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Fremdsprache
Deutsch
Sondernummer I 1996
Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts

Autonomes
Lernen
© Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2018 - (www.fremdsprachedeutschdigital.de) - 29.10.2018 - 13:55 - (ds)
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SONDERNUMMER 1996: AUTONOMES LERNEN

Autonomie und Fremdsprachenlernen 4


von Claudio Nodari
„Mein Lernziel ...“ 11
Autonomie im ersten Jahr Deutsch als Fremdsprache
von Hanne Thomsen
Selbstevaluation lernen lassen 16
von Günther Schneider
Das metakognitive Klassenzimmer 24
Oder: Der lange Weg zurück zum spontanen Lernerverhalten
von Ulrika Tornberg
Lesewege 30
Wählen, was man lesen will, überlegen, wie man lesen soll
von Susy Keller und Maruska Mariotta
Autonomie und Lehrwerke – ein Widerspruch? 34
Oder: Wie kann die Autonomie der Lernenden durch Lehrwerke gefördert werden?
von Michael Koenig
Deutsch lernen mit dem WWW: 10 Lernideen 41
von Bruno Frischherz und Peter Lenz
Offenes Lernen – auch in der Lehrerfortbildung? 44
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von Ute Rampillon


Autonomie in der Lehrpersonenfortbildung 50
von Beda Künzle, Martin Müller, Martin Thurnherr und Lukas Wertenschlag

RUBRIKEN:
Aktuelles Fachlexikon 49
Bücher und Aufsätze zum Thema 57
von Michael Langner
Gegenrede 61
von Hans-Jürgen Krumm
Litfaßsäule 63
Unsere Autorinnen und Autoren 64

3
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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I M P R E S S U M E D I T O R I A L

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,


Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts
wer schon einmal erlebt hat, wie begeistert Kin-
herausgegeben vom Vorstand des Goethe-Instituts
und der in den ersten Monaten und Jahren in der Schule
Peter Bimmel, Hans-Jürgen Krumm, Gerhard Neuner alles Neue aufnehmen und wie bei vielen nach weni-
im Verlag Klett Edition Deutsch, München
gen Jahren schon die Freude am Lernen in der Schu-
Schriftleitung und Vertretung des Goethe-Instituts: Elisabeth
Lattaro, Bereich 52, Goethe-Institut le dem unfreiwilligen Lernen-Müssen weicht, beginnt
Redaktionsbeirat des Goethe-Instituts: Ralf Baltzer, Roland darüber nachzudenken, was hier wohl verkehrt läuft.
Goll, Elisabeth Lattaro, Eva Marquardt, Jochen Neuberger
Korrespondierendes Mitglied: Diethelm Kaminski (Zentralstelle
Wenn Jugendliche außerhalb der Schule etwas
für das Auslandsschulwesen) lernen, z.B. eine Sportart, Fotografieren oder mit dem
Verantwortlicher Themenheftherausgeber: Claudio Nodari Computer spielen, so tun sie es freiwillig und mit
Redaktion: Eva-Maria Jenkins Begeisterung, setzen sich Ziele, wählen aus, suchen
Satz und Gestaltung: Hans-Werner Klein
Anzeigenleitung: Verlag Klett Edition Deutsch
Wege, das selbstgesetzte Ziel zu erreichen. In der
Druck: Ludwig Auer GmbH, Donauwörth
Schule wissen die meisten nicht einmal, warum sie
Umschlagfoto: Veit Mette
etwas Bestimmtes lernen sollen. Die Schule kann also
Zeichnungen auf den Seiten 3–8, 48 und 59: Zygmunt
etwas vom Lernen außerhalb der Schule lernen, sie
Januszewski kann die Schülerinnen und Schüler als Subjekte des
Themen der nächsten Hefte: Erscheinungstermin: eigenen Lernprozesses ernst nehmen und ihnen dabei
Heft 16: Unterricht mit fortge- Sommer 1997 helfen, im Lernstoff eigene Ziele zu entdecken, indi-
schrittenen Jugendlichen
viduelle Lernwege zu gehen, Lernperspektiven über
Heft 17: Vielfalt der deutsch- Herbst 1997
sprachigen Regionen den Rahmen der Schule hinaus zu entwickeln, kurz:
Heft 18: Differenzierungsmodelle Frühjahr 1998 sie kann die Selbständigkeit der Lernenden fördern
Sondernummer 1997/I: Zur IDT August 1997 und dabei auch der Freude am „Lernen in der Schule,
Deutsch als Fremdsprache in den aber für das Leben“ wieder eine größere Chance
deutschsprachigen Ländern
geben.
Sondernummer 1997/II: Deutsch als
Arbeitssprache in anderen Fächern Diese Sondernummer von FREMDSPRACHE
DEUTSCH möchte Ihnen Wege zeigen, wie das „auto-
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Für FREMDSPRACHE DEUTSCH gibt es zwei verschiedene


Jahresabonnements: nome Lernen“ auch im Fremdsprachenunterricht
Abonnement 1 umfasst zwei reguläre Hefte pro Jahr zum Deutsch angestoßen werden kann. Das „autonome
Preis von DM 25,80, für Studenten DM 19,50 zuzüglich Ver-
sandkosten.
Lernen der Schülerinnen und Schüler“ ist auch eine
Abonnement 2 umfasst die beiden regulären Hefte wie in
Herausforderung für die Lehrerinnen und Lehrer, des-
Abonnement 1. Dazu ein ebenfalls jährlich erscheinendes halb gibt es in diesem Heft zwei Beiträge zum The-
Sonderheft. Es kostet DM 39,00 zuzüglich Versandkosten.
ma: Wie können Lehrerinnen und Lehrer lernen,
Die Hefte können auch einzeln bestellt werden. Einzelhefte
kosten DM 15,80 zuzüglich Versandkosten. autonomes Lernen im Unterricht zu ermöglichen?
© Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vor- Die nächste Sondernummer von FREMDSPRA-
behalten. Auch unverlangt eingesandte Manuskripte werden
sorgfältig geprüft. Unverlangt eingesandte Bücher werden CHE DEUTSCH erscheint anlässlich der XI. Interna-
nicht zurückgeschickt. tionalen Deutschlehrertagung vom 4.–9. August die-
Die als Arbeitsblatt oder Material bezeichneten Unterrichts- ses Jahres in Amsterdam. Dort finden Sie eine
mittel dürfen bis zur Klassen- bzw. Kursstärke vervielfältigt
werden. Bestandsaufnahme der im Bereich Deutsch als
Adresse der Schriftleitung: Dr. Elisabeth Lattaro, Goethe-Insti- Fremdsprache tätigen Institutionen.
tut, Bereich 52, Postfach 190419, D-80604 München
(Tel.: 089/15921-295; Telefax 089/15921-523) Beim Durchblättern dieses Heftes fällt Ihnen
Verlagsadresse: Ernst Klett Verlag GmbH, Edition Deutsch, sicher auf, dass FREMDSPRACHE DEUTSCH sich ver-
Kühbachstraße 11, D-81543 München, (Tel.: 089/623084-0; ändert, ein bisschen „herausgeputzt“ hat. Wir hof-
Telefax 089/650256)
Bestelladresse für Einzelhefte: Ernst Klett Verlag Bestellservice,
fen, dass Ihnen nicht nur der Heftinhalt, sondern
Postfach 1170, D-71398 Korb auch das neue Layout gefällt.
Bestelladresse für Abonnements: Ludwig Auer,
Postfach 1152, D-86601 Donauwörth
Herzliche Grüße
ISBN 3-12-675532-1 ISSN 0937-3160
Ihre Schriftleitung und Redaktion

2 Autonomes Lernen
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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AUTONOMIE UND
FREMDSPRACHENLERNEN
von CLAUDIO NODARI sprechende Aus- und Fortbildung aussehen soll. In diesem
Bereich scheint in der didaktischen Diskussion ein gewisser
Nachholbedarf zu bestehen. Eines ist dabei sicher: Durch das
Autonomiepredigen allein werden die wenigsten autonom.
Autonomie – wozu? Die letzten zwei Beiträge dieses Heftes widmen sich diesem
Seit einigen Jahren sind in der didaktischen Diskussion neben Thema. Sie zeigen exemplarisch, wie die Autonomieförde-
die Fragen der Ziele, Inhalte und Methoden auch Fragen zu rung in der Aus- und Fortbildung nicht nur als Inhalt behan-
den Menschen, die am schulischen (Fremdsprachen-) Unter- delt, sondern vor allem als Unterrichtsform erlebt werden
richt teilhaben, in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit muss. Im Mittelpunkt stehen hier die Lehrer und Lehrer-
gerückt. In erster Linie sind es Fragen zur lernenden Person. innen.
Mit didaktischen Begriffen wie z. B. Schülerorientierung
(Berücksichtigung von Schülerinteressen), Binnendifferen- Der Faktor Mensch ist bestimmt keine vernachlässigbare
zierung (z. B. unterschiedliche Unterrichtsangebote für lei- Grösse, auch wenn die Geschichte des Fremdsprachenunter-
stungsstärkere/-schwächere Schüler), Projektorientierung richts eine beeindruckende Vernachlässigung dieses Faktors
(z.B. Lernen durch die gemeinsame Arbeit an Projekten) dokumentiert. Abgesehen von meist reformpädagogischen
oder lernpsychologischen Begriffen wie z. B. Lerntyp, Lern- Ansätzen werden die Menschen, die lehren und lernen, von
strategien, Metakognition (Reflexion von Lernprozessen der Grammatik-Übersetzungsmethode bis hin zum kommu-
und Lernstrategien) wird versucht, die Perspektive der Ler- nikativen Fremdsprachenunterricht gleichsam als ein gege-
nenden zu würdigen und in die didaktischen Überlegungen bener, nicht weiter zu reflektierender Faktor behandelt.
einzubeziehen. Die vermehrte Aufmerksamkeit auf die Ler- Erstaunlich an dieser Feststellung ist nicht, dass dies so ist,
nenden hat nicht nur mit den äusserst 1 spannenden Ergeb- sondern dass der Auftrag des schulischen Fremdsprachen-
nissen der lernpsychologischen Forschung in den letzten zwei unterrichts traditionsgemäss alles andere als einseitig auf die
Jahrzehnten zu tun. Sie hat auch schlicht damit zu tun, dass Fremdsprache bezogen formuliert ist. Praktisch in allen
wohl manche etwas Grundlegendes gemerkt Lehrplänen der öffentlichen Schulen stehen am Anfang die
„Autonomie ist haben: Ohne die aktive Teilhabe und Teilnahme hehren allgemein-erzieherischen Ziele, die es durch die schu-
der Lernenden kann nicht wirklich von Fortschritt lischen Aktivitäten zu erreichen gilt, zum Beispiel Einfüh-
die Fähigkeit, die im
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schulischen (Fremdsprachen-)Unterricht lungsvermögen, solidarisches Verhalten, Selbständigkeit, Ver-


Verantwortung gesprochen werden. Die Diskussion um die Auto- antwortungsbewusstsein und so weiter. Diese Ziele sind den
für seine eigenen nomie im Lernen einer Fremdsprache, die späte- fachspezifischen Zielen übergeordnet und damit auch durch
stens seit der Publikation der Arbeit von Holec den Fremdsprachenunterricht anzustreben. Der Faktor
Angelegenheiten (1980) in Gang gesetzt wurde, zielt auf ein Unter- Mensch als sozial handelndes Wesen wird demnach wenigs-
zu übernehmen.“ richtskonzept, in dem die lernende Person Aus- tens als Zielperspektive gewürdigt.
H. Holec gangspunkt aller Überlegungen und Entscheide
ist. Die ersten sechs Beiträge in diesem Heft zeigen exem- Dank der breiten didaktischen Diskussion um die pädago-
plarisch, wie die Förderung der Autonomie im Unterricht gischen Inhalte und Ziele des Fremdsprachenunterrichts sind
und durch die Gestaltung von Lehr-/Lernmate- in neueren Lehrwerken erfreulicherweise immer
rialien aussehen kann. Im Mittelpunkt stehen häufiger Inhalte zu sehen, die die Umsetzung
hier die Schülerinnen und Schüler. der allgemein-erzieherischen Ziele unterstützen.
So werden z. B. reale soziale Probleme im Ziel-
Mit den Fragen zu den Menschen, die am sprachenland thematisiert oder es werden Refle-
Fremdsprachenunterricht teilhaben, wird selte- xionen über kulturelle Ausprägungen angeregt.
ner die Lehrperson selbst thematisiert. Höchstens Dieser Trend müsste sich noch verstärken. In der
wird in sogenannten schülerorientierten Ansät- Aus- und Fortbildung der Lehrpersonen bleibt
zen die Rolle der Lehrperson von der Rolle der jedoch das Fachspezifische (Hörverstehen, Lese-
Lernenden abgeleitet. Demnach wird der Lehrer verstehen, Sprechen, Aussprache, Schreiben,
zum Berater oder Vermittler, die Lehrerin zur Wortschatz, Grammatik, Landeskunde usw.)
Helferin oder zur Wegbegleiterin. Man vernimmt weitgehend dominant, während Unterrichtsfor-
zwar, was die Lehrperson so alles tun und las- men (wie zum Beispiel Projektunterricht, Werk-
sen soll. Höchst selten wird aber diskutiert, wel- statt, Simulationen, reziprokes Lehren, Tandem)
che Qualifikationen eine autonomiefördernde nur zögerlich behandelt werden. Damit aber all-
Lehrperson auszeichnet, wie sie die notwendigen gemein-erzieherische Lehrziele im Unterricht
Qualifikationen aufbauen kann und wie die ent- bewusst angestrebt werden, müssen die Lehrper-

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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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Worin unterscheiden sich


sonen Unterrichtsformen, die soli- selbständige und
darisches Verhalten, Selbständig- unselbständige Lernende?
keit, Einfühlungsvermögen, Ver-
antwortungsbewusstsein erfordern, Die Frage zu den besonderen Qualifikationen selbständiger
nicht nur theoretisch kennen, son- Lernender ist berechtigt. Denn eines scheint in Bezug auf den
dern auch unmittelbar erleben. Die schulischen (d.h. durch Noten gemessenen) Erfolg sicher zu
Beiträge von Beda Künzle et al. und sein: In der herkömmlichen Schulpraxis, in der die Lernen-
von Ute Rampillon geben dazu sehr interessante Anregungen. den an der kurzen Leine geführt werden und daher Selb-
Verschiedene didaktische Ansätze, die ihre Wurzeln zum ständigkeit kaum gefördert wird, sind unselbständige Ler-
Teil in der Reformpädagogik haben (so zum Beispiel der Pro- nende ebenso erfolgreich wie selbständige – wenn nicht sogar
jektunterricht, die Freinet-Pädagogik oder das reziproke Leh- erfolgreicher.
ren), haben versucht, das Übergewicht des Fachspezifischen Die lernpsychologische Forschung hat auf diesem Gebiet
zu relativieren. Die begrenzte Breitenwirkung dieser Ansätze in den letzten 20 Jahren gewaltige Fortschritte zu verzeich-
hat vielleicht auch damit zu tun, dass sie in der Fremd- nen. Die Anzahl der Publikationen ist dementsprechend un-
sprachdidaktik allzu sehr als Methoden der Fremdsprach- überblickbar geworden. (Man siehe dazu das sehr auf-
vermittlung und nicht in erster Linie als Konzepte der Per- schlussreiche und gut lesbare Buch von Gerhard Steiner,
sönlichkeitsentwicklung diskutiert wurden. 1988). Die Antwort auf die Frage der spezifischen Qualifika-
tionen fasst Beck (1989, 171) wie folgt zusammen (Zitat):
Mit dem Konzept der Autonomie (oder Selbständigkeit) G Sie (die selbständigen Lernenden C.N.) bemühen eine
steht für den Fremdsprachenunterricht spätestens seit Anfang Vielzahl von kognitiven Strategien.
der achtziger Jahre ein pädagogischer Ansatz zur Diskussi- G Sie planen und steuern ihr Handeln zielbewusst.
on, der weder als Methode noch als modische Zeiterschei- G Sie sind in der Lage, neues Wissen mit bereits beherrsch-
nung abgetan werden kann.2 Die Ziele, Inhalte und Vorge- tem in Beziehung zu setzen.
hensweisen, die im Bereich der Autonomie diskutiert werden, G Sie beobachten ihre eigenen Verstehensprozesse.
bezwecken auf der Ebene des Lernens einen persönlicheren G Sie denken über den Verlauf ausgeführter Handlungen
Zugang zur Zielsprache und damit ein spannenderes und und Denkprozesse nach, ziehen Schlüsse aus dem Ergeb-
effizienteres Lernen. Auf der Ebene der Persönlichkeit sollen nis ihrer Handlungen und verstehen es, ihr Wissen zu
Fähigkeiten und Einstellungen entwickelt werden, die das reorganisieren und umzustrukturieren.
Lernen anderer Sprachen nach der Schule, aber auch das G Sie verfügen über ein reiches, gut organisiertes Wissen,
Selbstvertrauen im Umgang mit Sprachen und die Offenheit das sie bei der Lösung von Aufgaben flexibel und reflexiv
für neue Sprachen massgeblich unterstützen. Damit bilden nutzen.
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die Ziele im Bereich der Selbständigkeit in Sachen Fremd-


sprachenlernen eine Brücke zwischen den allgemein-erzie- Die lernpsychologischen Untersuchungen über die Selb-
herischen (wie soziales und solidarisches Verhalten, Einfüh- ständigkeit im Lernen haben aber auch gezeigt, dass unselb-
lungsvermögen, Toleranz usw.) und den fremdsprachspezi- ständige Lernende ebenfalls bestimmte Strategien zum Ler-
fischen Zielen (wie die rezeptiven und produktiven Fertig- Abbildung 1
keiten, Wortschatz, Grammatik, Landeskunde usw.) (Abb. 1).
s isch
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Lehrzielbereich: Deut Itali
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Kommunikationsfähigkeit
Eine Person hat unter
anderem durch
Fremdsprachenunterricht ch
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in einzelnen Sprachen lisc
entwickelt. Eng h
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Lehrzielbereich: Autonomie
li
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Eine Person sollte unter anderem im Fremd-


m

sprachenunterricht bestimmte Fähigkeiten


entwickeln, um die bestehenden Kommuni-
kationsfähigkeiten weiterzuführen und/oder
andere Sprachen effizient zu lernen.

Lehrzielbereich: Soziales Verhalten


Eine Person sollte unter anderem durch
Fremdsprachenunterricht ein angemessenes
soziales Verhalten entwickeln.
(Nodari, 1995)

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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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nen einsetzen (M. Prokop, 1993). Der getan ist, den Lernenden einfach einen Freiraum fürs Ler-
Unterschied zu den Selbständigen nen zu schaffen (zum Beispiel durch eigenständige Erkun-
Selbständig Lernende besteht hauptsächlich darin, dass sie dungen ausserhalb des Schulzimmers) oder den Lernenden
G verfügen über ein reiches, diese Strategien auch dann nicht hin- eine Reihe von Selbstlernmaterialien zur Verfügung zu stel-
gut organisiertes Wissen; terfragen, wenn sie sich als ineffizient len (siehe dazu Hofmann/Schulze-Lefert 1993, besprochen
G verstehen es, ihr Wissen erweisen. Unselbständige Lernende in diesem Heft auf Seite 60). Auch bewährte Unterrichtsfor-
zu reorganisieren und umzu- bleiben den gelernten Vorgehensweisen men wie zum Beispiel Projektunterricht, Planspiel, Wochen-
strukturieren; treu und tendieren dazu, die Ursache planarbeit, die alle wichtige Beiträge zur Autonomieförde-
G verstehen es, ihr Wissen bei für Misserfolge in der eigenen Unfähig- rung leisten können, funktionieren nicht per se. Das metho-
der Lösung von keit oder Unbegabtheit zu suchen. Ver- dische Vorgehen muss immer sorgfältig eingeführt werden,
Aufgaben flexibel und refle- lust von Selbstvertrauen in Sachen will man das Ziel nicht von vornherein verfehlen. Das Vor-
xiv zu nutzen. Fremdsprachenlernen und damit gehen und die Regeln in der Gruppenarbeit, in einem Schül-
Abneigung gegenüber dem Weiterler- erreferat oder bei der Arbeit im Internet (siehe dazu den Bei-
nen bzw. dem Lernen neuer Sprachen trag von Bruno Frischherz und Peter Lenz, Seite 41) muss
kann die Folge sein. von den Lernenden genauso gelernt werden wie der Einsatz
von spezifischen Lern- und Arbeitstechniken (siehe dazu die
Unselbständigkeit kann aber auch das Resultat sein von Beiträge von Susy Keller und Maruska Mariotta, Seite 30, und
Schulungskonzepten, bei denen Selbständigkeit aus kultu- von Michael Koenig, Seite 34; für eine ausführlichere
rellen und/oder politischen Gründen kein anzustrebendes Behandlung des Themas Lerntechniken siehe auch „Fremd-
Ziel ist. Man könnte also annehmen, dass der Sinn und Zweck sprache Deutsch 8: Lernstrategien“3).
der Autonomie in einer stark auf Gemeinschaftlichkeit aus-
gerichteten Kultur, wie zum Beispiel in China, nicht einge-
sehen wird. So gehört dort zu Lernenden immer auch ein Es genügt nicht, den Lernenden einen Freiraum
Lehrender, und das Verhältnis zwischen ihnen ist kulturell fürs Lernen zu schaffen oder eine Reihe von
klar definiert. Zudem besteht eine starke soziale Verantwor- Selbstlernmaterialien zur Verfügung zu stellen.
tung auch für das Lernen, so dass Eigenverantwortung, Eigen- Die Frage, wie die Selbständigkeit bei allen
initiative oder gar Selbstevaluation gar nicht gefragt sind. Die Schülerinnen und Schülern innerhalb des schuli-
tradierte Vorstellung, Wissen und Können würden immer und schen Fremdsprachenunterrichts gefördert wer-
ausschliesslich vom Experten zum Novizen übertragen, den kann, ist eine zentrale Frage der Methodik.
scheint aber auch in China nicht ganz unumstritten zu sein
(siehe dazu J. Ho/D. Crookall, 1995, besprochen Zwar gibt es Menschen, die die beschriebenen Qualifika-
in diesem Heft auf Seite 58). tionen der Selbständigkeit und zum Teil auch Lern- und
Arbeitstechniken von selbst – und zum Teil auch trotz des
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Es muss ausdrücklich betont werden, dass schulischen Unterrichts – entwickeln und daher in der Lage
der Autonomiegedanke mit einem Sozialverständnis wären, Freiräume zu nutzen und eigenverantwortlich zu
und mit einem Persönlichkeitsbild in Verbindung steht, arbeiten. Dieser Lerntyp ist aber erfahrungsgemäss nicht oft
bei denen die soziale Mündigkeit, die Eigenverantwor- anzutreffen, vielleicht auch deshalb, weil seine Fähigkeiten
tung, die Eigeninitiative – vor allem auch auf wirtschaft- im Unterricht zu wenig gefragt sind. Die Frage, wie die Selb-
licher Ebene – ebenso hohe soziale Werte darstellen wie ständigkeit bei allen Schülerinnen und Schülern innerhalb
die Zivilcourage und die Konfliktfähigkeit. So ist es des schulischen Fremdsprachenunterrichts gefördert werden
denn auch nicht weiter verwunderlich, dass die Auto- kann, ist demzufolge eine zentrale Frage der Methodik.
nomiediskussion vor allem in Europa und in aussereu-
ropäischen englischsprachigen Ländern geführt wird. Natür- Aus der sehr breiten Literatur über didaktische Ansätze, die
lich besteht immer die Gefahr, dass der Autonomiegedanke die Selbständigkeit anhand eines durchdachten Unter-
unzulässigerweise reduziert wird auf Selbstlernen und damit richtsmanagements anstreben, können mindestens zwei Ten-
auf Isolation des Lernenden, Antagonismus und asoziales denzen ausgemacht werden.
Verhalten. Dieser Gefahr muss entgegengewirkt werden,
indem Autonomie nicht nur mit effizienterem Lernen, son- 1. Unterrichtskonzepte, die von den
dern immer auch mit der Entfaltung der Persönlichkeit und Lernenden Selbstinitiative verlangen
mit Lernen im sozialen und kulturellen Austausch in Ver- Diese Unterrichtskonzepte zeichnen sich im Wesentlichen
bindung gebracht wird. dadurch aus, dass sie den Lernenden einen gewissen Frei-
raum mit bestimmten Spielregeln innerhalb des Unterrichts
Wie kann Selbständigkeit bieten. Als klassisches Beispiel gilt hier der wohlbekannte
Projektunterricht (siehe dazu „Fremdsprache Deutsch 4:
gefördert werden? Unterrichtsprojekte“).
Selbständigkeit im Lernen einer Fremdsprache ist ein Ziel,
das in jeder Unterrichtsstunde angestrebt werden kann. Das Ebenso klassisch, jedoch weniger verbreitet, ist die Frei-
bedeutet, dass die Selbständigkeit keine Voraussetzung ist, die net-Pädagogik. Eines der wichtigsten Erziehungsziele war
die Lernenden mitbringen müssen, und dass es nicht damit für Célestin Freinet die „autogestion“, eigentlich ein begriff-

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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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licher Vorläufer der Autonomie. „Autogestion“ wird möglich, entieren, denn sie wissen jederzeit,
wenn folgende Fähigkeiten gefördert werden: warum, was, wann, wo, wie behan-
G die Selbstverantwortung: z. B. Arbeitsverträge abschlies- delt wird. Selbständig Lernende
sen, gegenüber der Lerngemeinschaft Rechenschaft able- 3. Gemeinsam Ausgehandeltes impli- G planen und steuern ihr Han-
gen in Bezug auf das Einhalten oder nicht Einhalten der ziert unter anderem auch die Ver- deln zielbewußt,
eigenen Arbeitsvorhaben; pflichtung zur Einhaltung vor allem G verbinden neues Wissen
G die Selbstregulierung: z. B. durch Monats- und Wochen- gegenüber der Lerngruppe. mit bereits beherrschtem
pläne, Planung und Reflexion der Arbeitsabläufe; Wissen,
G die Selbstbewertung: z. B. anhand von Übungsmaterial 2. Unterrichtskonzepte, G denken über den Verlauf
mit Lösungsschlüsseln, Eigenbewertung, Gruppeneva- die von den Lernenden ausgeführter Handlungen
luation (siehe dazu auch den Beitrag von Günther Selbstinitiative und Refle- nach und
Schneider, Seite 16). xionen verlangen G ziehen Schlüsse aus dem
Die zweite Tendenz der autonomieför- Ergebnis ihrer Handlungen.
Die Freinet-Pädagogik unterstützt die „Autogestion“ mit dernden Ansätze umfasst Unterrichts-
klaren, für alle Lernenden nachvollziehbaren Unterrichts- konzepte, die zwar das selbstinitiative
phasen wie kollektive Arbeit, persönliche Arbeit, kreative Lernen unterstützen, zusätzlich aber
Arbeit und Sozialisierung der Ergebnisse. Zudem steht ein als wesentliches didaktisches Element die Reflexion über das
methodisches Instrumentarium zur Verfügung, das den Ler- Lerngeschehen und über kulturelle Ausprägungen vorsieht.
nenden wie auch der Lehrperson den Umgang mit authen-
tischem Sprachmaterial erleichtert, denn Lehrwerke sind in Tatsächlich lassen die sehr aufschlussreichen Resultate
der Freinet-Pädagogik höchstens als Nachschlagewerke in der lernpsychologischen Forschung der letzten Jahrzehnte
der persönlichen Arbeit toleriert. (Für eine detaillierte Dar- den Schluss zu, dass metakognitive Phasen im Unter-
stellung der Freinet-Pädagogik im Fremdsprachenunterricht richt wesentlich zum Lernerfolg beitragen können.
siehe I. Dietrich, 1995). Phasen, in denen die Lernenden überlegen, wie sie
gelernt haben, welche Schwierigkeiten sie angetroffen
Auf eine Nutzung des Raumes und der Zeit für einen au- haben, wie der Unterricht bzw. ihre Lernarbeit opti-
thentischen Gebrauch der Fremdsprache zielt auch die soge- miert werden könnten usw., ermöglichen den Ler-
nannte „pédagogie de la négociation“. Mit „négociation“ nenden Einblicke in das eigene Lernverhalten und
oder „negociating“ wird das Verhandeln bezeichnet, mit dem in die erlebten Lehr-/Lernprozesse. Diese Einblicke
Lernende und Lehrperson gemeinsam die Ziele, die Inhalte erlauben es nicht nur, wenig effiziente Lehr-/Lern-
und die Vorgehensweisen des Unterrichts aushandeln. Rich- formen zu verbessern, sie sind auch die Voraus-
terich (1985) betont denn auch, dass die Künstlichkeit der setzungen, um die eigenen Stärken und
Kommunikation wohl auch damit zu tun hat, dass im Schwächen, die eigenen Vorlieben und Interessen
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Fremdsprachenunterricht das Unvorhergesehene, das Krea- besser zu erkennen und damit auch das Selbst-
tive, die Eigeninitiative zu wenig Spielraum haben. In der vertrauen zu stärken. Tatsächlich macht es keinen
„pédagogie de la négociation“ wird das Unterrichtsgesche- Sinn, Lerntechniken anzuwenden oder Inhalte zu bear-
hen an sich zum eigentlichen Inhalt. Die wesentlichen beiten, die einem nicht liegen, und dürftige Resultate als
didaktischen Elemente sind dabei: Konsequenz des eigenen Unvermögens zu interpretieren. Das
G das Formulieren und Sammeln der Bedürfnisse der Ler- Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, ein gewisses Bewusst-
nenden, der Lehrperson und der Institution; sein in Bezug auf den eigenen Lerntyp, die Überzeugung, dass
G das Aushandeln und Festhalten der Lernziele; nicht die Begabung, sondern die Art und Weise des Lernens
G die Umsetzung der Ziele in unterrichtliche Inhalte; massgebend ist für den Lernerfolg, sind denn auch Einstel-
G die Evaluation des erlebten Unterrichts. lungen, die durch metakognitive Reflexionen aufgebaut wer-
den können. Der Beitrag von Hanne Thomsen (Seite 11)
Kennzeichnend für die didaktischen Ansätze, die von den zeigt, wie die Autonomieförderung schon im ersten Lernjahr
Lernenden eine gewisse Selbstinitiative verlangen, sind der aussehen kann. Welche Fragen metakognitive Reflexionen
Einbezug der Lernenden in unterrichtsrelevante Ent- (natürlich auch in der Erstsprache) auslösen können und
scheidungsprozesse und die Übertragung von Verantwor- welche Einstellungsänderungen sich bei den Lernenden erge-
tungen. Die Lernenden treffen zusammen mit der Lehrper- ben, zeigen eindrücklich die Untersuchungsergebnisse im
son eine Reihe von Entscheidungen, die im herkömmlichen Beitrag von Ulrika Tornberg (Seite 24).
Konzept von Unterricht ausschliesslich Sache der Lehrperson
und/oder der Institution Schule sind. Autonomie im Lernen von Fremdsprachen umfasst neben
dem lernpsychologischen Aspekt auch einen interkulturellen
Der Einbezug der Lernenden in den Entscheidungsprozess Aspekt. Autonome Lernende einer Fremdsprache sind Men-
und die damit verbundene Übernahme von Verantwortungen schen, die einiges über Kommunikationsverhalten, über kul-
haben auch Konsequenzen: turbedingte Normen und Werte wissen. Sie wissen, dass im
1. Die Ziele, die Inhalte und die Vorgehensweisen sind den sozialen Verhalten wenig als „normal“ bezeichnet werden
Lernenden nicht nur bekannt, sie sind auch akzeptiert. kann und dass in unterschiedlichen Sprachgruppen und in
2. Die Lernenden können sich im Unterrichtsgeschehen ori- unterschiedlichen sozialen Gruppen ganz verschiedene Ver-

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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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haltensweisen, Normen und 3. die Reflexion über das eigene Lernen und die Opti-
Werte gelten können. So mierung des Lernverhaltens
kann zum Beispiel das Grüs- z. B. anhand von Fragebogen zum Lerntyp, durch Dis-
sen auch nonverbal von kussionen über den Unterricht, durch Selbsteinschätzung,
Land zu Land unterschied- durch Lehrpersonenbeurteilung, durch Austausch von
lich sein (in Polen ist der Handkuss durchaus noch üblich, Erfahrungen mit Lerntechniken usw.
viele Türkinnen schauen beim Händeschütteln als Zeichen 4. die Reflexion über fremde und eigene kulturelle Prä-
des Respektes nicht in die Augen usw.), aber auch innerhalb gungen
einer Sprachgemeinschaft grosse Unterschiede aufweisen z. B. über spezifische Verhaltensweisen, über individuelle
(Jugendliche grüssen sich neuerdings mit komplizierten und soziale Werte, über Rituale usw.
Bewegungsabläufen der Hände; in der Deutschschweiz ist es (Für unterrichtspraktische Hinweise siehe Nodari 1994 in „Fremd-
üblich, beim Grüssen immer auch den Namen zu nennen – sprache Deutsch Heft 10: Aufgaben und Übungsgeschehen“,
sofern er bekannt ist, in Deutschland eher nicht). Reflexio- S. 39–43.)
nen über kulturbedingte Prägungen verfolgen das Ziel, im
Spiegel der fremden Verhaltensweisen, Normen, Werte usw. Wie kann Selbständigkeit im
die je eigenen zu erkennen: Worauf lege ich in der zwi-
schenmenschlichen Kommunikation besonders Wert? Was eigenen Unterricht gefördert
tue ich nie? Was erwarte ich in einer gegebenen Situation werden?
von einer Person, die mit mir spricht? Was erwartet die ande-
re Person von mir? Wie verhalte ich mich, wenn ...? Das sind Viele Lehrpersonen fragen sich natürlich, woher sie die Zeit
einige der Fragen, die es auch im Fremdsprachenunterricht nehmen sollen, um all die vielen schönen Ziele umzusetzen.
zu reflektieren gilt und die für das Weiterlernen und das Neben dem Lernen der Fremdsprache scheint kein Platz mehr
Leben außerhalb der Schule wichtig sind (Ch. Müller, 1995). zu sein, um vermeintlich anderes zu machen. Schliesslich
gibt es da Abschlüsse, Prüfungen, Noten usw., bei denen eine
Schlussfolgernd können wir festhalten, gewisse Sprachkompetenz nachgewiesen werden muss.
dass sich die Förderung der Autonomie auf
vier Pfeiler stützt: Diese Haltung ist verständlich. Dahinter steht einerseits die
1. die optimale Orientierung im Lehr-/Lerngeschehen eigene Lernerfahrung in der Schule und in der Ausbildung,
z. B. durch Lektions- und Wochenpläne, explizite Lehr- andererseits eine starke Fixierung auf das Fachspezifische
ziele, explizite Minimalanforderungen, genaue Kenntnis und damit ein zu eng gefasster Lernbegriff. Diese Haltung ist
der Lehrmaterialien usw. aber auch gemessen an den Lehrplänen nicht gerechtfertigt.
2. die bewusste Übernahme von Verantwortungen für Ein zu eng gefasster Lernbegriff, bei dem allein der Fachin-
das eigene Lernen halt und letztlich die Abschlussnoten massgebend sind,
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z. B. durch Wahlmöglichkeiten in Bezug auf Texte, Übun- bewirkt ein bedenkliches gegenseitiges Ausspielen von
gen, Aktivitäten, durch Selbstkorrektur und Selbstevalua- Fachinhalten und fachübergreifenden Fähigkeiten und Fer-
tion, durch explizite Lernziele, durch Lernverträge usw. tigkeiten. Wenn Schule als eine öffentliche Institution im
Dienste der Allgemeinheit verstanden wird, dann muss von
einem erweiterten Lernbegriff ausgegangen werden, bei dem
idealerweise in jeder Lektion Lehrziele aus allen Lehrzielbe-
reichen einfliessen.

Das ,fiore-Modell‘ (Abb. 2) stützt sich auf den erweiterten


Lernbegriff von Klippert (1995) und ist ein Versuch, die Lehr-
zielbereiche im Fremdsprachenunterricht und deren Zusam-
menwirken im Unterricht zu veranschaulichen. Die Lehr-
ziellisten in den acht Lehrzielbereichen sind selbstverständ-
lich nicht komplett. Sie veranschaulichen lediglich, welche
Kategorien von Lehrzielen zu den einzelnen Bereichen
gehören. Im Zentrum des Modells sind die Lehrziele in Bezug
auf eine Lektionsreihe zum Thema „telefonieren“ als Bei-
spiel vermerkt.
Mit einem erweiterten Lernbegriff wird mein Unterricht
f A fortschrittlich
i A integrativ
o A organisiert
r A reflektiert
e A edukativ

Manchmal gibt es vielleicht ein bißchen Unruhe im Klassenzimmer …

8 Autonomes Lernen
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Abbildung 2: Das fiore-Modell

Methodisch-strategisches
Lernen
· Texte strukturieren
Sozial-kommunikatives Lernen
· W-Fragen-Raster
· Gespräche beginnen und beenden
· zusammenfassen
· zuhören
· strukturieren
· antworten
· planen Affektives
· fragen
· notieren Lernen
· widersprechen
· nachschlagen · Freude am Umgang mit der
· zustimmen
· auswendig lernen (Fremd-)Sprache
· Abmachungen treffen
· Wörter lernen · Einsicht in die Nützlichkeit der
· insistieren
· Eselsbrücken Lerninhalte
· vortragen
· usw. · Identifikation und Engagement
· argumentieren
· diskutieren ermöglichen
· kommunikative Normen, Rituale · Entwicklung des Selbstvertrauens
erkennen · eigene Werthaltungen erkennen
· sprachliches Verhalten erkennen und aufbauen
und dessen Wirkung einschätzen · Werthaltungen anderer erkennen
· usw. und schätzen
· usw.
· mit Notizen
Telefonge-
· Telefonate zw. den
spräch planen
· einen Termin Lernenden organisieren
vereinbaren · Selbstvertrauen beim
Interkulturelles · Rückfragen Telefonieren
Lernen stellen Autonomes
· spezifische Normen des Sprach- Lernen
verhaltens reflektieren · Telefonate auf · Lernplan erstellen
· Formeln und
(Höflichkeitsformen, nonverbale Tonband aufnehmen · Lerntagebuch führen
Normen beim Lektionsreihe
Kommunikation, Tabu-Themen und sich selbst · Lerninhalte suchen und wählen
Telefonieren „telefonieren“
usw.) einschätzen · den eigenen Lerntyp erkennen
kennen
· Rituale und Formeln kennen · eigene Stärken erkennen
(Begrüssung, Telefonat, Kompli- · sich selbst evaluieren und
mente usw.) · Terminvor- · Termin- und einschätzen
· Sitten und Bräuche kennen (Feste, schläge Zeitangaben · usw.
verstehen · einen Termin
Geschenke, Einladungen usw.) · Höflichkeitsformen
vereinbaren
· Werte und Einstellungen kennen
· am Telefon
(Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Arbeit
deutlich Sprachspezifisches
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usw.)
sprechen Lernen
· usw.
Wortschatz:
Sprachrezeptives
· produktiver Wortschatz
Lernen
Sprachproduktives Lernen · rezeptiver Wortschatz
Hörverstehen:
Sprechen: · über Wörter reflektieren
· gezielt
· reproduktiv · Lerntechniken zum Wörter-
· global
· reproduktiv-produktiv lernen
· detailliert
· kommunikativ
Grammatik:
Leseverstehen:
Aussprache: · Regeln erkennen und
· gezielt
· Phoneme erkennen, verstehen
· global
reproduzieren, integrieren · über Grammatik reflektieren
· detailliert
· Lerntechniken zur Integration
Schreiben: von Formen und Strukturen
· reproduktiv
· reproduktiv-produktiv
· kommunikativ

Rechtschreibung:
· Regeln erkennen und
verstehen
· Regeln in Übungen
reproduzieren
· Rechtschreiberegeln in
Texten beachten

9
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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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Abschliessend soll festgehalten werden: Literaturverzeichnis:


Die Förderung der Selbständigkeit ist keine vorgefertigte Beck, Erwin: Eigenständiges Lernen – eine Herausforderung für
Unterrichtsmethode, die die Lehrpersonen ein für allemal ler- Schule und Lehrerbildung. In: BEITRÄGE ZUR LEHRERBILDUNG
nen sollten. Die Förderung der Selbständigkeit beginnt viel- H. 2/1989, S. 169–178, Bern.
mehr mit einer Reihe von Entscheidungen, die die Lehrper- Bimmel, Peter/Ute Rampillon: Lernerautonomie und Lernstrategien.
son in der Unterrichtsplanung und -vorbereitung trifft – Fernstudieneinheit Erprobungsfassung 03.1996, München:
sowohl im Fremdsprachenunterricht wie auch in der Aus- Goethe-Institut
und Fortbildung der Lehrkräfte. Diese Entscheidungen betref- Dietrich, Ingrid (Hrsg.): Handbuch Freinet-Pädagogik. Eine praxisbe-
fen vor allem die Inhalte und die Vorgehensweisen. Leitfra- zogene Einführung. Weinheim und Basel: Beltz Verlag 1995.
gen dazu sind Klippert, Heinz: Gewusst wie. Methodenlernen als Aufgabe der Schu-
le. In PÄDAGOGIK, H. 1/1995, S. 6–9.
Ho, Judy/David Crookall: Breaking with Chinese Cultural Traditions:
Learner Autonomy in English Language Teaching. In: Autonomy,
? Welche Inhalte, Lernhandlungen, Materialien usw. aus dem Self-direction and Self Access in Language Teaching and Lear-
gewählten Thema verlangen ein sozial-kommunikatives Lernen? ning: the History of an Idea. Sonderheft: SYSTEM 23/2, 1995.
Holec, Henri: Autonomy and Foreign Language Learning. Europarat
? Was eignet sich in Bezug auf das gewählte Thema, um das Strasbourg 1980.
methodisch-strategische Lernen zu fördern?
Krumm, Hans-Jürgen: Unterrichtsprojekte. Praktisches Lernen im
Deutschunterricht. In: Fremdsprache Deutsch, 4 Unterrichts-
? Welche Unterrichtsform eignet sich für ein bestimmtes projekte. H. 1/1991, S. 4–8.
affektives Ziel?
Müller, Christiane: Interkulturelle Kompetenz – zum Modell einer
systemtranszendierenden sozialen Kompetenz. In: berichte – rei-
? Was sollen die Lernenden inhaltlich-fachlich lernen? he III, Sprachen und kulturelle Bildung. Hrsg. Zentrum für Schul-
entwicklung Bereich III, Graz, H. 2/1995, S. 35–50.

? In welchen Sequenzen übertrage ich den Lernenden die Verant- Nodari, Claudio: Autonomiefördernde Aufgaben im Fremdspra-
chenunterricht. Versuch einer Typologisierung. In: FREMDSPRA-
wortung?
CHE DEUTSCH, 10 Aufgaben und Übungsgeschehen. H. 1/1994,
S. 39–43.
? Was tue ich, damit sich die Lernenden optimal im Lehr-/Lernge- Nodari, Claudio: Perspektiven einer neuen Lehrwerkkultur. Pädago-
schehen orientieren können? gische Lehrziele im Fremdsprachenunterricht als Problem der
Lehrwerkgestaltung. Aarau: Verlag Sauerländer 1995.
? Wann und wie sind metakognitive Reflexionen vorgesehen? Prokop, Manfred: Lernen lernen – aber ja! Aber wie? Klassifikation
von Lernerstrategien im Fremd- und Zweitsprachenunterricht.
In: FREMDSPRACHE DEUTSCH, 8 Lernstrategien. H. 1/1993,
? Wann und wie baue ich interkulturelle Reflexionen ein? S. 12–18.
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Richterich, René: Besoins langagiers et objectivs d’apprentissage.


Hachette: Paris 1985.
Steiner, Gerhard: Lernen. 20 Szenarien aus dem Alltag. Bern: Verlag
Anmerkungen: Hans Huber 1988.
1 Der Autor ist Schweizer, wie auch einige andere Beitragende in Weinert, Franz E.: Selbstgesteuertes Lernen als Voraussetzung,
diesem Heft (siehe S. 64). In der Schweizer Rechtschreibung gibt Methode und Ziel des Unterrichts. In: UNTERRICHTSWISSEN-
es seit 1935 kein ß mehr. Nach der Rechtschreibreform schreibt SCHAFT Nr. 2/1982, S. 335–349.
man in Deutschland und Österreich nach langem Vokal und nach
Diphtong ß (z. B. grüßen, äußerst). Vielleicht werden Sie auch
einige Schweizer Besonderheiten in Wortschatz oder Gramma-
tik bemerken.
2 „Wer die Autonomie und die Mündigkeit des Menschen sowie
die Erziehung zu lebenslangem Lernen als übergeordnete
pädagogische Ziele verbindlich akzeptiert, wird der Förderung des
selbstgesteuerten Lernens in der Schule besondere Aufmerk-
samkeit widmen müssen“ (F. E. Weinert, 1982, S. 103).
3 Im Fernstudienprojekt „Deutsch als Fremdsprache und Germa-
nistik“ des DIFF, der GhK und des GI (verlegt durch Langen-
scheidt) ist eine Fernstudieneinheit zum Thema „Lernerautono-
mie und Lernstrategien“ von Peter Bimmel und Ute Rampillon in
Erarbeitung (siehe die kommentierten Literaturhinweise in die-
sem Heft).

10 Autonomes Lernen
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„MEIN LERNZIEL …“
von HANNE THOMSEN Autonomie im ersten Jahr Deutsch
In diesem Beitrag möchte als Fremdsprache
ich Einblicke geben in die kon-
krete Arbeit im ersten Lernjahr Eine gezielte Förderung der Auto- ich das Klassenzimmer für den
Deutsch. Die 24 dreizehnjähri- Deutschunterricht vorbereiten.
gen Schülerinnen und Schüler nomie kann bereits in der ersten
bringen Erfahrungen aus zwei An der Wand:
Jahren Englischunterricht mit. Unterrichtsstunde erfolgen. R Eine Deutschlandkarte
Folgende Fragen werden be- R Bilder oder Fotos aus
handelt: Hanne Thomsen, die in Dänemark Deutschland
R Wie fängt die Arbeit an? R Ein Stück Anschlagtafel für
R Was macht die Lehrerin? unterrichtet, zeigt exemplarisch, wie Briefe, Zeitungsartikel, eigene
R Was machen die Schüler? Produkte der Lernenden, etc.
R Wie denken sie über den ein Unterrichtsmanagement aussieht,
Unterricht und über die Auf den Regalen:
gewonnenen Erfahrungen bei dem die Schülerinnen und Schüler R Authentische Materialien:
nach? Kinder- und Jugendliteratur,
R Wie besprechen sie den Lern- von Beginn an mitentscheiden, wel- Magazine, Zeitungen, etc.
prozess? R Musik – Bücher und Kasset-
R Wie planen sie gemeinsam? che Inhalte sie wie bearbeiten möch- ten
R Textbücher – mit Tonkasset-

Die neue ten, und bei dem auch über das Ler- ten wenn möglich
R Spiele
Deutschklasse nen und über den Unterricht reflek- R Grammatikübersichten

Kurz vor den Sommerferien habe R Wörterbücher

ich meine neue Deutschklasse tiert wird – zu Beginn natürlich in der R Lehrwerke – einige Exempla-

besucht. Ich möchte die Auf- re verschiedener Werke


merksamkeit auf die neue Muttersprache. R Bücher über Deutschland –
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Fremdsprache lenken und positi- Landeskunde


ve Erwartungen hervorrufen. Es ist der erste Schritt, um uns ken- R Deutsche Kataloge

nen zu lernen. Ich spreche sowohl Deutsch als auch Dänisch. R Pappe und Papier – Scheren, Kleber, Farbstifte, etc.

Auf meine Fragen hin erzählen mir die Jugendlichen, was R Taschen, Tücher, Hüte, etc. für musische Aktivitäten

sie über Deutschland und die Deutschen wissen, warum sie


Deutsch gewählt haben und über ihre Erfahrungen mit
Fremdsprachen: Was gefällt ihnen? Was finden sie besonders
interessant und wie äußern sie sich darüber? Wer nimmt teil
und in welcher Weise?

Mehrere Schülerinnen und Schüler haben bereitwillig am


Gespräch teilgenommen – andere weniger – vielleicht über-
haupt nicht. Ich hoffe, dass ich alle bemerkt habe, und ein
erstes vages Bild von dieser Gruppe zeichnet sich in meinem
Kopf ab. Ich nehme kleine Beschreibungen auf Dänisch und
Zeichnungen mit, als ich 45 Minuten später der Klasse auf
Wiedersehen sage. Jeder Schüler und jede Schülerin hat ver-
sucht, mir ein bisschen von sich selbst, von den Interessen
in und außerhalb der Schule zu erzählen.

Das Klassenzimmer – ein Labor


Die Klasse 7A hat zweimal 90 Minuten Deutschunterricht pro
Woche. Die meisten Fächer werden in demselben Klassen-
zimmer unterrichtet. Deutsch kommt jetzt noch dazu, und
nach Absprache mit meinen Kollegen und Kolleginnen kann

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Im Computer: Die Schülerinnen und Schüler sollen mit verschiedenen


R Wörterbuch Partnern zusammenarbeiten, und wir überlegen gemeinsam:
R Kommunikationsprogramm – z. B. Campus World R Wie arbeitet man in dieser Klasse gut zusammen?

R Fachliche Programme
Ich spreche wie immer Deutsch und die Lernenden ver-
Außerhalb des Klassenzimmers : suchen sich auf Deutsch, soweit das überhaupt möglich ist.
In der Bibliothek gibt es eine weitere Möglichkeit, Deutsch- Neue Poster mit wichtigen Wendungen werden an die Wand
materialien – Bücher und Tonkassetten – auszuleihen. Auf gehängt.
eigene Faust können die Lernenden hier die Bücher, die sie
interessant finden, egal ob dänische, englische oder deutsche, Auf die Eigeninitiative
ausleihen.
R Fernsehsendungen
der Lernenden bauen
R Musik Nach kurzer Zeit wird klar, dass die Lernenden verschiedene
R Tourismus Aktivitäten durchführen wollen. Aufgrund der ersten Erfah-
rungen mit Deutsch und der Erfahrungen mit dem Lernen
generell schlagen sie „gute Projekte“ vor:
Die ersten Stunden R Bildbeschreibung

Jeder Schüler/Jede Schülerin bekommt sein bzw. ihr eigenes R Neue Wörter lernen

„Deutschbuch“, um zu üben, schrittweise zu lernen. Ein R Die Zeit: Tage der Woche, Monate

Schreibheft – ein Lerntagebuch. In diesem Lerntagebuch R Kleine Theaterstücke

beschreibt er/sie den Plan der Stunde, macht eine Übersicht R Texte lesen

der ganzen Arbeit, gibt eigene Kommentare, Evaluationen, R Kreuzworträtsel lösen

Hausaufgaben etc., zuerst auf Dänisch, dann zunehmend R Tonkassette-Buch hören-lesen

mehr auf Deutsch.


Über die erste Deutschstunde wurde auf Dänisch geschrieben: Noch nicht alle haben genügend Selbstvertrauen, um sel-
ber ein Projekt vorzuschlagen.

„Die Projekte“ werden auf A3-Papier beschrieben und für


die Anschlagtafel vorbereitet. Jeder Schüler/Jede Schülerin
wählt dann unter den verschiedenen Aktivitäten nach eige-
nem Interesse, Vertrauen und persönlicher Lust „mein erstes
Deutschprojekt“. Jede/r schreibt den Namen des gewählten
Projekts auf ein Poster. Die Möbel des Klassenzimmers wer-
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den für die Arbeit umorganisiert, und die Gruppen können


sich über die erste Aufgabe einigen:
R Wie möchtet ihr arbeiten?

R Womit hilft/stützt die Lehrerin? Was ist ihre Aufgabe?

An der Wand war schnell zu lesen:


R WAS die Schüler machen

R WIE sie gemeinsam in Gruppen und mit der Lehrerin

arbeiten (siehe „Projektwand“ S. 13).

Über eigene Erfahrungen


reflektieren
Die Arbeit im „Deutschlabor“ kann beginnen: Während der Arbeit werden im Lerntagebuch zu den folgen-
Schon im Gespräch über die erste Stunde wird deutlich, dass den Punkten Notizen gemacht:
alle auf verschiedene Weise gearbeitet und auch Unter- R Plan der Arbeit

schiedliches gelernt haben, obwohl sie dieselbe Aktivität R Kommentare

hatten: R Neue Wörter

R Wie habt ihr gearbeitet? R Hausaufgaben


R Was habt ihr gelernt?

R Wie hat euch die Aktivität gefallen? Am Ende jeder Stunde überlegen wir 5 oder 10 Minuten
lang gemeinsam, wie alles gelaufen ist und was für die
nächste Stunde überlegt und vorbereitet werden soll. Wir
besprechen Erfolge und Probleme, geben Lob und Kritik und
fragen uns, wie wir die Probleme lösen könnten. WER macht
WAS?

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Projekt 1
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Am Anfang jeder Stunde gebe ich einen gemeinsamen Nun werden die Aktivitäten nach folgendem Modell
Stundeneinstieg: eine kleine Geschichte, ein Gedicht, ein geplant:
Bericht, eine Präsentation von einem Material, eine Antwort – Mein Lernziel?
etc., und die Gruppen-/Partnerarbeit beginnt. In meiner – Wie erreiche ich es?
Stundenplanung verbinde ich die Wünsche und Vorstellun- – Mit wem arbeite ich zusammen?
gen der Lernenden mit meinen Unterrichtszielen. In jeder – Wie vermitteln wir den anderen, was wir gelernt haben?
Stunde arbeite ich mit mehreren Gruppen/Paaren.
Wenn jemand krank ist oder wenn die Arbeit in der Grup- Und so in der Klasse beschrieben:
pe aus anderen Gründen nicht weitergehen kann, dann wird
es notwendig, noch einen Poster zu schreiben und ihn an die WER
Wand zu hängen: Was man alles in der Wartezeit machen WAS
könnte: WIE
R Kreuzworträtsel WARUM
R Bücher/Hefte lesen ERGEBNIS
R Kleine Texte zu Bildern schreiben und in das Lerntage- BIS WANN
buch kleben
R Ein kleines Gedicht schreiben Präsentation des Lernergebnisses und
R Das Lerntagebuch dekorieren Besprechung der Arbeitsergebnisse und der
R Etwas üben/vorlesen Lernprozesse nach demselben Schema:
R Materialien im Regal durchsehen WER
WAS
Nach 4–5 Deutschstunden sind die ersten Projekte fertig WIE
und werden der Klasse vorgestellt. Sprecher der Arbeitsgrup- WARUM
pen beantworten die Fragen: ERGEBNIS
R Wie habt ihr gearbeitet? (Den Plan des Lerntagebuches be- BIS WANN
schreiben. Kommentare mit Begründungen vorstellen.)
R Was habt ihr gelernt? (Über Deutsch, über Lerntypen, über Am Ende des ersten Schuljahres arbeiten die meisten
dich selbst und die anderen? Über …?) schon recht selbständig, mit Interesse und Lust, mehr zu ler-
R Was hat euch gefallen/nicht gefallen? (Materialien, Zu- nen. Zwei verschiedene Schüler schrieben auf Deutsch in ihre
sammenarbeit, das Ergebnis, etc. Warum?) Lerntagebücher:
R Mögliche Verbesserungen?

R Dein/Euer nächstes Projekt?


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Und noch eine wichtige Frage an alle :


R Was können wir davon lernen?
R Wie nutzen (verwerten) wir die Erfahrun-
gen der anderen?

Allmählich wird immer mehr Deutsch


gesprochen. Das Vertrauen in die eigenen
Fähigkeiten wächst. Neue Aktivitäten wer-
den geplant …

Evaluation als Dreh-


und Angelpunkt
des Lernens
Nach einiger Zeit erfahren die
Lernenden, dass auch von außen
bestimmte Erwartungen an sie
gestellt werden:
R Was ist im Lehrplan?

R Welche Prüfungen gibt es?

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Arbeitsmodell für den Deutschunterricht


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Literaturverzeichnis:
Little, David: Learner Autonomy 1. Definitions, Issues and Problems.
(1991) und
Dam, Leni: Learner Autonomy 3. From Theory to Classroom Prac-
tice. (1995)
Authentik Language Learning Resources Ltd. Trinity College,
27 Westland Square, Dublin 2, Irland.
Thomsen, Hanne: New Classroom Practices. Cooperate Teaching-
Learning. 5th form English. Mimeo/Video (1991). Danmarks
Lærerhøjskole, Emdrupvej 101, 2400. København NV, Dänemark.

Schülerzeichnung: Unser Klassenzimmer

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SELBSTEVALUATION
LERNEN LASSEN
von GÜNTHER SCHNEIDER
Wenn man es wirklich ernst
damit meint, die Schülerinnen
und Schüler die Verantwortung Was kann ich? Was weiss ich? Wo Ergebnissen aus Tests oder mit
für ihr Lernen übernehmen zu dem Lehrerurteil übereinstim-
lassen, dann muss man ihnen muss ich mich verbessern? Was kann men. Auf welcher Seite bei
auch Gelegenheit geben, ihr abweichenden Resultaten die
Lernen und ihr Können selbst ich sein lassen? „bessere“ Beurteilung liegt, ist
zu beurteilen. keineswegs von vornherein aus-
Das sind zentrale Fragen für das gemacht. Eine gute Überein-
Allerdings gibt es bei Lernen- stimmung von Selbst- und
den und Lehrpersonen nicht Lernen schlechthin. Autonomie be- Fremdbeurteilung ist aber
selten erhebliche Widerstände immerhin ein starkes Indiz für
gegen die Selbstbeurteilung. deutet unter anderem auch, diese Fra- eine plausible Selbsteinschät-
Verantwortlich dafür sind vor zung.
allem zwei tiefverwurzelte und gen für sich selbst mehr oder weni-
durch Erfahrungen in der • Die Forscher fanden für
Schule vielfach verstärkte Auf- ger ehrlich, mehr oder weniger realis- Selbst- und Fremdevaluation oft
fassungen. Das ist zum einen erstaunlich hohe Korrelationen.
die Überbewertung von Fehlern tisch beantworten zu können. (Übersichten geben Oskarsson
und zum andern die Annahme, 1984 und Falchikov/Boud
dass Evaluation ausschließlich Günther Schneider aus Fribourg in 1989). Diese Resultate sind
Sache von außenstehenden bemerkenswert, weil es sich bei
Experten sei (Holec 1989). der Schweiz, der zur Zeit am Europa- den Untersuchungen meistens
um einmalige Erhebungen
Immer wenn wir den Ler- ratprojekt „Sprachenportfolio“ mit- handelte und die Lernenden
nenden Gelegenheit zur Selbst- vorher nur selten schon Erfah-
beurteilung geben und ihnen arbeitet, gibt vielfältige Anregungen rung mit Selbstevaluation
Instrumente zur Selbstevaluati- gemacht hatten.
zur Umsetzung der Selbstevaluation
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on vorschlagen, übermitteln wir


ihnen zunächst einmal die Bot- • Teilweise zeigten sich auch
schaft, dass wir dieses Vorurteil im Unterricht. beträchtliche Unterschiede,
nicht teilen. Wir signalisieren zum Beispiel zwischen Selbstbe-
damit: Ich traue dir zu, dass du dich auch selbst beurteilen urteilung und Lehrerurteil.
kannst.
• Manche Lernende neigen deutlich dazu, sich zu über-
Aber stimmt das? Sind denn die Lernenden wirklich fähig, schätzen oder zu unterschätzen. Bestimmend für die jewei-
ihre Leistungen und Lernerfolge sinnvoll zu beurteilen? lige Tendenz sind vor allem Persönlichkeitsmerkmale und
die Herkunftskultur.
Können Lernende sich angemes- Die Feststellung, dass Lernende sich nicht immer realis-
sen selbst beurteilen? Hinweise tisch einschätzen, ist jedoch kein Grund, Selbstbeurteilun-
gen generell zu misstrauen. Schließlich sind auch Prüfer
aus der Forschung nicht alle gleich streng und bekanntlich gibt es ja sehr oft
Wissenschaftliche Untersuchungen zur Selbstevaluation von Unterschiede, wenn zwei Lehrpersonen ohne vorangehendes
Fremdsprachenlernern zeigen uns: gemeinsames Prüfertraining dieselben Lernenden beurtei-
len. Wie jede andere Form der Evaluation muss und kann
• Lernende können ihre fremdsprachlichen Fähigkeiten oft auch die Selbstevaluation gelernt werden. Wir dürfen davon
besser beurteilen als viele Leute erwarten würden. ausgehen, dass Lernende, die zur Selbstüberschätzung oder
• Es lassen sich Bedingungen identifizieren, die für eine -unterschätzung tendieren, durch Bewusstmachung und
angemessene Selbstbeurteilung günstig bzw. ungünstig Übung realistischere Selbstbeurteilungen erreichen können.
sind.
Die Studien geben auch Anhaltspunkte dafür, wie man
In den wissenschaftlichen Untersuchungen steht meist die günstige Bedingungen für die Selbstbeurteilung schaffen
Frage im Vordergrund, inwieweit die Selbstbeurteilungen mit kann.

16 Autonomes Lernen
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Plausible Selbsteinschätzungen kommen transparent und verständlich zu machen. Auch für den auto-
am ehesten zustande, nomen Lerner behalten neben der Selbstbeurteilung andere
Formen der Evaluation ihre Berechtigung, sei es die Fremd-
• wenn sich die Selbstevaluation auf konkrete Situationen beurteilung durch Experten, sei es das gegenseitige Beurtei-
und Aufgaben bezieht, die im Erfahrungsbereich der Ler- len in der Lernergruppe oder die gemeinsame Beurteilung
nenden liegen; durch Lehrende und Lernende.
• wenn die Kompetenzbeschreibungen sprachlich einfach,
verständlich und ohne didaktischen Fachjargon formu- Ein Beispiel dafür, wie im Hinblick auf die Selbstbeurtei-
liert sind; lung im Unterricht das Wissen über Lernziele und Lerntech-
• wenn die Lernenden mit den Beurteilungskriterien ver- niken aufgebaut werden kann, gibt Ute Rampillon (Ram-
traut sind – ganz besonders dann, wenn es sich um ihre pillon 1996). Sie schlägt eine Sequenz von Arbeitsschritten
eigenen Kriterien handelt, d. h. um Kriterien, welche die vor: Die Schüler und Schülerinnen erarbeiten zunächst eine
Lernenden sich zu eigen machen konnten oder die sie mind map (assoziatives Netz) zum Fremdsprachenlernen. In
selbst entwickelt haben. Gruppen sammeln sie dann zu einem ausgewählten Bereich
(z. B. Vokabeln lernen) Lerntechniken und überlegen ge-
Wenig verlässlich sind Selbstbeurteilun- meinsam, wie die einzelnen Techniken zu einer Strategie
gen immer dann, zusammengefasst werden könnten. Schließlich stellen die
• wenn eher globale Einschätzungen verlangt werden, einzelnen Lernenden für sich ihre individuellen Strategien
• wenn die Selbstbeurteilungen irgendwie mit Noten, Zeug- zusammen, um sie dann zu erproben.
nissen oder sonst einer Art von Zertifikation in Zusam-
menhang stehen, also immer dann, wenn es für die Ler-
nenden einen Vorteil bringen kann, nicht ehrlich zu sein.

Aus diesem Grund sollte man – zumindest beim Einstieg Gute Gründe, Zeit und Phantasie
in die Selbstevaluation – möglichst jede Verbindung mit Prü- für Instrumente zur Selbstbeurteilung einzusetzen
fungssituationen und Notengebung vermeiden. Es geht nicht
darum, dass die Lernenden sich selbst benoten. Nicht die auf Aus der Sicht der Lernenden
eine abschließende Bewertung zielende Beurteilung steht im • Sie konkretisieren die Lernziele in einer plausiblen und verständli-
Vordergrund. Selbstbeurteilung soll vielmehr im Sinne einer chen Form;
kontinuierlichen Evaluation den Schülerinnen und Schülern • sie helfen, Lernfortschritte laufend selbständig zu kontrollieren;
helfen, den eigenen Lernprozess zu steuern und Entschei- • sie regen an, sich eigene und fremde Bewertungskriterien bewusst
dungen zu treffen, die für ihr weiteres Lernen nützlich sind. zu machen;
• sie erlauben, den Beurteilungsbereich zu erweitern und auch solche
Aspekte einzubeziehen, die durch Fremdevaluation oder Prüfungen
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Wie kann man auf Selbstbeur- kaum erfasst werden können, z. B. Einstellungen, Gefühle, Lernbe-
teilung vorbereiten? reitschaft, Strategien u. ä.)
• sie machen Lernfortschritte bewusst und stärken so das Selbstver-
Einstiegsmöglichkeiten trauen und die Lernmotivation;
Welchen Einstieg man wählt, hängt wesentlich davon ab, • sie ermöglichen es, das Lernen individuell zu planen;
welche Vorerfahrungen eine Lernergruppe mitbringt. Um • sie helfen zu entscheiden, ob man weiterlernen, was und wie man
Interesse und Bereitschaft für die Selbstbeurteilung zu wiederholen soll;
wecken und die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, • sie können Examensanforderungen transparent machen und so hel-
bieten sich vor allem zwei Tätigkeitsbereiche an, nämlich die fen, sich – auch psychologisch – auf Prüfungen vorzubereiten;
reflektierende und praktische Auseinandersetzung a) mit • sie helfen, der Beurteilung durch andere nicht schutzlos ausgeliefert
dem (selbständigen) Lernen und b) mit dem Beurteilen zu sein;
(anderer). • sie bereiten auf Gespräche mit Lehrpersonen vor und können Kraft
und Argumente geben, um mit ihnen Lernerfolge und Lernproble-
Alle entsprechenden Aktivitäten im Unterricht haben me zu besprechen.
selbstverständlich nicht nur ihren Sinn darin, auf Selbstbe-
urteilung vorzubereiten, sondern sind auch für sich selbst Aus der Sicht der Lehrpersonen
und in anderem Zusammenhang nützlich und sinnvoll. Dies • Instrumente zur Selbstbeurteilung zu entwickeln motiviert und
gilt für die Beschäftigung mit Lernzielen, Lerntechniken und zwingt dazu, die Lernziele transparent zu machen, den Lehrplan in
Lernstrategien, für die man in neueren Lehrmaterialien oft einen verständlichen Lernplan umzuformulieren.
Hilfen und Anregungen findet. Dies gilt auch für die viel sel- • Regelmäßige Selbstbeurteilungen können die Lehrperson etwas von
tener anzutreffende Beschäftigung mit Beurteilungskriterien der Rolle des Kontrollierenden entlasten und so Freiräume für ande-
und -instrumenten, die – ganz abgesehen von der Bedeu- res schaffen.
tung für die Förderung der Fähigkeit, sich selbst zu beurtei- • Alle Vorteile aus der Sicht der Lernenden (siehe oben).
len – dazu beiträgt, produktorientierte bewertende und kon-
tinuierlich begleitende Lernkontrollen für die Lernenden

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Autonom lernen meint nicht unbedingt, allein oder gar Sprechen zu beurteilen und Merkmale der Kommunikati-
einsam lernen. Wahrscheinlich besteht das beste Training für onsfähigkeit auf verschiedenen Stufen genauer zu beobach-
die Selbstbeurteilung darin, zunächst andere zu beurteilen ten, sind Videoaufzeichnungen mit bekannten Persönlich-
und gemeinsam mit anderen zu beurteilen. Die Lernenden keiten besonders interessant. Auf deutschsprachigen Fern-
können Erfahrung und Vertrauen gewinnen in ihre Fähig- sehsendern lassen sich leicht Interviews, Statements oder Dis-
keit zu beobachten und zu bewerten, indem sie gemeinsam kussionen aufzeichnen, in denen sich Sportler, Politiker oder
Kriterien besprechen und anwenden, ihre Beurteilungser- Journalisten mehr oder weniger frei und mehr oder weniger
gebnisse vergleichen und Gründe für unterschiedliche Wer- verständlich in der Fremdsprache Deutsch ausdrücken.
tungen diskutieren.
In einem nächsten Schritt oder wenn schon ein sehr gu-
Je nachdem wie gut sich die Lerner kennen und wie das tes Vertrauensverhältnis besteht, können sich dann die Ler-
Klima in der Klasse ist, empfiehlt es sich, zuerst an neutra- nenden – direkt oder anhand von Videoaufzeichnungen –
len Beispielen zu üben. Für die Beurteilung der Schreib- gegenseitig beurteilen. Wenn Lernende einander beurteilen,
fähigkeit kann man beispielsweise anonymisierte Schüler- müssen sie ihre Beurteilung erklären, belegen, begründen
texte aus anderen Klassen auswählen. Um das Niveau im und eventuell verteidigen oder revidieren. Dadurch lernen sie

Beispiel 1
Bewertungsblatt für das mündliche Erzählen

Achte beim Beurteilen deiner Kollegin/deines Kollegen auf folgende Punkte:


(Vor allem beim zweiten Anhören auf Kassette)
Erzählprofil
formal: super gut akzeptabel schwach

Klar und deutlich und mit Pausen gesprochen.

Die Sprache ist dem Publikum angepasst.


Wichtiges wird sprachlich vereinfacht
oder mit anderen Worten wiederholt.

Die Schlüsselwörter sind verständlich.


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Wichtiges wird mit Mimik, Gestik, Intonation,


Rhythmuswechsel betont.

Die Erzählerin/Der Erzähler hat Kontakt


zum Publikum und spricht frei.
Sie/Er schafft eine gute Stimmung.

inhaltlich:

Die Geschichte ist persönlich gestaltet.


(ausgeschmückt/aktualisiert/
der Erzählsituation angepasst)

Die Pointe ist gut verständlich, das merkt man


an der Reaktion des Publikums.

Die Geschichte ist spannend erzählt, sie ist nicht


zu lang und nicht zu kurz,
das Publikum folgt der Erzählung interessiert.

persönlicher Kommentar: verbinde die Punkte


Leo Koch, Liceo di Lugano 2

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kritisch und selbstkritisch


beurteilen (nicht aber, wenn
sie anderen einfach sagen,
welche Note sie ihnen geben
würden).

Sinnvoll ist es, die Ler-


nenden vor allem bei solchen
Arbeitsprozessen und Arbeits-
produkten einander beurtei-
len zu lassen, die ihnen
wichtig sind und in die sie
ein gewisses Engagement
einbringen, d. h. in den Fäl-
len, in denen sie ein reiches
Feedback erwarten oder ein
reiches Feedback besonders
nützlich ist. Anlass und
Gegenstand kann zum Bei- Aus: sowieso. Arbeitsbuch 2, S. 93.
spiel ein kurzes Referat sein,
ein gemeinsam erarbeitetes Beispiel 2
Poster, eine kleine Dokumentation über ein gelesenes Buch lichen Bedürfnissen, Zielen und Lerngewohnheiten anzu-
oder das Ergebnis einer größeren Projektarbeit. Was zu beo- passen.
bachten und zu beurteilen ist, wird am besten in einfachen
Checklisten oder Rastern festgelegt, die – möglichst gemein- Die Instrumente zur Selbstevaluation lassen sich nach
sam mit den Lernenden – für die einzelnen Aufgaben bzw. ganz verschiedenen Gesichtspunkten unterscheiden:
für den jeweiligen Aufgabentyp zusammengestellt werden • Dienen sie der unmittelbaren Selbstkontrolle beim Lösen
sollten. von Aufgaben oder einer nachträglichen Analyse und
Beurteilung?
Beispiel 1 (S. 18) zeigt für das mündliche Erzählen von • Beziehen sie sich auf längere oder kürzere Zeiträume (z. B.
Geschichten einen solchen ad hoc entwickelten, auf die Auf- Lernjahre, Monate, Lehrbuchlektionen, die Wochenplan-
gabe zugeschnittenen informativen Beurteilungsraster.* Sol- arbeit, einzelne Unterrichtsstunden oder einzelne Lern-
che Raster müssen nicht perfekt sein. Wichtig ist, dass sie für phasen im Unterricht oder bei der individuellen Arbeit)?
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die Lernenden verständlich sind. Diskussionen über die • Beziehen sie sich nur auf das kommunikative, sprachli-
Erfahrungen bei der Anwendung der Kriterien oder auch über che Können oder auch auf andere Aspekte, z. B. Lernge-
Mängel und Unklarheiten können das Bewusstsein für ver- wohnheiten und Lernstrategien, Motivation und Einstel-
schiedene Aspekte einer Aufgabe und verschiedene Bewer- lungen, soziokulturelles, landeskundliches Wissen und
tungsmaßstäbe schärfen. Lernende, die mit Checklisten und Können?
Beurteilungsrastern vertraut geworden sind, können bald • Sind sie spezifisch auf bestimmte Niveaus, einzelne Fer-
auch selbständig Kriterien für neue Aufgabenstellungen sam- tigkeiten oder einzelne Aufgabentypen zugeschnitten oder
meln, auswählen, gewichten und in ihrer eigenen Sprache handelt es sich um generell einsetzbare Passepartout-
formulieren. Eine nützliche Erfahrung ist es, wenn die Ler- Instrumente?
nenden füreinander und miteinander Lernkontrollen oder • Zeigen sie mir, wo ich stehe, was ich kann, welche Schwie-
Teile von Lernkontrollen mit Angaben für Beurteilung und rigkeiten ich habe oder geben sie mir auch Anregungen
Feedback entwerfen und nachher auswerten. und Hilfen, zu planen, wie ich weiterkomme?

Es ist klar, dass die gegenseitige Beurteilung, die Mitbe- Die Lernenden sollten möglichst verschiedene Arten von
wertung und eben auch die Selbstbeurteilung in offeneren Instrumenten kennen lernen und ausprobieren können. Im
Unterrichtsformen wie Projektarbeit oder Werkstattunterricht Folgenden werden die Haupttypen kurz aufgeführt und eini-
leichter einen selbstverständlichen Platz finden und auch ge anhand von Beispielen kurz erläutert.
dort eher von den Lernenden als sinnvoll akzeptiert werden.
Manche Instrumente und Techniken ermöglichen eine
direkte Selbstkontrolle. Im Zentrum steht dabei meist die
Instrumente zur Selbstevaluation Kontrolle unter dem Gesichtspunkt Richtig/Falsch oder Wis-
Für die Selbstevaluation kann man auf ein recht reiches sen/Nichtwissen. Dazu gehören:
Instrumentarium zurückgreifen. Es geht heute weniger da-
rum, neue Formen zu erfinden, als vielmehr darum, die vor- Lösungsschlüssel auf Papier, auf Kassetten oder in
handenen Möglichkeiten zu nutzen und die vorliegenden Computerlernprogrammen. (Da manche Verlage die Lösun-
Modelle an die jeweiligen Adressaten mit ihren unterschied- gen immer noch in den Lehrerhandbüchern platzieren,

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Arbeit mit Lernkarteien: Die Kontrolle mit Lern-


RÜCKBLICK karteien muss nicht auf den Bereich des Wortschatzes
Schau auf Seite 72. beschränkt bleiben. Sie kann sich auch auf andere Bereiche
Wie viele Themen hat die Einheit? wie zum Beispiel Lerntechniken beziehen.
Welche Lebensgeschichte hat dir besonderen Eindruck gemacht? Die drei Techniken „Kontrolllesen eigener Texte“,
Warum? „Führen einer Fehlerstatistik“ und „Lernen mit Karteien“
sind ausführlicher beschrieben in Rampillon (1996).
Zeichne die Gesichtchen:
= gut = es geht = schlecht Fragebogen und Checklisten sind die klassisch
Zur Lerntechnik „Zusammenfassen” (Seite 83) gewordenen Instrumente zur Selbstevaluation. Sie lassen sich
relativ leicht abwandeln und für verschiedene Lernziele kon-
Ich finde die Lerntechnik nützlich. ja nein kretisieren. Typisches Merkmal sind „Ich kann …“-Formu-
Ich habe die Lerntechnik ausprobiert. ja nein lierungen, teilweise auch Formulierungen wie „Ich habe
Schwierigkeiten …“. Ergänzende Elemente sind beispiels-
Ich habe eine eigene Technik für das Zusammenfassen. ja nein weise Skalen für eine abstufende Beurteilung, ausformulier-
te Beurteilungskriterien, Situationsvorgaben, Raum für eine
zusätzliche Bewertung durch Mitschüler oder Lehrpersonen,
Das kann ich … Hinweise auf mögliche Kontrollaufgaben oder Vorschläge zur
Ich kann einen Text zusammenfassen. praktischen Auswertung der Selbstbeurteilung. Viele anre-
gende Muster und Beispiele enthalten Oskarsson 1984, Brind-
Ich kann meinen Lebenslauf schreiben. ley 1989, Gick/Langner/Schneider 1992.
Ich kann eine Bewerbung schreiben.
In Publikationen zum Prüfen und Testen in Deutsch als
Das verstehe ich … Fremdsprache sucht man das Stichwort Selbstbeurteilung oft
noch vergeblich. Neuere Lehrwerke für Deutsch als Fremd-
Ich verstehe die Berichte von Dioleta und Natale. sprache enthalten dagegen erfreulicherweise jetzt immer
Ich verstehe die Tips zur Bewerbung. häufiger – teilweise verbunden mit der Förderung von Lern-
strategien – einzelne Vorschläge oder auch für jede Lektion
Ich verstehe das Schema zur Berufsbildung fertig ausgearbeitete Instrumente zur Selbstkontrolle und
in der Schweiz. Selbstbeurteilung. Dazu gehören die Lehrmittel „sowieso“,
„Blick“ und vor allem „Ganz Ohr“, „Moment mal!“ und
Das kenne ich … „Kontakt“.
Ich kenne verschiedene Berufe.
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Beispiel 2 (S. 19) erläutert den Lernenden auf einfache


Ich kenne verschiedene Berufsbildungswege. Art eine Technik, wie sie sich selbst einschätzen können, und
Ich kenne den Unterschied zwischen einer verdeutlicht das Prinzip, dass die Selbstbeurteilung möglichst
Lehre und einer Anlehre. auf konkrete Situationen bezogen werden sollte.
Beispiel 3 zeigt sehr schön, wie sich die rückblickenden
Das weiss ich … Selbstbeurteilungen einerseits auf ganz bestimmte einzelne
Ziele oder Texte einer Einheit beziehen können und wie
Ich weiss, wo ich Informationen zur gleichzeitig den Lernenden bewusst gemacht werden kann,
Berufsbildung bekommen kann. dass es nicht allein um Fortschritte im sprachlichen Können
Ich weiss, wie man sich für eine Stelle bewirbt. geht, sondern ebenso um die Entwicklung der Lernkompe-
tenz und die Erweiterung des Weltwissens sowie der sozialen
Ich weiss, dass meine Muttersprache ein Handlungskompetenz.
Vorteil sein kann. Beispiel 4 macht ebenfalls auf verschiedene Aspekte des
Sprachenlernens aufmerksam. Bemerkenswert ist hier
Aus: Kontakt 2, Textbuch, S. 87 + 72. zudem: Den Lernenden wird Gelegenheit gegeben, ihr Kön-
nen zunächst einmal einzuschätzen, dann anhand einer
Beispiel 3 konkreten Aufgabe zu überprüfen und schließlich – Selbst-
müssen sie gegebenenfalls kopiert werden. Oder man macht und Partnerevaluation verbindend – noch einmal zu beur-
das ganze Lehrerbuch den Lernenden zugänglich.) teilen. Der Vergleich zwischen einer ersten spontanen Ein-
schätzung und der Beurteilung nach der Erfahrung beim
Checklisten zur Kontrolle beim Schreiben kön- Lösen einer Aufgabe kann dazu beitragen, dass die Selbstbe-
nen das kontrollierende Lesen der eigenen Texte unterstüt- urteilungen mit der Zeit sicherer und realistischer werden.
zen. Sie sollten sich aber nicht allein auf den Aspekt der Kor- Beispiel 5 (S. 22) stammt aus einem Arbeitsbuch zur Ent-
rektheit beschränken. wicklung des Hörverstehens, das ganz konsequent auf auto-
nomes Lernen hin angelegt ist und immer wieder vielfältige
Führen einer persönlichen Fehlerstatistik Reflexions- und Evaluationsphasen vorsieht. Bei dem hier

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Aus: Moment mal!, Arbeitsbuch 1, S. 45.

Beispiel 4

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Beispiel 5

Aus: Ganz Ohr, S. 72.


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ausgewählten Beispiel geht es um das Ziel, Wetterprognosen schiedliche Möglichkeiten kennen lernen können. Sinnvoll
in den Nachrichten zu verstehen. Interessant ist hier beson- ist sicherlich eine gewisse Abwechslung und eine Kombina-
ders, dass die Lernenden nach der Selbstbeurteilung noch tion verschiedener Instrumente. Wenn keinerlei Mittel zur
Anregungen vorfinden, die ihnen helfen, erstens mögliche Selbstevaluation bereit gestellt werden, dann wird der
Gründe für eventuelle Schwierigkeiten zu identifizieren und Anspruch, autonomes Lernen fördern zu wollen, unglaub-
zweitens für sich selbst geeignete Möglichkeiten auszuwählen würdig. Andererseits macht die Selbstbeurteilung andere Eva-
und zu planen, wie sie ihren Lernerfolg verbessern könnten. luationsformen wie Lernkontrollen durch die Lehrpersonen,
Tests oder Diplomprüfungen nicht überflüssig. Es geht nicht
Die Beispiele sollen diejenigen, die nicht mit solchen Lehr- um ein Entweder-Oder. Selbst- und Fremdbeurteilung haben
werken oder ohne Lehrwerk arbeiten, anregen, selbst für oder teilweise unterschiedliche Funktionen – und sie können ein-
mit ihren Lernenden ähnliche Instrumente auszuarbeiten ander ergänzen. Selbständige, selbstbewusste Lerner nutzen
(siehe auch den Kasten „Praktische Tipps“). auch die Fremdbeurteilung.

Die Lernenden sollten aber auch Erfahrung mit weiteren In diesem Sinne wird im Sprachenprojekt des Europarats
Selbstbeurteilungsmöglichkeiten machen können. Das sind ein Sprachenportfolio geplant, das den Lernenden die
vor allem: Möglichkeit geben soll, ihr kommunikatives Können in ver-
• Video- und Audioaufzeichnungen, schiedenen Fremdsprachen und ihre Sprachlernerfahrungen
• Vergleiche von früheren schriftlichen oder zu reflektieren und auch auf vielfältige Weise zu dokumen-
mündlichen Produktionen mit neueren tieren, z. B. durch Prüfungsbestätigungen und Zertifikate,
Arbeiten, durch eine kurze Sprachlernbiographie, durch die Selbstein-
• Lerntagebücher, stufung in eine Skala, durch Selbstbeurteilungen anhand
• Erfahrung in authentischen Situationen. von Checklisten zu verschiedenen Kompetenzbereichen sowie
durch eine kommentierte Sammlung von exemplarischen
Die Lernenden müssen natürlich nicht alle denkbaren eigenen Arbeiten.
Mittel zur Selbstevaluation verwenden, aber sie sollten unter-

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Anmerkung:
* Ich verdanke dieses Beispiel Leo Koch in Lugano, in dessen Klas-
sen ich oft beobachten konnte, wie ernsthaft Schülerinnen und Praktische Tipps
Schüler einander beurteilen und wie kompetent sie Feedback
geben können.
• Checklisten und Kriterien einfach formulieren. Am besten in der
Lehrwerke: Muttersprache der Lernenden.
Fischer-Mitziviris, Anni/Janke-Papanikolaou, Sylvia: Blick. Mittelstufe • Je spezifischer, desto besser. Die Lernenden können konkrete Situa-
Deutsch für Jugendliche und Erwachsene. Band 1. Arbeitsbuch.
tionsbeschreibungen besser zu ihren eigenen Erfahrungen in Bezie-
Ismaning: Hueber 1995.
hung setzen.
Funk, Hermann/Keller, Susy/Koenig, Michael/Mariotta, Maruska/
Scherling, Theo/Strätz, Peter: sowieso. Deutsch als Fremdsprache • Lange Auflistungen vermeiden. Lieber regelmäßig überschaubare
für Jugendliche. Arbeitsbuch 2. München: Langenscheidt 1995.
Instrumente zur Verfügung stellen.
Ghisla, Graziella/Holenstein, Alexandra/Keller, Susy/ Mariotta, Marus-
ka/Saglini, Silvia: Ganz Ohr. Höranlässe und Arbeitsblätter für • Die Selbstbeurteilung keinesfalls nur auf Grammatik und Wort-
Anfänger und Fortgeschrittene. München: Langenscheidt 1996. schatz beschränken.
Lemcke, Christiane/Müller, Martin/Rusch, Paul/Scherling, Theo/Schmidt,
Reiner/Wertenschlag, Lukas /Wilms, Heinz: Moment mal! Arbeits- • Alles vermeiden, was auch bei der Fremdbeurteilung ein untaugli-
buch 1. München: Langenscheidt 1996. ches Mittel wäre, z. B. das Fehlerzählen.
Nodari, Claudio/Neugebauer, Claudia/Ambühl-Christen, Elisabeth:
Kontakt 2. Deutsch für Jugendliche. Textbuch. Zürich: Lehrmit-
• Nicht nur Fragebogen produzieren, sondern auch mit den Schülern
telverlag 1994. und Schülerinnen reden.

• Überorganisation vermeiden. Das Ausfüllen von Selbstbeurteilungs-


Literaturverzeichnis: bögen darf nicht zur lästigen Pflichtübung werden.
Wer Anregungen für Checklisten sucht, findet verschiedene Model-
le in Brindley 1989, Oskarsson 1984 und Gick u.a. 1992. • Die Schülerinnen und Schüler lernen oft Dinge, die nicht „vorgese-
hen“ waren. Daher immer auch Freiraum einbauen mit Rubriken
Brindley, Geoff: Assessing Achievement in the Learner-Centred Cur-
riculum. Sydney: National Centre for English Language Teaching
wie „Das kann ich auch“, „Das habe ich auch gemacht/gelernt“.
and Research, Macquarie University 1989.
• In den Skalen für eine abstufende Beurteilung unbedingt Ziffern-
Dickinson, Leslie: Learner Autonomy 2: Learner Training for Langu- zensuren und Namen von Noten vermeiden. Gut überlegen, welche
age Learning. Dublin: Authentik Language Learning Ressources
1992.
Formen für die Lernergruppe geeignet sind: Die einfache Ja/Nein-
Form, eine drei- oder vierstufige Skala mit Symbolen (Lachgesichter,
Falchikov, Nancy/Boud, David: Student Self-Assessment in Higher
Plus-/Minuszeichen) oder kurze verbale Beschreibungen. Zum Bei-
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Education: A Meta-Analysis. In: REVIEW OF EDUCATIONAL RE-


SEARCH. A QUATERLY PUBLICATION OF THE AMERICAN EDU- spiel: „Das kann ich ohne jede Hilfe/mit etwas Hilfe/nur mit viel Hil-
CATIONAL RESEARCH ASSOCIATION 59, 4, 1989, 395–430. fe“. Vorsicht mit der beliebten Skala „immer/oft/selten/nie“. Sie ist
Gick, Cornelia/Langner, Michael/Schneider, Günther: Evaluation des
gut brauchbar im Zusammenhang mit Feststellungen wie „Das
Mündlichen. Selbstevaluation und Examen. In: Bulletin CILA 55, mache ich“, aber weniger für Einschätzungen mit „Ich kann“-For-
1992, 73–96. mulierungen.
Holec, Henri: L’autonomisation de l’apprenant: incidences sur les
représentations de l’apprentissage. In: Müller, Martin/Werten-
• Grafische Gestaltungsmittel einsetzen. Selbstbeurteilungsblätter
schlag, Lukas/Wolff, Jürgen: Autonomes und partnerschaftliches müssen nicht langweilig aussehen.
Lernen. Modelle und Beispiele aus dem Fremdsprachenunterricht.
München: Langenscheidt 1989, 13–21. • Selbstbeurteilungen nie ungefragt einsammeln. Sie gehören den
Lernenden!
Oskarsson, Mats: Self-assessment of Foreign Language Skills: a Sur-
vey of Research and Development Work. Strasbourg: Council of
Europe 1984.
Rampillon, Ute: Schüler beurteilen sich selbst. Ein Zugang zum selbst-
gesteuerten Lernen. In: PRÜFEN UND BEURTEILEN. ZWISCHEN
FÖRDERN UND ZENSIEREN. Friedrich Jahresheft XIV, 1996, 38–39.
Thorogood, John: Continuous Assessment & Recording. London:
CILT 1992 (= Pathfinder. A CILT series for language teachers 13).
Winter, Felix: Schülerselbstbewertung. Die Kommunikation über Leis-
tung verbessern. In: PRÜFEN UND BEURTEILEN. ZWISCHEN FÖR-
DERN UND ZENSIEREN. Friedrich Jahresheft XIV, 1996, 34–37.

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DAS METAKOGNITIVE
KLASSENZIMMER
von ULRIKA TORNBERG Oder: Der lange Weg zurück
Wenn ein Jugendlicher außer- zum spontanen Lernerverhalten
halb der Schule etwas lernen
möchte, z.B. mit Computern zu
spielen, geht er schon von „Wie denken Schüler, wenn sie mit lernen?“ „Warum muss/will ich
Anfang an von einem selbstge- das lernen?“, „Wie lerne ich
setzten Ziel aus. Er möchte z.B. Grammatik arbeiten?“ Diese Frage es?“, „Wie plane ich und führe
die Funktionsweise eines Spiels ich die Arbeit durch?“ und „Wie
kennen, also etwas lernen. Die stellte Ulrika Tornberg aus Uppsala kann ich wissen, ob ich auch
notwendigen Informationen wirklich gelernt habe, was ich
werden ausgewählt und über- (Schweden) in Heft 9 von FREMD- lernen wollte?“, diese meta-
prüft. Verschiedene Wege, um kognitiven Fragen, die bei dem
das Ziel zu erreichen, werden SPRACHE DEUTSCH. An dieser Stelle selbstgewählten Lernziel meist
ausprobiert, und wenn das implizit vorhanden sind, müs-
Unternehmen beim ersten oder geht es um die Frage, wie Schülerin- sen im Unterricht explizit ge-
zweiten Versuch nicht gelingt, stellt werden (metakognitiv =
werden neue Wege gesucht. Das nen und Schüler ihre Arbeit mit Tex- reden über das bewusste Lernen).
vorläufige Misslingen wird als Dass die Reflexion über Sinn
Grundlage für weitere Versuche ten reflektieren. und Ziel des eigenen Lernens
benutzt. Hindernisse werden als erst wieder in den Unterricht
Herausforderungen aufgefasst Die STRIMS-Studie, aus der die Auto- hereingeholt werden muss,
und überwunden. Und wenn der hängt mit der traditionellen
Lernende schließlich am Ziel rin weitere Ergebnisse präsentiert, Schulkultur zusammen, nach
ist, weiß er Bescheid und freut der Ziele, Inhalte, Tempo,
sich über den Erfolg. zeigt deutlich, dass im Unterricht Methoden und Evaluation zum
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Anders ist es in der Schule, größten Teil von Lehrern


wo die Schülerinnen und explizit behandelte Lernstrategien all- bestimmt werden und wo die
Schüler oft nicht einmal wissen, Lernenden meistens eine passi-
was sie lernen sollen und wozu, mählich von den Lernenden interna- ve Rolle spielen. Ein metakog-
und woraus das zu lösende Pro- nitives Verhalten in die Lernsi-
blem eigentlich besteht. Und lisiert werden und bei der Lösung von tuation der Schule einzuführen
wenn ihnen das Lernen miss- bedeutet demnach nichts ande-
lingt, bestraft man sie mit Leseverstehens- und Schreibaufgaben res, als aus den alten Macht-
schlechten Noten, und, was und Kontrollstrukturen neue
noch schlimmer ist, sie bestra- auch nach Jahren wieder eingesetzt Lehrer- und Schülerrollen zu
fen sich selbst mit Abbau von entwickeln und die bisherige
Selbstvertrauen. Sie lernen werden. Schulkultur maßgeblich zu ver-
schlimmstenfalls, dass sie nicht ändern.
lernen können. Wir wissen aber, dass das Lernen für einen
Menschen eine natürliche, weil lebensnotwendige Aktivität Dieses neue Verhalten von Lehrenden und Lernenden ist
ist. Ohne Lernen, Umlernen und immer wieder neu Lernen eine grundlegende Voraussetzung für eine neue Lernkultur
wäre die menschliche Zivilisation längst ausgestorben. Es ist in der Schule. Hinzukommen müssen Kenntnisse darüber,
deshalb pädagogisch aufschlussreich, das Verhalten von Ler- wie man z. B. neuen Stoff effektiv verstehen und bearbeiten
nenden innerhalb und außerhalb der Schule zu vergleichen, kann, wie man neue Wörter lernt, wie man die Schreibfer-
besonders in Zeiten, in denen aufgrund der politischen und tigkeit durch freies Schreiben entwickelt und wie man durch
gesellschaftlichen Entwicklung Autonomie und lebenslanges die Verwendung von Kommunikationsstrategien ein
Lernen als unabdingbare Lernziele gelten. Gespräch weiterführen kann, auch wenn die eigenen Sprach-
kenntnisse begrenzt sind. Zur metakognitiven Kompetenz
Es geht also absurderweise mehr oder weniger darum, das gehört also auch eine Lernkompetenz, die viele Gemein-
Lernen in der Schule der natürlichen Lernsituation außer- samkeiten in verschiedenen Fächern aufweist, die aber im
halb der Schule anzunähern. Die Fragen „Was muss/will ich Hinblick auf ein einzelnes Fach auch sehr spezifisch sein

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kann. Um Lernstrategien beim Sprachlernen effektiv ver-


wenden zu können, müssen die Lernenden einiges über ihren
eigenen Lernstil, über ihre Lerngewohnheiten, über ihre
Lernstrategien usw. wissen.

Wie denken Schüler?


Es stellt sich nun eine grundlegende Frage: Können Schüle-
rinnen und Schüler lernen, sich auch beim Sprachlernen
metakognitiv zu verhalten und aus der großen Menge von
Lernstrategien gerade die Strategien für sich auszusuchen,
die der jeweiligen Aufgabe, dem Lernstil und ihrer Persön-
lichkeit entsprechen?

Das schwedische Forschungsprojekt STRIMS (Strategien


beim Erlernen moderner Fremdsprachen, Uppsala Univer-
Das STRIMS-Projekt geht weiter
sität 1989–1995) hat gezeigt, dass man gut daran tut, als
ersten Schritt die Problemlösungsstrategien, die Fremdspra-
chenlernende von selbst benutzen, zu beobachten: Wie den- semester 1990 (erstes Jahr am Gymnasium mit drei Jahren
ken die Schüler eigentlich, und was machen sie tatsächlich, Deutsch auf der Grundschule hinter sich) die erste Lesever-
wenn sie sich im Klassenzimmer mit sprachlichen Aufgaben ständnisuntersuchung durchmachten, sah ich an den Trans-
beschäftigen? Die Kenntnisse, die man aus einer solchen kriptionsprotokollen, dass Felix und Pernilla große Proble-
Untersuchung erhält, können dann eine natürliche Basis für me hatten. Während Lisa, Christian, Mia und Anders schon
den schrittweisen Aufbau einer strategischen Kompetenz der von Anfang an ziemlich effiziente Leser waren, blieben Felix
Schüler bilden. und Pernilla auf der Wortebene stecken. Sie übersetzten jedes
Wort isoliert und erhielten aus dem Text, der für sie eigent-
Zur Erinnerung: Im STRIMS-Projekt wurden Schülerin- lich bekannte Fakten über Skilaufen behandelte, überhaupt
nen und Schüler im Alter von 11–19 Jahren beobachtet, die keinen Zusammenhang. Man kann sagen, dass ihr Versuch,
zwischen 1989 und 1992 innerhalb des schwedischen Schul- den deutschen Text zu verstehen, völlig scheiterte.
systems Englisch, Deutsch, Französisch oder Spanisch lern-
ten. Die Jugendlichen wurden bei jeder Aktivität, die beim Nach diesem Ergebnis entschloss ich mich für einen
Sprachlernen im Klassenzimmer vorkommt, systematisch gezielten Unterricht über Informationsbearbeitung und Lese-
beobachtet, ihr Verhalten wurde analysiert. Damit sie ihre strategien. Die Jugendlichen lernten z. B., wie sie zuerst einen
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Gedanken und Problemlösungsstrategien während der Arbeit ganzen Text schnell durchlesen können, um ihre Vorkennt-
verbalisieren konnten, wurden alle Aufgaben in Partnerarbeit nisse über das Thema zu aktivieren, wie sich aus dem Text-
gelöst. Alles, was die Partner sagten, wurde auf Tonband auf- zusammenhang die Bedeutung einzelner Wörter oft er-
genommen, die Tonbänder wurden transkribiert und analy- schließen lässt, wie sie ihre anderen Sprachkenntnisse (z. B.
siert. Außerdem wurden die Jugendlichen mit Hilfe von Fra- in Englisch und Schwedisch) auch für den deutschen Text
gebögen über ihre Gedanken beim Erlernen einer Sprache gebrauchen können und wie sie Überschriften, Bilder, Ziffern
interviewt. Eines der Ziele des Projekts war zu untersuchen, und frequente Wörter als Verstehenshilfe benutzen sollten.
ob die Jugendlichen explizit über ihr Lernen sprechen konn-
ten und ob sich ihre Gedanken über das Lernen mit der Zeit Ein halbes Jahr nach der ersten Untersuchung führte ich
ändern würden. Für die Untersuchungen zur englischen und die zweite Untersuchung durch. Bei Lisa und Christian merk-
zur deutschen Sprache konnten dieselben Jugendlichen drei te man die metakognitiven Spuren des Strategieunterrichts.
Jahren lang beobachtet werden. Die ,deutsche Untersuchung‘ Der folgende Transkriptionsauszug, der hier ins Deutsche
zeigt also, wie sich die sechs durch Los ausgewählten Jugend- übersetzt wurde, stammt aus den mündlichen Kommenta-
lichen im Laufe von drei Jahren am Gymnasium strategisch, ren nach der Arbeit.
metakognitiv und sprachlich entwickelten.
C: Wir sollten doch erzählen, dass wir zuerst
den ganzen Text durchgelesen haben.
Entwicklung von Lesestrategien L: Eben! Wir haben den Text zweimal durchge-
Für die Langzeitperspektive besonders interessant sind die lesen.
Untersuchungen zum Leseverständnis und zu den Lesestra- C: Jeder für sich.
tegien. Ich hatte gemerkt, wie wohl auch mancher Lehrer L: Fangen wir vielleicht jetzt wieder von
vor und nach mir, dass Schüler oft glauben, Leseverständnis Anfang an, damit wir einen Zusammenhang
in einer Fremdsprache sei dasselbe wie den Text in die Mut- bekommen?
tersprache übersetzen zu können. Als die sechs STRIMS-
Schüler Felix, Pernilla, Lisa, Christian, Mia und Anders wie Bei Felix und Annika (Pernilla war nicht mehr in der
auch die übrigen Schüler in der Lerngruppe im Frühjahrs- Gruppe) merkt man leider noch keine großen Fortschritte.

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Der Text wird immer noch durch Übersetzung auf der Wort- strategisch bewusste Leser geworden. Sie übersetzten nicht
ebene behandelt. Auffallend sind Annikas häufige Fragen an mehr, sondern benutzten statt dessen Textinterpretation,
Felix: Paraphrasen und Vereinfachungen. Manchmal ließen sie
J Was ist das? auch einzelne Wörter aus. In einem Gespräch zwischen Felix
J Was bedeutet das? und Lisa über das Verstehen von Texten klingen die beiden
J Wie heißt das? Schüler wie ein Instruktionsbuch über Lesestrategien …
Und Felix’ wiederkehrende Antwort dazu:
J Keine Ahnung. L: Ja, zuerst liest man nur, um zu sehen, wie
viel man versteht. Ich kümmere mich auch
So mussten die Übungen zu den Lesestrategien auch im nicht immer um jedes kleine Wort, das ich
zweiten Jahr regelmäßig fortgesetzt werden. Im dritten Früh- nicht verstehe. Manchmal versuche ich nach-
lingssemester, kurz vor dem Abitur, führte ich die dritte Unter- zusehen, ob das Wort auch irgendwo anders
suchung durch. Der Text bestand diesmal aus einem sprach- im Text steht oder ob man die Bedeutung
lich recht schwierigen Werbetext des schwedischen Möbel- vielleicht doch irgendwie erraten kann.
unternehmens Ikea. Und siehe da: nach zwei Jahren konse- Manchmal versteht man ja einen Teil des
quenten Strategietrainings waren auch Felix und Annika Wortes und das genügt dann.
F: Und der Kontext! Der sagt oft, was das
Wort bedeuten müsste.
L: Genau. Manchmal können auch andere
Sprachen helfen.
F: Und der Inhalt. Man weiß vielleicht schon
eine Menge über das Thema und das
erleichtert das Verstehen.
L: Und manchmal muss man auch einiges erra-
ten.

Schlußfolgerung:
Es hat ziemlich lange gedauert, bis alle STRIMS-Schüler
strategisch zu lesen gelernt haben. Dann aber taten sie es
metakognitiv bewusst. Dass das effiziente und globale Lese-
verstehen manchen Jugendlichen zuerst schwer fiel, hing
sicherlich damit zusammen, dass sie die „Lesetechnik Über-
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setzung“, die sie aus der Grundschule mitbrachten, erst ver-


lernen und dann durch eine ganz neue Technik ersetzen
mussten. Meiner Erfahrung nach kann man schon bei
Anfängern, sogar in der allerersten Stunde zeigen – und
metakognitiv erklären – wie man den Hauptinhalt eines au-
thentischen deutschen Textes mit Hilfe von Vorkenntnissen
über das Thema, von Bildern, internationalen Wörtern und
durch sprachliche Ähnlichkeiten zwischen Schwedisch und
Deutsch verstehen kann (siehe Beispieltext links).

Wenn diese Form der Texterschließung schon sehr früh


im Unterricht geübt und oft wiederholt wird, entwickeln die
Jugendlichen ziemlich schnell ein entspanntes Verhältnis
zum Lesen authentischer Texte und zur bewussten Verwen-
dung von Lesestrategien.

Entwicklung des freien


Schreibens
Im Rahmen des STRIMS-Projekts wurde auch die Entwick-
lung der sechs Jugendlichen bei der Textproduktion beob-
Text aus: U. Tornberg: Erfahrungen 1. Malmö: Gloorups 1993, S. 12. achtet und analysiert.
Die Fragen 1–5 zum Text, die die Jugendlichen schon in der ersten Anfänger-
stunde beantworten sollen, können alle mit Hilfe von Sprachähnlichkeiten Ich greife hier die Ergebnisse beim „Schreiben eines Brie-
zwischen Schwedisch und Deutsch, internationalen Wörtern, Ortsnamen, Zif- fes“ heraus. Nach einer dreijährigen Zeitspanne (1989 und
fern etc. beantwortet werden. 1992) wurde derselbe Brief zu Testzwecken noch einmal

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geschrieben. Die Anweisung (hier ins Deutsche übersetzt) Anders 1989:


lautete beide Male: … dass du heiraten will … oder sagt man soll? … wol-
le? … Nein, jetzt schreibe ich einfach nur etwas …
willst … dass du heiraten wollen …
Du hast erfahren, dass einer deiner Freunde/
eine deiner Freundinnen (denke an jemanden, Anders 1992:
der/die wirklich existiert) heiraten möchte. … dass du heiraten soll … solltest … sollen … dass du
Denk dir ein paar gute Argumente dafür oder heiraten sollen … dass du heiraten will … wollen, will
dagegen aus. Schreibe einen Brief über deine … bist du sicher, dass du heiraten … Ich erinnere mich
Gedanken und Gefühle. ganz bestimmt, dass man am Ende immer sollen oder
Hilfsmittel: Grammatik und Wörterbuch. wollen schreiben muss. … Willst … wollen … O.K.

Ich habe diese Auszüge gewählt, weil Mia und Anders eine
Die Briefe wurden in Einzelarbeit geschrieben. Das Ton- ziemlich ähnliche Arbeitsweise haben, z.B. die Formulierung
bandgerät stand neben den Schreibenden, und diese sollten, eines Problems und das Bilden einer Hypothese. Aber
wenn möglich, bei der Arbeit „laut“ denken. Auch ich saß während Mia die Hypothesen auch immer testet, schreibt
dabei und schrieb auf, was die Schülerinnen und Schüler Anders „nur etwas“. Beide rufen auch oft ihre paradigmati-
während des Schreibens taten, ohne mich einzumischen. Da schen Kenntnisse ab:
die Aufgabenstellung identisch war und drei Jahre dazwi-
schen lagen, ist es möglich, die strategische und sprachliche Mia 1989:
Entwicklung von Lisa, Christian, Mia und Anders festzustel- … ich will, du willst, er sie es will … nein … ich wer-
len. Felix und Annika nahmen nur an einer der Untersu- de, du wirst, er sie es wird, wir werden, ihr werdet …
chungen teil. Hier folgen einige interessante Ergebnisse: werdet ihr später Kinder schaffen?

1. Die Briefe sind 1992 doppelt so lang und sprachlich kor- Mia 1992:
rekter als 1989. … Du schriebst ja, dass du verliebt … ich bin, du bist
… dass du verliebt bist …
2. Die Jugendlichen änderten ihre Arbeitsweise nicht und
behielten ihre Strategien. Die große Ausnahme ist Lisa, die Anders 1992:
im Laufe der Jahre bewusst ihr Repertoire an verschiede- … dass du heiraten sollst, soll, sollt, sollte … dass du
nen Strategien erweitert und entwickelt hat. heiraten sollst, sollen …

3. Bei Lisa, Mia und Christian ist der Inhalt in beiden Brie- Es gibt jedoch einen deutlichen Unterschied: Während das
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fen fast identisch, so als hätten sie unbewusst den ersten Abrufen von Paradigmen bei Mia effektiv als Sprachkontrol-
Brief drei Jahre lang gelagert, um ihn dann wieder ans le eingesetzt wird, scheint Anders nicht zu wissen, wozu oder
Licht zu ziehen. Bemerkenswert ist dabei, dass sich die wie man ein Paradigma verwenden kann. Wahrscheinlich
Schüler 1992 nur ganz schwach daran erinnerten, diese hat er es einmal mechanisch gelernt wie viele andere Schüler,
Aufgabe schon einmal gemacht zu haben. aber ohne etwas mit seinen Kenntnissen anfangen zu kön-
nen.
4. Dieselben sprachlichen Probleme tauchen zum Teil bei
allen vier Schülern in beiden Briefen auf. Schlußfolgerung:
Auf dem Gebiet des freien Schreibens erhielten die Schüle-
Im Folgenden ein Auszug aus dem begleitenden Protokoll rinnen und Schüler im Laufe des Projekts keinen Strategie-
(was die Schüler auf Deutsch sagen, steht hier kursiv. In einer unterricht. Erst nachträglich habe ich also eingesehen, dass
anderen Schrift steht, was die Schüler auf Schwedisch sagen.) ich auch hier sehr viel hätte tun können. Die Jugendlichen
hatten zwar ziemlich viel über Mnemotechniken erfahren
Mia 1989: und hatten auch oft verschiedene Strategien beim Vokabel-
Ich denke, dass es ist ein ... sagt man der? ... Ein gutes lernen ausprobiert. Sie wussten also schon einiges darüber,
Idee ... Wie schreibt man Idee? wie das Kurz- und Langzeit-Gedächtnis funktioniert. Diese
Nein, ich schlage nach ... Idee mit zwei -e. Idee … Kenntnisse haben sie jedoch nicht auf die Bearbeitung von
Heißt es das? Nein, es heißt die Wörtern und grammatischen Formen beim Schreiben über-
… Ich denke, dass es ist eine gute Idee … tragen.
Unter den STRIMS-Schülern ist Lisa diejenige, die sich im
Mia 1992: Laufe des Projekts am meisten entwickelt hat, nicht nur stra-
… denke ich, dass es ein Idee … das Idee, der Idee …´ tegisch und metakognitiv, sondern auch sprachlich. Auf der
Nein, ich schlage nach, Idee … nächsten Seite folgt ein Auszug aus dem Gespräch mit Felix
die Idee … dass es eine sehr spannende Idee ist … 1992 über das Erlernen von Fremdsprachen. Lisa erklärt, wie
sie mit Grammatik zu arbeiten gelernt hat:

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L: Es ist sehr gut, eigene Sätze, eigene Beispie- richt auf dem Gymnasium ungefähr auf demselben Niveau
le zur Grammatik zu machen. Wenn man wie kurz nach der Grundschule. Hier folgt ein Auszug aus
nur die Übungen im Übungsbuch macht, dem Gespräch mit Mia 1992 über seine Gedanken beim Erler-
dann geschieht alles so automatisch und nen einer Sprache:
man weiß dann nicht, was man macht.
Wenn man selber schreiben muss, dann A: Englisch! Da denke ich nur selten darüber
muss man wirklich nachdenken und man nach, wie ich schreibe. Ich bin zu müde, um
stößt auf Probleme. Dabei lernt man viel. … zu denken. In Deutsch denke ich überhaupt
nicht. Ich schreibe nur drauf los.
Lisas sprachliche Entwicklung zeigt sich besonders deut- M: Aber ich finde, Deutsch kann man leichter
lich in ihren Aufsätzen. Zwei kurze Auszüge aus den Aufsät- strukturieren als Englisch.
zen von 1990 und 1992 können als konkretes Beispiel die- A: Das weiß ich nicht.
nen. Zu beiden Gelegenheiten hatten die Schüler die Mög- M: Hast du deine Arbeitsweise verändert?
lichkeit schon im Voraus ihr Aufsatzthema zu wählen. Beim A: Nein, ich glaube nicht. Ich will sie auch gar
Schreiben durften sie ihr Wörterbuch und ihre Grammatik nicht verändern. Deswegen lerne ich auch
dabei haben, durften aber keine Notizen mitbringen. Die zur nichts ...
Verfügung stehende Zeit betrug jeweils 90 Minuten.
Motivationsprobleme
Damit sind wir wieder an dem Punkt, wo sich die Lernsitua-
Lisa 1990 tionen außerhalb der Schule und im Klassenzimmer am
(Aufsatzthema: Was das Leben lebenswert macht) meisten unterscheiden. Außerhalb der Schule entscheidet
… Aber wie sollen man denn das Leben man selbst, was man lernen will oder sogar muss. Im Klas-
lebenswert machen? Ich finde die Urlau- senzimmer ist der Einfluss der Schüler auf den Unterrichts-
ber sehr wichtige. Alle Leute müssen eine inhalt bis jetzt oft sehr begrenzt gewesen. Wie wichtig die
Chanse zu ausruhen von das täglische Selbstbestimmung der Lernenden jedoch für die Motivation
Leben bekommen. Vielleicht Reise oder ist, geht aus einem Interview mit Christian aus dem Jahre
sich nur Ruhe und umgehe mit Familie 1991 hervor:
und Freunde. Mange verschiedene Dinge
und Ereignisse macht mein Leben lebens- C: Wenn man selbst gewählt hat, z. B. einen
wert. Ich glaube jeden Individ verschiede- interessanten Artikel in einer Zeitschrift über
ne Dinge schätze. Wenn ich traurig bin den man schreiben oder erzählen möchte,
werde ich oft auf guter gelaunt nach einer dann kann man … dann fängt man vielleicht
um 5 Uhr nachmittags an und sitzt den
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Spaziergang. Manchmal kann ein guter


Buch zu lesen oder eine gute Platte zu ganzen Abend. Nur weil es Spaß macht.
hören sind genug. … Man vergisst die Zeit …

Lisa 1992 (Aufsatzthema: Wohin jetzt?) Man kann die Schüler zum Lernen-Wollen nicht zwingen.
… Ich weiß leider nicht, mit was ich in Man kann ihnen allenfalls geeignete Strategien zeigen,
der Zukunft arbeiten will. Wenn ich das damit sie vielleicht verstehen, dass es oft leichter ist nach-
wüßte, wäre es vielleicht leichter. Ich habe zudenken als „überhaupt nicht zu denken“. Man kann mit
Angst viele Jahre zu studieren und einen ihnen die Verantwortung für das WAS, WARUM und WIE des
Job zu schaffen und dann entdecken, dass Unterrichts teilen und dadurch eine entspannte und koope-
es mir gar nicht gefällt. Oder vielleicht rative Atmosphäre im Klassenzimmer etablieren. Die Ler-
finde ich niemals eine Arbeit, mit welcher nenden müssen aber auch das Recht haben, nicht lernen zu
ich zufrieden werde. wollen. Wenn jemand sein Desinteresse bewusst, metakogni-
Welcher Angsttraum! Erst muss ich wei- tiv motivieren kann, muss man ihn, meines Erachtens, als
terstudieren – aber was? Es gibt viele autonomen Menschen respektieren. Als Beispiel hierzu könn-
interessante Kurse – wie soll ich wählen? te Felix dienen. Er war, genau wie Anders, ziemlich uninter-
Soll ich die Kurse, die ich sehr interessant essiert daran, wie er sein Lernen strategisch verbessern könn-
finde nehmen, oder die Kurse aus welchen te, und war in den Deutschstunden oft passiv. Als ich ihn bei
ich in der Zukunft in einem Job Nutzen einer Gelegenheit darauf aufmerksam machte und ihm sag-
ziehen kann? … te, dass er seine Noten in Deutsch mit etwas Anstrengung
wesentlich verbessern könnte, antwortete er, dass er in
Deutsch keine besseren Noten braucht. Er erzählte, dass er
später das Sportgeschäft seines Vaters übernehmen würde
Der Schüler, der sich am wenigsten entwickelt, ist Anders. und dass er deswegen seine schulischen Anstrengungen auf
Auch er denkt metakognitiv, aber im negativen Sinne, und Betriebswirtschaft und Ökonomie konzentrieren wollte. Er
seine Sprache befindet sich nach drei Jahren Deutschunter- hatte in diesen Fächern auch die höchsten Noten.

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STRIMS – und danach? J Warum war die Übung schlecht?


J Was habe ich dabei gelernt?
Ich habe hier nur über einen kleinen Ausschnitt der STRIMS- J Gibt es vielleicht bessere Übungen?
Ergebnisse berichtet. Das Projekt ergab insgesamt über 160 J Können wir vielleicht eigene Übungen zu diesem
transkribierte und analysierte Arbeitsgespräche von je etwa Thema machen?
40 Minuten. Durch diese Gespräche haben wir erfahren, dass
wir Lehrerinnen und Lehrer eigentlich oft sehr wenig darü- 4. Die Kontrolle der Hausaufgaben und auch die Korrektu-
ber wissen, wie Schülerinnen und Schüler beim Lösen von ren werden – soweit möglich – in die Gruppen verlegt.
sprachlichen Aufgaben und Problemen denken und wie sie
tatsächlich arbeiten. Diese Kenntnisse bilden jedoch, unse- 5. Die einzelnen Schülerinnen und Schüler müssen mindes-
rer Erfahrung nach, die grundlegende Voraussetzung für eine tens einmal pro Semester/Halbjahr entscheiden, was er/sie
metakognitive Arbeit mit den Schülern. Denn wenn man lernen will, wie er/sie es durchführen soll und wie viel
nicht bei ihnen und ihren Gedanken und Vorstellungen Arbeit und Anstrengung er/sie dem Fach widmen möch-
anfängt, besteht die Gefahr, dass auch der metakognitive te. Mit der Zeit bestimmen nur noch die Lernenden selbst,
Ansatz „doch nur von oben“ initiiert und gesteuert wird. welche Inhalte sie bearbeiten wollen.

Gelernt haben wir auch, dass es nicht genügt, ein- oder 6. Prüfungen werden in Gruppen vorbereitet:
zweimal mit Strategien zu arbeiten. Eingeprägte Lernmuster J Was haben wir gelernt?
zu verändern ist ein langfristiges Unternehmen. Etwas Neu- J Was soll geprüft werden?
es wirklich zu lernen bedeutet, dass sich auch etwas an dem J Wie soll es geprüft werden? etc.
eigenen Weltbild verändert, und das sowohl bei den Lehren- Danach wird die Prüfung nach den Anweisungen der Ler-
den wie bei den Lernenden. nernden von der Lehrperson fertiggestellt.

Zum Abschluss möchte ich ein paar praktische Hinweise 7. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich selbst beno-
für einen schrittweisen Aufbau des metakognitiven Klassen- ten; sie müssen die selbstgesetzten Noten auch begründen
zimmers geben. Die hier beschriebenen Schritte, von denen können. Diese Note bildet dann den Ausgangspunkt für
einige Sie verwundern mögen, ergaben sich aus den Ein- die individuelle Diskussion über Noten Mitte und Ende
sichten, die wir aus dem STRIMS-Projekt gewonnen haben. jedes Semesters/Halbjahres.
Diese Einsichten bestimmen fortan meine Arbeit als Lehre-
rin und als Lehreraus- und -fortbildnerin. Da die meiste Arbeit in den Gruppen stattfindet, kann die
Lehrperson sich auf diejenigen Gruppen konzen-
1. Der Frontalunterricht wird durch die sichtbare Verände- trieren, die Hilfe brauchen. Das ist besonders
rung der Möblierung im Klassenzimmer abgebaut. Die in großen Klassen günstig, wo man im
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Lernenden sitzen in selbstgewählten Gruppen zu dritt, zu traditionellen Frontalunterricht eigent-


viert oder sogar zu fünft und lösen alle sprachlichen Auf- lich nie recht weiß, wo sich die einzel- „Die weitaus meisten
gaben – schriftlich und mündlich – gemeinsam. (Das nen Schüler mental und emotional
STRIMS-Projekt hat u.a. gezeigt, dass sowohl lernstarke befinden. In den kleinen Gruppen Arbeitsgänge im Gehirn
wie lernschwache Schüler von den Gesprächen und den arbeiten die Schülerinnen und verlaufen unbewusst.
verbalisierten Problemlösungen sehr profitieren.) Schüler auf ihrem eigenen Niveau
und in ihrem eigenen Tempo, stel-
Überall dort aber, wo Hirn-
2. Es finden regelmäßige Diskussionen über die eigenen len mehr Fragen, sprechen mehr vorgänge von bewusstem
Lernstrategien und Lernstile und über Lernprozesse gene- Deutsch und gestehen leich-
Erleben begleitet werden,
rell statt. Gegebenenfalls können auch Ergebnisse der ter, wenn sie etwas nicht
Spracherwerbsforschung – ausgehend von einfachen Fra- verstehen. Man kommt etwa beim Erkennen eines
gen – auf einfache Weise besprochen werden. Zum Bei- ihnen dadurch auch persön- Gesichts oder beim Erfassen
spiel: „Wie lerne ich neue Wörter?“ Es ist wichtig, dass lich näher. Und das ist, meines
zunächst einmal eine Gruppendiskussion beginnt, erst Erachtens, der allergrößte Vor- einer Wortbedeutung,
danach wird neues Wissen vermittelt. Die metakognitive teil des metakognitiven Klas- sind Stoffwechsel und
Frage „Was kann man, wenn man ein Wort ,kann‘?“ führt senzimmers – der soziale und
schließlich dazu, dass die Lernenden ihre mechanischen der emotionale Gewinn. Für Durchblutung erhöht.
Strategien aufgeben und anfangen, flexiblere Arbeitswei- die Lehrperson bedeutet es, Das lässt sich
sen zu entwickeln. dass sie nicht mehr allein, son-
dern mit den Schülerinnen und Schülern mit neuen
3. Material, Aufgaben und Übungen werden von den Ler- gemeinsam arbeitet. Das Lernen wird zu einem bildgebenden
nenden in den Gruppen und in der ganzen Lerngruppe gemeinsamen Anliegen.
Verfahren
kontinuierlich ausgewertet:
J Was habe ich aus diesem Text erfahren? zeigen.“
J Was habe ich gelernt?
J Wozu war diese Übung gut?

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LESEWEGE
Wählen, was man lesen will,
von SUSY KELLER und überlegen, wie man lesen soll
MARUSKA MARIOTTA
Für Heft 7 von „Fremdsprache Die beiden Autorinnen aus der Vorlieben und Stärken freien
Deutsch“ schrieben wir einen Lauf lassen und einfach das
Beitrag mit dem Titel „Der Schweiz präsentieren selbstentwickel- bearbeiten, was er bzw. sie mag
Traum vom autonomen Ler- und kann. Dabei wird geübt und
nen“. Damals ging es darum, te Materialien, mit denen die Lernen- nach Lösungen gesucht, aber es
wie man den Lernenden einen darf genauso kreiert, gestaltet
Weg zum selbständigen Aus- den immer selbständiger verschiede- und experimentiert werden,
wählen und Verstehen von Hör- denn nur was man selbst aus-
texten1 zeigen kann. In diesem ne Lesetexte wie Krimis, Märchen, Zei- probiert, auch wenn man ab und
Beitrag nun möchten wir unse- zu darüber stolpert und Rück-
re Aufmerksamkeit auf eine tungstexte und viele andere erschlies- schläge erlebt, hinterlässt auch
andere Fertigkeit, auf das Lesen, wirklich brauchbare und unaus-
richten. sen können. löschliche Spuren.
„Lesewege“2 ist der Titel
unseres Beitrags. Warum „Wege“? Weil wir den Lernenden
„Wege“ anbieten wollen, die sie gehen können. Unter-
Was wird benötigt?
schiedliche Wege, eigene Wege, überlegte, möglichst ein- Die Arbeitsblätter zwingen den Lernenden keine Texte auf,
trägliche, leichte, kurze, richtige, doch manchmal auch sondern geben ihnen vielmehr die Möglichkeit, sich selbst
schwere, lange und gar falsche, die sie dann aber oft auf die einen Text auszusuchen, der dem eigenen Sprachkönnen
für sie zugeschnittene und richtige Fährte führen. entspricht und ihm (oder ihr) natürlich auch vom Inhalt
her zusagt. Die Arbeitsblätter sind nämlich so konzipiert,
dass ihr Einsatz beliebig oft und innerhalb eines Themen-
Was wird angestrebt? kreises unabhängig von einem spezifischen Text möglich ist.
Der Grundgedanke ist das Lernen lernen. Die Lernenden wer- Kurz gesagt: Sie sind nicht textgebunden, sondern absolut
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den aufgefordert, ihren eigenen Lernprozess zu überblicken, offen, im Gegensatz zu herkömmlichen Arbeitsblättern. Die
Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen, Themen umfassen Kurzgeschichten unterschiedlicher Art wie
neue Lerntechniken zu entwickeln und nach Bedarf einzu- Krimis und Märchen; Zeitungstexte mit Sparten wie Sport,
setzen, die eigenen Lernfortschritte einzuschätzen und zu Wetter und Werbung; Rezepte.
bewerten. Sie sollen also die Möglichkeit haben, den eigenen
Lernweg, in diesem Falle „Leseweg“, zu gehen, ohne dass Beim Lernen (und Leben) im Zielsprachenland können
ihnen jemand vorschreibt, wie sie gehen müssen. Jeder und die Lernenden ohne allzu grosse Mühe authentische Mate-
jede soll den eigenen Rhythmus bestimmen, den eigenen rialien finden, und sie sollen auch aufgefordert werden, die-
se mit in die Klasse zu bringen, ganz im Sinne der „pédago-
gie de la négociation“ und ihrer Ziele (siehe dazu den Bei-
Schülerkommentare trag von C. Nodari auf S. 7). Damit erweitert man nicht nur
das Angebot von Texten, die die Lernenden auch tatsächlich
„Mit dieser Lernerfahrung habe ich andere Arbeitsmöglichkeiten ansprechen. Ein weiterer Faktor spielt bei diesen „Verhand-
kennen gelernt; ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen!“ lungen“ eine zentrale Rolle: Die Lernenden werden sich ihrer
„Ich finde korrekt, dass der Lehrer sich nicht einmischt, sonst würde Mitverantwortung bei der Suche und der Wahl der Lesetexte
ich mich wieder verpflichtet fühlen, anders vorzugehen. Ich könnte bewusst und nehmen somit eine neue Rolle im Lerngesche-
dann auch nicht sagen, dass ich alles selber gelöst habe.“ hen ein. Bei anderen Themen, speziell bei den literarischen,
ist es hingegen unumgänglich, dass man den Lernenden
„Autonomie = Freude haben, allein ans Ziel zu kommen und sich eine Auswahl von Texten zur Verfügung stellt, aus der sie
selbst zu evaluieren.“ dann selbst wählen sollen.
„Die Arbeit mit aktuellen Themen ist für uns Jugendliche attraktiver
und interessanter, deswegen arbeiten wir auch intensiver.“ Wie kann man vorgehen?
„Ich finde gut, dass es für jedes Thema verschiedene Schwierigkeits- Die Lernenden müssen ausführlich in die neue Arbeitsweise
stufen gibt, so kann jeder frei und nach seinen Bedürfnissen wählen.“ eingeführt und über die globalen Lernziele informiert wer-
den. Sie müssen wissen, dass sie viel mehr Eigenverantwor-

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Mit welcher Stufe soll man Wie wird das Thema ausgewählt?
anfangen? • Die Lehrperson stellt der Klasse die angebotenen Themen vor.
• Die Lehrperson erklärt die Merkmale der • Die Lernenden treffen von sich aus, je nach den eigenen Interessen,
verschiedenen Stufen. die Wahl. Oder:
• Die Lehrperson kann eventuell mit der Klas- • Die Lernenden besprechen die Themen zuerst untereinander und
se ein Beispiel als Modell für den Schwie- mit der Lehrperson und wählen danach aus.
rigkeitsgrad durchspielen.
• Die Lernenden schätzen ihr Können ein
und wählen dementsprechend die Stufe.
• Die Lernenden wählen einen anderen gibt es eine Evaluationsphase, bei der überlegt werden soll,
Schwierigkeitsgrad, falls sie sich unter- oder wie weit bisherige Lesegewohnheiten, bereits vorhandene
überschätzt haben. Sprachkenntnisse und Vorkenntnisse über Autoren und Wer-
ke beim Deutschlesen helfen. Auch soll der Leser/Lerner beur-
teilen, ob ihm die Lektüre von Romanen, Krimis oder eher
von Märchen und anderen Kurzerzählungen zusagt.
tung haben als bei herkömmlichen Arbeitsverfahren und dass Das zweite Paket (Lernstufe 2) finden Sie auf der folgen-
sie Entscheidungen auf sich nehmen müssen, die unter- den Doppelseite komplett abgedruckt. Die Aufgaben auf den
richtsrelevant sind. So werden sie nicht nur die Lernziele fest- vier Arbeitsblättern stellen eine Art Raster dar (man könnte
legen, sondern auch die Auswahl des Materials, mit dem sie auch „Schablone“ sagen), mit dessen Hilfe die Lerner/Leser
üben wollen, von sich aus treffen und über das „Was-wo- jede weitere Kriminalgeschichte selbständig erarbeiten kön-
wann-wie oft-wie schwierig“ selbst entscheiden. Die Lernen- nen. Am besten Sie probieren es selber einmal aus.
den selbst beurteilen die Qualität ihrer Arbeitsweise und nicht
die Lehrperson. Deshalb müssen sie bei der Evaluation der Hier noch einige Anmerkungen zur Evaluationphase, die
Arbeitsresultate auch bereit sein, mit sich selber ehrlich und jedes Paket mit einer Reflexion des Lernprozesses abschliesst.
selbstkritisch umzugehen. Damit bekommen die Lernenden die Möglichkeit, ihre Lern-
Und die Lehrerinnen und Lehrer? Kommen sie sich da fortschritte und ihre Arbeitsweise zu überprüfen, zu verbali-
nicht fast als unnötiger und vielleicht gar unerwünschter sieren und zu erkennen, wo Schwierigkeiten bzw. positive
Ballast vor? Lernergebnisse zu verzeichnen sind. Um die Lernenden in
Absolut nicht, aber auch ihre Rolle verändert sich. Sie diesem äusserst wichtigen Arbeitsabschnitt nicht mit sprach-
müssen bereit sein, ihre dirigierende Dominanz abzulegen, lichen Problemen zu belasten, sind die Anweisungen in der
um statt dessen eine Funktion wahrzunehmen, bei der sie Muttersprache gehalten (eine deutsche Übersetzung finden
die Lernenden in ihrem autonomen Wissens- und Könnens- Sie auf S. 65). Die Reflexionsphase soll es den Lernenden
erwerb anregen, unterstützen und, wenn nötig, ihnen auch ermöglichen, sich die angewandten Lernstrategien bewusst
helfen. Die Lehrperson wird demnach Berater, Organisator, zu machen: Bestimmte Aussagen werden vorgegeben, denen
Assistent und Diskussionspartner: eine unerlässliche und viel- die Lernenden je nach Selbsteinschätzung Punkte zuteilen.
fältige Präsenz. Am Ende zeigt die Gesamtzahl der Punkte jedem Einzelnen,
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wie gut seine kriminalistische Spürnase bereits ist.


Wie sehen die
Literaturhinweis:
Arbeitsblätter aus? 1 Ghisla, G./Holenstein, A./Keller, S./Mariotta, M./Saglini, S.: Ganz
Ohr. München: Langenscheidt 1996.
Wir stellen hier zwei Pakete vor. Das erste Paket beschreiben
2 Ghisla, G./Holenstein, A./Keller, S./Mariotta, M./Saglini, S.: Lese-
wir nur kurz, damit Sie sich ein Bild von einem Ein- wege. Corsico (MI): Inter Orbis 1996.
führungspaket machen können. Das Thema sind „Kurze
literarische Texte“, und es geht dabei zunächst um eine
Annäherung ans Thema und um eine Orientierung und
Reflexion der eigenen Lesegewohnheiten. Durch Zeichnun-
gen und mögliche Antworten (am Abend, im Zimmer, auf Wie kann die Arbeit organisiert werden?
Französisch, in der Bibliothek, …) stimuliert, wird der
Leser/Lerner aufgefordert, darüber nachzudenken, wann, wo, • Die Lernenden können in der Schule oder zu Hause, individuell
in welcher Sprache er meistens liest und wie oder wo er sich oder mit einem Partner arbeiten.
die Lesetexte besorgt. In einem zweiten Schritt äussert er sich • Die Lernenden bestimmen ihren Arbeitsrhythmus und entscheiden,
über seine Lieblingslektüren, indem er die Art von Lektüre ob sie externe Hilfen (Lehrer, Nachschlagewerke, usw.) in Anspruch
definiert (literarischer Text, Comic, Zeitung, … ). Schliess- nehmen wollen.
lich versucht er abzuschätzen, wie oft er seine Zeit den ver-
schiedenen Textsorten widmet.
Danach folgt eine Phase, in der er seine literarischen Vor-
kenntnisse prüft. Kennt er vielleicht den einen oder anderen Wie wird die Arbeit bewertet?
deutschsprachigen Schriftsteller? Hat er schon etwas auf
Deutsch gelesen? Oder erinnert er sich eventuell an den Titel • Die Lernenden beschränken sich auf die Selbstevaluation. Oder:
eines Werks? Im vierten Abschnitt wird er mit einigen • Die Lernenden wollen auch die Meinung der Lehrperson hören. Oder:
berühmten Autoren und deren Werken konfrontiert (Brüder • Die Lernenden vergleichen ihre Arbeiten untereinander.
Grimm, Christine Nöstlinger, Michael Ende). Zum Schluss

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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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AUTONOMIE UND LEHRWERKE


– EIN WIDERSPRUCH?
von MICHAEL KOENIG
Lehrwerke haben immer schon
bewusst oder unbewusst zur Oder: Wie kann die Autonomie
Entwicklung eines bestimmten
Lernverhaltens beigetragen und der Lernenden durch Lehrwerke
die Entwicklung und Ausübung
bestimmter Lerntechniken beim
gefördert werden?
Lerner betont und unterstützt.
In den Lehrwerken der Gram- Seit nunmehr zehn Jahren besteht die von Lernverhalten auch für
matik-Übersetzungs-Methode Fremdsprachenlehrwerke (vgl.
z. B. das Auswendiglernen von Forderung nach Lehrwerken, in denen Nodari 1995).
Regeln und Systemen, in audio-
lingualen/audiovisuellen Ansät- Wege aufgezeigt werden, wie die In den folgenden Ausführun-
zen eher Techniken wie Wieder- gen geht es um die Frage nach
holen, Nachsprechen oder Ab- Autonomie der Lernenden im Unter- der Art und Weise der Vermitt-
schreiben und in kommunika- lung von autonomiefördernden
tiven Ansätzen unter anderem richt gefördert werden kann. In man- Aktivitäten in Materialien für
verstärkt Strategien des Verste- den Deutschunterricht. Sieht
hens von Hör- und Lesetexten. chen neueren Lehrwerken wurde die- man sich neuere Lehrmateriali-
en an, so lassen sich die folgen-
In keinem der genannten se Forderung umgesetzt. den Vorgehensweisen erkennen:
Ansätze wurde jedoch die Art und
Weise des Lernens, die Verarbei- Michael Koenig zeigt verschiedene Lernstrategien und Anregun-
tung der Informationen und das gen zum selbständigen Lernen
Anwenden des Gelernten als Angebote aus vier Lehrwerken für können separat oder integriert
Lernziel bewusst definiert. trainiert werden, sie können
Deutsch als Fremdsprache und ord- explizit vermittelt werden oder
Heute noch erhalten die Ler- indirekt/implizit in das Material
nenden in der Regel weder in net sie nach lernpsychologischen Kri- einfließen.
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der Schule noch im außerschu- Was sind Vor- und Nachteile


lischen Umfeld Gelegenheit, terien. der verschiedenen Vorgehens-
ihre persönliche Lernmethodik weisen?
kritisch zu hinterfragen, konstruktiv zu überdenken oder sie
mit anderen Lernenden zu diskutieren. Den meisten Schüle- Argumente für ein externes, separates Strategietraining:
rinnen und Schülern mangelt es in dieser Hinsicht an Pro- Strategien (zum Beispiel Gedächtnisstrategien wie Mne-
blembewusstsein. Wichtig ist, dass den Lernenden Lernpro- motechniken), einmal richtig gelernt, sind für vielfältige
bleme und methodische Unzulänglichkeiten konkret, ein- Zusammenhänge generalisierbar und Lernende können ihre
leuchtend und inspirierend vor Augen geführt werden, mit ganze Aufmerksamkeit auf das Erlernen und das Üben der
dem Ziel, Anlässe zum Nachdenken und zum Gespräch zu Strategien und die Erweiterung ihrer Methodenkompetenz
erhöhen und letzten Endes zur Entwicklung und zum Aus- richten, ohne gleichzeitig auch noch linguistische oder ande-
probieren von Lösungswegen zu gelangen. Die Möglichkei- re Inhalte aufnehmen zu müssen.
ten der Umsetzung in Unterricht und Lehrwerk sind dabei
zahlreich (vgl. Klippert 1995): Dagegen spricht jedoch, dass Lernende meistens Schwie-
G Experimente (zu bestimmten Lerntechniken) im Unter- rigkeiten haben, die Strategien, die sie in separaten Pro-
richt und ihre Auswertung, grammen gelernt hatten, auf andere Sachverhalte zu über-
G (Selbst-)Befragung der Lernenden, tragen. Der gewünschte Transfer findet oft nicht statt.
G Dokumentation problematischer Lernstrategien an Fall-
beispielen fiktiver Lernender, Eine andere Frage ist, ob Lernstrategien explizit oder
G Gegenseitige Lernberatung der Lernenden, implizit vermittelt werden sollten. Bei einer expliziten Ver-
G … mittlung werden die Lernenden über den Wert und den Zweck
des Strategietrainings mehr oder weniger ausführlich infor-
In der Unterrichtspraxis und in den benutzten Materia- miert, bei einer impliziten Vermittlung sollen die angebote-
lien ist die Umsetzung solcher Ideen eher eine Seltenheit. Aus nen Materialien und Übungen den Gebrauch von Strategien
diesem Grund fordern neuere Ansätze und Kriterienkataloge stimulieren, sie thematisieren jedoch nicht die Begründung
zur Lehrwerkgestaltung die Thematisierung dieser Aspekte für den jeweiligen Gebrauch.

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Explizite Anregungen, den Lern- und Arbeitsprozess zu


reflektieren und explizite Einsichten in und Reflexionen über
Lerntechnik
die verwendeten Verfahren, scheinen eine entscheidende Rol-
Für viele Schülerinnen und Schüler ist es schwierig, so viele neue
le zu spielen und das Lernverhalten im Sinne einer ’Auto-
Wörter zu lernen und zu behalten. Hier lernst du zwei Techniken
nomisierung‘ (Porquier, zitiert nach André 1992, 67) positiv
kennen, mit denen du viele Wörter lernen kannst. Welche Technik
zu beeinflussen. Ein Nachteil ist dabei, dass nur wenige Leh-
gefällt dir besser?
rer und Lehrerinnen ihren Schülern bei dieser Art der Refle-
xion helfen können, da sie selbst im Rahmen ihrer jeweili-
Kategorien bilden
gen Ausbildung in der Regel nur selten mit Prozessen und
1. Mit Wörtern, die man lernen muss, kann man Kategorien bilden.
Verfahren zum selbstbestimmten Lernen konfrontiert wur-
Ordne die folgenden Aktivitäten in drei Kategorien.
den. Für eine implizite Vermittlung spricht also, dass kei-
ne besonderen, zusätzlichen Erklärungen der zugrunde lie- Zimmer aufräumen Hausaufgaben machen fernsehen Velo putzen
kochen spazieren gehen einkaufen Rechenaufgaben lösen
genden Lerntechniken notwendig sind. Die Lernenden durch-
Sport treiben Geschirr abwaschen spielen Übungen machen
laufen die Übungen, wenden sinnvolle Operationen an und Wörter lernen Prüfungen vorbereiten Velo fahren
lernen praktisch ’nebenbei‘ – so jedenfalls die Wunschvor-
1. Schularbeit 2. Hausarbeit 3. Freizeitaktivität
stellung – neue Strategien. So lassen sich in den letzten Jah- Prüfungen vorbereiten kochen Velo fahren
ren immer mehr solcher impliziten Übungsansätze in Lehr-
materialien finden, die Erkenntnisse aus der Gedächtnisfor-
schung umsetzen, z. B. das Ordnen von Wortschatz in sinn- Beispiel 2, aus: Kontakt 1, Textbuch S. 109.
vollen Gruppen (Beispiel 1).

Man spricht in diesem Fall von ’blinden‘ (Bimmel Einen bewussteren Umgang mit dem Problem – und
1993, 8) oder besser: ’unreflektierten‘ Strategieanwendun- damit auch einen erhöhten ’Transferwert‘ enthält die Akti-
gen, die nur selten zu einer bewussten, dauerhaften Förde- vität in Beispiel 2.
rung selbstgesteuerten Lernverhaltens beitragen.
Bei der Förderung von Lernerautonomie ist wichtig, dass
die neuen Verfahren und Überlegungen auch wirklich durch-
gespielt und ’geübt‘ werden. Ein bloßes Vermitteln von Infor-
Wörter nach Kategorien ordnen mationen und der ’Appell zum Nachmachen‘ reichen nicht
aus. Die provokative These, dass im Fremdsprachenunterricht
a Ordne die Wörter in drei Kategorien. – und vielleicht im Unterricht generell – nicht genug geübt
Gib jeder Kategorie einen Namen. wird, trifft auch die Bemühungen um die Autonomie der Ler-
Äpfel, Blumenkohl, Zwiebeln, Kirschen, nenden.
Trauben, Schweinekotelett, Gurken,
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Rindersteak, Kalbstwurst, Kalbsschnitzel,


Himbeeren, Salat

b Ergänze die Artikel. Kontrolliere mit


dem Wörterverzeichnis.

Beispiel 1, aus: sowieso 2, Arbeitsbuch S. 65.

Beispiel 3, aus: sowieso 2, Kursbuch,


S. 29: Schulstress und was man dagegen
tun kann. Die Lernenden sollen erken-
nen, dass Stress nicht nur fremd-
bestimmt ist, sondern dass sie auch
selbst zahlreiche Möglichkeiten haben,
etwas dagegen zu unternehmen.

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Forderungen an Lehrmaterialien
Aus den vorangegangenen Überlegungen ergibt sich die For-
derung an Lehrmaterialien, einerseits Ansätze mit explizitem
Trainingscharakter anzubieten und andererseits ausreichen-
de Übungsangebote in das Lernmaterialien zu integrieren.
Im Folgenden sollen einige Beispiele zur Vermittlung und
zum Üben von Lernerautonomie in Lehrwerken vorgestellt
werden.
1. Allgemeine Strategien
Neben den fertigkeitsbezogenen Techniken (Hör-/Lesestrate-
gien …), die neben den mittlerweile ebenfalls relativ weit
verbreiteten Gedächtnisstrategien (Mnemotechniken) in vie-
len neueren Lehrmaterialien schon thematisiert sind, ist
auch der Bereich der methodischen Kompetenz wichtig, der
die Entwicklung eines positiven Lernverhaltens indirekt
unterstützen kann (Stützstrategien). Befragungen von Schü-
lerinnen und Schülern zeigen beispielsweise, dass nur ein
sehr geringer Teil von ihnen die eigene Lernzeit so einteilen
kann, dass sie z. B. bei Klassenarbeiten nicht unter Druck
geraten, ganz zu schweigen von Techniken, wie sie zum Bei-
Beispiel 5, aus: sowieso 1, Arbeitsbuch S. 82. spiel schriftliche Produkte in eine ansprechende, sinnvoll
gegliederte und markierte Form bringen können, was neben
einer verbesserten Optik auch positive Auswirkungen auf
Beispiel 6, aus: sowieso 1, Kursbuch, S. 103. Motivation und Behaltenseffekte haben kann. Solche ’Ver-
haltenstechniken‘ sind oft – im Gegensatz zu den soge-
nannten mentalen Veränderungen im Denken der Lernen-
den – leicht beobachtbar, da sich mögliche Veränderungen
auch von den Lernenden selbst leicht messen und kontrol-
lieren lassen. Auch hier darf es nicht nur bei der ’Vorstellung‘
von Techniken bleiben. Anregungen zum Nachdenken über
das eigene ’Lernverhalten‘ sollten immer wieder neben den
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traditionellen Inhalten in den Lehrwerken kontinuierlich


thematisiert werden (siehe Beispiele 3, S. 35, und 4, S. 36).
2. Fertigkeitsbezogene Strategien: Lesen
Die Beispiele 5 und 6 zeigen den Versuch, die oben disku-
tierten Vorteile einer expliziten und separaten mit den Vor-
teilen einer impliziten Vermittlung von autonomiefördern-
den Verfahren und Übungen zu verbinden: Ein explizites,
ausführliches Training der Strategien für die Fertigkeit Lesen
für die Lernenden separat im Arbeitsbuch (Beispiel 5) wird

Zur Lerntechnik
• Wie oft übst du mit dieser Lerntechnik?
l 1mal pro Woche
l 2mal pro Woche
l 3mal pro Woche
• Findest du diese Lerntechnik gut?
l ja l nein

Beispiel 4, aus: Kontakt 1, Grammatik und Übungen,


S. 16: Die Lernenden sollten im Verlauf des Lehrmate-
rials immer wieder daran erinnert werden, was sie
tun können, um ihren Lernprozess zu verbessern.
Sie sollten auch in einer Selbstüberprüfung festhalten,
ob und wie konsequent sie die neuen Techniken
anwenden.

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ergänzt mit impliziten, von Strategiedenken bestimmten


Übungen im eigentlichen Lehrbuch (Beispiel 6).

Ein schönes, sprachlich sehr einfach gehaltenes Beispiel


für die Integration von traditionellen und strategiebezoge-
nen Leseverstehensübungen zeigt Beispiel 7: Neben den
bekannten Fragen zum Text (d) findet sich hier eine Sensi-
bilisierung der Lernenden für die vielfältigen Möglichkeiten,
Weltwissen und Kenntnisse anderer Sprachen in den Lese-
verstehensprozess einzubringen. Das Ausfüllen der Tabelle
(c), wie auch die Tabelle an sich, kann als Muster gelten für
das Training mit anderen Texten.

In der Unterrichtspraxis fällt immer wieder auf, dass vie-


le Fremdsprachenlernende beim Lesen zu vergessen schei-
nen, dass sie in der Muttersprache schon über effiziente Stra-
tegien der Informationsentnahme verfügen. Ein Strategie-
training in diesem Bereich sollte Lernende an diese, schon
vorhandenen Techniken erinnern und sie ermutigen, diese
Techniken auch im Fremdsprachenunterricht zu benutzen.
Strategietraining bedeutet, die Lernenden immer wieder mit
Situationen zu konfrontieren, in denen sie neue Formen des
Lernens und der Informationsverarbeitung modellhaft erpro-
ben können.
3. Prozessorientiertes Lernen
Bei der Erarbeitung von grammatischen Regeln bevorzugt
eine wachsende Zahl von Lehrenden induktive Verfahren
(siehe Beispiel 8 auf der nächsten Seite), genauer gesagt, vie-
le lassen anhand von Beispielen die Lernenden die jeweili-
gen Regeln – mit Unterstützung – selbst entdecken und for-
mulieren. Solche Verfahren fördern das Sprachbewusstsein
und regen selbständiges Denken und Handeln an. Dieser Pro-
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zess ist allerdings immer abhängig von der jeweiligen Leh-


rerpersönlichkeit und einer Vorliebe für bestimmte Lehrstile.
Für Lehrmaterialien bedeutet dies einerseits, dass ent-
deckenlassende Verfahren und Anregungen schon im Mate-
rial verankert sein müssten, damit die Lernenden ent-
deckende Verfahren kennen lernen können und dass es ande-
rerseits auch wirklich etwas zu entdecken geben muss. Nicht
zuletzt müssen Lernende aber auch, je nach Lernstil, die
Möglichkeit erhalten, sich an ’fertigen‘ grammatischen Beispiel 7, aus:
Systemen zu orientieren. Eine Möglichkeit, all diesen ist auch, Aktivitäten über den häufig bis ins kleinste Detail Stufen internatio-
Ansprüchen gerecht zu werden ist die Auslagerung gram- vorbestimmten Lehrwerkrahmen und den Unterricht im nal 1, S. 37: Inte-
gration von
matischer Systeme in ein separates ’Referenzmaterial‘, auf Klassenzimmer hinaus anzubieten. Freiere Aufforderungen traditionellem und
das die Lernenden immer wieder bei Bedarf – wie auch bei und Aufgaben, zum Beispiel, ein Projekt durchzuführen, soll- strategiebezoge-
dem Beispiel des systematischen Trainings von allgemeinen ten dabei im Sinne eines Trainings zunächst durch steuern- nem Leseverstehen
oder fertigkeitsbezogenen Strategien – Zugriff haben. Ver- de Hinweise unterstützt werden, die ein Gelingen einer sol-
fahren, die das Entdecken von Regularitäten und damit auch chen Aktivität unterstützen. Arbeitsanregungen sollten dabei
die Neugier der Lernenden fördern, sind selbstverständlich zunehmend die Selbsttätigkeit der Lernenden fördern. Die
nicht auf die Erarbeitung grammatischer Regeln beschränkt. Rolle, die den Schülerinnen und Schülern bei Aufgaben und
Wo immer möglich, sollten vom Material Impulse ausgehen, Aktivitäten im Lehrwerk zugedacht ist, lässt sich oft schon
die die Lernenden im Sinne einer Förderung der Sprachbe- an den Arbeitsanweisungen ablesen. Angaben wie: Disku-
wusstheit zum Vergleich von Erscheinungen der fremden tiert/Entscheidet/Überlegt/Organisiert/Stellt euch vor,/Kennst
Sprache und Kultur mit ihrer eigenen Sprache und Welt du …? Erinnerst du dich …?/Was kann man tun …? usw.
anregen und ermutigen. sehen die Lernenden eher als Lernpartner, als Forscher und
Entdecker denn als Befehlsempfänger. Der Aufbau der
Eine Möglichkeit, selbstbestimmtes Verhalten von Ler- Sequenz und vor allem die Reflexionsphase am Ende von
nenden und das Nachdenken über Lernprozesse zu fördern Beispiel 9 auf S. 39 erhöhen durch den hohen Anteil an

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praktiziert. Daher ist es notwendig, sie als Anregung in die


Lehrmaterialien zu integrieren (siehe Beispiel 10).
Auch das bewusste Reflektieren und Evaluieren von bis-
herigen Lernerfahrungen und -gewohnheiten kann im
gegenseitigen Erfahrungsaustausch zu einer größeren Auto-
nomie der Lernenden beitragen. Darüber hinaus kann neben
den individuellen Lernerfahrungen das gesamte Umfeld des
Lernens – also z. B. die Unterrichtssituation, das Lehrmate-
rial usw. Gegenstand der Evaluation sein (siehe Beispiel 11
auf Seite 40).

Diese Formen der Evaluation sollten nicht nur am Ende


eines Lehrwerks angeboten werden, sondern kontinuierlich
in unterschiedlicher Ausprägung die Arbeit mit dem Lehr-
werk begleiten.

Schlussfolgerung
Zum Schluss noch einige Hinweise für das Erstellen von Lehr-
material zur Unterstützung und zur Förderung von Lerner-
autonomie.

1 Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass die Förderung


selbständigen Lernens nicht beim Appell an ein bewuss-
teres Lernverhalten stehen bleiben darf, sondern durch
Trainings- und Übungsangebote ergänzt werden muss.

2 Aufgaben und Übungen in Unterricht und Lehrwerk sind


oft von einer Beschaffenheit, die das relativ passive und
reproduktive Verhalten der Lernenden unterstützt und es
damit verhindert oder überflüssig macht, bestimmte Stra-
tegien anzuwenden. Daraus ergibt sich die Forderung
nach mehr ’echten‘ Aufgaben in den Lehrwerken, die die
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Lernenden anregen, ihre Strategien und ihre Selbsttätig-


keit zu aktivieren (siehe dazu auch die Hefte 8 „Lernstrate-
gien“ und 10 „Aufgaben und Übungsgeschehen“ von
FREMDSPRACHE DEUTSCH).

3 Expliziteund implizite autonomiefördernde Ansätze in


Beispiel 8, aus: Metakognition, bzw. an Nachdenken über den Prozess, die Lehrwerken können dazu beitragen, die traditionell
sowieso1, Kursbuch Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Transfer (Projekt: Woh- immer noch sehr dominante Rolle des Lehrenden als
S. 85 (oben) und nen, Projekt: Unsere Stadt etc.) dann tatsächlich viele Arbeits- ’manager‘ des Unterrichts zu relativieren.
sowieso 2, Arbeits-
buch S. 103: schritte von den Lernenden autonom leistbar sind.
Grammatikregeln 4 Über ihren eigenen Lernprozess denken Lernende zu-
anhand von Bei- 4. Metakognitive Reflexion nächst in ihrer Muttersprache nach (vgl. Grießhaber u. a.
spielen selbst Untersuchungen haben gezeigt, dass Lernende dann beson- 1996). Das bedeutet, dass Ansätze, die diese Reflexion in
erkennen und for- ders effektiv Sprachen lernen, wenn sie entsprechend ihrer der Zielsprache anbieten, vor allem im Anfängerunter-
mulieren lernen.
besonderen Fähigkeiten und Präferenzen unterrichtet werden richt der Unterstützung durch den Lehrer bedürfen,
und dann nicht, wenn der Lehrstil ihren eigentlichen Präfe- der mit den Schülerinnen und Schülern in ihrer
renzen nicht entspricht. Nun kann man angesichts der hete- Muttersprache Aspekte des Lernen Lernens im Unterricht
rogenen Zusammensetzung der meisten Lerngruppen natür- thematisiert. In diesem Sinn können Ansätze zur Planung,
lich nicht für jeden einzelnen Lerner einen eigenen passen- Überwachung und Evaluation des Lernprozesses in den
den Lehrstil einsetzen. Es ist aber möglich, über Impulse und Lehrwerken auch Anregung, Argumentationshilfe und
Übungen zum Kennenlernen des eigenen Lerntyps/Lernstils Unterstützung für die Lehrenden sein. Damit aber die Ler-
Reflexionen über ein effektiveres Lernverhalten zu initiieren. nenden selbst den größtmöglichen Nutzen aus den Ange-
Fragebogentechniken und retrospektive Verfahren tragen boten ziehen können, sollten ’Internationale Lehrwerk-
dazu bei, den Wunsch nach dem Kennenlernen von Lern- konzeptionen‘ aus den deutschsprachigen Ländern in den
strategien zu erhöhen (vgl. Matsumoto 1996). Üblicherweise wichtigen Aspekten der Lernerautonomie durch regiona-
werden solche Verfahrensweisen sehr selten im Unterricht le, muttersprachliche Bearbeitungen ergänzt werden.

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Regionalisierung sollte dabei über die bloße Übersetzung


von systematischen Teilen zur Förderung der Lernerauto- P R O J E K T
nomie hinausgehen: Da Lernstrategien individuell sehr
unterschiedlich sind, versprechen vor allem solche Ansät- Drogen 4. Überlegt, was ihr für euer Projekt
braucht.
ze Erfolg, die die spezifischen Sprach- und Welterfahrun- Das Drogenproblem ist ein schwieriges
gen der jeweiligen Kultur, der die Lernenden angehören, Problem unserer Zeit. Ein wichtiger Punkt 5. Macht einen Arbeitsplan. Zum Bei-
in der Drogenprävention ist, dass alle spiel so:
mit den Merkmalen der Zielsprache und der sie bestim-
menden Kultur in Bezug setzen. sehr gut informiert sind. Mit diesem Pro-
Wer? Was? Mit welchen Wann ist die
jekt könnt ihr dazu beitragen, alle Schü- Materialien? Arbeit fertig?
lerinnnen und Schüler im Schulhaus bes-
5 Die Frage der Motivation scheint auch bei der Umsetzung
ser zu informieren.
selbstbestimmten Arbeitens entscheidender zu sein als alle
anderen Faktoren (vgl. Baumert 1993). 1. Diskutiert die folgenden Fragen in der
Klasse. Was wisst ihr über Drogen?
Welche Drogen kennt ihr? Gibt es
Lernende, die eine intrinsische Motivation im Hinblick an eurer Schule Informationen zum
auf das Bearbeiten eines Problems oder die Bewältigung einer Thema „Drogen“?
Aufgabe mitbringen, verwenden häufig doppelt so oft Strate- 6. Während der Arbeit müsst ihr den
2. Besorgt weitere Informationen zum Arbeitsplan immer wieder überprüfen
gien und Techniken aktiv, wie andere, lediglich extrinsisch Thema bei: Schweizerische Fachstelle und eventuell abändern.
motivierte Lernende. Aus der Kritik an einem oft allzu ’kopf- für Alkohol- und andere Drogenpro-
7. Diskutiert am Ende des Projekts fol-
lastigen‘ Vorgehen im Strategiebereich, was zur Demotivie- bleme SFA, Avenue Ruchonnet 14,
gende Fragen:
rung von (vor allem jüngeren) Lernern führen kann, ergibt Postfach 870, 1001 Lausanne, Telefon
– Was haben wir gut gemacht?
für Bestellungen 0 21/23 34 23.
sich die Forderung nach einer affektiv-emotionalen Kompo- Was nicht?
nente bei der Vermittlung und dem Üben von autonomie- 3. Entscheidet, wie ihr die Informationen – Was haben wir gut geplant?
fördernden Ansätzen. im Schulhaus weitergeben könnt (z. B. Was nicht?
mit einem Aushang, mit einer Bro-
schüre oder mit Diskussionsrunden). – Was würden wir wieder gleich
Die Lehrwerkbeispiele sind aus: Überlegt auch, wozu ihr die Informa- machen? Was würden wir anders
Bachmann, Saskia u.a.: Sichtwechsel neu 1. Mittelstufe Deutsch als tionen weitergeben wollt. Schreibt machen?
Fremdsprache. Text- und Arbeitsbuch. München: Klett Edition eure Entscheidungen auf: Wir – Was haben wir mit diesem Projekt
Deutsch 1996. machen ein … Wir wollen, dass … gelernt?
Funk, Hermann/Koenig, Michael u.a.: sowieso 1 und 2. Deutsch als
Fremdsprache für Jugendliche. Berlin, München u.a.: Langen-
Beispiel 9, aus: Kontakt 1, Textbuch, S. 103: Sorgfältige Vorbereitung eines
scheidt 1994/1995.
Projekts mit abschließender Reflexionsphase.
Nodari, Claudio. u.a.: Kontakt 1. Deutsch für fremdsprachige Jugend-
liche. Zürich: Lehrmittelverlag des Kantons Zürich 1996.
Vorderwülbecke, Anne/Vorderwülbecke, Klaus: Stufen 1 Internatio-
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nal. Deutsch als Fremdsprache für Jugendliche und Erwachsene. Beispiel 10, aus: Sichtwechsel neu 1, S. 90: Kennenlernen des eigenen
Lehr- und Arbeitsbuch. München: Klett Edition Deutsch 1995. Lerntyps.

LERNBERATUNG: Lerntypen
Es gibt verschiedene Lerntypen. Einige Menschen lernen am besten im Zusammenhang mit Bildern (visueller Lerntyp), andere
über das Hören (auditiv imitativer Lerntyp). Dann gibt es Lernende, die sich Kontexte herstellen müssen, oder Lernende, die
analytisch vorgehen (Systematiker). Um effizienter lernen zu können, ist es also sehr nützlich zu wissen, ob man eher zu dem
einen oder dem anderen Lerntyp gehört.
1. Stellen Sie fest, was für ein Lerntyp Sie sind:
– Jeder schreibt 30 konkrete Begriffe auf und diktiert sie einem Partner. Dieser notiert zu jedem Wort eine spontane
Assoziation.
– Anschließend sortiert jeder seine eigenen Assoziationswörter nach den Kriterien: Sehen, Hören, Fühlen,
Riechen/Schmecken, Kontexte (Situationen), Kategorisieren.
Jedes Wort wird nur einmal zugeordnet.
2. Überlegen Sie: Wie könnte ich meine Art, die Dinge wahrzunehmen, für mein Lernen nutzbar machen?
Zum Beispiel:
– Ich bin ein eher visueller Typ: Wichtiges farbig markieren!
– Ich bin ein eher systematischer Typ: Wörterlisten nicht alphabetisch ordnen, sondern nach einem logischen Prinzip!
Die wenigsten Menschen allerdings lernen nur über einen „Kanal“. Wenn man mehrere Kanäle kombiniert (visuelle und auditi-
ve Hilfen) und das zu lernende Material systematisiert, behält man am besten.
Grundsätzlich gilt für jeden Lerntyp, dass man Dinge, die in einem persönlich sinnvollen Zusammenhang stehen, besser behält.
Tauschen Sie sich in der Gruppe aus, was für Tricks, „Eselsbrücken“ und Hilfen jeder benutzt, um besser zu lernen und zu
behalten. Probieren Sie aus, welche Methoden für Sie am besten geeignet sind, und wenden Sie sie systematisch an.

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Beispiel 11, aus:


sowieso 1, Kurs-
buch, S. 111: Ge-
meinsame Reflexion
über den Unter-
richt, das Lehrbuch,
die individuellen
Lernerfahrungen.
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Literaturverzeichnis: Matsumoto, Kazuko: Helping L2 Learners Reflect on Classroom Lear-


ning. In: ELT Journal 50/2 April 1996, S.143–149.
André, B.: De l’autonomisation à l’autonomie en didactique des lan-
gues non maternelles. In: Porcher, L.: Les auto-apprentissages. Neuner, Gerhard/Piepho, Hans-Eberhard (Hrsg.): Aufgaben und
Paris: Hachette, F.L.E. 1992, S.66–74. Übungsgeschehen. FREMDSPRACHE DEUTSCH H. 10/1994.

Baumert, J.: Lernstrategien, motivationale Orientierung und Selbst- Nodari, Claudio: Perspektiven einer neuen Lehrwerkkultur. Pädago-
wirksamkeitsüberzeugungen im Kontext schulischen Lernens. In: gische Lehrziele im Fremdsprachenunterricht als Problem der
UNTERRICHTSWISSENSCHAFT H. 4/1993, S. 327–354. Lehrwerkgestaltung. Aarau: Verlag Sauerländer 1995.

Bimmel, Peter: Lernstrategien im Deutschunterricht. In: FREMD- Riley, Philip : From Self-Access to Self-Direction. In: Coleman, J.A.,
SPRACHE DEUTSCH H. 1/1993, S. 4–11. Towell, R. (Hrsg.): The Advanced Laguage Learner. London 1987.

Grießhaber,W./Özel, B./Rehbein, J.: Aspekte von Arbeits- und Denk-


sprache türkischer Schüler. In: UNTERRICHTSWISSENSCHAFT
H. 1/1996, S. 3–20.
Holec, H.: Apprendre à apprendre et apprentissage hétéro-dirigé’.
In: Porcher, L.: Les auto-apprentissages. Paris: Hachette F.L.E.
1992, S.46–52.
Klippert, Heinz: Methodentraining. Übungsbausteine für den Unter-
richt. Weinheim/Basel: Beltz 1995 (3. Auflage).

40 Autonomes Lernen
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DEUTSCH LERNEN
MIT DEM WWW:
von BRUNO FRISCHHERZ
und PETER LENZ
10 LERNIDEEN
Vor rund drei Jahren steckte det, wenn die Lernenden alle
das World Wide Web (WWW) Mit diesem Beitrag bieten wir Ihnen Lösungen gefunden haben oder
noch in den Kinderschuhen Kästen mit WWW-Adressen, die wenn sie aus den gesammelten
und war kaum bekannt. für Deutschlehrerinnen und Deutsch- Informationen ein Lösungswort
Damals hätte wohl niemand lehrer interessant sein dürften. oder einen Lösungssatz bilden
geglaubt, dass das Internet können. Info-Jagden können
Damit Sie die Adressen nicht von
jemals ernsthaft zum Deutsch- durchaus auch von Lernenden
Hand eintippen müssen, können
lernen gebraucht werden könn- für andere Lernende zusam-
Sie mit Ihrem WWW-Browser unsere
te: Es war unanschaulich, den mengestellt werden.
Eingeweihten vorbehalten, und Seite http://www.unifr.ch/ids/call/
die Umgangssprache der Benut- fd-links.html besuchen und von 3. Shopping
zer war fast ausschließlich Eng- dort aus ganz einfach mit der Maus Die Lernenden erhalten für die-
lisch. In der Zwischenzeit hat die gewünschten Verbindungen se Aufgabe eine Einkaufsliste,
sich das WWW explosionsartig anklicken. mit der sie in deutschsprachi-
ausgebreitet – und ist dabei Probieren Sie die eine oder andere gen Geschäften (oder Malls) im
mehrsprachig geworden, natür- Adresse aus. Sie werden überrascht Netz auf Einkaufstour gehen.
lich spricht es auch Deutsch. sein, was Sie dort alles finden. Für jeden Artikel notieren sie
sich Einkaufsort, genaue Pro-
Das deutschsprachige WWW duktbezeichnung und Preis.
ist heute eine reichhaltige Quel- Zum Schluss werden Produkte
le für authentisches Deutsch und für landeskundliches Wis- und Preise verglichen. Wer hat wo die besten „Schnäppchen“
sen über die deutschsprachigen Länder. Mit Hilfe von geeig- gemacht?
neten Aufgabenstellungen kann es auch zum Deutschlernen
4. Radio- oder Fernsehabend
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genutzt werden. Wenn die Lernenden mit ihrem Computer-


arbeitsplatz vertraut sind, können sie dabei weitgehend Aus den Programmvorschauen von Radio- und Fernsehsta-
selbständig arbeiten. Voraussetzung ist natürlich, dass ein ver- tionen im WWW stellen verschiedene Lernende zuerst ein
netzter Computer vorhanden ist, auf dem ein WWW-Browser, individuelles Abendprogramm zusammen. Anschließend ver-
z. B. Netscape installiert ist. gleichen sie ihre Vorschläge in kleinen Gruppen. Schließlich
Wir stellen im Folgenden zehn Aufgaben- und Übungs- einigen sie sich auf ein gemeinsames Programm für einen
formen vor, die sich in der Praxis bewährt haben. konkreten Radio- oder Fernsehabend. Dazu ist natürlich
einiges an Verhandlungen und Kompromissen nötig.
1. Arbeit mit Rastern
Im Netz gibt es viele unterschiedliche Textsorten. Mit neu- 5. Ein Abend in einer
tralen, textunabhängigen Fragerastern können Lernende fremden Stadt
selektives Lesen trainieren: Statt eines Radio- oder Fernsehabends zu Hause planen die
( Raster für Verzeichnisse, Überblicksseiten u. ä.: Titel? The- Lernenden einen Abend in der Stadt. Zahlreiche Städte sind
men? Weiterführende Stichwörter („Links“)? Schlagwör- im WWW mit Veranstaltungskalendern und weiteren Infor-
ter? Eventuell eigenen Kommentar schreiben. mationen über Konzerte, Kinos, Diskos, Restaurants, Bars
( Raster für Nachrichten: Wer? Was? Wo? Wann? Wie? War- präsent. Die Lernenden stellen zunächst einzeln einen tollen
um? Wozu? Abend in Berlin, Wien oder Zürich zusammen. Dann einigen
( Raster für Werbung: Produkt? Marke? Preis? Bestellung? sie sich auf ein gemeinsames Abendprogramm, das sich
Lieferung? Bezahlung? ruhig bis in die Morgenstunden hinziehen darf.
2. Info-Jagd 6. Reiseführer
Die Info-Jagd ist ein Informationssuchspiel quer durch das Touristische Informationen, z. B. zu Reisearrangements,
Netz. Ausgehend von Suchaufgaben (z. B. das aktuelle Wet- Bus-, Bahn- und Flugverbindungen, Hotelinformationen etc.,
ter in Berlin, Informationen über den Streik der Ruhrkohle- erlauben es, eine virtuelle Reise durch deutschsprachige Län-
Bergarbeiter, …) sammeln die Lernenden Einzelinforma- der durchzuführen. Die Lernenden arbeiten in Gruppen für
tionen auf bestimmten WWW-Seiten. Die Info-Jagd ist been- die verschiedenen Länder (oder für verschiedene Zielgruppen

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in einem Land) Reisevorschläge aus. Nicht fehlen dürfen


natürlich heruntergeladene Fotos von den Reisezielen als
„Appetithäppchen“. Viele der Reiseinformationen sind im
WWW sowohl in Englisch als auch in Deutsch zu finden.
7. Presseschau, Wochenüberblick,
Artikelvergleich
Im WWW sind zahlreiche Zeitungen, Magazine und Presse-
agenturen vertreten. Das reichhaltige Angebot an Pressetex-
ten lädt zu inhaltsorientierten Aufgabenformen ein. Die Pres-
seschau soll einen Überblick über die Tagesthemen ver-
schiedener Zeitungen geben. Die Lernenden wählen dazu drei
Tageszeitungen aus, suchen die wichtigsten Meldungen und
fassen jede Meldung in wenigen Worten zusammen. Dann
präsentieren sie anderen Lernenden mündlich ihre persön-
liche Presseschau.
Beim Wochenüberblick werden die täglichen Nachrichten
einer Woche in verschiedenen Ressorts (Politik, Kultur, Wirt-
schaft, Sport, Unterhaltung usw.) zuerst auf zentrale Ereig-
nisse hin abgesucht. Im Anschluss wird die Entwicklung die-
ser Ereignisse im Rückblick dargestellt.
Der Artikelvergleich ist eine anspruchsvollere Aufgabe:
Texte aus unterschiedlichen Quellen, aber zum selben The-
ma werden miteinander verglichen, und zwar in inhaltlicher
wie auch in stilistischer Hinsicht.
8. Thematische Recherche
Das WWW ist eine fast unerschöpfliche Informationsquelle
Einstiegspunkte für die für thematische Recherchen zu verschiedenen Themen der
Landeskunde: Politik, Wirtschaft, Umwelt, usw. Die Lernen-
deutschsprachigen Länder den sammeln Informationen und bereiten diese im Textver-
arbeitungsprogramm weiter auf. Bei der Recherche können
SUCHMASCHINEN Suchmaschinen, WWW-Verzeichnisse oder von Lehrpersonen
Suchmaschinen für Deutschland, die deutschsprachige Schweiz und
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vorher ausgewählte Einstiegsseiten eingesetzt werden. Zum


Österreich Schluss informieren die Lernenden in Kurzvorträgen oder
( http://www.uni-konstanz.de/ZE/Bib/dt-suchm.html schriftlichen Berichten über ihre Ergebnisse. Weitere mögli-
che Produkte solcher Recherchen sind z. B. Sammlungen von
Einstiegspunkte für Deutschland themenspezifischem Wortschatz oder kommentierte Adres-
Karte deutscher WWW-Server (LEO) senlisten von relevanten WWW-Quellen.
( http://www.leo.org/demap/
DINO – Thematischer Gesamtindex 9. Eigene WWW-Seiten
( http://www.dino-online.de/seiten.html Auf einer eigenen Homepage können sich Lernende persön-
lich oder als Gruppe mittels Text, Bild und sogar Ton „der
Einstiegspunkt für Liechtenstein Welt“ präsentieren. Auf weiteren Seiten lassen sich auch eige-
Server-Liste zum Anklicken ne Schreibprodukte publizieren. Eine elektronisch veröffent-
( http://www.swbv.uni-konstanz.de/wwwroot/so2050_d.html lichte Schülerzeitung verursacht keine Druckkosten und fin-
det möglicherweise ein größeres und interessierteres Publi-
Einstiegspunkt für Österreich kum als eine aus Papier und Druckerschwärze. Die WWW-
Karte zum Anklicken: Adresse einer neuen Schul-Homepage oder einer neuen
( http://www.ifs.univie.ac.at/austria.html Schülerzeitung sollte man unbedingt in die entsprechenden
Verzeichnisse (z. B. Schulweb oder Jugendpresse) eintragen
Einstiegspunkte für die Schweiz lassen.
Welcome to Switzerland – Karte zum Anklicken
( http://heiwww.unige.ch/switzerland/ 10. Textmanipulation
Netguide – umfassendes Verzeichnis von Schweizer Internet-Adres- Verschiedene formale Bereiche der Fremdsprache Deutsch
sen nach Bereichen geordnet lassen sich durch Verfahren der Textmanipulation gut auto-
( http://www.netguide.ch nom üben, indem die Lernenden aus elektronisch verfügba-
ren Texten mit einem Textverarbeitungsprogramm Übungen
erstellen, und zwar tun sie dies beinahe-automatisch mit

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Deutschsprachige Medien
Sammlungen von Medien-Links:
German Online Kiosk (Presseerzeugnisse,
auch Fachzeitschriften, nicht nur deutschsprachig)
( http://www.gok.de
Deutschsprachige Zeitungen bzw. Zeitschriften im Internet
(umfassender, sinnvoll gegliederter Index der Duke University)
( http://www.duke.edu/~cgv/library/
Deutschsprachige Seiten des Instituts für deutsche Sprache,
Freiburg/CH – Links zu deutschsprachigen Ressourcen,
u.a. auch zu Radio- und TV-Stationen)
( http://www.unifr.ch/ids/www-daf.html

Speziell für Jugendliche:


Die Seiten der Jugendpresse im Netz –
Links zu Jugendmagazinen und Schülerzeitungen im Netz
( http://www.obh.snafu.de/~olav/press_index.html
Deutschsprachige Schülerzeitungen –
ein umfangreiches Verzeichnis
( http://132.230.36.11/cgi-bin/hoturls?zeitung
ERNST – Online-Version der Jugendbeilage des Tagesanzeigers
aus Zürich; technisch raffiniert, lädt zum Mitmachen ein
( http://www.ernst.ch/
Hilfe der „Ersetzen“-Funktion des Textverarbeitungspro- jetzt – Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung;
gramms. Im ganzen Text werden die Problem-Elemente attraktiv gemacht, fordert zum Mitmachen auf
(z. B. Schärfungen, Dehnungen, Interpunktion, Wortgren- ( http://www.wildpark.com/jetzt/
zen, Endungen) durch ein fehlerhaftes oder ein Platzhalter- Wildpark – Online-Jugendtreffpunkt, technisch anspruchsvoll,
Element ersetzt. Für Lückenübungen zum Wortschatz erset- Jugendthemen, Chat-Möglichkeit und Diskussionen
zen die Lernenden bestimmte Wörter im Text manuell durch ( http://www.wildpark.com/
Lücken „_____“. Die Übung wird einfacher, wenn die Chatlinks – Eine Sammlung von deutschsprachigen Chat-Räumen
( http://www.germany.net/teilnehmer/100.119876/chatlink.htm
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gesuchten Wörter – alphabetisch geordnet – dem Übungs-


text am Seitenende beigefügt sind. Der Originaltext dient
dann jeweils als Lösungsschlüssel für die Übung.

Adressen für Lehrerinnen und Lehrer


Institutionen:
Homepage des Goethe-Instituts München mit zahlreichen wei-
Buchtip zum selbständigen Lernen: terführenden Links; interessant:
das Link Material für den Deutschunterricht
Meine 199 liebsten Fehler ( http://www.goethe.de/dindex.htm
Von A. Tomaszewski und W. Rug Homepage des Internationalen Deutschlehrerverbandes (IDV)
München: Klett Edition Deutsch 1997. ( http://www.wlu.ca/~wwwidv
200 großzügig gestaltete Karten mit
• Fehlerbeispielen im Kontext, Für den Deutschunterricht:
• einfachen Erklärungen bezogen auf Deutsche Internet Übungen – sehr umfangreiche Sammlung von
die Ausgangssprache Englisch, didaktischen Materialien verschiedenster Herkunft; besonders zu
• Übungen, um sich die Fehler abzugewöh- beachten: die Vorschläge von A. Lixl-Purcell
nen. ( http://www.uncg.edu/~lixlpurc/publications/NetzUeb.html
Jede/r stellt aus den Karten den eigenen Schulweb – Verzeichnis der Schulen im Web (v.a. D, A, CH)
Fehlerkatalog zusammen. ( http://www.educat.hu-berlin.de/schulen/schulen.html

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OFFENES LERNEN –
von UTE RAMPILLON AUCH IN DER
1. Über das LEHRERFORTBILDUNG?
Lernen Die Autorin gewährt uns hier einen Wenn wir Lernende jedoch
Wer kennt sie nicht, die Proble- nicht als defizitär verstehen
me, die immer wieder in Fort- Blick in eine ihrer Fortbildungs- wollen, sondern eher den schon
bildungsveranstaltungen auf- angedeuteten emanzipatori-
treten: Die Teilnehmenden zei- veranstaltungen. Sie zeigt uns, wie schen Standpunkt einnehmen,
gen die vielfältigsten Verhal- so wissen wir – auch durch
tens- und Lernweisen (siehe Form und Thema der Lehrveran- neuere Berichte aus der Lern-
Abb. 1), die in einem Seminar psychologie – dass Lernen nicht
für sie selber, für die übrigen staltung übereinstimmen, so dass die einfach dadurch zustande
Lernenden und die Seminarlei- kommt, dass von dritter Seite
tung manchmal zu Schwierig- Teilnehmenden nicht nur über „offe- Lernanforderungen an die Ler-
keiten führen können. nenden gestellt werden. Lernan-
nes Lernen“ reden, sondern vor allem forderungen sind nämlich nicht
In traditionell geführten Ver- gleich Lernhandlungen. Erst
anstaltungen müssen sich die selbst auch „offenes Lernen“ erleben. wenn die Lernenden bereit sind,
Seminarleiterinnen und -leiter die Lernanforderungen bewusst
immer wieder fragen, wie sie auch als Lernanstrengung
diese unterschiedlichen Haltungen, die verschiedenen Tem- anzunehmen, sie an sich heranzulassen, kann erfolgreiches
peramente so aufeinander abstimmen können, dass gemein- Lernen stattfinden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die
sames Lernen möglich ist. Frontale Unterrichtsformen erfor- Lernenden einsehen, wo es für sie etwas zu lernen gibt
dern eine solche Anpassung, und somit entstehen bereits (Holzkamp 184 f.) und dass es sich für sie lohnt, dieses oder
Zwänge für die Lernenden, ehe der eigentliche Lernprozess jenes zu lernen. Das Gewinnen von Bedeutungszusammen-
überhaupt beginnt. Unterricht und Lernen werden daher hängen, die Entfaltung der persönlichen Lebensqualität,
rasch als etwas verstan- erweiterte Handlungsspielräume – dieses wären Beispiele für
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den, das man im gün- Lerngründe, die von Lernsubjekt zu Lernsubjekt andere Aus-
stigen Falle als Er- prägungen haben und die bei Erwachsenen besonders hete-
k u n dige der K wachsener hinter sich rogen sind.
ach o n sument
der S der Un hat oder schnell hinter
sichere
sich bringen will. Wenn Die Grunderfahrung von Fremdbestimmtheit, die viele seit
r
der Abschweife nde der Skeptike sich Erwachsene ge- ihrer Schulzeit verinnerlicht haben, bedarf der Veränderung.
der Ag der Clown ner
zwungen sehen, wieder Andere Lernmöglichkeiten müssen gegeben werden, um ein
gressi -Red
ve V i e l auf verschulte Weise zu
iker der lernen, dann erscheint
y n am der Streibare
p e nd d e r ihnen dieses oft wie ein
p Vor
der
Gru lern
e r ,Drücken der Schul- Offene Lernangebote
der Schüchterne
bank‘, ein Rückfall in fördern die Lernbereitschaft
eine längst überwunden und vermindern Stress.
geglaubte Phase der
Abbildung 1 Abhängigkeit und Unselbständigkeit (Holzkamp 1993). Dass
Lernen aber – ganz im Gegenteil – eine Form von Selbst-
ändigkeit, von Emanzipation und Ausdruck des eigenen individualisiertes Lernen zuzulassen. Offene Lernangebote
Lebensinteresses sein könnte, scheint im allgemeinen Lern- bieten z. B. eine gute Chance, diese Lernbereitschaft zu för-
verständnis oft nicht mehr gesehen zu werden. dern und individuelle Ausprägungen der Lernenden zu
berücksichtigen. Durch sie kann die Lernbereitschaft des Ein-
Das generelle Verständnis Erwachsener vom Lernen ist zelnen, das Einlassen auf die Lernprozesse vergrößert wer-
also recht heterogen: den und es kann eine individuelle Abstimmung auf die per-
sönlichen Lernbedürfnisse stattfinden. Der Lernende fühlt
Lernen als Zumutung Lernen als Lebensmöglichkeit sich als Individuum ernst genommen und das Entstehen von
Eingeständnis von Defiziten Lernen als Lebensqualität Leistungsstress, von Gruppendruck u.a.m. kann eingedämmt
werden.

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Offene Lernsituationen erfordern jedoch Mut und Zutrau- Abbildung 2


en auf beiden Seiten, denn die Rollen von Lehrenden und
Lernenden verändern sich deutlich im Vergleich zu traditio-
nellen Lehr-und Lernweisen.

n
de
t än
Koo

ge o n
ns
ge r v
rdin
Offene Lernsituationen

rn te

Le nbie
erfordern Mut und Vertrau- Or onsen

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ga v
ni or es
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A
en auf beiden Seiten. or t
i pi
In ern
L

Die Lernenden gehen in offenen Lernsituationen in der


rer
Regel die folgenden Schritte: u nte
G Sie verschaffen sich einen Überblick über anstehende Erm
Ausw Rollen von
Lerninhalte und Lernziele. erter Moderator
G Sie wählen begründet eines oder mehrere Lernziele für Seminarleitenden
Anre
sich aus. Folgende Fragestellungen können dabei eine ger
Rolle spielen:
– Was interessiert mich?
– Was sollte ich einmal bearbeiten?
– Was kann ich leisten? Was will ich mir zutrauen? ???
e r
G Sie entscheiden, in welcher Sozialform sie arbeiten möch- eb
tg
ten: alleine, mit einem Partner oder einer Partnerin, in Ra
rte

kleinen Lerngruppen. ell


Expe

G Sie überlegen, wie sie vorgehen möchten, d. h. sie klären od


M
für sich ab, welche Lerntechniken und Lernstrategien sie
einsetzen möchten.
G Sie stellen eigene Zwischenergebnisse anderen vor, be-
gründen und diskutieren sie; dabei prüfen sie, ob und wie
sie die Ergebnisse revidieren oder ergänzen möchten.
G Sie präsentieren anderen ihre Ergebnisse und stellen sie
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diesen zur Kenntnisnahme zur Verfügung.


G Sie nehmen die Arbeits- und Lernergebnisse anderer wie zeitlich und arbeitsmäßig hohen Anspruch an den Semi-
auch deren Lerntechniken und -strategien zur Kenntnis narleiter oder die Seminarleiterin.
und nutzen sie für ihr eigenes Lernen. G Sie planen das Angebot unterschiedlicher Lernergruppen
und deren Arbeitsmöglichkeiten. Eine Zuteilung der Teil-
In dem Maße, in dem die Lernenden mehr Verantwortung nehmerinnen und Teilnehmer geschieht jedoch nicht,
für ihr eigenes Lernen übernehmen und es zunehmend sel- sondern wird ihnen selber überlassen.
ber steuern, treten die Seminarleiterinnen und -leiter zurück. G Während der Lern- und Arbeitsphase beobachten sie kon-
Sie stehen schließlich nicht mehr im Zentrum der Lernsi- tinuierlich die Lernarrangements und überprüfen die Ver-
tuation, sondern überlassen diesen Platz den Teilnehmerin- fügbarkeit und Vollständigkeit der Lernmaterialien. Da-
nen und Teilnehmern. Ihre wichtigsten Funktionen lassen rüber hinaus geben sie den Lernenden Tips für ihre Arbeit
sich aus dem Assoziogramm (Abb. 2) ablesen. und stehen Einzelnen für Rückfragen und Beratung zur
Verfügung.
Im Rahmen einer veränderten Rollenverteilung überneh- G Sie stellen fest, ob die Lernenden mit den Aufgabenstel-
men Lehrerfortbildner und -fortbildnerinnen nun folgende lungen zurecht kommen oder ob Probleme auftreten und
Aufgaben: achten auf das gruppendynamische Zusammenspiel der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Bei abweichendem
G Sie bereiten das Lernarrangement vor. Diese Aufgabe erfor- oder auffälligem Verhalten entscheiden sie, ob und wenn
dert eine umfassende Vorbereitung, die verschiedene Ler- ja, wie sie intervenieren. Im einfachsten Falle beziehen
nertypen, Lernstände, Lerninteressen etc. berücksichtigt sich ihre Interventionen auf die Lernorgansiation (z. B.
und die differenziertes Lernen ermöglicht. Dabei beden- auf die Zeitplanung, die Aufgabenstellung, den Lernort).
ken sie nicht allein ihre Lehrziele, sondern auch die viel- Wollen sie in den Lernprozess eingreifen, geschieht dies
fältigen Lernbedürfnisse, die Lernziele der Teilnehmen- mit viel Vorsicht und Fingerspitzengefühl.
den, deren unterschiedliche Voraussetzungen und ver- G Sie werten die Lernergebnisse zusammen mit den Teil-
schiedenartige Arbeitsrhythmen. Eine solche Vorbereitung nehmerinnen und Teilnehmern aus und veranlassen sie,
bedeutet einigen Arbeitsaufwand und stellt damit einen Perspektiven für die eigene Weiterarbeit zu entwickeln.

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Die oben angesprochenen Tätigkeiten sind keineswegs


Kurzbeschreibung der Veranstaltung vollständig. Sie dienen lediglich als Beispiele, um die Um-
orientierung anzudeuten, die für selbstbestimmte Lernpha-
Thema: Offenes Lernen im Unterricht Deutsch als sen unumgänglich ist. Derartig offene Lernprozesse gehören
Fremdsprache grundsätzlich in Fortbildungsmaßnahmen von Lehrerinnen
Ziele: Wissen und Einsichten über Einzelaspekte zum und Lehrern, insbesondere dann, wenn es auf thematischer
Thema ,Lerntechniken‘, Wissen und Einsichten Ebene um Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler geht.
über Stationenlernen als eine offene Lernform. Dadurch gewinnen die teilnehmenden Lehrkräfte Einsichten

Institutioneller Internationales Fortbildungsseminar


Rahmen: für Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer,
Ausschreibung der Veranstaltung als Workshop. Die Teilnehmenden müssen
an sich selbst erfahren,
Organisatorischer Verfügbare Zeit: 90 Minuten;
Rahmen Maximale Gruppengröße: 90 Teilnehmerinnen dass offene Lernprozesse
und Teilnehmer; Lernangebot: 12 Lernstationen nicht nur den Verstand,
sondern alle Sinne erfassen.

Geplantes Programm
14.00 Uhr Begrüßung und Erfahrungen, die unverzichtbar sind für die Einschät-
Begründung des Themas und der geplanten zung ihrer didaktischen und methodischen Entscheidungen
Methoden und deren Einfluss auf das Lernen der Schülerinnen und
Vereinbarung des Programms Schüler. Zwar lassen sich grundsätzlich Themen wie „Offe-
14.15 Uhr Offenes Fremdsprachenlernen ner Fremdsprachenunterricht“ oder „Lerntechniken und
(Kurzreferat) Lernstrategien beim Fremdsprachenlernen“ auch nur theo-
Verschiedene Möglichkeiten und Grade der Öff- retisch und rein kognitiv bearbeiten, eine wirkliche Durch-
nung des Unterrichts werden beschrieben und dringung der Problematik ist jedoch erst möglich, wenn die
mit Beispielen belegt. Unter anderen Prozesse, um die es geht, nicht nur besprochen werden, son-
Formen wird auch das Stationenlernen bespro- dern wenn erfahren werden kann, dass sich ein so veränder-
chen, das im Mittelpunkt der Veranstaltung ste- tes Lernen ganzheitlich auf verschiedensten Ebenen abspielt
hen soll. und dass neben dem Verstand auch physische Reaktionen,
Affekte und auch alle fünf Sinne eine wichtige Rolle spielen.
14.35 Uhr Arbeit an Lernstationen zum Thema ,Lerntechni-
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ken und -strategien zum Fremdsprachenlernen‘


a) Besprechung und Verabschiedung einer ,Ver- 2. Ein Beispiel
einbarung‘ über die Arbeitsweisen
Mit den hier abgedruckten Materialien aus einem Seminar
(vgl. Abb. 5)
zum Thema „Offenes Lernen“ möchte ich verdeutlichen, in
b) Darstellung der 10 Lernstationen, die zur
welcher Weise sich Veranstaltungen zur Fortbildung von
Auswahl zur Verfügung stehen. Erläuterung von
Deutschlehrerinnen und -lehrern verändern können. Die
Zielen, Inhalten und Arbeitsmaterialien.
kursiv geschriebenen Textstellen im Programmteil (Abb. 3)
(Abb. 4 und 6)
sind Kommentare auf der Metaebene.
c) selbständige Gruppenbildung, Selbstorga-
nisation der Teilnehmenden
Da nicht davon ausgegangen werden konnte, dass viele
d) Arbeit der Teilnehmenden an einer ausge-
Teilnehmende Erfahrungen mit offenen Lernformen mit-
wählten Lernstation gemäß offenem Lernplan
bringen würden, wurde zu Beginn bewusst die traditionell
(Abb. 4)
frontale Arbeitsweise gewählt und erst im Laufe des Seminars
e) gegebenenfalls Ausführung weiterer Aufga-
aufgelöst.
ben gemäß offenem Lernangebot
15.15 Uhr Auswertung der Arbeit Nach einem einführenden Kurzreferat von ca. 20 Minu-
a) inhaltliche Besprechung der Lernergebnisse ten zur Begründung offenerer Formen des Fremdsprachen-
zum Thema ,Lerntechniken‘ lernens und deren Ausprägungen, sollten die Teilnehmerin-
b) Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum nen und Teilnehmer durch eigenes Tun Einsichten und
Lernprozess an den Stationen Erfahrungen mit dem Stationenlernen sammeln und dabei
c) Selbstverpflichtung: ,Perspektiven für die Wei- das Thema „Lernen lernen“ bearbeiten.
terarbeit am Thema‘
15.30 Uhr Ende der Veranstaltung Ehe diese Arbeit begann, wurde mit den Teilnehmenden
eine „Vereinbarung“ getroffen, die sich vor allem auf orga-
Abbildung 3 nisatorische Aspekte bezog (siehe Abb. 5) Daran schloss sich

46 Redewendungen
Autonomes Lernen
und Sprichwörter
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die Arbeit an selbstgewählten Lernstationen an, wobei auch


die Fragen der Lern- und Arbeitsstrategien, des Lernortes, der Offener Lern- und Arbeitsplan
Lernmaterialien, der Lernpartner etc. von den Teilnehmen- Seminar: Offenes Lernen – DaF in: am:
den entschieden wurden. Als Steuerungsinstrument stand
ihnen ein „Offener Lern-und Arbeitsplan“ zur Verfügung. Name:
(Abb. 4)

Reihenfolge?

Kontrolle gemacht?

aufgeräumt?

fertig?
Die Aktivitäten der Teilnehmenden bezogen sich stets auf
drei verschiedene Bereiche: einmal auf den thematisch-
inhaltlichen Bereich (Lernen lernen), ein anderes Mal auf
den prozeduralen Bereich (Stationenlernen als Lernform)
und schließlich auf den unterrichtlichen Bereich (Umset-
zungsmöglichkeiten im Unterricht Deutsch als Fremdspra- 1. Stationen, die Sie bearbeiten sollten:
che).
Station 1: Lernertypen
Die Auswertung der Arbeit der Teilnehmenden sollte im Station 2: Lehrermeinungen
günstigeren Falle deutlich länger als in diesem konkreten Station 3: Wer bin ich?
Seminar sein, da hier wesentliche festigende und weiter-
Station 4: Was sind Lerntechniken
führende Lernschritte angesiedelt sind. Von wesentlicher eigentlich?
Bedeutung ist der letzte Schritt, in dem es um die individu-
elle Weiterarbeit am Thema geht, und durch den die Arbeit Station 5: Lerntechniken – wozu?
im Seminar in den Berufsalltag der Teilnehmerinnen und Station 6: Der „gute“ Fremdsprachen-
Teilnehmer überführt werden soll. schüler
Station 7: Freier Erfahrungsaustausch
Tatsächlich erhielt ich nach diesem Seminar die erhoffte zum Thema ,Lerntechniken‘
Rückmeldung: Eine Teilnehmerin schrieb mir einige Wochen Station 8: Lernen mit Vokabelkartei
später und berichtete von ihrem Versuch in einer elften Klas-
se, in der sie nach dem Modell des Seminars ihren Unterricht Station 9: Fragebogen/Lerntechniken
verändert hatte. Ihr eigenes Urteil wie auch das der Schüle- Station 10: Lerntipps/Klassenarbeit
rinnen und Schüler war so positiv, dass sie sofort einen wei-
teren Versuch in einer achten Klasse anfügte.
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2. Was Sie sonst noch tun könnten:


Reihenfolge?

Kontrolle gemacht?

aufgeräumt?

fertig?
Vereinbarung
Vereinbarung

Nicht mehr Material
einsammeln als nötig.

An der Station auf andere zur Am Büchertisch herumstöbern.
Gruppenbildung warten.
Mit dem Fotoapparat ein Bild
von unserer Arbeit machen.
Den gegebenen Zeitrahmen Über Ihre Lernerfahrungen beim
einhalten. Stationenlernen nachdenken,
Notizen dazu machen und sich mit
anderen darüber austauschen.
Beim Glockenzeichen
Die Ergebnisse aus den verschie-
zum Plenum zurückgehen. denen Lernstationen ansehen.
Evtl. Notizen machen.
(Teil-)Ergebnisse für andere Perspektiven für Ihre Weiterarbeit
präsentieren. am Thema entwickeln.
???
Arbeitsmaterial zurücklegen

Abbildung 5 Abbildung 4

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Literaturverzeichnis:
Klaus Holzkamp: Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung.
New York, Frankfurt: Campus 1993.
Ursula M.Holzer/Ursula J. Eigenschink-Holzer: Miteinander besser
lernen. Handbuch für Trainer und Lehrende. Bremen: GABAL 1994.
Ute Rampillon : Autonomes Lernen im Fremdsprachenunterricht –
ein Widerspruch in sich oder eine neue Perspektive? In: DIE NEUE-
REN SPRACHEN, H. 5/1994, S. 455–466.

Station 5:
Lerntechniken – wozu eigentlich
Benötigte Zeit: 15’–20’
Arbeitsform: einzeln und Gruppe
Gruppengröße: 4–8 Personen

Sicherlich kennen Sie eine Menge guter Gründe, um im Unterricht Techniken zum Lernen fremder
Sprachen zu thematisieren. Um auch andere, z.B. Mitglieder der fremdsprachlichen Fachgruppe einer
Schule, davon zu überzeugen, ist es gut, möglichst viele Argumente zu haben.

1. Arbeiten Sie bitte mit 4–8 Kolleginnen und Kollegen in diesem Seminar zusammen. Tragen Sie als
erstes mitten auf einen leeren, möglichst großen (ideal: 120 cm x 120 cm) Papierbogen mit großen
Buchstaben deutlich die Frage ein:
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Notieren Sie alle gleichzeitig in einem „stummen Schreibgespräch“ mit dicken Filzstiften alles, was
Ihnen zur Beantwortung der Frage in den Sinn kommt, gleichgültig, ob es sich um gewichtige Argu-
mente handelt oder lediglich um „Gedankenblitze“. Setzen Sie sich während des Schreibens nicht hin,
sondern gehen Sie um das Blatt herum und lesen Sie, was die anderen inzwischen geschrieben haben.
Sie dürfen auch weitere, neue Gedanken ergänzen; auf die Menge kommt es an! Kommentieren Sie
die Stichworte der anderen und tragen Sie vielleicht auch Zeichen und Symbole ein, wie z. B.
oder oder .

Auch Pfeile, Blitze und Verbindungslinien u. ä. sind ganz nützlich.


So kann in Wort und Bild ein Gespräch unter Ihnen entstehen, in dem Sie alles machen dürfen, um
gemeinsam viele Ideen zur Beantwortung der Eingangsfrage zu produzieren. Nur eines dürfen Sie nicht:
Sprechen! (Lachen ist aber erlaubt – ja, sogar erwünscht!)

2. Wenn wirklich niemandem mehr etwas einfällt, dann ist die Sammelphase beendet. Hängen Sie das
Ergebnis nun als Poster in den Seminarraum. Tragen Sie in ihrem Arbeitsplan ein, welche Aufgabe Sie
erledigt haben, und wenn Sie mögen und noch Zeit verbleibt, wählen Sie sich eine weitere Lernstation
zum offenen Lernen aus.

Abbildung 6

48 Autonomes Lernen
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Autonomes Lernen, wie es hier im Heft beschrieben wird, geht davon aus, daß LERNEN eine nicht nur durch LEH-
REN gesteuerte, sondern eigenen Gesetzlichkeiten folgende Tätigkeit ist. Der Gebrauch von Begriffen wie „Lernziel“
(von den Lehrplanern oder Lehrenden formuliert und festgesetzt) täuscht über diese grundsätzliche Unterschied-
lichkeit oft hinweg (gemeint ist damit meist das „Lehrziel“). Das aktuelle Fachlexikon versucht, diesen unter-
schiedlichen Blick auf Unterricht aus der Perspektive der LERNENDEN bzw. LEHRENDEN anhand einer präziseren
Fassung der Begriffe noch einmal zu verdeutlichen.

Lernen Lehren
„Unter Lernen wird in der Psychologie und ihren Nach- Mit Lehren bezeichnet man „die Gesamtheit der Aktio-
bardisziplinen ein internal ablaufender, nicht beo- nen, die in der Absicht unternommen werden, das Ler-
bachtbarer Prozess der Änderung von Persönlichkeitsei- nen von Menschen zu steuern“.
genschaften verstanden.“ (Doyé1, 1989)

Lernziel Lehrziele
„Lernziele sind Ziele, die sich Menschen für ihr eigenes „Lehrziele sind Ziele, die Menschen bei der Steuerung
Lernen setzen.“ Ideal ist es, wenn die Lernziele abge- des Lernens anderer intendieren.“ Ideal ist es, wenn die
stimmt werden mit den gegebenen Lehrzielen. Auf jeden Ziele der Lehrenden und die Ziele der Lernenden iden-
Fall sollten Lernziele explizit formuliert werden. tisch sind. In der Praxis ist dies aber meist nicht der Fall.
Um so wichtiger erscheint es, im Lehr-/Lernprozess die
Ziele konsequent offen zu legen und die erreichten
Resultate mit den gesetzten Zielen zu vergleichen.

Lernplan Lehrplan
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Ein Lernplan ist ein Plan, den die Lernenden für sich Mit Lehrplänen werden in der Regel institutionelle Vor-
selbst (individueller Lernplan) oder mit anderen (Lern- gaben der Schulbehörden gemeint. Aber auch Lehrper-
plan der Gruppe) erstellen. Im Lernplan werden min- sonen erstellen durch ihre Unterrichtsvorbereitung Lehr-
destens die Lernziele, die Lerninhalte, die Methoden, der pläne (oder Unterrichtspläne), die auf bewussten didak-
Zeitrahmen und die Überprüfung der Resultate festge- tischen Entscheidungen beruhen. Zu einem nicht ver-
halten. nachlässigbaren Teil werden diese Entscheidungen auch
durch unbewusste Kriterien beeinflusst (Werte, Einstel-
lungen, Überzeugungswissen).

Lernmittel Lehrmittel
Lernmittel sind Arbeitsmaterialien, die vom Lernenden Lehrmittel sind Arbeitsmaterialien, die mit der Absicht
gewählt werden und keine didaktische Intentionen ver- erstellt wurden, einen bestimmten Lehr-/Lernprozess zu
folgen. Dies können Wörterbücher, Zeitungen, Sach- steuern und zu unterstützen. Im Lehrmittel sind die
bücher, Videos, Internet usw. sein Lehrziele, die Inhalte und mögliche Vorgehensweisen
weitgehend vorgegeben.

CLAUDIO NODARI
Literaturhinweis:
1 Alle Zitate aus: Doyé, Peter: Lehr- und Lernziele. In: Bausch et. al. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Fran-
ke Verlag 1989, S. 126-131.

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AUTONOMIE IN DER
LEHRPERSONENFORTBILDUNG
von BEDA KÜNZLE, MARTIN MÜLLER, MARTIN THURNHERR,
LUKAS WERTENSCHLAG

Wer Lernerautonomie im Unterricht för-


dern will – muss der nicht erst über sich
selbst nachdenken? Zum Beispiel: Bin ich
selbst eine autonome Persönlichkeit?
Die Autoren des folgenden Beitrags sind
seit mehreren Jahren als Fortbildner von
Deutschlehrkräften tätig. Aus ihren per-
sönlichen Erfahrungen und der intensiven
Beschäftigung mit dem Thema entwickel-
te sich mit der Zeit ein persönlichkeitsbil-
dendes Konzept der Lehrpersonenfortbil-
dung, in dem nicht nur Fachkompetenz
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vermittelt wird, sondern Teilnehmende


und Fortbildende gemeinsam ihre Sozial-
und Selbstkompetenz reflektieren und
weiterentwickeln.
„Atelier im See“:
Steinskulpturen
im Gleichgewicht In einem ersten Teil unserer Ausführungen möchten wir Bereichen Weiterbildung ansetzen sollte und welche Eigen-
von Ulrich F. Grass, kurz besprechen, wie sich der Autonomiebegriff in den letz- schaften autonomiefördernde Weiterbildung kennzeichnen.
Zürich. ten Jahren verändert hat und warum Autonomie ein zentra-
les Element in der Lehrpersonenfortbildung (LFB) sein sollte. Erster Teil: Lebendige Auseinan-
In einem zweiten Teil versuchen wir, aufgrund eigener
Erfahrungen in der LFB Antworten zu finden auf Fragen wie: dersetzung mit einem Begriff
Welche Einstellungen und welches Lehrerverhalten sind für
autonomes Lernen entscheidend? Danach entwerfen wir eine 1. Ein Blick auf den Weg
Skizze, mit der sich ein Profil eines Weiterbildners bzw. einer 1980 postulierte H. Holec „Autonomie“ 1 im Bereich des
Weiterbildnerin entwickeln lässt. Dabei geht es uns nicht um Fremdsprachenlehrens und -lernens. In den folgenden
ein Idealbild, sondern vielmehr um ein dynamisches Instru- Jahren förderten die Arbeiten und Anstösse2 rund um die
ment, mit dem Stärken und Schwächen erkannt werden kön- Sprachprojekte des Europarates die Idee der Autonomie in
nen. Nach diesen stark persönlichkeitsbezogenen Elementen verschiedenen Lehr- und Lernkontexten (Schule und
richten wir den Blick auf die Bildungslandschaft, in der Wei- Erwachsenenbereich), 1996 liegt ein Entwurf zu einem Spra-
terbildung erfolgt. Dabei geht es um die Fragen, in welchen chenportfolio3 vor, das nicht nur Kontroll- und Informa-

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tionsinstrument sein will, sondern den Lernenden die Mög- „Wollen“ gelangen und dabei sich, die anderen und die
lichkeit einer besseren „Bildungsplanung“ gibt. verschiedenen Realitäten klarer wahrnehmen. Dazu
1989 erschien auf Deutsch der Sammelband „Autonomes gehört auch, die fachliche und persönliche Kompetenz
und partnerschaftliches Lernen“4 mit Modellen und Beispie- zu improvisieren wie eine Schauspielerin oder ein Jazz-
len aus dem Fremdsprachenunterricht. Die Beiträge behan- Musiker.
delten vor allem folgende Anwendungsfelder der Autonomie:
Lernerautonomie – Autonomie als Vision und Utopie – Auto- P Autonomie ist Voraussetzung und Ziel zu-
nomiefördernder Unterricht – Materialien zur Autonomie – gleich. Voraussetzung ist, dass die Beteiligten
Selbstlernzentren – Partnerschaftliches, selbstbestimmtes freiwillig teilnehmen, weil sie für ihre Praxis
Lernen (z. B. Tandem). Neues ausprobieren wollen. Ziele der Auto-
Auffallend ist, dass erst in den letzten Jahren die Autono- nomie sind das Vertiefen der Fachkompetenz,
mie der Lehrpersonen zu einem Thema der LFB geworden das Erweitern der Selbst- und Sozialkompe-
ist: Nachdem zuerst die Lernenden „entdeckt“ wurden, fällt tenz im Bewusstsein, die Zukunft der Schule,
der Blick heute verstärkt auf die Lehrpersonen und damit auf aber auch die Zukunft der Schülerinnen und
den Interaktionsprozess im Unterricht und in der Fortbil- Schüler mitzugestalten.
dung.
2. Unser Konzept
In den letzten Jahren haben wir intensiv Fortbildung in ver-
schiedenen Ländern konzipiert, durchgeführt und evaluiert.
Dadurch haben wir nicht nur unsere Sichtweisen und Model-
le weitergegeben, wir wurden auch mit verschiedenen Wel-
ten und anderen „Lern- und Lehrkonzepten“ und dadurch
auch immer wieder mit uns selbst konfrontiert. Dabei wur- Was bedeutet Autonomie
den wir in einem dauernden (Selbst-)Bildungsprozess ange-
halten, die eigenen Bilder, Vorstellungen und „Wahrheiten“ beim Lernen für Sie?
über Bildung und Weiterbildung zu überdenken und neu zu Der Grad von Autonomie, von Selbstbestimmung und Selbst-
formulieren. Als Fortbildner sind wir gemeinsam und dank verantwortung in Lernprozessen hängt von verschiedenen
der Kursteilnehmenden einen Weg in Richtung Autonomie Faktoren und deren „Gleichgewicht“ ab (siehe Abb.1). Je
der Fortbildner gegangen5. nach Gewichtung und Einfluss der verschiedenen Faktoren Abb. 1: Faktoren,
vergrössert oder verkleinert sich das Mass der möglichen die Möglichkeiten
Unseres Erachtens sind in der Lehrerfortbildung für die Autonomie sowohl einer Fortbildungsveranstaltung als auch und Bedingungen
der Autonomie
Förderung von autonomem Lernen zwei Grundsätze zu der Umsetzung im späteren Unterricht. im Fremdsprachen-
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beachten: unterricht und


in der Fortbildung
1. Autonomie muss immer erst „am eigenen Leib“ erfah- beeinflussen.
ren und erprobt werden. In diesem Sinne ist Autonomie
als Thema und methodisch-didaktischer Ansatz in der
Politik
Aus- und Fortbildung von Lehrpersonen ein dringendes
Anliegen.
2. Autonomie ist keine feste oder ideale Grösse, die es anzu-
Lerntradition Wirtschaft
streben gilt, sondern ein schillerndes, facettenreiches
Unternehmen.

Jeder von uns Autoren hat versucht den zentra-


MATERIAL
len Punkt für das, was er unter Autonomie in d eln R
an
AU

der LFB versteht, zu benennen:


h

Curriculum Auswahl
W Sich bescheiden und sich bewusst auf den Pfad der
eigenen Unzulänglichkeit einlassen ist die wichtigste LEHRPERSON LERNER/IN
ha
EI n d eln
Z

Voraussetzung für Autonomie; dadurch wird der T

Weg frei für eine Reise zu sich selbst. Das ermöglicht


es uns, verantwortungsvoll auf Lernprozesse von
und mit anderen einzugehen und sich auf immer
wieder neue Situationen einzulassen. Institution Soziales Umfeld der
Lerner/innen (Eltern)

U Sich als Fortbildner/in und als Teilnehmer/in selber


Kolleg/innen
ernst nehmen („Sei deine eigene Chairperson“ 6), sich
lösen von dem „Müssen“ und zu einem „Können“ und

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Zweiter Teil: Nachdenken Lernprozess soll dadurch reflektiert und neu in Gang
gebracht werden. Hier empfiehlt sich die Auseinandersetzung
über die Praxis mit dem „Rad der Fehler“ aus der indianischen Philosophie,
das wir mit dem Fehlerbegriff im DUDEN konfrontieren
1. Lernen in den Köpfen der Lehrer und (siehe Abb. 2) Anhand dieser Gegenüberstellung kann der
Lehrerinnen (sozio-)kulturelle Einfluss auf die eigenen Vorstellungen und
Normen im Umfeld des Begriffes ,Lernen‘ deutlich gemacht
Eine Grundvoraussetzung für Autonomie in Aus- und Fort- werden.
bildung ist, dass die Lehrpersonen sich und ihre je eigene Art
zu lernen und zu lehren kennen lernen. Der eigene Lehr- und Das „Rad der Fehler“ ist in der indianischen Tradition die
Lernstil begünstigt die einen und benachteiligt die anderen. grundlegende Antriebskraft menschlicher Entwicklung, so-
Lehrpersonen unterrichten anders, wenn ihnen bewusst ist, mit eine der Urantriebskräfte des Lebensrades. Wer nicht
dass Unterricht das Aufeinandertreffen und Zusammenspiel mehr lernt, lebt nicht mehr. Die einzelnen Stationen auf dem
eines bestimmten Lernertyps mit vielen anderen, sehr ver- Rad charakterisieren den Entwicklungsprozess eines Men-
schiedenen Lernertypen bedeutet. schen. Dabei steht die emotionale Bereitschaft, Fehler zu
Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Instrumenten machen, immer wieder am Anfang individueller Entwick-
zur „Ermittlung“ des Lernertyps7 und die Aufarbeitung der lungsprozesse, während die Bereitschaft, aus Fehlern von und
persönlichen Lernbiografie in Fortbildungsveranstaltungen mit anderen zu lernen, Voraussetzung für gesellschaftliche
wecken das Bewusstsein des eigenen Lehr- und Lernstils sowie Veränderungsprozesse ist.
desjenigen der anderen. Dabei werden Wege für ein besseres
Lernen sichtbar, die Modelle für den Einsatz im eigenen Lernen können wir daraus: Erst wenn Lernpersonen wie-
Unterricht sein können. Spielerische Instrumente haben den der „Mut zum Fehler“ haben, können sie sich neue Lernfel-
Vorteil, dass die Lernenden nicht auf einen bestimmten Lern- der öffnen. Damit verbunden sind natürlich Instabilität, aber
typ festgelegt werden, wie das bei Lerntypentests geschieht. auch Disharmonie, Unsicherheit, Frustrationen, vielleicht
Hass oder Angst. Stabilität, Sicherheit und Harmonie aufs
2. Die Einstellung zu Fehlern – eine Spiel zu setzen, um neue Erfahrungen zu machen, verlangt
Voraussetzung für autonomes Lernen Risikobereitschaft und die Fähigkeiten, Risiken realistisch
Eine weitere Voraussetzung für die autonomiefördernde einzuschätzen und Krisen oder Spannungen auszuhalten.
Arbeit in der Fortbildung ist nach unserer Erfahrung die The- Dadurch aber wird die Autonomie der Person gefördert und
matisierung des Begriffs „Fehler“ beim Lernen. Der eigene gestärkt. Weiterbildung, die die Autonomie fördern will,
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Abb. 2,
aus: Müller, Martin
u. a.: Tag für Tag
1993/1994.
Taschenkalender
für den Deutsch-
unterricht, S. 82/83.

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schafft Raum für das Experimentieren, das Ausprobieren, das


Verarbeiten eigener Erfahrungen und vor allem das „Erle- PROZESS LEBENSLANGEN LERNENS
ben am eigenen Leib“. sich verändernde Welt
3. Der Prozess lebenslangen Lernens
Selbstverantwortetes und selbstbestimmtes Lernen sollte für
Lehrpersonen eine lebenslange, spannende Herausforderung
sein. Der Prozess des lebenslangen Lernens wird in Abbil-
dung 3 anschaulich dargestellt8. Dieser Prozess verläuft auf LUST/FRUST

zwei Ebenen. Die vertikale Ebene betrifft den Bereich des Bereitschaft
"neues" aus-
Bereitschaft, sich zu ändern
(selbst-)reflexiv
individuellen und persönlichen Wachstums, die Förderung zuprobieren
offen/flexibel
mental/kongnitiv
der Bereitschaft, etwas zu lernen. Hier liegt die Grundlage
KONSTRUKTIV
jeder Weiterentwicklung und damit die wichtigste Variable, C H
A U K E
S L
die es bei der Planung von Aus- und Weiterbildungsveran-
KONFLIKTFÄHIG REFLEKTIEREND
staltungen zu beachten gilt: Welche Aktivitäten, Steuerungs- S P
P
R
partnerschaftliche kritische Auseinan-
und Evaluationsinstrumente habe ich als Fortbildner oder U
C
Auseinandersetzung
RI
E E dersetzung mit der
Ä R
S E
mit dem ANDEREN: Z R Theorie: E N
Fortbildnerin zur Verfügung, um die Bereitschaft der Teil- H
E
– Erfahrungen machen I E – Ideen N D
in der Praxis E- N T
nehmenden, sich zu verändern und etwas Neues zu lernen, N
– Erfahrungsaustausch
D
– Modelle
– Vorbilder
I
E-
D
zu wecken, zu fördern und am Leben zu erhalten – und zwar POS. LERNKLIMA PARTNERSCHAFTLICH
E

-
über die konkrete Veranstaltung hinaus? F G
S
A H FRAGEND
R U N E
M
N
E
O Bereitschaft, U
Die Horizontale bildet die Ebene der Fremd- oder Grup- T etwas Neues zu
I
G
I persönliche
O lernen E Weiter-
penerfahrung, der Kontakt mit den andern als Austausch, N
A
R
I
entwicklung

aber auch als Auseinandersetzung mit Kollegen und Kolle- L G

G
P

E individuelle bottomline
ginnen einerseits und mit der theoretischen und didaktisch- R Vorwissen/ N
methodischen Fachliteratur andererseits. Auch hier stellt sich S Sozialisation U
Ö T
N L L
bei jeder Veranstaltung wieder neu die Frage, wie diese Pro- I C H E H A
zesse so in Gang gesetzt werden können, dass sie weiter wir-
ken können.

Aus der Dynamik von Theorie und Praxis in der Weiter- Abb. 3:
bildung soll sich für alle Beteiligten ein persönlicher, sozia- ne Antenne haben für die sich ändernden Bedürfnisse von Prozess lebens-
ler und fachlicher Erfahrungs- und Wissenszuwachs ergeben. Organisationen und deren Kunden. Da er meist nicht auf Vor- langen Lernens
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Die Seminarleitenden müssen bei der Gestaltung der Weiter- gefertigtes zurückgreifen kann, muss er aktuelle Themen
bildungsveranstaltung versuchen, eine „Balance“ zwischen aufgreifen und in der Lage sein, stets neu adäquate Lernzie-
all diesen Elementen zu finden. Die Teilnehmenden ihrer- le und -wege zu konzipieren und seinen „Kunden“ anzu-
seits müssen versuchen, über die Weiterbildungsveranstal- bieten. Darüber hinaus muss er fähig sein, konstruktiv mit
Kritik umzugehen, um seine Kompetenzen zu perfektionie-
DIE ERFAHRUNGSSCHAUKEL ren und seine „Produkte“ (seine Weiterbildungsangebote) zu
Bereitschaft
"neues" aus-
optimieren oder durch neue zu ersetzen.
zuprobieren

A U K E
C H L Abbildung 4 (S. 54) zeigt Punkte, die für eine weiterbil-
S

S
KONFLIKTFÄHIG
P
REFLEKTIEREND
P
R
dende Person wichtig sind. Die Grafik dient als Ausgangs-
partnerschaftliche R I kritische Auseinan- Ä
U
C
Auseinandersetzung
mit dem ANDEREN:
E E dersetzung mit der S R
Z R Theorie: E N
E punkt für die Diskussion über Kompetenzen, Fähigkeiten und
H I E – Ideen
E
N
– Erfahrungen machen
in der Praxis E- N
D
– Modelle
N D
T
I
Fertigkeiten, die Weiterbildner benötigen, um erfolgreich zu
– Erfahrungsaustausch – Vorbilder
D
POS. LERNKLIMA PARTNERSCHAFTLICH
E-
sein: Wer seine Stärken und Schwächen als Unterrichtende/r
E

R
-

F
A H G
S und Animator/in kennt, kann die Stärken bewusster einset-
R U N
persönliche
Weiter-
zen, die Schwächen ausbalancieren und sich zudem gezielt
entwicklung
weiterbilden. Die Erweiterung der Selbst- und Sozialkompe-
tung hinaus, die „Schaukel“ immer wieder in einen Schwe- tenz wird damit ein zentrales Anliegen jeder Fortbildung
bezustand zu bringen, d. h. individuelle Ungleichgewichte in sowohl für die Teilnehmenden als auch für die Fortbilden-
den verschiedenen Bereichen auszubalancieren. den selbst.
4. Profil eines Weiterbildners/einer Der Fragebogen (S. 55) kann helfen, eigene Stärken und
Weiterbildnerin Schwächen bewusst zu machen. Im Gespräch mit andern
Die Tätigkeit als Weiterbildner bzw. Weiterbildnerin verlangt ergibt sich aus der Gegenüberstellung von Selbst- und Fremd-
ein hohes Mass an Autonomie beim Lehren und Lernen. wahrnehmung ein ausbalanciertes Bild. Dieses Bild kann
Gefragt sind Fähigkeiten auf persönlicher, sozialer und fach- Grundlage sein für selbständiges Weiterlernen von Weiter-
licher Ebene: Ein Weiterbildner muss zum Beispiel eine fei- bildnern und Weiterbildnerinnen.

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len nicht, um neue Kompetenzen zu erlangen oder nach


neuen Einstellungen zu handeln. Das Ziel der Weiterbilden-
Ich als Teacher-Trainer/in den sollte deshalb sein, die Teilnehmenden dazu zu befähi-
gen, sich ohne Hilfe selber fortzubilden.

Weiterbildung, die mehr will als nur stimulieren, die Part-


nerschaft aufbauen und einen Prozess in Gang setzen, in
WAS? Gang halten, steuern und dadurch Ziele verwirklichen will,
WISSEN muss mittel- bis langfristig angelegt sein. Wir arbeiten des-
Theorie halb nach dem 3-Phasen-Modell, das in Abbildung 5 darge-
stellt wird.

In einer 1. Phase wird Lernen inszeniert. Ein attraktives,


auf die Teilnehmenden abgestimmtes Lernangebot, ein gut
Autonomie vorbereitetes Lernfeld, die Klärung von Chancen und Schwie-
WER? Freiheit rigkeiten machen den Einstieg ins Thema, aber auch das
MIT WEM?
Körper/Verhalten Improvisation Sicheinlassen auf die Gruppe zu einer vielversprechenden
Prozess/Gruppe
Individualität Herausforderung. Neue Sichtweisen und Inhalte steigern die
Kreativität Lernbereitschaft.

Eine 2. Phase dient dem Erproben des Neuen im eigenen


beruflichen Arbeitsfeld. Wo und wie zeigen sich Widerstände,
WIE? Unzulänglichkeiten, Hindernisse, aber auch überraschende
KÖNNEN Erfolge?
Praxis

1. Phase: Lernprozess inszenieren


Abb. 4: 5. Die Weiterbildungsarena Angebote machen
Martin Müller/ Lernmöglichkeiten schaffen
Lukas Wertenschlag: So wenig Autonomie im luftleeren Raum schwebt, so wenig Lernfeld vorbereiten
Weiterbildung für arbeiten Lehrpersonen und Weiterbildungsverantwortliche Chancen u. Probleme aufzeigen
DaF-Referenten. unabhängig von Kollegen und Vorgesetzten, von Vorgaben, Lernpartnerschaften anbahnen
Workshop des konkreten Bedingungen und verfügbaren Mitteln 9. Weiter-
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Pädagogischen
Instituts, Wien 1993
bildung unter dem Aspekt der Autonomie führt für uns über
den unterrichtlichen Bereich hinaus. Weiterbildung umfasst
immer persönliche, soziale, gesellschaftliche und berufliche
Aspekte. Wenn wir uns auf den beruflichen Bereich beschrän-
ken, so scheinen uns u.a. folgende Felder wichtig: 2. Phase: Gelerntes anwenden
• Schulinterne Weiterbildung,
• Leitideen einer Schule, auswählen u. ausprobieren
• Mitverantwortung für die Zukunft der Schule, Vorteile u. Nachteile aufzeigen
• „Betriebsklima“, Probleme identifizieren
• Unterrichtsreformen usw.

In Bezug auf die Form der Weiterbildung scheinen uns


u. a. jene Formen vorteilhaft, die nicht unbedingt von einem
Veranstalter angeboten werden müssen, also z. B. Lehreraus-
tausch, Erfahrungsgruppen, gegenseitige Hospitation, gegen- 3. Phase: Gemeinsam evaluieren
seitige Beratung. Rollenspiele, Zukunftswerkstätten oder kon-
Erfolg/Misserfolg besprechen
krete Kleinprojekte bei längerfristigen Fortbildungsmassnah-
Verbesserungen suchen
men eignen sich besonders gut, den Prozess der Autonomie
neue Ziele setzen
in diesen Bereichen zu stützen.
personell/institutionell vernetzen
6. Weiterbildung – ein partnerschaft- weiteren Verlauf aushandeln
licher Prozess
Erfahrungsgemäss erwarten Lehrpersonen von Weiterbil-
dungsveranstaltungen Impulse, die sich auf die tägliche Pra-
xis positiv auswirken. Impulse genügen in den meisten Fäl- Abb 5: 3-Phasen-Modell

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Abb 6: Fragebogen

Erwachsenenbildung
Überlege: „Was kann ich gut, was kann ich noch nicht so gut und was möchte ich lernen?"

ZIEL der Überlegungen ist: Als Kursleitende/r lernen, Raum und Zeit zu schaffen für Improvisa-
tion, Autonomie und Individualität, um dadurch die Motivation, das Lernklima und den Lern-
erfolg zu optimieren

1. WAS? WISSEN: Fachlich (FU) und Erwachsenenbildung


In welchen Bereichen kann ich mein fachliches Wissen auf persönliche Erfahrungen abstützen? Wann
wirke ich glaubhaft und überzeugend?
Kann ich mein Wissen teilnehmerzentriert, bescheiden und ruhig einsetzen?
Weiss ich um das Wissen, die Erfahrung der Teilnehmenden? Kann ich darauf eingehen?
In welchen Bereichen möchte ich mehr wissen/lesen?
Kenne ich eigene Schwächen?
Welche Publikationen kenne ich/kann ich empfehlen?
...
2. WIE? KÖNNEN: Anwendung des Wissens und Animation
Was weiss ich (theoretisch), kann es aber noch nicht gut anwenden/umsetzen?
Weiss ich, was ich gern mache und gut kann, aber auch das, was ich nicht gern tue?
Kann ich animieren?
Kann ich führen?
Kann ich mit Zeit und Raum umgehen?
Kann ich mit abwechslungsreichen Arbeitsformen ein kreatives Klima schaffen?
Kann ich klare Arbeitsaufträge erteilen?
Kann ich Ergebnisse auswerten?
Kann ich verschiedene Evaluationsinstrumente anwenden, um Aussagen über den Kurs, die TN und die
Leitung zu erhalten?
Kann ich Evaluationsergebnisse nutzbringend auswerten?
...
3. WER? KÖRPER – VERHALTEN – PRÄSENZ – RAUM
Nehme ich mich wahr – sehe ich mich – spüre ich mich – höre ich mich?
In welchen Situationen fühle ich Stress/Angst?
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Wie reagiert mein Körper in solchen Situationen?


Wo im Körper zeigen sich Stress- oder Angstsymptome?
Weiss ich, was ich dagegen tun kann?
Wann fühle ich mich wohl? Wie äussert sich das?
Kann ich von der Gruppe Energie aufnehmen oder mich schützen?
Wie kann ich Spannungen im Raum abbauen?
Kann ich den Raum durch Umstellungen oder Eingriffe "freundlich" gestalten?

4 MIT WEM? GRUPPE – PROZESS
Kann ich Prozesse wahrnehmen, spüren – Weiss ich, wo meine Grenzen liegen?
Kann ich Konflikte, Wettbewerb zulassen, auslösen oder lösen helfen?
Kann ich Fehler zugeben?
Gehe ich selbstkritisch mit mir um?
Kann ich mich in der Gruppe selber beobachten und wahrnehmen?
Kenne ich den soziokulturellen Hintergrund der Lemgruppe?
Ist mein Wissen wichtiger als das der Teilnehmenden?
Muss ich mich profilieren, abgrenzen?
Kann ich Schwächen/Fehler/Mängel von anderen markieren/thematisieren?
Kann ich loben – positiv verstärken?
Wie oft lache ich?
Spüre ich, wann ich eingreifen muss, laufen lassen kann oder insistieren müsste?
Kann ich Ruhe und längere Pausen zulassen?
Es gibt keine postiven oder negativen Gefühle. Es gibt nur Gefuhle.
CLAC ’95 Es gibt keine positiven oder negativen Wahrnehmungen, es gibt nur Wahrnehmungen.

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In einer 3. Phase werden die positiven und negativen Daraus ergeben sich Fragen wie: Wie können die einen
Erfahrungen besprochen, im gemeinsamen Gespräch werden den anderen helfen? Wie entsteht ein Gleichgewicht in der
Unsicherheiten behoben, Verbesserungen erarbeitet und neue Gruppe? Helfen Spielregeln? Gemeinsam gefundene Lösun-
Ziele gesetzt. Wichtig in dieser Phase ist auch, die Vernetzung gen stärken das Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen des
der Beteiligten zu konkretisieren und Ziele für das gemein- Einzelnen und der Gruppe.
same Weiterlernen festzulegen.
Die verschiedenen Massnahmen eines Weiterbildungspro-
Mit diesem 3-Phasen-Modell versuchen wir, LFB als part- gramms müssen also ein Ganzes bilden. Sie müssen so inein-
nerschaftlichen Prozess zu gestalten. Das bedeutet, dass ander greifen, dass die Teilnehmenden ihre Autonomie
schon bei der Programmgestaltung, bei der Konzeption der Schritt für Schritt ausprobieren und ausbauen können.
einzelnen Phasen durch Vorgespräche oder Befragungen die Wünschbar für die Umsetzung, Anwendung und Weiterent-
Bedürfnisse der Teilnehmenden berücksichtigt werden. wicklung gelernter Techniken, erworbener Einstellungen
usw. ist die berufliche und institutionelle Vernetzung der
Mit einem reichen Angebot an Arbeitsformen und -instru- Beteiligten: Peer Groups, Arbeitsgruppen, Lehrer/innen-Part-
menten sollen möglichst viele Lernertypen angesprochen nerschaften usw. können der Ort sein, wo sich Initiativen ent-
werden und die Selbstreflexion und Selbstverantwortung wickeln, wo Autonomie grundlegend ist und Nachhaltigkeit
gefördert werden: Das Angebot reicht von Lerntagebuch, sichtbar wird.
Lernvertrag, Rollenspiel, Simulation, Planspiel, über Team-
Teaching bis zu den eher allgemein üblichen Formen der Anmerkungen:
Arbeit im Plenum, in Gross- und Kleingruppen. Auch die Rol- 1 Holec, H.: Autonomy and Foreign Language Learning: Strasbourg
lenverteilung kann flexibel sein. Neue Rollen können dazu 1980.
kommen, alte müssen umgeschrieben werden, z. B. können 2 Schweizer Orthographie: kein ß
Teilnehmende Verantwortung übernehmen als Animator-
3 Arbeitsgruppe „Cadre de référence pour l´évaluation en langues
(inn)en, als Dozent(inn)en oder sogar als Kursleitende. All étrangères en Suisse“ (Hrsg.): Language Portfolio (Entwurf). o.J.
dies bedingt eine flexible, ,rollierende‘ Planung, d. h. anstel-
4 Müller, M./Wertenschlag, L./Wolff, J. (Hrsg.): Autonomes und
le eines starren Programms mit festgelegten Inhalten und
partnerschaftliches Lernen. München: Langenscheidt 1989.
Arbeitsformen tritt eine Planung, welche die sich ständig
ändernden Bedürfnisse der Gruppe laufend berücksichtigt. 5 Wir danken allen Teilnehmenden an Fortbildungsveranstaltun-
gen, insbesondere den polnischen und ungarischen Deutschleh-
rer(inn)en, die uns über mehrere Jahre immer wieder angespornt
Unerlässlich für offene Planung und für partnerschaftli- haben weiterzulernen.
che Zusammenarbeit ist die systematische Evaluation zur
6 vgl. Barbara Langmaack: Themenzentrierte Interaktion. Ein-
Steuerung von Prozessen: Wo müssen Inhalte vertieft, führende Texte rund ums Dreieck. Weinheim: Psychologie-Verlag
Schwerpunkte oder Ziele neuen Bedürfnissen angepasst wer- 1991, S. 76.
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den? Wo müssen Rollen neu beschrieben werden, um die Teil- 7 Solche Instrumente finden Sie z.B. bei:
nehmenden stärker an der Steuerung des gemeinsamen Ellis, Gail/Sinclair, Barbara: Learning to Learn English. Learners
Lernprozesses zu beteiligen und zielgerichtet in die Pro- Book. Cambridge: Cambridge University Press 1989. (Welche Art
grammverantwortung einzubinden? Wo müssen Störungen Sprachlerner sind Sie?)
vorrangig thematisiert werden? Eine ständige Evaluation des – Martin Müller u.a.: Lerntypen. In: dies.: Tag für Tag 1992/1993.
Prozesses und der Ziele verhindert auch, einem hierarchi- Taschenkalender für den Deutschunterricht. Langenscheidt: Mün-
schen Modell ,Lehrperson über Lernenden, Fortbildner/in chen 1992. S.188 f. (Eignet sich für ein spielerisches „Testen“
der sinnlichen Schwerpunkte.)
über Lehrperson‘ zu verfallen.
– Wolfgang Endres/Elisabeth Bernard: So ist Lernen Klasse. Kösel
Nur ein Klima des Vertrauens und gegenseitiger Toleranz 1989. (Lernen mit Kindern, enthält einen Lerntypentest).
schafft die Bedingungen, dass alle Teilnehmenden sich auf 8 Das Modell entstand in Anlehnung an das „Rad der Fehler“ und
den Weg Richtung Autonomie einlassen. Nach unserer Erfah- an indianische Denktraditionen in einer Weiterbildungsveran-
staltung des Goethe-Instituts in München zum Thema „Brenn-
rung ist es deshalb auch hilfreich, auf unterschiedliches Ver-
punkte der Fortbildung von Fremdsprachenlehrerinnen und -leh-
halten im Plenum und in Gruppen hinzuweisen. Durch das rern“.
Thematisieren von Gegensätzen im Verhalten einzelner Teil-
9 Die schweizerische Weiterbildungszentrale (WBZ) in Luzern hat
nehmenden verstärken sich die gegenseitige Rücksichtnah- mit ihrer Sonderpublikation 1 „Weiterbildungsarena - Arène de
me und Selbstwahrnehmung. perfectionnement“ 1993 die Spannungsfelder aufgezeigt, in der
sich Lehrpersonenaus- und -fortbildung abspielt.
Zum Beispiel:

,Redner‘ ,Beobachter‘
(eher extrovertiert) (eher introvertiert)
– denken laut mit – denken für sich
– melden sich spontan – überlegen lange
– greifen ein – beobachten

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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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NICHT FÜR
DIE SCHULE,
FÜR DAS LEBEN
LERNEN WIR!

von MICHAEL LANGNER


Auf den folgenden Seiten möchte ich eine Auswahl von
Büchern und einige Aufsätze zum Thema „Autonomie“
besprechen, die seit 1980 erschienen sind. Eine solche Aus-
wahl ist natürlich immer subjektiv. Neben einigen grundle-
genden theoretischen Publikationen sollen auch stärker pra- Holec, Henri: Autonomy and Foreign Language
xisbezogene Arbeiten zur Sprache kommen. Betrachtet man Learning. Strasbourg: Council of Europe 1980.
die einschlägigen Werke, so fällt auf, dass die wichtigsten Aus der Diskussion der verschiedenen Begriffe, die im
theoretischen Impulse nicht auf Deutsch vorliegen. Die Zusammenhang mit Autonomie stehen, entwickelt HOLEC
methodische Diskussion von Autonomie bzw. Autonomieför- eine Definition, die auch für das Fremdsprachenlernen
derung nahm ihren Anfang in den skandinavischen Ländern, zugrunde gelegt werden kann:
in England und in Frankreich. Somit liegen die meisten Titel
des theoretischen Teils auf Englisch bzw. Französisch vor. „Autonomie ist die Fähigkeit, Verantwortung für seine
Dies ist vielleicht mit der Grund, dass diese Ansätze relativ eigenen Angelegenheiten zu übernehmen.“
zögernd im Bereich Deutsch als Fremdsprache aufgegriffen
wurden. Die im praktischen Teil genannten, auf Deutsch vor- In Bezug auf das Lernen von Fremdsprachen ist Autono-
liegenden Veröffentlichungen sind denn auch häufig über mie konsequenterweise die Fähigkeit, sein eigenes Lernen in
den Umweg der Fremdsprachendidaktik (für Englisch und die Hand zu nehmen. In der Folge behandelt der Autor dann
Französisch) entstanden. die mit Autonomie im Fremdsprachenlernen verbundenen
Begriffe: Fähigkeiten zur Verantwortung und Selbständig-
Ich beschränke mich bei der Besprechung auf den ange- keit. Nach Ausführungen zum ’selbstbestimmten Sprachen-
gebenen Zeitraum, auch wenn damit natürlich keineswegs lernen‘ (self-directed learning of languages) und dessen Aus-
die verschiedenen Epochen der Beschäftigung mit autono- wirkungen auf die Lernsituation (Unterrichtende, Lernende,
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men Lernformen ignoriert werden sollen (z. B. die Reform- Lernziele) skizziert Holec dann noch verschiedene Autono-
pädagogik Ende des 19. Jahrhunderts, die Montessori- mie-Experimente aus Großbritannien, Schweden und Frank-
Pädagogik oder der Ansatz von Freinet in der ersten Hälfte reich.
des 20. Jahrhunderts). Zudem werden einige wichtige Titel,
die in Fremdsprache Deutsch 1/1993 (Thema: Lernstrategi- Bertocchini, Paola/Costanzo, Edvige: Manuel
en) bereits besprochen wurden, nicht nochmals aufgeführt. d’autoformation. A l’usage des professeurs de
langues. Paris: Hachette 1989.
Mit der getroffenen Auswahl möchte ich Sie neugierig Eine ganz andere Zielrichtung hat dieser Band aus der
machen. Und diese Neugier sollte auch nicht davor Halt Reihe ’Autoformation‘: Er will Unterrichtenden für Franzö-
machen, dass manches Interessante eben nicht auf Deutsch sisch als Fremdsprache eine selbständige Möglichkeit zur
vorliegt und auch nicht immer die Fremdsprache Deutsch Weiterbildung anbieten. Die beiden Autorinnen gehen dabei
zum Thema hat. Es ist für uns Unterrichtende jedoch ganz einen interessanten Weg zwischen Theorie und Praxis,
heilsam, wenn wir uns in Fremdsprach-Situationen finden, äußerst interessant auch für Unterrichtende anderer Spra-
denen wir unsere Lernenden immer wieder aussetzen. chen. Das Buch ist in vier Teile gegliedert: 1. Situation der
Lerngruppe, 2. Fremdsprachendidaktik, 3. Praxis in der
Lerngruppe, 4. Evaluation, Analyse. Jedes Kapitel dieser
Methodische Ansätze Teile ist sehr übersichtlich gegliedert; so wird immer zu
Die folgenden Publikationen gehören zu den Standardwer- Beginn das Lernziel beschrieben und dann an einem mehr
ken des Autonomieansatzes im Fremdsprachenunterricht. oder weniger umfangreichen (Text-)Dokument darauf hin-
Am Beginn unseres Zeitraums steht eine hervorragende gearbeitet. Ganz am Schluss dann ein Selbstevaluationsbo-
Gesamtschau der bis dahin verfolgten Ansätze zum autono- gen, mit dem Unterrichtende für Fremdsprachen ihre theo-
men Sprachenlernen: retischen und praktischen Kenntnisse einschätzen können.
Die Beschäftigung mit diesem anregenden Band sollte eigent-
Holec, Henri: Autonomie et apprentissage des lich von diesem Selbstevaluationsbogen ausgehen, da beim
langues étrangères. Strasbourg: Conseil de l’Eu- Ausfüllen die Bereiche festgestellt werden können, die man
rope 1978. vertiefen will bzw. sollte.

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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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Little, David: Learner Autonomy 1: Definitions, ten Beitrag die Idee des Autonomieansatzes im Fremdspra-
Issues and Problems. Dublin: Authentik 1991. chenunterricht historisch zurück. Die fruchtbarste Epoche in
diesem Jahrhundert sind die 25 Jahre nach dem Ende des
Dickinson, Leslie: Learner Autonomy 2: Learner Zweiten Weltkrieges. Die beiden Autoren machen die ver-
Training for Language Learning. Dublin: Authen- schiedenen Wurzeln deutlich:
tik 1992. E die politische Bewegung für Minderheitenrechte;
Die zwei kleinen Bändchen stehen in einem direkten E die Reaktion auf den mechanistischen Behaviorismus:
Bezug zu AUTHENTIK, auf das ich weiter unten zu sprechen Didaktischer Ansatz der Lernerzentriertheit, Linguisti-
komme. Sie richten sich in allererster Linie an Unterrich- scher Ansatz ’Sprache als Werkzeug für die Kommunika-
tende, die mit einem Autonomieansatz experimentieren wol- tion‘, humanistische und kognitive Psychologie;
len. In kurzer und prägnanter Form werden im ersten Band E das ’Modern Languages Project‘ des Europarats, welches
die Ergebnisse der Forschung zur Fremdsprachendidaktik, ursprünglich durch die sprachlichen Bedürfnisse der
zur Lehr- und Lernpsychologie und zur Linguistik des Fremd- Arbeitsmigranten inspiriert wurde;
spracherwerbs dargestellt. Abgeschlossen werden die Aus- E die technologischen Entwicklungen: Kassettenrecorder,
führungen mit praktischen Tipps für autonomiefördernde Fernsehen, Video, Computer, Fotokopierer, Fax, e-mail etc.;
Maßnahmen. Sie reichen von der Rolle der Grammatik über E die steigende Nachfrage nach Fremdsprachen, die ein
Wortschatzarbeit bis hin zu Reflexionen über die Rolle von Resultat der politischen Entwicklungen (wie EU oder
Unterrichtenden und Lernenden. UNO) war;
E das starke Ansteigen der Schüler- und Studierendenzah-
Im zweiten Bändchen steht dann die Vorbereitung der Ler- len infolge des offeneren Zugangs zur Bildung.
nenden auf selbstbestimmtes Arbeiten im Vordergrund. So
merkwürdig es klingt, häufig sind unsere Lernenden nicht Der zweite Teil des Aufsatzes beschäftigt sich dann mit den
auf autonomes Lernen vorbereitet. Dies kann verschiedene Argumenten, die gemeinhin gegen autonomiefördernde Kon-
Gründe haben, z. B. die Lernkultur, Motivation etc. Deswe- zepte vorgebracht werden. Die beiden Autoren machen deut-
gen schreibt Dickinson im Vorwort: „Learner training is not lich, dass solche Ansätze für Lernende vom Kindes- bis zum
the same thing as learner autonomy; but in most situa- Erwachsenenalter und für alle Sprachen geeignet sind, dass
tions it is essential precondition of autonomy.“ sie auch für Lernumgebungen taugen, die stark prüfungs-
Die folgenden zentralen Bereiche werden behandelt: bezogen sind und dass auch die Argumente gegen die
E Die Unabhängigkeit der Lernenden vom Unterrich- Schichtspezifik widerlegt werden konnten. Und zum Schluss
tenden sollte Ziel jedes Lernprozesses sein. Dies ist eine wird deutlich, dass der Autonomieansatz auch in sogenannt
Grundbedingung für Selbstbestimmung. ,autonomiefeindlichen‘ Lernkulturen tragen kann. Der letz-
E Die Entdeckung und das Training von Lernstrategien te Beitrag dieses Heftes beschäftigt sich gerade damit: Judy
sind eine wichtige Etappe auf dem Weg zu selbständigem, HO / David CROOKALL: Breaking with Chinese Cultural Tra-
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lebenslangem (Sprachen-)Lernen (life long learning). ditions: Learner Autonomy in English Language Teaching.
E In direktem Zusammenhang hiermit stehen der Erwerb
von Lerntechniken für den Umgang mit authentischem Im dritten Teil kommen die Autoren dann auf die ver-
Material. Dazu gehören die aus den traditionellen Ansät- schiedenen Möglichkeiten selbstbestimmten Lernens zu spre-
zen bekannten Techniken zum Globalverstehen (Lese- chen: Mediatheken, Lernertraining, Lernberatung, Material.
und Hörverstehen), aber auch Techniken zum Gebrauch Plakativ zwei Statements: Wir sollten in Zukunft nicht mehr
von Hilfsmitteln. Insgesamt dienen diese Techniken dem so sehr von Lernertypen reden, sondern eher von ver-
Ziel der Unabhängigkeit von den Unterrichtenden. schiedenen Arten des Lernens. Und: Der Lehrer sollte sei-
E Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Selbstevaluation/ ne Aufgabe stärker in der Beratung der Lernenden sehen,
Selbsteinschätzung. Auf dem Weg zu Unabhängigkeit in der Hilfestellung bei der Entwicklung ihrer Lernkom-
und Selbstbestimmung müssen die Lernenden auch in die petenz. David LITTLE verdeutlicht in seinem knappen Bei-
Lage versetzt werden, ihre Lernfortschritte richtig einzu- trag die Tatsache, dass die Entwicklung der Lernerautono-
schätzen. Neben Materialien, die dafür nützlich sind, ist mie abhängig ist von der Autonomie des Lehrers. Lehrer kön-
auch die partnerschaftliche Evaluation (zwischen zwei nen Autonomie nur dann fördern, wenn sie selbst schon in
Lernenden) hilfreich. ihrer Aus- und Weiterbildung mit solchen Ansätzen Erfah-
E Auch die verschiedenen Sozialformen spielen bei auto- rungen gemacht haben.
nomiefördernden Ansätzen eine wichtige Rolle. Einzelar-
beit, Partnerarbeit und Gruppenarbeit sollten in unter- Gleich zwei Beiträge beschäftigen sich mit den lernhem-
schiedlichem Maße eingesetzt werden können. menden Einstellungen der Lernenden, welche bisher erst sel-
ten in Bezug auf den Autonomieansatz untersucht worden
Autonomy, Self-direction and Self Access in Lan- sind: Sara COTTERAL und Mia VICTORI/Walter LOCKHART.
guage Teaching and Learning: the History of an In den beiden empirischen Studien wird überzeugend deut-
Idea. Sonderheft: SYSTEM 23/2, 1995. lich, dass die Feststellung und anschließende Veränderung
In diesem englischsprachigen Sonderheft sind eine Reihe von lernhemmenden Einstellungen zu einer sehr deutlichen
namhafter Autoren und Autorinnen versammelt. Marie-José Steigerung der Lernergebnisse mit autonomiefördernden
GREMMO/Philip RILEY verfolgen in ihrem hochinteressan- Ansätzen führt.

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Nodari, Claudio: Perspektiven einer neuen Lehr- nomie helfen kann und soll. Durch entsprechende Übungs-
werkkultur. Pädagogische Lehrziele im Fremd- angebote, (Selbst-)Evaluationsmaterialien, den expliziten
sprachenunterricht als Problem der Lehrwerkge- Einsatz von Lernstrategien und -techniken und das Anspre-
staltung. (Reihe Sprachlandschaft, 16) Aarau: chen unterschiedlicher Lernertypen können die Lernenden zu
Sauerländer 1995. den Einsichten kommen, die ihnen auch für Lernprozesse
Zum Schluss dieses ersten Teils möchte ich ein Buch vor- nach bzw. außerhalb der Schule nützlich sind. Dabei wird
stellen, welches sich hervorragend eignet, bei dieser Litera- sehr deutlich, dass dem Lehrwerk eine wichtige Rolle bei der
turbesprechung den Übergang von der Theorie zur Praxis zu Autonomieförderung zukommt.
vollziehen. Hier werden eine Vielzahl der angesprochenen
Ansätze zur Autonomie aufgearbeitet und zwar für Deutsch Die beiden letzten Kapitel rundet NODARI jeweils durch
als Fremdsprache. Auch wenn die Ausgangsüberlegungen von einen sehr lesenswerten Katalog von Prinzipien der Lehr-
NODARI sich auf die ,Situation Deutsch als Fremdsprache in werkgestaltung ab, in dem er seine Überzeugungen noch
der Westschweiz‘ beziehen, die Lektüre dieses Buches ist ein einmal zusammenfassend darstellt.
Muss für alle diejenigen (und auch andere), die sich mit der
Konzeption von Lehrmaterialien befassen. Um die Grundidee des Buches deutlich zu machen, ein
Zitat aus dem Ausblick:
„Lehrwerke sollten die weitverbreitete Meinung nicht
unterstützen, dass das Lehrwerk gleichsam die Materia-
lisierung des idealen Weges zum Fremdspracherwerb
darstelle. Lehrwerke einer neuen Lehrwerkkultur sind
diesbezüglich bescheidener. Sie zeichnen zwar mögliche
Wege vor, sie verschweigen aber nicht, dass die Lernver-
antwortung und die Suche nach dem besten Weg Sache
des Lerners mit der Unterstützung des Lehrers ist.“
(S. 225)

Aus der Praxis – für die Praxis


In den folgenden Werken stehen die praxisbezogenen Aspek-
te im Vordergrund.

Rampillon, Ute: Lernen leichter machen - Deutsch


als Fremdsprache. München: Hueber 1995.
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Nachdem RAMPILLON 1985 zwei sehr interessante Bänd-


chen fürs Englischlernen vorgelegt hatte, die lange Zeit zu
den Standardwerken im deutschsprachigen Raum gehörten,
legt sie zehn Jahre später ein weiteres Büchlein vor, dessen
Verwandtschaft mit den Publikationen von 1985 nicht zu ver-
leugnen ist. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine ein-
fache Umsetzung auf Deutsch als Fremdsprache. Die theore-
tischen Reflexionen der vergangenen zehn Jahre sind von der
Autorin hervorragend umgesetzt worden.
Im ersten, theoretischen Teil Lehrziele und Lehrwerkge-
staltung klärt der Autor den Stellenwert von unterschiedli- In der äußerst knappen, aber dadurch wirklich lesbaren,
chen Lehrzielen im Fremdsprachenunterricht. Als überge- theoretischen Einleitung, informiert RAMPILLON kurz über
ordnetes Lehrziel nennt er ,Kommunikationsfähigkeit‘ und die Bedingungen des Fremdsprachenlernens von Erwachse-
geht mit der Skizzierung der Dimensionen des Begriffes weit nen und über die Bedeutung von Lerntechniken/-strategien.
über das hinaus, was nach der ,kommunikativen Wende‘ in Sehr wichtig für die Unterrichtenden sind die Anregungen
den Lehrwerken dazu anvisiert wurde. zur Vermittlung von Lerntechniken und -strategien im
Unterricht. Der allergrößte Teil des Büchleins macht dann
Der zweite Teil der Arbeit bietet eine stark praxisbezogene eine Sammlung von Techniken und Strategien zum Aus-
Erarbeitung von Prinzipien der Lehrwerkgestaltung. Dabei probieren und Anwenden aus. Da werden zuerst die allge-
zielt die Argumentation ganz deutlich auf das Abschlusska- meineren Techniken behandelt, die die Selbstmotivation,
pitel Autonomie und Lehrwerkgestaltung hin, welches ein -organisation und -evaluation betreffen, also die Lernsitua-
großes Plädoyer ist für die Transparenz sowohl des Lehrwerks tion. Dann folgen eine große Zahl von speziellen Techniken
als auch des Unterrichts. Nur bei größtmöglicher Durch- zur Wörterbucharbeit, zu Grammatik, Wortschatz, zu den
sichtigkeit der Materialien können die Lernenden wirklich Grundfertigkeiten etc. Jedes Unterkapitel wird abgerundet
selbständig lernen. Und deutlich wird in diesem Kapitel, dass durch Tipps für die Praxis im Kurs, wo den Unterrichten-
gerade das Lehrwerk den Lernenden auf dem Weg zur Auto- den Hilfestellungen gegeben werden für die Vermittlung der

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wichtigen Techniken im Unterricht. Und ganz im Sinne der lernen, entsprechend ihrer individuellen Interessen und Dis-
schon oft erwähnten Transparenz, die für das eigenbestimmte positionen. In diesem Aufsatz wird aber auch deutlich her-
Arbeiten so wichtig ist: Ein Stichwortverzeichnis erleichtert vorgehoben, dass allein das Angebot von solchen Materiali-
die gezielte Suche nach bestimmten Themen. en noch keinen Lernerfolg garantiert. Autonome Lernerin-
nen und Lerner gibt es nämlich noch selten. Es braucht, so
Im Unterschied zu den beiden Bändchen von 1985, bei seltsam das zwar klingt, eine Vorbereitung auf die Selbstbe-
denen sich das Schülerarbeitsbuch an jugendliche Lernende stimmung. Wichtig ist die Information, die Lernberatung
richtete, ist RAMPILLON 1995 eine Hilfe für Unterrichtende, und die Lernbegleitung.
ist sicher aber auch für erwachsene Lernende sinnvoll.
Der Aufsatz zeigt deutlich, dass Lernberatung gut reflek-
Bimmel, Peter/Rampillon, Ute: Lernerautonomie tiert werden muss, damit nicht die traditionelle Lern-Bezie-
und Lernstrategien. Fernstudieneinheit Erpro- hung aufgebaut wird: Der oder die Wissende gibt Informa-
bungsfassung. Goethe-Institut, München. tionen. Die folgenden Prämissen sollen dies illustrieren:
In der Reihe „Fernstudienprojekt des DIFF, der GhK und E „Lernberatung ist Hilfe zur Selbsthilfe.“
des GI“ ist zur Zeit eine Fernstudieneinheit in Erarbeitung E „Eine gute Lernberatung macht Lernprozesse transparent
zum Thema „Lernerautonomie und Lernstrategien“. Die und Lernziele verständlich.“
Fernstudieneinheit ist nach bewährter Manier ausführlich E „Die Lernberatung kann helfen, alte, ineffektive Lernge-
und klar aufgebaut. Sie eignet sich nicht nur für das Selbst- wohnheiten abzulegen und neue Lernwege auszuprobieren.“
studium sondern auch für den Einsatz in Fortbildungskur-
sen. Die Erprobungsfassung (03.1996) ist beim Goethe-Insti- Und zum Abschluss noch Hinweise auf zwei Büchlein, die
tut in München (Bereich 52 FSP) erhältlich. für Lernende geschrieben sind und die ganz allgemein das
Lernen trainieren. Es sind Büchlein, welche man rundweg
Authentik Language Learning Ressources Ltd.: allen Lernenden empfehlen möchte. In beiden Publikatio-
Authentik auf Deutsch. Auszüge der deutschspra- nen steht ein Test am Anfang, bei dem man einerseits seinen
chigen Presse. Dublin: Authentik Language Lear- Lerntyp und andererseits die spezifischen Lernschwächen
ning Ressources Ltd. feststellen kann, die man dann mit Aufgaben aus einzelnen
Am Beispiel der Materialpakete für Deutsch möchte ich Kapiteln sinnvoll bearbeiten kann:
hier Selbstlernmaterialien vorstellen, die seit einigen Jahren
für Deutsch, Französisch und Spanisch hergestellt werden Endres, Wolfgang/Althoff, Dirk: Das Anti-Pauk-
und fünfmal im Jahr erscheinen. Es liegen damit Hör- und Buch. Lerntricks für Schüler. Weinheim: Beltz 1991.
Lesematerialien vor, die gerade für das eigenverantwortete Das Anti-Pauk-Buch richtet sich an jüngere Lernende, ist
Lernen unschätzbare Dienste anbieten. auch in einem Stil geschrieben, der diese Zielgruppe
anspricht. Und für den Fremdsprachenunterricht gibt es eine
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Neben einer Zeitung, die aus authentischen Lesemateria- ganze Menge Anregungen im größten Kapitel des Büchleins
lien aus verschiedenen (deutschsprachigen) Ländern zusam- „Lernmethoden“. Dort finden sich äußerst hilfreiche Tipps
mengestellt wird, gibt es eine ca. einstündige Kassette mit zu Lesestrategien (S. 78 ff.), zum Hörtraining (S. 54 ff.)
authentischen Mitschnitten von Radiosendungen ebenfalls und ganz besonders viele Tipps zur Wortschatzarbeit
aus verschiedenen Ländern. Thematisch sind die Lesetexte (S. 59 ff.). Gerade für die Vokabelarbeit möchte ich die Idee
mit den Hörtexten verknüpft und im herausnehmbaren Mit- hervorheben, dass Lernende verschiedenste Lernverfahren
telteil der Zeitung finden sich Übungen und Anregungen mit praktischen Übungen demonstriert bekommen und sie
zum selbständigen Arbeiten. dann die Methode auswählen können, welche am besten zu
ihrem Lerntyp passt. Nach jeder Übungseinheit werden dann
Hofmann, Rainer/Schulze-Lefert, Petra: Lernbe- die Ergebnisse zusammengetragen, damit man sie mit den
ratung: Anleitung zu selbständigem Lernen. Ein Resultaten des Lerntyptests vergleichen kann. Im allerbesten
Bericht aus dem Selbstlernzentrum. In: Fremd- Sinn ein Büchlein aus der Praxis für die Praxis.
sprache Deutsch. Sondernummer II/1993: Deutsch-
unterricht mit Erwachsenen, S. 28–33. Frick, René/Mosimann, Werner: Lernen ist lern-
In diesem Aufsatz liegen Erfahrungen vor, die seit einigen bar. Eine Anleitung zur Arbeits- und Lerntechnik.
Jahren mit Selbstlernzentren gemacht werden. Solche Ein- Aarau: Sauerländer 1994.
richtungen können unterschiedlich genutzt werden, einer- Im Aufbau und von der Idee her ist dieser Band ganz ähn-
seits von völlig autonomen Lernenden, andererseits aber lich, in Sprache und Darstellungsform richtet er sich jedoch
auch von Lernenden, die neben herkömmlichen Kursen eher an junge Erwachsene (Oberstufe und Erwachsenenbil-
zusätzlich arbeiten wollen. dung). Ebenfalls gut einsetzbar ist er in der Aus- und Wei-
terbildung von Lehrpersonen, da neuere Ansätze der didak-
In Selbstlernzentren (Mediatheken) können neben Print- tischen Forschung eingearbeitet sind und Literaturangaben
materialien (Bücher, Arbeitsblätter, Zeitschriften) unter- weiterführen.
schiedliche moderne Medien (Videorecorder, Computer, Kas-
settenrecorder) für das Lernen genutzt werden. Die Lernen-
den haben so eine Vielzahl von Zugängen zum Sprachen-

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stehen, Deutsch vielleicht, weil für andere Sprachen


keine Lehrer vorhanden sind oder die Eltern es so
1995 veröffentlichte wollen. Da bedarf es der sorgfältigen Auswahl von
die Europäische Kommis- Themen und Inhalten, die vielleicht „berühren“,
sion ihr Weißbuch „Lehren Begeisterung wecken, Motivation schaffen. Oft sind
und Lernen. Auf dem Weg es auch Lehrer oder Lehrerinnen, die Lernenden
zur kognitiven Gesellschaft“. Erziehung und Bildung überhaupt erst den Zugang zur Sprache eröffnen,
werden dort im Hinblick auf „drei große Umwälzun- indem sie ihre eigene Begeisterung auf Lernende
gen“ neu bestimmt: die Herausbildung der Informati- übertragen. Ein Unterricht, in dem der Lehrer nur
onsgesellschaft, die Globalisierung der Wirtschaft noch ‘Moderator’, ‘Lernarrangeur’ ist, wird in diesen
und die Entwicklung der wissenschaftlich-technischen Situationen wenig ausrichten. Hier sehe ich eine
Zivilisation. Autonomes Lernen, wie es im vorliegen- große Gefahr einseitig interpretierter Vorstellungen
den Heft von FREMDSPRACHE DEUTSCH beschrieben vom autonomen Lernen, dass sie von Lehrenden
wird, ist eine wichtige Komponente dieser Entwick- missverstanden werden könnten als Befreiung von
lungen: Es reicht nicht, einmal in einem Unterrichts- der inhaltlichen Verantwortung dafür, was im Unter-
fach etwas ‘für das Leben’ zu lernen. ‘Schlüsselquali- richt passiert.
fikationen’, dazu gehören Lernstrategien für selb-
ständiges Lernen, sind wichtiger als Inhalte, die bald 2. Teamfähigkeit als eine der Schlüsselqualifikatio-
veralten. Die Lernenden sollen deshalb befähigt wer- nen und Lernstrategien (manche Aufgaben lassen
den, selbständig und lebenslang weiterzulernen, um sich kooperativ besser lösen als allein) greift meines
den Herausforderungen einer sich ständig verändern- Erachtens zu kurz, was unser Verständnis von Spra-
den Welt Stand halten zu können. Es gibt gute Grün- che als Medium sozialer Interaktion und interkulturel-
de, schon früh zu beginnen, Lernende in autonomes ler Kommunikation betrifft. Gerade die jüngsten Ent-
Lernen einzuüben und Schule nicht als Anleitung zur wicklungen in der Welt haben uns gezeigt, wie leicht
Unselbständigkeit, sondern eben als Beginn selbstän- sich Sprachen als Mittel ethnischer Ab- und Ausgren-
digen, nicht angeleiteten Lernens auszugestalten. Das zung missbrauchen lassen. Ein Sprachunterricht, der
macht den Reiz autonomer Lernkonzepte gerade für Sprache als Medium zur Grenzüberschreitung, zum
die Pädagogik aus. Abbau von Vorurteilen vermitteln will, darf sich nicht
mit dem stark auf Individualisierung ausgerichteten
Gesehen werden muss allerdings auch, dass autono- Vermitteln von Lernstrategien zufrieden geben, muss
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mes Lernen Gefahren birgt: Horst Rumpf hat darauf vielmehr gezielt, auch gegen die Widerstände ethno-
aufmerksam gemacht, dass eine Schule, die nur auf zentrischer Einstellungen der Lernenden, soziokultu-
Wettbewerb, auf Stufbarkeit und darauf zielt, Wirk- relle Erfahrungen vermitteln, Begegnungen mit
lichkeit „in den Griff zu bekommen“, wichtige Fremdheit möglich machen.
Dimensionen von Erziehung und Bildung vernachläs-
sigt: Wir haben, so hat er 1995 formuliert, „in den 3. Autonomem Lernen liegt die Vorstellung von
Schulen übergenug – von Verwaltung, von Papier- selbständigen, relativ lerngewohnten Menschen zu
krieg, von Zeitdruck, von der Zwischenwelt der Kopi- Grunde: was wird aus den ’unselbständig Lernen-
en und Medien, von der Atmosphäre und der verwir- den‘, Menschen also, die – aus welchen Gründen
renden Vielfalt eines Supermarktes, ... in der nie- auch immer – zwar gern lernen, dabei aber wenig
mand persönlich im Ernst haftbar ist und persönlich Selbstinitiative zeigen, die ’unter Druck‘ (also ener-
Verantwortung trägt für das, was passiert und wie es gischen Anstößen und Aufforderungen) gut lernen.
passiert.“ Rumpf setzt dem eine Vorstellung von Ich kenne sogar einige Germanistikprofessoren, die
Unterricht entgegen, der es darum geht, zu lernen, gerne davon erzählen, wie unfreiwillig sie Deutsch
„Wirklichkeit zu berühren, sich von ihr berühren zu gelernt haben (weil die Englisch- oder Französisch-
lassen“. Lernen kann also auch als Korrektiv im klasse zu voll war zum Beispiel) und erst gegen Ende
gesellschaftlichen Wandel begriffen werden: Konkret- der Schulzeit ihre Begeisterung für diese Sprache
heit, soziales Lernen, Kreativität und Persönlichkeits- entdeckt haben. Es gibt andere Lernende, die aus
entwicklung wären Begriffe, die eine Korrektur von Anpassungsfreude, zum Beispiel um ihrem Lehrer
einseitig auf Kognition und Globalisierung, auf oder ihrer Lehrerin zu gefallen, sich zu guten Sprach-
Schlüsselqualifikationen ausgerichtete Vorstellung lernenden entwickeln. In manchen Fällen sind Men-
vom Lernen signalisieren. schen durch ihre Schulerfahrungen erst unselbständig
geworden (weil bislang Selbständigkeit nicht belohnt
1. Fremdsprachen werden in Schulen meist unfrei- wurde) oder sie bringen Sicherheitsbedürfnisse mit,
willig gelernt, eben weil sie auf dem Stundenplan die sie dazu führen, erst abzuwarten, „was verlangt

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wird“ – dies übrigens keineswegs nur in der Schule,


sondern auch in Erwachsenenkursen.
REZENSION
Ingrid Dietrich (Hrsg): Handbuch Freinet-Pädago-
4. Schließlich ist da noch die schwer zu klärende gik. Eine praxisbezogene Einführung. Weinheim
Frage der ’kulturellen Lerngewohnheiten‘: der auto- u. Basel: Beltz Verlag 1995. 308 S., DM 44,–.
nome Lerner, wie er im vorliegenden Heft konzipiert
wird, ist zunächst einmal ein Konstrukt westlicher In zahlreichen theoretischen wie praxisbezogenen Schriften
Zivilisation, die das Individuum und seine Eigentätig- haben Célestin und Elise Freinet ihre reformpädagogischen
keit positiv markiert. Kulturen, in denen Anpassung, Gedanken formuliert: „das Leiden an dem entfremdenden Cha-
die Einbindung des Einzelnen in die Gruppe im Vor- rakter des Lehrens und Lernens, … soziale Sensibilität für die
dergrund steht, vertragen sich damit nicht immer. Ich Kinder von Benachteiligten, … Zuhörenkönnen, Aufgreifen und
habe erst lernen müssen, dass das Chorsprechen im Fördern der Impulse, die von den Kindern und Jugendlichen
indonesischen Deutschunterricht zum Beispiel kein selbst kommen … “(S. 10 f). Der Erfolg der Freinet-Bewegung
Zeichen für methodischen Rückschritt ist, sondern – allein in der Bundesrepublik haben sich ca. 1500 Lehrerin-
erlaubt zu sprechen, ohne wegen der vielen Fehler nen und Lehrer den regionalen Freinet-Arbeitsgruppen ange-
sein Gesicht zu verlieren. schlossen – liegt in der Verbindung einer radikalen Schulkritik
mit praxisbezogenen Ideen, die es erlauben, mit kleinen Schrit-
Aber so einfach ist das mit diesen kulturellen Tradi- ten unter den gegenwärtigen Bedingungen von Schule an der
tionen auch wieder nicht: denn natürlich gibt es viel- Veränderung von Unterricht zu arbeiten. Viele Elemente, die
fach das Interesse, mit dem Deutschunterricht eben zum festen methodischen Bestand eines handlungsorientierten
auch andere kulturelle Formen und Verhaltensweisen Fremdsprachenunterrichts gehören; Klassenkorrespondenz,
kennen zu lernen, natürlich haben sich auch in 'Veröffentlichung‘ der Ergebnisse, ’direkte Kontakte‘ zur außer-
Asien, Afrika und Osteuropa die Kulturen längst und schulischen Lebenswelt, sind im Zusammenhang der Freinet-
spätestens seit dem Kolonialismus so gemischt, dass Pädagogik entstanden. Was wir heute mit 'Lernerorientierung'
solche ’Kulturalisierungen‘ nicht mehr zulässig sind. und 'autonomem Lernen' bezeichnen, basiert auf der Freinet-
Pädagogik: „das Recht der Schüler und Schülerinnen auf ihren
Die genannten Einwände wollen nicht als Gegenar- eigenen Lernprozeß und Lernrhythmus“, die Selbstorganisati-
gumente gegen die Stärkung der Rolle der Lernen- on des Lernens durch die Schülerinnen und Schüler, sind dort
den, die Förderung ihrer Eigentätigkeit verstanden nicht nur formuliert, sondern in Unterrichtstechniken umge-
werden. Es geht vielmehr darum, nicht blind zu wer- setzt (vg1. S. 27).
den gegenüber anders gearteten Lernkonzepten und Wer die Freinet-Pädagogik kennen lernen wollte, musste sich
Lernvoraussetzungen. Es geht auch darum, festzuhal- die einzelnen Arbeiten bislang mühsam zusammensuchen. Das
ten, dass Lerninhalte nicht beliebig sind, sondern vorliegende Handbuch bietet nun einen umfassenden Einblick.
dass wir Fremdsprachen unterrichten, weil die Aus-
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Im Anhang finden sich (in deutscher Übersetzung) die Grund-


einandersetzung mit Fremdheit, mit anderen Spra- satzerklärungen der französischen Freinet-Bewegung sowie eine
chen und Kulturen trotz aller Unbequemlichkeiten im Literaturübersicht, die die Schriften von Célestin und Elise Frei-
Hinblick auf das Zusammenleben in unserer Gesell- net, französische Arbeiten über die Freinet-Pädagogik sowie
schaft gelernt werden muss. Wir haben gerade erst deutsche Übersetzungen und Veröffentlichungen zu Freinet
begonnen, darüber nachzudenken, wie sich das ver- sorgfältig dokumentiert. Mit dem Stand von 1995 sind Kontakt-
binden lässt: mehr Selbständigkeit der Lernenden mit adressen der Freinet-Bewegung angegeben sowie Filme/Videos
der bei schulischem Sprachunterricht kaum zu ver- zur Freinet-Pädagogik.
meidenden Unfreiwilligkeit, die Förderung der Der Hauptteil des Buches aber besteht aus Beiträgen, die die
Eigentätigkeit, ohne dass diese in den Supermarkt Praxis eines an Freinet orientierten Unterrichts in den unter-
der Beliebigkeiten führt, sondern den manchmal ver- schiedlichsten Fächern darstellen. Zwei Beiträge betreffen direkt
unsichernden und oft unbequemen Auseinanderset- den Fremd- bzw. Zweitsprachenunterricht; „Freinet-Pädagogik
zungen mit Fremdem und Eigenem nicht aus dem und interkulturelles (Sprach-)Lernen“ (I. Dietrich, S 101–120)
Wege geht. und „Freinet-Pädagogik und Fremdsprachenunterricht“ (I. Die-
trich/W. Hövel, S. 218–240). Aber ich empfehle sehr, auch Beiträ-
ge aus anderen Unterrichtsfächern zu lesen, ergibt sich doch so
Literaturhinweise: eine konkrete Illustration der im Einleitungsbeitrag (S. 27–29)
zunächst einmal stichwortartig aufgelisteten ’Techniken‘ der
Europäische Kommission (Hrsg.): Lehren und Lernen. Auf dem Weg
zur kognitiven Gesellschaft. Weissbuch. Brüssel 1995. Freinet-Pädagogik. Eines unterscheidet die Freinet-Pädagogik
von mancher heutigen pädagogischen Konzeption. Ihr Aus-
Horst Rumpf: Wirklichkeiten berühren. Umrisse einer neuen Lern-
kultur. Rede auf dem GEW-Ost-West-Kongress Mai ‘95 (In: Fra-
gangspunkt ist die Vorstellung von Lernen als der „Entfaltung
gen und Versuche 77/1996, 8-22). von Bildung und Erziehung“ (vgl. S. 293 ff), die sich ihrer
gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist: Widerstand gegen
HANS-JÜRGEN KRUMM
Indoktrinierung und Diskriminierung gehören zu den auch für
den Fremdsprachenunterricht zentralen Fundamenten.
HANS-JÜRGEN KRUMM

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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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In der Reihe „Standpunkte zur Sprach- und Kulturvermittlung des Goethe-


Instituts“ erscheint im Juli 1997 Band 7: Michael Müller-Verweyen (Hrsg.):
Neues Lernen – Selbstgesteuert – Autonom
Beiträge in deutscher und englischer Sprache von: L. Dickinson, R. Kußler, D.
Little, S. Papaefthymiou-Lytra, A. Raasch, U. Rampillon, P. Schulze-Lefert, F. Viei-
ra, A. Wenden, D. Wolff. 187 S., ISBN 3-930220-30-X
Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis
des Bundespräsidenten 1996/1997: Das Goethe-Institut hat im Januar 1994 und im Mai 1995 zwei international
besetzte Werkstattgespräche zum Fremdsprachenlernen außerhalb des Klassen-
Vom Armenhaus zur Suchtberatung.
verbandes durchgeführt. Während es beim ersten vorwiegend um die Auslagerung
Zur Geschichte des Helfens
von Unterricht in Mediotheken oder in multimediale Netze ging, konzentrierte
(Entscheidung für die Preisträger im Herbst 1997) sich das zweite Werkstattgespräch auf das „Projekt Selbstlernsystem“ des Goethe-
Zum Thema des Schülerwettbewerbs gibt es wie- Instituts. In beiden Veranstaltungen sollte der Bereich des autonomen Lernens
der eine interessante Ausgabe von SPUREN SUCHEN. erkundet werden. Das Lernen der neuen Sprache wird – das ist die Überzeugung
Darin geht es zum Beispiel um Stifter und Spitäler, aller in diesem Band versammelten Autoren – immer mehr als ein Prozess ver-
um mittelalterliche Zucht- und Armenhäuser, um standen, dessen Erfolgskriterium im Subjekt, im Lernenden selbst, liegt.
Wohltätigkeitsvereine und Lebertranspeisung zum
Beginn des 20. Jahrhunderts und vieles andere mehr.
Zum Preis von DM 3,– zu beziehen bei: Körber-
Stiftung, Kampchaussee 10, D-21033 Hamburg. Deutsch als Fremdsprache im
INTERNET
Das INTERNET hat in „FREMDSPRACHE DEUTSCH“
schon längst einen festen Platz: In Heft 13 schrieben sich die
„E-mail-Freunde im Internet“ Briefe, in Heft 14 gab es erste
Hinweise auf interessante Adressen und in diesem Heft zeigt
das WWW erst so richtig, was es kann. Die Netz-Euphorie ist
groß bei den einen, der Frust nicht gering bei den anderen.
Den folgenden Stoßseufzer, den wir e-Mail-original hier
abdrucken, fischten wir aus dem Netz der Netze. Dem sym-
pathischen Wilhelm möchten wir auf diesem Wege dafür
© Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2018 - (www.fremdsprachedeutschdigital.de) - 29.10.2018 - 13:55 - (ds)

danken, daß er uns an die Realität vor Ort erinnert.

Graffiti – und kein Ende


In Heft 15 von FREMDSPRACHE DEUTSCH haben wir
Ihnen das neu gegründete „Institut für Graffiti-For-
schung“ (ifg) in Wien vorgestellt. Das Institut kann
sich freuen: Für 7. Juni hat die Stadt München zu
einem Graffiti-Wettbewerb „München im Jahr 2500.
Graffiti in aller Öffentlichkeit“ aufgerufen. Auf 150
speziell dafür ausgewiesenen Flächen dürfen die –
vorwiegend jugendlichen – Graffiti-Künstler sich aus-
toben, diesmal mit dem Segen der Stadt. Gesponsert
wird das Unternehmen unter anderen von Coca-Cola.
Damit „wollen wir innovative Kunst und Kultur
födern“, so ein Sprecher dieser Firma.

Wie sieht es denn an Ihrer Schule damit aus? Schreiben


Sie uns – wir berichten darüber!

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Fremdsprache Deutsch Sonderheft 1996 – Autonomes Lernen, ISBN 978-3-19-919183-4, © Hueber Verlag 2007
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Unsere Autorinnen und Autoren


Bruno Frischherz Dozent für Deutsch als Fremdsprache Leiter des oben genannten Instituts für
Institut für Deutsche Sprache an der Universität Fribourg; Lehrper- Deutsche Sprache; Ausbildung der
Universität Fribourg sonenfortbildner; verschiedene Veröf- Lehrkräfte für Deutsch als Fremdspra-
Criblet 13 fentlichungen. che; Veröffentlichungen zur Methodik-
CH-1700 Fribourg Didaktik Deutsch als Fremdsprache.
SCHWEIZ Maruska Mariotta
Dozent für Deutsch als Fremdsprache CH-6597 Agarone Hanne Thomsen
an der Universität Fribourg; Lehrper- SCHWEIZ Holmebuen 10
sonenfortbildner; verschiedene Veröf- Fachexpertin für Deutsch als Fremd- DK-2690 Karlslunde
fentlichungen. sprache an der Scuola Media im Tessin DÄNEMARK
(CH); (Mit-)Autorin von Lehrwerken Deutsch- und Englischlehrerin an
Susy Keller für Deutsch als Fremdsprache. einer dänischen Gesamtschule; be-
Via Roncaccio schäftigt sich seit 12 Jahren mit der
CH-6942 Savosa Martin Müller Entwicklung von Schülerautonomie
SCHWEIZ CLAC im Unterricht, dazu zahlreiche Veröf-
Fachexpertin für Deutsch als Fremd- Passage Cardinal 2 fentlichungen zum Thema; Lehrperso-
sprache an der Scuola Media im Tessin CH-1700 Fribourg nenfortbildnerin.
(CH); (Mit-)Autorin von Lehrwerken SCHWEIZ
für Deutsch als Fremdsprache. Dozent für Fremdsprachenlehreraus- Martin Thurnherr
bildung an der Universität Fribourg; CLAC
Michael Koenig Veröffentlichungen zum Thema „Neue Passage Cardinal 2
Querallee 29 Lernformen“; Planung und Organisa- CH-1700 Fribourg
D-34119 Kassel tion von Bildungsveranstaltungen und SCHWEIZ
DEUTSCHLAND Kongressen. Erwachsenen- und Lehrpersonenfort-
Dozent für Deutsch als Fremdsprache bildner; Konzeption, Umsetzung und
an der Gesamthochschule Kassel; Lehr- Dr. Claudio Nodari Evaluation von Bildungsprojekten;
personenausbilder; Mitautor verschie- Institut für Interkulturelle Dozent im multikulturellen Fremd-
dener Lehrwerke für Deutsch als Kommunikation sprachenunterricht.
Fremdsprache. Sumatrastr.1
CH-8006 Zürich Ulrika Tornberg
Dr. Beda Künzle SCHWEIZ Lövängsv. 34
© Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2018 - (www.fremdsprachedeutschdigital.de) - 29.10.2018 - 13:55 - (ds)

CLAC Dozent für Deutsch als Fremdsprache S-75655 Uppsala


Passage Cardinal 2 an der Eidgenössischen Technischen SCHWEDEN
CH-1700 Fribourg Hochschule Zürich; Projektleiter und Lektorin für Fremdsprachendidaktik
SCHWEIZ Mitautor von Lehrwerken; Lehrperso- am Zentrum für Didaktik der Uni-
Dozent für Linguistik und vergleichen- nenfortbildner; Mitbegründer des Insti- versität; Mitarbeiterin des Projekts
de Sprachwissenschaft an der Univer- tuts für Interkulturelle Kommunikati- STRIMS; Lehrwerkautorin für Deutsch
sität Fribourg; Planung, Management on (IIK) in Zürich. als Fremdsprache in Schweden; Leh-
und Evaluation von Projekten. reraus- und fortbildnerin.
Ute Rampillon
Dr. Michael Langner Apartendo J Lukas Wertenschlag
Institut für Deutsche Sprache E-07470 Pollensa/Mallorca CLAC
Universität Fribourg SPANIEN Passage Cardinal 2
Criblet 13 Lehrerfortbildnerin; Autorin zahlrei- CH-1700 Fribourg
CH-1700 Fribourg cher Publikationen zu den Themen SCHWEIZ
SCHWEIZ „Lerntechniken“, „Lernstrategien“, Dozent für Fachsprachen an der Uni-
Dozent für Deutsch als Fremdsprache „Selbstgesteuertes Lernen“; Mitheraus- versität Fribourg; Publikationen zum
an der Universität Fribourg; Lehrper- geberin der Zeitschrift „Der fremd- modernen Fremdsprachenunterricht;
sonenfortbildner; verschiedene Veröf- sprachliche Unterricht“. Erwachsenen- und Lehrpersonenfort-
fentlichungen. bildner.
Dr. Günther Schneider
Peter Lenz Institut für Deutsche Sprache
Institut für Deutsche Sprache Universität Fribourg
Universität Fribourg Criblet 13
Criblet 13 CH-1700 Fribourg
CH-1700 Fribourg SCHWEIZ
SCHWEIZ

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EVALUATIONSBLATT ZUR LEKTÜRE EINES KRIMIS, S. 33: ÜBERSETZUNG

Bin ich auch ein Sherlock Holmes?


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Ich gebe mir selbst Punkte für meine Antworten: ja = 2 Punkte; zum Teil = 1 Punkt; nein = 0 Punkte

Punkte Lösung:

Ich habe die Geschichte verstanden. 13-18 Punkte: Super!


Ich kann zufrieden, ja sogar sehr glücklich sein.
Ich habe alle Figuren in der Geschichte erkannt. Diese Übungen haben mir für das Verständnis am
Ich kann diese Figuren mit einigen Adjektiven charakterisieren. meisten geholfen: 1 2 3 4 5a 5b 6 7
7-12 Punkte: Gar nicht schlecht!
Ich habe verstanden, was die Personen in der Geschichte genau tun.
Aber ich habe noch einige Schwierigkeiten.
Ich kann mir den Ort bzw. die Orte der Handlung gut vorstellen. Bei diesen Übungen hatte ich die größten Schwierig-
Ich habe schon während der Lektüre verstanden, wer der eigentliche keiten: 1 2 3 4 5a 5b 6 7
Täter bzw. die Täterin (Dieb, Betrüger, Mörder ...) ist. 0-6 Punkte: Ich bin noch kein Sherlock Holmes!
Diese Übungen waren wirklich zu schwer für mich:
Gesamtzahl der Punkte: 1 2 3 4 5a 5b 6 7

Wie kann ich mein Leseverstehen verbessern?


Ich könnte
n die schwierigen Abschnitte noch einmal lesen
n den Text mit einem Partner/einer Partnerin besprechen
n das Wörterbuch benutzen
n die Lehrerin/den Lehrer fragen
n andere ähnliche Texte lesen
n Verben, Adjektive ... wiederholen
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