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Deutschland

Mit der Unterschrift unter die „Bestä-


tigung“ bekennt sich Kahane zur „frei-
heitlichen demokratischen Grundord-
nung“. Darin sieht sie kein Problem. Ka-
hane hat sich aber auch verpflichten
müssen, „auf eigene Verantwortung dafür
Sorge zu tragen, dass die als Partner aus-
gewählten Organisationen, Referenten
etc.“ ebenfalls makellos sind. Dazu muss
sie künftig etwa im Verfassungsschutz-
bericht nachsehen, ob ihre Partner darin
aufgeführt sind, oder in der „Literatur“
nach Stellen fahnden, in denen ein Refe-
rent den Kommunismus vertritt.
Kahane hält das für Schnüffelei – und
für eine Zumutung. Voller Zorn hat sie
einen Kommentar unter ihre Verpflich-
tungserklärung geschrieben, zwölf eng
geschriebene Zeilen mit ausladender
Handschrift: „Grundsätzlich ist es nicht
Aufgabe freier Träger, die Überprüfung
Dritter auf Verfassungstreue zu vollzie-
hen“, schreibt sie. Eine „juristische und
verfassungsrechtliche Überprüfung“ die-
ser Regelung sei „dringend notwendig“.
Die Unterschrift und der Kommentar
Kahanes sind ein Dokument in dem Kul-
turkampf, der gerade zwischen zahlrei-
chen politischen Organisationen und Ju-
gendministerin Kristina Schröder (CDU)
tobt. Es geht um die Fragen, wer die Fein-
de der Demokratie sind, wie die Gesell-
schaft sich dagegen schützt und wie weit
sich der Staat dabei einmischen darf.
Auf der einen Seite stehen Organisa-
tionen wie Kahanes Amadeu-Antonio-
Stiftung, die gegen Extremismus, Intole-
ranz und Rassismus kämpfen. Sie arbei-
ten mit Spendengeldern, aber sie sind
HANS-CHRISTIAN PLAMBECK

auch auf Zuschüsse des Staats angewie-


sen. Zugleich achten sie darauf, dass der
Staat sich nicht zu sehr in ihre Angele-
genheiten einmischt. Sie sind misstrau-
isch, wenn ihre Unabhängigkeit gefährdet
Ministerin Schröder: Prinzipienstreit vom Zaun gebrochen scheint.
Auf der anderen Seite steht Kristina
Schröder. Sie kämpft ebenfalls gegen Ex-
FÖRDERGELDER
tremismus, Intoleranz und Rassismus.
Aber auch sie ist misstrauisch. Sie glaubt,

Feinde der Demokratie dass dieser Kampf in den vergangenen Jah-


ren ein wenig aus dem Ruder gelaufen ist.
Der Linksextremismus sei dabei ver-
nachlässigt worden, findet sie, und schlim-
Jugendministerin Schröder will Organisationen, die den Rechts- mer noch: Sie hegt den Verdacht, dass so
extremismus bekämpfen, nur noch fördern, wenn sie im eigenen manche Gruppe, die gegen Rechtsextre-
Umfeld nach Linksextremisten fahnden. Die Szene wehrt sich. mismus kämpft, selbst linksextremes Ge-
dankengut pflegt, zum Beispiel die So-

A
netta Kahane hat sich verpflichtet, mich zum Märtyrer machen und auf das zialistische Linke, eine radikale Unter-
zur Schnüfflerin zu werden, des Geld verzichten sollen?“ organisation der Linkspartei. Und sie
Geldes wegen. Die Vorstandsvor- Ihre Stiftung braucht schließlich jeden meint, dass es nur recht und billig ist, sol-
sitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung Euro, um sich in der ostdeutschen Pro- che Gruppen stärker unter die Lupe zu
hat dazu eine „Bestätigung“ des Bundes- vinz für Demokratie und Toleranz ein- nehmen.
jugendministeriums unterschrieben, aber zusetzen. Der Schwarzafrikaner Amadeu In Kristina Schröders Büro im Ministe-
es ist ihr nicht leichtgefallen. Antonio Kiowa wurde Ende 1990 in der rium riecht es noch nach Neubau. Die Mi-
Sie sagt, sie habe keine Wahl gehabt. brandenburgischen Provinz von Aus- nisterin weist auf die fast leeren Bücher-
Ohne die Unterschrift hätte ihre Stiftung länderfeinden erschlagen. In seinem Na- regale – eben eingezogen, so scheint es,
18 000 Euro Fördergeld für die geplanten men kämpft die Stiftung seit zwölf Jah- dabei sitzt sie schon seit einem knappen
„Aktionswochen gegen Antisemitismus“ ren gegen Rassismus und Rechtsextre- Jahr in dem modernen Bau an der Ber-
nicht bekommen, sagt sie. „Hätte ich mismus. liner Glinkastraße.
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Die Ministerin redet frei- scheut eigentlich die offene
mütig über den Prinzipien- Auseinandersetzung mit
streit, den sie in ihrem ers- dem Ministerium, er appel-
ten Amtsjahr vom Zaun ge- liert an die „politische Ver-
brochen hat. Sie fühlt sich nunft“ der Ministerin und
auf der Gewinnerseite. „Un- fürchtet um die „politische
sere Gesellschaft ist zu Kultur“ des gemeinsamen
Recht sehr sensibel gegen- Kampfs gegen den Extre-
über Rechtsextremismus, mismus.
aber sie neigt bisher dazu, Auch Anetta Kahane will
Linksextremismus und Isla- sich mit der neuen Linie des
mismus kleinzureden und Ministeriums nicht abfin-
zu verharmlosen“, sagt sie. den. „Da gibt es ein Miss-
„Das hat mich schon immer trauen gegen Projekte ge-
gestört. Die Proteste zei- gen Rechtsextremismus“,
gen“, sagt sie lächelnd, sagt sie. „Das bringt uns
„dass wir da einen wunden ohne Not in die Zeiten des

STEFAN PUCHNER / PICTURE ALLIANCE / DPA


Punkt treffen.“ Radikalenerlasses zurück.“
Schröder stammt aus Der Radikalenerlass, 1972
dem traditionell antikom- von Bundeskanzler Willy
munistischen CDU-Landes- Brandt und den Ministerprä-
verband Hessen. Für Politi- sidenten beschlossen, sah
ker aus dem linken Spek- vor, dass neue Beamte vom
trum ist Schröder deshalb Verfassungsschutz auf Ver-
eine Reizfigur, eine, die lässlichkeit geprüft werden.
Rechtsextremismus ver- Der Erlass führte zu fakti-
harmlose und einfach etwas Autonomen-Demonstration in München: Neuer Radikalenerlass schen Berufsverboten und
gegen Linke habe. „Minis- schuf ein Klima der Angst
terin Schröder schwächt ge- und Schnüffelei in West-
zielt die Arbeit gegen Nazis, deutschland.
Rassismus und Antisemitis- Die Gegner des Schröder-
mus“, behauptet der grüne Erlasses überlegen nun, ob
Abgeordnete Sven Kindler. sie gegen den Zwang zur
In ihrem ersten Amtsjahr „Bestätigung“ klagen sollen.
hat sie ihren linken Kriti- Sie sehen sich durch ein
kern manche Angriffsflä- Gutachten des Verfassungs-
chen geboten. Sie behaup- rechtlers Ulrich Battis bestä-
tete, dass es unter Migran- tigt, wonach der Text in Tei-
S. UEBERALL / BILDMASCHINE.DE

ten in Deutschland eine len „mit dem Grundgesetz


grassierende „Deutschen- nicht vereinbar“ sei.
feindlichkeit“ gebe. Sie Die Ministerin ist zuver-
warf jungen Frauen vor, sie sichtlich, dass sie am länge-
seien für ihre schlechteren ren Hebel sitzt. Ihr Ressort
Gehälter oft selbst verant- legt der Erklärung jetzt ein
wortlich, weil sie die fal- Neonazi-Aufmarsch in Dortmund: Wer schützt die Gesellschaft? vierseitiges Erläuterungspa-
schen Berufe ergriffen. Und pier bei; es ist ein Leitfaden,
dann richtete sie ein neues Programm zur Bekenntniszwang“, der zu einem Boykott der kein Entgegenkommen in der Sache
Bekämpfung von Linksextremismus und der „Demokratieerklärung“ aufrief. darstellt. In dem Text werden Antrag-
Islamismus ein. Im Dezember begehrte der Beirat des steller aufgefordert, zur Überprüfung
Anfangs hatten vor allem linke Grup- „Bündnisses für Demokratie und Tole- ihrer Partner die Verfassungsschutzbe-
pen die Härte Schröders erfahren, etwa ranz“ auf. Schröders Initiative sei „geeig- richte des Bundes und der Länder zu kon-
Solid, die Jugendorganisation der Links- net, das Klima zu vergiften und der ge- sultieren. Für ausgewählte Partner wer-
partei. Ihr will die Ministerin keinerlei meinsamen Sache zu schaden“, heißt es den Gedächtnisstützen formuliert: Wer
Bundesgelder zukommen lassen. Doch in dem zweiseitigen Brief des Beirats an Staatsgeld will, darf unter Umständen
seit dem Herbst fordert Schröder auch Schröders Parlamentarischen Staatssekre- mit der Linkspartei kooperieren, ganz
von Organisationen aus der Mitte des tär Hermann Kues (CDU). Die „Bestäti- sicher aber nicht mit deren Kommunis-
politischen Spektrums eine schriftliche gung“ halte man „nicht für praktikabel, tischer Plattform.
Garantie – und provoziert Protest. für rechtlich sehr bedenklich und nicht Schröder verfügt dieses Jahr über ins-
Im November weigerte sich das „Al- für zielfördernd“. gesamt 29 Millionen Euro für den Kampf
ternative Kultur- und Bildungszentrum Das Bündnis, ein Zusammenschluss gegen Extremismus. Geld, das die Stif-
Pirna“, in der Dresdner Frauenkirche den zahlreicher Initiativen gegen Extremis- tungen brauchen. Die Ministerin hat eine
Sächsischen Demokratiepreis entgegenzu- mus, wurde vor zehn Jahren von den Liste mit den 22 Organisationen zusam-
nehmen, der mit 10 000 Euro dotiert ist. Bundesministerien für Inneres und Justiz menstellen lassen, die ihre „Demokratie-
Für den Preis hätte die Organisation eine gegründet; vor ihrer Zeit als Ministerin erklärung“ bereits unterschrieben haben.
ähnliche Erklärung unterschreiben müs- war Kristina Schröder selbst Mitglied. An viertletzter Stelle steht die Ama-
sen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung. Christian Petry, Vorsitzender der Freu- deu-Antonio-Stiftung. Von Anetta Kaha-
Seitdem wächst der Ärger bundesweit. denberg-Stiftung und Initiator des Bei- nes handschriftlichem Vorbehalt findet
Zahlreiche Initiativen unterschrieben ei- rats-Briefes, hält Schröders Prüfvorschrift sich nichts in der Liste. Unterschrift ist
nen „Aufruf gegen Generalverdacht und für einen „Schnüffelparagrafen“. Petry Unterschrift. R��� B����

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