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Michel Tournier

Geburtstag:19. Dezember 1924


Todestag: 18. Januar 2016
Nation: Frankreich
von Christiane Röhrbein

Michel Tournier - Biogramm


Stand: 15.05.2018
Michel Tournier, geboren am 19.12.1924
    in Paris. Seine Eltern, beide Germanisten, unterhielten
vielfältige Beziehungen zu Deutschland. Tournier studierte Jura, Philosophie und Literatur in Paris
und Tübingen (1946–1950). Nach einem gescheiterten Versuch, die Auswahlprüfung für das
Lehramt zu bestehen, arbeitete er als Verlagslektor, Rundfunkjournalist und Übersetzer. Relativ spät
trat er als Schriftsteller hervor. Neben Literatur und Philosophie galt sein Interesse vor allem der
Fotografie. Mitglied der Akademie Goncourt ab 1972. Tournier lebte über 50 Jahre im Pfarrhaus
von Choisel, einem Hundert-Seelen-Dorf im Chevreuse-Tal südlich von Paris. Zuletzt hatte er sich
zunehmend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Tournier starb am 18.1.     2016 im Alter von
91 Jahren.

Michel Tournier - Preise


Stand: 15.05.2018
Auszeichnungen: Großer Romanpreis der Académie Française (1967) für „Freitag oder im Schoß
des Pazifik“; Prix Goncourt (1970) für „Der Erlkönig“; Malaparte-Literaturpreis (Italien) (1993);
Goethe-Medaille (1993).

Michel Tournier - Essay


Stand: 15.09.2015
Fünfzehn Jahre lang füllte Michel Tournier seine Schubladen mit unbrauchbaren Manuskripten. Als
er schließlich 1967 seinen ersten Roman „Freitag oder im Schoß des Pazifik“ vorlegte, erntete der
bis dato unbekannte Schriftsteller auf Anhieb viel Beifall. Eine abgespeckte Version der
Robinsonade hat sich im Laufe der Jahre zu einem bislang sieben Millionen Mal verkauften und in
40 Sprachen übersetzten Schulbuchklassiker entwickelt. Drei Jahre nach dem Erscheinen des ersten
„Freitag“ erschien ein Roman, der vor allem in Deutschland eine lebhafte Debatte auslöste: „Der
Erlkönig“. Dieses opulent angelegte Werk, das unter dem Titel „Der Unhold“ von Volker
Schlöndorff 1996 verfilmt wurde, markiert den Höhepunkt von Tourniers Schriftstellerkarriere.
Danach veröffentlichte der Autor noch einige Romane, von denen zwei recht erfolgreich waren,
einen autobiografischen Essay, mehrere Erzählungen und Novellen, Reisetagebücher und
Reiseerinnerungen, Lesenotizen, eine Reihe von Aufsätzen zu literarischen, philosophischen und
kunstgeschichtlichen Themen, diverse Bände mit Einleitungen und Kommentaren zu Werken
weltbekannter Fotografen und Grafiker, eine Betrachtung über seine Beziehung zu Deutschland und
nicht zuletzt zahlreiche Kinderbücher, die meistens Neuausgaben oder kindgemäße Fassungen
seiner Romane und Erzählungen sind. Den Erfolg seines Meisterwerks konnte Tournier allerdings
nicht wiederholen. Mit zunehmendem Alter und in dem Maße, wie sein Aktionsradius schrumpfte,
bevorzugte der Autor, der es gewohnt war, für seine opulenten Romane umfangreiche
Recherchereisen zu machen, die „kleine Prosa“, für die er aus seinen Beständen schöpfte. 1996 gab
er, nicht ohne Selbstironie, folgende Beobachtung zu Protokoll: „Wenn man alt wird, wird man
entweder fett, oder man trocknet aus. Ich trockne aus.“ Im selben Jahr wurde der „Fonds Michel
Tournier“ an der Universitätsbibliothek von Angers gegründet, in dem Originalausgaben,
Sekundärliteratur und Presseartikel gesammelt werden und den der Schriftsteller regelmäßig selbst
bestückte. Das Schreiben von Büchern hat Tournier einige Jahre vor seinem Tod komplett
eingestellt, auch seinen Platz am Mittagstisch der Akademie Goncourt hat er geräumt. Auf die
Frage, wie er mit dem Alter zurechtkäme, erklärte Michel Tournier: „Ich werde mich nicht
umbringen, aber ich finde, dass ich lang genug gelebt habe.“ Er unternehme nichts mehr, reise nicht
mehr, kurz: Er langweile sich.
Der entscheidende Begriff zum Verständnis von Tourniers Gesamtwerk lautet „Mythos“. In seinem
autobiografischen Essay „Der Wind Paraklet“ (1977) weist Tournier darauf hin, dass es ihm nicht in
erster Linie darum geht, neue Geschichten zu erfinden. Sein Hauptinteresse besteht vielmehr darin,
alte Geschichten neu zu erzählen: „Ein Mythos ist eine Geschichte, die jedermann schon kennt.“
Zusammenfassend heißt es: „Meine Bücher sollen schon beim ersten Lesen wiedererkannt und
insofern wiedergelesen werden.“
Doch handelt es sich bei Tourniers Aneignung bekannter Texte nicht um Kopien, sondern in der
Regel um ausgesprochen eigenwillige, um nicht zu sagen respektlose Bearbeitungen. Die
abendländische Mythologie dient ihm als Steinbruch, aus dem er sich bedient, wie es ihm gerade
passt. Seine Tätigkeit könnte man in Anlehnung an Claude Lévi-Strauss als eine Art „intellektuelle
Bastelei“ bezeichnen: Der Mythenbastler greift, ähnlich dem Bastler auf technischem Gebiet, „auf
eine bereits konstituierte Gesamtheit von Werkzeugen und Materialien“ zurück, auf „Abfälle und
Bruchstücke, fossile Zeugen der Geschichte eines Individuums oder einer Gesellschaft“, befragt
„alle diese heterogenen Gegenstände, die seinen Schatz bilden“, nach ihrer Bedeutung, wählt
bestimmte Aspekte seiner Werkzeuge aus, die er zur Geltung bringen will, ersetzt eventuell frei
gewordene Funktionen durch andere Elemente und entscheidet sich unter den zahlreichen
Kombinationsmöglichkeiten für ein bestimmtes „Arrangement“. (Lévi-Strauss: „Das wilde
Denken“, 1962)
In seinem Erstlingsroman „Freitag oder im Schoß des Pazifik“ (1967) greift Tournier die Geschichte
des Schiffbrüchigen auf, der auf einer einsamen Insel gestrandet ist. Dieser große bürgerliche
Mythos vom unermüdlichen Kampf ums Überleben erfährt in Tourniers Roman allerdings eine
radikale Umkehrung. Gilles Deleuze beschreibt den Unterschied zwischen Tourniers Robinson und
dem Helden von Daniel Defoes berühmtem Roman folgendermaßen: Die Blickrichtung von
Tourniers Robinson ist prospektiv; die des Helden von Defoe ist retrospektiv. Tournier führt seinen
Helden völlig neuartigen Zielen entgegen; Defoes Held will die Welt reproduzieren, der er
entstammt. Tourniers Robinson ist ein sexuelles Wesen; Defoes Robinson ist völlig asexuell.
Nachdem Robinson zunächst vergeblich versucht hat, seine Insel zu kolonialisieren und Freitag zu
einem zivilisierten Menschen zu machen, erkennt er seinen Irrtum. Eine Katastrophe – die
Explosion der 40 Pulverfässer, die er in einer Grotte aufbewahrte – markiert die Wende. Von nun an
kehrt sich das Verhältnis Herr-Diener um. Freitag macht Schluss mit Robinsons „Klein-England“.
Die Initiation Robinsons zum „wilden Leben“ beginnt. Seine Sexualität erfährt eine Folge von
Transformationen, bis hin zu ihrer vollständigen Sublimierung in einer Vereinigung mit der Sonne.
Michel Tourniers zweiter Roman „Der Erlkönig“ (1970) stand in Frankreich monatelang auf den
Bestseller-Listen und wurde mit dem höchsten Literaturpreis, dem Prix Goncourt, ausgezeichnet.
Als das Buch zwei Jahre später in deutscher Übersetzung erschien, fand es ein äußerst
widersprüchliches Echo. Den Anlass bot der thematische Rahmen des Romans, dessen zweiter Teil
im Ostpreußen der Kriegsjahre spielt. Tournier setzt in „Der Erlkönig“ das Geschick seiner
Hauptfigur in Parallele zum Schicksal des nationalsozialistischen Deutschland. Der in die
Zeitgeschichte projizierte Mythos vom Kinder liebenden und Kinder fressenden Unhold schafft die
Verbindung zwischen diesen beiden Bestandteilen.
Abel Tiffauges, Besitzer einer Autowerkstatt in Paris, kommt als Kriegsgefangener nach
Deutschland. Im besitzergreifenden Wesen des Naziregimes, das die Jugend über alles stellt und
gleichzeitig der Vernichtung weiht, findet er seine eigenen Obsessionen ins Gespenstische gesteigert
wieder: Deutschland ist das Land, in dem er sich entfalten kann. Nach einiger Zeit im
Gefangenenlager wird Tiffauges Jagd-Treiber auf einem Gut von Hermann Göring, dem „großen
Oger von Rominten“, und schließlich Zutreiber in einer nationalsozialistischen Erziehungsanstalt,
wo er die durch den Krieg gelichteten Reihen mit neuen „Jungmannen“ füllt.
Wie Manfred S. Fischer in seiner vergleichenden Darstellung der Rezeption des „Erlkönigs“ in
Deutschland und Frankreich feststellt, verrät sich in der Auseinandersetzung der bundesdeutschen
Kritiker mit dem Roman „das mit Schuldgefühlen belastete Bewusstsein, welches den Blick für die
eigentliche Thematik des Romans versperrt“. Die meisten bundesdeutschen Rezensenten erklären
die literarische Verarbeitung des Nationalsozialismus zum vorrangigen Anliegen des Werkes. Diese
Lesart führt im Extremfall, bei Jean Améry, zu einer Verurteilung des Romans als „ästhetische
Rechtfertigung der Barbarei“, für die es nach Améry nur ein qualifizierendes Wort gibt:
Komplizität. Wenn auch, wie Fischer feststellt, kein anderer deutscher Kritiker Améry dahingehend
folgt, den Autor nationalsozialistischer Sympathien zu bezichtigen, wird doch mehrfach vor einer
legendären Ausdeutung der Geschichte gewarnt. Fischer weist darauf hin, dass eine Behandlung der
nationalsozialistischen Vergangenheit, die von einer phantastischen Ebene aus operiert, in einem
Nachfolgestaat des „Dritten Reiches“ befremden muss. Alles andere als eine „realistische,
entlarvende und anklagende literarische Verarbeitung des Nationalsozialismus“ breche hierzulande
ein Tabu.
Während die deutsche Kritik das Werk vornehmlich unter politischen und ideologischen
Gesichtspunkten betrachtete, war die französische Kritik bestrebt, den Strukturzusammenhang der
einzelnen Romanelemente zu beschreiben. Eine solche Analyse, auf die Améry bewusst verzichtete,
ermöglicht es nach Fischer, „die kontrapunktische Konstruktion des Romans“ zum Beispiel anhand
der für den Roman bedeutsamen „Inversions-Struktur“ aufzuzeigen, um so „die Kennzeichnung des
‚Helden‘ selbst als ein zwiespältiges Wesen mit der Veranlagung zum Erlkönig und zum
Christophorus“ sichtbar zu machen.
Im Mittelpunkt von Tourniers drittem Roman „Zwillingssterne“ (1975) steht das Bild der Zwillinge,
Symbol für das ursprünglich ungeteilte Wesen. In einer Fülle von Geschichten und Bildern, die um
das eineiige Zwillingspaar Jean-Paul kreisen, wird das abstrakte Thema von Einheit und Spaltung
sowie der Überwindung der polaren Gegensätze von Ich und Nicht-Ich, Mann und Frau, Tag und
Nacht, Himmel und Erde, Innen und Außen entwickelt.
Der erste Teil des Romans erzählt die Geschichte der Familie Surin: die Kindheit der Zwillinge auf
dem bretonischen Familienbesitz und den schmerzvollen Prozess ihrer zunehmenden
Differenzierung; das zwischen Paris und der Provinz geteilte Leben ihres Vaters Edouard; das
Schicksal ihrer Mutter Maria-Barbara, die ganz in ihrer Mutterrolle aufzugehen scheint und in
Wahrheit ohne das Wissen ihrer Familie für die Résistance arbeitet; die Abenteuer des
homosexuellen Onkels Alexander, der ständig auf der Suche nach einer Art Zwillingsbruder ist und
so eine Brücke schlägt zwischen den gemischten Paaren und den Zwillingsbrüdern.
Im zweiten Teil des Romans wird allein die Geschichte der Zwillinge Jean-Paul erzählt, die so
wenig zu unterscheiden sind, dass sie mit einem gemeinsamen Namen gerufen werden. Nach
Alexanders Tod kommt es zum Bruch zwischen den Zwillingen. Jean versucht – zuerst durch eine
Heirat und dann durch eine fluchtartig angetretene Reise – der Zwillingswelt zu entrinnen. Paul, der
Hüter der Zwillingseinheit, verfolgt ihn von Venedig über Tunis, Island, Japan bis nach Kanada.
Zwischen Vancouver und Montreal dreht sich das Verhältnis von Verfolger und Verfolgtem um:
Paul erreicht als erster Berlin und wird Zeuge des Mauerbaus, der die Stadt in zwei Hälften teilt.
Auf seiner Flucht durch einen Tunnel nach West-Berlin wird Pauls linke Körperhälfte von
herabstürzenden Erdmassen zerquetscht. In seine Heimat zurückgekehrt, tritt der „ein-seitige“ Paul
in Kontakt mit dem Himmel und dem Meteorologischen.
Wenige Zeilen des Matthäus-Evangeliums und eine russische Legende über einen vierten König
dienen Tournier als Folie für seinen Roman „Kaspar, Melchior & Balthasar“ (1980). Die Lücken
von Geschichte und Legende ausfüllend, erfindet Tournier für jede der drei biblischen Figuren eine
Biografie. Er erzählt, warum sie ihre Königreiche verlassen und wo sie sich getroffen haben, was
sie bei Herodes in Jerusalem und später im Stall von Bethlehem fanden.
Jeder der drei Könige ist mit einem Problem belastet: Kaspar leidet an einer unglücklichen Liebe;
Balthasar, ein großer Kunstliebhaber, verzweifelt am religiösen Tabu, das die bildliche Darstellung
des Menschen verbietet; Melchior wurde durch Intrigen vom Thron gestoßen und kommt als
Flüchtling in das Reich des Herodes. Die Lösungen, die der König der Juden für ihre Probleme
anzubieten hat, sind der Botschaft, die sie in Bethlehem empfangen, diametral entgegengesetzt:
Kaspar erhält dort eine Lektion in christlicher Liebe; Balthasar erlebt die Geburtsstunde der
christlichen Kunst; Melchior gewinnt ganz neue Vorstellungen von Macht und Gerechtigkeit. Der
vierte König, Taor, kommt zu spät: Die Heilige Familie ist bereits nach Ägypten geflohen. Der
Kindermord in Bethlehem ist die erste Etappe seines Abstiegs in das „Reich Satans“. Er, der
ursprünglich aufgebrochen war, um das Rezept für ein Konfekt in Erfahrung zu bringen, arbeitet 33
Jahre lang freiwillig in den Salzminen von Sodom, bevor er in Jerusalem als erster die Eucharistie
empfängt.
Tournier spielt in diesem Roman mit Bibeltexten, Elementen der Legende, des Märchens und der
Geschichte, indem er sie vermischt und neu zusammensetzt, zitiert, parodiert und erweitert. Auf die
Spitze treibt er diese Flicktechnik, wenn er die Geburt Jesu, die Huldigung durch die Hirten und die
Ankunft der drei Könige – „immer müssen sich die Reichen in alles einmischen“ – von einem Esel
erzählen lässt.
So wie die äußere Gliederung der Geschichte von Taor durch den Gegensatz von Salz und Zucker
bestimmt ist, erscheint die Geschichte von „Gilles & Jeanne“ (1983) als eine Folge von radikalen
Umkehrungen: Jeanne, ein einfaches Landmädchen, von Gott ausersehen, Frankreich zu erretten,
wird nach einer Reihe triumphaler Erfolge vom Schicksal fallengelassen, schließlich als Hexe
verbrannt und nach ihrem Tod heiliggesprochen. Gilles de Rais, ihr Waffengefährte, beschließt, ihr
durch Himmel und Hölle nachzufolgen. Er gibt sich hemmungslos seinen sexuellen Perversionen
hin, wird zum Kindesentführer und Kindesmörder und stirbt schließlich ebenfalls auf dem
Scheiterhaufen.
Dieser Text, der auf Grund seines geringen Umfangs vom Autor als „Erzählung“ bezeichnet wurde,
illustriert Tourniers Theorie von der Umkehrbewegung zwischen Gut und Böse. Tournier ist der
Auffassung, dass alles im Keim sein symmetrisches Gegenteil enthält: Der Ketzer wird zum
Heiligen; der ständig zu spät Gekommene zum ersten Nachfolger Jesu; das unseligste Verhängnis
zum Glück; der Kindesentführer ist der Schatten des heiligen Christophorus, und der Teufel ist Gott
von allen Wesen am ähnlichsten.
Der Untertitel „Ein autobiographischer Versuch“, der Tourniers 1977 erschienenem Buch „Der
Wind Paraklet“ in der deutschen Ausgabe beigegeben wurde, ist aufschlussreich: Dieses Gemisch
aus Kindheitserinnerungen und Anmerkungen zur Genese und Interpretation seiner Werke ist
allenfalls ein autobiografischer „Versuch“, der nur sehr bedingt etwas zum Verständnis des Autors
und seines Werkes beiträgt. Das zweite Kapitel ist Tourniers Verhältnis zu Deutschland und der
Entstehung des „Erlkönigs“ gewidmet. Seine Bemerkungen zur deutschen Besatzung, zum
„Résistance-Mythos“ und insbesondere sein Urteil über die Richter, die den Kollaborations-
Schriftsteller Robert Brasillach zum Tode verurteilten („ein Klüngel ungewaschener halbasiatischer
Beutelfranzosen“), sind in Frankreich so aufgenommen worden, wie sie zweifellos gemeint waren:
als Provokation.
Tourniers 1985 erschienener Roman „Der Goldtropfen“ stieß bei seinen Landsleuten ebenfalls auf
Vorbehalte. Dies liegt vor allem daran, dass sich Tournier mit diesem Buch zum ersten Mal zu einer
aktuellen und äußerst heiklen politischen Frage äußert: zum Thema der Immigration. Wie schon in
„Freitag oder im Schoß des Pazifik“ erzählt Tournier die Geschichte einer Reise. Nur schlägt der
Berberjunge Idris, der sich aus seiner Oase im Nordwesten der Sahara nach Paris aufmacht, den
umgekehrten Weg ein wie Robinson, der auf einer wilden und einsamen Insel strandet.
Am Anfang der Geschichte steht ein Bilderraub. Idris, ein fünfzehnjähriger Oasenbewohner, wird
von einer französischen Touristin fotografiert. Daraufhin verlässt der Berberjunge seine Familie, um
seinem Porträt nachzureisen. Denn in seiner afrikanischen Heimat wird dem menschlichen Abbild
eine unheilvolle Kraft zugeschrieben, die es zu bändigen gilt. Sein Weg führt ihn über Oran und
Marseille in die französische Hauptstadt, wo er in einem Gastarbeiter-Wohnheim in „La Goutte
dʼOr“, dem Araberviertel von Paris, Unterschlupf findet. Auf den verschiedenen Stationen seiner
Reise stößt Idris überall auf verstümmelte Porträts und fratzenhafte Darstellungen. Da ist der
Fremdenführer im Sahara-Museum, der die Touristen mit Hilfe von Schaubildern und Glasvitrinen
in die Geheimnisse der Wüste einzuweihen vorgibt. In Oran muss der Junge Passbilder machen
lassen und zieht versehentlich das Foto seines Vorgängers aus dem Automaten. So betritt er, als er in
Marseille die Fähre verlässt, seine neue Heimat mit einer amtlich bestätigten falschen Identität.
Europa scheint überhaupt falsche Identitäten industriell herzustellen: Ein Pariser Fabrikant macht
einen Abguss von ihm, um daraus lebensgroße Schaufensterpuppen anfertigen zu lassen; in einem
Werbespot spielt er einen glücklichen Oasenbewohner, der für ein Fruchtsaftgetränk posiert. Der
Besuch in einer Peep-Show lässt ihn erkennen, dass in Europa die Dinge nur für das Auge und nicht
für die Fassbarkeit der Hände bestimmt sind: Zwischen dem Menschen und dem Objekt seines
Begehrens befindet sich immer eine Leinwand oder eine Glasscheibe. Von den flimmernden Bildern
der Großstadt erschöpft, sucht der Berberjunge schließlich Zuflucht bei den Worten. Er besinnt sich
auf die alte islamische Tradition, die in der Kalligrafie die Übersetzung der sichtbaren Dinge in
reine Zeichen feiert.
Tourniers Lösung ist einfach: hier die gefährlichen Bilder, da die rettenden Zeichen; hier westliche
Dekadenz, da ehrwürdige islamische Tradition. Doch viel schwerer als der Vorwurf der
Schwarzweiß-Malerei wog das Urteil zahlreicher Kritiker, Tournier habe das Schicksal der
Einwanderer verkitscht und idealisiert. In der Tat ist Idrisʼ Reise von glücklichen Zufällen
gepflastert: Ständig werden dem Berberjungen Fahrkarten geschenkt und Jobs angeboten;
Sprachprobleme sind ihm fremd, falsche Papiere für ihn kein Hindernis. Die Realität der
afrikanischen Gastarbeiter hat mit dieser Geschichte wenig zu tun. Nun hat Tournier auch nie den
Anspruch erhoben, einen Sozialroman zu schreiben; vielmehr wollte er ein modernes Märchen
erzählen. Die Frage ist nur, ob sich der Stoff für diese Gattung eignete.
Die Novellensammlung „Das Liebesmahl“ (1989) nimmt ein Thema wieder auf, mit dem sich
Tournier seit seinem ersten Roman immer wieder beschäftigt hat: das ungleiche Paar. Robinson und
Freitag, der Erlkönig und das verführte Kind, die Zwillinge Jean und Paul – der eine sesshaft, der
andere Nomade –, das alles waren eigentlich unmögliche Beziehungen. Genau so ist es mit Yves
und Nadège, die den erzählerischen Anlass für einen Fächer von 19 ungewöhnlichen
Paargeschichten liefern.
Yves, ein armer Schiffsjunge, der es nach harten Lehrjahren zum Kapitän gebracht hat, und seine
Frau Nadège, eine reiche Reederstochter, haben sich nichts mehr zu sagen. Der bedrückenden
Wortlosigkeit überdrüssig, beschließen sie, sich zu trennen. Bei einem nächtlichen Gastmahl wollen
sie die Trennung bekannt geben. Doch im Morgengrauen wendet sich alles zum Guten. Denn die
Novellen, Märchen, Anekdoten und Legenden, die ihre geladenen Freunde in dieser
außergewöhnlichen Nacht erzählen, helfen dem Paar, sich zu erkennen: „Was uns fehlte, war ein
Haus aus Worten, um gemeinsam darin zu leben“, sagt Nadège am Ende. „Unsere Freunde haben
uns alles Nötige geliefert, um es zu bauen.“ – „Wir hatten uns wie zwei Karpfen in den Schlamm
unseres Alltags gewühlt“, schließt Yves. „Von nun an werden wir wie zwei Forellen sein, die
erschauernd Seite an Seite in den Wassern eines Gebirgsbaches schwimmen.“
Literatur als Paartherapie – dieses treuherzige Happy-End wirkt ähnlich gequält wie die Lösung im
Roman „Der Goldtropfen“. Hinzu kommt, dass einige der Prosastücke den Eindruck erwecken, sie
hätten in dem Buch nur deshalb ihren Platz gefunden, weil der Autor seinen Schreibtisch
aufgeräumt hat und dabei auf ein paar (zu Recht) unveröffentlichte Manuskripte gestoßen ist. Der
karge Reiz der Sammlung speist sich, wenn überhaupt, aus dem bereits beschriebenen Phänomen
der „Inter-Textualität“ – der Kohärenz der einzelnen Geschichten sowohl untereinander als auch mit
anderen Werken des Autors und darüber hinaus mit dem, was man als Weltliteratur bezeichnet. In
diesem Fall mit Scheherazades „Geschichten aus Tausend und einer Nacht“ und Boccaccios
„Decamerone“. Genau das ist andererseits ein Teil des Problems: Die Texte zeigen wenig Phantasie
und ungezügelte Lust am Erzählen, vielmehr mühsame und zugleich leicht durchschaubare
Konstruktion. Tourniers große Romane liegen zwanzig Jahre zurück, und doch wird der Autor
immer noch an ihnen gemessen. Das „Liebesmahl“ biete reichlich Material für Diktate,
Textanalysen und praktische Übungen im Französischunterricht, bemerkt ein Kritiker genervt. Nur:
„Nach dem Abitur will man so Zeugs nun wirklich nicht mehr lesen!“
Auch in seinem Roman „Eleasar oder Quelle und Dornbusch“ (1996), einem Büchlein von 125
Seiten, greift Tournier einen wohlbekannten Stoff auf. Wie schon in „Kaspar, Melchior &
Balthasar“ bedient er sich in der christlichen Mythenkammer: Tournier verknüpft das Schicksal
seines Helden Eleasar, eines Hirten, der im Jahr 1845 mit seiner Familie seine irische Heimat
verlässt und nach Amerika auswandert, mit der alttestamentarischen Moses-Geschichte. Darüber
hinaus tauchen eine Reihe anderer Lieblings-Themen des Autors auf: Sesshaftigkeit und
Nomadentum; Feuer und Wasser; der Gegensatz zwischen dem Heiligen und dem Profanen; das
getragene Kind; die Aufhebung der Gegensätze von Weiblichkeit und Männlichkeit in einem
dritten, androgynen Geschlecht; die Umkehrung zum Guten und zum Bösen; die Auffassung, dass
der Mensch nicht frei handelt, sondern einer Berufung folgt. Das Buch, von der Kritik amüsiert als
„biblischer Western“ bezeichnet, macht deutlich, dass Tournier gut daran tut, sich aus
zeitgenössischen Debatten herauszuhalten und sich auf das für ihn charakteristische Spiel mit
gewitzt erkannten Zusammenhängen zu konzentrieren. Je weiter hergeholt die Bruchstücke sind, die
Tournier sich zusammensucht und aneignet, desto größer die Bereitschaft seiner Leser, ihm auf
seinen Streifzügen zu folgen.
In Rezensionen und literaturwissenschaftlichen Arbeiten zu Tournier wird immer wieder die
„klassische Form“ seiner Romane und Erzählungen hervorgehoben: „Tournier erzählt uns eine
Geschichte mit Anfang, Ende und einer normalen Progression zwischen diesen beiden Endpunkten.
Er hat nichts mit den Moden und avantgardistischen Experimenten des zeitgenössischen Romans zu
tun“, schreibt Pierre Maury. Pierre de Boisdeffre geht sogar so weit, den Erfolg Tourniers im
Zusammenhang mit einer angeblichen Renaissance des roman de tradition zu sehen: Die in der
Nachfolge des nouveau roman entstandene Literatur sei unlesbar und könne allenfalls noch die
universitäre Kritik begeistern, während der traditionelle Roman dabei sei, das breite Publikum
zurückzuerobern.
Allerdings zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass unter Tourniers konventionell erzählten Fabeln,
die sich zumindest in seinen großen Romanen durch eine einprägsame, geschehnisreiche Handlung
auszeichnen, immer eine unsichtbare Tiefenstruktur – die Symbolebene – liegt. Sie besteht aus
einem Netz von innertextlichen Bezügen sowie von Verkettungen, die über die Grenzen des
einzelnen Buches hinaus die Romane und Erzählungen des Autors insgesamt verbinden und zudem
mit dem kulturellen Erbe des Abendlandes in Berührung bringen. In diesem Sinne sind Tourniers
Texte als komplexe Gebilde aufzufassen, deren Substrukturen im Fortgang des Lesens aufgebaut
und miteinander verwoben werden. Die Lektüre wird – je nachdem, wie stark sich der Leser
entsprechend seiner individuellen Bedürfnisse und Bildungsvoraussetzungen auf das Angebot der
zweiten Bedeutungsebene einlässt – zu einem Suchen nach Korrespondenzen und damit, so
gesehen, immer spannender. Allein die Tatsache, dass Begriffe wie Symmetrie, Parallelisierung und
Inversion zur Beschreibung der Beziehungen zwischen Textsegmenten verwendet werden können,
verweist auf Affinitäten zwischen der untergründigen Ordnung, auf die Lévi-Strauss bei der
strukturalen Mythen-Analyse stieß, und der strukturalistischen Anlage von Tourniers
erzählerischem Werk.
So erscheint Gilles, der Held von Tourniers Erzählung „Gilles & Jeanne“, innertextlich als
symmetrische Verdoppelung von Jeanne; beide Figuren sind darüber hinaus Neuinterpretationen der
legendären und zugleich historischen Personen des Gilles de Rais und der Johanna von Orléans und
stehen damit auch in einer literarischen Tradition (mit dem „Fall“ Gilles de Rais beschäftigten sich
unter anderem Voltaire, de Sade, Victor Hugo, Jules Michelet, Gustave Flaubert, Joris-Karl
Huysmans, Georg Trakl, Georges Bataille und Pierre Klossowski; der „Johanna-Stoff“ wurde
unzählige Male literarisch verarbeitet). Im Bezugssystem aller Romane Tourniers ist Gilles dagegen
eine weitere Transformation der Figur des kinderlieben und kindermordenden Unholds, die im
Roman „Kaspar, Melchior & Balthasar“ im historischen Gewand des Herodes auftritt und im
„Erlkönig“ in unzähligen Versionen gespiegelt, gebrochen, umgekehrt und gesteigert wird (Nestor,
Tiffauges, Rasputin, der Baron von Adrets, Alfonso dʼAlbuquerque, Weidmann, der Torfmensch,
der Erlkönig, Göring, Hitler, Christophorus, schließlich das Nazi-Regime selbst mit seinen
Möglichkeiten der Verführung und seiner tödlichen Gewalt).
So erweist sich schließlich jeder neue Text von Tournier bei näherem Hinsehen als „aus Literatur
gemachte Literatur“ (Renate Lachmann), als Fortsetzung früherer Texte. Die Konstruktion des
Gesamtwerks basiert auf dem Prinzip der Redundanz (Wiederholung, Steigerung, Parallelismen,
Zitat) und zeugt von der Freude am Ausbau eines Systems. Alles ist Zeichen, indem es auf ein
anderes Textelement verweist, ein technischer Entfaltungsvorgang, der nach bestimmten Spielregeln
abläuft, beherrscht den eigentlichen Handlungsablauf. Diese Technik, die für den Erfolg von
Tourniers großen Romanen entscheidend war, wird in seinen jüngeren Texten allerdings häufig
überstrapaziert: Die Symbolebene erstickt die eigentliche Handlungsebene; der Leser bemerkt die
Absicht und ist verstimmt.
Der hohe Organisationsgrad der Texte Tourniers findet seine Entsprechung in einem gemeinsamen
Charakterzug aller Tournierscher Helden: in ihrer vertrauensvollen Schicksalsergebenheit und ihrem
unerschütterlichen Glauben an eine höhere Logik hinter der scheinbaren Zufälligkeit der Dinge.
„Alles hängt zusammen, alles wirkt ineinander, alles ist in ein Ganzes gefügt“, stellt Alexander in
dem Roman „Zwillingssterne“ fest. In dem Maße, wie Tourniers Helden auf der Suche nach
Gesetzmäßigkeiten sind, werden die Beziehungen zwischen einzelnen Romanelementen selbst
Thema des Romans. Eins der wichtigsten Strukturelemente für die Organisation von Tourniers Werk
ist die „Inversion“, von Tiffauges in „Der Erlkönig“ auch als „Gegen-Ähnlichkeit“ bezeichnet.
Tiffaugesʼ Lebensweg wird, ebenso wie die Geschichte von „Gilles & Jeanne“, von diesem Prinzip
beherrscht: Abel Tiffauges, Gefangener im nationalsozialistischen Deutschland, wird durch eine
radikale Umkehrung quasi zum Alleinherrscher über eine nationalsozialistische Erziehungsanstalt,
seine Rolle als pater nutritor der ihm anvertrauten Kinder empfindet er als „überaus köstliche
Umkehrung seiner Berufung zum Oger“. Zugleich hat er jedoch eine Ahnung von der „furchtbaren
Energie“, die in der schweren Maschinerie der Napola (Nationalpolitische Erziehungsanstalten)
wirkt: „Ich weiß nicht, wohin mich das Jahr führt, das nun beginnt (…), wer weiß, ob nicht alles,
schlechthin alles, was hier meinem Hunger, meinem Sehnen entgegenkommt – oder doch so scheint
–, in Wahrheit dessen Umkehrung zum Bösen ist?“ Im Bericht des Judenkindes Ephraim über die
Konzentrationslager findet er schließlich seine Ahnungen bestätigt: „Grauen überkam Tiffauges.
Durch die langen Enthüllungen Ephraims hindurch sah er, wie ein höllisches Reich Gestalt annahm,
das Stein für Stein dem phorischen Reich entsprach, von dem er zu Kaltenborn geträumt hatte.
Kanada, die Verwendung der Haare (…) – alles, was er erfunden, was er entdeckt hatte, besaß, auf
den Kopf gestellt und zu höllischer Glut getrieben, sein Gegenbild in dem entsetzlichen Spiegel.
(…) Die Tiffaugesʼsche Deduktion der Todeslager war lückenlos.“ Wichtige Episoden in Tiffaugesʼ
Leben sind somit durch den Begriff der Umkehrung mit dem Bericht über die Konzentrationslager
verbunden. Rückblickend erscheinen sie als hinweisende Zeichen auf die Katastrophe, die ihrerseits
vom Erzähler ausdrücklich mit dem vorhergehenden Geschehen verbunden wird.
Explizite Lesehilfen dieser Art finden sich häufig in Tourniers Romanen. Die meisten
Querverbindungen müssen jedoch vom Leser selbst hergestellt werden. So sind die vier
Lieblingskinder von Tiffauges im Kapitel „Der Oger von Kaltenborn“ das exakte Abbild seiner vier
Lieblingstauben im zweiten Kapitel: ein menschliches Zwillingspaar (Hajo und Haro) – ein Paar
Zwillingstauben (zugleich eine weitere Transformation des Zwillingsthemas); ein Albino-Kind –
eine silberweiße Taube; ein schwaches, krankes Kind – ein pflegebedürftiges Taubenjunges. Auch
der Tod der drei ersten Kinder wird durch das Ende des Taubenpaares und der silberweißen Taube
antizipiert.
Das Prinzip der Inversion bestimmt ebenfalls das Verhältnis der Tournierschen Helden zur
Gesellschaft, zur so genannten Normalität. Unter diesem Aspekt betrachtet, liest sich das Werk
Tourniers wie eine Hymne auf die Verrücktheit, eine Apologie jeglicher Form von Nicht-Anpassung
und Subversivität. Gemessen an der gesellschaftlichen Norm des heterosexuellen Erwachsenen sind
alle Helden Tourniers inverti, irgendwie verkehrt. Abel Tiffauges ist ein Kind geblieben, sein
kleines Geschlechtsteil und seine Untauglichkeit als Liebhaber Rachels kennzeichnen ihn als unreif,
als unvollkommenen Erwachsenen. Tiffauges mit seiner polymorphen, nach Neuland suchenden
Sexualität ist von Anfang an in einer Verfassung, in die Robinson erst durch jahrelanges Alleinsein
gerät, nachdem der ganze gesellschaftliche Aufbau, dieses „Gerüst von Institutionen und Mythen“,
dem er namentlich seine sexuelle Prägung als Familienvater verdankt, verschwunden ist: „Es ist
aber viel zu schwach ausgedrückt, wenn ich sage, dass mein Begehren nicht mehr auf die Erhaltung
der Art gerichtet ist. Es weiß nicht einmal mehr, worauf es sich richten soll! (…) Ich fühle diesen
Lebensquell immer noch in mir murmeln, aber er ist gänzlich frei geworden. Anstatt sich gehorsam
in das von der Gesellschaft im voraus bereitete Bett zu begeben, fließt er von allen Seiten über und
rieselt sternförmig, gleichsam tastend sich einen Weg bahnend, wo er sich sammeln und einmütig
auf einen Gegenstand zusteuern wird.“
Zahlreich sind die Helden Tourniers, die sich weigern, erwachsen zu werden. Dupixt, Held der
gleichnamigen Erzählung (in: „Die Familie Adam“), fühlt sich so abgestoßen von der Aussicht, ein
Mann „mit all diesem scheußlichen, nutzlosen Fleisch“ zu werden, dass er zum radikalsten Mittel
greift, das unausweichliche Unglück abzuwenden: zum Rasiermesser. Der Fetischist, Held von
Tourniers gleichnamigem Theaterstück (1974), flieht in der Hochzeitsnacht vor der Nacktheit
Antoinettes und vergräbt sein Gesicht in ihren Kleidern. Balthasar, der zweite der drei Heiligen
Könige, hat sich in das Porträt einer Frau verliebt und kann mit dem Original nichts anfangen. Wie
Des Esseintes, der Held von Huysmans Roman „Gegen den Strich“ (1884), gibt er der Kunst vor
der Natur den Vorzug. Jeanne, die Jungfrau von Orleans, wird unter anderem wegen unweiblichen
Verhaltens und geschlechtlichen Grenzgängertums zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Die
Zwillinge Jean-Paul haben, in „Einlings-Begriffen“ gesprochen, ein zugleich homosexuelles und
inzestuöses Verhältnis. Alexander betrachtet den hohen Grad der Anpassung, der das Verhältnis des
Heterosexuellen zur Gesellschaft charakterisiert, mit einer Mischung aus Neid und Verachtung: „Ja,
mitunter war ich einen Augenblick davon geblendet, wie wunderbar der Heterosexuelle und die
Gesellschaft, in die er hineingeboren ist, zusammenpassen. Er findet, sozusagen rund um seine
Wiege, die Bilderbücher, die seine sexuelle Erziehung und seine Herzensbildung ausmachen, die
Adresse des Bordells, wo er seine Unschuld verliert, das Photomaton-Bild seiner ersten Geliebten,
das seiner künftigen Braut mit Beschreibung der Hochzeitsfeier, den Text des Ehevertrags, den Text
der Lieder bei der Trauung usw. Er braucht sie nur der Reihe nach anzuziehen, all diese
Konfektionskleider; sie passen ihm tadellos, weil sie ebenso sehr für ihn geschaffen sind wie er für
sie.“ Die Haltung Alexanders und aller anderen gesellschaftlichen Außenseiter, die in Tourniers
Romanen auftreten, ist jedoch keineswegs die einer unterdrückten, um ihre gesellschaftliche
Anerkennung kämpfenden Minderheit. Vielmehr sind sie es, die der Gesellschaft jegliche
Anerkennung verweigern. Ihr Blick enthüllt die Gesellschaft der heterosexuellen Erwachsenen in
ihrer ganzen Stupidität und Unmoral. Das Normale und das Anomale vertauschen ihre Plätze: Hier
wird nicht die Abweichung, sondern die Norm als Phänomen betrachtet.
Hinter Tourniers Vorliebe für monströse Gestalten – letztlich Ausdruck seiner Vorliebe für jede
Form von Umkehrung – verbirgt sich ein ästhetisches Prinzip, auf das er in einem Aufsatz zu
Günter Grassʼ „Blechtrommel“ zu sprechen kommt (in: „Le Vol du Vampire“). Monstren sind nach
Tournier literarisch außerordentlich wertvoll. Helden wie der Zwerg Oskar in Grassʼ Roman
„werfen ein neues und durchdringendes Licht auf die anderen, die sogenannten normalen Wesen“.
Wird die Welt von einem Zwerg, gleichsam aus der Froschperspektive, erzählt, kann diese Optik zu
geradezu verheerenden Erkenntnissen über das Normale führen. Der „Rote Zwerg“, Held der
gleichnamigen Erzählung von Tournier (in: „Die Familie Adam“), sah sich, nachdem er endlich den
Mut zu seiner eigenen Monstrosität gefunden hatte, als die „felsenfeste Mitte innerhalb einer Menge
von Langstelzigen, die schwächlich und feige auf ihren langen Haxen herumwankten und ihrer
Liebsten nichts als das Glied eines Pinseläffchens zu bieten hatten“. Nachdem er 28 Jahre auf seiner
einsamen Insel zugebracht hat, sieht Robinson seine Landsleute „mit dem unbeteiligten Interesse
eines Entomologen, der sich über einen Insektenstaat, Bienen oder Ameisen, beugt, oder über eine
jener widerwärtigen Ansammlungen von Asseln, die man manchmal überrascht, wenn man einen
Stein aufhebt“. In dem Roman „Zwillingssterne“ haftet dem Normalfall aus der Perspektive von
Jean-Paul etwas geradezu Perverses an: „Wenn man die Intimität von Zwillingen kennengelernt hat,
kann man jegliche andere Intimität nur als widerlich-wahllose Verirrung empfinden“, lässt Tournier
Paul nach der Abreise von Jean sagen. Und während Pauls Blick mitleidig die Einlingswelt streift,
entwickelt Alexander, der mit seinem elitären Bewusstsein ein weiterer Nachfahre von Huysmans
Helden Des Esseintes ist, aus seiner Homosexualität und aus seinem Metier – er befasst sich als
Chef von sechs Mülldeponien sozusagen auch hauptberuflich mit der „Kehrseite des Lebens“ – eine
Weltanschauung, die von dem stolzen Bewusstsein der eigenen Überlegenheit über die
kleinbürgerliche „heterosexuelle Masse“ zeugt: „Was bin ich doch schön! Ein Goldfasan inmitten
einer Schar aschfarbener Perlhühner – bin ich nicht der einzig Männliche in diesem Hühnerhof?“
Und an anderer Stelle schüttelt er einmal mehr den Kopf über die „Hartnäckigkeit“, mit der die
„allgemeine Meinung die Dinge aus a priori bestehenden Prinzipien und Betrachtungsweisen
heraus ganz verkehrt deutet“, und erklärt selbstbewusst: „Sicher ist es meinem gesunden
Menschenverstand zuzuschreiben, wenn die Leute mich ‚widernatürlich veranlagt‘ nennen.“
Das Provozierende an Alexander ist sicherlich nicht seine Homosexualität, sondern vielmehr die
Tatsache, dass, betrachtet durch den von der Homosexualität bestimmten Blick, die Heterosexualität
erst zu existieren anfängt. Tournier drückt das in „Der Wind Paraklet“ folgendermaßen aus: „Er
spricht unablässig von ihnen, er nennt sie beim Namen, er stellt sie heraus, er malt sie in Rot. O
Graus! Die Heterosexuellen taten ja so, als wären sie eins mit der Natur, Familie, Moral,
Gesellschaft und konnten daher meinen, sie gingen ebenso in die Landschaft über wie das Rebhuhn,
braungesprenkelt, im Brachland verschwindet. Wahr ist aber, dass sie sich seit etlichen Jahren sehr
bemerkbar machen mit all dem Lärm um Pille, Abtreibung, Ehescheidung und mit der großen
demographischen Diarrhö in der Dritten Welt. Konnten sie denn annehmen, sie würden sich noch
lange als Inkarnation der Natur und der Moral selber ausgeben können? Und nun kommt Alexander
daher, brüllt ‚Heuchelei!‘ und streicht sie knallrot an. Vor hundert Jahren war es eine Kühnheit, in
einem Roman die Homosexualität beim Namen zu nennen. Die Kühnheit in ‚Zwillingssterne‘ ist,
dass dort die Heterosexualität beim Namen genannt wird.“
Die Optik des Perversen – nichts als eine weitere Spielart der für das ganze Werk bedeutsamen
Struktur der Inversion – bietet im Übrigen eine einzigartige Möglichkeit, innerhalb eines
realistischen Romans dem Phantastischen zu voller Wirkung zu verhelfen. Eine Verbindung, die
gleichzeitig für eine ganz spezielle Form von Komik verantwortlich ist: „Will man der
durchdachten, systematischen Verrücktheit freien Lauf lassen, so gibt es dafür nichts Besseres, als
seinen Romangestalten unmittelbar das Wort zu erteilen“, notiert Tournier in „Der Wind Paraklet“.
So versucht Robinson in seinem „Logbuch“, Klarheit über sich und seine Situation zu gewinnen;
Tiffauges entwickelt seine Mechanik der Zeichen und Symbole in seinen „sinistren
Aufzeichnungen“; die sieben Kapitel des Romans „Zwillingssterne“, in denen Alexander seine
Ästhetik darlegt, sind ebenso wie die Geschichten von Kaspar, Melchior und Balthasar in der Ich-
Form geschrieben; der Fetischist wendet sich mit seinem Monolog direkt an das Publikum.
Die verkehrte Weltsicht der Tournierschen Helden gewinnt dadurch, dass sie nicht mit der Autorität
des Erzählers vorgetragen wird, an Überzeugungskraft. Doch wovon soll der Leser überzeugt
werden? Sicherlich nicht von der Notwendigkeit eines politischen Kampfes um Emanzipation. Nach
seiner Meinung zur Politisierung der Homosexualität gefragt, hat Tournier einmal gesagt, dass er
von Bewegungen dieser Art wenig hält. Tourniers Helden sind das Gegenteil des Militanten:
eingefleischte Sonderlinge, die für keinerlei Kampf zu mobilisieren wären. Ihre Geschichte enthält
allerdings die Aufforderung, sich nicht den Verrenkungen der Anpassung zu unterziehen, sondern
Andersartigkeit als mögliche Lust wahrzunehmen und unbeirrbar der eigenen Berufung zu folgen:
„Es gibt ohne Zweifel nichts Erregenderes im Leben eines Menschen als die zufällige Entdeckung
der Perversion, die in ihm steckt und der er verfallen muß“, gibt Nestor seinem Freund Abel mit auf
den Weg. Das Werk Tourniers ist ein Aufruf zur Unordnung: zu der Unordnung, die Leben ist.

Michel Tournier - Primärliteratur


Stand: 15.09.2015
„Vendredi ou les limbes du Pacifique“. („Freitag oder im Schoß des Pazifik“). Paris (Gallimard)
1967. Taschenbuchausgaben: Paris (Gallimard) 1977 und 2008.
„Le Roi des Aulnes“. („Der Erlkönig“). Paris (Gallimard) 1970. Taschenbuchausgabe: Paris
(Gallimard) 1975.
„Vendredi ou la vie sauvage“. („Freitag und Robinson im Bann der wilden Insel“). Kinderbuch.
Paris (Flammarion) 1971. Taschenbuchausgaben: Paris (Gallimard) 1977 und 2005.
„Les Météores“. („Zwillingssterne“). Paris (Gallimard) 1975. Taschenbuchausgabe: Paris
(Gallimard) 1977.
„Canada. Journal de voyage“. (Kanada. Reisetagebuch). Montreal (Éditions La Presse) 1977.
„Le Vent Paraclet. Essai“. („Der Wind Paraklet. Ein autobiographischer Versuch“). Paris
(Gallimard) 1977. Taschenbuchausgabe: Paris (Gallimard) 1979.
„Le Coq de Bruyère. Contes“. („Die Familie Adam. Erzählungen“). [Enthält auch den Einakter „Le
Fétichiste“]. Paris (Gallimard) 1978. Taschenbuchausgabe: Paris (Gallimard) 1980.
„Des Clés et des Serrures. Images et Proses“. („Die Schlüssel und das Schloss. Texte zu Bildern“).
Paris (Le Chene / Hachette) 1979.
„Pierrot ou les secrets de la nuit“. („Pierrot oder Die Geheimnisse der Nacht“). Kinderbuch. Paris
(Gallimard) 1979. Taschenbuchausgaben: Paris (Gallimard) 1998 und 2002.
„Rêves“. (Träume). Zusammen mit Arthur Tress. Brüssel (Éditions Complexes) 1979.
„Barbedor“. („König Goldbart“). Kinderbuch. Paris (Gallimard) 1980. Taschenbuchausgaben: Paris
(Gallimard) 1985 und 2003.
„Gaspard, Melchior & Balthazar“. („Kaspar, Melchior & Balthasar“). Paris (Gallimard) 1980.
Taschenbuchausgabe: Paris (Gallimard) 1982.
„Morts et résurrections de Dieter Appelt“. (Tode und Auferstehungen des Dieter Appelt).
Zusammen mit Dieter Appelt und Gunter Gercken. Paris (Éditions Herscher) 1981.
„Le Vol du Vampire. Notes de Lecture“. („Der Flug des Vampirs“). Paris (Mercure de France) 1981.
Taschenbuchausgaben: Paris (Gallimard) 1983 und 1994.
„Vues de dos“. (Rückenansichten). Zusammen mit Edouard Boubat. Paris (Gallimard) 1981.
„Gilles & Jeanne. Récit“. („Gilles & Jeanne. Erzählung“). Paris (Gallimard) 1983.
Taschenbuchausgabe: Paris (Gallimard) 1986.
„François Mitterand“. (François Mitterand). Zusammen mit Konrad R. Müller. Paris (Flammarion)
1983.
„Journal de voyage au Canada“. (Tagebuch einer Kanadareise). Zusammen mit Édouard Boubat.
Paris (Laffont) 1984.
„Le Vagabond Immobile“. („Der Garten des Vagabunden“). Zusammen mit Jean-Max Toubeau.
Paris (Gallimard) 1984.
„Sept Contes“. (Sieben Erzählungen). Kinderbuch. Paris (Gallimard) 1985 und 2008.
„Les Rois mages“. („Die Könige aus dem Morgenland“). Kinderbuch. Paris (Gallimard) 1985.
„La Goutte dʼOr. Roman“. („Der Goldtropfen“). Paris (Gallimard) 1985. Taschenbuchausgabe:
Paris (Gallimard) 1988.
„Petites Proses“. (Kleine Prosa). Paris (Gallimard) 1987.
„Le Medianoche amoureux – contes et nouvelles“. („Das Liebesmahl. Novellen einer Nacht“). Paris
(Gallimard) 1989. Taschenbuchausgaben: Paris (Gallimard) 1991 und 1996.
„Le Crépuscule des masques: Photos et photographes. (Die Dämmerung der Masken. Fotos und
Fotografen). Paris (Hoebeke) 1992.
„Le Tabor et le Sinai. Essais sur lʼart contemporain“. (Tabor und Sinai. Essays zur zeitgenössischen
Kunst). Paris (Gallimard) 1993.
„Le Miroir des Idées. Traité“. (Der Spiegel der Gedanken. Abhandlung). Paris (Mercure de France)
1994. Taschenbuchausgabe: Paris (Gallimard) 1996.
„Le Pied de la lettre. Trois cents mots propres“. (Die Lust am Buchstaben. Ein persönliches
Wörterbuch). Paris (Mercure de France) 1994. Taschenbuchausgabe: Paris (Gallimard) 1996.
„La Couleuvrine“. („Lucio oder die Belagerung des Glücks“). Kinderbuch. Paris (Gallimard
Jeunesse) 1994. Taschenbuchausgaben: Paris (Gallimard) 1999 und 2010.
„LʼAire du Muguet“. („Rastplatz Maiglöckchengrund“). Taschenbuchausgaben: Paris (Gallimard)
1997 und 2008.
„Éléazar ou La Source et le Buisson“. („Eleasar oder Quelle und Dornbusch“). Paris (Gallimard)
1996. Taschenbuchausgabe: Paris (Gallimard) 1998.
„Le Fétichiste. Un acte pour un homme seul“. (Der Fetischist. Ein Einakter). Paris (Gallimard)
1997.
„Célébrations“. („Von Jahreszeiten und Heiligen“). Paris (Mercure de France) 1999.
Taschenbuchausgabe: Paris (Gallimard) 2000.
„Célébration de lʼoffrande“. (Die Feier der Opfergabe). Zusammen mit Christian Jamet. Paris
(Albin Michel) 2001.
„Lieux dits“. (Besprochene Orte). Paris (Gallimard) 2002.
„Journal extime“. („Journal extime“). Paris (La Musardine) 2002. Taschenbuchausgabe: Paris
(Gallimard) 2004.
„Allemagne, un conte dʼhiver de Henri Heine ou comment étre juif allemand?“. (Deutschland ein
Wintermärchen von Heinrich Heine oder wie ist es ein deutscher Jude zu sein?). Paris (Séguier)
2003.
„Le bonheur en Allemagne?“. (Das Glück in Deutschland?). Paris (Maren Sell Éditeurs, Diffusion
Seuil) 2004. Taschenbuchausgabe: Paris (Gallimard) 2006.
„Les vertes lectures. Cervantès, Daudet, Kipling, Hergé …“. („Lektüre der frühen Jahre“). Paris
(Flammarion) 2006. Taschenbuchausgabe: Paris (Gallimard) 2007.
„Les contes du medianoche“. (Mitternachtsgeschichten). Kinderbuch. Paris (Gallimard) 2011.
„Voyages et paysages“. (Reisen und Landschaften). Paris (Gallimard) 2012.

Michel Tournier - Übersetzungen


Stand: 15.09.2015
„Freitag oder im Schoß des Pazifik“. („Vendredi ou les limbes du Pacifique“). Übersetzung: Herta
Osten. Hamburg (Hoffmann und Campe) 1968. Berlin, DDR, Weimar (Aufbau) 1984.
Taschenbuchausgaben: Reinbek (Rowohlt) 1971. Frankfurt/M. (Fischer) 1982.
„Der Erlkönig“. („Le Roi des Aulnes“). Übersetzung: Hellmut Waller. Hamburg (Hoffmann und
Campe) 1972. Berlin, DDR, Weimar (Aufbau) 1983. Taschenbuchausgaben: München, Zürich
(Droemer-Knaur) 1975. Frankfurt/M. (Fischer) 1984.
„Freitag und Robinson im Bann der wilden Insel“. („Vendredi ou la vie sauvage“). Übersetzung:
Rolf Soellner / Hedda Soellner. Stuttgart (Boje) 1973.
„Zwillingssterne“. („Les Météores“). Übersetzung: Hellmut Waller. Hamburg (Hoffmann und
Campe) 1977. Taschenbuchausgaben: München, Zürich (Droemer-Knaur) 1978. Frankfurt/M.
(Fischer) 1984.
„Der Wind Paraklet. Ein autobiographischer Versuch“. („Le Vent Paraclet. Essai“). Übersetzung:
Hellmut Waller. Hamburg (Hoffmann und Campe) 1979. Taschenbuchausgabe: Frankfurt/M.
(Fischer) 1983.
„Die Schlüssel und das Schloss. Texte zu Bildern“. („Des Clés et des Serrures. Images et Proses“).
Übersetzung: Hellmut Waller. München (Schirmer/Mosel) 1980.
„Die Familie Adam. Erzählungen“. („Le Coq de Bruyère. Contes“). [Enthält auch den Einakter
„Der Fetischist“ („Le Fétichiste“)]. Übersetzung: Hellmut Waller. Hamburg (Hoffmann und
Campe) 1981. Berlin, DDR, Weimar (Aufbau) 1985. Taschenbuchausgabe: Frankfurt/M. (Fischer)
1985.
„Kaspar, Melchior & Balthasar“. („Gaspard, Melchior & Balthazar“). Übersetzung: Hellmut
Waller. Hamburg (Hoffmann und Campe) 1983. Berlin, DDR, Weimar (Aufbau) 1989.
Taschenbuchausgabe: Frankfurt/M. (Fischer) 1985.
„Gilles & Jeanne. Erzählung“. („Gilles & Jeanne. Récit“). Übersetzung: Hellmut Waller. Hamburg
(Hoffmann und Campe) 1985. Berlin, DDR, Weimar (Aufbau) 1986.
„Der Goldtropfen. Roman“. („La Goutte dʼOr. Roman“). Übersetzung: Hellmut Waller. Hamburg
(Hoffmann und Campe) 1987. Berlin, DDR, Weimar (Aufbau) 1989. [Zusammen mit „Kaspar,
Melchior & Balthasar“]. Taschenbuchausgabe: Frankfurt/M. (Fischer) 1990.
„Das Liebesmahl. Novellen einer Nacht“. („Le Medianoche amoureux“). Übersetzung: Hellmut
Waller. Hamburg (Hoffmann und Campe) 1990. Taschenbuchausgabe: Frankfurt/M. (Fischer)
1993.
„Der Garten des Vagabunden“. („Le Vagabond immobile“). Übersetzung: Hellmut Waller.
Marburg (Hitzeroth) 1990.
„Pierrot oder Die Geheimnisse der Nacht“. („Pierrot ou les secrets de la nuit“). [Kinderbuchausgabe
der 13. Geschichte aus der Novellen-Sammlung „Das Liebesmahl“]. Übersetzung: Hellmut Waller.
Bindlach (Loewe) 1990.
„König Goldbart“. („Barbedor“). Übersetzung: Hellmut Waller. Würzburg (Arena) 1992.
„Der Flug des Vampirs“. („Le vol du vampir. Notes de lecture“). Übersetzung: Christel Gersch. In:
Sinn und Form (Berlin). 45. 1993. H.4. S.533–544.
„Die Könige aus dem Morgenland“. („Les Rois mages“). Übersetzung: Hellmut Waller. München
(Hanser) 1993. Taschenbuchausgabe: München (Deutscher Taschenbuch Verlag) 2002.
„Freitag oder das Leben in der Wildnis“. („Vendredi ou la vie sauvage“). Übersetzung: Rolf
Soellner / Hedda Soellner. München (Hanser) 1997. Taschenbuchausgabe: München (Deutscher
Taschenbuch Verlag) 2007.
„Eleasar oder Quelle und Dornbusch“. („Éléazar ou La Source et le Buisson“). Übersetzung:
Hellmut Waller. Hamburg (Hoffmann und Campe) 1998.
„Lucio oder die Belagerung des Glücks“. („La Couleuvrine“). Übersetzung: Hellmut Waller.
München (Hanser) 1999.
„Meine Affäre mit Deutschland“. (Aus: „Le bonheur en Allemagne“). Übersetzung: Hellmut
Waller. In: Dirscherl, Klaus (Hg.): „Deutschland und Frankreich im Dialog“. Stuttgart (Steiner)
2001. S.15–26.
„Von Jahreszeiten und Heiligen“. („Célébrations“). Übersetzung: Joachim Meinert. In: Sinn und
Form (Berlin). 54. 2002. H.3. S.337–362.
„Journal extime“. („Journal extime“). Übersetzung: Joachim Meinert. In: Sinn und Form (Berlin).
55. 2003. H.3. S.293–320.
„Kleine Essays und Tagebuchnotizen“. Übersetzung: Joachim Meinert. In: Sinn und Form
(Berlin). 56. 2004. H.5. S.625–648.
„Lektüre der frühen Jahre“. („Les vertes lectures“). Übersetzung: Joachim Meinert. In: Sinn und
Form (Berlin). 59. 2007. H.3. S.293–322.
„Kleines Porträt von fünf Lehrern.“ (Aus: „Le vol du vampir. Notes de lecure“). Übersetzung:
Joachim Meinert. In: Sinn und Form (Berlin). 62. 2010. H.2. S.145–159.

Michel Tournier - Interviews


Stand: 15.09.2015
Brochier, Jean-Jacques: „Quʼest-ce que la littérature? Un entretien avec Michel Tournier“. In:
Magazine littéraire (Paris). 1981. H.179.
Meinert, Joachim: „Lektionen in Freiheit“. In: Sonntag, 24.12.1989.
   
Raddatz, Fritz J.: „Der Politiker will Ordnung, der Künstler Ordnung sprengen“. In: Die Zeit, 6.5.    
1989.
Payot, Marianne: „Entretien avec Michel Tournier“. In: Lire. Magazine des livres et des écrivains
(Paris). 1996. H.249. S.248–250. (http://www.lexpress.fr/culture/livre/michel-
tournier_799655.html).
Meinert, Joachim: „Gespräch mit Michel Tournier“. Übersetzung: Joachim Meinert. In: Sinn und
Form (Berlin). 51. 1999. H.1. S.137–154.
Leon-Chapman, Judith A.: „Une conversation avec Tournier“. In: French Revue (Urbana-
Champaign). 74. 2002/2003. S.100–109.
Pivot, Bernard: „LʼEntretien Inédit Bernard Pivot Michel Tournier“. Paris (Gallimard) 2006.
Busnel, François: „Jʼécris pour être lu, pas par plaisir. Entretien Michel Tournier par François
Busnel“. In: Lire. Magazine des livres et des écrivains (Paris). 2006. H.347. S.94–99.
(http://www.lexpress.fr/culture/livre/michel-tournier_811368.html).
Payot, Marianne: „La vie intérieur ne mʼintéresse pas. Entretien avec Michel Tournier“. In:
LʼExpress (Paris). 19.5.2010.
    S.10–14. (http://www.lexpress.fr/culture/livre/michel-tournier-la-vie-
interieure-ne-m-interesse-pas_892981.html).
Martin-Roland, Michel: „Je mʼavance masqué: Entretiens avec Michel Martin-Roland“. Paris
(Ecriture) 2011. Taschenbuchausgabe: Paris (Gallimard) 2013.

Michel Tournier - Theater


Stand: 01.06.2002
„Le Fétichiste“. („Der Fetischist“). Uraufführung: Maison de France Berlin, 1974. Regie: Etienne
Le Meur.
Michel Tournier - Film
Stand: 15.09.2015
„Der Unhold“. („The ogre“). Drehbuch: Volker Schlöndorff und Jean-Claude Carrière, nach dem
Roman „Le Roi des Aulnes“ („Der Erlkönig“). Regie: Volker Schlöndorff. Mit John Malkovich,
Armin Mueller-Stahl, Gottfried John, Marianne Sägebrecht, Volker Spengler. 1996. DVD, 2001.
„Le Nain Rouge“. („Der Rote Zwerg“). Drehbuch: Yvan Le Moine, nach der gleichnamigen
Erzählung aus „Le Coq de Bruyère“ („Die Familie Adam“). Regie: Yvan Le Moine. Mit Yean-Yves
Tual und Anita Ekberg. 1998.

Michel Tournier - Sekundärliteratur


Stand: 15.09.2015
Vercier, Kuno / Lecarme, Jacques: „Michel Tournier“. In: La Littérature en France depuis 1968.
Paris (Bordas) 1982. S.69–79.
Korthals Altes, Liesbeth / Klettke, Cornelia: „Bibliographie critique“. In: Revue des sciences
humaines (Lille). 1993. H.232. S.149–171.
Fonds Michel Tournier in der Universitätsbibliothek Angers. Leitung: Arlette Bouloumié.
http://bu.univ-angers.fr/zone/Patrimoine/archives-litteraires/fonds-tournier-michel?
destination=node%2F158.
Deleuze, Gilles: „Michel Tournier et le monde sans autrui“. In: Logique du sens. Paris (Éditions de
Minuit) 1969. S.350–372.
Bougnoux, Daniel: „Des métaphores à la phorie. Michel Tournier ‚Le Roi des Aulnes‘. ‚Vendredi
ou la vie sauvage‘“. In: Critique (Paris). 1972. H.301. S.527–543.
Améry, Jean: „Ästhetizismus der Barbarei. Über Michel Tourniers Roman ‚Der Erlkönig‘“. In:
Merkur. 1973. H.297. S.73–79.
Fischer, Manfred S.: „Probleme internationaler Literaturrezeption. Michel Tourniers ‚Le Roi des
Aulnes‘ im deutsch-französischen Kontext“. Bonn (Bouvier) 1977. (Aachener Beiträge zur
Komparatistik 2).
Maury, Pierre: „Tournier ou la perversion du mythe“. In: Revue générale (Brüssel). 1977. H.1.
S.15–33.
Sonderheft „Michel Tournier“. In: Magazine littéraire (Paris). 1978. H.138.
Boisdeffre, Pierre de: „Le roman français depuis 1900“. Paris (Presses universitaires de France)
1979.
Sonderheft „Michel Tournier“. In: Sud (Marseille). 1980. (Sonderheft 10).
York, R. A.: „Thematic Construction in ‚Le Roi des aulnes‘“. In: Orbis Litterarum (Kopenhagen).
1981. S.76–91.
Meinert, Joachim: „Nachwort“. In: Michel Tournier: Der Erlkönig. Berlin, DDR, Weimar
(Aufbau) 1983. S.425–463.
Stirn, François: „Vendredi ou les Limbes du Pacifique. Analyse critique“. Paris (Hatier) 1983.
(Collection Profil dʼune œuvre 86).
Bevernis, Christa: „Zum Bild des Menschen im französischen Gegenwartsroman“. In: Weimarer
Beiträge. 1985. H.10. S.1589–1613.
Koster, Serge: „Michel Tournier“. Paris (Veyrier) 1985. (Collection Les Plumes du Temps 19).
Dean, Martin R.: „Der seßhafte Vagabund. Über Michel Tournier“. In: Merkur. 1986. H.444.
S.116–124.
Jay, Salim: „Michel Tournier, Idriss et les autres“. Paris (Éditions de la Différence) 1986.
Sonderheft „Michel Tournier“. In: Magazine littéraire (Paris). 1986. H.226.
Sonderheft „Michel Tournier“. In: Sud. Revue bimestrielle (Marseille). 1986. H.61.
Knabe, Peter-Eckhard (Hg.): „Michel Tournier“. Köln (Janus) 1987. (Kölner Schriften zur
Romanischen Kultur 12).
Bouloumié, Arlette: „Tournier, le roman mythologique, suivi de questions à Tournier“. Paris (José
Corti) 1988.
Bürger, Peter: „Das Verschwinden der Bedeutung. Versuch einer postmodernen Lektüre von
Tournier, Botho Strauß und Peter Handke.“ In: Peter Kemper (Hg.): „Postmoderne“ oder Der
Kampf um die Zukunft. Die Kontroverse in Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft. Frankfurt/M.
(Fischer) 1988. S.294–312.
Merllié, Françoise: „Tournier“. Paris (Belfond) 1988.
Guichard, Nicole: „Tournier, autrui et la quête du double“. Paris (Didier-Érudition) 1990.
Rosello, Mireille: „Lʼin-différence chez Michel Tournier“. Paris (José Corti) 1990.
Schreiner, Barbara: „Romantische Themen und Mythen im Frühwerk Tourniers“. Frankfurt/M.,
Bern, New York, Paris (Peter Lang) 1990. H.3. (Heidelberger Beiträge zur Romanistik 24).
Bouloumié, Arlette / Gandillac, Maurice (Hg.): „Images et Signes de Michel Tournier. Actes du
colloque du Centre Culturel International de Cerisy-la-Salle“. Paris (Gallimard) 1991. (Hors série
Littérature).
Klettke, Cornelia: „Der postmoderne Mythenroman Michel Tourniers am Beispiel des ‚Roi des
Aulnes‘“. Bonn (Romanistischer Verlag) 1991. (Abhandlungen zur Sprache und Literatur 41).
Röttgers, Ruth: „Der Raum in den Romanen Michel Tourniers oder Reise an den Rand des
Möglichen“. Köln (Janus) 1993. (Kölner Schriften zur Romanischen Kultur 19).
Koopman-Thurlings, Mariska: Vers un autre fantastique. Étude de lʼaffabulation dans lʼœuvre de
Michel Tournier“. Amsterdam (Rodopi) 1995.
Koster, Serge: „Michel Tournier“. Paris (Éditions Julliard) 1995.
Magnan, Jean-Marie: „Michel Tournier ou la rédemption paradoxale“. Paris (Marval) 1996.
Vray, Jean-Bernard: „Michel Tournier et lʼécriture seconde“. Lyon (Presses universitaires de
Lyon) 1997.
Winisch, Eva: „Michel Tournier. Untersuchungen zum Gesamtwerk“. Bonn (Romanistischer
Verlag) 1997. (Abhandlungen zur Sprache und Literatur 111).
Pezechkian-Weinberg, Pary: „Michel Tournier. Marginalité et création“. Frankfurt/M., Bern, New
York, Paris (Peter Lang) 1998. (Currents in Comparative Romance Languages and Literatures 48).
Sonderheft „Michel Tournier“. In: Œuvres et Critiques (Tübingen). 23. 1998. H.2.
Schlöndorff, Volker: „Der Unhold. Mit Auszügen aus dem Drehbuch“. Göttingen (Steidl Verlag)
1998.
Vray, Jean-Bernard (Hg.): „Relire Tournier. Actes du colloque international Michel Tournier,
Saint-Étienne 19–21 novembre 98“. Saint-Étienne (Presses universitaires de Saint-Étienne) 2000.
(Travaux du CIEREC).
Luk, Fui Lee: „Michel Tournier et le détournement de lʼautobiographie (suivi dʼun entretien avec
Michel Tournier)“. Dijon (Editions universitaires de Dijon) 2003. (Écritures).
Schmitz, Barbara: „Robinsons ästhetische Utopie: Michel Tourniers Roman ‚Vendredi ou les
limbes du Pacifique‘ im Kontext einer Neubewertung des utopischen Paradigmas“. Heidelberg
(Winter) 2003. (Beiträge zur neueren Literaturgeschichte 192).
Koster, Serge: „Michel Tournier ou le choix du roman“. Paris (Zulma) 2005.
Guichard, Pierre: „Lʼâme déployée. Images et imaginaire du corps dans lʼœuvre de Michel
Tournier“. Saint-Étienne (Presses universitaires de Saint-Étienne) 2006. (Travaux du CIEREC).
Eickelkamp, Regina: „Reise-Grenze-Erinnerung. Spuren des Verschwindens und die ‚Erfindung
der Wirklichkeit‘ in ausgewählten Texten Michel Tourniers“. Heidelberg (Winter) 2008 (Studia
romanica 141).
Bouloumié, Arlette: „Michel Tournier: La réception dʼune œuvre en France et à lʼétranger“.
Rennes (Presses universitaires de Rennes) 2013. (Interférences).

Michel Tournier
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siehe auch
KLG
• Améry, Jean
• Grass, Günter

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