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Wie in Ägypten
Das äthiopische Regime verschärft mit Blick auf die Erfolge der Demokratiebewegung in Tunesien und Ägypten die
Repression gegen die Opposition. Regimekritische Medienvertreter berichten, sie würden erneut stärker bedrängt. So
wurde der bekannte Journalist Eskinder Nega unlängst von der Polizei festgehalten und verhört. Anlass war ein
Interview, das Eskinder dem US-Auslandssender Voice of America gegeben hatte; darin hatte er Parallelen zwischen
der Lage in Äthiopien einerseits und der Lage in Tunesien und in Ägypten vor dem Sturz der dortigen
Staatspräsidenten andererseits beschrieben.[1]
Menschenrechtsorganisationen weisen außerdem darauf hin, dass von regimenahen äthiopischen Medien gezielt
Informationen über die Demokratiebewegung in Nordafrika zurückgehalten werden.
Vor wenigen Tagen hat das Regime zudem die Bankguthaben zweier NGOs konfiszieren lassen.
Der Ethiopian Human Rights Council (EHRC) und die Ethiopian Women Lawyers Association (EWLA), beide
regierungsunabhängig und kritisch, können nun bei etwaigen Protesten nicht die Rolle spielen, die tunesische und
ägyptische Menschenrechtsorganisationen bei den Demonstrationen in ihren Ländern übernommen hatten.[2]
Gestreut werden überdies Gerüchte, das Regime in Addis Abeba habe in der Hauptstadt inzwischen Scharfschützen und
berüchtigte Sondereinheiten zur Aufstandsbekämpfung in Stellung gebracht.
Massaker
Militärpolitische Kooperation
Wie bereits 2005 reagiert die Bundesregierung auf die aktuelle Repression mit einer Ausweitung der
Zusammenarbeit.
2005 hatte Berlin gerade begonnen, die sogenannte Entwicklungshilfe für Addis Abeba gewaltig aufzustocken und
hunderte deutsche Fachkräfte nach Äthiopien zu senden - in "Schlüsselpositionen in Industrie und Verwaltung", hieß
es dazu bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ, heute GIZ).[5]
Tatsächlich hat die Bundesregierung seitdem ihre Einflussarbeit in dem ostafrikanischen Land stark ausgeweitet und
dabei auch die militärische Zusammenarbeit forciert. So trainierte die Bundeswehr mittlerweile weit mehr als 100
äthiopische Soldaten (german-foreign-policy.com berichtete [6]); die äthiopische Armee ihrerseits bildete im Auftrag
der Bundesrepublik somalische "Polizisten" aus, von denen es später hieß, sie seien an militärischen Gefechten in
Somalia beteiligt gewesen [7].
Die militärpolitische Kooperation wird nun, gänzlich ungeachtet der jüngst verschärften Repression, weiter
intensiviert.
Peacekeeping
Wie der Deutsche Bundestag mitteilt, haben sich Abgeordnete des Haushaltsausschusses vor wenigen Tagen in
Addis Abeba aufgehalten, um über die Aufnahme Äthiopiens in ein Programm sogenannter Ausstattungs- und
Demokratisierungshilfe zu verhandeln.
Bereits seit September 2010 ist eine Beratergruppe der Bundeswehr in Äthiopien aktiv; sie unterstützt die
Umstrukturierung der technischen Schule der äthiopischen Armee.
Die Zusammenarbeit wird, wie aus der Mitteilung des Deutschen Bundestages hervorgeht, zukünftig ausgeweitet
werden. Der Förderschwerpunkt des für das Jahr 2013 in Aussicht gestellten Programms solle "auf der Entwicklung
von 'Peacekeeping'-Fähigkeiten liegen", teilt der Bundestag mit.[8]
Damit gerät die Rolle, die Berlin den äthiopischen Streitkräften zugedacht hat - als gegebenenfalls in den
Nachbarstaaten intervenierende ("Peacekeeping") Ordnungsmacht in Ostafrika -, stärker in den Blick.
Statthalter
Tatsächlich zielt die deutsche Unterstützung für Addis Abeba, insbesondere ihre militärpolitische Variante, darauf
ab, Äthiopien als Statthalter westlicher Interessen am Horn von Afrika zu nutzen.
Das Land sei ein "unverzichtbarer Partner", um die dortige Lage unter Kontrolle zu halten, hieß es laut Wikileaks-
Dokumenten bei einem Treffen der Leiter der Afrikaabteilungen mehrerer westlicher Außenministerien im Jahr
2009, bei dem auch der Afrikabeauftragte des Auswärtigen Amts zugegen war.
Äthiopien gilt als stärkste Macht in Ostafrika, die das Potenzial besitzt, regionale Hegemonie auszuüben.[9]
Bei dem erwähnten Treffen wies der Afrikabeauftragte des Auswärtigen Amts darauf hin, dass das Land der
drittgrößte Empfänger deutscher Entwicklungshilfe sei, und er stufte Staatspräsident Meles Zenawi als jemanden
ein, "mit dem man Geschäfte machen kann".[10]
Diese Geschäfte betreffen auch das Vorgehen in Somalia, wo es mit Hilfe äthiopischer Militärinterventionen bislang
gelungen ist, die Etablierung eines antiwestlichen Regimes an den bedeutenden Seewegen aus dem Indischen Ozean
ins Mittelmeer zu verhindern.[11]
Zuletzt lud Berlin den äthiopischen Präsidenten zur diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz ein, um die Lage
am Horn von Afrika und eventuelle militärische Interventionen dort zu besprechen.
Solange Meles sich den westlichen Mächten als bereitwilliger Statthalter zur Verfügung stellt, wird die
Bundesregierung an der blutigen Repression seines Regimes ebenso wenig Anstoß nehmen wie an der
jahrzehntelangen Repression in Tunesien, Ägypten oder Libyen, die Berlin erst kritisierte, als die jeweiligen
Regierungen nicht mehr zu halten waren.
Auf diesen Zusammenhang setzt das äthiopische Meles- Regime bei der aktuellen Verschärfung seiner
Repression.
[1] Ethiopian Journalist Alleges Detention for Inciting Egypt-Style Protests; www.voanews.com 17.02.2011
[2] Ethiopia freezes bank account of human rights groups; www.ethiomedia.com 10.02.2011
[3] s. dazu Kein Platz für Menschenrechte
[4] s. dazu Inhärent rassistisch
[5] s. dazu Schlüsselpositionen und Berater
[6] s. dazu Diktatorenhilfe
[7] Fit für den Krieg mit deutschem Geld; www.taz.de 25.11.2010
[8] Delegationsreise des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages nach Äthiopien und Nigeria;
www.bundestag.de 09.02.2011
[9] s. dazu Regionale Hegemonialmacht
[10] Europeans Track U.S. on East Africa but Remain Reluctant to Sanction Eritrea; www.telegraph.co.uk
[11] s. dazu Interessen der Supermächte, Angemessene Beharrlichkeit und Ordnungsmächte
Könnt IHR mich HÖRN »»
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