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5 Soziale Entschädigung*

5.1 Allgemeines

Kernstück der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden nach dem Sozialge-


setzbuch ist die Kriegsopferversorgung. Darunter ist die Gesamtheit der staatlichen
Leistungen zu verstehen, die nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des
Krieges (Bundesversorgungsgesetz 〈BVG〉) den Personen, die durch Krieg, militäri-
schen oder militärähnlichen Dienst gesundheitlich geschädigt worden sind, und den
Hinterbliebenen der infolge einer solchen Schädigung verstorbenen Personen er-
bracht werden (§1 BVG).
Schon frühzeitig begann die Umwandlung der inneren Struktur des BVG von einem
fürsorgerisch ausgestalteten Gesetz zu einem Entschädigungsgesetz, das den Ge-
sundheitsschaden und den dadurch bedingten beruflichen und wirtschaftlichen
Schaden des einzelnen in den Vordergrund rückte und seine Leistungen von der
Größe dieses Schadens abhängig machte. Bestätigung fand diese Entwicklung im
Jahre 1976 mit der Anerkennung eines Anspruchs auf soziale Entschädigung im §5
SGB I. Danach hat derjenige, der einen Gesundheitsschaden erleidet, für dessen
Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus
anderen Gründen nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen einsteht, ein Recht
auf
1. die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederher-
stellung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit und
2. angemessene wirtschaftliche Versorgung.
Ein Recht auf angemessene wirtschaftliche Versorgung haben auch die Hinterblie-
benen eines Geschädigten.
Ein Gesundheitsschaden wird nur dann entschädigt, wenn er eine bestimmte Ursa-
che hat, die im Gesetz näher bezeichnet ist. Die Beurteilung des ursächlichen Zu-
sammenhangs zwischen einer als Schädigungsfolge geltend gemachten Gesundheits-
störung und einem schädigenden Ereignis erfordert eine ärztliche Begutachtung.
Diese verlangt von dem Gutachter neben fundiertem medizinischem Wissen auch
Kenntnisse über die Inhalte der in diesem Rechtsbereich geltenden Begriffe.

5.2 Soziale Entschädigung nach dem BVG

Schädigungstatbestände nach dem BVG sind


! eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung,

* Unter Mitwirkung von Dr. med. Eberhard Losch, Frankfurt/M.

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Soziale Entschädigung nach anderen Gesetzen 55

! ein Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Diens-
tes,
! die dem militärischen oder militärähnlichen Dienst eigentümlichen Verhältnisse,
! eine unmittelbare Kriegseinwirkung (z. B. Einwirkung von Kampfmitteln,
Flucht),
! eine Kriegsgefangenschaft,
! eine Internierung wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszu-
gehörigkeit,
! offensichtlich unrechtmäßige Straf- oder Zwangsmaßnahmen im Zusammen-
hang mit militärischem oder militärähnlichem Dienst,
! ein Unfall als Beschädigter, Angehöriger eines Schwerbeschädigten, Hinterblie-
bener, Pflegeperson oder als notwendige Begleitperson eines Beschädigten bei der
Durchführung bestimmter Maßnahmen (z.B. Heilbehandlung, berufliche Rehabili-
tation) oder auf den damit verbundenen Wegen.
Zwischen dem militärischen Dienst und dem schädigenden Ereignis sowie zwischen
dem schädigenden Ereignis und der Gesundheitsstörung muss ein ursächlicher Zu-
sammenhang bestehen. Für den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwi-
schen dem schädigenden Ereignis und der Gesundheitsstörung lässt das Gesetz die
Wahrscheinlichkeit genügen.

5.3 Soziale Entschädigung nach anderen Gesetzen


Nach Erlass des BVG machten weitere Bundesgesetze die Leistungen dieses Geset-
zes zum Maßstab für Versorgungsansprüche aufgrund anderer Schädigungstatbe-
stände.
Dies sind:
Häftlingshilfegesetz (HHG), Soldatenversorgungsgesetz (SVG), Zivildienstgesetz
(ZDG), Infektionsschutzgesetz (IfSG), Opferentschädigungsgesetz (OEG), Straf-
rechtliches Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG), Verwaltungsrechtliches Rehabilitie-
rungsgesetz (VwRehaG).
Diese Gesetze mit ihren eigenen Schädigungstatbeständen verweisen hinsichtlich
der zu erbringenden Leistungen und ihrer besonderen Voraussetzungen auf die
entsprechende Anwendung der Vorschriften des BVG. Die danach zu erbringenden
Leistungen sind Leistungen des sozialen Entschädigungsrechts im Sinne des SGB I.
Im einzelnen erhalten Versorgung in Anwendung des BVG:
! Nach dem HHG Deutsche, die aus politischen Gründen nach der Besetzung ihres
Aufenthaltsortes oder nach dem 8. Mai 1945 in der sowjetischen Besatzungszone
oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin oder in den im Bundesvertriebenen-
gesetz genannten Vertreibungsgebieten inhaftiert worden sind und dadurch eine
gesundheitliche Schädigung erlitten haben. Ist der Beschädigte an den Folgen der
Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen Versorgung.

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56 Soziale Entschädigung

! Nach dem Dritten Teil des SVG Soldaten der Bundeswehr, die eine Wehrdienst-
beschädigung erlitten haben, sowie die Hinterbliebenen von ehemaligen Soldaten
der Bundeswehr, die infolge einer Wehrdienstbeschädigung verstorben sind. Wehr-
dienstbeschädigungen sind gesundheitliche Schädigungen durch Wehrdienstverrich-
tung, Unfälle während der Dienstausübung, wehrdiensteigentümliche Verhältnisse
und durch Unfälle bei der Durchführung bestimmter Maßnahmen sowie bestimmte
Wegeunfälle. Darüber hinaus kommen auch Schädigungen durch Angriffe auf den
Soldaten wegen seines pflichtgemäßen dienstlichen Verhaltens, wegen seiner Zuge-
hörigkeit zur Bundeswehr sowie Schädigungen durch gesundheitsschädigende Ver-
hältnisse oder bei Unruhen, Aufruhr oder Kriegshandlungen, denen der Soldat bei
seinem dienstlichen Aufenthalt im Ausland besonders ausgesetzt war, in Betracht.
! Nach dem ZDG Zivildienstpflichtige und deren Hinterbliebene. Die Vorschrif-
ten entsprechen weitgehend denen des Dritten Teils des SVG.
! Nach dem IfSG Impfgeschädigte oder durch andere Maßnahmen der spezifi-
schen Prophylaxe gesundheitlich Geschädigte oder deren Hinterbliebene. Geschützt
sind Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe, die
von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen wurden, aufgrund des
IfSG angerechnet wurden, gesetzlich vorgeschrieben waren oder aufgrund der Ver-
ordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchge-
führt wurden sowie bestimmte Impfungen außerhalb des Geltungsbereichs dieses
Gesetzes.
! Nach dem OEG Personen, die durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätli-
chen Angriff oder durch dessen Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten
haben, sowie die Versorgung der Hinterbliebenen schädigungsbedingt gestorbener
Gewaltopfer. Tätlicher Angriff ist jede in feindlicher Willensrichtung unmittelbar
auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung, ohne Rücksicht auf deren Er-
folg. Keine Rolle spielt dabei, ob der Angriff gegen den Geschädigten selbst oder
gegen eine andere Person gerichtet war. Vorsätzliches Handeln setzt nach dem Op-
ferentschädigungsgesetz nicht die Schuldfähigkeit des Handelnden voraus. Ein tät-
licher Angriff kann auch dann vorliegen, wenn der Täter, wie z. B. beim sexuellen
Missbrauch von Kindern, keine nennenswerte Kraft aufwendet, um den Wider-
stand des Opfers zu überwinden, sondern den Widerstand des Opfers durch Täu-
schung, Überredung oder sonstige Mittel ohne besonderen Kraftaufwand bricht
oder gar nicht erst aufkommen lässt.

Darüber hinaus stellt das Opferentschädigungsgesetz die vorsätzliche Giftbeibrin-


gung und die fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben durch ein
mit gemeingefährlichen Mitteln (z. B. Sprengstoff, Brandstiftung) begangenes Ver-
brechen dem tätlichen Angriff gleich.
Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz kommt nur in Betracht, wenn
die Schädigung im Bundesgebiet oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug
eingetreten ist. Entscheidend ist der Ort, an dem die Schädigung eintritt.

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Umfang der Versorgungsleistungen bei Gesundheitsschäden 57

! Nach dem StrRehaG Personen, die infolge einer rechtsstaatswidrigen Freiheits-


entziehung in der ehemaligen DDR eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben
und rehabilitiert wurden sowie ihre Hinterbliebenen, wenn der Betroffene an den
Folgen der Schädigung gestorben ist.
! Nach dem VwRehaG Betroffene, die infolge einer rechtsstaatswidrigen Verwal-
tungsentscheidung in der ehemaligen DDR eine gesundheitliche Schädigung erlitten
haben, und die Verwaltungsentscheidung aufgehoben wurde sowie ihre Hinterblie-
benen, wenn der Betroffene an den Folgen der Schädigung gestorben ist.

5.4 Umfang der Versorgungsleistungen bei Gesundheitsschäden

Nach §24 SGB I können als Versorgungsleistungen in Anspruch genommen wer-


den:
– Heil- und Krankenbehandlung sowie andere Leistungen zur Erhaltung, Besserung und
Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit einschließlich wirtschaftlicher Hilfen,
– besondere Hilfen im Einzelfall einschließlich Berufsförderung,
– Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit,
– Renten an Hinterbliebene, Bestattungsgeld und Sterbegeld,
– Kapitalabfindungen, insbesondere zur Wohnraumbeschaffung.
Es sind demnach auch in diesem Rechtsgebiet Sach- und Geldleistungen zu gewäh-
ren. Sachleistungen sind Heil- und Krankenbehandlung und teilweise die besonde-
ren Hilfen im Einzelfall, die anderen sind Geldleistungen.

5.4.1 Heil- und Krankenbehandlung


Heilbehandlung wird für Gesundheitsstörungen gewährt, die als Folge einer Schä-
digung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden
sind, ebenso für Gesundheitsstörungen, die im Sinne der Verschlimmerung als Fol-
ge einer Schädigung anerkannt sind. Umfassendes Ziel der Heilbehandlung ist es,
die Gesundheitsstörungen oder die durch sie bewirkte Beeinträchtigung der Berufs-
oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern, eine Zunahme des Leidens zu
verhüten, körperliche Beschwerden zu beheben, die Folgen der Schädigung zu er-
leichtern oder die Beschädigten möglichst auf Dauer in Arbeit, Beruf und Gesell-
schaft einzugliedern (§10 Abs. 1 BVG). Schwerbeschädigten (GdS mindestens 50)
wird Heilbehandlung auch für Gesundheitsstörungen gewährt, die nicht als Folge
einer Schädigung anerkannt sind (§10 Abs. 2 BVG).
Die Heilbehandlung umfasst (§11 BVG):
– ambulante ärztliche und zahnärztliche Behandlung,
– Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln,
– Versorgung mit Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprach-
therapie und Beschäftigungstherapie sowie mit Brillen und Kontaktlinsen,

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58 Soziale Entschädigung

– Versorgung mit Zahnersatz,


– stationäre Behandlung in einem Krankenhaus (Krankenhausbehandlung),
– stationäre Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung,
– häusliche Krankenpflege,
– Versorgung mit Hilfsmitteln,
– Belastungserprobung und Arbeitstherapie,
– nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen.
Krankenbehandlung wird auch dem Schwerbeschädigten für den Ehegatten und für
Kinder, den Empfängern einer Pflegezulage für die Pflegekräfte, sowie Witwen,
Waisen und versorgungsberechtigten Eltern gewährt. Sie umfasst Leistungen wie
die Heilbehandlung, außer Versorgung mit Zahnersatz. Sie wird nicht gewährt,
wenn ein Sozialversicherungsträger zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet
ist oder andere im Gesetz genannte Ausschlußvoraussetzungen vorliegen (§10 Abs.
7 BVG).
Zu den medizinischen Leistungen gehören auch Versehrtenleibesübungen (§§10,
Abs. 3, 11a BVG). Während der Heil- oder Krankenbehandlung hat der arbeitsun-
fähige Beschädigte Anspruch auf Versorgungskrankengeld. Der Berechtigte gilt als
arbeitsunfähig, wenn er wegen einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation
keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann (§16 BVG).

5.4.2 Besondere Hilfen im Einzelfall


Die Leistungen durch besondere Hilfen im Einzelfall (§ 24 SGB I) ergeben sich aus
den Bestimmungen des Abschnitts „Kriegsopferfürsorge“ des BVG (§§25 – 27
BVG). Anspruchsberechtigt sind Beschädigte und ihre Hinterbliebenen, wenn sie
wegen der Schädigung nicht in der Lage sind, trotz der übrigen Leistungen sowie
ihres sonstigen Einkommens und ihres Vermögens eine angemessene Lebensstellung
zu erlangen oder sich zu erhalten, bzw. wenn es unbillig wäre, von den Geschädig-
ten oder Hinterbliebenen den Einsatz ihres Einkommens zu verlangen.
Leistungen der Kriegsopferfürsorge sind:
– Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§26 und 26a),
– Krankenhilfe (§ 26b),
– Hilfe zur Pflege (§26c),
– Hilfe zur Weiterführung des Haushalts (§ 26d),
– Altenhilfe (§ 26e),
– Erziehungsbeihilfe (§ 27),
– ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 27a),
– Erholungshilfe (§ 27b),
– Wohnungshilfe (§ 27c),
– Hilfen in besonderen Lebenslagen (§ 27d).

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Umfang der Versorgungsleistungen bei Gesundheitsschäden 59

Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§26 BVG) haben den gleichen Um-
fang wie diejenigen der gesetzlichen Unfallversicherung (s. o. 2.5.2.2). Übergangs-
geld ist u.a. zu gewähren, wenn der Beschädigte wegen der Teilnahme an einer
Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben keine ganztägige Erwerbstätigkeit aus-
üben kann.
Erziehungsbeihilfen sind Waisen und Kindern von Beschädigten zu ihrer Erziehung
bzw. Ausbildung zu gewähren. Ergänzende Hilfen sind, unter entsprechender An-
wendung von Bestimmungen des SGB II und SGB XII, denjenigen Beschädigten und
Hinterbliebenen zum Lebensunterhalt zu leisten, die diesen nicht aus den übrigen
Leistungen des Gesetzes und ihren sonstigen Mitteln bestreiten können. Sonderfür-
sorge ist bestimmten Gruppen besonders schwer Beschädigter, so z. B. Kriegsblin-
den, Ohnhändern, Querschnittsgelähmten, Hirnbeschädigten zu gewähren (§ 27e
BVG).

5.4.3 Renten und andere Geldleistungen


Kennzeichnend für das Leistungssystem des Bundesversorgungsgesetzes ist, dass
sich die Versorgung je nach Umfang und Schwere der Schädigungsfolgen aus meh-
reren Rententeilen zusammensetzt und so in schweren Schadensfällen zu beachtli-
chen Leistungen kumulieren kann. Diese Rententeile, für die jeweils spezifische
Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, sorgen dafür, dass die im Einzelfall
gewährten Leistungen dem jeweiligen Bedarf angepasst sind. Im Rahmen der Be-
schädigtenversorgung sieht das Gesetz folgende Renten vor:
! die Grundrente einschließlich der Erhöhung für besondere berufliche Betroffen-
heit und der Alterserhöhung (§31 Abs. l BVG)
! die Schwerstbeschädigtenzulage (§31 Abs. 5 BVG)
! die Ausgleichsrente (§32 BVG)
! den Ehegattenzuschlag (§33 a BVG)
! den Kinderzuschlag (§33b BVG)
! den Berufsschadensausgleich (§30 Abs. 3 BVG)
! die Pflegezulage (§35 BVG)
! die Führzulage für Blinde (§14 BVG)
! den Pauschbetrag für Kleider- und Wäscheverschleiß (§15 BVG).
Abgesehen von der Ausgleichsrente, dem Ehegattenzuschlag, dem Kinderzuschlag
und dem Berufsschadensausgleich sind diese Leistungen einkommensunabhängig.
Grundrente erhalten Beschädigte von einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von
30 an. Diese ist von 10 zu 10 Graden bis zu einem Grad von 100 gestaffelt. Dabei
umfassen die höheren Zehnergrade jeweils auch einen um fünf Grad geringeren
Grad der Schädigungsfolgen. Ein Grad der Schädigungsfolgen um mehr als 90 be-

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60 Soziale Entschädigung

deutet Erwerbsunfähigkeit. Von der Vollendung des 65. Lebensjahres an wird die
Grundrente für Schwerbeschädigte erhöht.
Der Begriff „Grad der Schädigungsfolgen“ (GdS) hat im sozialen Entschädigungs-
recht den Begriff der „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ (MdE) als Maßstab für
den Leistungsumfang ersetzt. Nötig geworden war dies, da der Inhalt mehr und
anderes umfasste, als der Begriff anklingen ließ. Er ist – anders als im Recht der
gesetzlichen Unfallversicherung – im Gesetz definiert.
Diese Definition lautet (§ 30 Abs. 1 BVG): „Der Grad der Schädigungsfolgen ist
nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch
die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Ge-
sundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen … Vorü-
bergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend
gilt ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugend-
lichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei
Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt …“
Entschädigt werden also Auswirkungen in allen Lebensbereichen. Haben sich die
Schädigungsfolgen darüber hinaus besonders auf den vor der Schädigung nachweis-
bar angestrebten, begonnenen oder ausgeübten Beruf ausgewirkt, so ist der Grad
der Schädigungsfolgen höher zu bewerten (§ 30 Abs. 2 BVG).
Bei der Begutachtung waren bis Ende 2008 für die Einschätzung des GdS die vom
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen „Anhaltspunk-
te für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach
dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ zu beachten. Für diese war wieder-
holt von der Rechtsprechung das Fehlen einer verfassungskonformen Rechtsgrund-
lage beanstandet worden. Als Abhilfe ist nun zum 01. 01. 2009 die „Versorgungs-
medizin-Verordnung“ in Kraft getreten. Die Anlage „Versorgungsmedizinische
Grundsätze“ enthält die Grundlagen zur versorgungsmedizinischen Bewertung von
Schädigungsfolgen, zur Feststellung von GdS und GdB nach dem Teil 2 SGB IX
sowie die bislang schon aus den „Anhaltspunkten“ bekannten GdS/GdB-Tabellen,
die nahezu vollständig übernommen wurden. Die bisher in den „Anhaltspunkten“
in den Kapiteln 53 bis 143 niedergelegten „Kausalitätsbeurteilungen bei einzelnen
Krankheitsbildern“ wurden zwar nicht übernommen, behalten aber weiterhin Gül-
tigkeit als antizipiertes Sachverständigengutachten.
Die in den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ angegebenen GdS-Sätze un-
terscheiden sich mitunter von den weiter unten für den Bereich der gesetzlichen
Unfallversicherung vorgeschlagenen MdE-Werten. Sie beruhen in Eckpunkten auf
den in der Verwaltungsvorschrift Nr. 5 zu § 30 BVG festgelegten Mindestsätzen für
Körperschäden. Für den Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehinder-
tenrecht (Teil 2 SGB IX) gelten die in § 30 BVG (s. o.) genannten Maßstäbe entspre-
chend. Daher sind die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ auch der ärztlichen
Tätigkeit im Schwerbehindertenrecht zugrunde zu legen.

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Hinweise für die Gutachter 61

5.5 Aufbringung der Mittel

Die für die Versorgung erforderlichen Mittel werden je nach der Rechtsgrundlage
des Versorgungsanspruchs vom Bund bzw. den Ländern aufgebracht. Z.B. werden
Versorgungsleistungen nach dem BVG, SVG oder ZDG zu 100 v.H. vom Bund,
nach dem IfSG zu 100 v. H. vom Land erbracht. Im OEG trägt der Bund 40 v.H.
der Ausgaben, die den Ländern durch Geldleistungen entstehen.

5.6 Verwaltungsverfahren

Die Leistungen werden auf Antrag gewährt. Die Durchführung obliegt den Versor-
gungsämtern, die z. T. auch andere Bezeichnungen führen, wie z. B. Amt für Versor-
gung und Familienförderung, Amt für Familie und Soziales, Amt für Versorgung
und Soziales. Die Versorgungsbehörden sind Landesbehörden bzw. -dienststellen.
Sie unterstehen der Aufsicht der Minister und Senatoren für Arbeit und Soziales der
Länder.

5.7 Hinweise für die Gutachter

Wenn eine Entschädigung wegen der gesundheitlichen Folgen einer bestimmten


Schädigung beantragt ist, wird dem ärztlichen Sachverständigen die Frage nach
dem ursächlichen Zusammenhang gestellt. Zu dieser kann er sich nur äußern, wenn
die anspruchsbegründenden Tatsachen geklärt sind. Die Fakten, auf die sich die
Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs gründet, müssen bewiesen sein. Das
bedeutet, dass sie belegt sein müssen oder dass – wenn Belege nicht zu beschaffen
sind – zumindest nach den gegebenen Umständen die Überzeugung zu gewinnen ist,
dass es so gewesen ist. Allerdings räumt das Gesetz über das Verwaltungsverfahren
in der Kriegsopferversorgung (§ 15) hinsichtlich der mit der Schädigung im Zusam-
menhang stehenden Tatsachen, die eigentlich bewiesen sein müssen, eine Beweiser-
leichterung ein: Wenn Unterlagen nicht mehr vorhanden oder zu beschaffen sind
oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorenge-
gangen sind, sind die Angaben des Antragstellers der Entscheidung zugrunde zu
legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Zu den Fakten, die bewiesen sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die
gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung. Der schä-
digende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt, z.B.
ein KfZ-Unfall, eine Vergewaltigung, die Übertragung von Krankheitserregern, eine
Impfung oder besondere körperliche oder seelische Belastungen. Die gesundheitli-
che Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädi-
genden Vorgang, z. B. die Verletzung durch den Unfall, eine seelische Störung, die
Infektionskrankheit oder die Resistenzminderung durch Belastung. Die zu beurtei-

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62 Soziale Entschädigung

lende bleibende Gesundheitsstörung ist die Schädigungsfolge, wenn der ursächliche


Zusammenhang bejaht wird.
Zwischen dem schädigenden Vorgang und der Gesundheitsstörung muss eine nicht
unterbrochene Kausalkette bestehen, die mit den Erkenntnissen in der medizini-
schen Wissenschaft und den ärztlichen Erfahrungen in Einklang steht. Dabei sind
Brückensymptome oft notwendige Bindeglieder. Fehlen Brückensymptome, so ist
die Zusammenhangsfrage besonders sorgfältig zu prüfen und die Stellungnahme
anhand eindeutiger objektiver Befunde überzeugend wissenschaftlich zu begrün-
den.
Nach der im Versorgungswesen geltenden Kausalitätsnorm kommt es dann darauf
an, ob die Gesundheitsstörung als wesentliche Bedingung für den jetzt vorliegenden
Gesundheitsschaden anzusehen ist. Als wesentliche Bedingung gilt dabei der Um-
stand, der entweder den Eintritt des Erfolges allein bewirkt oder dem, wenn meh-
rere Umstände zu dem Erfolg beigetragen haben, gegenüber den anderen Umstän-
den eine zumindest annähernd gleichwertige Bedeutung zukommt. Eine solche Be-
dingung ist Ursache im Rechtssinne.
Für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Schädigung ist, genügt
versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit. Diese ist gegeben, wenn nach der gel-
tenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ur-
sächlichen Zusammenhang spricht. Beim Abwägen aller Umstände müssen die Ar-
gumente für einen ursächlichen Zusammenhang – also dafür, dass der relevanten
Schädigung für den Gesundheitsschaden gegenüber anderen Bedingungen zumin-
dest eine annähernd gleichwertige Bedeutung zukommt – gewichtiger sein, als die
Argumente dagegen. Die Entscheidung muss klar für oder gegen einen ursächlichen
Zusammenhang getroffen werden, einen Mittelweg gibt es nicht. Auch kann kein
Grundsatz „in dubio pro aegroto“ Anwendung finden!
Ist die Wahrscheinlichkeit im Einzelfall nicht gegeben, weil in der medizinischen
Wissenschaft Ungewissheit über die Ursache des festgestellten Leidens besteht, so
kann das Leiden mit Zustimmung des Bundesministers für Gesundheit und Soziale
Sicherung als Folge einer Schädigung anerkannt werden (§1 Abs. 3 Satz 2 BVG –
„Kannversorgung“). Für eine Reihe häufiger vorkommender Gesundheitsstörungen
mit unbekannter Ursache (z.B. Crohn-Krankheit, bestimmte Systemkrankheiten
des Nervensystems) ist diese Zustimmung unter bestimmten Bedingungen allgemein
erteilt worden. Bei weiteren, seltener vorkommenden Leiden oder bei Anerkennun-
gen im Sinne der Verschlimmerung ist eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich.
Ungewissheiten im Sachverhalt des Einzelfalles, die von der Ungewissheit in der
medizinischen Wissenschaft über die Ursachen eines Leidens streng zu trennen sind,
rechtfertigen die Anwendung der Kannvorschrift nicht.
Bei jeder Kausalitätsbeurteilung muss auch dargelegt werden, ob die zu beurteilen-
de Gesundheitsstörung durch das schädigende Ereignis hervorgerufen oder ver-
schlimmert worden ist, ob also eine Anerkennung im Sinne der Entstehung oder im

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Hinweise für die Gutachter 63

Sinne der Verschlimmerung vorgeschlagen wird. Die Anerkennung einer Gesund-


heitsstörung im Sinne der Entstehung setzt voraus, dass zur Zeit des schädigenden
Vorganges noch kein dieser Gesundheitsstörung zugehöriges pathologisches, physi-
sches oder psychisches Geschehen vorhanden war. Sofern ein solches Geschehen
aber zur Zeit der Einwirkung des schädigenden Vorganges, wenn auch noch nicht
bemerkt oder bemerkbar, vorhanden war, kommt nur eine Anerkennung im Sinne
der Verschlimmerung in Frage.
Von diesem Verschlimmerungsbegriff ist der zu unterscheiden, der als wesentliche
Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse im Sinne der Zunahme des Leidens-
umfanges zu verstehen ist und der eine Neufeststellung der Gesundheitsstörungen
erlaubt. Diese wesentliche Änderung im Ausmaß der Schädigungsfolgen liegt nur
vor, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten
hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung des „Grades der Schädi-
gungsfolgen (GdS)“ wenigstens 10 beträgt. Eine wesentliche Änderung liegt nicht
vor, wenn eine Gesundheitsstörung, ohne sich verändert zu haben, von den Gutach-
tern lediglich abweichend beurteilt wird.
Bei Begutachtungen im sozialen Entschädigungsrecht sind auch die Begriffe „Vor-
schaden“, „Nachschaden“, „Folgeschaden“ und „mittelbare Schädigungsfolge“ zu
berücksichtigen.
Ein Vorschaden ist eine schädigungsunabhängige Gesundheitsstörung, die bei Ein-
tritt der Schädigung bereits bestanden hat. Der Vorschaden ist nicht ohne Bedeu-
tung für die Einschätzung des schädigungsbedingten GdS. So kann gegenüber der
Beurteilung bei Nichtvorgeschädigten sowohl eine gleichhohe als auch ein niedrige-
rer oder höherer GdS in Betracht kommen, abhängig von der funktionellen Wech-
selwirkung zwischen dem Vorschaden und den Folgen der Schädigung.
Ein Nachschaden ist eine Gesundheitsstörung, die zeitlich nach der Schädigung
eingetreten ist und nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Schädigung steht.
Durch einen Nachschaden kann der schädigungsbedingte gesundheitliche Schaden
nicht in seinem Umfang erweitert werden, auch dann nicht, wenn er ein paariges
Organ betrifft, z.B. Verlust einer Niere schädigungsbedingt, GdS 25. Später schä-
digungsunabhängiger Verlust der anderen Niere. Die Schädigungsfolgen werden
unverändert mit einem GdS in Höhe von 25 bewertet, obwohl die Gesundheitsstö-
rung jetzt zusammen mit den Schädigungsfolgen zu besonderen Auswirkungen
führt, bei denen die Schädigungsfolgen eine gleichwertige oder sogar überwiegende
Bedeutung haben.
Von dem Nachschaden ist der Folgeschaden zu unterscheiden. Hierbei handelt es
sich zwar auch um eine Gesundheitsstörung, die zeitlich nach einer Schädigung
eingetreten ist; jedoch müssen hierbei die Schädigung und deren Folgen mit Wahr-
scheinlichkeit bei der Entstehung dieser neuen Gesundheitsstörung wesentlich mit-
gewirkt haben, sodass ein ursächlicher Zusammenhang mit der Schädigung besteht.
Der Folgeschaden, der somit eine weitere Schädigungsfolge darstellt, ist mit seinem

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64 Soziale Entschädigung

gesamten GdS zu berücksichtigen. Tritt ein solcher Folgeschaden erst viele Jahre
nach der Schädigung in Erscheinung, so spricht man auch von einem Spätschaden
(z.B. Kniegelenksarthrose nach in Fehlstellung verheilter Unterschenkelfraktur,
Entwicklung eines Cor pulmonale bei sekundärem Lungenemphysem nach Schwar-
tenbildung der Lunge oder einer Herzinsuffizienz nach langjährigem Bestehen eines
Herzklappenfehlers). Zwischen einer Änderung des als Schädigungsfolge anerkann-
ten Leidenszustandes und dem Eintritt eines Folge- oder Spätschadens lässt sich
oftmals kein klarer Trennungsstrich ziehen.
Alle primären Folgen einer Gesundheitsschädigung und ebenso das in der Eigenart
des Primärschadens liegende weitere pathologische Geschehen – also die Ver-
schlechterung in den Verhältnissen der Schädigungsfolgen und auch der Folgescha-
den – sind als unmittelbare Schädigungsfolgen anzusehen. Als mittelbare Schädi-
gungsfolgen werden demgegenüber Gesundheitsstörungen bezeichnet, die durch ein
äußeres Ereignis, das seine Ursache in einem schädigungsbedingten Leiden hat,
herbeigeführt worden sind (z. B. Sturz infolge Hypoglykämie bei als Schädigungs-
folge anerkanntem Diabetes mellitus). Die mittelbaren Schädigungsfolgen werden
versorgungsrechtlich wie unmittelbare Schädigungsfolgen behandelt.

Tipps
Versorgungsmedizinische Grundsätze: http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/
anlageband_bgbl108057.pdf
Rösner, N.: Das professionelle Gutachten – Besonderheiten im sozialen Entschädi-
gungsrecht und Schwerbehindertenrecht. MedSach (2008), 104(3): 111–114.
Ernst-Morr, Ratgeber zum Behindertenrecht und sozialen Entschädigungsrecht,
2008 (Boorberg).

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