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EU/A-47180249
Draußen vor dem historischen Rathaus von Aachen standen sich bei eisiger Kälte
zwei kleine Gruppen von Demonstranten gegenüber, durch Polizei und
Absperrgitter säuberlich auseinander gehalten. Auf der einen Seite die
europafreundlichen Anhänger von "Pulse of Europe" mit ihren blauen
Luftballons, auf der anderen Seite überwiegend Franzosen in gelben Westen, die
gegen Staatspräsident Macron und - ihrer Meinung nach - zuviel Europa
demonstrieren. Mit Trillerpfeifen und lauten Sprechchören versuchten sich die
Demonstranten Gehör zu verschaffen. Im Kreuzgewölbesaal des Rathauses,
hinter schweren Mauern und Butzenglasscheiben, bekamen die Festredner von
den kleinen Gruppen auf dem Vorplatz nichts mit.
Im Saal waren sich alle einig, dass der neue Freundschaftsvertrag zwischen
Frankreich und Deutschland nicht nur die beiden Länder enger
zusammenschmieden wird, sondern auch der "wankenden" Europäischen Union
helfen werde, so Frankreichs Staatspräsident Macron. Man lebe in "besonderen
Zeiten", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es bedürfe "klarer, entschlossener
und zukunftsorientierter Antworten". Der zunehmende Nationalismus und
Populismus, auch der Brexit, setzten Europa unter Druck. In der Welt sei der
Multilateralismus in Gefahr, sagte die Kanzlerin mit Blick auf die USA.
"Selbstverständliches wird in Frage gestellt."
"Das ist natürlich Unsinn", sagte der Ministerpräsident des Saarlandes, Tobias
Hans, der Deutschen Welle. Die Kritik der Rechten sei nur der Versuch, die EU zu
diskreditieren. "Der Vertrag ist eine Riesenchance, die Freundschaft
auszubauen." Sein Bundesland, das an Frankreich grenzt, solle das erste wirklich
zweisprachige Bundesland werden, sagte der saarländische Regierungschef. Der
Vertrag müsse jetzt gelebt und in viele konkrete Projekte umgesetzt werden, zum
Beispiel im öffentlichen Nahverkehr, in gemeinsamen Kindertagesstätten oder
einheitlichen Verwaltungsvorschriften beiderseits der Grenzen.
Besser als Schule
2083 Städtepartnerschaften zwischen deutschen und französischen Gemeinden
gibt es inzwischen, 56 Jahre nach dem ersten Freundschaftsvertrag. Acht
Millionen Menschen haben an Austauschprogrammen des deutsch-französischen
Jugendwerkes teilgenommen. "Der Prozess ist unumkehrbar", sagte die
Bundeskanzlerin. "Aus Erbfeindschaft ist eine ewige Freundschaft geworden",
lobte EU-Komissionspräsident Juncker. Als Beispiel für konkrete
Zusammenarbeit waren neben den Ehrengästen Schulklassen des Sankt
Leonhard Gymnasiums in den Rathaussaal eingeladen worden. Die Schülerinnen
und Schüler der bilingualen Schule folgten den Reden auf Deutsch und
Französisch völlig selbstverständlich. "Es ist spannend, die Politiker mal live zu
sehen", meinte eine Schülerin der 11. Jahrgangsstufe. "Und immer noch besser
als Unterricht", fügte sie grinsend hinzu.