, wenn
es sonst zu Gefährdungen oder Schäden kommen würde. Dieser flexible Umgang
mit manifestierten Regeln widerspricht jedoch dem Gedanken eines automatisierten
Systems, welches ein vordefiniertes Programm ausführt.
14 M. Bach

Nach [9] ist die Einführung einer Entsprechungsklausel11 , dass die straßenver-
kehrsrechtlichen Normen der StVO auch für automatisierte Fahrzeuge gelten, nicht
zielführend, da die StVO das Verhaltensrecht abbildet und diesen Systemen die Fähig-
keit zu einem Verhalten im Sinne der Straßenverkehrsordnung fehlt. Möglich wäre
allerdings eine Öffnungsklausel, die den Fahrzeugführer von der Beherrschungspflicht
befreit, falls aufgrund der zulassungsrechtlichen Normen sichergestellt ist, dass das au-
tomatisierte Fahrzeug dazu fähig ist, die Straßenverkehrsregeln der StVO einzuhalten.
Diese Fähigkeit könnte in den ECE-Regelungen normiert werden. Analog hierzu käme
in Betracht, die Fähigkeit zur Einhaltung ländertypischer Straßenverkehrsregeln in
die Fahrzeug-Zulassungsverordnung aufzunehmen. Sind autonome bzw. automatisierte
Fahrzeuge und Systeme in der Lage die Normen und Regeln der Straßenverkehrsord-
nung wie ein menschlicher Fahrer zu befolgen, kann von der Fahrzeugbeherrschungs-
pflicht des Fahrzeugführers in der Straßenverkehrsordnung abgesehen werden, wenn
zulassungsrechtlich sichergestellt ist, dass das System in der Lage ist, die Verkehrsre-
geln der Straßenverkehrsordnung analog anzuwenden. Dafür sollte allerdings zumindest
auf lange Sicht eine internationale Harmonisierung der Verkehrsregeln und -zeichen an-
gestrebt werden.

5 Fazit und Ausblick

Auf der rechtlichen Seite stehen dem automatisierten oder autonomen Fahren noch eini-
ge große Hemmnisse gegenüber, denn mit derzeit geltendem Recht und den definierten
Regelungen sowie den technischen Richtlinien sind aktuell nur Fahrerassistenzsyste-
me und eingeschränkt teilautonome Systeme zulässig. Ein entscheidender Faktor ist,
dass der menschliche Fahrer als Hauptadressat der Fahraufgabe das Fahrzeug jeder-
zeit überwachen muss, um gegebenenfalls übersteuernd eingreifen zu können. Somit ist
die Vorstellung fahrfremden Nebentätigkeiten während eines autonomen Fahrbetriebs
nachgehen zu können, vorerst obsolet.
Der automatisierte Betrieb, wie er ab Stufe drei definiert wird, bei dem das
Fahrzeug die Längs- als auch die Querführung vollständig übernimmt und der Fahr-
zeugführer das System nicht dauerhaft überwachen muss, ist weiterhin nicht zulässig.
Auch die Problematik der Dilemmasituationen kann mit rechtlichen Mitteln nicht
gelöst werden, da ein System, welches sich im Ernstfall für die Tötung eines Men-
schen entscheidet, sich verfassungsrechtlich nicht durchsetzen kann. Diese Situationen
müssen um jeden Preis vermieden werden. Eine denkbare Lösung wäre, wie bereits
beschrieben, vollautomatisierte Systeme ausschließlich für geringe Geschwindigkeiten
zuzulassen und ethische sowie moralische Entscheidungen dem Fahrzeugführer im Be-
reich höherer Geschwindigkeiten in Stufe zwei oder Stufe drei zu überlassen.
Feststeht, dass die rechtlichen Gegebenheiten neu ausgehandelt und bestehende Re-
gelungen, sowie internationale Verträge und Richtlinien weiter modifiziert und ergänzt
werden müssen. Die rechtlichen Gegebenheiten müssen in internationalen Verhandlun-
gen neu ausgehandelt werden und bestehende Verträge und Richtlinien ergänzt oder
ersetzt werden.

11 Mit dieser Norm wird im Strafrecht die Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen zum

Ausdruck gebracht.
Autonomes Fahren und gesetzliche Grundlagen 15

Literatur

1. Volvo Vision 2020,


http://www.volvocars.com/intl/about/our-stories/made-by-sweden/vision-2020,
zuletzt geprüft am 02.07.2016.
2. Okuda, R.; Kajiwara, Y.; Terashima, K. (2014): A survey of technical trend of ADAS and
autonomous driving. In: 2014 International Symposium on VLSI Technology, Systems and
Application (VLSI-TSA). Hsinchu, Taiwan, S. 1-4.
3. Renault-Nissan: Markteinführung Autonomer Autos bis 2020,
http://www.autonomes-fahren.de/renault-nissan-markteinfuehrung-autonomer-
autos-bis-2020/,
zuletzt geprüft am 01.07.2016.
4. Winner, H.; Hakuli, S.; Lotz, F.; Singer, C. (2015): Handbuch Fahrerassistenzsysteme. Wies-
baden: Springer Fachmedien Wiesbaden,
ISBN: 978-3-658-05733-6
5. Verband der Automobilindustrie: Autonomes Fahren,
https://www.vda.de/de/themen/innovation-und-technik/automatisiertes-fahren/
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zuletzt geprüft am 28.07.2016.
6. Stufen des automatisierten Fahrens nach SAE-Standard J3016,
https://www.2025ad.com/fileadmin/user_upload/Evergreen/Technology/Levels_of_
Automation/Levels_Grafik_Lightbox.jpg,
zuletzt geprüft am 28.06.2016.
7. Handelsblatt: Google-Auto kommt ohne Lenkrad und Pedale,
http://www.handelsblatt.com/auto/nachrichten/iaa-2015-google-auto-kommt-ohne-
lenkrad-und-pedale/12338018.html,
zuletzt geprüft am 21.07.2016.
8. Maurer, Markus, et al., eds. Autonomes Fahren: Technische, rechtliche und gesellschaftliche
Aspekte. Springer-Verlag, 2015.
9. Cacilo, Andrej (Fraunhofer IAO); Schmidt, Sarah (Fraunhofer IAO); Wittlinger, Phil-
ipp (Fraunhofer IAO); Herrmann, Florian (Fraunhofer IAO); Bauer, Wilhelm (Fraunhofer
IAO); Sawade, Oliver (Fraunhofer FOKUS); Doderer, Hannes (IKEM); Hartwig, Matthias
(IKEM); Scholz, Volker (mm1): Hochautomatisiertes Fahren auf Autobahnen - Industrie-
politische Schlussfolgerungen
10. Dipl.-Ing Dipl.-Jur. Lennart S. Lutz,
Rechtliche Hürden - Automatisierte Fahrzeuge als Herausforderung für das Verhaltens-,
Zulassungs- sowie Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht,
https://www.dvr.de/download/ps_2014-11-24_lutz.pdf,
zuletzt geprüft am 02.07.2016.
11. Zukunft Mobilität: Rechtliche Zulassung von autonomen Fahrzeugen,
http://www.zukunft-mobilitaet.net/17991/analyse/rechtslage-autonomes-fahren-
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zuletzt geprüft am 01.07.2016.

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