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DIE ZEIT: Herr Grube, Ihre Großmutter war für ZEIT: Heute genau vor eineinhalb Jahren war Ihr
Sie immer ein großes Vorbild. Wenn sie wüsste, erster Arbeitstag als Bahnchef. Seither waren Sie Der Chef
dass Sie es vom Bauernsohn zum meistgehassten hauptsächlich mit Krisenmanagement beschäf-
Manager in Deutschland gebracht haben, wäre tigt: eine interne Datenaffäre, die Wirtschafts- Die Karriere von Rüdiger Gru-
sie stolz auf Sie? krise, Achsenprobleme beim ICE und, und, und. be, Jahrgang 1951, begann spät.
Rüdiger Grube: Das mit dem Bauernsohn stimmt. Würden Sie den Job noch mal antreten? Als der gelernte Flugzeugbauer
Das mit dem Manager nun wirklich nicht. Ich Grube: Ja, sofort. Wenn ich mir bewusst mache, und spätere Berufsschullehrer in
bekomme sehr viel Zustimmung, übrigens auch was wir in nur eineinhalb Jahren alles bewegt die Industrie wechselte, war er 38
von Menschen, die ich gar nicht kenne. haben, dann ermutigt mich das. Zum Beispiel Jahre alt. Bald leitete er bei der
ZEIT: Mal ehrlich, 2010 war doch ein rechtes die Technik-Krise: Als ich gekommen bin, war Dasa das Büro des späteren
Drecksjahr für Sie. noch nichts geregelt. Wir hatten keine Lösung Bahnchefs Hartmut Mehdorn.
Grube: Das würde ich so nicht sagen. Es hat viel- für den ICE 3, für den ICE T, für die Berliner 1996 holte ihn der damalige
mehr mit großen Herausforderungen begonnen, S-Bahn. Heute haben wir für alles eine Lösung. Daimler-Chef Jürgen Schrempp
mit den ausgefallenen Zügen im harten Winter, Wir haben außerdem Tausende von Bremsen in seine Strategieabteilung. Gru-
und ging mit defekten Klimaanlagen im Sommer und Achsen ausgewechselt. Wir haben einen be hat die Fusion von Daimler
weiter. Das war nicht schön, da haben Sie recht. Masterplan für die Technik und ein neues Quali- und Chrysler mit verhandelt,
ZEIT: Und dann noch der Massenprotest gegen tätsmanagement erarbeitet. Wir geben mehr als doch die »Welt AG« scheiterte
Stuttgart 21. Also doch ein Drecksjahr! eine halbe Milliarde Euro zusätzlich aus, um Ser- beispiellos. Als Daimler-Vor-
Grube: Stuttgart 21 beurteile ich anders. Dass vice und Sicherheit zu verbessern und um unsere stand war Grube auch Chef-
das ein großes Thema wird, habe ich kommen Fahrzeuge zu modernisieren. aufseher des Luftfahrtkonzerns
sehen, wenn auch nicht, dass die Sache so eska- ZEIT: Auf das Image der Bahn färbt das noch EADS. Im Mai 2009 wurde er
liert. Erst die massiven Proteste gegen den Abriss nicht ab. Finden Sie das ungerecht? Chef der Deutschen Bahn.
des Nordflügels am Stuttgarter Bahnhof, dann Grube: Na ja, die Welt ist so, wie sie ist. Im
dieser 30. September ... Grunde ist die Leistung der Bahn sehr gut. Aber
ZEIT: ... jener schwarze Donnerstag, an dem die wenn so etwas passiert wie das mit den Klima-
Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas gegen anlagen, dann ist alles Positive über Nacht weg.
Demonstranten vorgegangen ist. Empirische Untersuchungen sagen: Etwas Die Bahn
Grube: Das war nicht gut für das Projekt. Schlechtes wird sehr, sehr viel häufiger erzählt als
ZEIT: Sie reden darüber immer so rational, so etwas Gutes. Die Deutsche Bahn ist das letzte
distanziert. Die Gegner von Stuttgart 21 be- ZEIT: Dann erzählen Sie uns noch etwas Gutes. große Staatsunternehmen. Unter
schimpfen Sie, Sie werden ausgepfiffen, bespuckt Grube: Ende des Jahres wird die Bahn, gemessen dem Dach der DB AG sind das
und attackiert. Das kann doch nicht an Ihnen am Umsatz, fast wieder auf dem Stand von vor Schienennetz und die Bahnhöfe
abprallen! der Krise sein. Im Personenverkehr werden wir angesiedelt sowie die Bahntoch-
Grube: Was mich wirklich ärgert, ist, wenn mich sogar besser dastehen. In der Logistik hatten wir ter DB Mobility Logistics AG,
jemand Lügner nennt. Ich habe früh zu Hause zwischenzeitlich drei Milliarden Euro an Umsatz die den Personen- und Güterver-