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Fremdsprache
Deutsch
Sondernummer I 1996
Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts
Autonomes
Lernen
© Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2018 - (www.fremdsprachedeutschdigital.de) - 29.10.2018 - 13:55 - (ds)
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RUBRIKEN:
Aktuelles Fachlexikon 49
Bücher und Aufsätze zum Thema 57
von Michael Langner
Gegenrede 61
von Hans-Jürgen Krumm
Litfaßsäule 63
Unsere Autorinnen und Autoren 64
3
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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I M P R E S S U M E D I T O R I A L
2 Autonomes Lernen
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AUTONOMIE UND
FREMDSPRACHENLERNEN
von CLAUDIO NODARI sprechende Aus- und Fortbildung aussehen soll. In diesem
Bereich scheint in der didaktischen Diskussion ein gewisser
Nachholbedarf zu bestehen. Eines ist dabei sicher: Durch das
Autonomiepredigen allein werden die wenigsten autonom.
Autonomie – wozu? Die letzten zwei Beiträge dieses Heftes widmen sich diesem
Seit einigen Jahren sind in der didaktischen Diskussion neben Thema. Sie zeigen exemplarisch, wie die Autonomieförde-
die Fragen der Ziele, Inhalte und Methoden auch Fragen zu rung in der Aus- und Fortbildung nicht nur als Inhalt behan-
den Menschen, die am schulischen (Fremdsprachen-) Unter- delt, sondern vor allem als Unterrichtsform erlebt werden
richt teilhaben, in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit muss. Im Mittelpunkt stehen hier die Lehrer und Lehrer-
gerückt. In erster Linie sind es Fragen zur lernenden Person. innen.
Mit didaktischen Begriffen wie z. B. Schülerorientierung
(Berücksichtigung von Schülerinteressen), Binnendifferen- Der Faktor Mensch ist bestimmt keine vernachlässigbare
zierung (z. B. unterschiedliche Unterrichtsangebote für lei- Grösse, auch wenn die Geschichte des Fremdsprachenunter-
stungsstärkere/-schwächere Schüler), Projektorientierung richts eine beeindruckende Vernachlässigung dieses Faktors
(z.B. Lernen durch die gemeinsame Arbeit an Projekten) dokumentiert. Abgesehen von meist reformpädagogischen
oder lernpsychologischen Begriffen wie z. B. Lerntyp, Lern- Ansätzen werden die Menschen, die lehren und lernen, von
strategien, Metakognition (Reflexion von Lernprozessen der Grammatik-Übersetzungsmethode bis hin zum kommu-
und Lernstrategien) wird versucht, die Perspektive der Ler- nikativen Fremdsprachenunterricht gleichsam als ein gege-
nenden zu würdigen und in die didaktischen Überlegungen bener, nicht weiter zu reflektierender Faktor behandelt.
einzubeziehen. Die vermehrte Aufmerksamkeit auf die Ler- Erstaunlich an dieser Feststellung ist nicht, dass dies so ist,
nenden hat nicht nur mit den äusserst 1 spannenden Ergeb- sondern dass der Auftrag des schulischen Fremdsprachen-
nissen der lernpsychologischen Forschung in den letzten zwei unterrichts traditionsgemäss alles andere als einseitig auf die
Jahrzehnten zu tun. Sie hat auch schlicht damit zu tun, dass Fremdsprache bezogen formuliert ist. Praktisch in allen
wohl manche etwas Grundlegendes gemerkt Lehrplänen der öffentlichen Schulen stehen am Anfang die
„Autonomie ist haben: Ohne die aktive Teilhabe und Teilnahme hehren allgemein-erzieherischen Ziele, die es durch die schu-
der Lernenden kann nicht wirklich von Fortschritt lischen Aktivitäten zu erreichen gilt, zum Beispiel Einfüh-
die Fähigkeit, die im
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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Lehrzielbereich: Autonomie
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nen einsetzen (M. Prokop, 1993). Der getan ist, den Lernenden einfach einen Freiraum fürs Ler-
Unterschied zu den Selbständigen nen zu schaffen (zum Beispiel durch eigenständige Erkun-
Selbständig Lernende besteht hauptsächlich darin, dass sie dungen ausserhalb des Schulzimmers) oder den Lernenden
G verfügen über ein reiches, diese Strategien auch dann nicht hin- eine Reihe von Selbstlernmaterialien zur Verfügung zu stel-
gut organisiertes Wissen; terfragen, wenn sie sich als ineffizient len (siehe dazu Hofmann/Schulze-Lefert 1993, besprochen
G verstehen es, ihr Wissen erweisen. Unselbständige Lernende in diesem Heft auf Seite 60). Auch bewährte Unterrichtsfor-
zu reorganisieren und umzu- bleiben den gelernten Vorgehensweisen men wie zum Beispiel Projektunterricht, Planspiel, Wochen-
strukturieren; treu und tendieren dazu, die Ursache planarbeit, die alle wichtige Beiträge zur Autonomieförde-
G verstehen es, ihr Wissen bei für Misserfolge in der eigenen Unfähig- rung leisten können, funktionieren nicht per se. Das metho-
der Lösung von keit oder Unbegabtheit zu suchen. Ver- dische Vorgehen muss immer sorgfältig eingeführt werden,
Aufgaben flexibel und refle- lust von Selbstvertrauen in Sachen will man das Ziel nicht von vornherein verfehlen. Das Vor-
xiv zu nutzen. Fremdsprachenlernen und damit gehen und die Regeln in der Gruppenarbeit, in einem Schül-
Abneigung gegenüber dem Weiterler- erreferat oder bei der Arbeit im Internet (siehe dazu den Bei-
nen bzw. dem Lernen neuer Sprachen trag von Bruno Frischherz und Peter Lenz, Seite 41) muss
kann die Folge sein. von den Lernenden genauso gelernt werden wie der Einsatz
von spezifischen Lern- und Arbeitstechniken (siehe dazu die
Unselbständigkeit kann aber auch das Resultat sein von Beiträge von Susy Keller und Maruska Mariotta, Seite 30, und
Schulungskonzepten, bei denen Selbständigkeit aus kultu- von Michael Koenig, Seite 34; für eine ausführlichere
rellen und/oder politischen Gründen kein anzustrebendes Behandlung des Themas Lerntechniken siehe auch „Fremd-
Ziel ist. Man könnte also annehmen, dass der Sinn und Zweck sprache Deutsch 8: Lernstrategien“3).
der Autonomie in einer stark auf Gemeinschaftlichkeit aus-
gerichteten Kultur, wie zum Beispiel in China, nicht einge-
sehen wird. So gehört dort zu Lernenden immer auch ein Es genügt nicht, den Lernenden einen Freiraum
Lehrender, und das Verhältnis zwischen ihnen ist kulturell fürs Lernen zu schaffen oder eine Reihe von
klar definiert. Zudem besteht eine starke soziale Verantwor- Selbstlernmaterialien zur Verfügung zu stellen.
tung auch für das Lernen, so dass Eigenverantwortung, Eigen- Die Frage, wie die Selbständigkeit bei allen
initiative oder gar Selbstevaluation gar nicht gefragt sind. Die Schülerinnen und Schülern innerhalb des schuli-
tradierte Vorstellung, Wissen und Können würden immer und schen Fremdsprachenunterrichts gefördert wer-
ausschliesslich vom Experten zum Novizen übertragen, den kann, ist eine zentrale Frage der Methodik.
scheint aber auch in China nicht ganz unumstritten zu sein
(siehe dazu J. Ho/D. Crookall, 1995, besprochen Zwar gibt es Menschen, die die beschriebenen Qualifika-
in diesem Heft auf Seite 58). tionen der Selbständigkeit und zum Teil auch Lern- und
Arbeitstechniken von selbst – und zum Teil auch trotz des
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Es muss ausdrücklich betont werden, dass schulischen Unterrichts – entwickeln und daher in der Lage
der Autonomiegedanke mit einem Sozialverständnis wären, Freiräume zu nutzen und eigenverantwortlich zu
und mit einem Persönlichkeitsbild in Verbindung steht, arbeiten. Dieser Lerntyp ist aber erfahrungsgemäss nicht oft
bei denen die soziale Mündigkeit, die Eigenverantwor- anzutreffen, vielleicht auch deshalb, weil seine Fähigkeiten
tung, die Eigeninitiative – vor allem auch auf wirtschaft- im Unterricht zu wenig gefragt sind. Die Frage, wie die Selb-
licher Ebene – ebenso hohe soziale Werte darstellen wie ständigkeit bei allen Schülerinnen und Schülern innerhalb
die Zivilcourage und die Konfliktfähigkeit. So ist es des schulischen Fremdsprachenunterrichts gefördert werden
denn auch nicht weiter verwunderlich, dass die Auto- kann, ist demzufolge eine zentrale Frage der Methodik.
nomiediskussion vor allem in Europa und in aussereu-
ropäischen englischsprachigen Ländern geführt wird. Natür- Aus der sehr breiten Literatur über didaktische Ansätze, die
lich besteht immer die Gefahr, dass der Autonomiegedanke die Selbständigkeit anhand eines durchdachten Unter-
unzulässigerweise reduziert wird auf Selbstlernen und damit richtsmanagements anstreben, können mindestens zwei Ten-
auf Isolation des Lernenden, Antagonismus und asoziales denzen ausgemacht werden.
Verhalten. Dieser Gefahr muss entgegengewirkt werden,
indem Autonomie nicht nur mit effizienterem Lernen, son- 1. Unterrichtskonzepte, die von den
dern immer auch mit der Entfaltung der Persönlichkeit und Lernenden Selbstinitiative verlangen
mit Lernen im sozialen und kulturellen Austausch in Ver- Diese Unterrichtskonzepte zeichnen sich im Wesentlichen
bindung gebracht wird. dadurch aus, dass sie den Lernenden einen gewissen Frei-
raum mit bestimmten Spielregeln innerhalb des Unterrichts
Wie kann Selbständigkeit bieten. Als klassisches Beispiel gilt hier der wohlbekannte
Projektunterricht (siehe dazu „Fremdsprache Deutsch 4:
gefördert werden? Unterrichtsprojekte“).
Selbständigkeit im Lernen einer Fremdsprache ist ein Ziel,
das in jeder Unterrichtsstunde angestrebt werden kann. Das Ebenso klassisch, jedoch weniger verbreitet, ist die Frei-
bedeutet, dass die Selbständigkeit keine Voraussetzung ist, die net-Pädagogik. Eines der wichtigsten Erziehungsziele war
die Lernenden mitbringen müssen, und dass es nicht damit für Célestin Freinet die „autogestion“, eigentlich ein begriff-
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licher Vorläufer der Autonomie. „Autogestion“ wird möglich, entieren, denn sie wissen jederzeit,
wenn folgende Fähigkeiten gefördert werden: warum, was, wann, wo, wie behan-
G die Selbstverantwortung: z. B. Arbeitsverträge abschlies- delt wird. Selbständig Lernende
sen, gegenüber der Lerngemeinschaft Rechenschaft able- 3. Gemeinsam Ausgehandeltes impli- G planen und steuern ihr Han-
gen in Bezug auf das Einhalten oder nicht Einhalten der ziert unter anderem auch die Ver- deln zielbewußt,
eigenen Arbeitsvorhaben; pflichtung zur Einhaltung vor allem G verbinden neues Wissen
G die Selbstregulierung: z. B. durch Monats- und Wochen- gegenüber der Lerngruppe. mit bereits beherrschtem
pläne, Planung und Reflexion der Arbeitsabläufe; Wissen,
G die Selbstbewertung: z. B. anhand von Übungsmaterial 2. Unterrichtskonzepte, G denken über den Verlauf
mit Lösungsschlüsseln, Eigenbewertung, Gruppeneva- die von den Lernenden ausgeführter Handlungen
luation (siehe dazu auch den Beitrag von Günther Selbstinitiative und Refle- nach und
Schneider, Seite 16). xionen verlangen G ziehen Schlüsse aus dem
Die zweite Tendenz der autonomieför- Ergebnis ihrer Handlungen.
Die Freinet-Pädagogik unterstützt die „Autogestion“ mit dernden Ansätze umfasst Unterrichts-
klaren, für alle Lernenden nachvollziehbaren Unterrichts- konzepte, die zwar das selbstinitiative
phasen wie kollektive Arbeit, persönliche Arbeit, kreative Lernen unterstützen, zusätzlich aber
Arbeit und Sozialisierung der Ergebnisse. Zudem steht ein als wesentliches didaktisches Element die Reflexion über das
methodisches Instrumentarium zur Verfügung, das den Ler- Lerngeschehen und über kulturelle Ausprägungen vorsieht.
nenden wie auch der Lehrperson den Umgang mit authen-
tischem Sprachmaterial erleichtert, denn Lehrwerke sind in Tatsächlich lassen die sehr aufschlussreichen Resultate
der Freinet-Pädagogik höchstens als Nachschlagewerke in der lernpsychologischen Forschung der letzten Jahrzehnte
der persönlichen Arbeit toleriert. (Für eine detaillierte Dar- den Schluss zu, dass metakognitive Phasen im Unter-
stellung der Freinet-Pädagogik im Fremdsprachenunterricht richt wesentlich zum Lernerfolg beitragen können.
siehe I. Dietrich, 1995). Phasen, in denen die Lernenden überlegen, wie sie
gelernt haben, welche Schwierigkeiten sie angetroffen
Auf eine Nutzung des Raumes und der Zeit für einen au- haben, wie der Unterricht bzw. ihre Lernarbeit opti-
thentischen Gebrauch der Fremdsprache zielt auch die soge- miert werden könnten usw., ermöglichen den Ler-
nannte „pédagogie de la négociation“. Mit „négociation“ nenden Einblicke in das eigene Lernverhalten und
oder „negociating“ wird das Verhandeln bezeichnet, mit dem in die erlebten Lehr-/Lernprozesse. Diese Einblicke
Lernende und Lehrperson gemeinsam die Ziele, die Inhalte erlauben es nicht nur, wenig effiziente Lehr-/Lern-
und die Vorgehensweisen des Unterrichts aushandeln. Rich- formen zu verbessern, sie sind auch die Voraus-
terich (1985) betont denn auch, dass die Künstlichkeit der setzungen, um die eigenen Stärken und
Kommunikation wohl auch damit zu tun hat, dass im Schwächen, die eigenen Vorlieben und Interessen
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Fremdsprachenunterricht das Unvorhergesehene, das Krea- besser zu erkennen und damit auch das Selbst-
tive, die Eigeninitiative zu wenig Spielraum haben. In der vertrauen zu stärken. Tatsächlich macht es keinen
„pédagogie de la négociation“ wird das Unterrichtsgesche- Sinn, Lerntechniken anzuwenden oder Inhalte zu bear-
hen an sich zum eigentlichen Inhalt. Die wesentlichen beiten, die einem nicht liegen, und dürftige Resultate als
didaktischen Elemente sind dabei: Konsequenz des eigenen Unvermögens zu interpretieren. Das
G das Formulieren und Sammeln der Bedürfnisse der Ler- Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, ein gewisses Bewusst-
nenden, der Lehrperson und der Institution; sein in Bezug auf den eigenen Lerntyp, die Überzeugung, dass
G das Aushandeln und Festhalten der Lernziele; nicht die Begabung, sondern die Art und Weise des Lernens
G die Umsetzung der Ziele in unterrichtliche Inhalte; massgebend ist für den Lernerfolg, sind denn auch Einstel-
G die Evaluation des erlebten Unterrichts. lungen, die durch metakognitive Reflexionen aufgebaut wer-
den können. Der Beitrag von Hanne Thomsen (Seite 11)
Kennzeichnend für die didaktischen Ansätze, die von den zeigt, wie die Autonomieförderung schon im ersten Lernjahr
Lernenden eine gewisse Selbstinitiative verlangen, sind der aussehen kann. Welche Fragen metakognitive Reflexionen
Einbezug der Lernenden in unterrichtsrelevante Ent- (natürlich auch in der Erstsprache) auslösen können und
scheidungsprozesse und die Übertragung von Verantwor- welche Einstellungsänderungen sich bei den Lernenden erge-
tungen. Die Lernenden treffen zusammen mit der Lehrper- ben, zeigen eindrücklich die Untersuchungsergebnisse im
son eine Reihe von Entscheidungen, die im herkömmlichen Beitrag von Ulrika Tornberg (Seite 24).
Konzept von Unterricht ausschliesslich Sache der Lehrperson
und/oder der Institution Schule sind. Autonomie im Lernen von Fremdsprachen umfasst neben
dem lernpsychologischen Aspekt auch einen interkulturellen
Der Einbezug der Lernenden in den Entscheidungsprozess Aspekt. Autonome Lernende einer Fremdsprache sind Men-
und die damit verbundene Übernahme von Verantwortungen schen, die einiges über Kommunikationsverhalten, über kul-
haben auch Konsequenzen: turbedingte Normen und Werte wissen. Sie wissen, dass im
1. Die Ziele, die Inhalte und die Vorgehensweisen sind den sozialen Verhalten wenig als „normal“ bezeichnet werden
Lernenden nicht nur bekannt, sie sind auch akzeptiert. kann und dass in unterschiedlichen Sprachgruppen und in
2. Die Lernenden können sich im Unterrichtsgeschehen ori- unterschiedlichen sozialen Gruppen ganz verschiedene Ver-
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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haltensweisen, Normen und 3. die Reflexion über das eigene Lernen und die Opti-
Werte gelten können. So mierung des Lernverhaltens
kann zum Beispiel das Grüs- z. B. anhand von Fragebogen zum Lerntyp, durch Dis-
sen auch nonverbal von kussionen über den Unterricht, durch Selbsteinschätzung,
Land zu Land unterschied- durch Lehrpersonenbeurteilung, durch Austausch von
lich sein (in Polen ist der Handkuss durchaus noch üblich, Erfahrungen mit Lerntechniken usw.
viele Türkinnen schauen beim Händeschütteln als Zeichen 4. die Reflexion über fremde und eigene kulturelle Prä-
des Respektes nicht in die Augen usw.), aber auch innerhalb gungen
einer Sprachgemeinschaft grosse Unterschiede aufweisen z. B. über spezifische Verhaltensweisen, über individuelle
(Jugendliche grüssen sich neuerdings mit komplizierten und soziale Werte, über Rituale usw.
Bewegungsabläufen der Hände; in der Deutschschweiz ist es (Für unterrichtspraktische Hinweise siehe Nodari 1994 in „Fremd-
üblich, beim Grüssen immer auch den Namen zu nennen – sprache Deutsch Heft 10: Aufgaben und Übungsgeschehen“,
sofern er bekannt ist, in Deutschland eher nicht). Reflexio- S. 39–43.)
nen über kulturbedingte Prägungen verfolgen das Ziel, im
Spiegel der fremden Verhaltensweisen, Normen, Werte usw. Wie kann Selbständigkeit im
die je eigenen zu erkennen: Worauf lege ich in der zwi-
schenmenschlichen Kommunikation besonders Wert? Was eigenen Unterricht gefördert
tue ich nie? Was erwarte ich in einer gegebenen Situation werden?
von einer Person, die mit mir spricht? Was erwartet die ande-
re Person von mir? Wie verhalte ich mich, wenn ...? Das sind Viele Lehrpersonen fragen sich natürlich, woher sie die Zeit
einige der Fragen, die es auch im Fremdsprachenunterricht nehmen sollen, um all die vielen schönen Ziele umzusetzen.
zu reflektieren gilt und die für das Weiterlernen und das Neben dem Lernen der Fremdsprache scheint kein Platz mehr
Leben außerhalb der Schule wichtig sind (Ch. Müller, 1995). zu sein, um vermeintlich anderes zu machen. Schliesslich
gibt es da Abschlüsse, Prüfungen, Noten usw., bei denen eine
Schlussfolgernd können wir festhalten, gewisse Sprachkompetenz nachgewiesen werden muss.
dass sich die Förderung der Autonomie auf
vier Pfeiler stützt: Diese Haltung ist verständlich. Dahinter steht einerseits die
1. die optimale Orientierung im Lehr-/Lerngeschehen eigene Lernerfahrung in der Schule und in der Ausbildung,
z. B. durch Lektions- und Wochenpläne, explizite Lehr- andererseits eine starke Fixierung auf das Fachspezifische
ziele, explizite Minimalanforderungen, genaue Kenntnis und damit ein zu eng gefasster Lernbegriff. Diese Haltung ist
der Lehrmaterialien usw. aber auch gemessen an den Lehrplänen nicht gerechtfertigt.
2. die bewusste Übernahme von Verantwortungen für Ein zu eng gefasster Lernbegriff, bei dem allein der Fachin-
das eigene Lernen halt und letztlich die Abschlussnoten massgebend sind,
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z. B. durch Wahlmöglichkeiten in Bezug auf Texte, Übun- bewirkt ein bedenkliches gegenseitiges Ausspielen von
gen, Aktivitäten, durch Selbstkorrektur und Selbstevalua- Fachinhalten und fachübergreifenden Fähigkeiten und Fer-
tion, durch explizite Lernziele, durch Lernverträge usw. tigkeiten. Wenn Schule als eine öffentliche Institution im
Dienste der Allgemeinheit verstanden wird, dann muss von
einem erweiterten Lernbegriff ausgegangen werden, bei dem
idealerweise in jeder Lektion Lehrziele aus allen Lehrzielbe-
reichen einfliessen.
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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Methodisch-strategisches
Lernen
· Texte strukturieren
Sozial-kommunikatives Lernen
· W-Fragen-Raster
· Gespräche beginnen und beenden
· zusammenfassen
· zuhören
· strukturieren
· antworten
· planen Affektives
· fragen
· notieren Lernen
· widersprechen
· nachschlagen · Freude am Umgang mit der
· zustimmen
· auswendig lernen (Fremd-)Sprache
· Abmachungen treffen
· Wörter lernen · Einsicht in die Nützlichkeit der
· insistieren
· Eselsbrücken Lerninhalte
· vortragen
· usw. · Identifikation und Engagement
· argumentieren
· diskutieren ermöglichen
· kommunikative Normen, Rituale · Entwicklung des Selbstvertrauens
erkennen · eigene Werthaltungen erkennen
· sprachliches Verhalten erkennen und aufbauen
und dessen Wirkung einschätzen · Werthaltungen anderer erkennen
· usw. und schätzen
· usw.
· mit Notizen
Telefonge-
· Telefonate zw. den
spräch planen
· einen Termin Lernenden organisieren
vereinbaren · Selbstvertrauen beim
Interkulturelles · Rückfragen Telefonieren
Lernen stellen Autonomes
· spezifische Normen des Sprach- Lernen
verhaltens reflektieren · Telefonate auf · Lernplan erstellen
· Formeln und
(Höflichkeitsformen, nonverbale Tonband aufnehmen · Lerntagebuch führen
Normen beim Lektionsreihe
Kommunikation, Tabu-Themen und sich selbst · Lerninhalte suchen und wählen
Telefonieren „telefonieren“
usw.) einschätzen · den eigenen Lerntyp erkennen
kennen
· Rituale und Formeln kennen · eigene Stärken erkennen
(Begrüssung, Telefonat, Kompli- · sich selbst evaluieren und
mente usw.) · Terminvor- · Termin- und einschätzen
· Sitten und Bräuche kennen (Feste, schläge Zeitangaben · usw.
verstehen · einen Termin
Geschenke, Einladungen usw.) · Höflichkeitsformen
vereinbaren
· Werte und Einstellungen kennen
· am Telefon
(Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Arbeit
deutlich Sprachspezifisches
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usw.)
sprechen Lernen
· usw.
Wortschatz:
Sprachrezeptives
· produktiver Wortschatz
Lernen
Sprachproduktives Lernen · rezeptiver Wortschatz
Hörverstehen:
Sprechen: · über Wörter reflektieren
· gezielt
· reproduktiv · Lerntechniken zum Wörter-
· global
· reproduktiv-produktiv lernen
· detailliert
· kommunikativ
Grammatik:
Leseverstehen:
Aussprache: · Regeln erkennen und
· gezielt
· Phoneme erkennen, verstehen
· global
reproduzieren, integrieren · über Grammatik reflektieren
· detailliert
· Lerntechniken zur Integration
Schreiben: von Formen und Strukturen
· reproduktiv
· reproduktiv-produktiv
· kommunikativ
Rechtschreibung:
· Regeln erkennen und
verstehen
· Regeln in Übungen
reproduzieren
· Rechtschreiberegeln in
Texten beachten
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? In welchen Sequenzen übertrage ich den Lernenden die Verant- Nodari, Claudio: Autonomiefördernde Aufgaben im Fremdspra-
chenunterricht. Versuch einer Typologisierung. In: FREMDSPRA-
wortung?
CHE DEUTSCH, 10 Aufgaben und Übungsgeschehen. H. 1/1994,
S. 39–43.
? Was tue ich, damit sich die Lernenden optimal im Lehr-/Lernge- Nodari, Claudio: Perspektiven einer neuen Lehrwerkkultur. Pädago-
schehen orientieren können? gische Lehrziele im Fremdsprachenunterricht als Problem der
Lehrwerkgestaltung. Aarau: Verlag Sauerländer 1995.
? Wann und wie sind metakognitive Reflexionen vorgesehen? Prokop, Manfred: Lernen lernen – aber ja! Aber wie? Klassifikation
von Lernerstrategien im Fremd- und Zweitsprachenunterricht.
In: FREMDSPRACHE DEUTSCH, 8 Lernstrategien. H. 1/1993,
? Wann und wie baue ich interkulturelle Reflexionen ein? S. 12–18.
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„MEIN LERNZIEL …“
von HANNE THOMSEN Autonomie im ersten Jahr Deutsch
In diesem Beitrag möchte als Fremdsprache
ich Einblicke geben in die kon-
krete Arbeit im ersten Lernjahr Eine gezielte Förderung der Auto- ich das Klassenzimmer für den
Deutsch. Die 24 dreizehnjähri- Deutschunterricht vorbereiten.
gen Schülerinnen und Schüler nomie kann bereits in der ersten
bringen Erfahrungen aus zwei An der Wand:
Jahren Englischunterricht mit. Unterrichtsstunde erfolgen. R Eine Deutschlandkarte
Folgende Fragen werden be- R Bilder oder Fotos aus
handelt: Hanne Thomsen, die in Dänemark Deutschland
R Wie fängt die Arbeit an? R Ein Stück Anschlagtafel für
R Was macht die Lehrerin? unterrichtet, zeigt exemplarisch, wie Briefe, Zeitungsartikel, eigene
R Was machen die Schüler? Produkte der Lernenden, etc.
R Wie denken sie über den ein Unterrichtsmanagement aussieht,
Unterricht und über die Auf den Regalen:
gewonnenen Erfahrungen bei dem die Schülerinnen und Schüler R Authentische Materialien:
nach? Kinder- und Jugendliteratur,
R Wie besprechen sie den Lern- von Beginn an mitentscheiden, wel- Magazine, Zeitungen, etc.
prozess? R Musik – Bücher und Kasset-
R Wie planen sie gemeinsam? che Inhalte sie wie bearbeiten möch- ten
R Textbücher – mit Tonkasset-
Die neue ten, und bei dem auch über das Ler- ten wenn möglich
R Spiele
Deutschklasse nen und über den Unterricht reflek- R Grammatikübersichten
ich meine neue Deutschklasse tiert wird – zu Beginn natürlich in der R Lehrwerke – einige Exempla-
nen zu lernen. Ich spreche sowohl Deutsch als auch Dänisch. R Pappe und Papier – Scheren, Kleber, Farbstifte, etc.
Auf meine Fragen hin erzählen mir die Jugendlichen, was R Taschen, Tücher, Hüte, etc. für musische Aktivitäten
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R Fachliche Programme
Ich spreche wie immer Deutsch und die Lernenden ver-
Außerhalb des Klassenzimmers : suchen sich auf Deutsch, soweit das überhaupt möglich ist.
In der Bibliothek gibt es eine weitere Möglichkeit, Deutsch- Neue Poster mit wichtigen Wendungen werden an die Wand
materialien – Bücher und Tonkassetten – auszuleihen. Auf gehängt.
eigene Faust können die Lernenden hier die Bücher, die sie
interessant finden, egal ob dänische, englische oder deutsche, Auf die Eigeninitiative
ausleihen.
R Fernsehsendungen
der Lernenden bauen
R Musik Nach kurzer Zeit wird klar, dass die Lernenden verschiedene
R Tourismus Aktivitäten durchführen wollen. Aufgrund der ersten Erfah-
rungen mit Deutsch und der Erfahrungen mit dem Lernen
generell schlagen sie „gute Projekte“ vor:
Die ersten Stunden R Bildbeschreibung
Jeder Schüler/Jede Schülerin bekommt sein bzw. ihr eigenes R Neue Wörter lernen
„Deutschbuch“, um zu üben, schrittweise zu lernen. Ein R Die Zeit: Tage der Woche, Monate
beschreibt er/sie den Plan der Stunde, macht eine Übersicht R Texte lesen
R Wie hat euch die Aktivität gefallen? Am Ende jeder Stunde überlegen wir 5 oder 10 Minuten
lang gemeinsam, wie alles gelaufen ist und was für die
nächste Stunde überlegt und vorbereitet werden soll. Wir
besprechen Erfolge und Probleme, geben Lob und Kritik und
fragen uns, wie wir die Probleme lösen könnten. WER macht
WAS?
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Am Anfang jeder Stunde gebe ich einen gemeinsamen Nun werden die Aktivitäten nach folgendem Modell
Stundeneinstieg: eine kleine Geschichte, ein Gedicht, ein geplant:
Bericht, eine Präsentation von einem Material, eine Antwort – Mein Lernziel?
etc., und die Gruppen-/Partnerarbeit beginnt. In meiner – Wie erreiche ich es?
Stundenplanung verbinde ich die Wünsche und Vorstellun- – Mit wem arbeite ich zusammen?
gen der Lernenden mit meinen Unterrichtszielen. In jeder – Wie vermitteln wir den anderen, was wir gelernt haben?
Stunde arbeite ich mit mehreren Gruppen/Paaren.
Wenn jemand krank ist oder wenn die Arbeit in der Grup- Und so in der Klasse beschrieben:
pe aus anderen Gründen nicht weitergehen kann, dann wird
es notwendig, noch einen Poster zu schreiben und ihn an die WER
Wand zu hängen: Was man alles in der Wartezeit machen WAS
könnte: WIE
R Kreuzworträtsel WARUM
R Bücher/Hefte lesen ERGEBNIS
R Kleine Texte zu Bildern schreiben und in das Lerntage- BIS WANN
buch kleben
R Ein kleines Gedicht schreiben Präsentation des Lernergebnisses und
R Das Lerntagebuch dekorieren Besprechung der Arbeitsergebnisse und der
R Etwas üben/vorlesen Lernprozesse nach demselben Schema:
R Materialien im Regal durchsehen WER
WAS
Nach 4–5 Deutschstunden sind die ersten Projekte fertig WIE
und werden der Klasse vorgestellt. Sprecher der Arbeitsgrup- WARUM
pen beantworten die Fragen: ERGEBNIS
R Wie habt ihr gearbeitet? (Den Plan des Lerntagebuches be- BIS WANN
schreiben. Kommentare mit Begründungen vorstellen.)
R Was habt ihr gelernt? (Über Deutsch, über Lerntypen, über Am Ende des ersten Schuljahres arbeiten die meisten
dich selbst und die anderen? Über …?) schon recht selbständig, mit Interesse und Lust, mehr zu ler-
R Was hat euch gefallen/nicht gefallen? (Materialien, Zu- nen. Zwei verschiedene Schüler schrieben auf Deutsch in ihre
sammenarbeit, das Ergebnis, etc. Warum?) Lerntagebücher:
R Mögliche Verbesserungen?
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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Literaturverzeichnis:
Little, David: Learner Autonomy 1. Definitions, Issues and Problems.
(1991) und
Dam, Leni: Learner Autonomy 3. From Theory to Classroom Prac-
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27 Westland Square, Dublin 2, Irland.
Thomsen, Hanne: New Classroom Practices. Cooperate Teaching-
Learning. 5th form English. Mimeo/Video (1991). Danmarks
Lærerhøjskole, Emdrupvej 101, 2400. København NV, Dänemark.
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SELBSTEVALUATION
LERNEN LASSEN
von GÜNTHER SCHNEIDER
Wenn man es wirklich ernst
damit meint, die Schülerinnen
und Schüler die Verantwortung Was kann ich? Was weiss ich? Wo Ergebnissen aus Tests oder mit
für ihr Lernen übernehmen zu dem Lehrerurteil übereinstim-
lassen, dann muss man ihnen muss ich mich verbessern? Was kann men. Auf welcher Seite bei
auch Gelegenheit geben, ihr abweichenden Resultaten die
Lernen und ihr Können selbst ich sein lassen? „bessere“ Beurteilung liegt, ist
zu beurteilen. keineswegs von vornherein aus-
Das sind zentrale Fragen für das gemacht. Eine gute Überein-
Allerdings gibt es bei Lernen- stimmung von Selbst- und
den und Lehrpersonen nicht Lernen schlechthin. Autonomie be- Fremdbeurteilung ist aber
selten erhebliche Widerstände immerhin ein starkes Indiz für
gegen die Selbstbeurteilung. deutet unter anderem auch, diese Fra- eine plausible Selbsteinschät-
Verantwortlich dafür sind vor zung.
allem zwei tiefverwurzelte und gen für sich selbst mehr oder weni-
durch Erfahrungen in der • Die Forscher fanden für
Schule vielfach verstärkte Auf- ger ehrlich, mehr oder weniger realis- Selbst- und Fremdevaluation oft
fassungen. Das ist zum einen erstaunlich hohe Korrelationen.
die Überbewertung von Fehlern tisch beantworten zu können. (Übersichten geben Oskarsson
und zum andern die Annahme, 1984 und Falchikov/Boud
dass Evaluation ausschließlich Günther Schneider aus Fribourg in 1989). Diese Resultate sind
Sache von außenstehenden bemerkenswert, weil es sich bei
Experten sei (Holec 1989). der Schweiz, der zur Zeit am Europa- den Untersuchungen meistens
um einmalige Erhebungen
Immer wenn wir den Ler- ratprojekt „Sprachenportfolio“ mit- handelte und die Lernenden
nenden Gelegenheit zur Selbst- vorher nur selten schon Erfah-
beurteilung geben und ihnen arbeitet, gibt vielfältige Anregungen rung mit Selbstevaluation
Instrumente zur Selbstevaluati- gemacht hatten.
zur Umsetzung der Selbstevaluation
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Plausible Selbsteinschätzungen kommen transparent und verständlich zu machen. Auch für den auto-
am ehesten zustande, nomen Lerner behalten neben der Selbstbeurteilung andere
Formen der Evaluation ihre Berechtigung, sei es die Fremd-
• wenn sich die Selbstevaluation auf konkrete Situationen beurteilung durch Experten, sei es das gegenseitige Beurtei-
und Aufgaben bezieht, die im Erfahrungsbereich der Ler- len in der Lernergruppe oder die gemeinsame Beurteilung
nenden liegen; durch Lehrende und Lernende.
• wenn die Kompetenzbeschreibungen sprachlich einfach,
verständlich und ohne didaktischen Fachjargon formu- Ein Beispiel dafür, wie im Hinblick auf die Selbstbeurtei-
liert sind; lung im Unterricht das Wissen über Lernziele und Lerntech-
• wenn die Lernenden mit den Beurteilungskriterien ver- niken aufgebaut werden kann, gibt Ute Rampillon (Ram-
traut sind – ganz besonders dann, wenn es sich um ihre pillon 1996). Sie schlägt eine Sequenz von Arbeitsschritten
eigenen Kriterien handelt, d. h. um Kriterien, welche die vor: Die Schüler und Schülerinnen erarbeiten zunächst eine
Lernenden sich zu eigen machen konnten oder die sie mind map (assoziatives Netz) zum Fremdsprachenlernen. In
selbst entwickelt haben. Gruppen sammeln sie dann zu einem ausgewählten Bereich
(z. B. Vokabeln lernen) Lerntechniken und überlegen ge-
Wenig verlässlich sind Selbstbeurteilun- meinsam, wie die einzelnen Techniken zu einer Strategie
gen immer dann, zusammengefasst werden könnten. Schließlich stellen die
• wenn eher globale Einschätzungen verlangt werden, einzelnen Lernenden für sich ihre individuellen Strategien
• wenn die Selbstbeurteilungen irgendwie mit Noten, Zeug- zusammen, um sie dann zu erproben.
nissen oder sonst einer Art von Zertifikation in Zusam-
menhang stehen, also immer dann, wenn es für die Ler-
nenden einen Vorteil bringen kann, nicht ehrlich zu sein.
Aus diesem Grund sollte man – zumindest beim Einstieg Gute Gründe, Zeit und Phantasie
in die Selbstevaluation – möglichst jede Verbindung mit Prü- für Instrumente zur Selbstbeurteilung einzusetzen
fungssituationen und Notengebung vermeiden. Es geht nicht
darum, dass die Lernenden sich selbst benoten. Nicht die auf Aus der Sicht der Lernenden
eine abschließende Bewertung zielende Beurteilung steht im • Sie konkretisieren die Lernziele in einer plausiblen und verständli-
Vordergrund. Selbstbeurteilung soll vielmehr im Sinne einer chen Form;
kontinuierlichen Evaluation den Schülerinnen und Schülern • sie helfen, Lernfortschritte laufend selbständig zu kontrollieren;
helfen, den eigenen Lernprozess zu steuern und Entschei- • sie regen an, sich eigene und fremde Bewertungskriterien bewusst
dungen zu treffen, die für ihr weiteres Lernen nützlich sind. zu machen;
• sie erlauben, den Beurteilungsbereich zu erweitern und auch solche
Aspekte einzubeziehen, die durch Fremdevaluation oder Prüfungen
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Wie kann man auf Selbstbeur- kaum erfasst werden können, z. B. Einstellungen, Gefühle, Lernbe-
teilung vorbereiten? reitschaft, Strategien u. ä.)
• sie machen Lernfortschritte bewusst und stärken so das Selbstver-
Einstiegsmöglichkeiten trauen und die Lernmotivation;
Welchen Einstieg man wählt, hängt wesentlich davon ab, • sie ermöglichen es, das Lernen individuell zu planen;
welche Vorerfahrungen eine Lernergruppe mitbringt. Um • sie helfen zu entscheiden, ob man weiterlernen, was und wie man
Interesse und Bereitschaft für die Selbstbeurteilung zu wiederholen soll;
wecken und die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, • sie können Examensanforderungen transparent machen und so hel-
bieten sich vor allem zwei Tätigkeitsbereiche an, nämlich die fen, sich – auch psychologisch – auf Prüfungen vorzubereiten;
reflektierende und praktische Auseinandersetzung a) mit • sie helfen, der Beurteilung durch andere nicht schutzlos ausgeliefert
dem (selbständigen) Lernen und b) mit dem Beurteilen zu sein;
(anderer). • sie bereiten auf Gespräche mit Lehrpersonen vor und können Kraft
und Argumente geben, um mit ihnen Lernerfolge und Lernproble-
Alle entsprechenden Aktivitäten im Unterricht haben me zu besprechen.
selbstverständlich nicht nur ihren Sinn darin, auf Selbstbe-
urteilung vorzubereiten, sondern sind auch für sich selbst Aus der Sicht der Lehrpersonen
und in anderem Zusammenhang nützlich und sinnvoll. Dies • Instrumente zur Selbstbeurteilung zu entwickeln motiviert und
gilt für die Beschäftigung mit Lernzielen, Lerntechniken und zwingt dazu, die Lernziele transparent zu machen, den Lehrplan in
Lernstrategien, für die man in neueren Lehrmaterialien oft einen verständlichen Lernplan umzuformulieren.
Hilfen und Anregungen findet. Dies gilt auch für die viel sel- • Regelmäßige Selbstbeurteilungen können die Lehrperson etwas von
tener anzutreffende Beschäftigung mit Beurteilungskriterien der Rolle des Kontrollierenden entlasten und so Freiräume für ande-
und -instrumenten, die – ganz abgesehen von der Bedeu- res schaffen.
tung für die Förderung der Fähigkeit, sich selbst zu beurtei- • Alle Vorteile aus der Sicht der Lernenden (siehe oben).
len – dazu beiträgt, produktorientierte bewertende und kon-
tinuierlich begleitende Lernkontrollen für die Lernenden
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Autonom lernen meint nicht unbedingt, allein oder gar Sprechen zu beurteilen und Merkmale der Kommunikati-
einsam lernen. Wahrscheinlich besteht das beste Training für onsfähigkeit auf verschiedenen Stufen genauer zu beobach-
die Selbstbeurteilung darin, zunächst andere zu beurteilen ten, sind Videoaufzeichnungen mit bekannten Persönlich-
und gemeinsam mit anderen zu beurteilen. Die Lernenden keiten besonders interessant. Auf deutschsprachigen Fern-
können Erfahrung und Vertrauen gewinnen in ihre Fähig- sehsendern lassen sich leicht Interviews, Statements oder Dis-
keit zu beobachten und zu bewerten, indem sie gemeinsam kussionen aufzeichnen, in denen sich Sportler, Politiker oder
Kriterien besprechen und anwenden, ihre Beurteilungser- Journalisten mehr oder weniger frei und mehr oder weniger
gebnisse vergleichen und Gründe für unterschiedliche Wer- verständlich in der Fremdsprache Deutsch ausdrücken.
tungen diskutieren.
In einem nächsten Schritt oder wenn schon ein sehr gu-
Je nachdem wie gut sich die Lerner kennen und wie das tes Vertrauensverhältnis besteht, können sich dann die Ler-
Klima in der Klasse ist, empfiehlt es sich, zuerst an neutra- nenden – direkt oder anhand von Videoaufzeichnungen –
len Beispielen zu üben. Für die Beurteilung der Schreib- gegenseitig beurteilen. Wenn Lernende einander beurteilen,
fähigkeit kann man beispielsweise anonymisierte Schüler- müssen sie ihre Beurteilung erklären, belegen, begründen
texte aus anderen Klassen auswählen. Um das Niveau im und eventuell verteidigen oder revidieren. Dadurch lernen sie
Beispiel 1
Bewertungsblatt für das mündliche Erzählen
inhaltlich:
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die Lernenden verständlich sind. Diskussionen über die • Beziehen sie sich nur auf das kommunikative, sprachli-
Erfahrungen bei der Anwendung der Kriterien oder auch über che Können oder auch auf andere Aspekte, z. B. Lernge-
Mängel und Unklarheiten können das Bewusstsein für ver- wohnheiten und Lernstrategien, Motivation und Einstel-
schiedene Aspekte einer Aufgabe und verschiedene Bewer- lungen, soziokulturelles, landeskundliches Wissen und
tungsmaßstäbe schärfen. Lernende, die mit Checklisten und Können?
Beurteilungsrastern vertraut geworden sind, können bald • Sind sie spezifisch auf bestimmte Niveaus, einzelne Fer-
auch selbständig Kriterien für neue Aufgabenstellungen sam- tigkeiten oder einzelne Aufgabentypen zugeschnitten oder
meln, auswählen, gewichten und in ihrer eigenen Sprache handelt es sich um generell einsetzbare Passepartout-
formulieren. Eine nützliche Erfahrung ist es, wenn die Ler- Instrumente?
nenden füreinander und miteinander Lernkontrollen oder • Zeigen sie mir, wo ich stehe, was ich kann, welche Schwie-
Teile von Lernkontrollen mit Angaben für Beurteilung und rigkeiten ich habe oder geben sie mir auch Anregungen
Feedback entwerfen und nachher auswerten. und Hilfen, zu planen, wie ich weiterkomme?
Es ist klar, dass die gegenseitige Beurteilung, die Mitbe- Die Lernenden sollten möglichst verschiedene Arten von
wertung und eben auch die Selbstbeurteilung in offeneren Instrumenten kennen lernen und ausprobieren können. Im
Unterrichtsformen wie Projektarbeit oder Werkstattunterricht Folgenden werden die Haupttypen kurz aufgeführt und eini-
leichter einen selbstverständlichen Platz finden und auch ge anhand von Beispielen kurz erläutert.
dort eher von den Lernenden als sinnvoll akzeptiert werden.
Manche Instrumente und Techniken ermöglichen eine
direkte Selbstkontrolle. Im Zentrum steht dabei meist die
Instrumente zur Selbstevaluation Kontrolle unter dem Gesichtspunkt Richtig/Falsch oder Wis-
Für die Selbstevaluation kann man auf ein recht reiches sen/Nichtwissen. Dazu gehören:
Instrumentarium zurückgreifen. Es geht heute weniger da-
rum, neue Formen zu erfinden, als vielmehr darum, die vor- Lösungsschlüssel auf Papier, auf Kassetten oder in
handenen Möglichkeiten zu nutzen und die vorliegenden Computerlernprogrammen. (Da manche Verlage die Lösun-
Modelle an die jeweiligen Adressaten mit ihren unterschied- gen immer noch in den Lehrerhandbüchern platzieren,
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Beispiel 4
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Beispiel 5
ausgewählten Beispiel geht es um das Ziel, Wetterprognosen schiedliche Möglichkeiten kennen lernen können. Sinnvoll
in den Nachrichten zu verstehen. Interessant ist hier beson- ist sicherlich eine gewisse Abwechslung und eine Kombina-
ders, dass die Lernenden nach der Selbstbeurteilung noch tion verschiedener Instrumente. Wenn keinerlei Mittel zur
Anregungen vorfinden, die ihnen helfen, erstens mögliche Selbstevaluation bereit gestellt werden, dann wird der
Gründe für eventuelle Schwierigkeiten zu identifizieren und Anspruch, autonomes Lernen fördern zu wollen, unglaub-
zweitens für sich selbst geeignete Möglichkeiten auszuwählen würdig. Andererseits macht die Selbstbeurteilung andere Eva-
und zu planen, wie sie ihren Lernerfolg verbessern könnten. luationsformen wie Lernkontrollen durch die Lehrpersonen,
Tests oder Diplomprüfungen nicht überflüssig. Es geht nicht
Die Beispiele sollen diejenigen, die nicht mit solchen Lehr- um ein Entweder-Oder. Selbst- und Fremdbeurteilung haben
werken oder ohne Lehrwerk arbeiten, anregen, selbst für oder teilweise unterschiedliche Funktionen – und sie können ein-
mit ihren Lernenden ähnliche Instrumente auszuarbeiten ander ergänzen. Selbständige, selbstbewusste Lerner nutzen
(siehe auch den Kasten „Praktische Tipps“). auch die Fremdbeurteilung.
Die Lernenden sollten aber auch Erfahrung mit weiteren In diesem Sinne wird im Sprachenprojekt des Europarats
Selbstbeurteilungsmöglichkeiten machen können. Das sind ein Sprachenportfolio geplant, das den Lernenden die
vor allem: Möglichkeit geben soll, ihr kommunikatives Können in ver-
• Video- und Audioaufzeichnungen, schiedenen Fremdsprachen und ihre Sprachlernerfahrungen
• Vergleiche von früheren schriftlichen oder zu reflektieren und auch auf vielfältige Weise zu dokumen-
mündlichen Produktionen mit neueren tieren, z. B. durch Prüfungsbestätigungen und Zertifikate,
Arbeiten, durch eine kurze Sprachlernbiographie, durch die Selbstein-
• Lerntagebücher, stufung in eine Skala, durch Selbstbeurteilungen anhand
• Erfahrung in authentischen Situationen. von Checklisten zu verschiedenen Kompetenzbereichen sowie
durch eine kommentierte Sammlung von exemplarischen
Die Lernenden müssen natürlich nicht alle denkbaren eigenen Arbeiten.
Mittel zur Selbstevaluation verwenden, aber sie sollten unter-
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Anmerkung:
* Ich verdanke dieses Beispiel Leo Koch in Lugano, in dessen Klas-
sen ich oft beobachten konnte, wie ernsthaft Schülerinnen und Praktische Tipps
Schüler einander beurteilen und wie kompetent sie Feedback
geben können.
• Checklisten und Kriterien einfach formulieren. Am besten in der
Lehrwerke: Muttersprache der Lernenden.
Fischer-Mitziviris, Anni/Janke-Papanikolaou, Sylvia: Blick. Mittelstufe • Je spezifischer, desto besser. Die Lernenden können konkrete Situa-
Deutsch für Jugendliche und Erwachsene. Band 1. Arbeitsbuch.
tionsbeschreibungen besser zu ihren eigenen Erfahrungen in Bezie-
Ismaning: Hueber 1995.
hung setzen.
Funk, Hermann/Keller, Susy/Koenig, Michael/Mariotta, Maruska/
Scherling, Theo/Strätz, Peter: sowieso. Deutsch als Fremdsprache • Lange Auflistungen vermeiden. Lieber regelmäßig überschaubare
für Jugendliche. Arbeitsbuch 2. München: Langenscheidt 1995.
Instrumente zur Verfügung stellen.
Ghisla, Graziella/Holenstein, Alexandra/Keller, Susy/ Mariotta, Marus-
ka/Saglini, Silvia: Ganz Ohr. Höranlässe und Arbeitsblätter für • Die Selbstbeurteilung keinesfalls nur auf Grammatik und Wort-
Anfänger und Fortgeschrittene. München: Langenscheidt 1996. schatz beschränken.
Lemcke, Christiane/Müller, Martin/Rusch, Paul/Scherling, Theo/Schmidt,
Reiner/Wertenschlag, Lukas /Wilms, Heinz: Moment mal! Arbeits- • Alles vermeiden, was auch bei der Fremdbeurteilung ein untaugli-
buch 1. München: Langenscheidt 1996. ches Mittel wäre, z. B. das Fehlerzählen.
Nodari, Claudio/Neugebauer, Claudia/Ambühl-Christen, Elisabeth:
Kontakt 2. Deutsch für Jugendliche. Textbuch. Zürich: Lehrmit-
• Nicht nur Fragebogen produzieren, sondern auch mit den Schülern
telverlag 1994. und Schülerinnen reden.
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DAS METAKOGNITIVE
KLASSENZIMMER
von ULRIKA TORNBERG Oder: Der lange Weg zurück
Wenn ein Jugendlicher außer- zum spontanen Lernerverhalten
halb der Schule etwas lernen
möchte, z.B. mit Computern zu
spielen, geht er schon von „Wie denken Schüler, wenn sie mit lernen?“ „Warum muss/will ich
Anfang an von einem selbstge- das lernen?“, „Wie lerne ich
setzten Ziel aus. Er möchte z.B. Grammatik arbeiten?“ Diese Frage es?“, „Wie plane ich und führe
die Funktionsweise eines Spiels ich die Arbeit durch?“ und „Wie
kennen, also etwas lernen. Die stellte Ulrika Tornberg aus Uppsala kann ich wissen, ob ich auch
notwendigen Informationen wirklich gelernt habe, was ich
werden ausgewählt und über- (Schweden) in Heft 9 von FREMD- lernen wollte?“, diese meta-
prüft. Verschiedene Wege, um kognitiven Fragen, die bei dem
das Ziel zu erreichen, werden SPRACHE DEUTSCH. An dieser Stelle selbstgewählten Lernziel meist
ausprobiert, und wenn das implizit vorhanden sind, müs-
Unternehmen beim ersten oder geht es um die Frage, wie Schülerin- sen im Unterricht explizit ge-
zweiten Versuch nicht gelingt, stellt werden (metakognitiv =
werden neue Wege gesucht. Das nen und Schüler ihre Arbeit mit Tex- reden über das bewusste Lernen).
vorläufige Misslingen wird als Dass die Reflexion über Sinn
Grundlage für weitere Versuche ten reflektieren. und Ziel des eigenen Lernens
benutzt. Hindernisse werden als erst wieder in den Unterricht
Herausforderungen aufgefasst Die STRIMS-Studie, aus der die Auto- hereingeholt werden muss,
und überwunden. Und wenn der hängt mit der traditionellen
Lernende schließlich am Ziel rin weitere Ergebnisse präsentiert, Schulkultur zusammen, nach
ist, weiß er Bescheid und freut der Ziele, Inhalte, Tempo,
sich über den Erfolg. zeigt deutlich, dass im Unterricht Methoden und Evaluation zum
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Gedanken und Problemlösungsstrategien während der Arbeit ganzen Text schnell durchlesen können, um ihre Vorkennt-
verbalisieren konnten, wurden alle Aufgaben in Partnerarbeit nisse über das Thema zu aktivieren, wie sich aus dem Text-
gelöst. Alles, was die Partner sagten, wurde auf Tonband auf- zusammenhang die Bedeutung einzelner Wörter oft er-
genommen, die Tonbänder wurden transkribiert und analy- schließen lässt, wie sie ihre anderen Sprachkenntnisse (z. B.
siert. Außerdem wurden die Jugendlichen mit Hilfe von Fra- in Englisch und Schwedisch) auch für den deutschen Text
gebögen über ihre Gedanken beim Erlernen einer Sprache gebrauchen können und wie sie Überschriften, Bilder, Ziffern
interviewt. Eines der Ziele des Projekts war zu untersuchen, und frequente Wörter als Verstehenshilfe benutzen sollten.
ob die Jugendlichen explizit über ihr Lernen sprechen konn-
ten und ob sich ihre Gedanken über das Lernen mit der Zeit Ein halbes Jahr nach der ersten Untersuchung führte ich
ändern würden. Für die Untersuchungen zur englischen und die zweite Untersuchung durch. Bei Lisa und Christian merk-
zur deutschen Sprache konnten dieselben Jugendlichen drei te man die metakognitiven Spuren des Strategieunterrichts.
Jahren lang beobachtet werden. Die ,deutsche Untersuchung‘ Der folgende Transkriptionsauszug, der hier ins Deutsche
zeigt also, wie sich die sechs durch Los ausgewählten Jugend- übersetzt wurde, stammt aus den mündlichen Kommenta-
lichen im Laufe von drei Jahren am Gymnasium strategisch, ren nach der Arbeit.
metakognitiv und sprachlich entwickelten.
C: Wir sollten doch erzählen, dass wir zuerst
den ganzen Text durchgelesen haben.
Entwicklung von Lesestrategien L: Eben! Wir haben den Text zweimal durchge-
Für die Langzeitperspektive besonders interessant sind die lesen.
Untersuchungen zum Leseverständnis und zu den Lesestra- C: Jeder für sich.
tegien. Ich hatte gemerkt, wie wohl auch mancher Lehrer L: Fangen wir vielleicht jetzt wieder von
vor und nach mir, dass Schüler oft glauben, Leseverständnis Anfang an, damit wir einen Zusammenhang
in einer Fremdsprache sei dasselbe wie den Text in die Mut- bekommen?
tersprache übersetzen zu können. Als die sechs STRIMS-
Schüler Felix, Pernilla, Lisa, Christian, Mia und Anders wie Bei Felix und Annika (Pernilla war nicht mehr in der
auch die übrigen Schüler in der Lerngruppe im Frühjahrs- Gruppe) merkt man leider noch keine großen Fortschritte.
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Der Text wird immer noch durch Übersetzung auf der Wort- strategisch bewusste Leser geworden. Sie übersetzten nicht
ebene behandelt. Auffallend sind Annikas häufige Fragen an mehr, sondern benutzten statt dessen Textinterpretation,
Felix: Paraphrasen und Vereinfachungen. Manchmal ließen sie
J Was ist das? auch einzelne Wörter aus. In einem Gespräch zwischen Felix
J Was bedeutet das? und Lisa über das Verstehen von Texten klingen die beiden
J Wie heißt das? Schüler wie ein Instruktionsbuch über Lesestrategien …
Und Felix’ wiederkehrende Antwort dazu:
J Keine Ahnung. L: Ja, zuerst liest man nur, um zu sehen, wie
viel man versteht. Ich kümmere mich auch
So mussten die Übungen zu den Lesestrategien auch im nicht immer um jedes kleine Wort, das ich
zweiten Jahr regelmäßig fortgesetzt werden. Im dritten Früh- nicht verstehe. Manchmal versuche ich nach-
lingssemester, kurz vor dem Abitur, führte ich die dritte Unter- zusehen, ob das Wort auch irgendwo anders
suchung durch. Der Text bestand diesmal aus einem sprach- im Text steht oder ob man die Bedeutung
lich recht schwierigen Werbetext des schwedischen Möbel- vielleicht doch irgendwie erraten kann.
unternehmens Ikea. Und siehe da: nach zwei Jahren konse- Manchmal versteht man ja einen Teil des
quenten Strategietrainings waren auch Felix und Annika Wortes und das genügt dann.
F: Und der Kontext! Der sagt oft, was das
Wort bedeuten müsste.
L: Genau. Manchmal können auch andere
Sprachen helfen.
F: Und der Inhalt. Man weiß vielleicht schon
eine Menge über das Thema und das
erleichtert das Verstehen.
L: Und manchmal muss man auch einiges erra-
ten.
Schlußfolgerung:
Es hat ziemlich lange gedauert, bis alle STRIMS-Schüler
strategisch zu lesen gelernt haben. Dann aber taten sie es
metakognitiv bewusst. Dass das effiziente und globale Lese-
verstehen manchen Jugendlichen zuerst schwer fiel, hing
sicherlich damit zusammen, dass sie die „Lesetechnik Über-
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Ich habe diese Auszüge gewählt, weil Mia und Anders eine
Die Briefe wurden in Einzelarbeit geschrieben. Das Ton- ziemlich ähnliche Arbeitsweise haben, z.B. die Formulierung
bandgerät stand neben den Schreibenden, und diese sollten, eines Problems und das Bilden einer Hypothese. Aber
wenn möglich, bei der Arbeit „laut“ denken. Auch ich saß während Mia die Hypothesen auch immer testet, schreibt
dabei und schrieb auf, was die Schülerinnen und Schüler Anders „nur etwas“. Beide rufen auch oft ihre paradigmati-
während des Schreibens taten, ohne mich einzumischen. Da schen Kenntnisse ab:
die Aufgabenstellung identisch war und drei Jahre dazwi-
schen lagen, ist es möglich, die strategische und sprachliche Mia 1989:
Entwicklung von Lisa, Christian, Mia und Anders festzustel- … ich will, du willst, er sie es will … nein … ich wer-
len. Felix und Annika nahmen nur an einer der Untersu- de, du wirst, er sie es wird, wir werden, ihr werdet …
chungen teil. Hier folgen einige interessante Ergebnisse: werdet ihr später Kinder schaffen?
1. Die Briefe sind 1992 doppelt so lang und sprachlich kor- Mia 1992:
rekter als 1989. … Du schriebst ja, dass du verliebt … ich bin, du bist
… dass du verliebt bist …
2. Die Jugendlichen änderten ihre Arbeitsweise nicht und
behielten ihre Strategien. Die große Ausnahme ist Lisa, die Anders 1992:
im Laufe der Jahre bewusst ihr Repertoire an verschiede- … dass du heiraten sollst, soll, sollt, sollte … dass du
nen Strategien erweitert und entwickelt hat. heiraten sollst, sollen …
3. Bei Lisa, Mia und Christian ist der Inhalt in beiden Brie- Es gibt jedoch einen deutlichen Unterschied: Während das
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fen fast identisch, so als hätten sie unbewusst den ersten Abrufen von Paradigmen bei Mia effektiv als Sprachkontrol-
Brief drei Jahre lang gelagert, um ihn dann wieder ans le eingesetzt wird, scheint Anders nicht zu wissen, wozu oder
Licht zu ziehen. Bemerkenswert ist dabei, dass sich die wie man ein Paradigma verwenden kann. Wahrscheinlich
Schüler 1992 nur ganz schwach daran erinnerten, diese hat er es einmal mechanisch gelernt wie viele andere Schüler,
Aufgabe schon einmal gemacht zu haben. aber ohne etwas mit seinen Kenntnissen anfangen zu kön-
nen.
4. Dieselben sprachlichen Probleme tauchen zum Teil bei
allen vier Schülern in beiden Briefen auf. Schlußfolgerung:
Auf dem Gebiet des freien Schreibens erhielten die Schüle-
Im Folgenden ein Auszug aus dem begleitenden Protokoll rinnen und Schüler im Laufe des Projekts keinen Strategie-
(was die Schüler auf Deutsch sagen, steht hier kursiv. In einer unterricht. Erst nachträglich habe ich also eingesehen, dass
anderen Schrift steht, was die Schüler auf Schwedisch sagen.) ich auch hier sehr viel hätte tun können. Die Jugendlichen
hatten zwar ziemlich viel über Mnemotechniken erfahren
Mia 1989: und hatten auch oft verschiedene Strategien beim Vokabel-
Ich denke, dass es ist ein ... sagt man der? ... Ein gutes lernen ausprobiert. Sie wussten also schon einiges darüber,
Idee ... Wie schreibt man Idee? wie das Kurz- und Langzeit-Gedächtnis funktioniert. Diese
Nein, ich schlage nach ... Idee mit zwei -e. Idee … Kenntnisse haben sie jedoch nicht auf die Bearbeitung von
Heißt es das? Nein, es heißt die Wörtern und grammatischen Formen beim Schreiben über-
… Ich denke, dass es ist eine gute Idee … tragen.
Unter den STRIMS-Schülern ist Lisa diejenige, die sich im
Mia 1992: Laufe des Projekts am meisten entwickelt hat, nicht nur stra-
… denke ich, dass es ein Idee … das Idee, der Idee …´ tegisch und metakognitiv, sondern auch sprachlich. Auf der
Nein, ich schlage nach, Idee … nächsten Seite folgt ein Auszug aus dem Gespräch mit Felix
die Idee … dass es eine sehr spannende Idee ist … 1992 über das Erlernen von Fremdsprachen. Lisa erklärt, wie
sie mit Grammatik zu arbeiten gelernt hat:
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L: Es ist sehr gut, eigene Sätze, eigene Beispie- richt auf dem Gymnasium ungefähr auf demselben Niveau
le zur Grammatik zu machen. Wenn man wie kurz nach der Grundschule. Hier folgt ein Auszug aus
nur die Übungen im Übungsbuch macht, dem Gespräch mit Mia 1992 über seine Gedanken beim Erler-
dann geschieht alles so automatisch und nen einer Sprache:
man weiß dann nicht, was man macht.
Wenn man selber schreiben muss, dann A: Englisch! Da denke ich nur selten darüber
muss man wirklich nachdenken und man nach, wie ich schreibe. Ich bin zu müde, um
stößt auf Probleme. Dabei lernt man viel. … zu denken. In Deutsch denke ich überhaupt
nicht. Ich schreibe nur drauf los.
Lisas sprachliche Entwicklung zeigt sich besonders deut- M: Aber ich finde, Deutsch kann man leichter
lich in ihren Aufsätzen. Zwei kurze Auszüge aus den Aufsät- strukturieren als Englisch.
zen von 1990 und 1992 können als konkretes Beispiel die- A: Das weiß ich nicht.
nen. Zu beiden Gelegenheiten hatten die Schüler die Mög- M: Hast du deine Arbeitsweise verändert?
lichkeit schon im Voraus ihr Aufsatzthema zu wählen. Beim A: Nein, ich glaube nicht. Ich will sie auch gar
Schreiben durften sie ihr Wörterbuch und ihre Grammatik nicht verändern. Deswegen lerne ich auch
dabei haben, durften aber keine Notizen mitbringen. Die zur nichts ...
Verfügung stehende Zeit betrug jeweils 90 Minuten.
Motivationsprobleme
Damit sind wir wieder an dem Punkt, wo sich die Lernsitua-
Lisa 1990 tionen außerhalb der Schule und im Klassenzimmer am
(Aufsatzthema: Was das Leben lebenswert macht) meisten unterscheiden. Außerhalb der Schule entscheidet
… Aber wie sollen man denn das Leben man selbst, was man lernen will oder sogar muss. Im Klas-
lebenswert machen? Ich finde die Urlau- senzimmer ist der Einfluss der Schüler auf den Unterrichts-
ber sehr wichtige. Alle Leute müssen eine inhalt bis jetzt oft sehr begrenzt gewesen. Wie wichtig die
Chanse zu ausruhen von das täglische Selbstbestimmung der Lernenden jedoch für die Motivation
Leben bekommen. Vielleicht Reise oder ist, geht aus einem Interview mit Christian aus dem Jahre
sich nur Ruhe und umgehe mit Familie 1991 hervor:
und Freunde. Mange verschiedene Dinge
und Ereignisse macht mein Leben lebens- C: Wenn man selbst gewählt hat, z. B. einen
wert. Ich glaube jeden Individ verschiede- interessanten Artikel in einer Zeitschrift über
ne Dinge schätze. Wenn ich traurig bin den man schreiben oder erzählen möchte,
werde ich oft auf guter gelaunt nach einer dann kann man … dann fängt man vielleicht
um 5 Uhr nachmittags an und sitzt den
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Lisa 1992 (Aufsatzthema: Wohin jetzt?) Man kann die Schüler zum Lernen-Wollen nicht zwingen.
… Ich weiß leider nicht, mit was ich in Man kann ihnen allenfalls geeignete Strategien zeigen,
der Zukunft arbeiten will. Wenn ich das damit sie vielleicht verstehen, dass es oft leichter ist nach-
wüßte, wäre es vielleicht leichter. Ich habe zudenken als „überhaupt nicht zu denken“. Man kann mit
Angst viele Jahre zu studieren und einen ihnen die Verantwortung für das WAS, WARUM und WIE des
Job zu schaffen und dann entdecken, dass Unterrichts teilen und dadurch eine entspannte und koope-
es mir gar nicht gefällt. Oder vielleicht rative Atmosphäre im Klassenzimmer etablieren. Die Ler-
finde ich niemals eine Arbeit, mit welcher nenden müssen aber auch das Recht haben, nicht lernen zu
ich zufrieden werde. wollen. Wenn jemand sein Desinteresse bewusst, metakogni-
Welcher Angsttraum! Erst muss ich wei- tiv motivieren kann, muss man ihn, meines Erachtens, als
terstudieren – aber was? Es gibt viele autonomen Menschen respektieren. Als Beispiel hierzu könn-
interessante Kurse – wie soll ich wählen? te Felix dienen. Er war, genau wie Anders, ziemlich uninter-
Soll ich die Kurse, die ich sehr interessant essiert daran, wie er sein Lernen strategisch verbessern könn-
finde nehmen, oder die Kurse aus welchen te, und war in den Deutschstunden oft passiv. Als ich ihn bei
ich in der Zukunft in einem Job Nutzen einer Gelegenheit darauf aufmerksam machte und ihm sag-
ziehen kann? … te, dass er seine Noten in Deutsch mit etwas Anstrengung
wesentlich verbessern könnte, antwortete er, dass er in
Deutsch keine besseren Noten braucht. Er erzählte, dass er
später das Sportgeschäft seines Vaters übernehmen würde
Der Schüler, der sich am wenigsten entwickelt, ist Anders. und dass er deswegen seine schulischen Anstrengungen auf
Auch er denkt metakognitiv, aber im negativen Sinne, und Betriebswirtschaft und Ökonomie konzentrieren wollte. Er
seine Sprache befindet sich nach drei Jahren Deutschunter- hatte in diesen Fächern auch die höchsten Noten.
28 Autonomes Lernen
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Gelernt haben wir auch, dass es nicht genügt, ein- oder 6. Prüfungen werden in Gruppen vorbereitet:
zweimal mit Strategien zu arbeiten. Eingeprägte Lernmuster J Was haben wir gelernt?
zu verändern ist ein langfristiges Unternehmen. Etwas Neu- J Was soll geprüft werden?
es wirklich zu lernen bedeutet, dass sich auch etwas an dem J Wie soll es geprüft werden? etc.
eigenen Weltbild verändert, und das sowohl bei den Lehren- Danach wird die Prüfung nach den Anweisungen der Ler-
den wie bei den Lernenden. nernden von der Lehrperson fertiggestellt.
Zum Abschluss möchte ich ein paar praktische Hinweise 7. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich selbst beno-
für einen schrittweisen Aufbau des metakognitiven Klassen- ten; sie müssen die selbstgesetzten Noten auch begründen
zimmers geben. Die hier beschriebenen Schritte, von denen können. Diese Note bildet dann den Ausgangspunkt für
einige Sie verwundern mögen, ergaben sich aus den Ein- die individuelle Diskussion über Noten Mitte und Ende
sichten, die wir aus dem STRIMS-Projekt gewonnen haben. jedes Semesters/Halbjahres.
Diese Einsichten bestimmen fortan meine Arbeit als Lehre-
rin und als Lehreraus- und -fortbildnerin. Da die meiste Arbeit in den Gruppen stattfindet, kann die
Lehrperson sich auf diejenigen Gruppen konzen-
1. Der Frontalunterricht wird durch die sichtbare Verände- trieren, die Hilfe brauchen. Das ist besonders
rung der Möblierung im Klassenzimmer abgebaut. Die in großen Klassen günstig, wo man im
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LESEWEGE
Wählen, was man lesen will,
von SUSY KELLER und überlegen, wie man lesen soll
MARUSKA MARIOTTA
Für Heft 7 von „Fremdsprache Die beiden Autorinnen aus der Vorlieben und Stärken freien
Deutsch“ schrieben wir einen Lauf lassen und einfach das
Beitrag mit dem Titel „Der Schweiz präsentieren selbstentwickel- bearbeiten, was er bzw. sie mag
Traum vom autonomen Ler- und kann. Dabei wird geübt und
nen“. Damals ging es darum, te Materialien, mit denen die Lernen- nach Lösungen gesucht, aber es
wie man den Lernenden einen darf genauso kreiert, gestaltet
Weg zum selbständigen Aus- den immer selbständiger verschiede- und experimentiert werden,
wählen und Verstehen von Hör- denn nur was man selbst aus-
texten1 zeigen kann. In diesem ne Lesetexte wie Krimis, Märchen, Zei- probiert, auch wenn man ab und
Beitrag nun möchten wir unse- zu darüber stolpert und Rück-
re Aufmerksamkeit auf eine tungstexte und viele andere erschlies- schläge erlebt, hinterlässt auch
andere Fertigkeit, auf das Lesen, wirklich brauchbare und unaus-
richten. sen können. löschliche Spuren.
„Lesewege“2 ist der Titel
unseres Beitrags. Warum „Wege“? Weil wir den Lernenden
„Wege“ anbieten wollen, die sie gehen können. Unter-
Was wird benötigt?
schiedliche Wege, eigene Wege, überlegte, möglichst ein- Die Arbeitsblätter zwingen den Lernenden keine Texte auf,
trägliche, leichte, kurze, richtige, doch manchmal auch sondern geben ihnen vielmehr die Möglichkeit, sich selbst
schwere, lange und gar falsche, die sie dann aber oft auf die einen Text auszusuchen, der dem eigenen Sprachkönnen
für sie zugeschnittene und richtige Fährte führen. entspricht und ihm (oder ihr) natürlich auch vom Inhalt
her zusagt. Die Arbeitsblätter sind nämlich so konzipiert,
dass ihr Einsatz beliebig oft und innerhalb eines Themen-
Was wird angestrebt? kreises unabhängig von einem spezifischen Text möglich ist.
Der Grundgedanke ist das Lernen lernen. Die Lernenden wer- Kurz gesagt: Sie sind nicht textgebunden, sondern absolut
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den aufgefordert, ihren eigenen Lernprozess zu überblicken, offen, im Gegensatz zu herkömmlichen Arbeitsblättern. Die
Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen, Themen umfassen Kurzgeschichten unterschiedlicher Art wie
neue Lerntechniken zu entwickeln und nach Bedarf einzu- Krimis und Märchen; Zeitungstexte mit Sparten wie Sport,
setzen, die eigenen Lernfortschritte einzuschätzen und zu Wetter und Werbung; Rezepte.
bewerten. Sie sollen also die Möglichkeit haben, den eigenen
Lernweg, in diesem Falle „Leseweg“, zu gehen, ohne dass Beim Lernen (und Leben) im Zielsprachenland können
ihnen jemand vorschreibt, wie sie gehen müssen. Jeder und die Lernenden ohne allzu grosse Mühe authentische Mate-
jede soll den eigenen Rhythmus bestimmen, den eigenen rialien finden, und sie sollen auch aufgefordert werden, die-
se mit in die Klasse zu bringen, ganz im Sinne der „pédago-
gie de la négociation“ und ihrer Ziele (siehe dazu den Bei-
Schülerkommentare trag von C. Nodari auf S. 7). Damit erweitert man nicht nur
das Angebot von Texten, die die Lernenden auch tatsächlich
„Mit dieser Lernerfahrung habe ich andere Arbeitsmöglichkeiten ansprechen. Ein weiterer Faktor spielt bei diesen „Verhand-
kennen gelernt; ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen!“ lungen“ eine zentrale Rolle: Die Lernenden werden sich ihrer
„Ich finde korrekt, dass der Lehrer sich nicht einmischt, sonst würde Mitverantwortung bei der Suche und der Wahl der Lesetexte
ich mich wieder verpflichtet fühlen, anders vorzugehen. Ich könnte bewusst und nehmen somit eine neue Rolle im Lerngesche-
dann auch nicht sagen, dass ich alles selber gelöst habe.“ hen ein. Bei anderen Themen, speziell bei den literarischen,
ist es hingegen unumgänglich, dass man den Lernenden
„Autonomie = Freude haben, allein ans Ziel zu kommen und sich eine Auswahl von Texten zur Verfügung stellt, aus der sie
selbst zu evaluieren.“ dann selbst wählen sollen.
„Die Arbeit mit aktuellen Themen ist für uns Jugendliche attraktiver
und interessanter, deswegen arbeiten wir auch intensiver.“ Wie kann man vorgehen?
„Ich finde gut, dass es für jedes Thema verschiedene Schwierigkeits- Die Lernenden müssen ausführlich in die neue Arbeitsweise
stufen gibt, so kann jeder frei und nach seinen Bedürfnissen wählen.“ eingeführt und über die globalen Lernziele informiert wer-
den. Sie müssen wissen, dass sie viel mehr Eigenverantwor-
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Mit welcher Stufe soll man Wie wird das Thema ausgewählt?
anfangen? • Die Lehrperson stellt der Klasse die angebotenen Themen vor.
• Die Lehrperson erklärt die Merkmale der • Die Lernenden treffen von sich aus, je nach den eigenen Interessen,
verschiedenen Stufen. die Wahl. Oder:
• Die Lehrperson kann eventuell mit der Klas- • Die Lernenden besprechen die Themen zuerst untereinander und
se ein Beispiel als Modell für den Schwie- mit der Lehrperson und wählen danach aus.
rigkeitsgrad durchspielen.
• Die Lernenden schätzen ihr Können ein
und wählen dementsprechend die Stufe.
• Die Lernenden wählen einen anderen gibt es eine Evaluationsphase, bei der überlegt werden soll,
Schwierigkeitsgrad, falls sie sich unter- oder wie weit bisherige Lesegewohnheiten, bereits vorhandene
überschätzt haben. Sprachkenntnisse und Vorkenntnisse über Autoren und Wer-
ke beim Deutschlesen helfen. Auch soll der Leser/Lerner beur-
teilen, ob ihm die Lektüre von Romanen, Krimis oder eher
von Märchen und anderen Kurzerzählungen zusagt.
tung haben als bei herkömmlichen Arbeitsverfahren und dass Das zweite Paket (Lernstufe 2) finden Sie auf der folgen-
sie Entscheidungen auf sich nehmen müssen, die unter- den Doppelseite komplett abgedruckt. Die Aufgaben auf den
richtsrelevant sind. So werden sie nicht nur die Lernziele fest- vier Arbeitsblättern stellen eine Art Raster dar (man könnte
legen, sondern auch die Auswahl des Materials, mit dem sie auch „Schablone“ sagen), mit dessen Hilfe die Lerner/Leser
üben wollen, von sich aus treffen und über das „Was-wo- jede weitere Kriminalgeschichte selbständig erarbeiten kön-
wann-wie oft-wie schwierig“ selbst entscheiden. Die Lernen- nen. Am besten Sie probieren es selber einmal aus.
den selbst beurteilen die Qualität ihrer Arbeitsweise und nicht
die Lehrperson. Deshalb müssen sie bei der Evaluation der Hier noch einige Anmerkungen zur Evaluationphase, die
Arbeitsresultate auch bereit sein, mit sich selber ehrlich und jedes Paket mit einer Reflexion des Lernprozesses abschliesst.
selbstkritisch umzugehen. Damit bekommen die Lernenden die Möglichkeit, ihre Lern-
Und die Lehrerinnen und Lehrer? Kommen sie sich da fortschritte und ihre Arbeitsweise zu überprüfen, zu verbali-
nicht fast als unnötiger und vielleicht gar unerwünschter sieren und zu erkennen, wo Schwierigkeiten bzw. positive
Ballast vor? Lernergebnisse zu verzeichnen sind. Um die Lernenden in
Absolut nicht, aber auch ihre Rolle verändert sich. Sie diesem äusserst wichtigen Arbeitsabschnitt nicht mit sprach-
müssen bereit sein, ihre dirigierende Dominanz abzulegen, lichen Problemen zu belasten, sind die Anweisungen in der
um statt dessen eine Funktion wahrzunehmen, bei der sie Muttersprache gehalten (eine deutsche Übersetzung finden
die Lernenden in ihrem autonomen Wissens- und Könnens- Sie auf S. 65). Die Reflexionsphase soll es den Lernenden
erwerb anregen, unterstützen und, wenn nötig, ihnen auch ermöglichen, sich die angewandten Lernstrategien bewusst
helfen. Die Lehrperson wird demnach Berater, Organisator, zu machen: Bestimmte Aussagen werden vorgegeben, denen
Assistent und Diskussionspartner: eine unerlässliche und viel- die Lernenden je nach Selbsteinschätzung Punkte zuteilen.
fältige Präsenz. Am Ende zeigt die Gesamtzahl der Punkte jedem Einzelnen,
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Man spricht in diesem Fall von ’blinden‘ (Bimmel Einen bewussteren Umgang mit dem Problem – und
1993, 8) oder besser: ’unreflektierten‘ Strategieanwendun- damit auch einen erhöhten ’Transferwert‘ enthält die Akti-
gen, die nur selten zu einer bewussten, dauerhaften Förde- vität in Beispiel 2.
rung selbstgesteuerten Lernverhaltens beitragen.
Bei der Förderung von Lernerautonomie ist wichtig, dass
die neuen Verfahren und Überlegungen auch wirklich durch-
gespielt und ’geübt‘ werden. Ein bloßes Vermitteln von Infor-
Wörter nach Kategorien ordnen mationen und der ’Appell zum Nachmachen‘ reichen nicht
aus. Die provokative These, dass im Fremdsprachenunterricht
a Ordne die Wörter in drei Kategorien. – und vielleicht im Unterricht generell – nicht genug geübt
Gib jeder Kategorie einen Namen. wird, trifft auch die Bemühungen um die Autonomie der Ler-
Äpfel, Blumenkohl, Zwiebeln, Kirschen, nenden.
Trauben, Schweinekotelett, Gurken,
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Forderungen an Lehrmaterialien
Aus den vorangegangenen Überlegungen ergibt sich die For-
derung an Lehrmaterialien, einerseits Ansätze mit explizitem
Trainingscharakter anzubieten und andererseits ausreichen-
de Übungsangebote in das Lernmaterialien zu integrieren.
Im Folgenden sollen einige Beispiele zur Vermittlung und
zum Üben von Lernerautonomie in Lehrwerken vorgestellt
werden.
1. Allgemeine Strategien
Neben den fertigkeitsbezogenen Techniken (Hör-/Lesestrate-
gien …), die neben den mittlerweile ebenfalls relativ weit
verbreiteten Gedächtnisstrategien (Mnemotechniken) in vie-
len neueren Lehrmaterialien schon thematisiert sind, ist
auch der Bereich der methodischen Kompetenz wichtig, der
die Entwicklung eines positiven Lernverhaltens indirekt
unterstützen kann (Stützstrategien). Befragungen von Schü-
lerinnen und Schülern zeigen beispielsweise, dass nur ein
sehr geringer Teil von ihnen die eigene Lernzeit so einteilen
kann, dass sie z. B. bei Klassenarbeiten nicht unter Druck
geraten, ganz zu schweigen von Techniken, wie sie zum Bei-
Beispiel 5, aus: sowieso 1, Arbeitsbuch S. 82. spiel schriftliche Produkte in eine ansprechende, sinnvoll
gegliederte und markierte Form bringen können, was neben
einer verbesserten Optik auch positive Auswirkungen auf
Beispiel 6, aus: sowieso 1, Kursbuch, S. 103. Motivation und Behaltenseffekte haben kann. Solche ’Ver-
haltenstechniken‘ sind oft – im Gegensatz zu den soge-
nannten mentalen Veränderungen im Denken der Lernen-
den – leicht beobachtbar, da sich mögliche Veränderungen
auch von den Lernenden selbst leicht messen und kontrol-
lieren lassen. Auch hier darf es nicht nur bei der ’Vorstellung‘
von Techniken bleiben. Anregungen zum Nachdenken über
das eigene ’Lernverhalten‘ sollten immer wieder neben den
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Zur Lerntechnik
• Wie oft übst du mit dieser Lerntechnik?
l 1mal pro Woche
l 2mal pro Woche
l 3mal pro Woche
• Findest du diese Lerntechnik gut?
l ja l nein
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Schlussfolgerung
Zum Schluss noch einige Hinweise für das Erstellen von Lehr-
material zur Unterstützung und zur Förderung von Lerner-
autonomie.
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nal. Deutsch als Fremdsprache für Jugendliche und Erwachsene. Beispiel 10, aus: Sichtwechsel neu 1, S. 90: Kennenlernen des eigenen
Lehr- und Arbeitsbuch. München: Klett Edition Deutsch 1995. Lerntyps.
LERNBERATUNG: Lerntypen
Es gibt verschiedene Lerntypen. Einige Menschen lernen am besten im Zusammenhang mit Bildern (visueller Lerntyp), andere
über das Hören (auditiv imitativer Lerntyp). Dann gibt es Lernende, die sich Kontexte herstellen müssen, oder Lernende, die
analytisch vorgehen (Systematiker). Um effizienter lernen zu können, ist es also sehr nützlich zu wissen, ob man eher zu dem
einen oder dem anderen Lerntyp gehört.
1. Stellen Sie fest, was für ein Lerntyp Sie sind:
– Jeder schreibt 30 konkrete Begriffe auf und diktiert sie einem Partner. Dieser notiert zu jedem Wort eine spontane
Assoziation.
– Anschließend sortiert jeder seine eigenen Assoziationswörter nach den Kriterien: Sehen, Hören, Fühlen,
Riechen/Schmecken, Kontexte (Situationen), Kategorisieren.
Jedes Wort wird nur einmal zugeordnet.
2. Überlegen Sie: Wie könnte ich meine Art, die Dinge wahrzunehmen, für mein Lernen nutzbar machen?
Zum Beispiel:
– Ich bin ein eher visueller Typ: Wichtiges farbig markieren!
– Ich bin ein eher systematischer Typ: Wörterlisten nicht alphabetisch ordnen, sondern nach einem logischen Prinzip!
Die wenigsten Menschen allerdings lernen nur über einen „Kanal“. Wenn man mehrere Kanäle kombiniert (visuelle und auditi-
ve Hilfen) und das zu lernende Material systematisiert, behält man am besten.
Grundsätzlich gilt für jeden Lerntyp, dass man Dinge, die in einem persönlich sinnvollen Zusammenhang stehen, besser behält.
Tauschen Sie sich in der Gruppe aus, was für Tricks, „Eselsbrücken“ und Hilfen jeder benutzt, um besser zu lernen und zu
behalten. Probieren Sie aus, welche Methoden für Sie am besten geeignet sind, und wenden Sie sie systematisch an.
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Baumert, J.: Lernstrategien, motivationale Orientierung und Selbst- Nodari, Claudio: Perspektiven einer neuen Lehrwerkkultur. Pädago-
wirksamkeitsüberzeugungen im Kontext schulischen Lernens. In: gische Lehrziele im Fremdsprachenunterricht als Problem der
UNTERRICHTSWISSENSCHAFT H. 4/1993, S. 327–354. Lehrwerkgestaltung. Aarau: Verlag Sauerländer 1995.
Bimmel, Peter: Lernstrategien im Deutschunterricht. In: FREMD- Riley, Philip : From Self-Access to Self-Direction. In: Coleman, J.A.,
SPRACHE DEUTSCH H. 1/1993, S. 4–11. Towell, R. (Hrsg.): The Advanced Laguage Learner. London 1987.
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DEUTSCH LERNEN
MIT DEM WWW:
von BRUNO FRISCHHERZ
und PETER LENZ
10 LERNIDEEN
Vor rund drei Jahren steckte det, wenn die Lernenden alle
das World Wide Web (WWW) Mit diesem Beitrag bieten wir Ihnen Lösungen gefunden haben oder
noch in den Kinderschuhen Kästen mit WWW-Adressen, die wenn sie aus den gesammelten
und war kaum bekannt. für Deutschlehrerinnen und Deutsch- Informationen ein Lösungswort
Damals hätte wohl niemand lehrer interessant sein dürften. oder einen Lösungssatz bilden
geglaubt, dass das Internet können. Info-Jagden können
Damit Sie die Adressen nicht von
jemals ernsthaft zum Deutsch- durchaus auch von Lernenden
Hand eintippen müssen, können
lernen gebraucht werden könn- für andere Lernende zusam-
Sie mit Ihrem WWW-Browser unsere
te: Es war unanschaulich, den mengestellt werden.
Eingeweihten vorbehalten, und Seite http://www.unifr.ch/ids/call/
die Umgangssprache der Benut- fd-links.html besuchen und von 3. Shopping
zer war fast ausschließlich Eng- dort aus ganz einfach mit der Maus Die Lernenden erhalten für die-
lisch. In der Zwischenzeit hat die gewünschten Verbindungen se Aufgabe eine Einkaufsliste,
sich das WWW explosionsartig anklicken. mit der sie in deutschsprachi-
ausgebreitet – und ist dabei Probieren Sie die eine oder andere gen Geschäften (oder Malls) im
mehrsprachig geworden, natür- Adresse aus. Sie werden überrascht Netz auf Einkaufstour gehen.
lich spricht es auch Deutsch. sein, was Sie dort alles finden. Für jeden Artikel notieren sie
sich Einkaufsort, genaue Pro-
Das deutschsprachige WWW duktbezeichnung und Preis.
ist heute eine reichhaltige Quel- Zum Schluss werden Produkte
le für authentisches Deutsch und für landeskundliches Wis- und Preise verglichen. Wer hat wo die besten „Schnäppchen“
sen über die deutschsprachigen Länder. Mit Hilfe von geeig- gemacht?
neten Aufgabenstellungen kann es auch zum Deutschlernen
4. Radio- oder Fernsehabend
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Deutschsprachige Medien
Sammlungen von Medien-Links:
German Online Kiosk (Presseerzeugnisse,
auch Fachzeitschriften, nicht nur deutschsprachig)
( http://www.gok.de
Deutschsprachige Zeitungen bzw. Zeitschriften im Internet
(umfassender, sinnvoll gegliederter Index der Duke University)
( http://www.duke.edu/~cgv/library/
Deutschsprachige Seiten des Instituts für deutsche Sprache,
Freiburg/CH – Links zu deutschsprachigen Ressourcen,
u.a. auch zu Radio- und TV-Stationen)
( http://www.unifr.ch/ids/www-daf.html
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OFFENES LERNEN –
von UTE RAMPILLON AUCH IN DER
1. Über das LEHRERFORTBILDUNG?
Lernen Die Autorin gewährt uns hier einen Wenn wir Lernende jedoch
Wer kennt sie nicht, die Proble- nicht als defizitär verstehen
me, die immer wieder in Fort- Blick in eine ihrer Fortbildungs- wollen, sondern eher den schon
bildungsveranstaltungen auf- angedeuteten emanzipatori-
treten: Die Teilnehmenden zei- veranstaltungen. Sie zeigt uns, wie schen Standpunkt einnehmen,
gen die vielfältigsten Verhal- so wissen wir – auch durch
tens- und Lernweisen (siehe Form und Thema der Lehrveran- neuere Berichte aus der Lern-
Abb. 1), die in einem Seminar psychologie – dass Lernen nicht
für sie selber, für die übrigen staltung übereinstimmen, so dass die einfach dadurch zustande
Lernenden und die Seminarlei- kommt, dass von dritter Seite
tung manchmal zu Schwierig- Teilnehmenden nicht nur über „offe- Lernanforderungen an die Ler-
keiten führen können. nenden gestellt werden. Lernan-
nes Lernen“ reden, sondern vor allem forderungen sind nämlich nicht
In traditionell geführten Ver- gleich Lernhandlungen. Erst
anstaltungen müssen sich die selbst auch „offenes Lernen“ erleben. wenn die Lernenden bereit sind,
Seminarleiterinnen und -leiter die Lernanforderungen bewusst
immer wieder fragen, wie sie auch als Lernanstrengung
diese unterschiedlichen Haltungen, die verschiedenen Tem- anzunehmen, sie an sich heranzulassen, kann erfolgreiches
peramente so aufeinander abstimmen können, dass gemein- Lernen stattfinden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die
sames Lernen möglich ist. Frontale Unterrichtsformen erfor- Lernenden einsehen, wo es für sie etwas zu lernen gibt
dern eine solche Anpassung, und somit entstehen bereits (Holzkamp 184 f.) und dass es sich für sie lohnt, dieses oder
Zwänge für die Lernenden, ehe der eigentliche Lernprozess jenes zu lernen. Das Gewinnen von Bedeutungszusammen-
überhaupt beginnt. Unterricht und Lernen werden daher hängen, die Entfaltung der persönlichen Lebensqualität,
rasch als etwas verstan- erweiterte Handlungsspielräume – dieses wären Beispiele für
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den, das man im gün- Lerngründe, die von Lernsubjekt zu Lernsubjekt andere Aus-
stigen Falle als Er- prägungen haben und die bei Erwachsenen besonders hete-
k u n dige der K wachsener hinter sich rogen sind.
ach o n sument
der S der Un hat oder schnell hinter
sichere
sich bringen will. Wenn Die Grunderfahrung von Fremdbestimmtheit, die viele seit
r
der Abschweife nde der Skeptike sich Erwachsene ge- ihrer Schulzeit verinnerlicht haben, bedarf der Veränderung.
der Ag der Clown ner
zwungen sehen, wieder Andere Lernmöglichkeiten müssen gegeben werden, um ein
gressi -Red
ve V i e l auf verschulte Weise zu
iker der lernen, dann erscheint
y n am der Streibare
p e nd d e r ihnen dieses oft wie ein
p Vor
der
Gru lern
e r ,Drücken der Schul- Offene Lernangebote
der Schüchterne
bank‘, ein Rückfall in fördern die Lernbereitschaft
eine längst überwunden und vermindern Stress.
geglaubte Phase der
Abbildung 1 Abhängigkeit und Unselbständigkeit (Holzkamp 1993). Dass
Lernen aber – ganz im Gegenteil – eine Form von Selbst-
ändigkeit, von Emanzipation und Ausdruck des eigenen individualisiertes Lernen zuzulassen. Offene Lernangebote
Lebensinteresses sein könnte, scheint im allgemeinen Lern- bieten z. B. eine gute Chance, diese Lernbereitschaft zu för-
verständnis oft nicht mehr gesehen zu werden. dern und individuelle Ausprägungen der Lernenden zu
berücksichtigen. Durch sie kann die Lernbereitschaft des Ein-
Das generelle Verständnis Erwachsener vom Lernen ist zelnen, das Einlassen auf die Lernprozesse vergrößert wer-
also recht heterogen: den und es kann eine individuelle Abstimmung auf die per-
sönlichen Lernbedürfnisse stattfinden. Der Lernende fühlt
Lernen als Zumutung Lernen als Lebensmöglichkeit sich als Individuum ernst genommen und das Entstehen von
Eingeständnis von Defiziten Lernen als Lebensqualität Leistungsstress, von Gruppendruck u.a.m. kann eingedämmt
werden.
44 Autonomes Lernen
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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Offene Lernsituationen
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erfordern Mut und Vertrau- Or onsen
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Geplantes Programm
14.00 Uhr Begrüßung und Erfahrungen, die unverzichtbar sind für die Einschät-
Begründung des Themas und der geplanten zung ihrer didaktischen und methodischen Entscheidungen
Methoden und deren Einfluss auf das Lernen der Schülerinnen und
Vereinbarung des Programms Schüler. Zwar lassen sich grundsätzlich Themen wie „Offe-
14.15 Uhr Offenes Fremdsprachenlernen ner Fremdsprachenunterricht“ oder „Lerntechniken und
(Kurzreferat) Lernstrategien beim Fremdsprachenlernen“ auch nur theo-
Verschiedene Möglichkeiten und Grade der Öff- retisch und rein kognitiv bearbeiten, eine wirkliche Durch-
nung des Unterrichts werden beschrieben und dringung der Problematik ist jedoch erst möglich, wenn die
mit Beispielen belegt. Unter anderen Prozesse, um die es geht, nicht nur besprochen werden, son-
Formen wird auch das Stationenlernen bespro- dern wenn erfahren werden kann, dass sich ein so veränder-
chen, das im Mittelpunkt der Veranstaltung ste- tes Lernen ganzheitlich auf verschiedensten Ebenen abspielt
hen soll. und dass neben dem Verstand auch physische Reaktionen,
Affekte und auch alle fünf Sinne eine wichtige Rolle spielen.
14.35 Uhr Arbeit an Lernstationen zum Thema ,Lerntechni-
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46 Redewendungen
Autonomes Lernen
und Sprichwörter
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Reihenfolge?
Kontrolle gemacht?
aufgeräumt?
fertig?
Die Aktivitäten der Teilnehmenden bezogen sich stets auf
drei verschiedene Bereiche: einmal auf den thematisch-
inhaltlichen Bereich (Lernen lernen), ein anderes Mal auf
den prozeduralen Bereich (Stationenlernen als Lernform)
und schließlich auf den unterrichtlichen Bereich (Umset-
zungsmöglichkeiten im Unterricht Deutsch als Fremdspra- 1. Stationen, die Sie bearbeiten sollten:
che).
Station 1: Lernertypen
Die Auswertung der Arbeit der Teilnehmenden sollte im Station 2: Lehrermeinungen
günstigeren Falle deutlich länger als in diesem konkreten Station 3: Wer bin ich?
Seminar sein, da hier wesentliche festigende und weiter-
Station 4: Was sind Lerntechniken
führende Lernschritte angesiedelt sind. Von wesentlicher eigentlich?
Bedeutung ist der letzte Schritt, in dem es um die individu-
elle Weiterarbeit am Thema geht, und durch den die Arbeit Station 5: Lerntechniken – wozu?
im Seminar in den Berufsalltag der Teilnehmerinnen und Station 6: Der „gute“ Fremdsprachen-
Teilnehmer überführt werden soll. schüler
Station 7: Freier Erfahrungsaustausch
Tatsächlich erhielt ich nach diesem Seminar die erhoffte zum Thema ,Lerntechniken‘
Rückmeldung: Eine Teilnehmerin schrieb mir einige Wochen Station 8: Lernen mit Vokabelkartei
später und berichtete von ihrem Versuch in einer elften Klas-
se, in der sie nach dem Modell des Seminars ihren Unterricht Station 9: Fragebogen/Lerntechniken
verändert hatte. Ihr eigenes Urteil wie auch das der Schüle- Station 10: Lerntipps/Klassenarbeit
rinnen und Schüler war so positiv, dass sie sofort einen wei-
teren Versuch in einer achten Klasse anfügte.
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Kontrolle gemacht?
aufgeräumt?
fertig?
Vereinbarung
Vereinbarung
Nicht mehr Material
einsammeln als nötig.
An der Station auf andere zur
Am Büchertisch herumstöbern.
Gruppenbildung warten.
Mit dem Fotoapparat ein Bild
von unserer Arbeit machen.
Den gegebenen Zeitrahmen
Über Ihre Lernerfahrungen beim
einhalten.
Stationenlernen nachdenken,
Notizen dazu machen und sich mit
anderen darüber austauschen.
Beim Glockenzeichen
Die Ergebnisse aus den verschie-
zum Plenum zurückgehen.
denen Lernstationen ansehen.
Evtl. Notizen machen.
(Teil-)Ergebnisse für andere
Perspektiven für Ihre Weiterarbeit
präsentieren.
am Thema entwickeln.
???
Arbeitsmaterial zurücklegen
Abbildung 5 Abbildung 4
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Literaturverzeichnis:
Klaus Holzkamp: Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung.
New York, Frankfurt: Campus 1993.
Ursula M.Holzer/Ursula J. Eigenschink-Holzer: Miteinander besser
lernen. Handbuch für Trainer und Lehrende. Bremen: GABAL 1994.
Ute Rampillon : Autonomes Lernen im Fremdsprachenunterricht –
ein Widerspruch in sich oder eine neue Perspektive? In: DIE NEUE-
REN SPRACHEN, H. 5/1994, S. 455–466.
Station 5:
Lerntechniken – wozu eigentlich
Benötigte Zeit: 15’–20’
Arbeitsform: einzeln und Gruppe
Gruppengröße: 4–8 Personen
Sicherlich kennen Sie eine Menge guter Gründe, um im Unterricht Techniken zum Lernen fremder
Sprachen zu thematisieren. Um auch andere, z.B. Mitglieder der fremdsprachlichen Fachgruppe einer
Schule, davon zu überzeugen, ist es gut, möglichst viele Argumente zu haben.
1. Arbeiten Sie bitte mit 4–8 Kolleginnen und Kollegen in diesem Seminar zusammen. Tragen Sie als
erstes mitten auf einen leeren, möglichst großen (ideal: 120 cm x 120 cm) Papierbogen mit großen
Buchstaben deutlich die Frage ein:
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Notieren Sie alle gleichzeitig in einem „stummen Schreibgespräch“ mit dicken Filzstiften alles, was
Ihnen zur Beantwortung der Frage in den Sinn kommt, gleichgültig, ob es sich um gewichtige Argu-
mente handelt oder lediglich um „Gedankenblitze“. Setzen Sie sich während des Schreibens nicht hin,
sondern gehen Sie um das Blatt herum und lesen Sie, was die anderen inzwischen geschrieben haben.
Sie dürfen auch weitere, neue Gedanken ergänzen; auf die Menge kommt es an! Kommentieren Sie
die Stichworte der anderen und tragen Sie vielleicht auch Zeichen und Symbole ein, wie z. B.
oder oder .
2. Wenn wirklich niemandem mehr etwas einfällt, dann ist die Sammelphase beendet. Hängen Sie das
Ergebnis nun als Poster in den Seminarraum. Tragen Sie in ihrem Arbeitsplan ein, welche Aufgabe Sie
erledigt haben, und wenn Sie mögen und noch Zeit verbleibt, wählen Sie sich eine weitere Lernstation
zum offenen Lernen aus.
Abbildung 6
48 Autonomes Lernen
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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Autonomes Lernen, wie es hier im Heft beschrieben wird, geht davon aus, daß LERNEN eine nicht nur durch LEH-
REN gesteuerte, sondern eigenen Gesetzlichkeiten folgende Tätigkeit ist. Der Gebrauch von Begriffen wie „Lernziel“
(von den Lehrplanern oder Lehrenden formuliert und festgesetzt) täuscht über diese grundsätzliche Unterschied-
lichkeit oft hinweg (gemeint ist damit meist das „Lehrziel“). Das aktuelle Fachlexikon versucht, diesen unter-
schiedlichen Blick auf Unterricht aus der Perspektive der LERNENDEN bzw. LEHRENDEN anhand einer präziseren
Fassung der Begriffe noch einmal zu verdeutlichen.
Lernen Lehren
„Unter Lernen wird in der Psychologie und ihren Nach- Mit Lehren bezeichnet man „die Gesamtheit der Aktio-
bardisziplinen ein internal ablaufender, nicht beo- nen, die in der Absicht unternommen werden, das Ler-
bachtbarer Prozess der Änderung von Persönlichkeitsei- nen von Menschen zu steuern“.
genschaften verstanden.“ (Doyé1, 1989)
Lernziel Lehrziele
„Lernziele sind Ziele, die sich Menschen für ihr eigenes „Lehrziele sind Ziele, die Menschen bei der Steuerung
Lernen setzen.“ Ideal ist es, wenn die Lernziele abge- des Lernens anderer intendieren.“ Ideal ist es, wenn die
stimmt werden mit den gegebenen Lehrzielen. Auf jeden Ziele der Lehrenden und die Ziele der Lernenden iden-
Fall sollten Lernziele explizit formuliert werden. tisch sind. In der Praxis ist dies aber meist nicht der Fall.
Um so wichtiger erscheint es, im Lehr-/Lernprozess die
Ziele konsequent offen zu legen und die erreichten
Resultate mit den gesetzten Zielen zu vergleichen.
Lernplan Lehrplan
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Ein Lernplan ist ein Plan, den die Lernenden für sich Mit Lehrplänen werden in der Regel institutionelle Vor-
selbst (individueller Lernplan) oder mit anderen (Lern- gaben der Schulbehörden gemeint. Aber auch Lehrper-
plan der Gruppe) erstellen. Im Lernplan werden min- sonen erstellen durch ihre Unterrichtsvorbereitung Lehr-
destens die Lernziele, die Lerninhalte, die Methoden, der pläne (oder Unterrichtspläne), die auf bewussten didak-
Zeitrahmen und die Überprüfung der Resultate festge- tischen Entscheidungen beruhen. Zu einem nicht ver-
halten. nachlässigbaren Teil werden diese Entscheidungen auch
durch unbewusste Kriterien beeinflusst (Werte, Einstel-
lungen, Überzeugungswissen).
Lernmittel Lehrmittel
Lernmittel sind Arbeitsmaterialien, die vom Lernenden Lehrmittel sind Arbeitsmaterialien, die mit der Absicht
gewählt werden und keine didaktische Intentionen ver- erstellt wurden, einen bestimmten Lehr-/Lernprozess zu
folgen. Dies können Wörterbücher, Zeitungen, Sach- steuern und zu unterstützen. Im Lehrmittel sind die
bücher, Videos, Internet usw. sein Lehrziele, die Inhalte und mögliche Vorgehensweisen
weitgehend vorgegeben.
CLAUDIO NODARI
Literaturhinweis:
1 Alle Zitate aus: Doyé, Peter: Lehr- und Lernziele. In: Bausch et. al. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Fran-
ke Verlag 1989, S. 126-131.
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AUTONOMIE IN DER
LEHRPERSONENFORTBILDUNG
von BEDA KÜNZLE, MARTIN MÜLLER, MARTIN THURNHERR,
LUKAS WERTENSCHLAG
50 Autonomes Lernen
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tionsinstrument sein will, sondern den Lernenden die Mög- „Wollen“ gelangen und dabei sich, die anderen und die
lichkeit einer besseren „Bildungsplanung“ gibt. verschiedenen Realitäten klarer wahrnehmen. Dazu
1989 erschien auf Deutsch der Sammelband „Autonomes gehört auch, die fachliche und persönliche Kompetenz
und partnerschaftliches Lernen“4 mit Modellen und Beispie- zu improvisieren wie eine Schauspielerin oder ein Jazz-
len aus dem Fremdsprachenunterricht. Die Beiträge behan- Musiker.
delten vor allem folgende Anwendungsfelder der Autonomie:
Lernerautonomie – Autonomie als Vision und Utopie – Auto- P Autonomie ist Voraussetzung und Ziel zu-
nomiefördernder Unterricht – Materialien zur Autonomie – gleich. Voraussetzung ist, dass die Beteiligten
Selbstlernzentren – Partnerschaftliches, selbstbestimmtes freiwillig teilnehmen, weil sie für ihre Praxis
Lernen (z. B. Tandem). Neues ausprobieren wollen. Ziele der Auto-
Auffallend ist, dass erst in den letzten Jahren die Autono- nomie sind das Vertiefen der Fachkompetenz,
mie der Lehrpersonen zu einem Thema der LFB geworden das Erweitern der Selbst- und Sozialkompe-
ist: Nachdem zuerst die Lernenden „entdeckt“ wurden, fällt tenz im Bewusstsein, die Zukunft der Schule,
der Blick heute verstärkt auf die Lehrpersonen und damit auf aber auch die Zukunft der Schülerinnen und
den Interaktionsprozess im Unterricht und in der Fortbil- Schüler mitzugestalten.
dung.
2. Unser Konzept
In den letzten Jahren haben wir intensiv Fortbildung in ver-
schiedenen Ländern konzipiert, durchgeführt und evaluiert.
Dadurch haben wir nicht nur unsere Sichtweisen und Model-
le weitergegeben, wir wurden auch mit verschiedenen Wel-
ten und anderen „Lern- und Lehrkonzepten“ und dadurch
auch immer wieder mit uns selbst konfrontiert. Dabei wur- Was bedeutet Autonomie
den wir in einem dauernden (Selbst-)Bildungsprozess ange-
halten, die eigenen Bilder, Vorstellungen und „Wahrheiten“ beim Lernen für Sie?
über Bildung und Weiterbildung zu überdenken und neu zu Der Grad von Autonomie, von Selbstbestimmung und Selbst-
formulieren. Als Fortbildner sind wir gemeinsam und dank verantwortung in Lernprozessen hängt von verschiedenen
der Kursteilnehmenden einen Weg in Richtung Autonomie Faktoren und deren „Gleichgewicht“ ab (siehe Abb.1). Je
der Fortbildner gegangen5. nach Gewichtung und Einfluss der verschiedenen Faktoren Abb. 1: Faktoren,
vergrössert oder verkleinert sich das Mass der möglichen die Möglichkeiten
Unseres Erachtens sind in der Lehrerfortbildung für die Autonomie sowohl einer Fortbildungsveranstaltung als auch und Bedingungen
der Autonomie
Förderung von autonomem Lernen zwei Grundsätze zu der Umsetzung im späteren Unterricht. im Fremdsprachen-
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Curriculum Auswahl
W Sich bescheiden und sich bewusst auf den Pfad der
eigenen Unzulänglichkeit einlassen ist die wichtigste LEHRPERSON LERNER/IN
ha
EI n d eln
Z
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Zweiter Teil: Nachdenken Lernprozess soll dadurch reflektiert und neu in Gang
gebracht werden. Hier empfiehlt sich die Auseinandersetzung
über die Praxis mit dem „Rad der Fehler“ aus der indianischen Philosophie,
das wir mit dem Fehlerbegriff im DUDEN konfrontieren
1. Lernen in den Köpfen der Lehrer und (siehe Abb. 2) Anhand dieser Gegenüberstellung kann der
Lehrerinnen (sozio-)kulturelle Einfluss auf die eigenen Vorstellungen und
Normen im Umfeld des Begriffes ,Lernen‘ deutlich gemacht
Eine Grundvoraussetzung für Autonomie in Aus- und Fort- werden.
bildung ist, dass die Lehrpersonen sich und ihre je eigene Art
zu lernen und zu lehren kennen lernen. Der eigene Lehr- und Das „Rad der Fehler“ ist in der indianischen Tradition die
Lernstil begünstigt die einen und benachteiligt die anderen. grundlegende Antriebskraft menschlicher Entwicklung, so-
Lehrpersonen unterrichten anders, wenn ihnen bewusst ist, mit eine der Urantriebskräfte des Lebensrades. Wer nicht
dass Unterricht das Aufeinandertreffen und Zusammenspiel mehr lernt, lebt nicht mehr. Die einzelnen Stationen auf dem
eines bestimmten Lernertyps mit vielen anderen, sehr ver- Rad charakterisieren den Entwicklungsprozess eines Men-
schiedenen Lernertypen bedeutet. schen. Dabei steht die emotionale Bereitschaft, Fehler zu
Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Instrumenten machen, immer wieder am Anfang individueller Entwick-
zur „Ermittlung“ des Lernertyps7 und die Aufarbeitung der lungsprozesse, während die Bereitschaft, aus Fehlern von und
persönlichen Lernbiografie in Fortbildungsveranstaltungen mit anderen zu lernen, Voraussetzung für gesellschaftliche
wecken das Bewusstsein des eigenen Lehr- und Lernstils sowie Veränderungsprozesse ist.
desjenigen der anderen. Dabei werden Wege für ein besseres
Lernen sichtbar, die Modelle für den Einsatz im eigenen Lernen können wir daraus: Erst wenn Lernpersonen wie-
Unterricht sein können. Spielerische Instrumente haben den der „Mut zum Fehler“ haben, können sie sich neue Lernfel-
Vorteil, dass die Lernenden nicht auf einen bestimmten Lern- der öffnen. Damit verbunden sind natürlich Instabilität, aber
typ festgelegt werden, wie das bei Lerntypentests geschieht. auch Disharmonie, Unsicherheit, Frustrationen, vielleicht
Hass oder Angst. Stabilität, Sicherheit und Harmonie aufs
2. Die Einstellung zu Fehlern – eine Spiel zu setzen, um neue Erfahrungen zu machen, verlangt
Voraussetzung für autonomes Lernen Risikobereitschaft und die Fähigkeiten, Risiken realistisch
Eine weitere Voraussetzung für die autonomiefördernde einzuschätzen und Krisen oder Spannungen auszuhalten.
Arbeit in der Fortbildung ist nach unserer Erfahrung die The- Dadurch aber wird die Autonomie der Person gefördert und
matisierung des Begriffs „Fehler“ beim Lernen. Der eigene gestärkt. Weiterbildung, die die Autonomie fördern will,
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Abb. 2,
aus: Müller, Martin
u. a.: Tag für Tag
1993/1994.
Taschenkalender
für den Deutsch-
unterricht, S. 82/83.
52 Autonomes Lernen
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zwei Ebenen. Die vertikale Ebene betrifft den Bereich des Bereitschaft
"neues" aus-
Bereitschaft, sich zu ändern
(selbst-)reflexiv
individuellen und persönlichen Wachstums, die Förderung zuprobieren
offen/flexibel
mental/kongnitiv
der Bereitschaft, etwas zu lernen. Hier liegt die Grundlage
KONSTRUKTIV
jeder Weiterentwicklung und damit die wichtigste Variable, C H
A U K E
S L
die es bei der Planung von Aus- und Weiterbildungsveran-
KONFLIKTFÄHIG REFLEKTIEREND
staltungen zu beachten gilt: Welche Aktivitäten, Steuerungs- S P
P
R
partnerschaftliche kritische Auseinan-
und Evaluationsinstrumente habe ich als Fortbildner oder U
C
Auseinandersetzung
RI
E E dersetzung mit der
Ä R
S E
mit dem ANDEREN: Z R Theorie: E N
Fortbildnerin zur Verfügung, um die Bereitschaft der Teil- H
E
– Erfahrungen machen I E – Ideen N D
in der Praxis E- N T
nehmenden, sich zu verändern und etwas Neues zu lernen, N
– Erfahrungsaustausch
D
– Modelle
– Vorbilder
I
E-
D
zu wecken, zu fördern und am Leben zu erhalten – und zwar POS. LERNKLIMA PARTNERSCHAFTLICH
E
-
über die konkrete Veranstaltung hinaus? F G
S
A H FRAGEND
R U N E
M
N
E
O Bereitschaft, U
Die Horizontale bildet die Ebene der Fremd- oder Grup- T etwas Neues zu
I
G
I persönliche
O lernen E Weiter-
penerfahrung, der Kontakt mit den andern als Austausch, N
A
R
I
entwicklung
G
P
E individuelle bottomline
ginnen einerseits und mit der theoretischen und didaktisch- R Vorwissen/ N
methodischen Fachliteratur andererseits. Auch hier stellt sich S Sozialisation U
Ö T
N L L
bei jeder Veranstaltung wieder neu die Frage, wie diese Pro- I C H E H A
zesse so in Gang gesetzt werden können, dass sie weiter wir-
ken können.
Aus der Dynamik von Theorie und Praxis in der Weiter- Abb. 3:
bildung soll sich für alle Beteiligten ein persönlicher, sozia- ne Antenne haben für die sich ändernden Bedürfnisse von Prozess lebens-
ler und fachlicher Erfahrungs- und Wissenszuwachs ergeben. Organisationen und deren Kunden. Da er meist nicht auf Vor- langen Lernens
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Die Seminarleitenden müssen bei der Gestaltung der Weiter- gefertigtes zurückgreifen kann, muss er aktuelle Themen
bildungsveranstaltung versuchen, eine „Balance“ zwischen aufgreifen und in der Lage sein, stets neu adäquate Lernzie-
all diesen Elementen zu finden. Die Teilnehmenden ihrer- le und -wege zu konzipieren und seinen „Kunden“ anzu-
seits müssen versuchen, über die Weiterbildungsveranstal- bieten. Darüber hinaus muss er fähig sein, konstruktiv mit
Kritik umzugehen, um seine Kompetenzen zu perfektionie-
DIE ERFAHRUNGSSCHAUKEL ren und seine „Produkte“ (seine Weiterbildungsangebote) zu
Bereitschaft
"neues" aus-
optimieren oder durch neue zu ersetzen.
zuprobieren
A U K E
C H L Abbildung 4 (S. 54) zeigt Punkte, die für eine weiterbil-
S
S
KONFLIKTFÄHIG
P
REFLEKTIEREND
P
R
dende Person wichtig sind. Die Grafik dient als Ausgangs-
partnerschaftliche R I kritische Auseinan- Ä
U
C
Auseinandersetzung
mit dem ANDEREN:
E E dersetzung mit der S R
Z R Theorie: E N
E punkt für die Diskussion über Kompetenzen, Fähigkeiten und
H I E – Ideen
E
N
– Erfahrungen machen
in der Praxis E- N
D
– Modelle
N D
T
I
Fertigkeiten, die Weiterbildner benötigen, um erfolgreich zu
– Erfahrungsaustausch – Vorbilder
D
POS. LERNKLIMA PARTNERSCHAFTLICH
E-
sein: Wer seine Stärken und Schwächen als Unterrichtende/r
E
R
-
F
A H G
S und Animator/in kennt, kann die Stärken bewusster einset-
R U N
persönliche
Weiter-
zen, die Schwächen ausbalancieren und sich zudem gezielt
entwicklung
weiterbilden. Die Erweiterung der Selbst- und Sozialkompe-
tung hinaus, die „Schaukel“ immer wieder in einen Schwe- tenz wird damit ein zentrales Anliegen jeder Fortbildung
bezustand zu bringen, d. h. individuelle Ungleichgewichte in sowohl für die Teilnehmenden als auch für die Fortbilden-
den verschiedenen Bereichen auszubalancieren. den selbst.
4. Profil eines Weiterbildners/einer Der Fragebogen (S. 55) kann helfen, eigene Stärken und
Weiterbildnerin Schwächen bewusst zu machen. Im Gespräch mit andern
Die Tätigkeit als Weiterbildner bzw. Weiterbildnerin verlangt ergibt sich aus der Gegenüberstellung von Selbst- und Fremd-
ein hohes Mass an Autonomie beim Lehren und Lernen. wahrnehmung ein ausbalanciertes Bild. Dieses Bild kann
Gefragt sind Fähigkeiten auf persönlicher, sozialer und fach- Grundlage sein für selbständiges Weiterlernen von Weiter-
licher Ebene: Ein Weiterbildner muss zum Beispiel eine fei- bildnern und Weiterbildnerinnen.
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt.
Pädagogischen
Instituts, Wien 1993
bildung unter dem Aspekt der Autonomie führt für uns über
den unterrichtlichen Bereich hinaus. Weiterbildung umfasst
immer persönliche, soziale, gesellschaftliche und berufliche
Aspekte. Wenn wir uns auf den beruflichen Bereich beschrän-
ken, so scheinen uns u.a. folgende Felder wichtig: 2. Phase: Gelerntes anwenden
• Schulinterne Weiterbildung,
• Leitideen einer Schule, auswählen u. ausprobieren
• Mitverantwortung für die Zukunft der Schule, Vorteile u. Nachteile aufzeigen
• „Betriebsklima“, Probleme identifizieren
• Unterrichtsreformen usw.
54 Autonomes Lernen
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Abb 6: Fragebogen
Erwachsenenbildung
Überlege: „Was kann ich gut, was kann ich noch nicht so gut und was möchte ich lernen?"
ZIEL der Überlegungen ist: Als Kursleitende/r lernen, Raum und Zeit zu schaffen für Improvisa-
tion, Autonomie und Individualität, um dadurch die Motivation, das Lernklima und den Lern-
erfolg zu optimieren
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In einer 3. Phase werden die positiven und negativen Daraus ergeben sich Fragen wie: Wie können die einen
Erfahrungen besprochen, im gemeinsamen Gespräch werden den anderen helfen? Wie entsteht ein Gleichgewicht in der
Unsicherheiten behoben, Verbesserungen erarbeitet und neue Gruppe? Helfen Spielregeln? Gemeinsam gefundene Lösun-
Ziele gesetzt. Wichtig in dieser Phase ist auch, die Vernetzung gen stärken das Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen des
der Beteiligten zu konkretisieren und Ziele für das gemein- Einzelnen und der Gruppe.
same Weiterlernen festzulegen.
Die verschiedenen Massnahmen eines Weiterbildungspro-
Mit diesem 3-Phasen-Modell versuchen wir, LFB als part- gramms müssen also ein Ganzes bilden. Sie müssen so inein-
nerschaftlichen Prozess zu gestalten. Das bedeutet, dass ander greifen, dass die Teilnehmenden ihre Autonomie
schon bei der Programmgestaltung, bei der Konzeption der Schritt für Schritt ausprobieren und ausbauen können.
einzelnen Phasen durch Vorgespräche oder Befragungen die Wünschbar für die Umsetzung, Anwendung und Weiterent-
Bedürfnisse der Teilnehmenden berücksichtigt werden. wicklung gelernter Techniken, erworbener Einstellungen
usw. ist die berufliche und institutionelle Vernetzung der
Mit einem reichen Angebot an Arbeitsformen und -instru- Beteiligten: Peer Groups, Arbeitsgruppen, Lehrer/innen-Part-
menten sollen möglichst viele Lernertypen angesprochen nerschaften usw. können der Ort sein, wo sich Initiativen ent-
werden und die Selbstreflexion und Selbstverantwortung wickeln, wo Autonomie grundlegend ist und Nachhaltigkeit
gefördert werden: Das Angebot reicht von Lerntagebuch, sichtbar wird.
Lernvertrag, Rollenspiel, Simulation, Planspiel, über Team-
Teaching bis zu den eher allgemein üblichen Formen der Anmerkungen:
Arbeit im Plenum, in Gross- und Kleingruppen. Auch die Rol- 1 Holec, H.: Autonomy and Foreign Language Learning: Strasbourg
lenverteilung kann flexibel sein. Neue Rollen können dazu 1980.
kommen, alte müssen umgeschrieben werden, z. B. können 2 Schweizer Orthographie: kein ß
Teilnehmende Verantwortung übernehmen als Animator-
3 Arbeitsgruppe „Cadre de référence pour l´évaluation en langues
(inn)en, als Dozent(inn)en oder sogar als Kursleitende. All étrangères en Suisse“ (Hrsg.): Language Portfolio (Entwurf). o.J.
dies bedingt eine flexible, ,rollierende‘ Planung, d. h. anstel-
4 Müller, M./Wertenschlag, L./Wolff, J. (Hrsg.): Autonomes und
le eines starren Programms mit festgelegten Inhalten und
partnerschaftliches Lernen. München: Langenscheidt 1989.
Arbeitsformen tritt eine Planung, welche die sich ständig
ändernden Bedürfnisse der Gruppe laufend berücksichtigt. 5 Wir danken allen Teilnehmenden an Fortbildungsveranstaltun-
gen, insbesondere den polnischen und ungarischen Deutschleh-
rer(inn)en, die uns über mehrere Jahre immer wieder angespornt
Unerlässlich für offene Planung und für partnerschaftli- haben weiterzulernen.
che Zusammenarbeit ist die systematische Evaluation zur
6 vgl. Barbara Langmaack: Themenzentrierte Interaktion. Ein-
Steuerung von Prozessen: Wo müssen Inhalte vertieft, führende Texte rund ums Dreieck. Weinheim: Psychologie-Verlag
Schwerpunkte oder Ziele neuen Bedürfnissen angepasst wer- 1991, S. 76.
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den? Wo müssen Rollen neu beschrieben werden, um die Teil- 7 Solche Instrumente finden Sie z.B. bei:
nehmenden stärker an der Steuerung des gemeinsamen Ellis, Gail/Sinclair, Barbara: Learning to Learn English. Learners
Lernprozesses zu beteiligen und zielgerichtet in die Pro- Book. Cambridge: Cambridge University Press 1989. (Welche Art
grammverantwortung einzubinden? Wo müssen Störungen Sprachlerner sind Sie?)
vorrangig thematisiert werden? Eine ständige Evaluation des – Martin Müller u.a.: Lerntypen. In: dies.: Tag für Tag 1992/1993.
Prozesses und der Ziele verhindert auch, einem hierarchi- Taschenkalender für den Deutschunterricht. Langenscheidt: Mün-
schen Modell ,Lehrperson über Lernenden, Fortbildner/in chen 1992. S.188 f. (Eignet sich für ein spielerisches „Testen“
der sinnlichen Schwerpunkte.)
über Lehrperson‘ zu verfallen.
– Wolfgang Endres/Elisabeth Bernard: So ist Lernen Klasse. Kösel
Nur ein Klima des Vertrauens und gegenseitiger Toleranz 1989. (Lernen mit Kindern, enthält einen Lerntypentest).
schafft die Bedingungen, dass alle Teilnehmenden sich auf 8 Das Modell entstand in Anlehnung an das „Rad der Fehler“ und
den Weg Richtung Autonomie einlassen. Nach unserer Erfah- an indianische Denktraditionen in einer Weiterbildungsveran-
staltung des Goethe-Instituts in München zum Thema „Brenn-
rung ist es deshalb auch hilfreich, auf unterschiedliches Ver-
punkte der Fortbildung von Fremdsprachenlehrerinnen und -leh-
halten im Plenum und in Gruppen hinzuweisen. Durch das rern“.
Thematisieren von Gegensätzen im Verhalten einzelner Teil-
9 Die schweizerische Weiterbildungszentrale (WBZ) in Luzern hat
nehmenden verstärken sich die gegenseitige Rücksichtnah- mit ihrer Sonderpublikation 1 „Weiterbildungsarena - Arène de
me und Selbstwahrnehmung. perfectionnement“ 1993 die Spannungsfelder aufgezeigt, in der
sich Lehrpersonenaus- und -fortbildung abspielt.
Zum Beispiel:
,Redner‘ ,Beobachter‘
(eher extrovertiert) (eher introvertiert)
– denken laut mit – denken für sich
– melden sich spontan – überlegen lange
– greifen ein – beobachten
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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NICHT FÜR
DIE SCHULE,
FÜR DAS LEBEN
LERNEN WIR!
men Lernformen ignoriert werden sollen (z. B. die Reform- Lernziele) skizziert Holec dann noch verschiedene Autono-
pädagogik Ende des 19. Jahrhunderts, die Montessori- mie-Experimente aus Großbritannien, Schweden und Frank-
Pädagogik oder der Ansatz von Freinet in der ersten Hälfte reich.
des 20. Jahrhunderts). Zudem werden einige wichtige Titel,
die in Fremdsprache Deutsch 1/1993 (Thema: Lernstrategi- Bertocchini, Paola/Costanzo, Edvige: Manuel
en) bereits besprochen wurden, nicht nochmals aufgeführt. d’autoformation. A l’usage des professeurs de
langues. Paris: Hachette 1989.
Mit der getroffenen Auswahl möchte ich Sie neugierig Eine ganz andere Zielrichtung hat dieser Band aus der
machen. Und diese Neugier sollte auch nicht davor Halt Reihe ’Autoformation‘: Er will Unterrichtenden für Franzö-
machen, dass manches Interessante eben nicht auf Deutsch sisch als Fremdsprache eine selbständige Möglichkeit zur
vorliegt und auch nicht immer die Fremdsprache Deutsch Weiterbildung anbieten. Die beiden Autorinnen gehen dabei
zum Thema hat. Es ist für uns Unterrichtende jedoch ganz einen interessanten Weg zwischen Theorie und Praxis,
heilsam, wenn wir uns in Fremdsprach-Situationen finden, äußerst interessant auch für Unterrichtende anderer Spra-
denen wir unsere Lernenden immer wieder aussetzen. chen. Das Buch ist in vier Teile gegliedert: 1. Situation der
Lerngruppe, 2. Fremdsprachendidaktik, 3. Praxis in der
Lerngruppe, 4. Evaluation, Analyse. Jedes Kapitel dieser
Methodische Ansätze Teile ist sehr übersichtlich gegliedert; so wird immer zu
Die folgenden Publikationen gehören zu den Standardwer- Beginn das Lernziel beschrieben und dann an einem mehr
ken des Autonomieansatzes im Fremdsprachenunterricht. oder weniger umfangreichen (Text-)Dokument darauf hin-
Am Beginn unseres Zeitraums steht eine hervorragende gearbeitet. Ganz am Schluss dann ein Selbstevaluationsbo-
Gesamtschau der bis dahin verfolgten Ansätze zum autono- gen, mit dem Unterrichtende für Fremdsprachen ihre theo-
men Sprachenlernen: retischen und praktischen Kenntnisse einschätzen können.
Die Beschäftigung mit diesem anregenden Band sollte eigent-
Holec, Henri: Autonomie et apprentissage des lich von diesem Selbstevaluationsbogen ausgehen, da beim
langues étrangères. Strasbourg: Conseil de l’Eu- Ausfüllen die Bereiche festgestellt werden können, die man
rope 1978. vertiefen will bzw. sollte.
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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Little, David: Learner Autonomy 1: Definitions, ten Beitrag die Idee des Autonomieansatzes im Fremdspra-
Issues and Problems. Dublin: Authentik 1991. chenunterricht historisch zurück. Die fruchtbarste Epoche in
diesem Jahrhundert sind die 25 Jahre nach dem Ende des
Dickinson, Leslie: Learner Autonomy 2: Learner Zweiten Weltkrieges. Die beiden Autoren machen die ver-
Training for Language Learning. Dublin: Authen- schiedenen Wurzeln deutlich:
tik 1992. E die politische Bewegung für Minderheitenrechte;
Die zwei kleinen Bändchen stehen in einem direkten E die Reaktion auf den mechanistischen Behaviorismus:
Bezug zu AUTHENTIK, auf das ich weiter unten zu sprechen Didaktischer Ansatz der Lernerzentriertheit, Linguisti-
komme. Sie richten sich in allererster Linie an Unterrich- scher Ansatz ’Sprache als Werkzeug für die Kommunika-
tende, die mit einem Autonomieansatz experimentieren wol- tion‘, humanistische und kognitive Psychologie;
len. In kurzer und prägnanter Form werden im ersten Band E das ’Modern Languages Project‘ des Europarats, welches
die Ergebnisse der Forschung zur Fremdsprachendidaktik, ursprünglich durch die sprachlichen Bedürfnisse der
zur Lehr- und Lernpsychologie und zur Linguistik des Fremd- Arbeitsmigranten inspiriert wurde;
spracherwerbs dargestellt. Abgeschlossen werden die Aus- E die technologischen Entwicklungen: Kassettenrecorder,
führungen mit praktischen Tipps für autonomiefördernde Fernsehen, Video, Computer, Fotokopierer, Fax, e-mail etc.;
Maßnahmen. Sie reichen von der Rolle der Grammatik über E die steigende Nachfrage nach Fremdsprachen, die ein
Wortschatzarbeit bis hin zu Reflexionen über die Rolle von Resultat der politischen Entwicklungen (wie EU oder
Unterrichtenden und Lernenden. UNO) war;
E das starke Ansteigen der Schüler- und Studierendenzah-
Im zweiten Bändchen steht dann die Vorbereitung der Ler- len infolge des offeneren Zugangs zur Bildung.
nenden auf selbstbestimmtes Arbeiten im Vordergrund. So
merkwürdig es klingt, häufig sind unsere Lernenden nicht Der zweite Teil des Aufsatzes beschäftigt sich dann mit den
auf autonomes Lernen vorbereitet. Dies kann verschiedene Argumenten, die gemeinhin gegen autonomiefördernde Kon-
Gründe haben, z. B. die Lernkultur, Motivation etc. Deswe- zepte vorgebracht werden. Die beiden Autoren machen deut-
gen schreibt Dickinson im Vorwort: „Learner training is not lich, dass solche Ansätze für Lernende vom Kindes- bis zum
the same thing as learner autonomy; but in most situa- Erwachsenenalter und für alle Sprachen geeignet sind, dass
tions it is essential precondition of autonomy.“ sie auch für Lernumgebungen taugen, die stark prüfungs-
Die folgenden zentralen Bereiche werden behandelt: bezogen sind und dass auch die Argumente gegen die
E Die Unabhängigkeit der Lernenden vom Unterrich- Schichtspezifik widerlegt werden konnten. Und zum Schluss
tenden sollte Ziel jedes Lernprozesses sein. Dies ist eine wird deutlich, dass der Autonomieansatz auch in sogenannt
Grundbedingung für Selbstbestimmung. ,autonomiefeindlichen‘ Lernkulturen tragen kann. Der letz-
E Die Entdeckung und das Training von Lernstrategien te Beitrag dieses Heftes beschäftigt sich gerade damit: Judy
sind eine wichtige Etappe auf dem Weg zu selbständigem, HO / David CROOKALL: Breaking with Chinese Cultural Tra-
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lebenslangem (Sprachen-)Lernen (life long learning). ditions: Learner Autonomy in English Language Teaching.
E In direktem Zusammenhang hiermit stehen der Erwerb
von Lerntechniken für den Umgang mit authentischem Im dritten Teil kommen die Autoren dann auf die ver-
Material. Dazu gehören die aus den traditionellen Ansät- schiedenen Möglichkeiten selbstbestimmten Lernens zu spre-
zen bekannten Techniken zum Globalverstehen (Lese- chen: Mediatheken, Lernertraining, Lernberatung, Material.
und Hörverstehen), aber auch Techniken zum Gebrauch Plakativ zwei Statements: Wir sollten in Zukunft nicht mehr
von Hilfsmitteln. Insgesamt dienen diese Techniken dem so sehr von Lernertypen reden, sondern eher von ver-
Ziel der Unabhängigkeit von den Unterrichtenden. schiedenen Arten des Lernens. Und: Der Lehrer sollte sei-
E Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Selbstevaluation/ ne Aufgabe stärker in der Beratung der Lernenden sehen,
Selbsteinschätzung. Auf dem Weg zu Unabhängigkeit in der Hilfestellung bei der Entwicklung ihrer Lernkom-
und Selbstbestimmung müssen die Lernenden auch in die petenz. David LITTLE verdeutlicht in seinem knappen Bei-
Lage versetzt werden, ihre Lernfortschritte richtig einzu- trag die Tatsache, dass die Entwicklung der Lernerautono-
schätzen. Neben Materialien, die dafür nützlich sind, ist mie abhängig ist von der Autonomie des Lehrers. Lehrer kön-
auch die partnerschaftliche Evaluation (zwischen zwei nen Autonomie nur dann fördern, wenn sie selbst schon in
Lernenden) hilfreich. ihrer Aus- und Weiterbildung mit solchen Ansätzen Erfah-
E Auch die verschiedenen Sozialformen spielen bei auto- rungen gemacht haben.
nomiefördernden Ansätzen eine wichtige Rolle. Einzelar-
beit, Partnerarbeit und Gruppenarbeit sollten in unter- Gleich zwei Beiträge beschäftigen sich mit den lernhem-
schiedlichem Maße eingesetzt werden können. menden Einstellungen der Lernenden, welche bisher erst sel-
ten in Bezug auf den Autonomieansatz untersucht worden
Autonomy, Self-direction and Self Access in Lan- sind: Sara COTTERAL und Mia VICTORI/Walter LOCKHART.
guage Teaching and Learning: the History of an In den beiden empirischen Studien wird überzeugend deut-
Idea. Sonderheft: SYSTEM 23/2, 1995. lich, dass die Feststellung und anschließende Veränderung
In diesem englischsprachigen Sonderheft sind eine Reihe von lernhemmenden Einstellungen zu einer sehr deutlichen
namhafter Autoren und Autorinnen versammelt. Marie-José Steigerung der Lernergebnisse mit autonomiefördernden
GREMMO/Philip RILEY verfolgen in ihrem hochinteressan- Ansätzen führt.
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Nodari, Claudio: Perspektiven einer neuen Lehr- nomie helfen kann und soll. Durch entsprechende Übungs-
werkkultur. Pädagogische Lehrziele im Fremd- angebote, (Selbst-)Evaluationsmaterialien, den expliziten
sprachenunterricht als Problem der Lehrwerkge- Einsatz von Lernstrategien und -techniken und das Anspre-
staltung. (Reihe Sprachlandschaft, 16) Aarau: chen unterschiedlicher Lernertypen können die Lernenden zu
Sauerländer 1995. den Einsichten kommen, die ihnen auch für Lernprozesse
Zum Schluss dieses ersten Teils möchte ich ein Buch vor- nach bzw. außerhalb der Schule nützlich sind. Dabei wird
stellen, welches sich hervorragend eignet, bei dieser Litera- sehr deutlich, dass dem Lehrwerk eine wichtige Rolle bei der
turbesprechung den Übergang von der Theorie zur Praxis zu Autonomieförderung zukommt.
vollziehen. Hier werden eine Vielzahl der angesprochenen
Ansätze zur Autonomie aufgearbeitet und zwar für Deutsch Die beiden letzten Kapitel rundet NODARI jeweils durch
als Fremdsprache. Auch wenn die Ausgangsüberlegungen von einen sehr lesenswerten Katalog von Prinzipien der Lehr-
NODARI sich auf die ,Situation Deutsch als Fremdsprache in werkgestaltung ab, in dem er seine Überzeugungen noch
der Westschweiz‘ beziehen, die Lektüre dieses Buches ist ein einmal zusammenfassend darstellt.
Muss für alle diejenigen (und auch andere), die sich mit der
Konzeption von Lehrmaterialien befassen. Um die Grundidee des Buches deutlich zu machen, ein
Zitat aus dem Ausblick:
„Lehrwerke sollten die weitverbreitete Meinung nicht
unterstützen, dass das Lehrwerk gleichsam die Materia-
lisierung des idealen Weges zum Fremdspracherwerb
darstelle. Lehrwerke einer neuen Lehrwerkkultur sind
diesbezüglich bescheidener. Sie zeichnen zwar mögliche
Wege vor, sie verschweigen aber nicht, dass die Lernver-
antwortung und die Suche nach dem besten Weg Sache
des Lerners mit der Unterstützung des Lehrers ist.“
(S. 225)
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wichtigen Techniken im Unterricht. Und ganz im Sinne der lernen, entsprechend ihrer individuellen Interessen und Dis-
schon oft erwähnten Transparenz, die für das eigenbestimmte positionen. In diesem Aufsatz wird aber auch deutlich her-
Arbeiten so wichtig ist: Ein Stichwortverzeichnis erleichtert vorgehoben, dass allein das Angebot von solchen Materiali-
die gezielte Suche nach bestimmten Themen. en noch keinen Lernerfolg garantiert. Autonome Lernerin-
nen und Lerner gibt es nämlich noch selten. Es braucht, so
Im Unterschied zu den beiden Bändchen von 1985, bei seltsam das zwar klingt, eine Vorbereitung auf die Selbstbe-
denen sich das Schülerarbeitsbuch an jugendliche Lernende stimmung. Wichtig ist die Information, die Lernberatung
richtete, ist RAMPILLON 1995 eine Hilfe für Unterrichtende, und die Lernbegleitung.
ist sicher aber auch für erwachsene Lernende sinnvoll.
Der Aufsatz zeigt deutlich, dass Lernberatung gut reflek-
Bimmel, Peter/Rampillon, Ute: Lernerautonomie tiert werden muss, damit nicht die traditionelle Lern-Bezie-
und Lernstrategien. Fernstudieneinheit Erpro- hung aufgebaut wird: Der oder die Wissende gibt Informa-
bungsfassung. Goethe-Institut, München. tionen. Die folgenden Prämissen sollen dies illustrieren:
In der Reihe „Fernstudienprojekt des DIFF, der GhK und E „Lernberatung ist Hilfe zur Selbsthilfe.“
des GI“ ist zur Zeit eine Fernstudieneinheit in Erarbeitung E „Eine gute Lernberatung macht Lernprozesse transparent
zum Thema „Lernerautonomie und Lernstrategien“. Die und Lernziele verständlich.“
Fernstudieneinheit ist nach bewährter Manier ausführlich E „Die Lernberatung kann helfen, alte, ineffektive Lernge-
und klar aufgebaut. Sie eignet sich nicht nur für das Selbst- wohnheiten abzulegen und neue Lernwege auszuprobieren.“
studium sondern auch für den Einsatz in Fortbildungskur-
sen. Die Erprobungsfassung (03.1996) ist beim Goethe-Insti- Und zum Abschluss noch Hinweise auf zwei Büchlein, die
tut in München (Bereich 52 FSP) erhältlich. für Lernende geschrieben sind und die ganz allgemein das
Lernen trainieren. Es sind Büchlein, welche man rundweg
Authentik Language Learning Ressources Ltd.: allen Lernenden empfehlen möchte. In beiden Publikatio-
Authentik auf Deutsch. Auszüge der deutschspra- nen steht ein Test am Anfang, bei dem man einerseits seinen
chigen Presse. Dublin: Authentik Language Lear- Lerntyp und andererseits die spezifischen Lernschwächen
ning Ressources Ltd. feststellen kann, die man dann mit Aufgaben aus einzelnen
Am Beispiel der Materialpakete für Deutsch möchte ich Kapiteln sinnvoll bearbeiten kann:
hier Selbstlernmaterialien vorstellen, die seit einigen Jahren
für Deutsch, Französisch und Spanisch hergestellt werden Endres, Wolfgang/Althoff, Dirk: Das Anti-Pauk-
und fünfmal im Jahr erscheinen. Es liegen damit Hör- und Buch. Lerntricks für Schüler. Weinheim: Beltz 1991.
Lesematerialien vor, die gerade für das eigenverantwortete Das Anti-Pauk-Buch richtet sich an jüngere Lernende, ist
Lernen unschätzbare Dienste anbieten. auch in einem Stil geschrieben, der diese Zielgruppe
anspricht. Und für den Fremdsprachenunterricht gibt es eine
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Neben einer Zeitung, die aus authentischen Lesemateria- ganze Menge Anregungen im größten Kapitel des Büchleins
lien aus verschiedenen (deutschsprachigen) Ländern zusam- „Lernmethoden“. Dort finden sich äußerst hilfreiche Tipps
mengestellt wird, gibt es eine ca. einstündige Kassette mit zu Lesestrategien (S. 78 ff.), zum Hörtraining (S. 54 ff.)
authentischen Mitschnitten von Radiosendungen ebenfalls und ganz besonders viele Tipps zur Wortschatzarbeit
aus verschiedenen Ländern. Thematisch sind die Lesetexte (S. 59 ff.). Gerade für die Vokabelarbeit möchte ich die Idee
mit den Hörtexten verknüpft und im herausnehmbaren Mit- hervorheben, dass Lernende verschiedenste Lernverfahren
telteil der Zeitung finden sich Übungen und Anregungen mit praktischen Übungen demonstriert bekommen und sie
zum selbständigen Arbeiten. dann die Methode auswählen können, welche am besten zu
ihrem Lerntyp passt. Nach jeder Übungseinheit werden dann
Hofmann, Rainer/Schulze-Lefert, Petra: Lernbe- die Ergebnisse zusammengetragen, damit man sie mit den
ratung: Anleitung zu selbständigem Lernen. Ein Resultaten des Lerntyptests vergleichen kann. Im allerbesten
Bericht aus dem Selbstlernzentrum. In: Fremd- Sinn ein Büchlein aus der Praxis für die Praxis.
sprache Deutsch. Sondernummer II/1993: Deutsch-
unterricht mit Erwachsenen, S. 28–33. Frick, René/Mosimann, Werner: Lernen ist lern-
In diesem Aufsatz liegen Erfahrungen vor, die seit einigen bar. Eine Anleitung zur Arbeits- und Lerntechnik.
Jahren mit Selbstlernzentren gemacht werden. Solche Ein- Aarau: Sauerländer 1994.
richtungen können unterschiedlich genutzt werden, einer- Im Aufbau und von der Idee her ist dieser Band ganz ähn-
seits von völlig autonomen Lernenden, andererseits aber lich, in Sprache und Darstellungsform richtet er sich jedoch
auch von Lernenden, die neben herkömmlichen Kursen eher an junge Erwachsene (Oberstufe und Erwachsenenbil-
zusätzlich arbeiten wollen. dung). Ebenfalls gut einsetzbar ist er in der Aus- und Wei-
terbildung von Lehrpersonen, da neuere Ansätze der didak-
In Selbstlernzentren (Mediatheken) können neben Print- tischen Forschung eingearbeitet sind und Literaturangaben
materialien (Bücher, Arbeitsblätter, Zeitschriften) unter- weiterführen.
schiedliche moderne Medien (Videorecorder, Computer, Kas-
settenrecorder) für das Lernen genutzt werden. Die Lernen-
den haben so eine Vielzahl von Zugängen zum Sprachen-
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mes Lernen Gefahren birgt: Horst Rumpf hat darauf vielmehr gezielt, auch gegen die Widerstände ethno-
aufmerksam gemacht, dass eine Schule, die nur auf zentrischer Einstellungen der Lernenden, soziokultu-
Wettbewerb, auf Stufbarkeit und darauf zielt, Wirk- relle Erfahrungen vermitteln, Begegnungen mit
lichkeit „in den Griff zu bekommen“, wichtige Fremdheit möglich machen.
Dimensionen von Erziehung und Bildung vernachläs-
sigt: Wir haben, so hat er 1995 formuliert, „in den 3. Autonomem Lernen liegt die Vorstellung von
Schulen übergenug – von Verwaltung, von Papier- selbständigen, relativ lerngewohnten Menschen zu
krieg, von Zeitdruck, von der Zwischenwelt der Kopi- Grunde: was wird aus den ’unselbständig Lernen-
en und Medien, von der Atmosphäre und der verwir- den‘, Menschen also, die – aus welchen Gründen
renden Vielfalt eines Supermarktes, ... in der nie- auch immer – zwar gern lernen, dabei aber wenig
mand persönlich im Ernst haftbar ist und persönlich Selbstinitiative zeigen, die ’unter Druck‘ (also ener-
Verantwortung trägt für das, was passiert und wie es gischen Anstößen und Aufforderungen) gut lernen.
passiert.“ Rumpf setzt dem eine Vorstellung von Ich kenne sogar einige Germanistikprofessoren, die
Unterricht entgegen, der es darum geht, zu lernen, gerne davon erzählen, wie unfreiwillig sie Deutsch
„Wirklichkeit zu berühren, sich von ihr berühren zu gelernt haben (weil die Englisch- oder Französisch-
lassen“. Lernen kann also auch als Korrektiv im klasse zu voll war zum Beispiel) und erst gegen Ende
gesellschaftlichen Wandel begriffen werden: Konkret- der Schulzeit ihre Begeisterung für diese Sprache
heit, soziales Lernen, Kreativität und Persönlichkeits- entdeckt haben. Es gibt andere Lernende, die aus
entwicklung wären Begriffe, die eine Korrektur von Anpassungsfreude, zum Beispiel um ihrem Lehrer
einseitig auf Kognition und Globalisierung, auf oder ihrer Lehrerin zu gefallen, sich zu guten Sprach-
Schlüsselqualifikationen ausgerichtete Vorstellung lernenden entwickeln. In manchen Fällen sind Men-
vom Lernen signalisieren. schen durch ihre Schulerfahrungen erst unselbständig
geworden (weil bislang Selbständigkeit nicht belohnt
1. Fremdsprachen werden in Schulen meist unfrei- wurde) oder sie bringen Sicherheitsbedürfnisse mit,
willig gelernt, eben weil sie auf dem Stundenplan die sie dazu führen, erst abzuwarten, „was verlangt
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